Anpassung und Erweiterung der SMV-Tarifordnungen

Die Mindesttarife des SMV, die für die schweizerische Musikszene als Referenz gelten, wurden aktualisiert.

Die SMV-Tarifordnungen sind das Ergebnis einer sorgfältigen Berechnung, bei der zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden. Damit sie für die Musiker*innen realitätsnah bleiben und die beruflichen und gesellschaftlichen Veränderungen widerspiegeln, werden sie regelmässig angepasst. Die Tarife wurden bereits vor kurzer Zeit erhöht, um sie an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzugleichen. Letzthin wurde eine neue Version der Tarifordnungen mit überarbeitetem Wortlaut publiziert, die ab dem 1. September dieses Jahres gültig ist. Ausserdem wurden neue Tarife eingeführt, und zwar für kürzere Einsätze sowie für Ton- und audiovisuelle Aufnahmen von Ensembles bis zu 12 Musiker*innen (Tarife BK und CK, die ebenfalls Anwendung finden, wenn Proben und Konzerte aufgenommen oder gefilmt werden). Auf der Ebene der Entschädigungen und Spesen wurden ebenfalls zusätzliche Informationen eingebracht. Das PDF-Dokument mit den Tarifordnungen findet man auf der Website des SMV, wenn man auf «Dienstleistungen» und anschliessend auf «Tarife» klickt. Auf der gleichen Seite findet man die entsprechend aktualisierten Online-Tarifrechner, die sowohl für Musiker*innen als auch für Veranstalter*innen nützlich sind. Alle diese Tarifordnungen gelten übrigens für jeden Musikstil, nicht nur für klassische Musik.

Einmal mehr muss man in Erinnerung rufen, wie wichtig die Festlegung von Mindesttarifen für die Verhinderung von Lohndumping ist. Niemand käme auf die Idee, einen Ingenieur oder eine Lehrerin mit Uni-Abschluss unterzubezahlen, obwohl ihr Verdienst oft mindestens das Doppelte desjenigen eines freischaffenden Berufsmusikers (oder -musikerin) ausmacht. Letztere verfügen sowohl über künstlerisches als auch handwerkliches Können auf hohem Niveau und haben eine Hochschulausbildung durchlaufen, oft noch mit einer zusätzlichen Spezialisierung. Daher stellen die vom SMV festgelegten Tarife das Mindestmass einer fairen Entschädigung für musikalische Dienstleistungen bei fallweiser Verpflichtung dar und müssten von allen Konzert- und Projektveranstalter*innen berücksichtigt werden.

Arbeit und Gesundheit

Zu viele Arbeitnehmer*innen leiden unter Stress und gesundheitlichen Problemen.

Im Jahr 2000 hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft eine Studie zum Thema Stress veröffentlicht, aus der hervorging, dass sich etwas mehr als ein Viertel der schweizerischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oft oder sehr oft gestresst fühlte. Die Situation hat sich seither kaum verbessert, denn die jüngste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen liefert besorgniserregende Zahlen: In der Schweiz liegt der Anteil der Arbeitnehmer*innen, die einerseits unter Termindruck leiden und andererseits das Arbeitstempo als oft oder immer hoch empfinden, bei 51,6 bzw. 58,5 %. Was die Gesundheit betrifft, verspüren nicht weniger als 54,9 % der Arbeitnehmer*innen Muskelschmerzen in den oberen Gliedmassen und im Nacken; 47,5 % beklagen sich ausserdem über Kopf- und Augenschmerzen und 45,8 % über Rückenschmerzen. Darüber hinaus sind 20,61% am Ende ihres Arbeitstages oft oder immer körperlich erschöpft, 4 % oft oder immer emotional erschöpft, und bei 9,2 % trifft beides zusammen. 23,2 % geben überdies an, dass ihre Arbeit ihre Sicherheit oder ihre Gesundheit gefährdet. Im Bereich der Gesundheit liegen diese Resultate in der Regel gerade leicht unter dem europäischen Durchschnitt, aber Faktoren wie der Zugang zur medizinischen Versorgung, auch im paramedizinischen Bereich, die wirtschaftliche Stabilität und die  gute Beschäftigungslage dürften die Schweizer Resultate positiv beeinflussen. Dass ein reiches Land wie die Schweiz bezüglich der Gesundheit der Lohnabhängigen nicht besser dasteht, ist eher enttäuschend. Umso wichtiger ist es, eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der strukturellen Rahmenbedingungen zu verhindern, damit sich die Situation nicht noch verschlimmert. Die eidgenössischen Wahlen in diesem Herbst werden besonders entscheidend sein, besonders was den Ständerat betrifft. Gewisse politische Kräfte sind nicht nur nicht daran interessiert, das geltende Arbeitsrecht zu verbessern, sondern ihre Vertreter streben im Gegenteil trotz der Flexibilität des geltenden Gesetzes einen schrittweisen Abbau an, obwohl eine klare Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit unerlässlich ist für das körperliche und geistige Wohlbefinden der Arbeitnehmer*innen.

Delegiertenversammlung bei Ausflugswetter

Dass die Delegiertenversammlung des SMV nur eine Stunde dauerte, ist kein Zeichen dafür, dass es keine Probleme gibt, sondern dafür, dass die schweizerische Musikergewerkschaft ein gut geführter Verband ist, über dessen Jahresberichte und Budgets nicht diskutiert werden musste.

Bei schönstem Sommerwetter fand die diesjährige Delegiertenversammlung des SMV im altehrwürdigen Hotel «Schweizerhof» in Luzern statt. Die Genfer Co-Präsidentin Muriel Noble begrüsste die Delegierten und einige Gäste. Der Co-Präsident der Luzerner Sektion Iwan Jenny erinnerte kurz an die aussergewöhnliche Geschichte des 1845 eröffneten Hauses, das sich nach wie vor in Luzerner Familienbesitz befindet und in dem viele bedeutende Persönlichkeiten wie Richard Wagner ein- und ausgegangen sind. Ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte des Hotels waren die Friedensverhandlungen nach dem Sonderbundskrieg, dem letzten Krieg auf Schweizer Boden. In der Tatsache, dass das Luzerner Hotel alle Krisen gemeistert hat, sieht Jenny ein Sinnbild für eine optimistische Sicht auf die Zukunft. In Luzern ist ja im Moment der künftige, nicht unumstrittene Theaterumbau das dominierende kulturelle Tagesgespräch.

Gabriela Medici, die Zentralsekretärin des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, hielt in ihrem Grusswort fest, dass – kurz nach dem feministischen Streik noch sehr aktuell – für Frauen eine gute Ausbildung nicht unbedingt zu einem guten Lohn führen muss. Sie meinte aber, dass bürgerliche Politikerinnen bei gewissen Themen wie dem Mutterschutz mitarbeiten werden, obwohl sie sich vom feministischen Streik distanziert haben. Medici rief in Erinnerung, dass «Mehr arbeiten für weniger Geld» im Parlament bedauerlicherweise favorisiert wird, obwohl drei Jahre hintereinander die Reallöhne gesunken sind. Rentner*innen seien besonders bedroht, da die 2. Säule die Teuerung nicht abdecke und dadurch viel Kaufkraft verloren gehe. Sie stellte fest, dass es den Pensionskassen gut geht, nicht aber den Pensionierten. Grosse Hoffnungen setzt sie in die kommenden drei Volksabstimmungen über Rentenfragen, z. B. über eine 13. AHV-Monatsrente. Auch der feministische Streik vom 14. Juni war für Medici ein Lichtblick.

Nach einer Schweigeminute für die verstorbenen Mitglieder wurden das Protokoll der DV 2022, die Tätigkeitsberichte der Sektionen, der FIM und die Rechnungsablage des SMV angenommen. Die Geschäftsprüfungskommission stellte der Verwaltung des SMV ein ausgezeichnetes Zeugnis aus, dem Zentralvorstand und dem Zentralsekretär wurde die Décharge erteilt. Auch das Budget 2023 wurde einstimmig angenommen. Ebenfalls akzeptiert wurden die Überführung der Sterbekasse in die SMV-Stiftung sowie die Revision des Spesenreglements.

Der Co-Präsident Davide Jäger berichtete über die Präsidentenkonferenz, die unter anderem eine Revision der Tarifordnung guthiess, die die Vergütung von Kurzeinsätzen wie Gottesdiensten oder Beerdigungen festlegt, die bisher nicht erfasst wurden. Die Sektionsbeiträge für Freischaffende wurden harmonisiert, was bisher die Anmeldung für SMV-Neumitglieder komplizierte. Eine mögliche Fusion mit Sonart konnte noch nicht abschliessend diskutiert werden. Eine ausserordentliche Konferenz zu diesem Thema ist geplant.

Die Delegierten konnten das frühe Ende der Versammlung für weitere willkommene informelle Diskussionen unter den Mitgliedern der verschiedenen Sektionen nutzen.

Das Protokoll dieser DV wird auf der Website des SMV veröffentlicht und kann auch im Zentralsekretariat eingesehen werden.

Lohnschutz in Gefahr

Für die Schweiz sind geregelte Beziehungen zur EU von grosser Bedeutung. Der Bundesrat hat aber im Mai 2021 die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen für gescheitert erklärt.

Auch für Musiker*innen ist ein Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU von fundamentalem Interesse. Das Studium junger Schweizer*innen in der EU und die Stellensuche in einem EU-Land könnten bei einer Eiszeit in den Beziehungen erschwert werden.

Sondierungsgespräche mit der EU

Das Ende des unwürdigen Saisonnierstatuts und die Einführung der Personenfreizügigkeit mit wirksamen Flankierenden Massnahmen waren grosse Schritte, für die die Gewerkschaften gekämpft haben. Das Rahmenabkommen von 2018 hätte hingegen den Lohnschutz und den Service public verschlechtert. Deshalb hat sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) dagegen ausgesprochen. Die EU drängte seit 2019 auf die Unterzeichnung des Abkommens. Nachdem weitere Verhandlungen nicht zu den von der Schweizer Seite geforderten Änderungen führten, wurden die Gespräche vom Bundesrat einseitig beendet. Der Bundesrat hat sich danach für einen Neustart entschieden und Sondierungsgespräche mit der EU geführt. Die bisherige Entwicklung bei diesen Gesprächen ist besorgniserregend. Der SGB schlägt Alarm. An seiner Delegiertenversammlung hielt der SGB fest, dass der Lohnschutz die Voraussetzung dafür ist, dass eine Öffnung gegenüber der EU den Arbeitnehmern nützt. Er hat sich deshalb in Gesprächen mit Bundesrat, Arbeitgebern und Verwaltung dafür eingesetzt, dass die Probleme beim Lohnschutz gelöst werden. Ausser Verschlechterungen liegt aber bis heute nichts Verbindliches auf dem Tisch. Die Schweizer Arbeitsbedingungen und der Service public sind in Gefahr. Die Flankierenden Massnahmen müssen verbessert und nicht verschlechtert werden.

Eine Resolution der Delegiertenversammlung

An seiner Delegiertenversammlung verabschiedete der SGB eine Resolution, die unter anderem folgende Schwerpunkte setzt:

  • Der SGB setzt sich für eine soziale, offene Schweiz ein und anerkennt die grosse Bedeutung der EU für die friedliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa. Er unterstützt die Öffnung gegenüber der EU grundsätzlich.
  • Der Lohnschutz und der Service public sind bisher nicht gesichert. Dies ist umso gefährlicher, weil es in der Schweiz Kräfte gibt, welche die Diskussionen mit der EU dafür missbrauchen, ihre Liberalisierungsprogramme durchzudrücken.
  • Beim Lohnschutz sind sowohl der paritätische GAV-Vollzug als auch wichtige Instrumente wie die Dienstleistungssperre und die Kaution nicht verbindlich abgesichert. Der Lohnschutz ist in den letzten Jahren durch die stärkere Verbreitung von Subunternehmen und Temporärarbeit anspruchsvoller geworden. Die Basis der Schweizer GAV erodiert nach und nach. Temporärarbeitende haben nach wie vor weniger Rechte als Festangestellte.
  • Einer Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie, also der Personenfreizügigkeit, steht der SGB grundsätzlich positiv gegenüber. Sie bedeutet eine rechtliche Besserstellung der Arbeitnehmenden aus dem EU-Raum.
  • Die Übernahme der EU-Spesenregelung und die totale Marktöffnung für Strom und den öffentlichen Verkehr lehnt der SGB ab.
  • Der Abschluss eines Abkommens im Bereich der öffentlichen Gesundheit wäre für die Schweiz positiv, dürfte aber nicht zu einer Reduktion der öffentlichen Subventionen im Gesundheitswesen führen.
  • Der SGB unterstützt die Kohäsionsbeiträge an die EU, die auch erhöht werden können. Sie sind ein wichtiges, solidarisches Instrument, um die Unterschiede bei den Einkommen in Europa zu reduzieren. Positiv wäre auch, wenn die sistierten Kooperationsprojekte der Schweiz mit der EU rasch wieder weitergeführt würden. Die Schweiz und die EU haben ein grosses gemeinsames Interesse an einer engen Zusammenarbeit in der Forschung, in der Kultur und in der Bildung.

Für den SGB ist klar, dass ein Verhandlungsmandat des Bundesrates diese genannten Punkte beinhalten muss.

Feministischer Streik vom 14. Juni 2023

« Die Rechte der Frauen sind nach wie vor in Gefahr. Seien Sie auf der Hut, aufmerksam, kämpferisch; lassen Sie keine Geste, kein Wort und keine Situation zu, die Ihre Würde untergräbt. Die Ihre und die aller Frauen.» (Gisèle Halimi, Anwältin und Autorin)

Es ist doppelt so schwierig, als Frau in einem so hart umkämpften Umfeld wie der künstlerischen Welt zu bestehen als für einen Mann in der gleichen Situation.

Unter die Lupe genommen und beurteilt

Erstens wird eine Frau unaufhörlich unter die Lupe genommen und beurteilt. Da ich Opfer eines Übergriffs war, habe ich zu meiner grossen Bestürzung die schädlichen Spiele und den Machtmissbrauch selbst erleben «dürfen», eine Macht über die Frauen, welche die Männer um jeden Preis zu behalten versuchen, um es ganz klar zu machen, dass die Frauen nie ebenbürtig sein können. Das ist umso auffallender, wenn man eine freischaffende Musikerin ist, die auf eine Beschäftigung angewiesen ist und wo der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, auszuwählen, abzulehnen, zu bevorzugen oder einer Karriere zu schaden. Die Künstlerin wird ständig gemustert, sei es wegen der Länge des Jupes, der Farbe ihrer Schuhe, der Höhe ihrer Absätze oder des hübschen Gesichts (zu viel oder zu wenig Make-up, das Volumen ihrer Haare…) und wird oft, ohne dass sie sich darüber beklagen kann, mit anderen noch wesentlich unangenehmeren sexistischen Bemerkungen und Gesten konfrontiert, die ein schädliches Klima schaffen. Daher ist das Ablehnen von Annäherungsversuchen oder die Anprangerung eines Machtmissbrauchs immer noch gefährlich für die weitere Karriere, und das sogar auch fünf Jahre nach #MeToo.

Wenn man ein Opfer ist, und obwohl das Opfer in Wirklichkeit nie schuld ist, überkommt einen eine ungerechtfertigte Scham. Weil man denkt, dass man in einem bestimmten Moment schwach war und es «geschehen liess», raubt uns der Übergriff unsere Kraft und unsere eigene Macht und lässt uns verwirrt, sprachlos, schockiert und gelähmt zurück und ohne dass wir wissen, wie wir reagieren sollen. Lucile Quillet, Schriftstellerin und Journalistin, erklärt diesen Mechanismus sehr treffend: Weil wir vor allem nicht «Opfer eines Übergriffs» sein wollen, gibt es den Reflex, die Situation kleinzureden und zu denken, dass, wenn man sie «toleriert», wir immer noch eine gewisse Macht über uns selbst haben. Das Hirn schafft so eine Situation, die leider nicht von langer Dauer sein kann, indem es sich sagt: «Das ist nicht schlimm. Das war nicht absichtlich. Es lohnt sich nicht, daraus eine grosse Geschichte zu machen…». Man muss deshalb absolut damit anfangen, einen Übergriff als das zu erkennen, was er ist, um keinen weiteren mehr zu erleiden. Vergessen wir niemals, dass ein Übergriff uns nicht in Frage stellt und unsere Qualitäten nicht anzweifelt. Das ist eine schwierige Aufgabe, aber sie verhindert unsere Zukunft nicht… und es geht vorüber.

Ethische Leitlinien

Zu diesem Zweck ermutige ich alle kulturellen Institutionen und Veranstaltungsorte, vor Ort aktiv zu werden und klar sichtbare, detaillierte ethische Leitlinien bekannt zu geben. Es wäre wünschenswert, dass sie Werkzeuge werden, um die Grenzen – die für jede und jeden unterschiedlich sein können – aufzuzeigen, und was akzeptabel ist oder nicht. Auf diese Weise sollte im Hinblick auf die Gleichbehandlung jede Form von Diskriminierung verschwinden, und es sollte als erste Priorität Rücksicht auf die physische und geistige Gesundheit von jeder und jedem genommen werden. Empathie und Wohlwollen sollten zu einer Grundregel des Zusammenlebens werden. Ausserdem sollte gewaltfreie Kommunikation eine Gewohnheit werden, und die Gefühle von jeder und jedem sollten respektiert werden, und es sollten sich alle ihrer Denkweisen und -gewohnheiten bewusst werden: « Was ist meine persönliche Meinung und entspricht sie meinen Überzeugungen? Oder was wiederhole ich, ohne nachzudenken, weil es mir die Gesellschaft eingeflüstert hat?» Es ist wichtig, dass die Aussagen von Missbrauchsopfern nicht mehr in Zweifel gezogen werden, egal welche Art des Missbrauchs sie betreffen, und ihnen geglaubt wird, weil sie viel zu verlieren haben, wenn sie reden. Man sollte auch erkennen, dass Ablehnung so stark empfunden werden kann, dass sie direkt in eine Depression führen kann, und auch, dass Freundlichkeit als wichtige Eigenschaft betrachtet werden soll und nicht als Schwäche. Kurz gesagt geht es darum, die Gleichheit, die Sicherheit, den Respekt und die Selbstverwirklichung aufzuwerten. Es wäre ebenfalls ratsam, in diese Leitlinien ein Verfahren für den Fall eines Missbrauchs aufzunehmen, das festlegt, dass man sich intern an die Personalvertretung oder an die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt wenden soll oder extern an die Kantonale Arbeitsinspektion oder Ihre Gewerkschaft, den SMV. Alle diese Dienstleistungen sind kostenlos!

Schwesterlichkeit/Frauensolidarität

Zweitens wird eine Frau nicht auf die Unterstützung durch ihre Schwestern zählen können. Man muss die Schwesterlichkeit – oder die Frauensolidarität, um einen etwas geläufigeren Ausdruck zu verwenden – trotzdem nicht für eine naive Utopie halten. Sogar in der Musikwelt, in der die Konkurrenz sehr stark ist, kann meiner Meinung nach die Schwesterlichkeit funktionieren und ein starkes Gegenmittel gegen Sexismus sein, der von Natur aus teilt und herrscht. Sie stellt eine Macht dar, eine Praxis und ein solides Fundament, um gemeinsam stärker zu werden.

Leider ist es der Reflex jeder Minderheit, das, was uns gleicht, als die direkteste Konkurrenz zu betrachten. Wir müssen das erkennen und nicht die bekannten männlichen Verhaltensmuster übernehmen (beispielsweise, bereitwillig über sexistische Witze zu lachen), um als zugehörig zu gelten und zu versuchen, auf Kosten der anderen Frauen, in einer Hierarchie aufzusteigen, die von patriarchalem Verhalten beeinflusst ist. Man muss den Mythos vom «Zickenkrieg», der mit der weiblichen Rivalität in Verbindung gebracht wird, durch die Bewusstmachung und die Analyse der kleinen alltäglichen Reflexe und Gesten abbauen und der eigenen Unsicherheit ins Auge sehen: Man sollte die anderen Frauen nicht als Rivalinnen sehen, da sie sich im Gegenteil als Verbündete erweisen können! Amina Sow spricht von einer Theorie der Ausstrahlung: «Was einer Frau zugute kommt, davon profitieren indirekt auch die anderen.» Wenn man also eine Frau kritisiert, kritisiert man sich selbst; wenn man die Arbeit einer anderen Musikerin sabotiert, schwächt man seine eigene Position.

Wenn man im musikalischen Umfeld seine Erfahrung zum Beispiel als Mentorin teilt, ist das eine grossartige Sache und viel sachdienlicher, als die neue Kollegin «sich abmühen zu lassen, wie ich es einst musste». Die Schwesterlichkeit wird es ermöglichen, der Ungleichheit und dem Sexismus entgegenzutreten, zu entscheiden, gemeinsam zu handeln und sich für die Gleichstellung einzusetzen.

Mit einem Wort, wie ich weiter oben geschrieben habe, ist das musikalische Umfeld doppelt schwierig für eine Musikerin, zum einen wegen des Machtmissbrauchs, den sie erleidet, und zum anderen wegen der mangelnden Unterstützung durch andere Frauen. Die Männer werden nie aufgrund der Länge ihrer Jeans beurteilt, und die männliche Solidarität war schon immer sehr stark. Zusammenstehen, uns vereinigen, uns unterstützen, uns zuhören und sich Ratschläge erteilen: alle diese Macht ist in unseren Händen! Der Text der Schriftstellerin Chloé Delaume fasst das alles gut zusammen: «Die Schwesterlichkeit ist eine Haltung. Man soll nie absichtlich einer Frau schaden, nie eine Frau öffentlich kritisieren, nie die Verachtung einer Frau provozieren. Die Schwesterlichkeit schliesst ein, ohne Hierarchie oder Erstgeburtsrecht. Die Schwesterlichkeit ist wie ein Lebensethos.»

Ich wünsche mir, dass diese Schwesterlichkeit am 14. Juni 2023 in allen Herzen der Frauen wohnt!

Muriel Noble, Co-Präsidentin des SMV, Geigerin im OSR

Eine Frau und freischaffende Musikerin sein

Die Geigerin Marion Devaud, die als Freelancerin arbeitet, wird vor allem vom Orchestre de la Suisse Romande (OSR) engagiert, regelmässig seit 2005, aber auch von der Sinfonietta de Lausanne. Sie unterrichtet und spielt auch andere Arten von Musik in Gruppen wie den En-sembles Artefact und Dear Deër. Aktuell baut sie ihre Plattform für private Konzerte und Mu-sik für Veranstaltungen auf, die den Namen Neon tragen wird.

Welches sind die spezifischen Probleme, die einem als Frau begegnen können, die freischaffend und Zuzügerin in Orchestern ist?

Zunächst einmal muss man festhalten, dass «Freelancer*innen», egal ob Frauen oder Männer, den gleichen Stressbedingungen ausgesetzt sind: der Adrenalinspiegel ist besonders hoch, wenn man kurzfristig einspringen muss, und die Launen des Lebens (Krankheit oder anderes) sind für alle dieselben. Die Corona-Pandemie war ebenfalls eine besondere Herausforderung und hat die Probleme aufgezeigt, mit denen freischaffende Musikerinnen und Musiker konfrontiert sind – für mich persönlich hat sie durchaus Ängste und Furcht ausgelöst.

In Bezug auf geschlechtsspezifische Besonderheiten beginnt man, dem Thema der schwangeren Frauen innerhalb eines Orchesters (oder an anderen lärmigen Orten) im Rahmen der Mutterschutzverordnung des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen und prüft, ob eine länger anhaltende zu grosse Lautstärke zu Schäden für Mutter und Fötus führen kann. In Erwartung der Resultate der Risikoanalyse, die vom Kantonsarzt und vom Kantonalen Arbeitsinspektorat in Auftrag gegeben wurde, musste das OSR Vorsichtsmassnahmen ergreifen und beschäftigt Frauen ab dem ersten Tag der Schwangerschaft nicht mehr. Wenn festangestellte Musikerinnen von diesem Arbeitsverbot betroffen werden, erhalten sie trotzdem ihren Lohn, dies ist aber für Freischaffende nicht der Fall, die dadurch in finanzielle Bedrängnis geraten. Man hat auch Angst, durch eine längere Abwesenheit aus den Arbeitsnetzwerken zu fallen: Man müsste deshalb eine Lösung finden, die Frauen keine Nachteile bringt; im Moment gibt es darüber Diskussionen auf Gewerkschaftsebene.

Und schliesslich, da in der Musik die gleichen Bedingungen wie in anderen Gebieten herrschen und sie natürlich keine Ausnahme ist, sind wir als Frauen nicht geschützt und den Machtverhältnissen mehr ausgesetzt als Männer.

Hast Du selbst schon Probleme mit Machtspielen und Sexismus gehabt?

Ich war mit Problemen dieser Art nicht selbst konfrontiert, aber ich bin sehr überzeugt, dass sie existieren, manchmal auf einer subtilen Ebene. Im Allgemeinen möchte man als Frau für unsere Arbeit als Musikerin geschätzt werden und nicht aus äusserlichen Gründen. Wir möchten aufgrund unserer Fähigkeiten beurteilt werden und nicht aufgrund dessen, wie wir angezogen sind oder wie wir aussehen. Aber können wir sicher sein, aus welchen Gründen wir für etwas ausgewählt wurden oder eben nicht? Wie dem auch sei, ich finde es wichtig, dass man die Sensibilität von jeder und jedem respektiert und sein Verhalten entsprechend anpasst. Die junge Generation ist für dieses Thema aufgeschlossener, und das gibt mir Hoffnung.

Wie siehst Du den Platz der Frauen im Orchester?

Solange in einem Probespiel die Kandidat*innen hinter einem Vorhang spielen, gibt es eine bessere Chancengleichheit. In den Orchestern ist die Ausgewogenheit der Geschlechter bei den Streichern ziemlich gut, vor allem bei den Geigen, obwohl die wichtigen Positionen noch oft den Männern vorbehalten sind – um eine verantwortungsvolle Stelle zu bekommen, muss eine Frau oft überqualifiziert sein, noch besser sein, um als glaubwürdig zu gelten. Die Blechbläser und das Schlagzeug sind nach wie vor weitgehend in Männerhand, während die Harfe fast immer von Frauen gespielt wird. Andere Bereiche der Musik sind noch weit von einer Parität entfernt: Komposition, Dirigieren, aber auch andere Musikstile wie der Rock. Es geht hier nicht um mangelndes Interesse oder mangelnde Begabung, vielmehr um soziale Codes, die Kinder von klein auf erfahren, oder um Verhaltensmuster, die verlangen, dass Männer unternehmungslustig und stark, die Frauen aber schön und gute Zuhörerinnen sein sollen – Unterschiede, die wie ewige Wahrheiten präsentiert werden und Privilegien und Diskriminierungen legitimieren sollen. Diese archaischen Vorurteile findet man immer noch bei der Instrumentenwahl, da gewisse als männlich, andere als weiblich angesehen werden. Als Anekdote kann noch erwähnt werden, dass man zum Beispiel im 19. Jahrhundert den Frauen davon abriet, ein Blasinstrument zu spielen, da ihr Gesicht davon Schaden leiden könnte. Auch hier glaube ich, dass die gegenwärtige Phase der Dekonstruktion des patriarchalen Systems die Zukunft besser machen wird.

Findest Du, dass die Frauen sich gegenseitig eher kritisieren oder neigen sie eher zur Solidarität?

In unserem Beruf müssen wir uns gegenüber sehr anspruchsvoll sein und entsprechend sind wir es auch den anderen gegenüber. Ich kann mir vorstellen, dass es schwierige Situationen gibt, die die Konkurrenzatmosphäre noch verschärfen, die ohnehin in der Musikszene existiert, wenn man als Aushilfe spielt: Es ist ein phantastischer, aber anspruchsvoller Beruf, und es ist leicht möglich, dass man seinen Platz in diesem Streben nach Perfektion bedroht sieht, besonders, wenn man nirgends ein «richtige Stelle» hat. Was die Solidarität betrifft, hängt alles von den Personen und Orchestern ab, das sind persönliche Erfahrungen. Was mich betrifft, habe ich das Glück, von anderen Zuzügerinnen unterstützt zu werden, mit denen ich meine Eindrücke teilen kann. In anderen Bereichen habe ich auch den Vorteil, von aussergewöhnlichen Frauen umgeben zu sein, die grosszügig und wohlwollend sind, echten Vorbildern, die mir mehr Kraft geben. Egal, welchen Beruf wir ausüben, gewinnen wir alle, wenn wir uns gegenseitig helfen und uns wohlgesonnen sind und können leichter unseren Platz im Leben finden, wenn wir solidarisch sind.

Unterschreiben Sie das Referendum gegen die Reform der 2. Säule!

Mehr bezahlen, um weniger zu erhalten, das ist das Rezept der bürgerlichen Parlamentsmehrheit. Angesichts der verhängnisvollen Konsequenzen vor allem für kleine Einkommen und Teilzeitbeschäftigte wurde ein Referendum lanciert.

Nach der AHV-Revision, über die am 25. September 2022 abgestimmt wurde, ist nun die 2. Säule die neue Baustelle der Altersvorsorge. Nach intensiven Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften (auf der einen Seite der Schweizerische Arbeitgeberverband, auf der anderen der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse) wurde eine kluge Kompromisslösung gefunden: Der Umwandlungssatz, von dem die Rente abhängt, wäre zwar gesenkt worden, aber mit einer Garantie des Rentenniveaus im BVG-Obligatorium und einer Verbesserung der Rentenabsicherung für Personen mit tiefen Einkommen und für Teilzeitbeschäftigte. Es war ein solidarischer Lohnbeitrag (0,25% für die Arbeitnehmenden, 0,25% für die Arbeitgeber) vorgesehen: Er wäre von Einkommen bis Fr. 850’000 erhoben worden und hätte es erlaubt, gleichzeitig die Renten von Geringverdienenden anzuheben und zu vermeiden, dass die Renten des Mittelstandes sinken. Durch einen bescheidenen Lohnabzug (für das oben erwähnte Lohnmaximum hätte er je Fr. 2125.- für die Arbeitnehmenden und die Arbeitgeber betragen) hätten die höchsten Einkommen diese soziale Massnahme finanziert. Der Bundesrat übernahm diesen Vorschlag, der von den Sozialpartnern ausgehandelt wurde. Leider scheint die Tatsache, dass die höchsten Einkommen einen geringfügigen Abzug hätten in Kauf nehmen müssen, bei den bürgerlichen Parteien (Mitte, Grünliberale, FDP und SVP) Bauchschmerzen hervorgerufen zu haben. In der Folge haben sie es vorgezogen, diesen Kompromiss in den Beratungen der beiden Parlamentskammern zu torpedieren.

Eine beschämende Demontage

Diese Parteien wollten nicht nur diese Solidaritätsgeste zugunsten der weniger Begüterten nicht akzeptieren, sondern sie fanden im Gegenteil Gefallen daran, ihnen das Leben noch schwerer zu machen. So soll der Umwandlungssatz tatsächlich von 6,8% auf 6% gesenkt werden, was einer Kürzung von 11% des Rentenbetrags ohne jegliche Ausgleichsmassnahme entspricht, während das Minimaleinkommen für den obligatorischen Pensionskassenbeitritt von Fr.22’050 auf Fr. 19’845 gesenkt werden soll. Auf den ersten Blick könnte man es erfreulich finden, dass Personen mit geringeren Einkommen in die 2. Säule einzahlen und so ihre Rente verbessern, aber diejenigen, die das möchten, können das ohnehin schon nach eigenem Ermessen tun (der SMV schlägt übrigens Lösungen vor, die auf die jeweilige persönliche Situation zugeschnitten sind, zum Beispiel für Freischaffende), während die anderen, deren Einkommen unter oder nahe der Armutsgrenze liegt, es nicht tun können, weil ihnen die Mittel dafür fehlen. Man kann sich fragen, was es bringt, diese letztgenannten Personen zu zwingen, für die 2. Säule zu sparen. Wenn zum Zeitpunkt des Renteneintritts die Renten und Einkommen nicht ausreichen, um die Grundbedürfnisse abzudecken, gibt es eine Unterstützung durch die Ergänzungsleistungen. Mit einem reduzierten Umwandlungssatz wird eine zu geringe BVG-Rente für die kleinen Einkommen vermutlich nichts bringen, ausser dass die kantonalen Ausgleichskassen, die für die Ergänzungsleistungen zuständig sind, auf dem Rücken der Geringverdienenden sparen können.

Der Finanzsektor profitiert

Mit dieser Reform gibt es nicht nur keine Verbesserung der Situation der tiefen Einkommen, sondern der Mittelstand wird ebenfalls von einer Rentenkürzung und geringerer Kaufkraft im Rentenalter betroffen, sowie von erhöhten Beitragszahlungen, da die bürgerliche Parlamentsmehrheit auch entschieden hat, den Koordinationsabzug drastisch zu senken. Die Arbeitgeber ziehen vom Lohn die AHV- und Pensionskassenbeiträge ab. Damit die Pensionskassen nur Beiträge auf den Lohnteilen erheben, die nicht durch die 1. Säule versichert sind, gibt es den sogenannten Koordinationsabzug, der 7/8 der maximalen AHV-Rente entspricht. Am 1. Januar 2023 waren das Fr. 25’725.- im Jahr, ein Betrag, der der vom jährlichen Bruttoeinkommen abgezogen wird, um den Beitrag für die 2. Säule zu berechnen. Die rechten Parteien verlangen eine Änderung dieser Berechnung: Der Koordinationsabzug soll auf 20% des AHV-pflichtigen Salärs festgelegt werden, was 2 Milliarden zusätzliche Beiträge in die Kassen spülen würde, mit einem besonders brutalen Anstieg für die niedrigen Einkommen. Dies alles, obwohl das Vermögen der Pensionskassen im Moment 1000 Milliarden übersteigt, eine kolossale Summe, die noch am Wachsen ist (sie hat sich innerhalb von zwanzig Jahren fast verdoppelt), während gleichzeitig die Leistungen sinken. Es handelt sich um eine enorme Profitquelle für den Finanzsektor und die Versicherungen (die sich mit bis zu 10% an den Erträgen der im Rahmen der BVG Versicherten bedienen* und jährlich 7 Milliarden Franken für ihre Verwaltungskosten berechnen). Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard, ist der Meinung, dass die Rechte versucht, die Leistungen der 2. Säule herunterzufahren, damit die Leute in die 3. Säule einzahlen, die für den Finanzsektor noch lukrativer ist.

In der Abstimmungskampagne vor der AHV-Abstimmung im letzten Jahr hatte die rechte Mehrheit versprochen, die Situation der Frauen und der Rentner in der BVG-Revision zu verbessern. Angesichts des zumindest wenig überzeugenden Resultats, haben die Gewerkschaften (darunter der SGB, zu dem der SMV gehört) und die linken Parteien beschlossen, das Referendum zu ergreifen, während gewisse branchenspezifische Arbeitgeberverbände sich ebenfalls gegen die Reform aussprechen.

Informationen und Möglichkeit, das Referendum zu unterschreiben unter: https://rentenabbau.ch

*siehe zu diesem Thema die Studie Die verlorenen Milliarden – Die Gewinne der Lebensversicherer in der 2. Säule von Matthias Kuert Killer, Travail.Suisse, 2014, 2. Auflage 2016

Vom Wert der Gewerkschaften

Es wird kaum ein SMV-Mitglied geben, das den Sinn einer starken Musikerge-werkschaft in Zweifel zieht. Dass Gewerkschaften auf Wirtschaft und Gesell¬schaft einen positiven Einfluss ausüben, fasst auch eine neue Studie des Schweizeri-schen Gewerkschaftsbundes (SGB) zusammen.

Über 100 Studien hat der SGB für seine Untersuchungen zu Gewerkschaften und Gesamtarbeitsverträgen (GAV) ausgewertet. Es wurde ins­besondere zu den Themen Lohn, Arbeitsbedingungen, Beschäftigung, Arbeitslo­sigkeit sowie Produktivität und Innovationstätigkeit geforscht. Natürlich sind nicht alle Resultate für unseren Beruf zutreffend oder relevant. Es lohnt sich aber dennoch auch für Musiker*innen, sich die Bedeutung und den Wert der Gewerkschaften, die sich seit über 100 Jahren für Berufstätige einsetzen, in Er­innerung zu rufen. Gewerkschaften verhandeln mit den Arbeitgebern Gesamt­arbeitsverträge und ersetzen so die individuelle Lohnpolitik, was in der Schweiz ungefähr die Hälfte der Lohnabhängigen betrifft. Die Forscher*innen ha­ben die drei folgenden zentralen Thesen herausgefunden: Gewerkschaften und GAV können die Löhne erhöhen und Ungleichheiten reduzieren, Lohnerhöhungen gehen eher auf Kosten der Gewinne als der Beschäftigung, und ausserdem können Ge­werkschaften die Produktivität erhöhen.

Geringere Lohnunterschiede, grössere Lohngleichheit

Im Detail betrachtet, sieht es so aus, dass GAV-Mindestlöhne sich normaler­weise im Bereich der branchenüblichen Löhne bewegen. GAV erschweren grund­sätzlich das Öffnen einer Lohnschere und führen zu geringeren Lohnunterschie­den als vollständig individuelle Lohnverhandlungen. In der Schweiz haben die Gewerkschaften im Vergleich zu den meisten Ländern noch eine zusätzliche Aufgabe: Seit der Arbeitsmarkt für ausländische Firmen geöffnet wurde, verhin­dern GAV-Mindestlöhne und scharfe Kontrollen, dass ausländische Firmen die üblichen Löhne mit Dumpinglöhnen unterbieten und die ansässigen Arbeitneh­menden und Firmen verdrängen.

Ein weiteres zentrales Anliegen der Gewerkschaften ist die Lohngleichheit zwi­schen den Geschlechtern. Gemäss dem Bundesamt für Statistik erhielten Frauen 2022 nach wie vor 18% weniger Lohn als Männer. Fast 7 Prozentpunkte lassen sich nicht durch Unterschiede in der Ausbildung, in den Tätigkeiten und in den Branchen erklären. Frauen werden auch bei Einstellungen und Beförde­rungen systematisch übergangen. Direkte Lohndiskriminierung bekämpfen Ge­werkschaften über GAV-Mindestlöhne, spezifische Bestimmungen zur Lohn­gleichheit, Mitwirkung im Betrieb sowie politische Kampagnen und Sensibilisie­rungsarbeit. Gewerkschaften tragen auch dazu bei, dass mehrheitlich von Frauen ausgeführte Tätigkeiten aufgewertet werden.

Dass höhere Löhne mit einer höheren Arbeitslosigkeit erkauft würden, ist ein Vorwurf, den die Forscher*innen nicht belegen können. Im Gegenteil kann es sich für Arbeitgeber sogar lohnen, bei höheren Löhnen mehr zu produzieren und mehr Beschäftigte anzustellen.

Eine neue Sicht auf die Gewerkschaften

Neben den Löhnen sind die Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmenden sehr wichtig. Deshalb forderten die Gewerkschaften schon früh den Achtstunden-Tag, senkten in der Schweiz zum Beispiel das Rentenalter auf dem Bau auf 60 Jahre oder setzten sich in der Pflege für mehr Personal ein. Generell sind die Arbeitszeiten kürzer, wenn Gewerkschaften mindestens teilweise darüber ver­handeln. In der Schweiz sind GAV bei Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit besonders wichtig, weil die gesetzlichen Vorgaben schwach sind.

Gewerkschaften versuchen zwar nicht bewusst, Produktivität, Innovation oder Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum zu beeinflussen. Viele ihrer Aktivitäten, zum Beispiel der GAV-Mindestlohn, könnten sich trotzdem darauf auswirken. Standen Gewerkschaften in älteren Untersuchungen eher im Zu­sammenhang mit weniger Innovation, hat sich das Bild heute geändert: Ge­werkschaften scheinen Produktinnovationen eher zu verstärken. Wenn Pro­dukte neu erfunden oder weiterentwickelt werden, können Unternehmen mehr verkaufen, was den Lohnabhängigen nützt, weil wachsende Unterneh­men mehr Spielraum für höhere Löhne und neue Jobs haben.

Auch neben dem Arbeitsmarkt anerkennen Ökonom*innen die wichtige Bedeu­tung von Gewerkschaften für die Gesellschaft und sehen sie heute deutlich po­sitiver. Gewerkschaften ha­ben wichtige soziale Grundrechte erkämpft. Zudem ist ihr politischer Kampf für progressive Steuern und politische Stabilität von Bedeutung, und sie bekämp­fen dadurch auch erfolgreich die Armut.

Es ist zu hoffen, dass sich das neue Bild von Gewerkschaften aus der Wissen­schaft auch in der Politik in der Schweiz niederschlägt.

 

  • Joël Bühler und Daniel Lampart, Vom Wert der Gewerkschaften, Eine Metastu­die zum Einfluss von Gewerkschaften und Gesamtarbeitsverträgen auf Löhne, Arbeitsbedingungen und Produktivität, Dossier Nr. 153, Publikationsreihe des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Dezember 2022

Eine neue Website für den SMV

Wie die Onlineausgabe der Schweizer Musikzeitung hat auch die Website des SMV ein neues Erscheinungsbild erhalten.

Man kann den Mitgliedern des SMV, aber auch den Nichtmitgliedern, nicht genug empfehlen, die neue Website zu besuchen, die seit einigen Wochen online gestellt ist. Wenn man sie mit der bisherigen Version vergleicht, ist man gleich zu Beginn von der Klarheit des Layouts und der graphischen Gestaltung angetan, wie auch vom erleichterten Zugang zu den verschiedenen Rubriken. Die Seiten lassen sich jetzt überdies bedeutend schneller öffnen.

Zu den Stärken der SMV-Website gehören die Tarifrechner, die von den Musikerinnen und Musikern besonders geschätzt werden. Sie erlauben es, den Minimaltarif, die Sozialabgaben und die Spesen für fallweise musikalische Tätigkeiten in einem Orchester, einer kleineren Formation oder in einem Kammermusikensemble zu berechnen. Auch für Konzertveranstalter*innen, die die Interpret*innen korrekt bezahlen wollen, sind sie eine Hilfe, um ein entsprechendes Budget aufzustellen.

Breiten Raum nimmt die Präsentation der zahlreichen Dienstleistungen ein, von denen SMV-Mitglieder profitieren können (soziale Sicherheit, Beratung, Rechtsschutz, Vermittlung, Weiterbildung, Unterstützungsleistungen, verschiedene Vergünstigungen, unter anderem für Versicherungen). In weiteren Rubriken kann man sich im Detail darüber informieren, auf welchen Gebieten sich der SMV engagiert: Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Musiksektor (unter anderem durch die Aushandlung von Gesamtarbeitsverträgen), Tarifordnung, soziale Sicherheit, Kulturpolitik, Gesundheit & Sicherheit, Leistungsschutzrechte, Vernetzung und internationale Solidarität. Interessierte finden schliesslich auch ein Formular für einen Beitrittsantrag.

Es sei noch erwähnt, dass die neue Website durchgehend viersprachig (deutsch, französisch, italienisch und englisch) konzipiert ist.

www.smv.ch

70 Jahre im Dienst der Musiker*innen

Die Deutsche Orchestervereinigung DOV, die grösste Interessenvertretung für Berufsmusiker*innen in Deutschland, hat sich umbenannt und firmiert ab sofort unter unisono.

Streik des SWR Vokalensembles Stuttgart am 20. Oktober 2022. Foto: Klaus Mellenthin

Die DOV wurde 1952 in Düsseldorf von professionellen Musiker*innen gegründet, um gemeinsam ihre kulturellen und wirtschaftlichen Interessen zu vertreten und den künstlerischen Nachwuchs zu fördern. 1971/72 trat der mit dem Deutschen Bühnenverein vereinbarte Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in Kraft. Für Musiker*innen in kommunalen Orchestern existierte damit eine umfassende Absicherung ihrer Arbeitsverhältnisse mit konkreten Regelungen zu Arbeitszeiten und Vergütungen. Sie ist bis heute international vorbildlich. Während in der Schweiz jedes Orchester seinen eigenen Gesamtarbeitsvertrag hat, an dessen Ausarbeitung der SMV jeweils beteiligt ist, sind die deutschen Orchester in eine national einheitliche Tarifstruktur eingebunden. Je nach Orchesterstärke gehören die Klangkörper in die Vergütungsgruppen A – D, wobei es zahlreiche Ausnahmen gibt, unter anderem für die Rundfunkorchester und -chöre, die einen eigenen Tarifvertrag besitzen.

Detaillierter Tarifvertrag für alle Orchester

Der neuste, 2019 zwischen dem Deutschen Bühnenverein (Bundesverband der Theater und Orchester) und der Deutschen Orchestervereinigung abgeschlossene «Tarifvertrag für die Musiker in Konzert- und Theaterorchestern» listet in 63 Paragraphen auf 78 Seiten minutiös nicht nur alle relevanten Details bezüglich der Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeit, des Engelts und der Sozialbezüge auf, sondern regelt zum Beispiel auch die Wahl, die Zusammensetzung und die Aufgaben des Orchestervorstands. Der §17 legt die Verteilung der Planstellen in den jeweiligen Vergütungsgruppen fest, so muss etwa ein sogenanntes B-Orchester (66 Musiker*innen) über 36 Streicherstellen verfügen, ausserdem bei den Bläsern über 4 Flöten, 3 Oboen, 4 Klarinetten, 3 Fagotte, 5 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen und eine Tuba.

Grosse Wertschätzung

Die deutsche Theater- und Orchesterlandschaft wurde 2014 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die DOV schreibt, dass die Anzahl und Vielfalt der Berufsorchester in Deutschland weltweit einzigartig sei, und dass Konzerte und klassische Live-Musik in Konzerthäusern, Theatern oder auf Musikfestivals vierzig Prozent mehr Besucher hätten als die 1. Bundesliga im Fussballstadion. Dennoch ist zu beklagen, dass die Zahl der Orchester von 168 im Jahr 1992 auf aktuell 129 zurückgegangen ist. Die Deutsche Musik- und Orchestervereinigung unisono sieht als eines ihrer wichtigsten Ziele, den Abbau fester Arbeitsplätze vollständig zu stoppen und sich langfristig für den Aufbau neuer Jobs zu engagieren. Seit 2002 hat unisono einen Kooperationsvertrag mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Zur Durchsetzung von Tarifforderungen wird auch hin und wieder gestreikt (siehe Bild).

Enorme Herausforderungen

unisono vertritt die Interessen von rund 12 800 Mitgliedern in Berufsorchestern und Rundfunkchören sowie von immer mehr Freischaffenden, Studierenden und Lehrbeauftragten an Musikhochschulen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Orchestern und Rundfunkensembles liegt bei über 90 Prozent. Grossen Zulauf erhält der Verband seit einigen Jahren von Freischaffenden, die vor allem wegen der Erfahrungen während der Pandemie auf eine starke Interessenvertretung setzen. unisono-Geschäftsführer Gerald Mertens sagt dazu: «Der Erhalt und Ausbau guter Rahmenbedingungen für die Ausübung des Musikerberufs steht im Zentrum unserer Arbeit, und zwar unabhängig davon, ob unsere Mitglieder festangestellt oder freiberuflich arbeiten. Gemeinsam und solidarisch vertreten wir die Interessen der Mitglieder am erfolgreichsten. Vor uns liegen grosse Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels, des Klimawandels und weiterer, sich überlagernder Krisen.» unisono ist Gründungsmitglied und im Vorstand des «Netzwerks Junge Ohren», zu dessen Trägern auch der SMV gehört. Diese Institution bringt im deutschsprachigen Raum Protagonisten aus allen Bereichen der Musikvermittlung zusammen, damit sie sich regelmässig austauschen und voneinander lernen können.

uni-sono.org

Eine neue Co-Präsidentin und ein neuer Co-Präsident des SMV

09.09.2022

An der DV am 19. Mai dieses Jahres haben die Delegierten vier neue Mitglieder des Zentralvorstands gewählt, die wir Ihnen hier vorstellen. Die neue Co-Präsidentin und der neue Co-Präsident haben uns auch einige Fragen beantwortet.

Muriel Noble wurde in Lausanne geboren und begann mit sechs Jahren Geige zu spielen. Neben ihrer Sekundarschulbildung und der Begegnung mit Rose Hemmerling-Dumur studierte sie in der Berufsklasse von Patrick Genet am Conservatoire von Fribourg, wo sie ihr Lehrdiplom mit Auszeichnung erhielt. Nachdem sie Preisträgerin am Wettbewerb der Jeunesses Musicales Suisse wurde, entschloss sie sich, sich ausschliesslich der Musik zu widmen. Sie setzte ihre musikalische Ausbildung bei Margarita Karafilova am Coservatoire von Lausanne fort und beendete dort ihr Studium mit dem «Premier prix de virtuosité avec les félicitations du jury». Sie besuchte unter anderem Meisterkurse bei Franco Gulli, Philippe Hirshhorn und Raphaël Oleg. Seit August 2000 gehört Muriel zum Register der ersten Geigen im Orchestre de la Suisse Romande. Sie tritt in der Schweiz und im Ausland mit verschiedenen Kammermusikensembles auf, so etwa mit dem Trio Ré-Fa-Si Tango und dem Trio Acor.

Welches sind die Gründe, die Dich veranlasst haben, als Co-Präsidentin des SMV zu kandidieren?

Muriel Noble: Nachdem ich seit einigen Jahren Schriftführerin der Sektion Genf des SMV bin und erfahren und gesehen habe, wo die Probleme der Musiker*innen liegen, hatte ich Lust, meine Energie direkt da zu investieren, wo die Entscheidungen getroffen werden und wo gehandelt wird, nämlich im Zentralvorstand des SMV.

Es lag mir immer besonders am Herzen, mich für die Belange der Selbstständigen und Freischaffenden einzusetzen, ob es sich nun um die Einhaltung des Mindestlohns, der vom SMV festgelegt wird und bei weitem nicht überall respektiert wird, oder um das Recht auf Mutterschaftsgeld, auf den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung oder schlicht und einfach um den Respekt vor dem Musiker*innenberuf handelte.

Auf welche Themen möchtest Du in den kommenden Jahren den Schwerpunkt legen?

Ich möchte mich für unsere ganz neue Kommission für Gleichstellung und Diversität einsetzen (siehe den Artikel auf den SMV-Seiten in der letzten SMZ-Ausgabe) und sie weiterentwickeln, zum Beispiel mit Webinaren und mit Empfehlungen für alle Schweizer Orchester, wie an Ort und Stelle gegen jede Form von Diskriminierung vorgegangen werden kann. Letztere in der Kunstszene zu ächten ist äusserst wichtig und dringend, und es muss auch klar hervorgehoben worden, dass sich der SMV für eine Nulltoleranz bezüglich Mobbing, Rassismus und Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts ausspricht.
Ich möchte auch darüber informieren, dass die Entwicklung eines Fötus durch Lärmbelastung leiden kann, was noch zu wenig bekannt ist, und einige Krankheiten von Musiker*innen enttabuisieren.
Und schliesslich müssen wir nach wie vor den Minimaltarif des SMV verteidigen: es ist eine Schande, feststellen zu müssen, dass Schweizer Ensembles und Festivals dieses Minimalhonorar immer noch nicht respektieren und unter verschiedenen Vorwänden ihre Berufsmusiker*innen unterbezahlen.

Wie schätzt Du die Entwicklung der gewerkschaftlichen Arbeit im Orchester während der letzten Jahre und in den nächsten Jahren ein?

In den Orchestern mit einem Gesamtarbeitsvertrag ist die Arbeit des SMV von Erfolg gekrönt gewesen und ist es immer noch, und die Verwaltungen halten sich an die Abmachungen, soweit es ihre festangestellten Musiker*innen betrifft.
Leider muss man feststellen, dass die Rechte der Aushilfen nicht immer gewahrt sind.
Im Übrigen müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass kein Recht für immer erkämpft ist: wir alle müssen unsere Rechte unablässig verteidigen.

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Muriel Noble

Davide Jäger wurde 1981 im Tessin geboren. Wichtige musikalische Impulse erhielt er von seinem ersten Oboenlehrer Federico Cicoria und dem berühmten Geiger Peter Rybar, der ihm ein Mentor war. Nach einem Zwischenjahr in der Konzertklasse des Konservatoriums Lugano bei Hans Elhorst erlangte er in der Klasse von Simon Fuchs an der Zürcher Hochschule der Künste zuerst das Konzertdiplom und später das Solistendiplom. Als Solist ist Davide Jäger mit dem Zürcher Kammerorchester, der Kammerphilharmonie Graubünden, dem Orchestra della Svizzera Italiana und dem Young European Philharmonic Orchestra aufgetreten. Nach Engagements als Solo-Oboist der Kammerphilharmonie Graubünden und als Zuzüger des Tonhalle-Orchesters Zürich sowie des Orchestra della Svizzera Italiana und weiterer Berufsorchester in der Schweiz und im Ausland spielt er im Sinfonieorchester St.Gallen als Stv. Solo-Oboist und Englischhornist.

Welches sind die Gründe, die Dich veranlasst haben, als Co-Präsident des SMV zu kandidieren?

Davide Jäger: Nachdem ich seit 2014 als Präsident des Orchestervorstands des Sinfonieorchesters St. Gallen tätig war, fühlte ich mich bereit für einen Wechsel. Ich schätze die Gewerkschaftsarbeit sehr, und es ist für mich sehr wichtig, mich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Musiker*innen einzusetzen. Ich hatte aber das Bedürfnis, es in anderer Form zu bewirken. Dass eine Stelle als Co-Präsident des SMV frei wurde, kam genau zur richtigen Zeit, und die Perspektive einer gewerkschaftlichen Tätigkeit auf einer höheren, nämlich nationalen, Ebene bewog mich, zu kandidieren.

Auf welche Themen möchtest Du in den kommenden Jahren den Schwerpunkt legen?

Es gibt viele Themen, die mich interessieren, aber wenn ich eine Wahl treffen müsste, würde ich mich zuallererst für die politische Arbeit zugunsten des SMV-Tarifs entscheiden. Es gibt immer noch zu viele kulturelle Institutionen und Konzertveranstalter, die den Musiker*innen unseren Minimaltarif und die damit verbundenen Spesen nicht bezahlen. Der SMV-Tarif muss auf nationaler Ebene die Grundlage für jede temporäre musikalische Beschäftigung werden. Es ist klar, dass das nur möglich sein wird, wenn man generell mehr Geld in die Kultur investiert, und zwar im ganzen Land. Genau um diesen Punkt muss man kämpfen, weil jeder Franken mehr für die Kultur die Welt besser macht.

Wie schätzt Du die Entwicklung der gewerkschaftlichen Arbeit im Orchester während der letzten Jahre und in den nächsten Jahren ein?

Ich stelle eine ziemlich weit verbreitete Tendenz in den Orchestern fest, sich nicht für gewerkschaftliche Belange zu interessieren. Es wird immer schwieriger, Freiwillige zu finden, die zum Beispiel in den Kommissionen mitarbeiten wollen, während sich gleichzeitig die Leute beklagen, wenn etwas nicht klappt. Mein Rat, vor allem in Richtung der jungen Musiker*innen, ist es, die gewerkschaftliche Arbeit auszuprobieren. Nur so kann man herausfinden, worin sie besteht, und man lernt zu unterscheiden, was möglich ist und was nicht. Gleichzeitig ist es unsere gewerkschaftliche Verantwortung, die jungen Musiker*innen so früh wie möglich für die Ausübung ihrer gewerkschaftlichen Rechte zu sensibilisieren, am besten schon während des Studiums.

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Davide Jäger

Markus Forrer verbrachte seine Kindheit in Dübendorf und Milwaukee, USA. Nach der Matura zog er nach Basel, wo er bei Hans Rudolf Stalder und nach dessen Pensionierung bei François Benda studierte. Anschliessend vervollständigte er seine Studien bei George Pieterson in Amsterdam. Im Jahr 2000 trat er seine Stelle als 2. Klarinettist und Es-Klarinettist im Sinfonieorchester Basel an. Einige Jahre später war Markus Forrer als Sektionspräsident des SMV in die wegen Subventionskürzungen leider unumgängliche Verkleinerung des SOB involviert. Um Entlassungen zu vermeiden, mussten einige Pensen reduziert werden, darunter auch sein eigenes. Die schwierige Situation in Basel ermöglichte ein dreijähriges Sabbatical in New York, wo er unter anderem als “Artist Teacher” in den Klassenzimmern der South Bronx Klarinette und Blockflöte unterrichtete. In dieser Zeit leitete er auch drei Jahre lang ein Klarinettenfestival in Montevideo. Heute lebt Markus Forrer mit seiner Familie in Basel. Im SOB ist er inzwischen wieder zu 100% angestellt. Daneben spielt er gerne mit Freunden Kammermusik, tritt gelegentlich als Solist auf, beschäftigt sich mit historischen Instrumenten, veranstaltet Konzerte und freut sich auf seine neue Aufgabe als Zentralvorstand.

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Markus Forrer

Sebastian Schindler studierte 2001-2003 Horn an der Musikakademie Basel bei Prof. Christian Lampert und Horst Ziegler (Assistenz). 2011-2013 folgte ein Studium Master Pedagogy an der HKB Bern mit Hauptfach Naturhorn bei Prof. Thomas Müller sowie Nebenfach Dirigieren Blasmusik bei Ludwig Wicki und Dominique Roggen. Seit der Spielzeit 2008/2009 ist er stellvertretender Solohornist des Berner Symphonieorchesters. Seit 2015 unterrichtet er eine eigene Hornklasse an der Musikschule Seeland Ins. 2018 leitete er das Hornensemble beim internationalen Hornfestival „Carneval de Cor“ in München. Von 2013-2018 war er Präsident der SMV-Sektion Bern.

 

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Sebastian Schindler

Anpassung der SMV-Minimaltarife für freischaffende Musikerinnen und Musiker an die Teuerung

Per 1.9.2022 werden die SMV-Tarife um 5.8% erhöht, um die aufgelaufene Teuerung zu kompensieren.

Der nachfolgende Auszug aus den Tarifordnungen enthält nur eine Auswahl der neuen Tarife; für die korrekte Berechnung sind die vollständigen SMV-Tarifordnungen und/oder der Tarifrechner zu verwenden (beide verfügbar auf www.smv.ch).

Für fallweise Verpflichtungen in Orchestern, die Mitglied von orchester.ch sind, kommt der Tarifvertrag orchester.ch-SMV zur Anwendung, der ebenfalls an die Teuerung angepasst wurde (verfügbar auf www.smv.ch).

1. Orchestertarife, gültig ab 1.9.2022

Auszug aus den Tarifordnungen A, B und C (live performance/Aufnahmen Orchester)
Für die Abgeltung von Leistungen, die von Musikerinnen und Musikern im Orchester bei fallweiser Verpflichtung erbracht werden, gelten die folgenden für das gesamte Gebiet der Schweiz verbindlichen Bestimmungen, wobei es sich um Mindestansätze handelt.

– Probe bis zu maximal 3 Stunden Dauer : CHF 185.00
– Aufführung bis zu maximal 3 Stunden Dauer : CHF 215.00
– Vorprobe: Unmittelbar vor der Aufführung stattfindende Probe, sofern die Dauer von Probe und Aufführung zusammen einschliesslich einer halbstündigen frei verfügbaren Ruhepause zwischen Probe und Aufführung 3 Stunden nicht übersteigt. Andernfalls gilt sie als selbständige Probe. CHF 78.00
– Überzeit: Proben mit Ausnahme von Haupt- und Generalproben zu Bühnenwerken und Oratorien dürfen grundsätzlich nicht länger als 3 Stunden dauern. Pro angebrochene Viertelstunde ist die Überzeit bei Aufführungen sowie bei Proben zu entschädigen mit CHF 23.00
– Zulagen: Stimmführer der Streichergruppen, erste Bläser, Solopauken und Harfen sowie Nebeninstrumente, sofern sie neben dem Hauptinstrument zur Anwendung kommen, haben Anspruch auf eine Zulage pro Dienst von CHF 32.00
– Auswärtsspesen: Feste Entschädigung bei jeder Auswärtsverpflichtung : CHF 62.00
– Auswärtsverpflichtung mit zwei Auswärtsmahlzeiten oder zwei Auswärtsdiensten pro Tag : CHF 93.00
– Tonaufnahmesitzung bis zu 3 Stunden : CHF 237.00
– Für jede weitere angebrochene Viertelstunde : CHF 32.00
– Für die Abgeltung der Erstverwertungsrechte zusätzlich pro verwerteter Minute : CHF 3.20
– Tonbildaufnahmesitzung bis zu 3 Stunden : CHF 275.00
– Für jede weitere angebrochene Viertelstunde : CHF 39.00
– Für die Abgeltung der Erstverwertungsrechte zusätzlich pro verwerteter Minute : CHF 5.30

2. Kammermusik-/Ensemble-Tarife, gültig ab 1.9.2022

Auszug aus der Tarifordnung AK (live performance Kammermusik)
Kammermusikalische Aufführungen sind Aufführungen mit weniger als 13 Musikerinnen und Musikern (Ensembles jeglicher musikalischer Stilrichtung).Die Probenarbeit ist in den Aufführungstarifen enthalten.

– Aufführung bis zu maximal 2 Stunden Dauer : CHF 741.00
– Wiederholung des gleichen Programms beim gleichen Arbeitgeber/Veranstalter : CHF 529.00
– Überzeit pro angebrochene Viertelstunde : CHF 23.00
– Reisezeit-Entschädigung/Spesen entsprechend Tarifordnung A

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