Ernst Krenek und die Schweiz

Dieses Buch dokumentiert die vielfältigen Beziehungen des Komponisten zur Schweiz. Zahlreiche Aufenthalte und Freundschaften hinterliessen Spuren in seinem Werk.

Ernst Krenek. Foto: © Universal Edition

In der Biografie und im Œuvre des in Wien geborenen Schreker-Schülers Ernst Krenek (1900–1991) spielte die Schweiz während sechs Jahrzehnten eine wesentliche Rolle. Von seinen insgesamt 240 Kompositionen mit Opuszahlen sind rund 60 durch Entstehungsort, Auftraggeber, Widmungsträger oder Uraufführung mit der Schweiz verbunden.

1923 wurde Krenek vom Handelsunternehmer und Mäzen Werner Reinhart nach Winterthur eingeladen. 1924 komponierte der damals mit Anna Mahler verheiratete Musiker in Zürich für Alma Moodie sein 1. Violinkonzert op. 29. Mit ihr und Reinhart besuchte er Rilke auf Schloss Muzot im Wallis, das er später mit seiner südkalifornischen Wahlheimat verglich.

Die Swiss Connections, wie der Titel der Krenek gewidmeten Ausstellung der Vera-Oeri-Bibliothek der Musik-Akademie Basel 2015 lautete, dauerten bis zum letzten Aufenthalt in unserem Land im Jahr 1986. Prägend für die musikalischen Beziehungen waren die freundschaftlichen Kontakte zu Reinhart, dem Basler Altphilologen Werner Batschelet und seiner als Violoncellistin ausgebildeten Frau Annegret Massini und ganz besonders zu Paul Sacher. Für ihn und sein Basler Kammerorchester schrieb er u. a. das Symphonische Stück op. 86 für Streichorchester (1939), Kette, Kreis und Spiegel. Sinfonische Zeichnung für Orchester op. 160 (1957) und Statisch und ekstatisch op. 214 (1972).

Krenek bewunderte in den 1930er-Jahren das Schweizer Modell eines föderalistischen Gemeinwesens, wie es seine österreichische Heimat gewesen war. Er verteidigte das für ihn zum Fluchtort gewordene Land gegen die Klischees «von Kuhhirten, Jodlern, Bergführern und Kellnern» und schätzte die Schweiz als bedeutenden Aufführungsplatz seiner Werke.

In die Kapitel «Fluchtpunkt», «Netzwerk», «Werknetz» und «Imagination» gegliedert, dokumentiert ein reich bebildertes Buch, das von Julia Beier und Matthias Schmidt herausgegeben wurde, Kreneks vielfältige Schweizer Beziehungen. Unter den von einem Dutzend Autorinnen und Autoren beigesteuerten Fachbeiträgen sei hier derjenige von Camille Bork herausgehoben: «Zum Verhältnis von Natur und Technik in Jonny spielt auf». Darin wird nachgewiesen, dass die Gletscherepisode in der vom Jazz und von amerikanischen Modetänzen inspirierten Oper von 1926 vom Gornergrat angeregt wurde.

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Wirklichkeitsgefühl. Ernst Krenek und die Schweiz, hg. von Julia Beier und Matthias Schmidt, 145 S., € 24.80, Edition Alea, Badenweiler 2015

Schwingende Saiten

Auf ihrer neuen Platte gibt Erika Stucky für einmal nicht den Bläsern, sondern den Streichern den Vorzug. Zusammen mit sieben Barockmusikern hat die Sängerin zwölf Stücke eingespielt, die ebenso unkonventionell wie überzeugend sind.

Erika Stucky und die Mitglieder des Barockorchesters La Cetra. Foto: Francesca Pfeffer

 Statt der Gleichförmigkeit widmet sich Erika Stucky lieber dem Verblüffenden. Die Musik der 1962 in San Francisco geborenen Künstlerin, die sich bis dato vor allem zwischen Pop, Avantgarde-Jazz und Entertainment bewegte, schlägt auf ihrem Album Papito neue Pfade ein: Inspiriert von ihrem verstorbenen Vater, einem Metzger, wollte sie ihren Sound dieses Mal nicht mit Blech- oder Holzbläsern, sondern mit Saiten befeuern: «Ich wollte die Schwingungen von Därmen spüren, gewissermassen die Tiere weinen hören», bemerkte die für ihre Eigenwilligkeit bekannte Stucky.

Ihr neues Lieddutzend hat sie mit Mitgliedern des Barockorchesters La Cetra Basel eingespielt. Eine Kombination, die unerwartet ist, aber funktioniert. Streckenweise erinnert das Album an das im vorletzten Jahr erschienene Take All My Loves: 9 Shakespeare Sonnets von Rufus Wainwright, auf dem der US-Amerikaner Opernmusik mit Kammer-Pop und Rezitationen kreuzte. Stucky treibt das Spiel sogar weiter, indem sie nicht nur hitzköpfiger agiert, sondern auch Jazz und Elektronisches ins Spiel bringt.

Die Platte beginnt mit Ev’ry Time We Say Goodbye aus der Feder von George Gershwin, das Stucky mit Vogelgezwitscher, Cembalo und schmachtenden Violinklängen anreichert, wobei ihre Stimme zusehends grandiosere Kapriolen schlägt. Andere Coverversionen wie das von Streichern angetriebene I Want You von den Beatles oder das von Eifersucht geprägte Don’t Explain von Billie Holiday erweisen sich sowohl als Hommage wie auch als passendes Vehikel, damit Stucky ihren Emotionen freien Lauf lassen kann.

Ihre eigenen Stücke sind experimenteller: Während sich das gespenstische Kindly Do dem Dissonanten unterwirft, neigt Stacheldraht, das von der Begegnung einer Frau mit dem falschen Mann erzählt, dem Bedrohlichen zu. Das abschliessende Aftermath mutet zwar zärtlich an, kann und will jedoch seine auch beunruhigende Stimmung nie ganz abstreifen. Das alles fügt sich zusammen zu einem Werk, das zugleich unkonventionell und mutig ist, sich aber ebenso als Hörgenuss entpuppt, der stets aufs Neue überrascht.

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Papito. Erika Stucky, Vocals; Andreas Scholl, Countertenor; FM Einheit, Soundscapes, Elektronikas, Percussions; La Cetra Barockorchester. Traumton Records 4656

Weniger Stellen in deutschen Berufsorchestern

Die Zahl der Musikerinnen und Musiker in deutschen Berufsorchestern ist laut der Deutschen Orchestervereinigung weiter gesunken. Von 2016 bis 2018 verringerten sich die Planstellen von 9816 auf 9746. Das entspricht einem Minus von 70 Stellen.

Foto: Denis De Mesmaeker/flickr.com

Auch die Zahl der Orchester war weiter rückläufig. Sie sank von 131 im Jahr 2016 auf aktuell 129. Dafür sind zwei Fusionen verantwortlich: die Zusammenlegung der beiden SWR-Orchester aus Baden-Baden/Freiburg und Stuttgart sowie der Thüringen Philharmonie Gotha und der Landeskapelle Eisenach.

Bei der ersten gesamtdeutschen Erfassung 1992 gab es 168 öffentlich finanzierte, regelmässig spielende Berufsorchester. Seitdem sind 39 Orchester von der Landkarte verschwunden. Die Zahl der ausgewiesenen Musikerplanstellen sank von 1992 bis 2018 von 12’159 auf 9746. Damit ging die Zahl der Arbeitsplätze um rund 20 Prozent zurück. Weitere Verluste drohen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Vor allem in Ostdeutschland haben viele Profimusiker nur Notlagen-Tarifverträge. Die Vergütungen in einigen Orchestern liegen bis zu 30 Prozent unter Tariflohn und damit nur knapp über dem Mindestlohnniveau. Bundesweit zahlen 39 Orchester nicht nach Tarifvertrag, davon 27 im Osten.

Wild, aber harmonisch

Das Ungeheuer aus der griechischen Mythologie «Medusa» hat den Komponisten Thomas Fellow zu einem Stück für Gitarre solo angeregt. Es ist schnell und bewegt, bleibt aber tonal.

«Medusa» von Caravaggio, 1597, Uffizien; wikimedia commons

Medusa ist ein Monster aus der griechischen Mythologie: Ihre Haare sind Schlangen, und wer sie ansieht, erstarrt zu Stein. Dem 1966 geborenen deutschen Gitarristen Thomas Fellow diente ihre Darstellung durch den Maler Caravaggio als Inspirationsquelle für ein virtuoses Gitarren-Solostück. Er hatte das symbolträchtige Bild bereits als Jugendlicher im Psychothriller Die Schrecken der Medusa gesehen (im Original The Medusa Touch), mit Richard Burton in der Hauptrolle.

Das Stück ist in d-Moll gehalten, mit tief gestimmter 6. Saite. Medusas Schlangenhaare vollführen zwar einen wilden Tanz, überschreiten die Grenzen der Tonalität jedoch nicht. Melodietöne, die in ein Gewusel von raschen, meist durchgehenden Sechzehntelbewegungen eingebettet sind, folgen einander vorwiegend abwärts in Ganz- oder Halbtonschritten. Verschiedene melodische Schichten lassen eine differenzierte Gestaltung zu. In markanten Akkordwiederholungen wird Spannung in Energie umgewandelt, am Schluss verstärkt durch perkussive Elemente.

Technisch ist das Stück gut zu bewältigen. Die Herausforderung liegt in der Tempoangabe fast and furious, die für alle fünf Seiten des Notentexts gilt. Im hinteren Teil der sorgfältig und ästhetisch ansprechend gestalteten Ausgabe sind die Noten auch als Tabulatur wiedergegeben. So kann man sich trotz der nur sparsamen Fingersatzangaben jederzeit vergewissern, welche Töne in welchen Lagen zu spielen sind. Zu hören gibt es das Stück in einer Version für zwei Gitarren und Gitarrenperkussion auf der Debut-CD des European Guitar Quartet – der Komponist ist ein Teil davon – sowie als Live-Aufnahme auf Youtube.

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Thomas Fellow: Medusa, für Solo-Gitarre,
ED 22595, € 7.50, Schott, Mainz 2016

Luzerner Sinfonieorchester erhält Rugeri-Cello

Dem Luzerner Sinfonieorchester verbundene Mäzene haben ein Violoncello von Francesco Rugeri, Cremona, aus dem Jahr 1690 gekauft, um es als unbefristete Leihgabe dem Luzerner Sinfonieorchester zur Verfügung zu stellen.

Celloschnecke (Symbolbild). Foto: Rega Photography/flickr.com

Rugeri leistete einen entscheidenden Beitrag an die Entwicklung der Cremoneser Celli: er prägte die Mensur, die anschliessend von Stradivari übernommen wurde. Seine Instrumente gehören heute zu den gesuchtesten und wertvollsten Instrumenten.

Im Dezember hat das Luzerner Sinfonieorchester zudem seinen Geschäftsbericht für die Saison 16/17 veröffentlicht. Im Zentrum der Saison stand ein mehrteiliges Beethoven Projekt. Sämtliche Klavierkonzerte Beethovens wurden gemeinsam mit Oliver Schnyder erst kammermusikalisch auf dem Pilatus, dann «prima vista» mit dem Orchester und schliesslich in drei Sinfoniekonzerten im KKL Luzern aufgeführt. Die Konzerte wurden für Sony C lassical mitgeschnitten und im November 2017 als CD-Box veröffentlicht.

Insgesamt 10‘700 Personen besuchten Veranstaltungen der Musikvermittlung. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das eine Steigerung um 30 Prozent. Gastspiele führten das Orchester ans Bogotà International Music Festival (3 Konzerte) sowie erstmals nach Bologna, La Chaux-de-Fonds und Udine, wo es die konzertante Saison am Teatro Nuovo Giovanni eröffnete.

Aderi ersetzt Frauchiger

Der Gemeinderat, die Exekutive der Stadt, hat per 1. Januar 2018 Ersatzwahlen in drei Kulturförderkommission Berns vorgenommen: In die Musikkommission wählte er die Sängerin Joana Maria Aderi.

Joana Maria Aderi. Foto: Mario Heller

Die Sängerin, Produzentin und Performerin Aderi ist im Bereich der elektronischen Musik tätig. Sie ersetzt Katrin Frauchiger, die der Musikkommission von 2012 bis Juni 2017 angehörte. Aderi ist in der Zentralschweiz aufgewachsen. Sie beschäftigte sich zunächst mit Renaissancemusik, interessierte sich dann aber auch für zeitgenössischer Musik von Hiphop bis Freejazz und Elektronik. 2004 startete sie ihr eigenes experimentelles Elektronikprojekt EIKO. Während des Studiums an der Jazzschule Basel hat sie in Norwegen ein Austauschsemester absolviert und dort ihr Studium in Trondheim mit einem Master of Performance abgeschlossen. 2012 ist Aderi in die Schweiz zurückgekehrt .

Neu in der Literaturkommission ist Regina Füchslin. Die Altphilologin ist Co-Leiterin der Literaturzeitschrift «orte». Sie ersetzt Simone Ammann, die per Ende 2017 zurückgetreten ist. Die Kunstkommission bestand seit dem Ausscheiden von Claudine Metzger per Ende 2016 nur noch aus sechs Mitgliedern. Nun wurde mit Lucie Kolb ein zusätzliches Mitglied gewählt. Kolb unterrichtet unter anderem an der Zürcher Hochschule der Künste und ist Mitherausgeberin des Magazins für Kunstkritik «Brand-New-Life».

10. Luzerner Musikschulwettbewerb

Die Musikschule Luzern hat 1998 den Musikschulwettbewerb Luzern ins Leben gerufen, eine Plattform, die den Teilnehmenden einen Austausch und die Begegnung mit Gleichgesinnten ermöglicht. Im Jubiläumsjahr hat Pop/Rock/Jazz zum ersten Mal eine eigene Kategorie.

Foto: zVg

Die erste Ausgabe des Musikschulwettbewerbs fand in kleinem Rahmen statt. Damals traten ungefähr 20 Schülerinnen und Schüler vor die Jury, um vorzuspielen. Unterdessen hat sich die Teilnehmerzahl verzehnfacht. Mittlerweile hat sich der Wettbewerb Luzern zu einem grossen Musikfest entwickelt. In diesem Jahr hat die Stilrichtung Pop/Rock/Jazz zum ersten Mal eine eigene Kategorie und die Teilnehmenden können sich von einer professionellen Jazz-Combo begleiten lassen.

Während früher nur die Talentiertesten und Besten am Wettbewerb teilnehmen konnten, steht dieser heute allen Schülerinnen und Schülern der Musikschule Luzern offen. Anfängerinnen und Anfänger sowie Fortgeschrittene treten in einem geschützten und wohlwollenden Rahmen auf und gegeneinander an. Die zirka 200 Teilnehmenden erhalten professionelle Rückmeldungen und sammeln erste Wettbewerbserfahrung oder bereiten sich sogar auf grössere regionale und nationale Wettbewerbe vor.

Der Musikschulwettberwerb findet am Sonntag, 28. Januar, im Südpol statt. Die Vorspiele während des Tages, das Finale und die Rangverkündigung stehen dem Publikum offen, der Eintritt ist frei. Die Zuhörerinnen und Zuhörer haben die Möglichkeit, am Finale Publikumspreise in den Kategorien Pop/Rock/Jazz und Klassik/Folk zu vergeben. Das Programmheft findet sich auf der Website der Musikschule Luzern: www.musikschuleluzern.ch

Die Kunst wird 1.000.055 Jahre alt

Der internationale Geburtstag der Kunst geht zurück auf Robert Filliou. Das Forum Wallis hat zusammen mit Espace 2 eine Feier in der Ferme Asile in Sion organisiert.

Erika Stucky feiert den Art’s Birthday 2018, die globale Geburtstagsparty der Kunst. Foto: E. Stucky,SMPV

Am 17. Januar ist es wieder soweit: Die Kunst hat Geburtstag und wird 1.000.055 Jahre alt. Zumindest nach der Rechnung des Fluxuskünstlers Robert Filliou. Er erfand im Jahr 1963 den «Art’s Birthday», die globale Geburtstagsparty für die Kunst. Auch dieses Jahr feiert die Ars Acustica Gruppe der European Broadcasting Union EBU in über 20 Städten mit zahlreichen Konzerten und Performances. Und das Festival für Neue Musik Forum Wallis beteiligt sich in Zusammenarbeit mit Radio Suisse Romande Espace 2 mit einer zwölfstündigen Marathonveranstaltung in der Ferme Asile in Sion. Zwischen 19 und 23 Uhr sind 20 mobile Radiostudios von Chicago über Helsinki, Moskau und Lissabon bis nach Sion gemeinsam live über Satellit geschaltet und übertragen Konzerte und Statements zur Kunst. In Sion spielen Audrey Cavelius, Yannick Barman und Erika Stucky auf, und von 23h30 bis um 7h30 morgens präsentieren Sara Oswald, Colin Vallon und Julian Sartorius ihre achtstündige Mammutperformance Rêverie in Anlehnung an Max Richters Sleep. Rêverie ist Musik, die erlebt werden soll, während man einschläft und schläft, ein «Endlos-Wiegenlied» von betörender Schönheit. Das Publikum liegt dabei auf eigens zur Verfügung gestellten Liegen. Eine Reservation ist unbedingt erforderlich.

Jazz- und Klassikpianisten nutzen Hirne anders

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig zeigen, dass bei Jazzpianisten andere Hirnprozesse ablaufen als bei klassischen Pianisten, selbst wenn sie das gleiche Musikstück spielen.

Heidelberg Street Art, August 2012 by Eleye. Foto: liborius/flickr.com,SMPV

Ein wesentlicher Unterschied liegt beispielsweise in der Planung von Bewegungen beim Klavierspielen. Prinzipiell müssen Pianisten, unabhängig von der Stilrichtung, zwar zunächst wissen, was sie spielen, also welche Tasten sie drücken, und anschliessend, wie sie es spielen, also mit welchen Fingern sie diese bedienen. Was jedoch je nach Musikrichtung variiert, ist die Gewichtung dieser beiden Schritte.

Demnach konzentrieren sich klassische Pianisten bei ihrem Spiel besonders auf den zweiten Schritt, das Wie. Für sie geht es darum, ein Stück technisch einwandfrei und persönlich ausdrucksstark wiederzugeben. Hierfür ist etwa die Wahl des Fingersatzes entscheidend. Anders hingegen bei den Jazzpianisten: Sie fokussieren sich vor allem auf das Was. Sie sind stets darauf vorbereitet, zu improvisieren und ihr Spiel flexibel an überraschende Harmonien anzupassen.

Untersucht haben die Wissenschaftler am MPI CBS diese Zusammenhänge mithilfe von 30 professionellen Pianisten, eine Hälfte davon seit mindestens zwei Jahren spezialisiert auf Jazz, die andere auf klassische Musik. Diese bekamen auf einem Bildschirm eine Hand zu sehen, die eine Abfolge von Akkorden auf einem Klavier spielte, gespickt mit gezielten Stolperfallen in den Harmonien und den Fingersätzen. Die Profi-Pianisten sollten es ihr nachtun und entsprechend flexibel auch auf die Unregelmässigkeiten reagieren, während ihre Hirnsignale mit EEG-Sensoren auf ihrem Kopf erfasst wurden. Um dabei Störsignale wie akustische Signale auszuschliessen, lief das Ganze vollkommen ohne Töne, als stummes Klavierspiel ab.

Mehr Infos:
http://www.cbs.mpg.de/Gehirne-von-Jazz-und-Klassik-Pianisten-ticken-unterschiedlich

Orgelmusik ist Unesco-Kulturerbe

In Deutschland hat der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe den Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland in die Unesco-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Orgeldemontage St. Agnes 2012. Foto: Pfarrei St. Bonifatius Berlin/flickr.com

400 handwerkliche Orgelbaubetriebe mit etwa 2800 Mitarbeitern, 180 Auszubildende sowie 3500 hauptamtlichen und zehntausenden ehrenamtlichen Organisten prägen das Handwerk und die Kunst des Orgelbaus und der Orgelmusik in Deutschland. Über 50’000 Orgeln sind derzeit im Land im Einsatz.

Die Orgel, der Orgelbau und die Orgelmusik wurden vor mehr als 2000 Jahren im hellenistischen Ägypten erfunden und gelangten über Byzanz nach Europa, wo sie seit der Karolingischen Renaissance als Kulturgut bis in die Gegenwart weiterentwickelt wurden. Seit dem Mittelalter werden Orgeln aus Europa, wo die meisten Orgeln gebaut werden, in viele Länder weltweit exportiert. Deutschland zählt weltweit zu den wichtigsten Ländern für die Weiterentwicklung des Orgelbaus und der Orgelmusik.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zum Immateriellen Kulturerbe zusammen. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die Unesco-Listen des Immateriellen Kulturerbes. Bisher sind 377 Formen des Immateriellen Kulturerbes auf der internationalen Repräsentativen Liste eingetragen. Mit der Einschreibung verpflichten sich die Vertragsstaaten, das Immaterielle Kulturerbe auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu fördern.

Gewinner des Zwyssig-Wettbewerbs 2018

Die drei Komponisten Cyrill Schürch (Zürich), Markus Fricker (Rupperswil) und David Lang (Mammern) gewinnen den Kompositionswettbewerb 2018 der Stiftung Zwyssighaus Bauen.

Cyrill Schürch (re) mit Stephen Montague. Foto: zVg

Cyrill Schürch wurde 1974 in Luzern geboren. Nach privatem Klavierunterricht bei Konstantin Scherbakov studierte er Klavier und Komposition an der University of Houston. Später promovierte er am Londoner King’s College. Seit Herbst 2014 ist er Prorektor der Musikschule Zug mit einem Lehrauftrag für Klavier, Musiktheorie und Komposition. Er ist Mitglied des künstlerischen Beirats des Europäischen Jugendchor Festivals Basel.

Markus Fricker ist pensionierter Schulmusiker, der seine Ausbildung unter Andreas Juon und Willi Gohl gemacht hat. Er schloss sein Lehrdiplom in Sologesang am Konservatorium Zürich bei Sylvia Gähwiller ab. Heute ist er Leiter eines Kirchenchors und vor allem als Komponist von Vokalmusik tätig.

David Lang ist ausgebildeter Sänger, Pianist und Dirigent für Chor und Orchester. Sein Kompositionsstudium begann er an der ZHdK in Zürich im Bereich Composing/Arranging. Nach dem Klavierstudium bildete er sich autodidaktisch weiter.

Insgesamt gingen elf Kompositionen im öffentlich ausgeschriebenen Kompositionswettbewerb ein. Das Preisträgerkonzert findet im Herbst 2018 in der St. Johanneskirche in Zug statt. Die Werke werden vom Walchwiler Kirchenchor unter der Leitung von Peter Wehrlen uraufgeführt.

Ausschreibung für «Classical:NEXT»

Pro Helvetia lanciert eine Ausschreibung für die Teilnahme an «Classical:NEXT», der Fachmesse für klassische und zeitgenössische Musik, die vom 16. bis 19. Mai 2018 in Rotterdam stattfindet.

Das Rotterdamer Kulturzentrum De Doelen. Foto: Classical:NEXT/Rien van Rijthoven

Die «Classical:NEXT» ist ein Forum für Musikschaffende und Fachleute aus allen Bereichen der klassischen und zeitgenössischen Musik. Von Veranstaltern und Festivals über Verlage, Labels oder Verbände bis zu Agenten und Musikschaffenden: Rund 1200 Teilnehmer aus über 40 Ländern treffen sich während vier Tagen im Kongresszentrum de Doelen im Zentrum von Rotterdam.

Teilnehmer der Messe haben die Gelegenheit zur Erweiterung ihres internationalen Netzwerkes, und sie können das umfangreiche Messeprogramm mit Showcases, Konferenzen und Projektpräsentationen besuchen.

Pro Helvetia unterstützt Vertreterinnen und Vertreter von Ensembles aus der freien Szene, die an der «Classical:NEXT 2018» teilnehmen wollen, indem sie die Akkreditierungskosten übernimmt (rund 360 Euro) und sich an den Reise- und Aufenthaltskosten mit pauschal 350 Franken pro Person beteiligt. Interessierte melden sich bis spätestens am 12. Februar 2018 per Mail bei Tobias Rothfahl, Abteilung Musik (trothfahl@prohelvetia.ch).

Mehr Infos:
https://prohelvetia.ch/app/uploads/2018/01/ph-ausschreibung-classicalnext-2018-d.pdf

Höppner im Stiftungsbeirat der Fondation Hindemith

Der Stiftungsrat der Fondation Hindemith hat Christian Höppner, den Generalsekretär des Deutschen Musikrates, in den Stiftungsrat berufen. Die Fondation Hindemith mit Sitz im schweizerischen Blonay widmet sich der Bewahrung und Verbreitung des kulturellen Vermächtnisses des Komponisten Paul Hindemith.

Paul Hindemith probt 1958 in Turin. Foto: Radiocorriere, Januar 1958, Nr. 4, S. 3/WikiCommons,SMPV

Laut Andreas Eckhardt, Präsident des Stiftungsrates der Fondation Hindemith, verfügt Höppner nicht nur «über eine bedeutende kulturpolitische Kompetenz, sondern auch über einen engen Bezug zur Musizier- und Unterrichtspraxis als Hochschullehrer an der Berliner Universität der Künste». An der Vorgängerhochschule hatte Paul Hindemith von 1927 bis 1937 eine Professur für Komposition inne.

Die 1967 gegründete Fondation Hindemith unterstützt oder veranlasst wissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet der Musik und sorgt für ihre Verbreitung. Sie hat ihren Sitz im schweizerischen Blonay (VD) am Genfer See, wo das Ehepaar Hindemith seine letzten Lebensjahre verbrachte. Dort unterhält sie seit 1978 das Centre de Musique Hindemith Blonay, das vor allem der musikalischen Praxis dient. 1974 richtete die Stiftung das Hindemith Institut Frankfurt ein, das sich der musikwissenschaftlichen Forschung und Aufarbeitung von Leben und Werk Paul Hindemiths widmet.

 

Die Volksinitiative «No-Billag» im Spiegel der Schweizer Musikhochschulen

Die so genannte «No-Billag-Initiative» gefährdet das Schweizer Kulturschaffen. Vertreter von Schweizer Musikhochschulen nehmen im Interesse der Musik dazu Stellung – im Gespräch und mit Stellungnahmen zu den kulturellen Auswirkungen und möglichen Konsequenzen.

Peter Kraut — Die «No-Billag-Initiative» ist ein direkter Angriff auf das einheimische Musikschaffen, freilich ist das auf den ersten Blick nicht klar. Die Initiative müsste ja korrekterweise «No SRF» heissen, weil sie per Verfassung dem Bund verbietet, eigene Radio- und TV-Anstalten zu betreiben (Artikel 6: «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen»). Wenn wir als einziges westeuropäisches Land aber keine öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mehr hätten, die per Gesetz unabhängig und ausgewogen informieren müssen, dann würden wir ein wichtiges und sinnvolles Glied in vielen Förderbereichen verlieren. Der Bund fördert per Verfassung und Gesetze ja nicht bloss Kultur, sondern auch Sport, Sprachenvielfalt, Landwirtschaft, Grundlagenforschung, Umweltschutz, Denkmalpflege und ganz vieles mehr. Die Dokumentation dieser Verfassungsaufträge mittels Radiosendungen und TV-Formaten (etwa Kultursendungen, Sportübertragungen, Diskussionen, Reportagen etc.) ist grundlegend für den politischen Diskurs. Wenn SRF nicht mehr über wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens berichtet, die gemäss Verfassung gefördert werden müssen, dann können wir uns auch kein Bild mehr darüber machen, ob diese Aufgaben sinnvoll sind und wie sie allenfalls zu verändern wären. (Und es ist nicht davon auszugehen, dass private Medien in diese Lücke springen werden, da sie primär einen kommerziellen Auftrag haben). Unsere Demokratie würde also selber eine ihrer wichtigsten Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten – die öffentliche Diskussion – massiv beschneiden. Deshalb ist die «No-Billag-Initiative» so gefährlich und demokratiefeindlich.

Kritisch für die Musik

Für die Musik wird es besonders kritisch, schon nur weil der SUISA, also der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaft für Musik, knapp 40 Millionen Franken an Einnahmen fehlen werden, die sie durch SRF-Sendungen erhält. Das trifft die schweizerischen Urheber ganz direkt. Aber auch indirekt, denn das vielfältige Musikschaffen wird ohne SRF viel schlechter dokumentiert werden. Kein Medium berichtet so ausführlich und detailliert über die schweizerischen Musikszenen wie SRF2. Lokalradios, die das lokale Musikschaffen fördern, würden eingehen. Tessiner oder rätoromanische Musik wäre kaum mehr zu hören. Zudem fallen ohne SRF viele wichtige Filmproduktionen weg (wie etwa Tatort, Wilder, Der Bestatter, Dokumentarfilme etc.), die der schweizerischen Film- und Musikbranche wichtige Plattformen bieten. Diese Liste der negativen Auswirkungen der Initiative liesse sich verlängern. «No-Billag» löst kein einziges Problem und leistet keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Kulturlandschaft, sondern entlastet lediglich Personen und Firmen von Mediengebühren, die, ähnlich wie Steuern, eine zentrale und solidarische Ressource darstellen für das Funktionieren unserer Gesellschaft.

Dass «No-Billag» für die gesamte Musiklandschaft verheerend wäre, beweisen auch die starken Statements gegen die Initiative von so unterschiedlichen Musikschaffenden wie The Young Gods, Peter Reber, Gotthard oder Andrew Bond. Wem die Vielfalt des schweizerischen Musikschaffens ein Anliegen ist, muss diese Initiative ablehnen.

Peter Kraut

… ist stv. Fachbereichsleiter Musik an der Hochschule der Künste Bern HKB/BFH

Tod des Schubert-Spezialisten Walther Dürr

Laut einer Mitteilung der Schubertiade in Hohenems ist Walther Dürr, einer der bedeutendsten Schubert-Kenner des 20. Jahrhunderts, am vergangenen Samstag völlig unerwartet an einer Lungenembolie gestorben.

Walter Dürr (Bild: Schubertiade),SMPV

Nach Studien in Berlin und Tübingen und der Tätigkeit an verschiedenen Universitäten in Italien, Deutschland und der Schweiz wurde Walther Dürr 1965 geschäftsführendes Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe in Tübingen.

Im Mittelpunkt seiner Tätigkeit standen laut der Mitteilung der Schubertiade die Bände mit sämtlichen Liedern von Franz Schubert, die man als sein zentrales Lebenswerk bezeichnen könne; daneben hat er aber auch andere Werkgruppen betreut. Seit 1997 war er im Ruhestand, jedoch weiter als Mitglied der Editionsleitung und als Herausgeber für die Neue Schubert-Ausgabe tätig.

Die Schubertiade «trauert um einen Wegbegleiter, der ihr von Anbeginn an als musikwissenschaftlicher Berater, Autor von Programmheftbeiträgen und Teilnehmer an Podiumsgesprächen eng verbunden war». Die Beerdigung findet am Montag, 15. Januar 2018 um 11 Uhr auf dem Bergfriedhof in Tübingen statt.

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