Kasi Geissers Vermächtnis im Web

Ende Mai wird der gesamte Nachlass des singulären Volksmusikanten Kasi Geisser für die Öffentlichkeit online zugänglich sein. Das Haus der Volksmusik lanciert zu dieser Gelegenheit einen Wettbewerb: Musikschaffende aus allen Sparten sind aufgefordert, sich Kompositionen auszusuchen und neu zu interpretieren.

(Bild: Wettbewerbs-Flyer)

Ab 30. Mai 2017 wird der gesamte Nachlass für die Öffentlichkeit auf der digitalen Plattform www.volksmusik.ch zugänglich sein. Mit einem Startprojekt werden Musikschaffende aus allen Sparten aufgefordert, sich Kompositionen auszusuchen und neu zu interpretieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ziel ist es, die Relevanz der Geisser-Kompositionen für zeitgenössische Musik darzulegen.

Ein Wettbewerb gibt Musikschaffenden die Möglichkeit, ein neues Arrangement oder eine innovative Interpretation des Originals einzureichen. Die zehn spannendsten Interpretationen werden von einer Fachjury ausgewählt und in einem Konzert am 3. Dezember 2017 in Altdorf aufgeführt.

Der erste Preis wird mit 3000 Franken dotiert. «Quasi Geisser – der Wettbewerb» ist ein Projekt von «Überkantonale kulturelle Kompetenzzentren» unterstützt von Pro Helvetia im Rahmen der Initiative «Kulturelle Vielfalt in den Regionen».

Ben Pryer gewinnt Aargauer Wettbewerb

Der neu gegründete Aargauer Verein mission4music hat einen Wettbewerb initiiert und umgesetzt. Zu gewinnen gibt’s die Aufnahme einer Live-EP inklusive Reisekosten. Erster Nutzniesser ist der 21-jährige Engländer Ben Pryer.

Ben Pryer (Bild: Ben Pryer Photos)

Pryer verfügt über einige musikalische Erfahrung: Schon mit 18 Jahren war er Mitglied der britischen Boy Band M.A.D. Live wird er seinen Gesang mit Gitarre und Loop begleiten. Sein Repertoire reicht von Elvis Presley bis Ed Sheeran. Aber der Brite wird auch eigene Songs präsentieren. Unterstützt wird er von zwei Supportern aus Deutschland, die ebenfalls am Wettbewerb teilgenommen haben.

Der Wettbewerb wurde vom neu gegründeten Aargauer Verein mission4music initiiert und umgesetzt. Ziel des Vereins ist die Realisierung und Unterstützung von Projekten im Musikbereich, speziell kombiniert mit neuen Medien.

Mehr Infos: https://missionformusic.webling.ch/web.php/woq4BB/Konzert.html

 

Christoph Hess ist «Soundzz.z.zzz…z»-Gewinner

Strotter Inst., ein Projekt des Berners Christoph Hess, hat den diesjährigen «Soundzz.z.zzz…z»-Wettbewerb des Lucerne Festivals und des Kunstmuseums Luzern gewonnen.

Christoph Hess (Bild: zvg)

Für Delokation hat sich Strotter Inst. drei Werke aus dem Festivalprogramm zur Brust genommen und einem Remix unterzogen: Was bleibt erhalten von der Identität des Originals? Und wieviel Eigenständigkeit erlangt eine neue Arbeit, die vollständig aus bereits bestehendem Material generiert wurde?

Delokation ist während des Sommer-Festivals in drei «Aggregatzuständen» zu erleben: Im Kunstmuseum präsentiert Strotter Inst. die Remixe, ergänzt um eine Filmcollage, via Screening sowie fragmentarisch in mehreren Klanginstallationen. Bei Lucerne Festival bringt er Delokation als Live-Remix zur Aufführung, dazu in zwei Performances mit «artiste étoile» Patricia Kopatchinskaja und mit dem Turntable-Künstler Jorge Sánchez-Chiong.

Ziel des Wettbewerbs ist die Verknüpfung der beiden Kultursparten Musik und Bildende Kunst: Junge, aufstrebende Künstler werden aufgerufen, zum jeweiligen Thema von Lucerne Festival ein ephemeres, performatives, aktionistisches Projekt an der Schnittstelle dieser Künste zu entwickeln.

Kluger Aktionismus

Klanginstallationen von Barblina Meierhans sowie Werke von Nicolaus Anton Huber zählten dieses Jahr zu den Höhepunkten in Witten. Die Tage für neue Kammermusik fanden vom 5. bis 7. Mai statt.

Let’s sit down and enjoy ourselves, Klanginstallation von Barblina Meierhans. Foto: © WDR/Claus Langer

Es gibt auch schöne Plätze im Ruhrgebiet. Zum Wittener Hammerteich kamen schon die Bergarbeiter, wenn sie mit wenig Geld Ausflüge in die Umgebung machten. Nun ist der Himmel nicht mehr so grau wie vor 50 Jahren, als die Schornsteine noch rauchten in der Industrie- und Kohleregion. Jetzt scheint die Sonne – und Kunst gedeiht: Am Ufer des kleinen Hammerteichs laden Klangstationen zum Hören ein. Gordon Kampe, ein Komponist aus dem nahe gelegenen Essen, lässt einen Männergesangsverein am anderen Ufer singen. Zudem schippern kleine Modellschiffe übers Wasser. Kampe stattete sie mit MP3-Playern aus, die Originaltöne von Bürgern aus der Nähe transportieren. Man erfährt was vom Teich: Was hier so passierte, was man über ihn weiss.

Töne – verspätet

Erstmals Mindestgagen an Deutschen Theatern

Für die Beschäftigten an deutschen Theatern wird es ab Oktober 2017 Tarifregelungen geben, die erstmals Mindestgagen bei Gastverträgen für Vorstellungen und für Proben vorsehen.

Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Über die für Gastverträge geltenden Regelungen haben sich am 2. Mai 2017 die Künstlergewerkschaften Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) und die Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e. V. (VdO) mit dem Deutschen Bühnenverein als Arbeitgeberverband bei ihren Manteltarifverhandlungen geeinigt, wie sie in einer gemeinsamen Erklärung festhalten.

Im Einzelnen beinhalten die getroffenen Vergütungsregelungen eine Mindestgage von 200 Euro pro Vorstellung – für die Übernahme kleiner Rollen oder Partien ist eine Abweichung von bis zu 25 Prozent möglich. Darüber hinaus wurde eine Probengage von mindestens 90 Euro für volle Probentage vereinbart, für halbe Probentage fallen 60 Euro an. Die Mindestgage für Doppelvorstellungen beträgt 150 Prozent der Mindestgage für eine Einzelvorstellung.

Ausserdem wurden die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung einer Zuwendung – also Urlaubs- und Weihnachtsgeld – wesentlich verbessert. Anders als nach der gegenwärtigen Regelung können nun Beschäftigungsmonate aus zwei Spielzeiten zusammengerechnet werden, um die nötige Anspruchs-Voraussetzung von neun Monaten Beschäftigungszeit an derselben Bühne zu erfüllen. Bisher mussten diese neun Monate Beschäftigung in einer Spielzeit erbracht werden, um eine Zuwendung zu erhalten.

Schliesslich konnten sich die Tarifparteien auf eine Regelung verständigen, die künftig Rechtssicherheit für Befristungen von auf der Basis des Tarifvertrags NV Bühne abgeschlossenen Arbeitsverträgen schafft. Hierbei geht es insbesondere um Krankheits- und Elternzeitvertretungen.

Der Vereinbarung müssen die Gremien der Tarifparteien noch zustimmen.
 

Intakt begeistert London

Zwölf Tage lang gestaltete das Schweizer Plattenlabel Intakt Records das Programm im legendären Londoner Jazz-Club Vortex. Die Resonanz übertraf alle Erwartungen.

Louis Moholo-Moholo und Irene Schweizer vor dem Vortex Jazz Club. Foto: Patrik Landolt,Foto: Dawid Laskowski

Oliver Weindling hat es seit Jahren immer wieder gesagt: Eines seiner ganz grossen Ziele als Direktor des Jazz-Club Vortex sei es, Irene Schweizer auf seiner Bühne zu erleben. Die inzwischen 75 Jahre alte Pianistin gilt als eine der prägenden Figuren im europäischen Free Jazz. Nicht zuletzt ihrer pionierhaften Arbeit ist es zu verdanken, dass die Schweizer Free Jazz/Improvisationsszene auf internationaler Ebene heute einen ausserordentlich starken Ruf geniesst. Aber das Reisen gehört nicht mehr zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Auftritte im Ausland sind rarer und rarer geworden.

Nun ist Weindlings Traum doch noch in Erfüllung gegangen. Im Rahmen des 12-tägigen Intakt-Records-Festival im Vortex trat auch sie auf, deren Karriere so eng mit der Geschichte des Labels verbunden ist, und zwar sogar mehrmals. Zuerst an der Seite des südafrikanischen Schlagzeugers Louis Moholo-Moholo, mit dem sie freundschaftlich verbunden ist, seit dieser 1964 auf der Flucht vor der Apartheid mit den Blue Notes in Zürich landete. Bei einem weiteren Set mit Moholo-Moholo gesellte sich auch noch der Saxofonist Omri Ziegele dazu. Ein drittes Mal stand Schweizer mit der englischen Stimmkünstlerin Maggie Nicols auf der Bühne. «Es war ein ausserordentlich freudvolles Erlebnis», strahlt Weindling. «Irene war drei Tage lang in toller Stimmung, als sie hier war, und das hat uns natürlich auch sehr gefreut, denn bei früheren Gelegenheiten soll es ihr in England nicht immer wohl gewesen sein.»

Findiges Konzept

Schwyzer Lotteriefonds-Gelder für Zentrumskultur

Der Regierungsrat des Kantons Schwyz möchte den Kulturlastenausgleich künftig mit Hilfe von Lotteriefonds-Geldern abgelten. Die eigenen kantonalen Kulturförderaufgaben sieht er dabei nicht gefährdet.

Luzerner Theater. Foto: Ingo Hoehn/dphoto.ch

Die Vereinbarung über die interkantonale Zusammenarbeit im Bereich überregionaler Kultureinrichtungen vom 2003 regelt den Kulturlastenausgleich zwischen den Kantonen Zürich, Luzern, Aargau, Zug, Uri und Schwyz. Der Kantonsrat des Kantons Schwyz hat 2005 den Beitritt zu dieser Vereinbarung beschlossen. Als überregionale Kultureinrichtungen gelten in Zürich das Opernhaus, die Tonhalle und das Schauspielhaus, in Luzern sind es das Kunst- und Kongresshaus (KKL), das Luzerner Theater und das Luzerner Sinfonieorchester.

Im Verlauf der ersten Abrechnungsperiode (2010-2012) hatte der Schwyzer Kantonsrat im September 2011 eine Motion für erheblich erklärt, die forderte, die Vereinbarung zu kündigen. Regierung und Kantonsrat sprachen sich 2013 schliesslich aber gegen einen Austritt aus der Vereinbarung ab. Neu plant der Regierungsrat, den Kulturlastenausgleich in der bisherigen Höhe von zwei Millionen Franken mit freiwilligen Mitteln aus dem Lotteriefonds zu finanzieren.

Als Antwort auf eine Interpellation erklärt der Regierungsrat nun, dass der «allfällig zusätzliche Aufwand für den Kulturlastenausgleich in der Höhe von aktuell rund 1,8 Millionen Franken eigene kantonale Kulturprojekte nicht beeinträchtigen würde». Nach dem heutigen Wissensstand seien die Zahlungen für die Kulturförderung in einem Zeithorizont von zehn Jahren nicht gefährdet. Der Regierungsrat berkräftigt zudem, dass er im Bereich der Kulturförderung keine Objekt-, sondern ausschliesslich Projektförderung betreibe und dies auch in Zukunft so halten wolle.

Die ganze Interpellationsantwort:
https://www.sz.ch/public/upload/assets/28444/I_Kultureinrichtungen.pdf

 

Lucerne Festival Academy sucht Gastfamilien

Im Rahmen der Lucerne Festival Academy werden auch in diesem Jahr rund 130 junge Instrumentalisten, Dirigenten und Komponisten aus über 30 Ländern erwartet. Wie jeden Sommer sollen die Künstler bei Luzernerinnen und Luzernern untergebracht werden.

Probe der Academy 2016 mit Alan Gilbert und Anne-Sophie Mutter (Bild: Videostill)

Für den Zeitraum vom 12. August bis 2. September 2017 werden Gastgeber gesucht, die den Akademisten im Alter von 18 bis 32 Jahren einen Schlafplatz inklusive Frühstück zur Verfügung stellen.

Interessierte können zwischen zwei Modellen wählen, der «Patenschaft» und der «Gastfamilie». Bei der «Patenschaft» wird die kostenlose Teilnahme an Veranstaltungen während des Festivals angeboten, bei der die Gastgeber ihre Gäste «in action» erleben können: Man erhält je zwei Karten für das Eröffnungs- und das Abschlusskonzert der Academy mit anschliessendem Apéro und ausgewählte Academy-Proben, Künstlergespräche sowie die Generalprobe eines Sinfoniekonzerts können besucht werden.

Darüber hinaus werden Patenfamilien automatisch für ein Jahr in den Kreis der Freunde Lucerne Festival aufgenommen und profitieren von exklusiven Angeboten wie der Teilnahme am Event vor dem Patronatskonzert und der Einladung zum Informationsanlass zum Programm des kommenden Festspieljahres. Zudem erhalten sie Zutritt zur Foyer-Lounge der Freunde Lucerne Festival und ein Kartenvorbezugsrecht für maximal 14 Karten.

Den «Gastfamilien» wird ein Betrag in der Höhe von 30 Franken pro Nacht und Person vergütet. Hinzu kommen zwei Karten für das Academy-Eröffnungskonzert, 50 Prozent Ermässigung auf den Kauf von zwei Karten für das Academy-Abschlusskonzert sowie ebenfalls die Möglichkeit, ausgewählte Academy-Proben zu besuchen.

Mehr Infos: www.academy.lucernefestival.ch/service/gastfamilien/

ZHdK verpflichtet Sitkovetsky und Malov

Das Departement Musik der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) hat zwei neue Lehrverpflichtungen bekanntgegeben: Ab Studienjahr 2017/18 werden Alexander Sitkovetsky und Sergey Malov Violine im Hauptfach unterrichten.

Alexander Sitkovetsky (Bild: zvg)

Alexander Sitkovetsky studierte an der Menuhin School und unter anderem bei Maxim Vengerov; aktuell lehrt er am Royal Northern College of Music in Manchester und an der Royal Academy of Music in London. Er  wird mit seiner Familie nach Zürich übersiedeln und seine weltweite Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker von dort aus weiter führen.

Sergey Malov – wie Sitkovetsky Jahrgang 1983 – studierte Violine und Viola an der Universität Mozarteum in Salzburg sowie an der Hanns Eisler Hochschule in Berlin bei Thomas Riebl beziehungsweise Antje Weithaas, in deren Klassen er auch als Assistent tätig war. 2014 bekleidete Malov die Vertretung einer Professur an der Hochschule für Musik und Theater Stuttgart.

Sprengen von Zeit

Das Theater Basel zeigt die Schweizer Erstaufführung der 1980 entstandenen Oper «Satyagraha» von Philip Glass, eine Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin und der Vlaamse Opera Antwerpen. Das Libretto in Sanskrit stützt sich auf Verse des altindischen Epos «Bhagavad Gita».

Nicholas Crawley, Cathrin Lange, Rolf Romei, Maren Favela. Foto: ©Sandra Then,Kompagnie Eastman, Rolf Romei (Gandhi). Foto: ©Sandra Then

Zeit zum Sinnieren: Knapp drei Stunden dauert diese Oper, die eher dem Weichen frönt. Wohlig bettet das minimalistische Kreisen der Musik die Hörer. Keine Dissonanzen stören, keine Brüche, schon gar keine Abgründe. Auf dem flauschigen Teppich des amerikanischen Komponisten Philip Glass bewegen sich Tänzer. Sie nehmen den kreisenden Gestus auf: Arme verkörpern Wellen, Füsse huschen mal geschmeidig, mal akrobatisch über die leere, nach vorn kippbare Bühne des Theaters Basel.

Eine Handlung im strengen Sinne gibt es nicht. Glass verglich seine 1980 komponierte Oper Satyagraha mit einem Fotoalbum. Ein «Leben in drei Bildern» könnte es auch heissen. Einblicke gibt es in entscheidende, frühe biografische Stationen des indischen Widerstandskämpfers Mohandas Karamchand Gandhi, später bekannt als Mahatma Gandhi: Sein Leben in Südafrika kommt auf die Bühne, der Protestmarsch von Newcastle im Jahr 1913 oder auch sein Leben auf der genossenschaftlich organisierten Tolstoi-Farm.

Eintauchen oder widersetzen

Tod des Klarinettisten Eduard Brunner

In München ist der Schweizer Eduard Brunner im Alter von 77 Jahren verstorben. Der ehemalige Soloklarinettist des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war auch ein kundiger Apologet der zeitgenössischen Musik.

Eduard Brunner 2012. Foto: Thüringische Sommerakademie

Seiner Initiative sind unter anderem Kompositionen für Klarinette von Cristóbal Halffter, Krzysztof Meyer, Edisson Denissow, Augustyn Bloch oder Toshio Hosokawa zu verdanken. Zusammen mit Helmut Lachenmann entwickelte er zudem neue Spieltechniken für sein Instrument.

Der in Basel geborene Eduard Brunner hat an der Basler Musik-Akademie studiert. 1962 wurde er Soloklarinettist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Rafael Kubelik. Ab 1992 unterrichtete er Klarinette und Kammermusik an der Musikhochschule Saarbrücken. Brunner hat laut Angaben des Labels Musiques Suisses über 250 Werke für Klarinette auf CD eingespielt, darunter mit Alfred Brendel, Andràs Schiff, Oleg Kagan, Gidon Kremer, Jurij Bashmet, Kim Kashkashian, Natalia Gutman, dem Borodin- und dem Hagen-Quartett.

Authentizität versus Improvisation?

Die interdisziplinäre Tagung «Authenticity versus Improvisation in der Philosophie über Musik?» fragt nach dem Wesen und dem Wechselverhältnis von Improvisation und Authentizität.

Strassenmusikanten, ca. 1630. Bernardo Strozzi (1581-1644)/Detroit Institute of Arts,SMPV

Die Begriffe Improvisation und Authentizität werden oft gebraucht, um musikalische Aufführungen zu klassifizieren und zu bewerten. Eine genauere philosophische Reflexion bringt aber Probleme an den Tag. So evoziert der Begriff der Improvisation die Vorstellung grenzenloser Spontaneität und Freiheit. Diese bleibt aber unerreichbar, denn in der Praxis ist der Rekurs auf bestehende Muster und Regeln unvermeidbar. Was die Authentizität angeht, so kann zwischen einer subjektiven und einer objektiven Spielart unterschieden werden. Erstere zielt darauf, dass die Interpretinnen und Interpreten authentisch sich selbst ausdrücken. Objektive Authentizität strebt hingegen zum wahren Ursprung oder einer vermeintlichen Intention eines musikalischen Werks zurück, um die «Originalfassung» und/oder die hinter ihr liegende Erfahrung zu vergegenwärtigen. In beiden Fällen fragt sich aber, inwiefern volle Authentizität realisier- oder überhaupt denkbar ist.

Die Konferenz hat das Ziel, genauer zu verstehen, was Improvisation und Authentizität sein könnten und wie sich ihr Wechselverhältnis beschreiben lässt. Beide Begriffe sollen insbesondere dazu verwendet werden, ein Licht auf den musikalischen Werkbegriff zu werfen. Die Konferenz ist interdisziplinär und bringt Philosophie und Musikwissenschaft ins Gespräch.

In dieser Hinsicht werden in den Konferenzbeiträgen u.a. die folgenden Fragen behandelt:
– Wie lässt sich eine Improvisation von anderen musikalischen Praktiken unterscheiden?
– Was meinen wir, wenn wir von einer mehr oder weniger authentischen Improvisation reden?
– Inwiefern können auch Ton-Aufnahmen authentisch sein?
– Was kann der Werkbegriff im Zusammenhang der Improvisation leisten?
– Welche Begriffe von Improvisation können wir aus konkreten Musikpraktiken sowie aus verschiedenen Musiktheorien gewinnen?
– Was bedeutet Freiheit der Improvisation?

Diese Fragen werden sowohl anhand theoretischer Argumente als auch konkreter Beispiele untersucht. Im interdisziplinären Dialog sollen dabei nicht nur die Kenntnisse unterschiedlicher Fächer zusammenfliessen, sondern auch verschiedene Perspektiven einander befruchten. Eingeladene Hauptvorträge werden von Julian Dodd (Manchester University), Roger Pouivet (Université de Lorraine) und Bastien Gallet (HEAR, Strasbourg/Mulhouse) gehalten. Praktisch erprobt werden diese Fragen in einem Workshop mit dem Improvisationstrio Inniger-daSilva-Spitzenstaetter der HKB.
 

Symposium an der Universität Bern, 19. bis 20.5.2017
Bern, Hauptgebäude Universität, Hochschulstr. 4, Raum 304 (19. Mai)
Bern, UniS, Schanzeneckstr. 1, Raum A-119 (20. Mai)
Konzert-Workshop: Hallerstrasse 12, Raum 002


philosophie.unibe.ch/impro2017

Aktualisiert am 30. Juni 2017:
Link zum Symposiumsbericht von Nemanja Radivojevic (auf Französisch)
 

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