Gelder für das Winterthurer Konservatorium

Der Kanton Zürich hat sich 2016 aus der Finanzierung der zusätzlich zum subventionierten Musikunterricht bestehenden Angebote des Konservatoriums Winterthur zurückgezogen. Nun springt der Stadtrat temporär ein.

Foto: Robert Cutts/wikimedia commons

Im Schuljahr 2019/20 beträgt der Finanzierungsbedarf für die ergänzenden Angebote des Konservatoriums 500’000 Franken. Der Stadtrat hat beschlossen, für das Schuljahr 2019/20 200’000 Franken zur Überbrückung zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag entspricht dem Anteil Winterthurerinnen und Winterthurern, die solche Angebote nutzen. Für den verbleibenden Fehlbetrag von 300’000 Franken kommen weiterhin Private auf. Ab dem Schuljahr 2020/21 soll auf der Basis des neuen Gesetzes die Finanzierung ordentlich erfolgen.

Das Konservatorium erhielt für die ergänzenden Angebote im Vorschulbereich wie auch für besonders begabte Jungmusikerinnen und Jungmusiker bis 2016 zusätzliche kantonale Unterstützung. Diese Angebote – wie das bekannte Winterthurer Jugendsinfonie-Orchester (WJSO), die national wie international prämierten Chöre sowie Ensembles und Bands, aber auch das Förderprogramm und das Vorstudium zum Musikstudium sind aus dem Winterthurer Kulturleben und aus der hiesigen Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken.

2016 hat sich der Kanton aus der Finanzierung zurückgezogen, obwohl diese als Überbrückungsfinanzierung bis zu einem neuen, gültigen Musikschulgesetz vorgesehen war. Der Kantonsrat ist auf eine erste Fassung 2016 nicht eingetreten, und die Regierung beschloss damals gleichzeitig das Sparprogramm «LÜ16». In der Folge stellte der Kanton seine Zahlungen ein, und die entstandenen Defizite wurden seither durch das Musikkollegium Winterthur getragen.

 

New-York-Stipendium künftig in Brooklyn

Nach einer unerwarteten Kündigung der bisherigen Gastateliers in New York haben der Kanton und die Stadt Bern gemeinsam eine neue Lösung gefunden, um weiterhin Stipendien für Kulturschaffende auszuschreiben: Neu arbeiten sie mit Residency Unlimited zusammen.

Sitz von RU: South Congregational Church in Brooklyn. Foto: Jim Henderson/wikimedia commons

Während Jahrzehnten mieteten der Kanton und die Stadt Bern je zwei Wohnateliers im New Yorker Stadtteil Manhattan und konnten so jährlich zwei sechsmonatige Auslandstipendien für Kulturschaffende ausschreiben und vergeben. Im Herbst 2017 kam überraschend das Aus. Die Vermieterin, die Berner Schauspielerin Linda Geiser, verkaufte ihre Liegenschaft und kündigte das über 35 Jahre dauernde Mietverhältnis.

Die Kulturverantwortlichen von Stadt und Kanton prüften verschiedene Optionen. Schliesslich entschieden sie sich, die städtisch-kantonale Kooperation in New York fortzusetzen und neu mit dem Partner «Residency Unlimited» RU (www.residencyunlimited.org) zusammenzuarbeiten. Die ausgewählten Kulturschaffenden werden nun künftig nach Brooklyn reisen, in das Zentrum der jüngeren Kunst- und Kulturszene New Yorks.

Die von Kunstschaffenden gegründete Organisation entwickelte in einer umgenutzten Kirche in Carroll Gardens im Stadtteil Brooklyn einen multifunktionalen Kunstraum als Drehscheibe und Ausgangspunkt für Ausstellungen, Screenings, öffentliche Gespräche und Performances, aber auch für informelle Treffen der internationalen Gäste und für deren Produktionen. Zudem vermittelt RU internationalen Gästen Ateliers, Auftrittsmöglichkeiten und Wohnungen.

Der Turnus sieht vor, dass Stadt und Kanton wie bisher im Halbjahreswechsel je zwei New-York-Stipendien ausschreiben, jeweils zu den gleichen Bedingungen. Den Anfang macht die Stadt Bern und schreibt die ersten zwei Stipendien in Zusammenarbeit mit RU für die Periode vom 1. August bis Ende 2019 aus. Nebst einem zur Verfügung gestellten Atelier und einer (neu separaten) Wohnunterkunft umfasst das Stipendium einen Beitrag von 15’000 Franken an die Lebenshaltungskosten.

Angesichts der gesteigerten Preise in New York musste es um einen Monat auf fünf Monate gekürzt werden. Mehr denn je ist für einen gelungenen Arbeitsaufenthalt in New York entscheidend, wie rasch man die jeweils «richtigen» Orte und Leute kennenlernt. Was Linda Geiser bisher informell leistete, wird in den kommenden Jahren also vertraglich institutionalisiert. Die nach New York reisenden Kulturschaffenden werden vom Netzwerk von RU profitieren können.
 

Unterstützung fürs Chuchchepati Orchestra

Mit der dritten Fördertranche in diesem Jahr aus dem Kulturfonds hat der Regierungsrat von Appenzell Ausserrhoden fünf Projekte mit insgesamt 63’000 Franken unterstützt, darunter Patrick Kesslers neu gegründetes Ostschweizer Chuchchepati Orchestra.

Foto: © Kasimir Höhener, Nov. 2018

Chuchchepati bezeichnet im Nepalesischen Horizont,  ein Stadtteil von Kathmandu. Der Appenzeller Kontrabassist, Experimentalmusiker und Klangkunstvermittler Patrick Kessler verweist damit auf die Herkunft von acht grossen Lautsprechern, die als oktaphone Installation in seinem gleichnamigen Orchester mitwirken. Sie kreieren mit den andern Instrumenten des Ensembles eine flexible Klangsprache von Echtzeit-Soundtracks. Die Soundinstallation ist offen begehbar und kommunikativ; die Zuhörerschaft soll aktiv mitwirken. Sie wird insgesamt an 24 Konzerten, in unterschiedlicher Besetzung und an verschiedensten Orten, zu hören sein.

Kessler lebt in Gais (AR) und bewegt sich mit dem Kontrabass an den Schnittstellen zu performativer Kunst und Improvisation, zwischen Installation und Komposition – oft ergänzt mit elektronischen Elementen, experimentell analogen Klangcollagen und visuellen Mitteln. Er kuratiert unter anderem  «Klang Moor Schopfe» – Soundinstallationen und Festival im Hochmoor Gais, die Konzertreihe «Appenzeller Wechselstube» und das «Jazz Linard» Jazzfestival in Lavin.

Start des Luzerner Hauptfachs Jodeln

Das Departement Musik der Hochschule Luzern bietet seit Herbst 2018 ein Hauptfach «Jodel» an. Der Start scheint geglückt.

Stubete in der Jazzkantine Luzern (Bild: Priska Ketterer)

Derzeit besuchen acht Studentinnen den neuen Jodel-Unterricht bei der Bereichsleiterin Nadja Räss – vier von ihnen im Hauptfach, drei im Nebenfach und eine im Vorkurs. Das Angebot richtet sich an jene, die bereits ein musikalisches Vorwissen mitbringen und auch schon Jodelerfahrung haben. Ziel des Studiums ist die Befähigung, Jodel auf verschiedenen Schulstufen unterrichten zu können. Dafür ist in der Regel nach dem dreijährigen Bachelor-Studium ein Master in Musikpädagogik nötig.

Vermittelt wird eine sehr gute technische Beherrschung des Jodel als «Hauptinstrument» sowie die vertiefte Auseinandersetzung mit den verschiedensten Stilen und Klangfarben. Neben der Stimmbildung und der Körperarbeit stehen zudem andere Fächer auf dem Stundenplan wie Musiktheorie, Musikgeschichte, Blattlesen oder Improvisation.

Die Hochschule Luzern setzt in ihrer Ausbildung und in der Forschung seit Jahren unter anderem neben Jazz und Klassik einen Fokus auf volkstümliche Musik: Seit 2009 wird im Bachelor of Arts in Music ein Schwerpunkt in instrumentaler Volksmusik angeboten. Hier haben seitdem fast 20 Studentinnen und Studenten einen Abschluss erlangt.

Das nächste Konzert des Studierenden-Ensembles «Alpini Vernähmlassig» ist am 28. Januar 2019 beim Musikfestival «Szenenwechsel» der Hochschule Luzern in der Jazzkantine. Zudem spielt das Ensemble am Klangfestival Naturstimmen in Toggenburg (Mai 2019) und im Haus der Volksmusik in Altdorf/Uri (Juni 2019).

 

Berner Kulturausgaben werden erhöht

Der Gemeinderat der Stadt Bern (die Exekutive) hat die Vierjahres-Planung der städtischen Kulturförderung für die Jahre 2020 bis 2023 genehmigt und damit einer Erhöhung der städtischen Kulturausgaben um rund sieben Prozent (2,3 Millionen Franken) gegenüber der Periode 2016 bis 2019 zugestimmt.

Swiss Jazz Orchestra Bern. Foto: Reto Andreoli

Im Weiteren hat der Berner Gemeinderat 24 Leistungsverträge mit Kulturinstitutionen gutgeheissen und die entsprechenden Verpflichtungskredite an den Stadtrat weitergeleitet. Über vier Verpflichtungskredite sollen die Stimmberechtigten im Mai 2019 befinden. Der grösste Teil der Kulturfördergelder, nämlich rund 85 Prozent, geht an Kulturinstitutionen, die zum Teil gemeinsam mit Kanton und Regionsgemeinden subventioniert werden. Rund 15 Prozent der Gelder fliessen in die direkte Förderung. Dort setzt die Stadt ihre eigenen Schwerpunkte.

In den Jahren 2020-2023 sollen dieselben Institutionen subventioniert werden wie in der Vorperiode. Es sind dies die grossen Kulturhäuser wie Konzert Theater Bern oder das Bernische Historische Museum, aber auch viele kleinere Institutionen wie das Kino Rex oder das Haus der Religionen. Neu hinzu kommt das Swiss Jazz Orchestra, das einen Vertrag von Stadt, Kanton und Regionsgemeinden erhält. Insgesamt subventioniert die öffentliche Hand Kulturinstitutionen in den Stadt Bern mit jährlich über 60 Millionen Franken. Etwas über die Hälfte davon, nämlich gut 32 Millionen, bezahlt die Stadt Bern.

Bei der direkten Förderung werden inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Es sind dies die zeitgenössische Kultur mit dem Fokus Tanz, die Digitalisierung und die kulturelle Teilhabe. Als Querschnittsthema steht der gesellschaftliche Nutzen der Kulturförderung im Fokus.

Morgenegg leitet Aarauer Kulturabteilung

Melanie Morgenegg übernimmt per 1. Januar 2019 die Abteilungsleitung der neu gebildeten Abteilung Kultur. Ihr ist das Kultursekretariat mit der Kulturförderung der Stadt Aarau unterstellt.

Foto: Olivia Pulver, www.glanzlicht.ch

Der Aarauer Stadtrat hat Melanie Morgenegg zur neuen Abteilungsleiterin Kultur gewählt. Sie hat ein 70-Prozent-Pensum. Die 44-jährige schloss 2000 das Studium Architektur und Städtebau mit Studiengang Kulturarbeit ab. Melanie Morgenegg ist wohnhaft in Aarau und seit 2004 als Leiterin der Kulturstelle bei der Abteilung Stadtkanzlei der Stadt Aarau tätig.

Der neuen Abteilung Kultur sind per 1. Januar 2019 das Stadtmuseum, die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv sowie das Kultursekretariat mit der Kulturförderung der Stadt Aarau unterstellt. Mit der Schaffung der neuen Abteilung können laut der Mitteilung der Stadt «eine Stärkung der Organisations- und Führungsstrukturen, eine stufengerechte Bearbeitung von Fachfragen, die einheitliche Bearbeitung von Querschnittsfunktionen sowie eine erhöhte organisatorische Flexibilität erreicht werden».

Vernehmlassung zum Basler Kulturvertrag

Die beiden Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft legen den neuen Kulturvertrag gemeinsam zur öffentlichen Vernehmlassung vor. Der Vertrag regelt die Abgeltung des Kantons Basel-Landschaft an den Kanton Basel-Stadt für kulturelle Zentrumsleistungen ab 2022.

Foto: twinlili/pixelio.de

Die gleichzeitig veröffentlichten Vorlagen an den Grossen Rat Basel-Stadt und an den Landrat Basel-Landschaft erläutern weitere Verhandlungsergebnisse und die geplante Umsetzung des neuen Kulturvertrags sowie weitere Massnahmen im Bereich der Kulturförderung im Kanton Basel-Landschaft.

Wie im bisherigen Kulturvertrag sind die Mittel aus dem Kanton Basel-Landschaft zweckgebunden für kulturelle Zentrumsleistungen im Bereich des professionellen zeitgenössischen Kulturschaffens. Die aus den Abgeltungen begünstigten Institutionen müssen nachweislich eine regionale Ausstrahlung besitzen, einen regulären Betriebsbeitrag des Kantons Basel-Stadt erhalten und ein eigenes Ensemble oder Orchester beschäftigen oder per Leistungsauftrag des Kantons Basel-Stadt Koproduktionspartner und Spielstätte für regionale Ensembles und Compagnies sein.

Die regionale Ausstrahlung wird per Erhebung des Publikumsaufkommens belegt. Es werden künftig die drei Institutionen mit den meisten Besucherinnen und Besuchern aus dem Kanton Basel-Landschaft berücksichtigt. Der gesamthafte Betriebsbeitrag, den diese drei Institutionen erhalten, erhöht sich nicht. Vielmehr verringert sich der baselstädtische Anteil am Betriebsbeitrag dieser drei Institutionen entsprechend der Erhöhung der Beiträge aus der Abgeltung des Kantons Basel-Landschaft.

Die dadurch frei werdenden Mittel werden innerhalb des Kulturbudgets des Kantons Basel-Stadt so umgelagert, dass alle Institutionen, die heute aus der Kulturvertragspauschale (bestehender Kulturvertrag) begünstigt werden, in derselben Höhe wie bisher unterstützt werden. Für den Kanton Basel-Stadt resultieren aus dieser Verschiebung weder Mehrkosten noch Einsparungen. Die Angleichung an bestehende Modelle von Abgeltungen kultureller Zentrumsleistungen ermöglicht eine transparente Verteilung der Mittel auf der Basis von objektiven Kriterien und eine Vergleichbarkeit.

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft strebt laut der Medienmitteilung zusätzlich «ein verstärktes Engagement bezüglich der kulturellen Infrastruktur und eine Stärkung der Projekt- und Produktionsförderung im Kanton Basel-Landschaft an». Er legt mit der Landratsvorlage ein Konzept für die zeitgenössische Kunst- und Kulturförderung vor. Dieses umfasst finanzielle und strukturelle Massnahmen in verschiedenen Förderbereichen. Vorgesehen sind unter anderem eine Erhöhung der Mittel für Institutionen im Kanton Basel-Landschaft sowie eine Stärkung der Förderkredite in mehreren Bereichen der basellandschaftlichen Kulturförderung.

Äneas Humm eröffnet die Konzertsaison 2019

Das Kulturzentrum La Prairie der Stiftung Thiébaud-Frey in Bellmund eröffnet seine
Konzertsaison 2019 mit dem 22-jährigen Schweizer Ausnahmetalent Äneas Humm.
Das gesamte Jahresprogramm ist vielseitig und hochkarätig.

Konzertsaal in La Prairie. Foto: Perrenoud Guy,Foto: La Prairie,SMPV

Seit drei Jahren finden die Konzerte in einem neu erbauten, speziell für Kammermusik konzipierten und akustisch hervorragenden Konzertsaal statt. Er umfasst hundert nummerierte und online reservierbare Plätze, jeder mit freier Sicht auf die Konzertbühne. Die Lage des Kulturzentrums in Bellmund mit Sicht auf den Bielersee und die Alpenkette darf als einmalig bezeichnet werden.

Saison 2019

Den Auftakt ins Konzertjahr 2019 macht am 12. Januar der erst 22-jährige, aber bereits zu Star avancierte Bariton Äneas Humm, begleitet vom legendären Pianisten Hartmut Höll.

Weitere Konzerte in Stichworten:

26. Januar:
Reihe «Jeunesse»: Pianist Jérémie Conus mit Werken von Beethoven, Martin, Honegger, Liszt

Pilze, Personen, Harmonien

«44 Harmonies from Apartment House 1776»: Christoph Marthaler inszeniert am Zürcher Schauspielhaus John Cage – und vice versa … Wie soll das gehen?

Foto: © Tanja Dorendorf / T+T Fotografie,Foto: © Tanja Dorendorf / T+T Fotografie

Musik, hymnisch, wenn auch etwas lose, gespielt von vier Celli: Im Konzert würden wir sie wohl problemlos anhören, aber im Theater erwarten wir etwas dazu, im marthalerschen erst recht, irgendetwas. Aber das dauert hier, etliche schöne lange Minuten. Irgendwann gehen die herumsitzenden und zuhörenden Schauspieler raus – und kommen gleich wieder rein. Sitzen wieder da und weiter. Erheben sich erwartungsvoll, wenn die Cellistinnen (Hyazintha Andrej, Isabel Gehweiler, Nadja Reich, Vanessa Hunt Russell) die Seite wenden. Nein, es ist noch nicht zu Ende! Und warten weiter. Sie sind wie wir, die Zuschauer, sie sind wir, Cage hörend. Wir werden hier inszeniert, in die Szene gesetzt.

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Diese sehr lange weilende Szene ist das Zentrum des Abends. Für den Musicircus Apartment House 1776, geschaffen 1976 anlässlich des Zweijahrhundertjubiläums der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, komponierte John Cage auch diese «44 Harmonies», die wie verlorene Lieder wirken. Sie bestehen aus Fragmenten, ex- oder besser: subtrahiert aus Hymnen von Komponisten, die 1776 nicht älter als zwanzig waren, etwa William Billings oder Andrew Law. Die Schönheit der Melodien bleibt dabei gewahrt, wirkt aber durchbrochen, zersetzt, instabil, irgendwie auch verloren und verlassen. Solche Subtraktion, solche Verlorenheit und Stille musste einen wie Christoph Marthaler ansprechen. Bei der Produktion ±0 (Ein Basislager), erarbeitet in der grönländischen Hauptstadt Nuuk, entdeckten er und sein Ensemble die Stücke und planten, weiter damit zu arbeiten. In 44 Harmonies from Apartment House 1776 erklingen sie nach etwas über einer Stunde. Da ist der Abend am Wendepunkt. Danach ist er anders als davor. Zuvor konnte sich das marthalersche Theater gleichsam hemmungslos entfalten. Dabei geht es beileibe nicht nur um Cage, sondern um «Personen, Harmonien, Pilze und Harmonien», wie Ueli Jäggi in seiner Einleitung ankündigt. Mit der Rückkehr der Marthaler-Familie in den Schiffbau, wo wir einst eine triumphale und doch elend endende Ära des Schauspielhauses erlebten, kehren nach fünfzehn Jahren auch die typischen Marthalerismen zurück: Schauspieler (neben Jäggi noch Benito Bause, Marc Bodnar, Raphael Clamer, Elisa Plüss, Graham F. Valentine und Susanne-Marie Wrage) streunen auf der Bühne herum; Bendix Dethlefssen, der musikalische Leiter, spielt an Klavier und Harmonium. Da gibt es Verbeugungsrituale, einen teuflisch verrenkten, mit Stühlen getanzten Tango, eine Litanei der sonderbarsten Pilzbezeichnungen, einen in den bassesten Keller absaufenden Song usw. Das alles wie gewohnt in der Retro-Szenerie von Anna Viebrock, halb gute Stube, halb Kirchgemeindesaal. Dazwischen geistert Bernhard Landau als Cage umher – blau mit Jeans und Joppe, ein wandelndes Zitat, über Pilze referierend. Am Ende des achtviertelstündigen Abends erscheint er als Gärtner mit einer Giesskanne und tränkt die Notenständer.

Doppelt geordnete Anarchie

Mit seiner Tragikomik ist’s Marthaler vom Feinsten. Allerdings ist es ein wenig zu bedauern, dass Cages Musik nicht mehr zum Zug kommt. Andere Stücke von einem Song wie A wonderful Widow of Eighteen Springs über die performative Water Music bis hin zu Lectures wie Silence hätten das ästhetische Feld weiter geöffnet. Stattdessen kehrt Marthaler zu den vertrauten Säulenheiligen mitteleuropäischer Musikgeschichte zurück, zu Bach, Beethoven, Schumann, Wagner, Mahler – und Satie. Das ist halt erkennbarer – und immer noch ungemein spassig und melancholisch. Immerhin ergibt sich daraus ein besonderes Wechselspiel. Es ist, als würde Marthalers Erzählweise durch die cagesche Zufallsoperation gedreht – und Cages Musik durch Marthalers Blick gefiltert. Es ist eine doppelt geordnete Anarchie.

Zuvor also dürfen wir uns fast naiv und etwas nostalgisch dem Zauber des marthalerschen Theaters überlassen. Nach der (vom Theatralen her gesehen) monotonen Durststrecke der Harmonies findet der Abend nicht mehr zu sich, findet er nicht mehr weiter. Ein gewiss gekonntes, aber nun nochmals sehr langwieriges wortezerschrumpelndes Sextett setzt ein. Das kreist nur noch zu Ende, entwickelt auch nicht mehr die bei Marthaler gewohnte Virtuosität des Scheiterns. Der Bach-Choral Es ist genug drückt es etwas hilflos aus. Und es endet mit Mahlers Adagietto, wie ein Tod in Venedig, allerdings nicht am Strand, sondern im Sandkasten. Und das ist es, was ich der Produktion nicht so recht verzeihen mag, diesen Schluss mit Mahler, dessen Melodie mir noch tagelang – anstelle einer anarchischen Harmonie – im Kopfe dreht …
 

Christoph Marthaler und Ensemble: 44 Harmonies from Apartment House 1776

Schauspielhaus Zürich, Schiffbau, Premiere: 6. Dezember 2018, Aufführungen vorerst bis 9. Januar 2019

Link zur Produktion im Schauspielhaus

Brandenburg mit Mindestlohn für Musiker

Als erstes deutsches Landesparlament hat der Landtag Brandenburg beschlossen, die Mindeststandards der Deutsche Orchestervereinigung (DOV) für die Honorierung freischaffender Musiker und Vokalsolisten verbindlich einzuführen. Der DOV gefällt das.

Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Laut DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens hat die Landtagsentscheidung zugunsten freischaffender Musiker und Sängerinnen Vorbildcharakter. Dies sei ein bundesweit wichtiges Signal und ein grosser Schritt in die richtige Richtung, um perspektivisch «der Selbstausbeutung, Prekarisierung und Altersarmut von freischaffenden Musikern und Sängerinnen entgegenzuwirken».

Die DOV-Mindeststandards legen für die Mitwirkung Freischaffender in Proben, Aufführungen und Musikprojekten konkrete Honorarsätze fest. Diese werden ab 2019 im Land Brandenburg eingeführt, gelten verbindlich ab 2020 für vom Land geförderte Projekte und erfassen spätestens ab 2021 auch die vom Land institutionell geförderten Orchester. Die Honorarsätze werden jährlich an die allgemeine durchschnittliche Lohnentwicklung angepasst.

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Playroom heute eröffnet

Nach einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne wird am 15. Dezember 2018 im (Schweizerischen Museum und Zentrum für elektronische Musikinstrumente (SMEM) der Playroom, «der erste Raum für elektronische Musikinstrumente» in Fribourg eröffnet.

Foto: SMEM

Was dem Verein SMEM im März dieses Jahres noch «vorschwebte» (SMZ 3/2018 S. 13/14) ist nun Tatsache: Heute wird gemäss Medienmitteilung des SMEM der Playroom mit elektronischen Musikinstrumenten eröffnet. Die Instrumente stammen aus der SMEM-Sammlung und von einigen Donatoren. Das Publikum ist eingeladen, die klanglichen Möglichkeiten der Instrumente zu entdecken und Aufnahmen zu machen. SMEM-Fachleute unterstützen Anfängerinnen und Anfänger, arbeiten auf Wunsch mit Musikerinnen und Musikern zusammen oder bleiben diskret im Hintergrund, «wenn bestandene Leute ihr eigenes Projekt entwickeln.»

Im Playroom werden im nächsten Jahr Vorträge, Workshops und Konzerte stattfinden. Der Raum kann auch für Residenzen genutzt werden – das hat etwa Stepfen 0’Malley bereits gemacht, noch im Dezember ist Tin Man angekündigt und für Januar der Techno-Star Legowelt. Damit, schreibt das SMEM, werde das enorme Potenzial der Sammlung und ihre internationale Ausstrahlung sichtbar. Innerhalb kaum zwei Jahren sei das SMEM zu einer der besten Adressen für Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt geworden.
 

Abbühl und Dillier leiten in Luzern Institute

Susanne Abbuehl wird an der Hochschule Luzern – Musik neue Leiterin des Instituts Jazz und Volksmusik, Julian Dillier neuer Leiter des Instituts Musikpädagogik.

Julian Dillier, Susanne Abbühl (Bilder: Arthur Häberli, Mario del Curto)

Die Sängerin und Hochschuldozentin Susanne Abbuehl übernimmt die Position ab 1. März 2019 als Nachfolgerin von Hämi Hämmerli, der in Pension geht. Susanne Abbuehl bringt im Bereich Jazz- und Volksmusik Praxiserfahrung in Form von Dozenturen an verschiedenen Bildungsinstitutionen mit, ergänzt durch eine langjährige Forschungstätigkeit, Mitarbeit in diversen nationalen Gremien und Institutionen sowie nationale und internationale Vernetzung.

Der Schlagzeuger und Hochschuldozent Julian Dillier wird Nachfolger von Walter Hess, der in Pension geht. Er ist stellvertretender Leiter der Musikschule Kriens sowie langjähriger Rhythmik- und Schlagzeugpädagoge an der Hochschule Luzern. Julian Dillier wird seine neue Aufgabe als Leiter des Instituts Musikpädagogik offiziell am 1. September 2019 beginnen.

Benelli verlässt Kultur Wallis

Nathalie Benelli, die Verantwortliche für Kulturpromotion, verlässt Kultur Wallis. Sie wird Ressortleiterin Kultur bei den Mengis Medien (Walliser Bote, rro, Rhone Zeitung), die sich neu organisieren.

Nathalie Benelli (Bild: Facebook-Profil)

Neu wird bei den Mengis Medien die Kultur neben Politik, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft ein redaktionsübergreifendes Ressort darstellen. Während den letzten acht Jahren war Nathalie Benelli laut der Medienmitteilung massgeblich am Aufbau von Kultur Wallis beteiligt und prägte die Plattform für Kulturschaffende und Kulturinteressierte.

Der Verein Kultur Wallis entstand aus einer Initiative des Kantons Wallis und der Vereinigung der Walliser Städte. (Naters, Brig-Glis, Visp, Leuk, Siders, Sitten, Savièse, Martigny, Bagnes, St-Maurice, Monthey). Kultur Wallis fördert das Walliser Kulturschaffen innerhalb und ausserhalb des Kantons und setzt sich für die Anerkennung der künstlerischen Tätigkeit ein.

Neuenburg ehrt Hyun-Jung Lim

Die Pianistin Hyun-Jung Lim und der Botanische Garten von Neuenburg werden vom Kanton mit dem 1995 begründeten Prix interculturel neuchâtelois Salut l’étranger ausgezeichnet. Er ehrt Leistungen auf den Gebieten des interkulturellen Verständnisses und des Zusammenlebens.

Hyun-Jung Lim inmitten von Repräsentanten des Botanischen Gartens (Bild: zvg)

Die 1986 geborene Südkoreanerin Hyun-Jung Lim hat mit Auszeichnungen an den Konservatorien von Compiègne und Rouen studiert. Sie gewann überdies den ersten Preis des Conservatoire national supérieur de musique de Paris. In Neuenburg engagiert sich die international tätige Virtuosin in zahlreichen karitativen Institutionen, und sie organisert aktiv Begegnungen zwischen Angehörigen unterschiedlichster Kulturen. Der Preis ist mit 4000 Franken dotiert.  

Der Neuenburger Staatsrat hat sich dieses Jahr mit dem Preis das Ziel gesetzt, auf aktuelle Bedrohungen im politischen Leben des Kantons aufmerksam zu machen. Insbesondere unterstützt er eine Initiative für eine offene und nicht diskriminierende Verwaltung.

Bednarska ist Credit Suisse Jeune Soliste

Marianna Bednarska erhält den «Prix Credit Suisse Jeunes Solistes» 2019. Die polnische Perkussionistin setzte sich beim Finale am vergangenen Samstag gegen drei Mitbewerber und ein Ensemble durch.

Marianna Bednarska (Bild: Patrick Huerlimann/Lucerne Festival)

Bednarska studiert zur Zeit bei Philippe Spiesser an der Hochschule für Musik in Genf. Sie hat zahlreiche Preise bei nationalen und internationalen Perkussions-Wettbewerben gewonnen, darunter 2018 den Grand Prix des ENKOR International Music Competition, 2016 den ersten Preis beim Internationalen Perkussions-Wettbewerb in Northwestern sowie 2016 den ersten und den Spezial-Preis des Bayerischen Rundfunks beim Internationalen Marimba Wettbewerb in Bamberg.

Der seit 2001 verliehene «Prix Credit Suisse Jeunes Solistes» ist eine gemeinsame Initiative von Lucerne Festival, der Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS) sowie der Credit Suisse Foundation. Er ist mit 25’000 Fraken dotiert und wird alle zwei Jahre an eine hochbegabte junge Musikerpersönlichkeit verliehen. Die Auszeichnung beinhaltet ausserdem die Möglichkeit, im Rahmen der Reihe «Debut» bei Lucerne Festival aufzutreten.

 

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