Ich bin zuständig für Möglichkeiten

Im Rahmen des Luzerner Piano-Festivals Mitte November gab der amerikanische Pianist und Musikforscher Robert Levin einen Meisterkurs. Zentral war einmal mehr die Erkenntnis, dass korrektes Umsetzen eines Notentextes noch nicht grosse Kunst ist.

Meisterkurs Klavier: Robert Levin und Marija Bokor. Foto: Lucerne Festival/Priska Ketterer

Zwei moderne Konzertflügel stehen nebeneinander im Rittersaal der St. Charles Hall. Auch einen historischen Hammerflügel hat Robert Levin in den mit Gobelins und Deckenmalerei reich dekorierten Raum bringen lassen, um während seiner öffentlichen Masterclass in Meggen bei Luzern noch mehr Möglichkeiten zur Gestaltung zu haben. Und um der chinesischen Klavierstudentin Ke Ma zu zeigen, wie die hüpfenden Bässe im Presto von Beethovens Mondscheinsonate zur Zeit des Komponisten wohl geklungen haben. Der US-Amerikaner, der mühelos zwischen Englisch und Deutsch hin- und herwechselt, klärt auf über die korrekten Triller, entdeckt offensichtliche Druckfehler in der Urtextausgabe von Johann Sebastian Bach und verdeutlicht Brahms’ Liebesschmerz, indem er harmonische Wendungen in dessen zweitem Intermezzo op. 117 analysiert: «So stark zeigt Brahms seine Gefühle selten. Hier bricht er regelrecht zusammen.»

Auch für die rund 30 Zuhörer ist es interessant, wenn Robert Levin spieltechnische Tipps gibt oder musikalisch nachweist, dass Bach einige Themen wörtlich von Antonio Vivaldi geklaut hat. Die Atmosphäre im kleinen Saal ist konzentriert. Durch die hohen Fenster schaut man auf den Vierwaldstättersee und schneebedeckte Berge. Der jährliche Klavier-Meisterkurs der Luzerner Musikhochschule, die in Zusammenarbeit mit dem Lucerne Festival Piano veranstaltet wird, findet 2016 zum fünften Mal statt. Leon Fleisher, Andreas Haefliger und Martin Helmchen waren die Leiter der letzten Jahre. Robert Levin ist nach 2014 bereits zum zweiten Mal dabei. «Er kann mit seinem musikwissenschaftlichen Background gerade auch in Interpretationsfragen den Studierenden sehr wertvolle Hinweise geben», sagt Michael Kaufmann, Rektor der Luzerner Musikhochschule. Finanziert wird die Masterclass aus einem speziellen Fonds der Stiftung Musikförderungen an der Hochschule Luzern – Musik. Fünf der zehn Teilnehmer sind Luzerner Studenten von Konstantin Lifschitz. Die anderen kommen aus China, England, Deutschland und den USA. Die Schweizerin Marija Bokor (Jahrgang 1992) hat bereits die erste Masterclass von Robert Levin besucht. «Er ist so ansteckend in seinem Enthusiasmus. Viele Dinge, die er sagt, haben mich als Pianistin sehr verändert. Seine Denkweise färbt richtig ab.» Beim letzten Kurs habe sie noch viel geübt zwischen den Unterrichtseinheiten. Dieses Mal sei sie fast die ganze Zeit beim Unterricht der Kollegen dabei gewesen und habe zugehört. Die 22-jährige Ke Ma wurde noch zu Schulzeiten in China auf Luzern aufmerksam, als sie ein Video von Yuja Wangs Interpretation von Prokofiews drittem Klavierkonzert unter Claudio Abbado aus dem KKL sah. Über Internetrecherche sei sie auf die Masterclass gestossen. «Ich habe bei Robert Levin viel Grundsätzliches gelernt, beispielsweise über die optimale Handposition. Das kann man auf alle Stücke übertragen. Interessant fand ich auch, was er über die verschiedenen Charaktere bei Mozart erzählt hat. Und natürlich seine Anekdoten aus dem Musikleben.» In den Pausen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden wird viel getratscht. Es geht herzlich zu zwischen den Hochbegabten. Konkurrenzdenken ist nicht zu spüren.

Nach dem viertägigen Kurs ist Robert Levin sehr zufrieden. «Ich freue mich immer, wenn die Studenten selbst merken, was sie alles bewirken können.» Zum Hammerflügel, einer Leihgabe der Musikhochschule, meint er: «Es ist einfach wichtig, dieses Instrument selbst ausprobieren zu können. Der Anschlag ist ganz anderes als auf einem modernen Konzertflügel.» Levin, der trotz seiner 69 Jahre immer noch jugendlich wirkt, möchte bei seinen Studenten das Interesse für die «Korrektheit der Sprache» wecken. «Dabei bin ich nicht zuständig für die Lösungen, sondern für die Möglichkeiten. Ich möchte die Fenster öffnen», sagt er mit einem Lächeln. Dazu gehört für ihn auch ein philologisches Interesse. Es gebe Unterschiede zwischen einem norddeutschen Staccato und einem süddeutschen. Ein Fortissimo bei Brahms sei etwas ganz anderes als bei Chopin. Letzten Endes gehe es aber um viel mehr als das möglichst einwandfreie Umsetzen von musikalischer Notation. «Ohne Risiko passiert nichts. Wir müssen uns als Musiker der heiligen Pflicht widmen, das Leben unserer Mitmenschen zu verbessern.» Diese moralische Dimension der Kunst habe ihm seine Lehrerin Nadia Boulanger vermittelt. Auch diesen Anspruch gebe er im Meisterkurs weiter – und stosse damit auf offene Ohren.

Beim Abschlusskonzert in der Lukaskirche gestaltet Anna Zaychenka schöne Farbwechsel in den späten Klavierstücken op. 118 von Johannes Brahms. Kathy Tai-Hsuan Lees sprechende Beethoven-Interpretation hat Wucht. Marija Bokor lässt Debussys Estampes wie hinter Nebel erscheinen. Ke Mas Chopin entfaltet Eleganz und Kraft, Gunel Mirzayevas Bach verbindet Strenge mit Spielfreude. Nach Daniel Evans klarer Gestaltung des Kopfsatzes aus Chopins 3. Klaviersonate in h-Moll gehen die Studenten mit Robert Levin ins KKL, um Grigory Sokolov beim Eröffnungskonzert des Lucerne Festivals Piano zu lauschen. Und um auch hier zu erkennen, dass grosse Kunst viel mehr ist als technisch korrektes Klavierspiel.
 

Website des Lucerne Festivals

 

www.lucernefestival.ch

Klangsteine

Das Duo Dahinden/Kleeb improvisiert mit Vehemenz und Einfühlsamkeit.

Ausschnitt aus dem CD-Cover

Manchmal braucht man in diesen zuhörens verloungenden und verkitschenden Zeiten schlicht diese kurzgestische, energiegeladene Art des Musizierens: prägnante, steinharte, kantige Klänge, die einen unmittelbar ansprechen, ohne Wenn und Aber, ohne Verwinklungen und Hemmnisse und ohne jede Anbiederung. Und gleich darauf fragt man sich: Wie machen die das? So in oft rasantem Tempo die Klangsteine ins Spiel zu werfen, ohne dass ein Durcheinander entsteht …

Dahinter steckt, simpel gesagt, lebenslange Einübung. Der Posaunist Roland Dahinden und die Pianistin Hildegard Kleeb, seit dreissig Jahren im Leben wie in der Musik ein Paar, improvisieren auf dieser CD zusammen; man spürt in jedem Moment, wie vertraut sie miteinander sind, wie selbstverständlich die musikalischen Bewegungen sich ineinanderfügen. (Es bedarf schliesslich noch eines dritten zuverlässigen Partners: des Labels HatHut, das seit Jahrzehnten die Aufnahmen der beiden Musiker veröffentlicht.) Unterschiedliche Prägungen kommen hier zusammen, einmal durch die Neue Musik, aber auch durch den Jazz, in klaren, aber auch in verfremdeten Farben.

Stones – Steine nennen die beiden Musiker das zu Recht. Und um einer Assoziation gleich zuvorzukommen: Mit Steinen sind keine Juwelen gemeint; wir haben es hier mit Rohlingen zu tun, die ihre geologische Herkunft nicht verleugnen, die nicht geschmeidig der Dekoration dienen, sondern ihre Härte beweisen. Nicht nur, wenn sie ins Rollen geraten und mit Vehemenz und eruptiver Kraft daherjagen – sondern auch, wenn sie ruhig daliegen. Wunderbar, wie einfühlsam sich etwa im ruhigen Stück Flying White die Klänge ineinanderfügen, nuanciert und geräuschhaft, rein und roh. Sie stammen aus der Tiefe.

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Der Name des Luzerner Komponisten Joseph Franz Xaver Dominik Stalder taucht immer wieder auf, wenn ältere Schweizer Orchestermusik auf der Tagesordnung steht; schon Hermann Scherchen hat 1942 mit der Edition einer Sinfonie zur «geistigen Landesverteidigung» beigetragen. Während seines Theologiestudiums in Mailand kam Stalder (1725–1765) mit der Musik im Umkreis von Giovanni Battista Sammartini in Kontakt. Danach wirkte er als Musiker und Lehrer in der Innerschweiz, aber auch als Kapellmeister in London, Paris und Monaco. Bis zu seinem Tod im Alter von knapp vierzig Jahren war er Organist der Luzerner Hofkirche.

Nun hat der Solothurner Organist Hans-Rudolf Binz eine Sinfonie in C-Dur, die vierte aus der Six Symphonies Italiennes für Streicher und zwei Hörner op. 5, herausgebracht. Dabei stützt er sich auf einen Originaldruck aus der Zentralbibliothek Solothurn. Neben einem eingehenden Vorwort gibt ein ausführlicher Revisionsbericht über sämtliche Abweichungen im Notentext gegenüber der Hauptquelle Auskunft. Zudem hat der Herausgeber eine einfache Generalbass-Aussetzung hinzugefügt. Schon 1961 hat ein früherer Forscher die «ungemein frische Art» von Stalders Musik und die «Knappheit» seiner Satzformen gelobt.

Umso willkommener muss heute diese Rarität für ein versiertes Liebhaberorchester sein. Das Berner Ludus-Ensemble unter der Leitung von Jean-Luc Darbellay lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen und bringt das Stück im kommenden Januar erstmals auf der Grundlage dieser neuen Ausgabe zum Erklingen (siehe unten).

Hoffentlich wird die Edition bald um die fünf restlichen Sinfonien aus diesem Opus ergänzt – ohne den bedauerlichen Druckfehler «Tastenintrument» auf dem Titelblatt.

Joseph Franz Xaver Dominik Stalder, Sinfonia IV in C-Dur aus VI Symphonies Italiennes op. 5 für 2 Violinen, Viola, 2 Hörner ad lib. und Basso continuo, hg. von Hans-Rudolf Binz (Musik aus der Sammlung der Zentralbibliothek Solothurn, Heft 7), Partitur, M&S 2308.01, Fr. 24.00, Musikverlag Müller & Schade, Bern 2015

Aufführungen mit dem Ludus-Ensemble:
Sonntag, 29. Januar 2017, 17.00 Uhr in der Kirche St. Paul in Mulhouse (F)
Montag, 30. Januar2017, in der Petruskirche Bern 

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Im Wohnzimmer von Mahalia Jackson

Eins der wohl schönsten Jazzbücher wurde wiederaufgelegt: Mit Jazzlife kann der Leser ins Jahr 1960 zurückkehren und dem Genre bei einer Reise quer durch die USA auf die Spur kommen.

Stan Getz by a stage door on Cosmo Alley, Hollywood. Copyright: William Claxton

1960 reiste der Fotograf William Claxton (1927–2008) zusammen mit dem deutschen Musikjournalisten und -produzenten Joachim Ernst Berendt (1922–2000) durch die USA, um Jazzmusiker und Strassenszenen an Orten wie New York, Kansas City oder Philadelphia festzuhalten. Das Buch mit dem Titel Jazzlife erschien in einer Grossauflage von zwei Millionen Exemplaren und war gleichwohl immer wieder vergriffen. 2003 veröffentlichte der Taschen-Verlag den um zahlreiche Farbfotos und Beiträge erweiterten Band erneut. Und jetzt erscheint erstmals eine Ausgabe des Buches, die sogar gebunden günstig ist. Es sind knapp 600 Seiten, auf denen der Jazz nicht mehr jung ist, aber auch noch keine grauen Haare hat.

Claxton, bekannt geworden durch stilbildende Fotos von Jazzikone Chet Baker und Schauspieler Steve McQueen, erinnert sich in seinem Vorwort, warum ihn Berendt für das Projekt gewinnen wollte: Seine Bilder hätten Seele. Und tatsächlich gelangen dem US-Amerikaner Aufnahmen, die zunehmend Cover-Art-Qualität hatten und gleichwohl nie an Wärme einbüssten. Man habe Tausende von Fotos gemacht und Hunderte von Interviews geführt, doch im Buch sei nur ein Bruchteil davon gelandet, was ihn schmerze, sagte Berendt. Aber: Was für ein faszinierender Bruchteil! Weil die beiden Herausgeber den Jazzbegriff weit fassten, bekommt der Leser zusätzlich Einblicke in die damalige Welt von Gospel, Blues und Dixieland. Man sieht, wie Mahalia Jackson den zwei Besuchern in ihrem Chicagoer Wohnzimmer eine Kostprobe ihres Könnens gibt, begegnet Duke Ellington am Monterey Jazz Festival und trifft Thelonious Monk in San Francisco mit Trenchcoat und vor einem Champagner-Cocktail sitzend. Auch viele unbekannte oder vergessene Gesichter sind zu entdecken, ebenso wie Geschichten, die von den Überbleibseln der Segregation oder dem Knast auf der anderen Seite von New Orleans erzählen.

Vor der Reise riet man Berendt davon ab – mit dem Argument, die ganze Jazzszene befinde sich doch in New York. Weit gefehlt, wie Jazzlife ebenso nach- wie eindrücklich beweist.

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William Claxton, Joachim Ernst Berendt, Jazzlife –
A Journey For Jazz Across America in 1960, Dt/En/Fr,
600 S., Hardcover im Schuber, € 49.99, Taschen-Verlag,
Köln 2016, ISBN 978-3-8365-4293-7

Brahms light

Kammermusikalisch verjüngte Sinfonik und verbreiterter Quartettklang auf der jüngsten Aufnahme der Camerata Bern.

Camerata Bern, Antja Weithaas in der Mitte. Foto: zvg

Die Camerata Bern ist ein sehr agiles, lebendiges Ensemble. Unter der Führung der leidenschaftlich engagierten Geigerin Antje Weithaas hat es sich weiter profiliert, nicht nur spieltechnisch, sondern auch in der originellen Adaption kammermusikalischer Werke für Streichorchester, so etwa von Beethovens Streichquartett f-Moll auf der vielgelobten Beethoven-CD von 2012.

Nun hat Weithaas mit «ihrer» Camerata eine risikofreudige Brahms-Einspielung vorgelegt. Sie wagt es nämlich, das Violinkonzert von Brahms ohne Dirigent zu spielen, Weithaas führt das Orchester als Solistin an. «Mit einem anderen Ensemble wäre ich das Abenteuer wahrscheinlich nicht eingegangen», meint sie dazu. «Wir haben uns die letzten Jahre musikalisch wie menschlich sehr genau kennengelernt, wir verstehen uns inzwischen blind.»

Dennoch, Brahms‘ Violinkonzert ist komplex und die Besetzung «romantisch», also auch mit üppigem Bläser-Corps. Die Camerata spielt es in ungewohnt minimaler Streicherbesetzung, das ist heikel, doch das Resultat verblüfft: Die Präsenz der Musikerinnen und Musiker ist hochkonzentriert, die kammermusikalische Herausforderung führt nicht nur zu einer grösseren Transparenz, auch die Klangbalance zwischen Bläsern und Streichern gelingt überraschend gut.

Antje Weithaas spielt den Solopart mit warmem Ton, energiegeladen und sehnsuchtsvoll, sie weiss genau, was sie sagen will und verfügt über eine entsprechend vielschichtige Farbpalette. Im engen Dialog mit dem Orchester stimmt auch rhythmisch alles präzise zusammen. Das leichter bestückte Orchester tut dem «kompakten» Violinkonzert sogar richtig gut.

Den entgegengesetzten Weg geht das Ensemble beim Streichquintett op. 111 von Brahms, hier spielen je vier Geiger die beiden Violinstimmen, dazu kommen zwei Bratscher und zwei Cellisten. Was im Violinkonzert lichter wurde, ist hier nun üppiger, vor allem der Cellopart ist, wenn ihn plötzlich zwei Musiker zusammen spielen müssen, extrem heikel.

Das Quintett verträgt diese Volumensteigerung gut. Sicher, an manchen Stellen springt einen der ungewohnte Orchesterklang etwas gar direkt an. Eindrücklich ist aber die breit liegende Klangseligkeit des langsamen Satzes, und das Allegretto spielen die Musikerinnen und Musiker mit leichtfüssiger Eleganz. Das Experiment ist gelungen, diese CD-Einspielung ist spannend und sorgt für einen begeisternden Hörgenuss.

Antje Weithaas und die Camerata Bern bei den Aufnahmen zur Brahms-CD
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Johannes Brahms: Violinkonzert D-Dur op. 77; Streichquintett Nr. 2 G-Dur op. 111. Antje Weithaas, Solo-Violine und Leitung; Camerata Bern. Avi-music 8553328

Schafe auf der Bühne und in den Medien

Über die Vermarktung Neuer Musik in Amerika am Beispiel von Louis Andriessens Bühnenwerk «De Materie».

Foto: ruhrgebiet/fotolia.com
Schafe auf der Bühne und in den Medien

Über die Vermarktung Neuer Musik in Amerika am Beispiel von Louis Andriessens Bühnenwerk «De Materie».

 Ende März, in New York, blökten Schafe auf der Opernbühne. Ihre nahezu alles überschattende Präsenz in den Zeitungen, in sozialen Netzwerken, ja sogar in Alltagsgesprächen jeglicher Art, liess es kaum zu, sich ihrer zu entziehen. Da sie nur eine kleine Rolle in der Inszenierung von Louis Andriessens De Materie spielten, schien ihre Dominanz in den New Yorker Medien verwunderlich. Dieses Beispiel ist aber bezeichnend für den amerikanischen Umgang mit Neuer Musik.

Die Tatsache, dass Schafe über die Bühne wanderten, müsste nicht so bemerkenswert sein. Der Anlass dafür war jedoch die Neueröffnung der vor Kurzem renovierten Armory. Die schauspielernden Tiere kamen in Heiner Goebbels Inszenierung der Anti-Oper vor, die 2014 für die Ruhrtriennale entstanden ist. De Materie ist ein Stück des in den USA öfters aufgeführten Komponisten Andriessen, das seine amerikanische Uraufführung bereits zehn Jahre zuvor hatte. Damals führte das New York Philharmonic es jedoch konzertant auf, was die Neuinszenierung des zwischen 1985 und 1988 geschriebenen Stückes zu einem spannenden Happening machte. Die New York Park Avenue Armory erwarb die Inszenierung – die zweite szenische Aufführung des Stücks seit der Uraufführung durch Robert Wilson 1989 im Amsterdamer Muziektheater. Goebbels hatte seine Inszenierung für die Kraftzentrale Duisburg mit dem Ensemble Modern Orchestra und dem ChorWerk Ruhr unter Leitung von Peter Rundel konzipiert. Nun galt es zu überlegen, wie man die Inszenierung aus dem Ruhrgebiet in der Armory aufführen und an New York bzw. das New Yorker Publikum anpassen könnte.

Nachgewiesene Markttauglichkeit

Das ChorWerk Ruhr und der Dirigent wirkten auch in New York mit. Das junge International Contemporary Ensemble, das dieses Jahr auch in Darmstadt zu hören war, ersetzte allerdings das Ensemble Modern Orchestra. Die statische, bildreiche Inszenierung Goebbels sowie Andriessens ebenso statisches vierteiliges Werk eigneten sich für eine spektakuläre Werbekampagne, eine perfekte Vereinigung der kraftvollen Symbolik von Goebbels Arbeit mit der prachtvollen Herrschaftlichkeit der im 19. Jahrhundert gebauten Armory. The Gilded Age kommt 2016 in der Form hochgebildeter New Yorker Hipsters zum Ausdruck, für deren Bedürfnis nach spiessbürgerlichem Sich-zur-Schau-Stellen sich die östliche Seite New Yorks besser eignet, als die auf der anderen Seite des Parks verortete Met. Diesbezüglich war in einer Rezension der Aufführung im Wall Street Journal explizit zu lesen: «The Park Avenue Armory has also become a home of the hot ticket, offering buzz-worthy productions that are often imported from generously funded European arts festivals.»1 Ein Grundbaustein der amerikanischen Opernwelt sind gefragte, neue europäische Werke, deren Marktfähigkeit bereits erfolgreich getestet wurde. Bei derartigen Aufführungen spielt allerdings noch ein weiteres entscheidendes Element eine Rolle: Künstlerische Kreationen wurden in Europa sehr oft bereits finanziell unterstützt.

Spektakuläre Vermarktung

Kurz vor der Aufführung von De Materie veröffentlichten diverse New Yorker Zeitungen eine Reihe von Ankündigungen des zukünftigen Events. Bemerkenswert war dabei ihr fast ausschliesslicher Fokus auf die 100 Schafe, welche im letzten Akt des Stücks auf der Bühne zu bestaunen waren. Was waren das für Schafe? Woher genau kamen sie? (Im Programmheft war lediglich zu lesen: «100 sheep from the Pennyslvanian countryside.») Wie war es denn logistisch möglich, die Schafe nach New York zu bringen? Wie probt man mit Schafen? Sind Schafe die neuesten Primadonnen der Opernwelt? Vermeintliche Antworten auf alle diese Fragen fanden sich zuhauf in den vielen Porträts dieser neuen «Stars» – mitunter sogar in der New York Times und dem New Yorker. Bei solch dringlichen Fragen muss die Musik natürlich erstmals auf der Seite gelassen werden.

Das andere Bild, welches die Werbekampagne dominierte, war ein Tableau aus dem zweiten Teil des Stückes, in dem Andriessen eine Vision der Begine Hadewijch vertont hat. Die Hadewijch, in schwarz-weissem, einer Nonnentracht ähnlichem Kostüm, steht vor der vordersten Bank, während eine Gruppe von ganz in schwarz gekleideten Beginen zusammengebrochen auf den anderen, im Raum verteilten Bänken liegen. Die Halle ist zur Kathedrale transformiert, und Hadewijch steht in der Mitte, dem Publikum zugewandt, ihre Arme im Zeichen der Offenbarung und Vereinigung weit geöffnet. Das Publikum ist zum Altar, zum Gott ihrer mystisch-erotischen Vision geworden. Über diesem kargen Bild steht in Grossbuchstaben der Name der Anti-Oper: «DE MATERIE»: eine transzendentale Vereinigung des starken Bildmaterials der Inszenierung mit der Marketing-Abteilung der Armory.

Die Kraft einer solchen Vereinigung ist keineswegs zu unterschätzen, da es in den USA unvorstellbar ist, staatliche Unterstützung für künstlerische Projekte zu bekommen. Ganz besonders trifft dies natürlich auf Opern-Projekte zu. Die ständige Suche nach Geld ist ein alltägliches Leid des Musikerlebens, das für die Konsumenten nicht wahrnehmbar, deshalb jedoch nicht minder schwerwiegend ist. Daher auch die Leichtigkeit, sich darüber lustig zu machen. Im Grunde wären allerdings Respekt und Wertschätzung angebracht: Ohne die geschmacklose, plakative und scheinbar bodenlose Vermarktung einer Inszenierung würde sie unter Umständen nicht existieren – eine bittere Wahrheit, die einfach schnell runterschlucken zu müssen man sofort lernt.
Im Falle der Andriessen-Goebbels Inszenierung wurde das Spektakel der Vermarktung dem Spektakel der Inszenierung angepasst. Wenn das der Preis für die Aufführung eines vor allem in den USA wichtigen musiktheatralischen Werks des späten 20. Jahrhunderts ist, lässt sich daran fast nichts aussetzen. Wenn jedoch jegliche Aufführung einer Oper des 20. Jahrhunderts (vom 21. ganz zu schweigen) an einer etablierten Institution gewohnheitsmässig mit einem selbstgefälligen Tonfall als ein Wagnis beschrieben wird, wird man dieser Bezeichnung sowie des begleitenden Werbespektakels schnell müde. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Autor dieses Werks ständiger Gast der Ivy-League-Universitäten ist – Andriessen war im Wintersemester 2015/16 Gastprofessor in Princeton – und eine lange Liste von Kompositionsstudenten und -studentinnen in den USA hat. Andriessens Musik ist immerhin ein bereits konsumiertes, etabliertes Produkt bei uns Amerikanern.
 

Kritische Auseinandersetzung

Dann muss man sich wie jene zuvor zitierte Autorin des Wall Street Journals fragen, warum es den Import einer europäischen Inszenierung braucht, um die erste szenische Aufführung einer fast 30-jährigen Oper diesseits des Atlantiks zu sehen. Nicht dass es keine Uraufführungen Neuer Musik in den USA gäbe, jedoch sind diese kaum in etablierten Institutionen zu sehen. In der kommenden Saison, könnte man einwenden, wird Kaija Saariahos 2000 in Salzburg uraufgeführte L’amour de loin an der Met in einer Neuinszenierung von Robert Lepage zu sehen sein. Allerdings kam es im Zug der Ankündigung in der New York Times zu keiner ernsthaften Auseinandersetzung mit Saariahos Musik. Stattdessen wurde lediglich von der Tatsache gesprochen, dass es nun, 2016, die erste Aufführung der Oper einer Komponistin seit 1903 sei. «Met to Stage Its First Opera by a Woman Since 1903» lautete der Titel. 2 Zweifelsohne ist dies Grund zur Freude! Der selbstgefällige Ton jedoch, der proklamiert, man habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: eine Komponistin und eine Oper des 21. Jahrhunderts, ist alles anders als zeitgemäss. Mit dieser soft-core-zeitgenössischen Musik, deren ständig wiederkehrende, exotisch klingende Vokalriffs über einem summenden koloristischen Orchesterklangteppich in Wellen über einem schwimmt, lässt sich dieser «Blick in die Zukunft» – laut Met-Direktor Peter Gelb – immer noch als zahm und verhalten bezeichnen.
So kommt es schliesslich zur altbekannten Frage des Geldes. Auch wenn sich die Macht der Republikanerinnen und Republikaner irgendwann vermindern würde, so käme die staatliche Förderung der Künste als Diskussionspunkt im Senat dennoch nicht vor. Was aber trotz des ewig prekären Zustands der Operninstitutionen und der Medien, die deren Angebote ankündigen und diskutieren, verlangt werden könnte, wäre eine seriöse und kritische bzw. selbstkritische Auseinandersetzung mit ihren Inhalten. Dies würde in erster Linie den Verzicht auf derartige Schaf-Porträts, die lediglich zum Füllen der Konzerthallen dienen, voraussetzen. Stattdessen könnten die Schafe als misslungener Versuch, einen Lückenfüller zu finden, entlarvt und beschrieben werden. Dies war allerdings auch Goebbels Versuch, mit seiner Inszenierung das Publikum in der 15-minütigen ersten Hälfte des vierten Teils zu unterhalten, während dem zwei Akkorde in den stimmbaren Schlaginstrumenten (Glockenspiel, Vibrafon), Klavier und Harfe im langsamen Wechsel gespielt werden. Man könnte fragen, ob die statische Bildhaftigkeit der Inszenierung die Fetischisierung des erotisch-mystischen Schreibens der Begine Hadewijch in Andriessens Partitur unterstützt oder hinterfragt. Schliesslich liesse sich sogar fragen, ob und wie Goebbels Auseinandersetzung mit Andriessens Oper dem Publikum etwas Neues über das Stück lehrt. Auf jeden Fall waren die einhundert Schafe auf der Bühne der Armory nicht das einzige beeindruckende Ereignis, das es zu bestaunen gab.

Anmerkungen

1 Heidi Waleson, Opera’s Changing Face: «Orphic Moments» and «De Materie» offer a chance to examine the changing nature of the institutions that perform opera in The Wallstreet Journal, 4. April 2016.
www.wsj.com/articles/operas-changing-face-1459806371
2 Michael Cooper, Met to Stage Its First Opera by a Woman since 1903 in New York Times, 17. Februar 2016.
www.nytimes.com/2016/02/18/arts/music/met-to-stage-its-first-operaby-a-womansince-1903.html

 

Elaine Fitz Gibbon
… ist Doktorandin am Germanistik-Department der Universität Princeton. Sie schreibt über Neue Musik, vor allem Opern und Musiktheater, die zwischen der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts und heute geschrieben wurden; ausserdem interessiert sie sich für die Rezeption dieser Werken in den USA.

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Bild und Abbild im hybriden Raum

Im Werk «Mirror Box Extensions» gestaltet der belgische Komponist die alltägliche Verschmelzung unserer realen und virtuellen Lebenswelt musikalisch.

Gabi Schönemann / pixelio.de
Bild und Abbild im hybriden Raum

Im Werk «Mirror Box Extensions» gestaltet der belgische Komponist die alltägliche Verschmelzung unserer realen und virtuellen Lebenswelt musikalisch.

Das Fotografieren oder Filmen seitens der Zuschauer ist an Konzerten in der Regel untersagt. Es lässt sich aber in Zeiten von Smartphones und Co. nicht wirklich unterbinden. Zu schnell ist das kleine Gerät gezückt und eine Erinnerung auf die digitale Speicherkarte gebannt. Und nicht selten sieht man, wie einzelne Zuschauer aus dem Publikum ganze Passagen filmen oder den Ton mit einem Handyrecorder aufnehmen. Dass hier Persönlichkeits- und Urheberrechte verletzt werden könnten, scheint niemanden zu interessieren. Viel zu sehr hat die allumfassende Digitalisierung Einzug in unseren Alltag genommen und der technische Fortschritt begünstigt diesen Prozess, indem er immer mehr Speicherplatz zur Verfügung stellt. Fotografieren und Filmen ist zur Normalität geworden. Der einst flüchtige Moment wird festgehalten und kann jederzeit wiedererlebt werden. Je kostbarer er einmal war, umso stärker wird er durch wiederholten Konsum abgenutzt. Aus der Einmaligkeit des «live» ist ein permanentes «re-live» geworden. Darunter leidet insbesondere die Konzertsituation. Denn das digitale Abbild ist eben nicht identisch mit den Akteuren aus Fleisch und Blut, die auf der Bühne Höchstleistungen vollbringen. Wie stark die Grenzen zwischen beiden jedoch bereits verschwommen sind, greift der belgische Komponist Stefan Prins in seinem Werk Mirror Box Extensions auf.

Prinzip der Spiegeltherapie

Das Stück wurde 2015 bei den Donaueschinger Musiktagen vom Nadar-Ensemble aufgeführt. Sieben Instrumentalisten werden mit Elektronik und Video-Projektionen ergänzt. Es basiert auf der Komposition Mirror Box aus dem Jahr 2014. Darin behandelt Prins auf musikalische Weise das Prinzip der Spiegeltherapie, wie sie von Medizinern verwendet wird. Patienten, die nach einer Amputation unter Phantomschmerzen leiden, legen ihre verbleibende gesunde Gliedmasse in eine mit Spiegeln ausgestattete Kiste. Jede ausgeführte Bewegung wird nun durch das Spiegelbild gedoppelt und es entsteht der optische Eindruck zweier funktionstüchtiger Arme oder Beine. Diese Illusion lässt sich therapeutisch nutzen.

Bei Prins ist Mirror Box der dritte Teil einer Werkreihe mit dem Titel Flesh+Prosthesis, in der Hybride aus Mensch und Technologie geschaffen werden. Die instrumental erzeugten Klänge werden aufgenommen und live-elektronisch transformiert, wobei sich die Musiker als «Fleisch» und die Elektronik als «Prothese» verstehen lassen. Für Mirror Box Extensions wurde dieses Prinzip um Videos erweitert, die vorproduziert und im Konzert auf durchsichtige Leinwände projiziert wurden. Sie zeigen die spielenden Musiker in Lebensgrösse, sodass es schwerfällt, sie vom Original zu unterscheiden. Bild und Abbild bewegen sich, erstarren, verschwinden und erscheinen. Es geht dem Komponisten darum zu zeigen, wie sehr reale und virtuelle Lebenswelt in unserem Alltag bereits verschmolzen sind. Die digitalen Kopien der auf der Bühne agierenden Musiker nennt er «Avatare» und sie spielen auch in anderen seiner Werke eine wichtige Rolle. So etwa in dem Klavierzyklus Piano Hero, dessen dritter Teil bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik 2016 uraufgeführt wurde. Hier zeichnet sich jedoch eine gegenläufige Tendenz ab. In Piano Hero I (2011) steuert der Pianist über eine digitale Klaviertastatur kurze Videosequenzen, die auf eine Leinwand projiziert werden und ihn beim Ausführen verschiedener Aktionen im Innenraum eines Konzertflügels zeigen. Ausgebaute Tasten des Klaviers fallen auf die Saiten, es wird gekratzt und geschabt. Sämtliche Klänge kommen aus den Lautsprechern, nur selten dringt das dumpfe Klacken der digitalen Tastatur durch. Im zweiten Teil werden ebenfalls Videos eingesetzt, der Pianist spielt jedoch zusätzlich auf einem akustischen Klavier und tritt so mit seinem Abbild in den Dialog. Verschwunden ist der Avatar schliesslich im dritten Teil des Zyklus, in dem lediglich eine live-elektronische Verarbeitung der Klänge im Inneren des auf der Bühne befindlichen Flügels stattfindet. Hier gibt es kein Video mehr. Der Musiker tritt also aus dem virtuellen Raum in die analoge Welt, er erobert sich die Realität zurück und es bleibt abzuwarten, ob Prins diese Entwicklung in weiteren Werken der Piano Hero-Reihe fortsetzt. In Mirror Box Extensions hingegen findet durch die Projektionen eine Erweiterung auf der digitalen Ebene statt. Stefan Prins schafft eine hybride Konzertsituation aus Musikern und deren Avataren, die unsere zunehmend technologisierte Lebenswirklichkeit reflektiert. Reelle und virtuelle Welt verschwimmen immer mehr, er nennt diesen Zustand «erweiterte Realität».
 

Einfluss des Publikums

Neben dem Verwirrspiel um Bild und Abbild der Musiker tritt ein weiteres Moment der Irritation ein, wenn nach etwa der Hälfte der gut 30-minütigen Komposition einzelne Zuschauer beginnen, mit Tablets die Bühne zu fotografieren. Von ihren Plätzen aus halten sie dafür die Geräte in die Höhe, was bei einigen Konzertbesuchern für Empörung sorgt. Doch schnell wird klar, dass sie Teil der Komposition sind. Der hybride Zustand reicht bis in den Zuschauerraum, und somit ergibt sich eine neue Dimension der Spiegelung. Der Musiker wird von dem Video auf der Leinwand reflektiert und beide vom Tablet der Zuschauer. Stefan Prins greift hier die allgegenwärtigen, auch auf Konzerten Neuer Musik zu sehenden Smartphones und Tablets auf, indem er sie in sein Werk integriert. Spätestens seit John Cages «stillem» Stück 4´33´´ besteht ein Bewusstsein dafür, dass auch vom Komponisten nicht beabsichtigte Klänge, die auf irgendeine Weise im Rahmen einer Aufführung entstehen, integraler Bestandteil der musikalischen Erfahrung sind. Telefone, die in Taschen gesucht werden, Fotos schiessen und im schlimmsten Fall anfangen zu läuten, sind keine Seltenheit. Doch nicht nur produzieren sie Geräusche, die andere Zuschauer als störend empfinden könnten, viel mehr zerstört jedes Abbild der spielenden Musiker die Einmaligkeit der Darbietung. Wie sehr die Konzertsituation dadurch verändert wird, zeigt Stefan Prins in Mirror Box Extensions. So bilden die Tablets der Zuschauer in seiner Komposition sowohl die gemachten Fotos der Bühne als auch vorproduzierte Videosequenzen der Instrumentalisten ab. Das Stück endet mit dem Verschwinden der Musiker auf der Bühne und ihrem Verbleiben auf den Geräten. Zwar ist die Aufführung mit ihrer Einmaligkeit vorbei, doch ein Abbild des Erlebten verbleibt im digitalen Raum, wo es jederzeit abgerufen und konsumiert werden kann. Was Prins im Konzert zeigt, gilt auch ausserhalb. Im Zuge der Digitalisierung sind wir zunehmend mit Computer, Smartphone und Tablet verwachsen. Ein beachtlicher Teil unseres Lebens findet im virtuellen Raum statt. Bei der Fülle an Bildschirmen, die uns alltäglich umgeben und Einblick in andere Welten gewähren, fällt es mitunter schwer, zwischen Fakt und Fiktion zu differenzieren. In Stefan Prins’ Ensemblestück Mirror Box Extensions wird der Zuschauer permanent mit Illusionen konfrontiert. Eben so, wie Patienten bei der Spiegeltherapie über die Funktionalität ihrer Gliedmassen getäuscht werden, fällt es bei Prins schwer, zwischen Bild und Abbild zu differenzieren. Der hybride Raum, den er damit schafft, reflektiert künstlerisch unsere Lebenswirklichkeit, in der wir mit den digitalen Medien so stark interagieren, dass sie zu unseren Prothesen geworden sind.

Christopher Jakobi

… studiert Musikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zzt. Masterarbeit über die Klangsättigung in der Musik Raphaël Cendos.

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Neue Musik und Konsum

Alf Loidl/pixelio.de
Neue Musik und Konsum

In unserer aktuellen Ausgabe sind sieben Essays zu diesem nur auf den ersten Blick vielleicht etwas spröde anmutenden Thema zu entdecken. Geschrieben haben für uns Absolventinnen und Absolventen des Nachdiplom-Studiengangs «DAS Musikjournalismus 2015/16» der Hochschule für Musik Basel in Kooperation mit dem Internationalen Musikinstitut Darmstadt. Der Kurs wurde von Björn Gottstein und Thomas Meyer sowie Stefan Fricke geleitet. Allein schon die Titel der Essays (in alphabetischer Reihenfolge) erhellen vielfältige Aspekte eines Themas, in dem man grosse Widersprüche vermuten könnte. Oder doch nicht?

Boulez bei Burger King?
Neue Musik zum schnellen Verzehr
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Die Neue Musik als Kaufhaus
Was man im Supermarkt moderner Klänge alles erstehen kann
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Geschlossen, ohne Gesellschaft
Warum und wie die Neue Musik ihre selbsterrichteten ­Zugangsbeschränkungen überdenken sollte.
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Bild und Abbild im hybriden Raum
Stefan Prin‛s Mirror Box Extensions
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Schafe auf der Bühne und in den Medien
Zeitgenössische Oper in den USA
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Sofa oder Polsterstuhl?
Livekonzert vs. Musikkonserve
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Versickerungstendenzen
Neue Musik und Konsum an entgegengesetzten Enden des Kulturbetriebes?
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Sofa oder Polsterstuhl?

Privates Musikhören ist heute zwar sehr komfortabel, ein wirkliches Musikerlebnis findet jedoch nur im Konzert statt. Diese beiden Formen des Musikkonsums müssen sich nicht ausschliessen.

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Sofa oder Polsterstuhl?

Privates Musikhören ist heute zwar sehr komfortabel, ein wirkliches Musikerlebnis findet jedoch nur im Konzert statt. Diese beiden Formen des Musikkonsums müssen sich nicht ausschliessen.

Wer kennt ihn nicht, den Schweinehund, der einen dazu verleitet, freitagabends nach einer anstrengenden Arbeitswoche in bequeme Klamotten zu schlüpfen, um es sich mit einem Glas Wein oder einem kühlen Bier auf dem Sofa bequem zu machen? Es ist nichts Verwerfliches daran, den Feierabend auf diese Art einzuläuten. Doch wenn man sich erst einmal gemütlich eingenistet hat, verschwendet wohl kaum jemand noch einen Gedanken daran, wie sich eine solche Haltung auf den Musikkonsum auswirkt.

Livekonzert im Polsterstuhl vs. Musikgenuss auf dem heimischen Sofa? Während sich die einen gerne hübsch machen und die Künstler hautnah erleben, lauschen die anderen der Musik viel lieber aus der Badewanne, beim Kochen oder auf dem bereits erwähnten Sofa. Aber müssen beide Formen des Musikkonsums gegeneinander ausgespielt werden?

Zunächst ist es doch ganz einfach. Man wählt ein Konzert aus und kauft sich eine Konzertkarte, was mittlerweile mit nur wenigen Klicks im Internet möglich ist. Nun geht es lediglich noch darum, sich ein wenig zurecht zu machen und pünktlich am richtigen Ort zu erscheinen, alles Weitere wird einem abgenommen. Für jede denkbare Aufgabe gibt es Personal – nicht einmal klatschen muss man selbst, denn sogar das wird im Zweifel von den Mithörern übernommen. Man kann sich also zurücklehnen und die Musik auf sich einströmen lassen. Dennoch bewegt sich die Tendenz immer mehr zum privaten Musikkonsum in den eigenen vier Wänden. Warum geht die Besucherzahl vieler Konzerte zurück, obwohl es doch so einfach ist?

Im 19. Jahrhundert hat sich der Zugang zur Musik massgeblich verändert. Konzertsäle wurden ausgebaut und die Musikszene florierte. Das fokussierte Hören stand in dieser Zeit im Vordergrund des Musik-Erlebens. Seit dem 20. Jahrhundert hat sich die Musik einer gewaltigen Veränderung unterzogen, oder viel mehr: unterziehen müssen. Die unaufhaltsame Entwicklung der Technik ist auch an der Kultur- und Musikszene nicht spurlos vorübergezogen. Wir sind zu einer regelrechten Konsumgesellschaft herangereift, die sich mit dem Luxusproblem Überangebot auseinandersetzen muss, einer Gesellschaft, in der viele Subkulturen nebeneinander existieren, in der man sich vermehrt von der Umwelt abschottet und Musik eher als ein privates und weniger als ein öffentliches Erlebnis betrachtet. Durch die heutigen zahlreichen technischen Möglichkeiten von iTunes, Spotify bis hin zur privaten CD-Sammlung und Hightech-Anlage müssen wir uns zum Erwerb des Musikgenusses nicht mehr in die Öffentlichkeit begeben. Wir können diesen auch zu uns nach Hause holen. Ebenso isoliert bewegen wir uns sogar innerhalb der Gesellschaft, abgeschottet durch kleine Ohrstöpsel, durch die Musik in unsere Ohren gelangt. Ist er das, der Konsument von heute? Man kann hier von einer regelrechten Dekonzentration von Musik sprechen. An dieser Stelle ist es allerdings nötig, die zwei Arten des Musikhörens noch einmal klar herauszustellen: Zum einen die «bewusste Hinwendung zu Musik» (im Sinne des aktiven Konzertbesuchs), zum anderen die «geteilte Aufmerksamkeit, bei der Musik lediglich im Hintergrund erlebt wird und andere Tätigkeiten zumeist im Vordergrund stehen», um Klaus-Ernst Behne, den ehemaligen Präsidenten der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover zu zitieren.

Nichtsdestotrotz bringt der technische Fortschritt natürlich auch zahlreiche Vorteile mit sich. Allein das praktische und komfortable Moment. Wir können Musik immer und überall abrufen. Ohne Einschränkung. Sie umgibt uns in zahlreichen Alltagssituationen und regnet unaufhörlich auf unsere Endgeräte hinab. Mit modernster Technik wiedergegeben, ist die Musik klanglich zwar klar, nicht jedoch authentisch, einzigartig oder original. Musik als ein Live-Erlebnis zu konsumieren, wird zu einem unwiederholbaren Moment unseres Lebens. Man erlebt etwas, das in dieser Form nicht exakt wiederholt werden kann. Man erlebt die Künstler und die Klänge hautnah, kann ihre Finger- oder Atemfertigkeit und Technik beobachten. Man ist dabei, wenn sie wortlos miteinander kommunizieren, sich aufeinander einlassen, sieht die Schweissperlen, die sich durch Anstrengung und das heisse Scheinwerferlicht auf ihrer Stirn bilden und im Licht glitzern. Sich einfach vom Sog live erlebter Musik mitreissen und die Stimmung, die sich im Publikum aufbaut, auf sich einströmen lassen – das ist es, was Musik im Konzert zu einem erfahrbaren und originären Moment macht.

Studien besagen, dass der Musikkonsum in den letzten Jahren erheblich angestiegen ist, bedingt durch die zahlreichen möglichen Zugänge. Aber beantwortet das die Frage, weshalb isoliertes Musikhören dem gemeinsamen Konzertbesuch vorgezogen wird? Der Forsa-Umfrage der Hamburger Körber-Stiftung zufolge erachten zwar 88 Prozent der Deutschen klassische Musik als ein wichtiges kulturelles Erbe, aber nur jeder Fünfte hat im vergangenen Jahr ein klassisches Konzert besucht. Von den unter 30-Jährigen war es sogar nur jeder Zehnte. So ist es eben: Wenn man nicht aktiv werden muss, ist man von vielem grundsätzlich begeistert, sobald man selbst etwas tun muss, schwindet der Enthusiasmus. Diese Tatsache macht in noch erheblicherem Masse der zeitgenössischen Musik zu schaffen, die zudem noch mit dem Klischee behaftet ist, generell nur Wenige anzusprechen. Doch gerade für den Konsum zeitgenössischer Musik ist der Konzertbesuch von erheblicher Bedeutung, da sie oftmals nicht allein mit Klängen und Melodien arbeitet, sondern häufig auch Elemente wie Bilder oder Gegenstände miteinbezieht, die sich auf einer CD nicht einfangen lassen. Auch musikalische Elemente wie Geräusche oder neue Spieltechniken erzielen bei einer CD-Wiedergabe längst nicht den Effekt, den sie im Konzert haben können. Erst im Konzert erfährt das Publikum das originäre Wesen dieser Musik. Ist es also vielleicht doch eine Überlegung wert, sein Wochenende auch mit dem Polsterstuhl im Konzertsaal zu teilen?

Beide Konsumformen sind wichtige Zugänge zur Musik. Sie müssen weder gegeneinander ausgespielt werden, noch sich bedingen. Sie können sich schlicht und ergreifend bereichern und ergänzen. Man kann gespannt sein, wie sie sich zukünftig weiterentwickeln werden und was das für die Musikszene bedeutet. Vielleicht wird es eines Tages gang und gäbe sein, das Livekonzert virtuell auf einen Bildschirm in unsere eigenen vier Wänden zu übertragen? So liesse sich doch tatsächlich beides vereinen: das Konzerterlebnis auf dem heimischen Sofa – und für das Gemeinschaftsgefühl mit den andern Konzertbesuchern würde man doch ab und zu den Polsterstuhl besetzen.

Friederike Schmiedl

… ist Fan vom Livekonzert.
 

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Boulez bei Burger King?

Neue Musik zum schnellen Verzehr.

Pavel Losevsky/fotolia.com
Boulez bei Burger King?

Neue Musik zum schnellen Verzehr.

Mit Pierre Boulez starb diesen Januar die letzte grosse Gründerfigur der Neuen Musik. In den obligaten Nachrufen wurde versucht, seinem breiten Wirken gerecht zu werden. Manchmal stand der Komponist Boulez im Zentrum des Interesses, manchmal der Dirigent und zuweilen gar der Kulturfunktionär. Schliesslich aber zielten alle diese Texte auf die alles entscheidende Frage: Wird er, wird seine Musik bleiben?

Ohne zu übertreiben kann sie als die Gretchenfrage der Kunstrezeption bezeichnet werden. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird zum grossen Komponisten nur erklärt, wer vor dem Urteil nachfolgender Generationen besteht. Eine Haltung, die dem heutigen Klassik-Betrieb einige Probleme beschert. Besonders zu leiden hat dabei das zeitgenössische Musikschaffen, das im Verlauf des 20. Jahrhunderts an den Rand der gesellschaftlichen Wahrnehmung gedrängt wurde. Oft wird die Schuld dafür beim Musikbetrieb, dem Publikum oder anderen dunklen Kräften gesucht. Dabei geht aber vergessen, dass nicht nur die Rezipienten, sondern die Produzenten selbst wenig Interesse an der Gegenwart zeigen. Denn auch die Komponisten unserer Zeit haben verinnerlicht, dass nur der wirklich zählt, dessen Musik überlebt.

Obwohl in der Neuen Musik also viele traditionelle Vorstellungen über die Tonkunst zur Disposition gestellt wurden, halten die meisten ihrer Vertreter am Narrativ der die Zeiten überdauernden Meisterwerke fest – wohl in der Hoffnung, selbst einen Beitrag zum Kanon beizusteuern. Man könnte über diesen romantischen Anachronismus der Avantgarde grosszügig hinwegsehen, indem man ihn zum psychologisch notwendigen Teil einer in unbekannte Gefilde vordringenden Künstlerexistenz verklärt. Könnte man. Doch um dem zeitgenössischen Musikschaffen auch im dritten Jahrtausend Präsenz zu verschaffen, bedarf es frischer Ansätze.

Hamburger statt Filet Wellington

Wagen wir ein Gedankenexperiment – statt Werke für die Ewigkeit zu schaffen, welche dann doch nur einmal aufgeführt werden, könnte man die Not zur Tugend machen: Stücke schreiben für den Augenblick, für genau eine Aufführung, unwiederholbar. Oder, um es mit einem Vergleich zu sagen: Statt ihren Namen in Gerichten wie dem Filet Wellington zu verewigen, sollten sich die Komponisten hinter den Grill bei McDonalds stellen. Musik mit den Vorzügen eines Hamburgers schaffen – schnell zu verschlingen.

Was gäbe es dabei zu gewinnen? Sieht man sich die Entwicklung der Musikbranche an, erkennt man einen kontinuierlichen Zerfall des bisherigen Geschäftsmodells. Die Tonträgerindustrie wurde durch Gratis-Downloads ihres Absatzmarktes beraubt, Geld verdient man höchstens noch mit Konzerten. In der Popmusik verlangen daher die Grössen der Zunft für immer aufwendiger inszenierte Livekonzerte immer höhere Eintrittspreise, während sich in der E-Musik der Kult um Interpreten ins Unermessliche steigert. Während deren Gastspiele zumeist gut besucht werden, bleiben die Säle ansonsten halb leer. Den Trend hin zum Konzert als aussergewöhnlichem Ereignis gilt es aufzugreifen und konsequent weiterzudenken. In Zeiten der Reproduzierbarkeit und digitalen Verbreitung von Musik kann die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. Diese Entwicklung zu antizipieren, ist die Herausforderung, aber auch die Chance gerade der Neuen Musik.

Ansätze in dieser Richtung gab es bereits einige. Die Aleatorik der späten 50er-Jahre, wie sie zum Beispiel in Stockhausens Klavierstück XI verwirklicht wurde, kann als Versuch interpretiert werden, einem Werk mit jeder Aufführung eine andere Gestalt zu verleihen. Noch mehr Einzigartigkeit, und somit mehr Eventcharakter, besitzen die ortsgebundenen Stücke des Kanadiers R. Murray Schafer (*1933). So sind im Musiktheater The Princess of the Stars die akustischen Begebenheiten des Aufführungsortes, eines kleinen Sees ausserhalb Torontos, in die Komposition mit einbezogen. Möchte man eine Aufführung des Werks erleben, muss man wohl oder übel nach Nordamerika reisen. Von solchen Ideen ist es nur noch ein kleiner Schritt, Kompositionen derart zu konzipieren, dass sie ein bestimmtes Konzert zu einem einzigartigen, unwiederbringlichen Ereignis machen. Von «Sternstunde» würde dann nicht mehr gesprochen, weil die Tastenlöwin XY mal wieder einen guten Tag hatte –, sondern weil man bei der einzigen Gelegenheit dabei war, das neue Stück zu hören.

Faktor Zeit

Freilich bedingt ein solches Konzept, die Musik entsprechend anzupassen. Da die Wiederholung eines Stückes ausgeschlossen ist, sollte es zum Beispiel bei einmaligem Hören zu verstehen sein. Es sollte schnell konsumierbar sein und keiner umfangreichen Erklärungen bedürfen. Doch widerspricht das nicht dem Selbstverständnis der Neuen Musik? Ist der Gedanke, dass Experimente Zeit brauchen, um verstanden zu werden, nicht konstitutiv für eine dem Fortschritt verpflichtete Musizierhaltung? Gewiss, doch der Blick in die vorklassische Vergangenheit zeigt zumindest, dass man anspruchsvolle Musik auch dann schreiben kann, wenn man weder auf wiederholte Aufführungen noch auf eine verständnisvollere Nachwelt schielt.

Komponisten wie Georg Philipp Telemann oder Johann Sebastian Bach hätten es sich nicht träumen lassen, dass ihre Musik über ihren Tod hinaus weiter aufgeführt würde. Tote Tonsetzer, auch die bekanntesten, besassen höchstens historischen Wert. Dennoch verwandten sie ihr ganzes Können darauf, Werke höchsten Anspruchs zu schaffen. Selbst ein Werk wie Telemanns Tafelmusik, per definitionem ein Stück Gebrauchsmusik, lässt subtil die Kunst seines Autors erkennen. Um den Zweck einer Musique de table nicht zu verfehlen, also ein höfisches Mahl nicht durch übermässige Expressivität der Musik zu stören, liegen die Raffinessen der Partitur auf einer anderen Ebene. Die virtuose Beherrschung unterschiedlichster Genres und Besetzungen ist es, die Telemann darauf hoffen liess, mit Hintergrundmusik Ruhm bei den Zeitgenossen zu erlangen.

Als weiteres Beispiel können Bachs über 200 Kantaten herangezogen werden. Jede Woche hatte nicht nur eine neue geschrieben, sondern auch gleich einstudiert und am Sonntag aufgeführt werden müssen. Dennoch schaffte es der Komponist, den spezifischen Ausdrucksgehalt jedes Textes aufzunehmen und in Musik zu fassen. Solche Mühen nahm er im Wissen oder aus heutiger Sicht eher im Glauben auf sich, dass es beim einmaligen Erklingen dieser Werke bleiben würde.

Zugegeben, diese zwei Beispiele entstammen einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem die Musik Funktionen einnahm, die sie heute nicht mehr erfüllen kann. Herrschaftliche Repräsentation und die Lobpreisung Gottes zählen nicht zu den primären Aufgaben der Neuen Musik. Trotzdem vermögen sie zu zeigen, dass die Qualität der Musik nicht unter den oben beschriebenen Anforderungen zu leiden braucht. Auch schnell geschriebene, auf Anhieb erfassbare Stücke oder Konzepte können höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen.

Doch wie steht es mit der Idee, dass fortschrittliche Kompositionstechniken Zeit brauchen, um sich zu etablieren, um Allgemeingut zu werden? Ich glaube, dabei wird die Wirkungsmacht der Zeit überschätzt. Dazu eine kurze Anekdote: Vor Jahren beklagte eine alte Dame den Umstand, dass es heute keine «grossen Männer» wie Mozart oder Beethoven mehr gebe. Schon eher defensiv erwiderte ich ihr, dass das nicht stimme, es gebe doch Schönberg. Eine Bemerkung, welche sie nur mit einem spöttischen «Ach, die Modernen» quittierte. Ein Komponist, der dazumal bereits 50 Jahre tot war, wurde von der Dame noch immer als modern abgestempelt. Ein halbes Jahrhundert reichte also nicht aus, um Schönbergs Musiksprache ihres neutönerischen Nimbus zu berauben. Es scheint daher für den avantgardistischen Komponisten ratsam zu sein, nicht allzu viel auf die Zukunft zu geben. Wieso es also nicht mit Hamburgern versuchen? Und keine Angst, bloss am Konsum orientiert ist das nicht. McDonalds Burger sind zwar schnell geschluckt, bleiben aber lange im Magen.
 

Simon Bittermann

… arbeitet seit über 20 Jahren im Musikalienhandel und hat nebenbei Philosophie und Musikwissenschaft studiert. Er schreibt regelmässig Kritiken für den Tages-Anzeiger. Und falls er endlich die Zeit dafür findet, wird er sich in seiner Dissertation mit den Philosophischen Aspekten von Schönbergs Überschreitung der Tonalität herumschlagen dürfen.

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Versickerungstendenzen

Auf den ersten Blick scheinen Neue Musik und Konsum an entgegengesetzten Enden des Kulturbetriebes angesiedelt. So eindeutig ist die Ausrichtung auf kompromisslose Neuheit auf der einen und Markttauglichkeit auf der anderen Seite aber nicht.

Michael Nukular/flickr.com
Versickerungstendenzen

Auf den ersten Blick scheinen Neue Musik und Konsum an entgegengesetzten Enden des Kulturbetriebes angesiedelt. So eindeutig ist die Ausrichtung auf kompromisslose Neuheit auf der einen und Markttauglichkeit auf der anderen Seite aber nicht.

Ein Regenwurm ernährt sich von Erde und vermodertem Pflanzenmaterial. Brauchbare Stoffe nimmt er auf, die zerkleinerten Überreste scheidet er aus. Dadurch lockert er das Erdreich auf, hilft dem pflanzlichen Verrottungsprozess und produziert fruchtbaren Humus. Dieser wiederum wird von den Pflanzen benötigt, die Nährstoffe daraus ziehen und den Humus wieder zu gewöhnlicher Erde machen. Gemäss dem Medientheoretiker und Philosophen Vilém Flusser funktioniert unsere heutige Gesellschaft ähnlich: Als Menschen nehmen wir «Natur» auf und verwerten sie zu «Kultur». Mit der Zeit werden die so hergestellten Kulturgüter Abfall, sie verlieren ihren Wert und zerfallen wieder zu «Natur». Oder zumindest zu Material, welches kulturell nutzlos und somit wertfrei geworden ist. Dieses wertfreie Material kann nun wieder verwertet werden. Ein ewiger Kreislauf von wertfrei-Verwertung-wertvoll-wertlos-wertfrei etc.

Dieses Modell kann auf das Verhältnis von Neuer Musik und Konsum übertragen werden. Dabei verstehe ich Konsum als einen Mechanismus, der Produkte möglichst breit zu verkaufen versucht. Neue Musik ist nun nicht dafür bekannt, dass sie ihre Produkte auf die breite Verkäuflichkeit hin entwirft. Sie ist eine dem Konsum eher abgewandte Musikart. Die Neue Musik versteht sich vielmehr als Speerspitze des Flusserschen Verwertungsprozesses. Sie ist sozusagen der Mund, der sich die als wertlos angesehenen Dinge – in diesem Fall z. B. Klänge – einverleibt und aufzuwerten weiss. Die europäische und amerikanische Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts kann unter den Stichworten Emanzipation der Dissonanz und des Geräusches ein Lied davon singen. Zu Beginn des Jahrhunderts wurde die Dissonanz unter anderem durch die atonale und zwölftönige Musik Arnold Schönbergs als neue Klangsprache etabliert und somit wertvoll gemacht. Im Laufe des Jahrhunderts wurde dann das blosse Geräusch als musikalisches Material kulturell aufgewertet.

Doch diese Errungenschaften der Neuen Musik versickern mit der Zeit – gemäss dem Verdauungsprozess des Regenwurms –, sinken in andere Bereiche ab. Die clusterhaften Dissonanzen Strawinskys oder Schönbergs sind zu gängigen Techniken der Filmmusik und zum «Markensound» von erschreckenden Horrorszenen geworden. Das Sampling des Hip-Hops kann als Nachfolge der Tonbandtechniken gesehen werden, die durch die Musique concrète eingeführt wurden. Und in einer SRF-Sendung zur Minimal Music (Musik unserer Zeit, Mai 2016) erzählt der Komponist und Dirigent Irmin Schmidt, dass er die deutsche Krautrock-Band Can gegründet hat, nachdem er in New York 1966 mit der Minimal Music von Terry Riley und LaMonte Young in Berührung kam. Wohlgemerkt nachdem er bei Karlheinz Stockhausen und György Ligeti studiert hatte.

Die Neue Musik ist also kein abgeschlossener Bereich, in dem Hochkultur zelebriert wird und Konsum keinen Platz findet. Ständig versickern Techniken und Konzepte der Neuen Musik in andere, dem Konsum stärker zugeneigte Bereiche.

Doch wie sieht es in der umgekehrten Richtung aus? Dringen auch Klänge, Methoden, Techniken aus konsumorientierteren Musikbereichen in die Sphäre der Neuen Musik ein? Ein Beispiel: 2013 komponierte Hannes Seidl ein Stück mit dem sperrigen Titel Die letzten 25 Jahre in No. 1 Hits der deutschen Jahrescharts dargestellt durch Karlheinz Stockhausens Studie 2 5x. Das Stück kann als «Cover» der Studie II von Karlheinz Stockhausen (UA 1954) verstanden werden. Die Studie II ist nur aus elektronisch erzeugten Sinustönen aufgebaut und gilt als früher Meilenstein der elektronischen Musik. Stockhausen hat dafür eine elaborierte Partitur angefertigt, die jedem ermöglicht, das Stück «nachzubauen». Seidl hat dies für Die letzten 25 Jahre getan. Nur hat er dafür nicht Sinustöne als Grundlage verwendet, sondern eben die No. 1 Hits der deutschen Charts der Jahre 1988 bis 2013.

Zum einen ist Seidls Stück ein Beispiel dafür, dass auch Klänge aus der Pop-Musik inzwischen in der Neuen Musik Verwendung finden, dass also nicht nur Versickerungstendenzen von der Neuen Musik Richtung konsumorientierter Musik, sondern auch umgekehrt zu beobachten sind. Zum anderen dienten dem «Regenwurm» Hannes Seidl nicht nur die Pop-Hits der Jahre 1988 bis 2013 als «Futter», sondern auch Stockhausens Studie II. Daraus könnte man nun schliessen, dass nicht nur die Pop-Hits von vorgestern, sondern auch die Studie II von Stockhausen inzwischen zu wertlosem «Abfall» geworden sind. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass Flussers Regenwurmmodell immer auf einer bestimmten Perspektive beruht. Was nun z. B. Komplexität, Erneuerungsstreben, Formalismus oder Elitismus angeht, gehört die Neue Musik zur Speerspitze der Musik. Was Kategorien wie Verkaufszahlen oder Radiotauglichkeit betrifft, würden die Pop-Charts die Neue Musik um Längen schlagen. Aus dieser Perspektive sind sowohl Stockhausens Studie II als auch Seidls Die letzten 25 Jahre ziemlich wertlos.

Hannes Seidl verbindet in Die letzten 25 Jahre die Verwertungskreisläufe der Neuen Musik und die der Pop-Musik auf kritische Weise. Durch das Recycling des Stockhausen-Stückes mittels Pop-Hits verweist er auf den Klassikerstatus von Studie II, die man – gemäss den Mechanismen der Pop-Musik – deshalb covern darf. Gleichzeitig spricht er dem Stück eine gewisse veraltete Ästhetik zu, die er auf ironische Weise durch die Verwendung der auch schon veralteten Pop-Hits zu erneuern sucht. Sowohl die No. 1-Hits als auch die Studie II sind passé. Nur sind die Halbwertszeiten unterschiedlich lange.

Die Parallelen gehen noch weiter. Sicherlich ist die Neue Musik nicht in der gleichen Weise wie die Musik der neusten Popsternchen den Mechanismen des konsumorientierten Markts unterworfen, doch gänzlich frei von Verkaufsargumenten ist selbst die hehre Neue Musik nicht. Obwohl sie grösstenteils in einem durch Subventionen und Stiftungsgelder geschützten Raum entsteht, spielen verkaufsfördernde Aspekte auch in der Neuen Musik eine Rolle. Wobei sich der Erfolg weniger in den Ticket- und CD-Verkäufen als im Interesse und Förderungswille der Kulturausschüsse, Stiftungen und Wettbewerbsjurys manifestiert.

Es stellt sich dabei die Frage, ob die Neue Musik nicht die Aufgabe hätte, diese Wünsche der Jurymitglieder, Konsumentinnen und Konsumenten etc. zu thematisieren und zu hinterfragen statt zu befriedigen. Gemäss Clement Greenbergs berühmtem Essay von 1939 Avant-Garde and Kitsch imitiert und thematisiert die Avantgarde (zu der man die Neue Musik zählen mag), die Prozesse der Kunst, während ihr Gegenpart, der Kitsch, die Effekte der Kunst imitiert. Dementsprechend muss sich Neue Musik, die ihr «Neu» im Namen noch verdient, auf die Prozesse der Kunst und der heutigen Kunstlandschaft beziehen. Die eigene Disziplin zu zitieren, zu hinterfragen und zu kritisieren, stellt somit eine notwendige Bedingung für interessante Ergebnisse dar. Damit einher geht die von Seidl mittransportierte Einsicht, dass Neue Musik und Konsum sich nicht ganz so spinnefeind sind, wie man vielleicht annehmen könnte.

Literatur

Vilém Flusser: Die Informationsgesellschaft als Regenwurm, in: Gert Kaiser, Dirk Matejovski, Jutta Fedrowitz: Kultur und Technik im 21. Jahrhundert, Frankfurt a.M. und New York 1993, S. 69-80.

Hannes Seidl: Die letzten 25 Jahren in No. 1 Hits der deutschen Jahrescharts dargestellt durch Karlheinz Stockhausens Studie 2 5x; Exzerpte und mehr Informationen unter: http://studios.basis-frankfurt.de/works/die-letzten-25-jahre-/ [eingesehen: 4. Juli 2016].

Hannes Seidl: Neu. Über die Ökonomie Neuer Musik, in: Kunstmusik 13 (2010), S. 46-52.

Clement Greenberg: Avant-Garde and Kitsch, in: Partisan Review 6/5 (1939), S. 34-49.

 

 

Jaronas Scheurer
… ist Masterstudent an der Universität Basel (Musikwissenschaft und Philosophie), Hilfsassistent am Musikwissenschaftlichen Seminar Basel und Musikjournalist.

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Für den kleinen Paganini

Vorspielstücke für Geige und Bratsche mit Klavierbegleitung, die zu einem lustvollen Vortrag animieren.

Foto: pete pahham/fotolia.com
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In der Edition Peters sind unter dem Titel Piccolo Paganini 30 seltene Originalstücke für Violine in der 1. Lage und Klavier für Kinder ab dem zweiten Lernjahr erschienen, eine farbige Palette von gefühlvollen, lustigen, dramatischen, mit den verschiedensten Rhythmen und mit vielfältigen Techniken auszuführenden, eineinhalb bis vier Minuten dauernden Vortragsstücken von Komponistinnen und Komponisten von Arcangelo Corelli bis Andrea Holzer-Romberg. Die Violinstimme ist sorgfältig mit Bogenstrichen und alternativen Fingersätzen für 2. und 3. Lage bezeichnet. Die motivierende Klavierstimme ist leicht zu spielen. Die beigefügte CD enthält alle Duos und regt die Kinder zu emotionalem Spiel an; damit sie sich bald mitzuspielen wagen, sind alle Presti in moderatem Tempo gehalten.

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Zwei äusserst instruktive, aber lustvoll zu spielende Konzertfantasien für drei bis vier Jahre spielende Girls und Boys sind endlich auch in Europa erhältlich, nachdem sie in Amerika schon über ein Jahrhundert erfolgreich in Gebrauch sind. Der in Erfurt geborene Edward Mollenhauer emigrierte 1853 in die USA, begründete dort mehrere Konservatorien und hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die Musikerziehung in Amerika. The Infant Paganini verlangt 1. bis 3. Lage, Flageolett in der Saitenmitte, Pizzicato der leeren E-Saite mit der linken Hand, Spiccato und Arpeggio über drei Saiten. The Boy Paganini bewegt sich bis in die 5. Lage, benutzt Doppelgriffe, chromatische Durchgänge, die Flageoletts in der Mitte, im unteren Drittel und Viertel der Saite, Linke-Hand-Pizzicato, zarte und rassige Bogeneffekte und Vier-Saiten-Arpeggio – alles raffiniert elementar und melodiös ausgelegt für baldiges Gelingen.

Diese beiden Hefte sind auch in Versionen für Cello erhältlich.
 

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Kurt Sassmannshaus, der in den USA berühmte Pädagoge und Sohn von Egon, dem Schöpfer des vielbeachteten Streicherschulwerks Früher Anfang, präsentiert 14 mittelschwere kurze Vortragsstücke für Bratsche. Von den Originalwerken ragen heraus ein Andante von Viotti, eine emotionelle Rêverie von Wieniawski und drei der farbigen Notturni aus op. 186 von Kalliwoda (letztere empfehlenswert, alle sechs vollständig bei Peters erhältlich). Auch die herzige La Vergilletta von Ferdinando Bertone, die spannende Violin-Berceuse op. 16 und die erfrischende Cello-Sicilienne op.78 von Fauré unter den Bearbeitungen machen das Heft lohnenswert. Die bequemen Fingersätze und Bogenstriche können mit Hilfe der Lehrperson höheren Ansprüchen angepasst werden.
 

Piccolo Paganini, 30 Konzertstücke in der ersten Lage, Vol. 1, hg. von Christiane Schmidt und Gudrun Jeggle, EP 11381a, mit CD, Fr. 25.90, Edition Peters, Leipzig u.a. 2015

Edward Mollenhauer, The Infant Paganini für Violine und Klavier, hg. von Kurt Sassmannshaus, Bärenreiter’s Concert Pieces, BA 10691, € 8.95, Bärenreiter, Kassel 2015

id., The Boy Paganini, BA 10692, € 8.95

Konzertstücke für Bratsche und Klavier, hg. von Kurt Sassmannshaus, Bärenreiters Viola Collection, BA 9697, € 19.95, Bärenreiter, Kassel 2015

 

Komm du liebes Zitherlein

Ein umfangreicher Band dokumentiert nicht nur die Sammlung Mühlemann, sondern skizziert auch die Geschichte der Zither in der Schweiz.

Familiärer Zitherunterricht 1917. Postkarte aus Österreich. Pelle the Poet/flickr.com

In den 1970er-Jahren begegnete der Mittelschüler Lorenz Mühlemann der damals weitgehend vergessenen Akkordzither und war von ihrem Klang bezaubert. Aus dieser Liebe auf den ersten Blick ist eine Leidenschaft geworden. 2003 eröffnete er seine systematisch aufgebaute Sammlung von rund 250 Gebirgs- und Salonzithern in der ehemaligen Amtsschaffnerei in Trachselwald. Auf Voranmeldung oder am ersten Sonntag im Monat jeweils am Nachmittag kann man das Schweizer Zither- Kulturzentrum wie ein Museum besuchen, aber an den Sonntagvormittagen führt der initiative Leiter die Hals- und Brettzithern mit kurzen Erläuterungen und passenden Stücken, die er selber spielt, vor. Diese kommentierten Konzertstunden sind unterhaltsam und informativ und erinnern an eine Musikgattung zwischen Volks- und Kunstmusik, die in der zweiten Hälfte des 19. und im frühen 20. Jahrhundert zahlreichen Menschen in bescheidenen Umständen das Leben erleichterten.

Lorenz Mühlemann hat seine Saitenspiele in mehreren Wanderausstellungen und in vielen Kursen an die Leute herangetragen und zudem einen kleinen Verlag mit Zithernoten und Unterlegblättern aufgebaut.

Nun hat dieser Spezialist seine Zitherinstrumente ausgemessen, beschrieben und durch Thomas Reck fotografieren lassen. Aus dieser Katalogsarbeit ist ein rund 400-seitiger Band geworden, der sich als schmuckes Bilderbuch geniessen lässt, der aber auch als kleine Geschichte der einheimischen Emmentaler, Entlebucher, Toggenburger und Krienser Halszither, der Glarner und Schwyzer Zither und all der Konzert-, Akkord- und Streichzithern dient.

In seinen Kommentaren greift der Autor auf Vorarbeiten zurück, kann aber auch mit eigenen Studien zur Instrumentenforschung beitragen. So hat er einen bisher unbekannten Halszithermacher, Sebastian Peter in Gontenschwil, Kanton Aargau, ausfindig gemacht, dessen Instrument von 1862 abgebildet ist (S. 21/33). Zudem ist von Johann Wegmüller, der 1890 eine Hanottere gebaut hat, die Rede, offenbar einem Nachkommen der Zithermacher Niklaus und Samuel Wegmüller in Ursenbach. Als wertvoller Hinweis gilt auch die Klärung eines bisherigen Missverständnisses: in Dürrenroth bei Huttwil war nicht nur der Holzschuh- und Zithermacher Abraham Kauer (1794–1870) am Werk, der als sechsjähriges Kind die älteste, im Jahr 1800 entstandene Emmentaler Halszither (Musikmuseum Basel) kaum angefertigt haben kann, sondern auch sein Vater Abraham Kauer sen. (1762–1844).

Die sogenannten Salonzithern, intarsierte, mit Schablonenmalerei oder Abziehbildern verzierte, in Serien fabrizierte Brettzithern wurden in der Regel aus Deutschland bezogen, aber offenbar auch in Brienz (A. Aplanalp), Bern (Jakob Klöti, Albin Hostettler) und Zürich (Otto Schärer) hergestellt. Neben Abbildungen aller Zithern der Sammlung Mühlemann erinnern Fotos von Spielern, Musikalien und liebevollen Details wie Blumendekorationen, ziselierten Neusilberbeschlägen, Etuis, bestickten Futteralen, Stimmschlüsseln und Zitherringen an die gute alte Zeit.

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Lorenz Mühlemann, Die Zither – ein Instrument der Volks-, Kunst- und Hausmusik, 376 S., Fr. 65.00, Bundesamt für Kultur, Bern 2014, ISBN 978-3-9523397-3-2
 

Schweizer Zither-Kulturzentrum: www.zither.ch

Philippe Bischof übernimmt Präsidium der KBK

Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur Basel-Stadt, wird ab 1. Januar 2017 das Präsidium der Konferenz der kantonalen Kulturbeauftragten (KBK) übernehmen.

Philippe Bischof. Foto: Juri Weiss © Staatskanzlei Basel-Stadt

Philippe Bischof ist Nachfolger von Roland E. Hofer, Beauftragter für Kultur des Kantons Schaffhausen, der während acht Jahren im Amt war. Philippe Bischof ist in seiner Funktion als Leiter der Abteilung Kultur Basel-Stadt seit 2011 Mitglied der KBK.

Die Konferenz der kantonalen Kulturbeauftragten (KBK) ist eine Fachkonferenz der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK). Die KBK stellt den kulturpolitischen Austausch zwischen den Kantonen sicher und beteiligt sich auf fachlicher und politischer Ebene aktiv am Nationalen Kulturdialog.

Die KBK ist in vier Regionalkonferenzen aufgeteilt und trifft sich zweimal jährlich zu Plenarversammlungen. Sie berät die politischen Gremien der EDK in Fragen der Kulturförderung und Kulturpolitik. Gemeinsam mit der Städtekonferenz, dem Bundesamt für Kultur und der Pro Helvetia trägt sie zur Entwicklung und Koordination der gesamtschweizerischen Kulturpolitik bei.

Sie prüft Anliegen und Gesuche von gesamtschweizerischer Bedeutung und richtet Empfehlungen an die Kantone. Das Präsidium vertritt dabei die Konferenz gegen aussen und leitet die Geschäfte der KBK.

Die Wahl fand im Mai dieses Jahres statt, an der Plenarversammlung vom 24./25. November wurde das Amt übergeben.
 

Deutschland fördert Pop, Rock und Jazz verstärkt

Ab 2017 wird der Deutsche Bundestag mit zusätzlichen 8,2 Millionen Euro die Rock-, Pop- und Jazzmusik in Deutschland fördern. Ziel des Massnahmenpaketes ist es, bestehende relevante Strukturprojekte auszubauen, inhaltlich zusammenzuführen und zu ergänzen.

Kuppel über dem Bundestag. Foto: Michael Sunke/pixelio.de

In den Beratungen der Grossen Koalition zum Bundeshaushalt 2017 ist vor zwei Wochen beschlossen worden, zusätzlich 660 Millionen Euro für die Kulturförderung zur Verfügung zu stellen. Mit dem neuen Massnahmenpaket zur Musik werden neben der Initiative Musik und der Messe jazzahead! auch das Reeperbahn Festival in Hamburg, die c/o pop in Köln, das Musicboard Berlin und die Deutsche Rockmusik Stiftung gestärkt.

Der Deutsche Musikrat begrüsst laut seinem Generalsekretär Christian Höppner den Entscheid, der eine nachhaltige Stärkung der Förderstrukturen verspricht. Die zusätzlichen Mittel stärkten die Vielfalt der Rock-, Pop- und Jazzmusik in Deutschland und böten eine gute Voraussetzung, um sich künftig auch verstärkt für verbesserte Rahmenbedingungen von freischaffenden Musikern einzusetzen, so Höppner weiter.

 

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