Geheimnisvolle Botschaften

Paul Klees starke Beziehung zur Musik ist bekannt. Bis heute regen seine Bilder Komponisten zu neuen Werken an, wie diese CD des Leipziger Ensembles Sortisatio zeigt.

Skulptur beim Klee-Zentrum Bern. Foto: erwifurger/pixelio.de,über Wasser,aus Klee-Impressionen: wild, aber auch zart,Anfang eines Gedichtes,wie Kraut und Rüben,aus Wasserpyramiden: Allegro

Das Leipziger Ensembles Sortisatio tritt in ungewöhnlicher Besetzung auf: Oboe/Englischhorn (Walter Klingner), Fagott (Axel Andrae), Viola (Matthias Sannemüller) und Gitarre (Thomas Blumenthal). Neun Komponisten aus der Schweiz, Hongkong, Japan und Deutschland haben für das Ensemble von Klee inspirierte Werke geschrieben.

Spiritus Rector dieser Produktion ist Jean-Luc Darbellay. Sein Beitrag über Wasser (Bild 1933/Komposition 2012/2016) bezieht sich auf das gleichnamige Bild, das Klee nach seiner Flucht vor den Nazis in die Schweiz malte. Die Verunsicherung zeigt sich in Klopfgeräuschen und suchenden Tonbewegungen. Nach einem zarten Lamento der beiden Bläser deutet die Gitarre mit schlichten Tönen Resignation und Beruhigung an.

Von der punktuellen Struktur des Buchstaben-Bildes Anfang eines Gedichtes (1938/2011) geht Pierre-André Bovey aus. Klee erinnert damit an ein Lied aus Bachs Klavierbüchlein der Anna-Magdalena. Am Schluss intoniert die Viola eine Phrase aus dem Lied.

Hans Eugen Frischknecht hat seinen sieben Klee-Impressionen (2008) Titel gegeben, die an die zeichnerischen Miniaturen und witzig-ironischen Bildtitel des Malers anknüpfen. Frischknecht gewinnt der Spannung zwischen Fläche und Linie überraschend-geheimnisvolle Momente ab.

Max E. Keller interpretiert das Aquarell wie Kraut und Rüben (1932/2008) analog zum Bild konsequent pointilistisch. In zahlreichen feinsten Abstufungen von Klangfarben, Dynamik und Artikulation wird Klees Werk sichtbar.

Zum Bild Engel, noch weiblich (1939/2011) kombiniert Markus Hofer einen eigens dazu geschriebenen Text von Lea Gottheil: an euyridike. Mehrklänge, perkussive Geräusche, Flatterzunge, tonloses Streichen auf dem Steg, Glissandi usw. evozieren eine melodramatische Atmosphäre, die in einen nachdenklichen, tontal-harmonischen Schluss mündet.

Auch Thomas Christoph Heyde verwendet zum Aquarell trauernd (1934/2010/11) tonale Mittel in Verbindung mit Geräuschen (weisses Rauschen eines Radios, Klangschale, Kratzgeräusche der Viola) und erreicht einen nachklingenden Eindruck.

Mit spielerischen Mitteln hat Stephan König Klees Aquarell Wasserpyramiden (1924/2015) in vier Sätzen umgesetzt – eine unterhaltsame, sogar tänzerische Interpretation des Bildes.

Eine überzeugende Adaption des Aquarells Zeichensammlung südlich (1924/2014) ist dem Japaner Satoshi Tanaka mit minimalsten, aber starken und wirkungsvollen Klangmitteln gelungen.

Die zeichnerische und gedankliche Beschäftigung Klees mit Buddhismus und Taoismus inspirierte Cheung Wang Huo zur faszinierenden Komposition Floss (2009) ohne direkten Bild-Bezug, dafür aufgrund eines buddhistischen Gleichnisses.

Das hervorragende Booklet von Christoph Sramek umfasst sowohl Werkkommentare wie auch die erwähnten Klee-Bilder.

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Jean-Luc Darbellay
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Hans Eugen Frischknecht
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Arbeitsbedingungen in der Musikvermittlung

Das Netzwerk junge ohren führt in Zusammenarbeit mit dem Wiener Forschungs- und Beratungsinstitut Educult (Wien) eine aktuelle Umfrage zu Arbeitsbedingungen von Musikvermittlerinnen und Musikvermittlern im deutschsprachigen Raum durch.

Bild: Oliver Tacke/flickr.com

Die Daten sollen dabei helfen, die Situation, Interessen und Bedürfnisse professioneller Akteure in der Musikvermittlung an Politik, Verwaltung und Förderer zu kommunizieren. Durch die aktive Suche nach neuen Strategien und durch deren Entwicklung soll der Diskurs über Professionalität und Arbeitsformen in der Musikvermittlung angeregt werden.

Musikvermittelnde sind aufgerufen, sich bis zum 8. April 2018 an der Umfrage zu beteiligen. Der Fragebogen ist online zugänglich, alle Daten werden anonym erhoben und lassen keine Rückschlüsse auf die Person zu. Die Beantwortung nimmt zwischen 12 und 15 Minuten in Anspruch. Die Ergebnisse der Umfrage werden im Rahmen der Deutschen Orchesterkonferenz 2018 am 24. April 2018 in Halle/Saale präsentiert.

Link zur Umfrage:
www.surveymonkey.de/r/arbeitsbedingungenmusikvermittlung
 

Innerschweizer Kulturpreis für Hans Hassler

Die Innerschweizer Kulturstiftung ehrt den Akkordeonvirtuosen Hans Hassler mit dem mit 25’000 Franken dotierten Innerschweizer Kulturpreis 2018. Sie ehrt damit einen Musiker, der mit seinem kreativen Schaffen quer durch alle Sparten wandert.

Hans Hassler im Berner Progr (Bild: Wolfgang Böhler)

Hans Hassler, der heute in Hagendorn im Kanton Zug lebt, ist 1945 in Chur geboren und in einer traditionellen Volksmusikerfamilie aufgewachsen. Seine eigene musikalische Laufbahn begann er mit seinen zwei Brüdern, mit denen er als «Hassler Buebe» durch die Ländlerszene tourte. Hassler, der das Spielen mehrerer Instrumente beherrscht, erkannte schnell sein Interesse an anderen Musikstilen. Er gilt als virtuoser Grenzgänger, der sich mutig auch in die Bereiche der Klassik und des Jazz wagte.

Zusammen mit den Musikern Hans Kennel, Roland Dahinden und Thomas Eckert spielte Hassler unter anderem in der Schweizer Jazzformation «Habarigani». Mit ihrer ersten CD verschaffte sich die Formation beim Jazzpublikum reges Gehör. Die Begegnung mit dem dänischen Akkordeon-Pionier Mogens Ellegaard Anfang der Achtzigerjahre prägte zudem Hasslers musikalischen Standpunkt. Er fand nicht nur den Weg zur improvisierten und komponierten E-Musik, er lernte durch ihn auch neue ausdruckstechnische Möglichkeiten für sein Schaffen kennen.

Als renommierter Musiker, der über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist, begeistere Hassler nicht nur mit seiner grandios verspielten Musikalität und einem beinahe unerhört breiten Spektrum, er nehme den Zuhörer auch mit auf eine Reise in sein eigenes Universum und eröffne ihm völlig neue Klanglandschaften, heisst es in der Mitteilung der Kulturstiftung.

Gehindert und gefördert

Das Festival «frauenkomponiert» bringt bekannte und noch zu entdeckende Komponistinnen zu Gehör.

Jessica Horsley fotografiert von Peter Schnetz

Am Frauentag im Jahr 2015 organisierten engagierte Kreise um die Dirigentin Jessica Horsley ein Konzert im Basler Stadt-Casino. Auf dem Programm standen Fanny Hensels Hero und Leander: Dramatische Szene für eine Singstimme mit Begleitung des Orchesters (1832) und Sofia Gubaidulinas Impromptu für Flöte, Violine und Streichorchester (1996). Als Dirigentin hatte sich Jessica Horsley die Frage gestellt, warum die Musik von Komponistinnen noch immer wenig aufgeführt wird, und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Manko aufzuarbeiten. Ihr Bestreben stiess schnell auf offene Ohren. Ein Jahr später führte sie mit dem Festivalorchester L’anima giusta ein Programm mit sinfonischen Werken von Emilie Mayer (1812–1883), Junghae Lee (*1964), Ethel Smith (1858–1944) und Vítĕzslava Kaprálová (1915–1940) auf. Das Ganze wurde ergänzt durch ein Podiumsgespräch mit Fachleuten.

Nach zwei Jahren Pause melden sich die Veranstalterinnen nun zurück mit einem fünftägigen Festival (7. bis 11. März) mit fünfzehn Konzerten in Basel, Zürich und Bern. Eine lange Sponsorenliste zeugt von einem grossen Interesse an diesem Thema.
 

Sinfonische Werke haben es besonders schwer

Von Frauen komponierte Orchesterwerke stehen im Mittelpunkt des Festivals, denn sie hatten es, wie Jessica Horsley ausführt, in den letzten 250 Jahren besonders schwer, Gehör zu finden. Das grosse Sinfoniekonzert wurde am Festival-Wochenende in allen drei Städten gespielt und bot damit vier bemerkenswerten Komponistinnen ein hochverdientes Podium.

Schon beim Namen Agnes Tyrrell (1846–1883), einer tschechischen Komponistin und Pianistin englischer Herkunft, reibt man sich verwundert die Augen. Erst recht, wenn man liest, sie sei eine der bedeutendsten Komponistinnen Europas, doch die meisten ihrer grösseren Werke warteten noch immer auf ihre Uraufführung. Tyrrell, so ist im Programmheft zu lesen, war «eine der wenigen Frauen, die vor 1900 eine Sinfonie schrieben» und damit in eine Männerdomäne einbrachen. Dank einer vom Verein frauenkomponiert in Auftrag gegebenen Notenausgabe konnte die Ouvertüre ihres Oratoriums Die Könige in Israel uraufgeführt werden.

Als Geschichte des Gehindertwerdens ist auch das Leben der Amerikanerin Amy Beach (1867–1944) zu lesen. Trotz hoher Musikalität soll sie von ihren Eltern und später von ihrem Ehemann davon abgehalten worden sein, eine Laufbahn als Musikerin einzuschlagen. Von Beach bekam man die grosse, spätromantische Sinfonie in e-Moll op.32 Gaelic (1896) zu hören. Beach liess sich von irischen Volksliedern inspirieren und konzipierte das Werk, so schreibt Christine Fischer im Programmheft, «als direkte Antwort auf Antonín Dvořáks Aus der Neuen Welt».

Etwas einfacher haben es Komponistinnen aus unserer Zeit. Sie werden nicht mehr aktiv an der Ausübung ihres Berufs gehindert. Im Fall von Heidi Baader-Nobs (*1940), deren Stück Evasion (2017) uraufgeführt wurde, hat aber die Betreuung ihrer drei Kinder dazu geführt, dass sie längere kompositorische Pausen einlegte. Das Virtuosenkind, die zwölfjährige Geigerin, Pianistin und Komponistin Alma Deutscher (*2005) aus England, kann sich über mangelndes Interesse der Öffentlichkeit wahrlich nicht beklagen. Sie durfte mit dem Festivalorchester unter der Leitung von Jessica Horsley ihr selbst komponiertes Violinkonzert Nr. 1 aus dem Jahr 2014 als Schweizerische Erstaufführung spielen.
 

Kammermusik von wehmütig bis humoristisch

Unter den Kammermusikkonzerten seien zwei herausgepickt. Drei berühmte Barockkomponistinnen wurden im Ackermannshof in einem hörenswerten, mit Videoprojektionen begleiteten Programm vorgestellt. Das Ensemble Musica Fiorita unter der Leitung der Cembalistin Daniela Dolci verströmte barocke Pracht in Stücken von Barbara Strozzi (1619–1677), der wohl bekanntesten der drei Komponistinnen, Elisabeth Jacquet de la Guerre (1665–1729) und Antonia Padoani Bembo (1640–1720). Sie galten in ihrer Zeit als bewunderte Talente und starke, unabhängige Frauen. Die Sopranistin Sara Bino sang, anfangs noch etwas kurzatmig, expressiv und affektgeladen zwei Stücke von Barbara Strozzi sowie eine Arie aus der Oper L’ercole amante von Padoani Bembo. Schnörkellos und mit rundem Ton interpretierte Germán Echevveri den Solopart der Sonata in d-Moll für Violine und Basso continuo von Jacquet de la Guerre. Die kunstvollen, auf drei Leinwänden präsentierten Videos des Instituts für Gestaltung und Kunst Basel sorgten für einen bereichernden optischen Kontrapunkt.

Am Samstag nahm die Sopranistin Maja Boog zusammen mit ihrem Klavierbegleiter Simon Bucher das Publikum mit auf eine zauberhafte Reise zwischen Romantik und Scherz. Die fünf hingebungsvoll vorgetragenen Lieder von Alma Mahler (1879–1964) liessen einen bedauern, dass von den rund 100 Liedern, die Alma Mahler komponiert hat, nur deren siebzehn erhalten sind. Eine wehmütige Tiefe erzielte die Sängerin mit den Sechs Liedern op. 13. von Clara Schumann (1819–1896). Ich stand in dunklen Träumen (Heine) gelang in seiner erschütternden Schlichtheit besonders packend. Ergänzt wurden sie durch vier impressionistische Lieder der Schweizer Komponistin Caroline Charrière (*1960). Den humoristischen Schlusspunkt setzten vertonte Fabeln von Isabelle Aboulker (*1938).

 

Neuerwerbungen im Musikmuseum Basel

Das Musikmuseum Basel zeigt neu den Framus-Bass «Triumph!» von Rocklegende Teddy Riedo und ein Zwitter aus einem kostbaren Fagott und einer Klarinette mit Elfenbein, die anstelle des Flügelstücks am Fagott eingeklebt wurde.

Fagottklarinette der Basler Instrumentenbauerfamilie Schlegel (Bild: Musikmuseum Basel)

Das seltsame Konstrukt ist ein Zwitter aus zwei Instrumenten: einem kostbaren Fagott der Basler Instrumentenbauerfamilie Schlegel aus dem 18. Jahrhundert und einer Klarinette mit Elfenbein, die anstelle des Flügelstücks am Fagott eingeklebt wurde. Eine dekorative Spielerei oder doch ein ernst zu nehmender Versuch, neue Klänge zu erfinden?

Weiter zeigt das Museum zur neuen Saison eine zur Bratsche umgebaute Viola d’amore, die 1887 erstmals ihren Weg in die Sammlung fand, 1906 aber wieder zurückgezogen wurde. Möglich machen die Neuheiten grosszügige Donatorinnen und Donatoren, deren Schenkungen fortan die Ausstellung zur Musikgeschichte bereichern werden.

Zudem wird im Musikmuseum Basel ein neu eingerichteter Spielsalon eröffnet, aus dem  regelmässig Musikwerke vom frisch restaurierten Orchestrion, der Hammondorgel B3 oder der Jukebox erklingen werden.

Balatsinos gewinnt dritten Preis in Brescia

Der Wahlthuner Georgios Balatsinos hat beim Dirigierwettbewerb Città di Brescia – Giancarlo Facchinetti für Neue und zeitgenössische Musik den dritten Preis gewonnen.

Georgios Balatsinos (Bild:zVg)

Insgesamt 36 Dirigenten aus der ganzen Welt waren aus über 120 Bewerbern für die Teilnahme am 4-tägigen Wettbewerb in Brescia ausgewählt worden. Der Wettbewerb zu Ehren des letztes Jahr verstorbenen italienischen Dirigenten und Komponisten Giancarlo Facchinetti wurde zum ersten Mal durchgeführt und wird nun alle zwei Jahre stattfinden. Als Preisträger wird der 34-Jährige Balatsinos in der kommenden Saison mehrere Konzerte des Dedalo Ensembles in Italien und Rumänien leiten dürfen.

Der aus Griechenland stammende Dirigent Georgios Balatsinos hat sich in der Schweiz als innovativer Jugendorchesterleiter einen Namen gemacht. Er ist zudem Mitinitiator der dezentral im Kanton Bern aktiven Sinfonietta Mosaique. Momentan dirigiert er an der Griechischen Nationaloper in Athen die Zauberflöte in der Inszenierung von Barrie Kosky.

 

Blasmusik zum Anschauen

Woher kommt die Blasmusik, wie hat sie sich entwickelt, worin besteht ihr Charakter? Solchen Fragen spürt die Ausstellung «Von Tuten und Blasen» nach, damit die Blasmusik nicht zum Museumsstück wird.

Foto: Musikinstrumentensammlung Willisau/Adrian Steger

In der Schweiz ist ein Wandel der gesellschaftlichen und kulturellen Alltagsgestaltung im Gang, der möglicherweise dramatische Auswirkungen haben, politisch aber kaum zum Thema gemacht wird. Ein Blick ins Historische Lexikon der Schweiz zeigt: Der Schweizerische Kunstverein wurde 1806 gegründet, die Schweizerische Musikgesellschaft und die Schweizerische Gesellschaft «zur Beförderung des Erziehungswesens» 1808, der Eidgenössische Turnverein folgte 1832. Sie übernahmen zu ihrer Zeit, noch vor der Gründung der Parteien, die politische Volksbildung. Im 20. Jahrhundert spielten sie eine entscheidende Rolle im Aufbau politischer Mündigkeit und Kompetenz. In den Dörfern und Quartieren ermöglichten es Chöre, Blasmusiken und Turner den künftigen Politikern, Erfahrungen in der finanziell soliden Durchführung von Projekten aufzubauen und das Bewusstsein zu schärfen, wie wichtig es ist, politische und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Letzteres will immer weniger gelingen. Chöre und Musikvereine kämpfen mit Mitgliederschwund, nicht zuletzt, weil immer weniger bereit sind, diese so wichtige Verantwortung zu übernehmen und sich über längere Zeit zu binden.

Selbstreflexion «zieht» nicht …

Wie schwierig es ist, hier Gegensteuer zu geben, scheint nun auch die Musikinstrumentensammlung Willisau zu spüren zu bekommen. Sie setzt sich mit ihrer engagierten Sonderausstellung Von Tuten und Blasen – Blasmusik – grosse Tradition mit Zukunft dafür ein, dass der Alltag einer Dorfmusik, der Brassband MG Schwarzenberg, zum Gegenstand der Reflexion wird. Die Basis bilden Materialien des Fotografen Hans Ueli Alder, der die Neuuniformierung des Ensembles dokumentiert hat. Die Sammlung und ihr Leiter Adrian Steger haben die Bilder mit Objekten aus dem Fundus und Instrumenten aus der «Klingenden Sammlung» in Bern ergänzt. Sie verfolgen die Spuren der Blasmusiken zurück bis zu den Trommlern und Pfeifern des Mittelalters.

Offenbar stösst die Schau aber nicht auf die Resonanz, die frühere Sonderausstellungen zu Holzarten im Instrumentenbau, Glocken, Hausorgeln, Mundharmonikas und Zupfinstrumente erzeugt haben. Ob es damit zu tun hat, dass Blasmusiker ihr eigenes Tun vielleicht wenig hinterfragen und im Verein einfach eine gute Zeit haben wollen oder dass in der Blasmusikszene nur Aufmerksamkeit erzeugen kann, wer aus dem Inneren der Gemeinschaft operiert, kann man offenlassen.
 

… praktisches Tun und Tüfteln schon

Zu der Ausstellung hat das Museum, das in den Räumen der früheren Druckerei des Willisauer Boten Unterschlupf gefunden hat, eine Reihe von Klangproben organisiert. Zu Gast waren jeweils an einem Sonntagnachmittag Kleinformationen der Brassband MG Schwarzenberg, der Feldmusik Willisau, der Jugendmusik der Brassband MG Schwarzenberg und das «Brussig Quartett» der Stadtmusik Willisau. Eine erfreulich grosse Schar an Interessierten und Fachleuten besuchte am 11. März in diesem Rahmen eine Präsentation des Trompeters Markus Würsch, Dozent an den Hochschulen Luzern und Bern, und des Zimmerwalder Instrumentenbauers Konrad Burri. Sie stellten eine Rekonstruktion der Klappentrompete vor. Mit Klappen wurde um 1800 experimentiert, um den Tonumfang des Naturtoninstrumentes in chromatischen Regionen zu erweitern. Die technisch mit zahlreichen Kompromissen behaftete Lösung entfiel mit der Erfindung der heute üblichen Ventiltrompete. Burris Klappentrompete ist allerdings mehr als eine historische Rekonstruktion, sie stellt ein Weiterdenken und Perfektionieren der Technik dar. Würsch zeigte denn auch eindrücklich, wie damit eine Klanglichkeit und ein Eigencharakter kreiert werden kann, der das Ausdruckspektrum der Trompete durchaus bereichert.

Die Musikinstrumentensammlung Willisau ist 2003 eröffnet worden. Sie vereint seit 2010 die Sammlung des Luzerners Heinrich Schumacher, die lange im Richard-Wagner-Museum auf Tribschen in Luzern zu sehen war, mit der Kollektion des Ehepaars Leonie und Christian Patt-Tobler aus dem bündnerischen Malix. Letztere besteht aus nach wie vor spielbaren Instrumenten mit dem Schwerpunkt Mittelalter und Renaissance, die Christian Patt selber nachgebaut hat – das geht von Fideln über Trumscheite und Psalterien bis zu Zinken. Die Sammlung Patt hat die Luzerner Albert-Koechlin-Stiftung 2001 aufgekauft. Sie war zuvor im Kulturhaus Stadtmühle Willisau zu sehen.

Die Sonderausstellung Von Tuten und Blasen ist bis 24. Juni 2018 verlängert worden. Auch weitere Klangproben stehen auf dem Programm. Man kann sich darüber auf der Webseite der Instrumentensammlung informieren. Es wäre aber sicher auch interessant, wenn Blasmusikverbände die Schau später an regionalen oder kantonalen Musikfesten als Wanderausstellung zeigen würden. Sie könnten damit ein Zeichen dafür setzen, dass das Blasmusikwesen in der Schweiz eine eigene Geschichte und einen eigenen Charakter hat, und es sich durchaus lohnt, diese auch an der Basis zu reflektieren.
 

Ieva Saliete erhält Lettischen Musikpreis

Ieva Saliete, die Cembalistin des Berner Alte-Musik-Orchesters Les Passions de l’Ame, hat in der Kategorie Kammermusikerin des Jahres den Lettischen Musikpreis erhalten, die höchste Auszeichnung des baltischen Staates.

Ieva Saliete (Bild: Screenshot Youtube)

Ieva Saliete wurde in Riga geboren. Während ihres Klavierstudiums an der Musikakademie in ihrer Heimatstadt befasste sie sich laut Angaben des Berner Orchesters bei Aina Kalnciema auch mit dem Cembalospiel. Es folgten Studien bei Robert Hill an der Musikhochschule Freiburg und bei Jörg Andreas Bötticher an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel.

1996 bis 2010 lebte Ieva in Freiburg, konzertierte in ganz Europa als Cembalistin unter anderem mit dem Kammerorchester Basel und dem Freiburger Barockorchester. Sie hat überdies in vielen Rundfunk- und CD- Produktionen mitgewirkt. Zur Zeit lebt sie in Lettland. Sie tritt in Solo- und Kammermusikkonzerten auf, unterrichtet Cembalo für Hauptfach-Studierende an der Lettischen Musikakademie Riga und ist Mitglied des Ensembles Les Passions de l‘Ame Bern und KesselbergEnsemble Basel.

Lang-Uraufführung mit 1500 Schülern

Der Pulitzer-Preisträger David Lang hat zum Luzerner Jubiläum «50 Jahre Kantonsschule am Alpenquai» ein Werk für Orchester und Publikum geschrieben. Heute und morgen kommt es im KKL Luzern erstmals zur Aufführung. Orchester und Publikum, unter anderem 1500 Schüler, sind dabei gleichwertige Partner.

Lang (Bildmitte, links) mit Schülerinnen und Schülern. (Foto Benno Bühlmann),SMPV

Am Montag hat in der Aula der Kantonsschule Alpenquai Luzern eine Begegnung mit dem Komponisten stattgefunden. Er hat die Schülerinnen und Schüler in sein neues Werk eingeführt. Es ist das erste Mal, dass über 1500 Schülerinnen und Schüler den Entstehungsprozess einer Komposition so nahe miterleben konnten.

Das Publikum beginnt im ersten Abschnitt des Werks, der «wie im Wald» betitelt ist, mit dem Flüstern des Alphabets. Anschliessend beantwortet jede und jeder für sich mit «leiser und ruhiger Stimme» Fragen nach der frühesten Erinnerung, nach der glücklichsten Kindheitserinnerung und nach einem Erlebnis mit einem Menschen, der eine andere Sprache hat.

Der letzte Abschnitt ist betitelt mit «wie über ein Feld laufen». Dabei wird das Publikum zum Chor, der in der Weltsprache Esperanto Wörter und Wortketten zu «harmony and understanding» spricht. Darin sind grosse Gesten verdichtet: die Bedeutung von Stimme und Sprache für die menschliche Kultur, die Bedeutung von Individualität und Gesellschaft und die Bedeutung einer gemeinsamen Sprache. Die gemeinsame Sprache wird gezeigt durch die künstliche Weltsprache Esperanto, eine Sprache, die frei von nationalen Vorherrschaften ist.

Die Forschung an der ZHdK

In dieser Ausgabe stehen, nachdem Genf in der November-Ausgabe beleuchtet wurde, die Forschungs­abteilungen der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) im Mittelpunkt und verdeut­lichen deren Vielseitigkeit.

MvO — Im Zuge der Etablierung der Forschung an den Fachhochschulen hat die ZHdK ihre Forschungstätigkeit intensiviert. Sieben Institute und zwei selbständige Forschungsschwerpunkte sind vor allem im Bereich der künstlerischen Forschung tätig, unter anderem auch in der Kulturvermittlung und in der Musikwissenschaft. Die Anfänge der Forschung an der ZHdK reichen bis in die neunziger Jahre zurück, als aufgrund der Forschungsverpflichtung Daniel Fueter, damals Direktor des Konservatoriums und der Musikhochschule Zürich, das Thema aufnahm und mit einer Gruppe Gleichgesinnter verfolgte. Bereits damals zeigte sich, dass der Bereich, den Gerald Bennett betreute (er war neben seiner Gründertätigkeit für das IRCAM in Paris auch Mitbegründer des Schweizerischen Zentrums für Computermusik) ein Alleinstellungsmerkmal für die spätere ZHdK bilden könnte. Daraus ist dann in der Folge die Gründung des Institute for Computer Music and Sound Technology (ICST) erfolgt, das Musik im Kontext neuer Technologien erforscht. Schon bald haben sich immer deutlicher einzelne Schwerpunkte herauskristallisiert. Die Forschungsprojekte der ZHdK werden von nationalen Institutionen wie dem SNF und innosuisse (ehemals KTI), von privaten Stiftungen oder von der EU gefördert oder sind Kooperationen mit Universitäten, der ETH, Fachhochschulen, anderen Forschungseinrichtungen und mit Wirtschaftspartnern.

Institute for Computer Music and Sound Technology (ICST)

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Forschung am ICST besonders interdisziplinär angelegt ist und über eine enorme Bandbreite verfügt, was gleichermassen naturwissenschaftliche wie auch künstlerische Aspekte aufweist. Einige Beispiele aus dem aktuellen Projektkatalog werden anbei vorgestellt.

Das Gebiet der Audiohaptik geht der Frage nach, welche Relevanz Schwingungen über ein haptisches Feedback bei Instrumenten für die Genauigkeit des Musizierens haben. Dazu hat das ICST Wahrnehmungsstudien und experimentelle Untersuchungen durchgeführt, aus welchen die Frage resultiert, wie elektronische Musikinstrumente in der Zukunft aussehen können und welche Verbesserungen das haptisches Feedback dabei ermöglicht. Da bisher auf diesem Gebiet systematisch wenig erforscht wurde, sind die Erkenntnisse des ICST umso wichtiger, zumal Stefano Papetti und seine Gruppe diese in Publikationen und auf internationalen Konferenzen vorstellen konnte.

Die Forschung im Bereich von Interfaces hat mittlerweile auch anwendbare Ergebnisse erzeugt. Ausgangspunkt war das Projekt SABRe, über eine mit Sensoren erweiterte Bassklarinette, aus dem sich zunächst ein startup-Unternehmen entwickelte, welches anfangs März den SABRe Multi Sensor auf den Markt bringen konnte. Es handelt sich dabei um ein modulares System mit diversen Sensoren, welches zwischenzeitlich nicht nur für Klarinetten und Saxophone anwendbar ist, sondern auf zahlreiche Objekte montiert werden kann.

Bei dem Projekt Trees, Ökophysiologische Prozesse hörbar machen und dem Folgeprojekt Sounding Soil geht es um die Erforschung von Naturklängen und ihrer Relevanz für das Verständnis von Ökosystemen. Mit Klanginstallationen können Menschen einerseits sensibilisiert werden, andererseits wird damit die Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft erfahrbar. Der naturwissenschaftliche Aspekt wird in Kooperation mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald (WSL) und der ETH gemeinsam untersucht.

Das ICST stellt sich aber auch den Fragen der Kommunikation sowie der Erfahrung und den Möglichkeiten neuer Technologien. Welche Bedeutung hat ein telematisches Umfeld für die Musik(-aufführung), wie sieht eine telematische Performance aus, wie können neue Technologien eingesetzt werden, damit Musiker gemeinsam spielen können, ohne im selben Raum sein zu müssen? Was sind die Chancen und Probleme, die durch eine zeitliche Verzögerung (den so genannten delay) entstehen? Das Institut entwickelt hierfür Tools, um diese Phänomene verstehen und anwenden zu können. Ein weiteres Thema sind Games. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie man Gamestrategien in musikalische Kompositionen und Aufführungen integriert und was diese für einen Einfluss auf Musiker und Publikum haben.

Forschungsschwerpunkt Musikalische Interpretation

Ein bedeutender Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Musikalischen Interpretation bildet das Schaffen von Anton Webern. Da die Analyse einer performativen Interpretation von der Musik des 20. Jahrhunderts in der Interpretationsforschung noch kaum eine Tradition kennt, ist die Frage nach einer Aufführungslehre dodekaphoner Musik bzw. nach Regeln ihrer Aufführungspraxis (beispielsweise bei Tempo- oder Intonationsfragen) von grosser Bedeutung. Im Bereich der älteren Interpretationsgeschichte stehen Generalbass-Realisierungen des 19. und 20. Jahrhunderts zur Diskussion. Des Weiteren legt die Forschungsabteilung einen Schwerpunkt auf die Zürcher Musikgeschichte, hier wäre die Gesamtausgabe von Erich Schmid, aber auch Forschungen zu Leben und Werk von Stefi Geyer oder Adolf Busch oder die Betreuung der umfangreichen Tonbandsammlung von Fritz Muggler zu nennen.

Musikphysiologie

Zum Forschungsschwerpunkt Musikalische Interpretation des Departements Musik der ZHdK gehört auch der Schwerpunkt Musikphysiologie, welcher eine internationale Ausstrahlung geniesst. Geforscht wird etwa auf dem Gebiet von Lampenfieber und Bühnenkompetenz und zur Vorsorge und Überwindung der starken Belastungen und Fehlstellungen beim Spielen von Streichinstrumenten, Klavier oder Schlagzeug. Das Zürcher Zentrum Musikerhand (ZZM), auch Handlabor genannt, gehört ebenfalls zum Bereich der Musikphysiologie. Hier werden biomechanische Messungen durchgeführt und Beratungen angeboten, welche die verschiedenen Belastungsfaktoren eines Musikers erfassen und zu minimieren helfen. Schon daran erkennt man, wie breit das Gebiet ist, welches von der Physiologie bis zur Neuropsychologie reicht.

Forschung und Lehre

Ein Ziel der Forschung an der ZHdK besteht darin, einen grösseren Transfer zwischen der Forschung und der Lehre zu erreichen. Auch wenn im Moment noch nicht alle Praktiker grosses Interesse an der Forschung zeigen, so fliessen dank den Lehrveranstaltungen für Bachelor- und Masterstudierende die Ergebnisse aus der Forschung immer stärker in die Lehre ein. Dieser Konnex soll aber noch verstärkt und mögliche Synergien besser genutzt werden. Der Reader zur historischen Aufführungspraxis von Dominik Sackmann ist ein gutes Beispiel dafür. Die Musikphysiologie ist ebenso gewichtig in der Lehre verankert, was sich auch daran zeigt, dass auf der Basis eines kürzlich an der ZHdK abgeschlossenen SNF-Forschungsprojekts zu individuell geeigneten Violinpositionen ein Kinnhaltermodell mit dem Namen Zuerich vorgestellt werden konnte. Dieses erlaubt durch diverse Höhen- und Winkeleinstellungen verschiedene individuelle Kopfpositionen auch während des Spielens in Sinne einer Ermüdungsprophylaxe. Auch die ICST-Forschung ist eng mit der Praxis verknüpft, denn neben der experimentellen Forschung braucht es in allen Bereichen der Forschung die Interaktion mit Komponisten und Performern, einige Forscher sind gleichzeitig Dozenten. Das Potential der letztgenannten Forschung hat bewirkt, dass das Repertoire der elektronischen Musik an der ZHdK deutlich präsenter wurde, die Angebote für Master- und Bachelorstudierende auf dem Gebiet zahlreicher geworden sind und das Interesse an der Live-Elektronik bei Dozenten und Studierenden steigt, so dass das Repertoire einen immer natürlicheren Eingang in den Unterricht findet.

Gehört Musikforschung an eine Fachhochschule?

Im Gegensatz zur universitären Musikwissenschaft ist das Erklingende und deren Herstellung, die Arbeit mit Klängen oder am Klang oder die zum Klingen gebrachte Musikgeschichte der wesentliche Forschungsgegenstand an der ZHdK. Und diese Forschung, davon ist Dominik Sackmann überzeugt, hat eine grosse Bedeutung für das ganze Departement Musik, weil sie diese verändern kann. Denn aufgrund der Forschung wird die aktive Neugierde angeregt, was enorm wichtig ist für eine Hochschule. Gerade an einem Ort, wo Interpretation unterrichtet wird, muss auch die Frage nach einer inkompetenten oder unvollständigen Interpretation gestellt werden können. Doch eine solche kann nur aufgedeckt und korrigiert werden, wenn die Forschung zeitgemässe Antworten und Möglichkeiten dafür bereithält. So kann die Forschung zum Motor werden, um die Interpretationen auf dem Erkenntnisstand der Zeit zu halten. Und dieses Verständnis sollte sich auch auf die Studierenden übertragen, auf die nächste Generation von Künstlern, die offen und neugierig ist – letzten Endes aber auch auf die Dozierenden.

Diese Perspektive nimmt auch das ICST ein, im Bewusstsein, dass wir aufgrund neuer Medientechnologien anders kommunizieren, immer neue Kanäle haben, um Informationen auszutauschen, was unser Leben bisweilen radikal verändert. Die Kunst ist dabei eminent wichtig, weil sie die kritische Funktion einnimmt zu überlegen, wie diese Technologien uns verändern und wie sie die Kunsterzeugung und deren Rezeption beeinflussen. Es geht dabei nicht darum, noch mehr Gadgets zu erzeugen, sondern die Chancen und Risiken technologischer Innovationen im Bereich der künstlerischen Produktion zu erkennen.

Herausforderung und Ziele

Die Forschung an der ZHdK möchte noch näher an die Praxis gelangen, noch sichtbarer werden und enger mit den Studiengängen verschränkt sein. Dereinst müsste die Forschung an einer Kunsthochschule selbstverständlicher Bestandteil des Curriculums sein. Dabei bleibt aber die Frage, wie dies finanziert und wie die Drittmittelquote erreicht werden kann. Es stellt sich aber auch die Frage, wo der wissenschaftliche Nachwuchs dereinst herkommt. Das strukturelle Problem liegt darin, dass Schweizer Kunsthochschulen noch keine eigenen PhD-Programme anbieten können, dies wäre aber für den Nachwuchs wichtig und unterscheidet die Schweiz von anderen Ländern, bei denen die Kunsthochschulen durch den Universitäts-Status einen dritten Zyklus haben. Glücklicherweise kann sich das Department Musik der ZHdK mit einer intensiven Kooperation mit der Kunstuniversität Graz behelfen.

Eine weitere Herausforderung der Forschung besteht im Ziel, die Eigenständigkeit bei der Wahl von Methoden und Inhalten bewahren zu können. Dies ist vor allem hinsichtlich des Wettbewerbs um Drittmittel relevant und braucht Verständnisschaffung in der wissenschaftlichen Community. Es muss den Forschungsdepartementen gelingen, die Anliegen deutlich zu machen. Dafür können auch Kooperationen wichtig sein. Das ICST ist ein grosser Magnet für Kooperationen mit anderen relevanten Instituten auf dem Gebiet. So oder so ist es wichtig, dass gute Kontakte zwischen den Musikhochschulen gepflegt werden.

> www.zhdk.ch/forschung

> icst.net

> www.zhdk.ch/forschungsschwerpunkt-musikalische-interpretation-1414

> www.sabre-mt.com

> blog.zhdk.ch/soundingsoil/

> blog.zhdk.ch/trees/

Geld verdienen im Internet

An der Sessions-Stubete vom 8. März wurde die Revision des Urheberrechtsgesetzes unter die Lupe genommen, über Internetpiraterie und die Entwicklungen beim Streaming diskutiert.

Ryser, Stürmer und Illmaier rechnen (v.l.). Foto: Wolfgang Böhler

Zum Abschluss der jüngsten Sessions-Stubete im Berner Progr kalkulieren Indie-Suisse-Präsident Andreas Ryser, Anja Illmaier von Intakt Records und Matthias Stürmer, Geschäftsleiter der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit, welche Einnahmen auf Spotify ein Künstler erwarten kann. Was angesichts der notorischen Klagen über den Zerfall des Musikgeschäftes eher überrascht: Ryser interpretiert das Resultat im Grunde genommen zuversichtlich. Letztlich bringe ein auf der angesagten Plattform gestreamter Titel Erlöse, die mit denjenigen einer traditionellen CD vergleichbar seien. Allerdings gibt es ein Problem: Verkauft ein Künstler eine CD, hat er die gesamten Einnahmen dafür sofort in der Hand; werden wie auf Spotify die tatsächlichen Streams vergütet, verteilen sich die Einnahmen über die gesamte Nutzungszeit. Die Konsequenz ist, laut Ryser, dass es Banken oder Labels geben werde geben müssen, die dem Musiker das Geld vorstreckten. Tatsächlich zeichne sich ab, dass die Industrie wieder auf ein solches Modell zusteuere.

Mit Spotify und dem Streaming als wichtigster künftiger Einnahmequelle für Musikschaffende ist die Sessions-Stubete, eine Veranstaltung von Musikförderung Bern und Sonart –Musikschaffende Schweiz, in der absehbaren Zukunft angekommen. Ausgangspunkt war allerdings das Phänomen der illegalen Downloads und die Frage, ob sie in der aktuellen Revision des nationalen Urheberrechtsgesetzes (URG) eine Rolle spielen müssen. Am Entwurf zum revidierten Gesetz liess im Progr niemand auch nur ein gutes Haar. Darin Eingang finden nämlich weder Sperren für anonyme Pirateriesites noch zivilrechtliche Werkzeuge gegen Uploader noch Vergütungen für Social-Media-Nutzungen. Aber selbst die handwerkliche Qualität des Entwurfs wird von den anwesenden Fachleuten stark bemängelt.
 

Umstrittene Folgen illegaler Downloads

Ob illegale Downloads angesichts des geänderten Nutzerverhaltens künftig überhaupt noch eine Rolle spielen werden, stand allerdings auch zur Debatte. Welchen Schaden die Betroffenen dahinter nach wie vor vermuten, illustrierte zum Auftakt der Veranstaltung Anja Illmaier. Das Label Intakt stellt seit zwei Jahren seinen ganzen Katalog auf der Plattform Bandcamp zur Verfügung. Ein Musiker machte es darauf aufmerksam, dass seine Musik aber auch illegal von Dritten angeboten wird. Den Anbieter zurückzuverfolgen habe sich allerdings, so Illmaier, als schwierig herausgestellt. Die Recherchen hätten letztlich auf einen in Togo stationierten Server verwiesen. Auf das Begehren, die illegalen Angebote zu entfernen – selbst unterstützt von der Suisa – habe der Anbieter nicht reagiert. Solche Gegenmassnahmen seien sehr aufwendig, erklärte die Label-Vertreterin, in der Regel zudem ohnehin wirkungslos. Es sei für Plattenfirmen überdies völlig unmöglich, das Netz proaktiv nach illegalen Angeboten ihrer Produkte abzusuchen. Intakt rechnet aufgrund derartiger Piraterien für den betroffenen Musiker mit einem jährlichen Einkommensausfall von rund 10 000 Franken. Eine solche Kalkulation wurde im Progr allerdings skeptisch aufgenommen.

Moderator der Sessions-Stubete war Christoph Trummer, bis Ende 2017 Präsident des Pop-Rock-Verbandes Musikschaffende Schweiz, der auf Druck des Bundesamtes für Kultur zur Fusion mit dem Schweizer Musik Syndikat SMS (Jazz und Improvisation) und dem Schweizerischen Tonkünstlerverein STV (Neue Musik) gezwungen wurde. Als Delegierter des Kulturdachverbandes Suisseculture arbeitete Trummer in der Arbeitsgruppe Urheberrecht (AGUR12) von Bundesrätin Sommaruga mit. Die Arbeitsgruppe wurde 2012 ins Leben gerufen und beendete ihre Arbeit im April 2017. Eines ihrer Themen waren mögliche Strategien zur Bekämpfung von Urheberrechtsmissbräuchen im Internet. Davon ist schliesslich nicht mehr viel übriggeblieben: zum einen eher unverbindliche Anreize für Hoster, Missbräuche ihrer Plattformen zu unterbinden; sie wurden an der Sessions-Stubete als juristisch überaus dilettantisch eingeschätzt. Zum andern sollen Möglichkeiten geschaffen werden, Uploader zu identifizieren. Den Gesetzesentwurf und die Botschaft hat der Bundesrat am 22. November 2017 verabschiedet. Er behandelt nicht bloss Aspekte, die für die Musikwirtschaft von direktem Interesse sind. Weitere vorgesehene Neuerungen betreffen zum Beispiel Forschende und Bibliotheken. Letztere sollen ihre Bestände für bestimmte Zwecke ohne eine explizite Erlaubnis der Rechteinhaber nutzen können. Darbietungen sind neu 70 statt wie bisher 50 Jahre urheberrechtlich geschützt. Die Schutzfristverlängerung soll Produzenten mehr Zeit geben, ihre Investitionen zu amortisieren.

Ferreira Rodrigues in Weimar ausgezeichnet

Der 19 Jahre alte Portugiese Marco Rafael Ferreira Rodrigues, der als Posaunist im Tonhalle-Orchester Zürich tätig ist, hat am Symposium der Internationalen Posaunen-Vereinigung (IPV) in Weimar in seiner Alterskategorie ex aequo den Solo-Wettbewerb für sich entschieden.

Marco Rafael Ferreira Rodrigues (Bild: zvg)

Insgesamt fast 200 Posaunistinnen und Posaunisten aus aller Welt waren der Einladung der IPV und der Weimarer Musikhochschule gefolgt. Erstmals fand im Rahmen des IPV-Symposiums vom 5. bis 8. März der IPV Solo-Wettbewerb statt. Vor einer Jury präsentieren sich 77 junge Posaunen-Solistinnen und -Solisten aus 19 Ländern. Die drei ersten Preise bestanden pro Sieger aus einem hochwertigen Instrument und einem Soloauftritt beim IPV-Symposium 2019.

In der Kategorie I der Jüngsten gewann der 17-jährige Slowene Matej Stih. Mit dem Courtois-Preis erhält er nun eine neue, individuell angepasste Tenorposaune der Marke Antoine Courtois, Paris, im Wert von mehreren tausend Euro. Gleich zwei 1. Preise vergab die Jury in der überraschend starken Kategorie II (18 bis 21 Jahre): Den Yamaha-Preis und damit eine neue Tenorposaune derselben Marke erspielte sich der 20-jährige Tolga Akman aus der Türkei.

Eine ebenfalls funkelnagelneue Tenorposaune der Marke Vincent Bach gewann der 19 Jahre alte Portugiese Marco Rafael Ferreira Rodrigues mit seinem Bach-Preis. In der Alterskategorie III (22 Jahre und älter) wurde kein Preis vergeben.

Der 1998 geborene Marco Rafael Ferreira Rodrigues trat 2016 in die Posaunenklasse von David Bruchez der Zürcher Hochschule der Künste ein. Er gewann bereits eine Vielzahl von ersten Preisen bei internationalen Wettbewerben. Seit 2017 spielt er, im jungen Alter bereits fest engagiert, als Posaunist im Tonhalle-Orchester Zürich.

Die Mitglieder der Jury waren Carsten Svanberg (Vorsitzender, Dänemark), Zoltan Kiss (Ungarn), Fabrice Millischer (Frankreich), Mayumi Shimizu (Japan) und Jamie Williams (USA).

PGM: Treten an Ort

Am 7. März trafen sich Mitglieder der Parlamentarischen Gruppe Musik (PGM) mit Abgeordneten verschiedener Musikinstitutionen im Konsi Bern, um über Talentförderung zu debattieren.

In seinen einführenden Worten beschrieb Nationalrat Stefan Müller-Altermatt, der Präsident der Parlamentarischen Gruppe Musik PGM, den «Musikförderungsartikel», der 2012 angenommen wurde: «Was an Unklarheiten in einen Verfassungsartikel gesteckt werden kann, ist in Art. 67a drin.» Rückenwind aus der Verfassung hatte man sich erhofft, nun reibt man sich bei der Umsetzung musikalischer Förderziele an Unklarheiten, Zuständigkeitsfragen und fehlendem Tempo.

Beim Treffen der PGM ging es im Speziellen um die Talentförderung. Auch da scheinen die Bestrebungen nur schwer vom Fleck zu kommen. Nicht, dass es keine Förderinstrumente für musikalisch begabte Kinder und Jugendliche gäbe, es gibt viele, Müller-Altermatt hatte sogar den Begriff «Dschungel» in den Veranstaltungstitel eingebracht: «Kampf um Talente – Begabtenförderung im Dschungel der Zuständigkeiten». Der Bericht des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation vom Februar 2017 verweist auf eine stattliche Anzahl an kantonalen Massnahmen, kommt aber doch zum Fazit, dass es an den Musikhochschulen einen «teilweise geringen Anteil an Bildungsinländern» habe.

Talente bringen Talente hervor

«Es ist alles gesagt, alles geschrieben, alles wissenschaftlich belegt, was fehlt, ist der politische Wille.» So fasste Hector Herzig in einem Kurzreferat seine Sicht auf die schleppende Umsetzung des Verfassungsartikels und einer zielführenden Begabtenförderung zusammen. «Warum», fragte er weiter, «gibt es kein Musikförderungsgesetz, wo es doch längst ein Sportförderungsgesetz gibt?» Der Bund habe bei den Kantonen drei Lektionen Sport für Kinder und Jugendliche durchgesetzt, da müsse er doch auch im Hinblick auf die musikalische Bildung Einfluss nehmen können.

An der anschliessenden Podiumsdiskussion berichtete Thomas Limacher, Rektor der Musikschule Luzern, über das dortige Fördermodell. Dank einer privaten Zuwendung bestehe im Kanton Luzern seit vier Jahren eine Begabtenförderung Musik. Das Wichtigste dabei sei, die Talente zwar zu unterstützen, sie aber möglichst lange in ihrem angestammten Umfeld zu lassen, denn dort, in der örtlichen Musikgesellschaft oder der regionalen Musikschule, wirkten sie als Leuchttürme. Das eine Talent ziehe in der Regel bald ein zweites, drittes nach sich. Es könne also keineswegs darum gehen, die Talente so schnell wie möglich den regionalen Strukturen zu entziehen und zentral weiter zu fördern. Mit dieser Aussage berührte Limacher ein gesamtgesellschaftliches Thema, das die Musikförderung zusätzlich erschwert und das auch Herzig bereits angesprochen hatte: Die Vereine, das Rückgrat der kulturellen Schweiz, erodieren.

Auf eine paradoxe Situation wies Michael Kaufmann, Direktor der Musikhochschule Luzern, hin: Dieselben politischen Kreise, die bislang keine Talentförderung finanzierten, monierten den niedrigen Anteil von Studierenden mit schweizerischem Zulassungsausweis an den Musikhochschulen. Damit mehr Schweizer Nachwuchsmusikerinnen und -musiker das Hochschulniveau erreichten, brauche es aber eine Talentförderung.

Die Pendenzenliste ist lang

Isabelle Chassot, die Direktorin des Bundesamtes für Kultur, hielt dem entgegen, dass man sich in der Kulturbotschaft 2016–2020 auf die Implementierung des Programms Jugend+Musik konzentriert habe. Die Massnahmen zur Talentförderung müsse man nun für die nächste Periode diskutieren. Da die jetzigen Strukturen sehr unterschiedlich seien, sollte man vielleicht regionale Zentren ins Auge fassen. (In der Tat erwartet der Schweizer Musikrat die Ausarbeitung der Kulturbotschaft 2021–2024 ab Sommer 2018. Deshalb hat er seine Mitglieder aufgerufen, bis am 29. März Vorschläge einzureichen, welche Anliegen der Musiksektor in die Kulturbotschaft einbringen soll.)

Auf die Frage des Moderators Wolfgang Böhler, ob denn der Föderalismus die Bremse sei, entgegnete Susanne Hardmeier, die Generalsekretärin der Erziehungsdirektorenkonferenz EDK, das Engagement der Verantwortlichen in den Kantonen sei riesig, und die Unterschiede zwischen den Kantonen ein Reichtum, kein Hindernis. Grosse Aktivität auch da, aber keine gemeinsame Lösung in Sicht. Voten aus dem Plenum verlängerten den Katalog der ungelösten Problemkreise: Rainer J. Schweizer betonte, dass Begabtenförderung mit dem Zugang zur Musik beginne und dass die Schweiz bei der Erfassung der Kinder aus bildungsfernen Kreisen weit zurückliege. Und Armon Caviezel fragte im Hinblick auf die Schulmusik, was die EDK tun wolle, um die Lehrpersonen für den Lehrplan 21 im Fach Musik fit zu machen.

Im Windschatten des Interesses

Insgesamt also weit mehr Fragen als Antworten. Nationalrat Müller-Altermatt brachte es auf den Punkt: «Wenn ich jetzt in die Eidgenössischen Räte zurückgehe und ein Musikförderungsgesetz durchbringen möchte, dann wüsste ich nicht, wie man das institutionell lösen sollte. Wo den Hebel ansetzen zwischen Kompetenzen der Kantone und des Bundes?»

Die Grundstimmung des Stillstands trotz zunehmender Dringlichkeit, der Ratlosigkeit und Ermüdung, die sich vielerorts bemerkbar machte, fasste Thomas Limacher ganz handfest: «Wir können im Kanton Luzern mit unserem Förderprogramm noch etwa zwei Jahre so weitermachen, dann reichen die bisherigen, eben privaten Mittel nicht mehr aus. Wenn dann keine Hilfe von der Politik kommt, müssen wir das Programm massiv reduzieren oder aufhören.»

Gerade einmal ein Parlamentarier und eine Parlamentarierin hörten sich diese Anliegen von über dreissig Vertreterinnen und Vertretern der Musikszene an. Offensichtlich hält sich das Interesse der Politik an musikalischen Fragen in Grenzen.

Take it and run away

Keiner schafft im leeren Raum. Die meisten Künstler bedienen sich gern und ausgiebig anderswo. Wie sie das tun, zeigt nun eine Ausstellung im Museum Tinguely.

Blick in die Ausstellung. Foto: Daniel Spehr

Es beeindruckt schon jedes Mal von Neuem, über was für Schätze die Paul-Sacher-Stiftung Basel (PSS) verfügt. Sie könnte wohl wahllos etwas davon ausstellen, und schon wäre man von der Aura der Autografen und Zeugnisse fasziniert. Umso schöner, wenn sie sich auf einen Komponisten konzentriert oder, wie hier, auf ein ziemlich aktuelles Thema: «Re-Set». Es geht – in den Unterlagen finden sich zwei Untertitel – um Aneignung, Rückgriff und Fortschreibung in Musik und Kunst seit 1900. Das hat in Zeiten des Sampelns und Remixens Konjunktur, aber es gibt dazu eine lange Tradition.

In vier Räumen des Tinguely-Museums geht die PSS dem Thema nach: bei Fremd-, Eigen- und Volksmusikbearbeitungen und in der Beziehung zur populären Kunst. Ein schöner Katalog mit zahlreichen kundigen und durchwegs gut lesbaren Artikeln begleitet die Ausstellung. Mit einem I-Pad ausgestattet kann man sich auf den Weg machen, die gezeigten Exponate auch in ihrer Klanggestalt erleben und so den Eindruck vertiefen.

Zunächst sind da die Beispiele, bei denen sich Komponisten auf Kollegen aus der Geschichte beziehen. Mit der Bach-Verehrung (hier vertreten durch Webern, Kagel, Gubaidulina) könnte man gewiss allein eine Ausstellung füllen, zum Glück kommen auch Machaut (bei Birtwistle, Kurtág und Sciarrino), Gesualdo (bei Strawinsky, Sciarrino und Klaus Huber), Beethoven (bei Kagel) und Satie (via Debussy) zum Zug. Schönbergs Klavierstücke op. 19 sind (eine beliebte Aufgabe für Kompositionsschüler) in Instrumentationen von Rihm, Holliger und Younghi Pagh-Paan vertreten.

Der zweite Raum gewährt einen Blick in den Schaffensprozess, wenn nämlich Komponisten ihre eigenen Werke bearbeiten, verbessern, neu arrangieren, wie es Strawinsky mit dem Feuervogel tat oder Webern mit den Rilke-Liedern. Boulez, Maderna, Ligeti oder Rihm verpflanzten Teile vom einen Stück in ein anderes oder trieben Kernideen weiter. Da verfügt die PSS über alles erdenkliche Material, so dass sie die verschiedenen Stufen der Arbeit minutiös und augenfällig belegen kann.
 

Boshaftes und Abgründiges fehlt

Volksmusik dann im dritten Saal, ostjiddische Lieder bei Milhaud und Stefan Wolpe, dazu die jahrelange Forschungsarbeit von Bartók, Veress und Lutosławski und ihre Anverwandlung in Kompositionen. Das ist manchmal sehr nah bei den Quellen, überschreitet aber etwa bei Berio, Reich und Holligers Alb-Chehr die Grenze zu einer imaginierten Volksmusik. Etwas verwundert nimmt man hier doch einige Absenzen zur Kenntnis: Henze (der auch bei den Bearbeitungen fehlt, etwa mit seiner bissigen Orchestration von Wagners Die beiden Grenadiere) oder Globokar. Das wirkt, als winde man sich um alle politischen Implikationen.

Der vierte Raum schliesslich fällt daneben ab, sein Titel wirkt etwas verräterisch: «Unterschwellig elitär. Popularisierung und Nobilitierung». Vielleicht wollte man da etwas Populäres draufsetzen und griff deshalb zu Filmausschnitten aus Disneys Fantasia (mit Strawinskys Sacre du Printemps) und Kubricks 2001: A Space Odyssey (mit Ligeti). Nur hat das wenig mit dem Thema zu tun. Entsprechend isoliert steht es neben den anderen Exponaten. Gewiss gibt es auch da etwas zu entdecken, Beatles-Bearbeitungen nicht nur von Berio, aber sonst wirkt dieser Teil schwammig, schnell vollgesogen, schnell wieder ausgedrückt. Vor allem wird hier deutlich: Die Ausstellung, so vielfältig sie glänzt, hat wenig Reibungsflächen und keine Sprengkraft. Natürlich gibt es immer Absenzen zu monieren, aber es ist schon bezeichnend, was hier fast völlig fehlt: das Boshafte und das Abgründige, so als habe man es umschiffen wollen. Diese Ausstellung ist sehr lieb.

Da wären Kontrapunkte nötig. Die fänden sich allenfalls im Untergeschoss. Vorangestellt (und im Katalog abwesend) ist der Beitrag des Tinguely-Museums, eine kleine Schau mit Werken, die von Duchamps berühmtem Urinoir ausgehen. Ganz zu den Musikexponaten will das doch nicht passen. Mag sein, dass in der bildenden Kunst, wie Hausherr Roland Wetzel bei der Vernissage sagte, «Re-Set» etwas anderes bedeutet als in der Musik, aber vielleicht hätte es doch schlüssigere Beispiele gegeben – auf Duchamps bezogen sich nicht wenige Musiker. Es bleibt also noch etwas übrig für eine weitere Ausstellung.
 

Museum Tinguely, bis 13. Mai 2018

Katalog, hg. von Simon Obert und Heidy Zimmermann; 328 S., reich illustriert; Mainz, Schott, 2018; ISBN 978-3-7957-9885-7; Fr. 35.— während der Ausstellung.

www.tinguely.ch
 

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