Auf den Echo Klassik folgt nun der Opus Klassik

Am Sonntag, 14. Oktober 2018 wird im Konzerthaus Berlin erstmalig der Opus Klassik, der neue Preis für klassische Musik in Deutschland, verliehen. Nach dem Ende des Echo im Frühjahr werden somit auch in diesem Jahr ausserordentliche Leistungen im Genre Klassik ausgezeichnet.

Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Ausrichter des Preises ist der neu gegründete Verein zur Förderung der Klassischen Musik e.V.. Die Gründungsmitglieder sind die Association of Classical Independents in Germany, die Deutsche Grammophon, die Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette, Dagmar Sikorski, Sony Music, Benedikt Stampa und die Warner Music Group. Ausgestrahlt wird die Preisverleihung am 14. Oktober um 22 Uhr beim Medienpartner ZDF. 

Der Verein hat sich gegründet, nachdem der Ausrichter des Echo, der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), das Ende sämtlicher Echo-Preise in den Kategorien Pop, Klassik und Jazz bekannt gegeben hatte. Beruhen in diesem Übergangsjahr die Regularien und Jury des neuen Preises noch auf denen des Echo Klassik, will der Verein den neuen Preis für klassische Musik, basierend auf dem Feedback der Branche, kontinuierlich weiterentwickeln.

 

Neues Basler Orchesterprobehaus

In Basel wird das Kirchengebäude von Otto Rudolf Salvisberg am Picassoplatz zum Orchesterprobehaus umgebaut und ab Frühjahr 2020 von Immobilien Basel-Stadt an das Sinfonieorchester Basel (SOB) vermietet.

Kirchengebäude von Otto Rudolf Salvisberg am Picassoplatz in Basel (Bild: zvg)

Neben dem akustisch hochwertigen Proberaum im ehemaligen Kirchensaal der Ersten Kirche Christi Wissenschafter Basel bietet das neue Haus Möglichkeiten für Workshops und Vermittlungsprogramme. Für Konzertaufführungen sind die Räumlichkeiten nicht vorgesehen. Darüber hinaus befinden sich künftig auch die Büros der Geschäftsstelle des SOB im selben Gebäude. Das neue Probehaus kann, neben dem SOB, von weiteren Klangkörpern genutzt werden. Für die Weitervermietung und die Raumbewirtschaftung ist künftig das SOB verantwortlich.

Die Fertigstellung des Umbaus ist per Ende 2019 vorgesehen. Damit kann das Sinfonieorchester Basel seinen Probebetrieb in den neuen Räumlichkeiten gemeinsam mit der Geschäftsstelle im Frühjahr 2020 aufnehmen.
 

Musik für Mario Bottas «Steinerne Blume»

Auf dem Monte Generoso wurde eine Raumklangkomposition von Francesco Hoch uraufgeführt.

Seit Iannis Xenakis 1958 für den Philips-Pavillon bei der Brüsseler Weltausstellung die Raumklangkomposition Concret PH für 425 Lautsprecher entwarf und John Cage in den Sechzigerjahren mit seinen Zufallsklängen amerikanische Kunstgalerien beschallte, sind unzählige Experimente gemacht worden mit dem Ziel, Musik und Architektur in eine sinnvolle Beziehung zueinander zu bringen. Manche mit strategischer Planung wie die Musik für ein Haus, die Stockhausen mit vierzehn Assistenzkomponisten 1968 in Darmstadt in Szene setzte, manche eher beiläufig und auf improvisatorischer Basis. «Den Raum akustisch erfahrbar machen», heisst die allumfassende Formel. Sie impliziert, dass die Komposition auf autonome Gesetzmässigkeiten verzichtet und zur «Musique d’ameublement» tendiert, wie das Erik Satie einst vieldeutig formulierte. Die Musikdarbietung nähert sich der Klanginstallation, und für das Publikum hat die situative Wahrnehmung Vorrang vor dem strukturellen oder semantisch bezogenen Musikhören. Das kann im Fall von unausgegorenen Konzepten in Banalitäten enden, aber auch zu erhellenden Resultaten führen.

Musikalische Einfärbung

Bei der Klangaktion, die Francesco Hoch nun am letzten Augustsamstag in luftiger Höhe, auf 1700 Metern über Meer auf dem Monte Generoso, durchführte, war letzteres der Fall. Das lag nicht nur an der sorgfältig konzipierten Musik, sondern auch am architektonischen Objekt, auf das die Komposition funktional zugeschnitten war: das Bauwerk «Fiore di pietra» (Steinerne Blume) des Architekten Mario Botta. Die ambitioniert gestaltete neue Bergstation des Zahnradbähnchens mit Panorama-Restaurant, Ausstellungs- und Konferenzräumen wurde im vergangenen Jahr eingeweiht und zieht seither Ausflügler, Wanderer und an Architektur Interessierte aus allen Himmelsrichtungen an.

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Blick von oben in die Tiefe des Klangraums. Foto: Max Nyffeler

Die vier Stockwerke des kugelförmigen Baus sind nebst einem Lift durch ein kunstvoll verwinkeltes, tageslichthelles Treppenhaus verbunden, das sich variantenreich zu den Nutzräumen hin öffnet und dessen Begehung immer wieder neue Perspektiven nach innen und aussen eröffnet. Dieses visuell und akustisch gleichermassen inspirierende Ambiente war nun der Schauplatz der Colorazione musicale per il Fiore di pietra, der «musikalischen Einfärbung der Steinernen Blume», wie Francesco Hoch seine Musik nannte. Die Klangaktion dauerte eine halbe Stunde und wurde am gleichen Nachmittag dreimal wiederholt.

Begehbare Klangschichten

Die acht Musikerinnen und Musiker, die das Stück erfordert, waren zu zweit auf die vier Stockwerke verteilt: zuunterst beim Eingang die tiefen Instrumente Cello und Fagott, zuoberst Oboe und Piccolo und dazwischen die «mittleren» Instrumente Violine, Flöte, Klarinette und Englischhorn. Das Treppenhaus ist auf einer Seite durch einen rund anderthalb Meter breiten Raum von der Aussenwand getrennt, was nicht nur einen Durchblick von oben bis unten ermöglicht, sondern auch die Voraussetzung schafft, dass der Schall sich in der Senkrechten problemlos mischen kann. Dank dieser räumlichen Durchlässigkeit verschmolzen die acht Stimmen zu einer gemeinsamen, je nach Standort variablen Klangskulptur. Beim Hinauf- und Hinunterwandern über die vier Stockwerke konnte man erleben, wie die waagrechten Klangschichten abwechselnd in den Vordergrund traten und dann wieder im Gesamtklang verschwanden, und wer sich in einem der angrenzenden Räume niederliess, nahm eine Art statischen Fernklang wahr, der sich nur in seiner inneren Struktur permanent veränderte.

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Francesco Hoch mit seiner Partitur. Foto: Max Nyffeler

Für die acht Interpreten hatte der Komponist eine genaue Partitur ausgearbeitet. Das Material ist, wie bei solchen Raumklangexperimenten üblich, einfach strukturiert: kurze Melodiefloskeln, meist Skalenbestandteile oder repetitive Muster, die sich permanent verändern und ein kaleidoskopähnliches Ganzes bilden. Zeitdauern und Einsätze sind in der Partitur jedoch genau festgelegt, so dass der Gesamtverlauf formal gegliedert ist; bei der Aufführung wurde die Koordination über die vier Stockwerke hinweg durch einen Clicktrack gesichert. Die halbstündige Komposition ist nach dem Muster A–B-A’ in drei je zehnminütige Teile gegliedert. Die mit Petalo (Blütenblatt) überschriebenen A-Teile, die den kompakten Rahmen bilden, unterscheiden sich durch gegenläufige Dynamik und Dichteverhältnisse, und in den internen Strukturverläufen bilden sie die blütenähnlichen Formen von Bottas Steinblume nach. In der dreiteiligen Grossform wäre die Komposition vielleicht mit einer Blüte zu vergleichen, die sich langsam schliesst und wieder öffnet.

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Ausschnitt aus der Partitur von Francesco Hoch. Foto: Max Nyffeler

Gestaltete Vergangenheit

Die drei Aufführungen waren gefolgt von einer Podiumsdiskussion, bei der es weder um musikalische noch um architektonische Fragen ging, sondern um gemeinsame biografische Erfahrungen. Die Teilnehmer waren nämlich vom selben Jahrgang 1943 wie Francesco Hoch, und damit 75 Jahre alt: ein Rechtsanwalt, ein Musiker, ein Schriftsteller, ein Chirurg, ein Maler und der Komponist – alles Tessiner. Wer fehlte, war Mario Botta, der sich gerade in Sankt Petersburg aufhielt. Eine Generation, die aktiv, aus unterschiedlicher Perspektive und auf ganz verschiedenen Gebieten an der Gestaltung der Nachkriegsjahrzehnte beteiligt war, hielt auf intelligente und anregende Weise Rückschau.

Francesco Hoch bei musinfo.ch

https://neo.mx3.ch/francescohoch

Neustrukturierung der Basler Hochschulinstitute

Der Jazz erhält in Basel ein eigenes Hochschulinstitut. Mit dessen Gründung erfolgt eine Anpassung der Struktur und der Namensgebung: Die bisherigen Musikhochschulen FHNW heissen neu Hochschule für Musik FHNW.

Treppenhaus auf dem Jazzcampus. Foto: FHNW

Die Hochschule für Musik FHNW besteht damit neu aus drei Instituten: Hochschule für Musik|Klassik (bisher Hochschule für Musik), Hochschule für Musik|Jazz und Hochschule für Musik|Schola Cantorum Basiliensis. Mit der Institutsgründung soll der Jazz inhaltlich und finanziell ein verstärkt eigenes Profil sowie eigene Entwicklungsmöglichkeiten in Lehre und Forschung erhalten.

Die Schola Cantorum Basiliensis veranstaltet Ende November/Anfangs Dezember unter dem Titel «Darf man das?» ein Symposium über Alte Musik zwischen historischen Quellen und ästhetischer Gegenwart und geht der Kernfrage des eigenen Schaffens nach: der Frage nach den Konventionen der historischen Aufführungspraxis im Kontext der Gegenwartskultur.

Anfangs September stellt ein musikpädagogisches Symposium die Frage, wie inspirierter Musikunterricht gelingen kann und im März werden anlässlich des Symposiums «Musik und Migration» erste Resultate des gleichnamigen Projekts des Schweizerischen Nationalfonds SNF der Hochschule für Musik, Klassik vorgestellt.

Zwischen Klarinette und E-Bass

Der Kanton Bern zeichnet dieses Jahr Paed Conca, Christian Kobi, die DJ Sassy J sowie Björn Meyer mit je einem Musikpreis 2018 aus. Die Sängerin Milena Patagônia erhält den Nachwuchsförderpreis Coup de cœur. Die Musikpreise sind mit je 15’000 Franken dotiert, der Coup de cœur mit 3’000 Franken.

Paed Conca. Foto: Raymond Gemayel

Der Schweizer Jazzklarinettist, -bassist und -komponist Paed Conca ist in zahlreichen Bands und Projekten aktiv. Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitet er mit dem Blast4tet (mit Dirk Bruinsma, Frank Crijns und Fabrizio Spera), mit dem er mehrere Alben aufnahm. Praed ist ein Duo mit dem Libanesen Raed Yassin, weitere Duoformationen von Conca sind So nicht mit Dani Lieder und Otholiten mit Dirk Bruinsma.

Christian Kobi ist Dozent für improvisierte Musik an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Seit 2003 ist er Initiator und künstlerischer Leiter des Festivals für improvisierte Musik – zoom in. Er ist Mitglied des Saxophonquartetts Konus Quartett und hat 2006 das Labels für neue Musik Cubus Records mitbegründet.

Sassy J, die in der Berner Dampfzentrale die Patchwork Clubnächte präsentiert und dabei Acts wie Steve Spacek, Little Dragon, J’Davey, PPP, Georgia Anne Muldrow oder Slum Village in die Bundesstadt gebracht hat, legt auch regelmässig international auf, unter anderem im legendären Plastic People (COOP) in London oder am Sonar Festival in Barcelona.

Björn Meyer ist ein schwedischer Bassist und Komponist. Er arbeitet unter anderem mit dem Schweizer Komponisten und Holzbläser Don Li zusammen und ist gelegentlich als Gastdozent an den Konservatorien in Stockholm, Zürich, Bern, Luzern und Lausanne tätig. Im Herbst 2017 wurde sein erstes Soloalbum auf ECM veröffentlicht.
 

Atonale Musik soll Obdachlose vertreiben

Die Deutsche Bahn plant den S-Bahnhof Hermannstrasse in Berlin-Neukölln in einem Pilotversuch mit atonaler Musik zu beschallen, um Obdachlose und Drogenabhängige zu vertreiben. Der Deutsche Musikrat ist empört.

Foto: M.E./pixelio.de

Im Zeitalter der akustischen Umweltverschmutzung setze die Deutsche Bahn Musik als Waffe ein, erklärt dazu Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates. Statt ausreichend Personal zur Durchsetzung der Hausregeln und zur Gewährleistung der Sicherheit bereitzustellen, sollten Menschen durch Dauerbeschallung überreizt und so ferngehalten werden.

Der behauptete «gefühlte Sicherheitsgewinn» sei eine Farce und die Vertreibung von Obdachlosen und Drogenabhängigen habe schon in Hamburg nicht funktioniert. Dieser Versuch der Instrumentalisierung von Musik im öffentlichen Raum sei unsäglich und bedeute eine Diskriminierung der Komponistinnen und Komponisten, gleich welche Stilrichtung betroffen sei.

Der Deutsche Musikrat fordert den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn Richard Lutz auf, diese Kampfbeschallung abzustellen.

Innen und Aussen

Das Festival Rümlingen bringt die Oper in die Landschaft. «In Szene. 7 Landschaftsopern» heisst das Motto in diesem Jahr.

Peter Ablingers «Beduinenzelt-Kuben». Foto: Kathrin Schulthess,Foto: Kathrin Schulthess

14 Quadratmeter ist sie gross, diese Tonhalle in klein. In ihr sitzen vielleicht 20 Menschen: vier Streicher vorn auf der Bühne, geschätzte 16 im Publikum. An der Eingangstür dieses hübsch zusammengezimmerten Mini-Konzerthauses moderiert ein Schauspieler. Er informiert über das mit zwei Bratschen besetzte «Streichquartett», zum Beispiel über die Vergangenheit dieses «Henosode-Quartetts» in einer Studenten-WG. Zwischen den meist sparsamen Klängen wird der Bau erklärt, der eine besondere Akustik habe sowie eine ganz spezielle Innenbeschallung. Dann reisst der Darsteller Thomas Douglas immer wieder die Tür auf. Bellende Hunde ärgern ihn oder auch die scheinbar unendlich läutenden Kirchenglocken der Rümlinger Dorfkirche.

Kunst führt ein mitunter seltsames Eigenleben – das gilt auch für dieses Tonhalle-Projekt des Schweizer Komponisten und Theater-Regisseurs Ruedi Häusermann. Nicht von Tieren, Kirchen oder Motorrädern kommen die störenden Umweltgeräusche, sondern aus um die Tonhalle postierten Lautsprechern. Das Thema ist somit gesetzt. Ums Innen und Aussen geht es. Hier der andächtig stille Konzertsaal, dort die unkontrollierbare, zuweilen ärgerlich in die heilige Musiksphäre eindringende Umwelt. Häusermann gestaltet das Wechselspiel amüsant, aber leider zu gedehnt. Zu oft kommen gleiche oder leicht variierte Gags. Was anfangs noch wirkt, wird zunehmend schaler. Ein schönes Thema ist es, nur zu lang.
 

Opern-Abgesang

Lang ist auch die Klangwanderung im Rahmen des diesjährigen Rümlinger Mottos «In Szene. 7 Landschaftsopern». Dreieinhalb Stunden dauert die naturverbundene Exkursion mit steilen Aufstiegen und sehr verschiedenen Musikstationen. Auf ungefähr 750 Metern Höhe steht eine riesenhafte Sopranistin (Eva Nievergelt) in rotem Gewand. Sie singt Ausschnitte aus Opernarien, kurze Episoden aus Arnold Schönbergs Erwartung, aus George Bizets bekannter Oper Carmen oder aus Benjamin Brittens Peter Grimes. Kaum länger als 1 Minute dauern die Fragmente. Begleitet sind sie von einer Akkordeonistin, die, versteckt unter dem Kleid Nievergelts, Klänge des Schweizer Komponisten Mischa Käser spielt. Spärlich, reduziert, nicht gerade fröhlich klingt das alles. Zum opernhaften Abgesangs-Charakter passen die im Wald verteilten Kostüme: abgenutzte Kleider aus offenbar vergangenen Zeiten, in denen Kassetten-Rekorder stecken. Lo-Fi müssten sie klingen, die verrauschten Aufnahmen von Opern der letzten Jahrhunderte, sagt Mischa Käser. Er hat sich die leeren Kostüme quasi als ausgestorbene Opernsängerinnen gedacht; übrig geblieben ist die Live-Sängerin als letzte Repräsentantin eines sterbenden Genres.

Etwa 50 Höhenmeter unter Mischa Käsers skurrilen, aber sehr gelungenen Opernfragmenten spielt das Stück Im Wald von Manos Tsangaris. Hauptfiguren sind ein Perkussionist und eine Sängerin. Zuerst gibt es verbale und nonverbal-musikalische Dialoge zwischen beiden in der Nähe des Publikums. Dann kommt der grosse Waldraum ins Spiel. Es entfernt sich die Sängerin und singt – im Wald flanierend – weiter. Hinter Bäumen huschen Figuren hin und her, so zehn bis zwanzig Meter weg stehen Pauker. Tsangaris ist ein Multitalent. Lichteffekte bezieht er mit ein, die im Hellen leider nicht so zur Geltung kommen. Nichtsdestotrotz macht auch diese Wald-Szenerie Eindruck.
 

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Eva Nievergelt als letzte Repräsentantin eines sterbenden Genres in Mischa Käsers Opernfragmenten

Kopf-Konzerte

Nein, langweilig ist es nicht in Rümlingen. Das Festival bietet nicht nur Wald-, sondern auch Freiräume. Komponistinnen wie die junge Italienerin Clara Ianotta geniessen es, dass sie experimentieren können fernab vorgegebener Konzertformate, die in der Regel bestimmt sind von Besetzungsvorgaben, Dauern und Frontalpräsentation vor sitzendem Publikum. Das Rümlinger Konzept betont vor allem die veränderte Hörsituation. Ja, es macht schon einen grossen Unterschied, ob der Körper mit im Spiel ist, ob man physisch ausgelastet ist und einfach mal die Berge und Wolken betrachten kann. Der österreichische Komponist Peter Ablinger macht aus dem Hören im Freien eine besondere Pointe. Sieben seiner sogenannten «Beduinenzelt-Kuben» stehen am Waldrand. Die Seiten der quadratischen Holzgestelle sind mit flatternden weissen Stofflaken verhängt. Innen liegen Teppiche, die der Imagination freien Lauf lassen. Ohne Kunst und Opernschwere kann man so einfach die Wolken betrachten, an Gustav Mahler denken, an Beethovens Pastorale oder – auch wenn es der Schweizer Wald ist – an Richard Wagners Waldweben.

Langzeitwirkung von Musikschulunterricht

Viele ehemalige Musikschülerinnen und -schüler sind als Erwachsene nicht mehr musikalisch aktiv. Ist also ein Instrumental- und Gesangsunterricht, der darauf abzielt, möglichst viele Kinder und Jugendliche zu erreichen, als Bildungsinvestition nachhaltig?

Foto: sergeyklopotov/fotolia.com

Der Bericht des Bundesamtes für Statistik über das Kulturverhalten in der Schweiz (Eine vertiefende Analyse – Erhebung 2008, Neuchâtel 2011) stellt fest: «In der Schweiz spielt jede fünfte Person ein Musikinstrument» und ergänzt, dass fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung (47 %) eine nichtberufliche Musikausbildung von mindestens einem Jahr absolviert hat. Daraus ergibt sich, dass immerhin rund 43 % der ehemaligen Musikschülerinnen und -schüler später weiterhin musizieren.

Die Investition öffentlicher Gelder lässt sich jedoch nicht alleine durch die musikalische Aktivität im Erwachsenenalter rechtfertigen, sondern primär durch den Gewinn an Musikalität und Kultur. Wenn die ehemaligen Schülerinnen und Schüler vermehrt und bewusst Musik hören, tragen sie zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Musiktradition sowie zu deren Verbreitung bei.

Die CAS-Studie (Hochschule Luzern – Musik) Langzeitwirkung des instrumentalen und vokalen Unterrichts an Musikschulen untersuchte die Nachhaltigkeit des Musikunterrichts anhand einer Stichprobe von Personen, die im Schuljahr 2004/2005 an der Musikschule Olten eingeschrieben oder Mitglieder der Jugendmusik waren. Insgesamt haben 99 von 491 eingeladenen Personen an der Befragung teilgenommen.

Im Vergleich zur oben erwähnten Bundesstatistik über das Kulturverhalten in der Schweiz ist mit 63 % ein grösserer Anteil der ehemaligen Schülerinnen und Schüler noch heute musikalisch aktiv. Es ist auch bemerkenswert, dass 8 % der an der Umfrage teilnehmenden Personen heute mit Musik ihr Geld verdienen. Es sind allerdings vor allem Musikinteressierte, die sich befragen liessen.
 

Musizieren mit Freunden macht den Unterschied

Von den Teilnehmenden waren 80 % im Schuljahr 2004/2005 Mitglied eines Ensembles; die meisten von ihnen (66 %) spielten in einem Ensemble der Musikschule oder in der Jugendmusik, der Rest mit Freunden oder der Familie.

Die Ensembleaktivität an der Musikschule ist per se kein Indikator für späteres Musizieren, allein oder mit anderen. Bei Personen, die bereits im Schulalter im privaten Kreis mit Freunden und Familienmitgliedern Musik gemacht haben, ist die Wahrscheinlichkeit jedoch gross, dass sie es auch als Erwachsene tun, denn Musizieren mit Freunden entspringt einer besonderen intrinsischen Motivation, die im Erwachsenenalter fortbesteht. Dies spricht nicht dagegen, Ensembles an der Musikschule selber zu fördern, doch auch die Schaffung von Infrastruktur (Proberäume) oder Auftrittsmöglichkeiten für private Bands und Ensembles dürften die Nachhaltigkeit des Musikunterrichts erhöhen.

Der Musikunterricht als Teil der Ausbildung hat bei den Teilnehmenden einen grossen Rückhalt: 90 % gaben an, dass sie bei Gelegenheit ihren eigenen Kindern den Unterricht an der Musikschule ermöglichen wollen: ein starkes Votum für dessen Wichtigkeit.

Gemäss den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie beschränkt sich der Nutzen des Musikunterrichts nicht nur auf musikalische Kompetenzen: Der Erwerb von Disziplin und Konzentration wurde fast so häufig genannt wie das Erlernen von musikpraktischen Fertigkeiten und musiktheoretischen Kenntnissen. Darüber hinaus bezeichneten sie die musikalische und kulturelle Bildung, die Auftrittskompetenz und die Fähigkeit zur Fokussierung als wichtige Beiträge des Instrumentalunterrichts zu ihrer persönlichen Entwicklung.
 

Vital Julian Frey erhält Thuner Musikpreis

Die Stadt Thun zeichnet den Künstler George Steinmann mit dem Grossen Kulturpreis aus. Zudem wird der Cembalist Vital Julian Frey mit dem Musikpreis geehrt. Der Kulturstreuer geht dieses Jahr an den Verein Thuner Kulturnacht, den Kulturförderpreis erhält die Artistin und Bewegungsschauspielerin Susanne Zoll.

Vital Julian Frey (Bild: Mariya Nesterovska)

Vital Julian Freys steht laut Laudatio «für technische Brillanz und Leichtigkeit». Mit seiner Offenheit für experimentelle und spartenoffene Arbeitsweisen bringe er sein Instrument breiten Publikumskreisen näher, begründet die Kulturkommission die Vergabe des Musikpreises an Vital Frey. Das Preisgeld beträgt 10’000 Franken.

Frey lebt und arbeitet in Steffisburg. Als Solist hat ihn seine Konzerttätigkeit auf die wichtigsten internationalen Bühnen und Festivals geführt. So trat er am Lucerne Festival oder am Rheingau Musik Festival auf. 2016 übernahm der umtriebige Musiker die Intendanz der Bachwochen Thun. Vital Julian Frey ist ausserdem Ensembleleiter, unterrichtet an der Musikschule Region Thun, ist Organist sowie Kulturbeauftragter der reformierten Kirchgemeinde in Steffisburg. Im Jahre 2000 erhielt er den Kulturförderpreis der Stadt Thun.

George Steinmann ist in Thun aufgewachsen, lebt und arbeitet in Bern. Der bildende Künstler, Musiker und Forscher studierte Malerei, Musik und Afro-Amerikanistik in Basel und San Francisco. Er ist seit 1966 als Musiker auf Tourneen und Festivals in Europa mit eigenen Bands und mit namhaften Musikern wie Mike Henderson aktiv.

Die Stadt Thun zeichnet mit dem Grossen Kulturpreis ausserordentliche kulturelle Leistungen von überregionaler Bedeutung aus. Der Grosse Kulturpreis ist mit 15‘000 Franken dotiert.

 

Englische Musikkultur in den Alpen

Das Klosters Music Festival, eine Initiative mit Ambitionen, brachte vom 27. Juli bis 4. August erstmals eine ganze Aufführungsreihe mit international bekannten Namen.

Konzertpause vor dem Künstleratelier Christian Bolt. Foto: Max Nyffeler,Foto: Max Nyffeler

Klosters und Davos sind gerade einmal dreizehn Autokilometer und vierhundert Höhenmeter voneinander getrennt. In Davos gibt es seit nunmehr 33 Jahren ein Musikfestival, und nun hat Klosters vor einem Jahr ebenfalls eines gegründet. Am ersten Augustsamstag geht Klosters zu Ende und gleichzeitig beginnt Davos. Kann das gut gehen? Höchstwahrscheinlich ja. Zwar scheint es in der gutnachbarlichen Kommunikation noch etwas zu hapern, und da und dort war zu hören, es reiche doch jetzt langsam mit diesen Sommerfestivals in den Alpen; doch erstens sind die Programmkonzepte von Davos und Klosters völlig verschieden, so dass man sich nicht gegenseitig das Wasser abgräbt, und zweitens ist der Markt noch lange nicht übersättigt. Das gerne als konservativ apostrophierte Klassikpublikum ist in der Ferienzeit ausgesprochen reisefreudig und schätzt es, Musik in anderer Umgebung, naturnah und losgelöst von urbanem Alltagsstress zu hören.

Gute Voraussetzungen also, sagten sich die Verantwortlichen in Klosters, den etablierten Festivals in Verbier, Gstaad und auch im benachbarten Davos ein neues Unternehmen mit einem eigenen Gesicht zur Seite zu stellen. Getragen wird das Festival von einer lokalen Initiativgruppe, rund sechzig freiwillige Helfer sorgen für einen reibungslosen Ablauf, das Budget von rund 600 000 Franken wird zu einem grossen Teil von Privaten finanziert. Nach einem auf ein Wochenende beschränkten Probelauf im vergangenen Jahr präsentierte das Programm diesmal neun Orchester-, Kammermusik- und Solistenkonzerte mit Werken vom Barock bis zur leicht verdaulichen klassischen Moderne. Bevorzugt werden Aufführungen in traditioneller Konzertsituation mit international bekannten Namen, die einen hohen Interpretationsstandard garantieren, wozu auch Schweizer Interpreten gehören; auf Experimente wie in Davos wird verzichtet. Die Säle, eine Mehrzweckhalle mit fünfhundert und die alte Dorfkirche mit dreihundert Plätzen sowie der sehr geräumige Showroom im Atelierhaus des bildenden Künstlers Christian Bolt, waren im Durchschnitt zu über achtzig Prozent ausgelastet. Am Bahnhof ist zudem eine Art Willkommenszelt aufgebaut, wo man sich ungezwungen treffen kann und tagsüber alternative Klänge von Jazz bis Volksmusik zu hören sind.
 

Royales Geleitwort

Viele der zahlungskräftigen Besucher kommen für ein verlängertes Wochenende nach Klosters, das Einzugsgebiet reicht über die Schweiz hinaus bis nach Wien. Das Stammpublikum sind jedoch die Feriengäste und Zweitwohnungsbesitzer aus Klosters und Umgebung, darunter auffallend viele aus England. Englisch ist praktisch die Zweitsprache nicht nur im Dorf, sondern auch beim Festival, was sich auch im Namen ausdrückt: Klosters Music Festival. Prinz Charles, der hier seit Jahrzehnten seine Winterferien verbringt, hat für das Programmheft ein Geleitwort geschrieben, und wo der Segen der Royals waltet, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Die Einheimischen haben den Vorteil dieser English Connection genau erkannt und mit David Whelton, dem langjährigen, nun pensionierten Intendanten des London Philharmonia Orchestra, einen hochkarätigen künstlerischen Leiter engagiert. Wie seinerzeit Martin Engström beim Aufbau des Verbier-Festivals seine Verbindungen zur Plattenindustrie nutzbar machen konnte, so greift jetzt auch Whelton auf die Künstlerkontakte aus seiner Orchesterzeit zurück. Ihm zu Seite steht als Organisationschefin Raluca Matei, Managerin der Camerata Zürich.
 

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Einrichten der beiden Flügel im Künstleratelier Christian Bolt für das litauische Klavierduo Vilija Poskute & Tomas Daukantas

Erfolg mit Investitionsbedarf

Markante Akzente im diesjährigen Programm setzten der Pianist Nikolai Luganski, das Tetzlaff-Trio und das litauische Klavierduo Vilija Poskute & Tomas Daukantas. Das Berner Alte-Musik-Ensemble Les Passions de l’âme mit seiner Leiterin Meret Lüthi gab mit Werken von Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Joseph Fux sowie Vater und Sohn Schmelzer einen spannenden Einblick in die Blütezeit des österreichischen Barock. Einige Stücke bezogen sich auf die türkische Belagerung Wiens und die mit Hilfe der polnischen Reiterarmee erfolgte Befreiung im Jahr 1683 – Programmmusik mit Schlachtenlärm, Pferdegetrappel und Siegeschorälen. Die vom Kammerorchester Basel begleitete russische Sopranistin Julia Lezhneva brillierte mit Arien aus der Zeit der Opera seria; sie ist noch immer die intonationssichere Trillerlerche wie zu Beginn ihrer Karriere um 2010, als sie erstmals mit Marc Minkowski in Salzburg auftrat, auch wenn ihre federleichte Sopranstimme inzwischen mehr zum Mezzo hin tendiert.

Den abschliessenden Höhepunkt bildeten zwei Robert Schumann gewidmete Abende mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi. Mit einer leidenschaftlichen Interpretation von drei Sinfonien, mit dem von Steven Isserlis hingebungsvoll gespielten Cellokonzert und dem selten programmierten Konzertstück für vier Hörner und Orchester, als Solisten das Quartett German Hornsound, versetzten die Bremer das Publikum in helle Begeisterung. Sie zeigten aber auch die Grenzen der Saalakustik auf, nach oben und nach unten: Im Orchesterfortissimo lässt die Klangtransparenz nach, bei leisen Stellen spielt die Lüftung unüberhörbar mit. Damit das Festival sein zweifellos vorhandenes Zukunftspotenzial voll ausschöpfen kann, sind zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur wohl unumgänglich.

Stradivarifest in Gersau

Das Stradivari-Quartett bespielte ungewohnte Konzertorte in Gersau und Umgebung und führte erstmals eine «Stradivariclass» durch.

Der Gersauer Nauen «Republik» als Konzertpodium. Foto: Denise Gerth,Foto: Denise Gerth

Neben hochklassigen Interpretationen zeichnet sich das Schweizer Stradivari-Quartett immer wieder durch kreative und ungewohnte Konzertformen und -orte aus. Dies zeigte sich auch beim jüngst zu Ende gegangenen Stradivarifest in Gersau und Umgebung. Es wurde mit dem Mythenkonzert im Mythensaal des Brunner Hotels Waldstätterhof eröffnet. Die Cellistin und Leiterin des Quartetts, Maja Weber, sorgte im Duo mit dem Pianisten Per Lundberg mit Sergej Rachmaninows Sonate in g-Moll op. 19 und – durch den Geiger Xiaoming Wang zum Trio erweitert – mit dem Trio in B-Dur D 898 von Franz Schubert für einen vorzüglichen Start.

Im Konzert in der Pfarrkirche Gersau präsentierte das mit Sebastian Bohren, Violine, und Lech Uszynski, Viola, komplettierte Stradivari-Quartett mit Maurice Ravels und Claude Debussys Streichquartetten eine bewährte Werkkombination. Zwischen den beiden französischen Kompositionen sorgten die Trois pièces pour quatuor à cordes von Igor Strawinsky für einen erfrischend-belebenden, einige Zuhörer vermutlich gar irritierenden Kontrast. Mit der Standing Ovation am Konzertende machten aber auch diese klar: Sie erlebten ein hervorragend interpretiertes musikalisches Programm.
 

Auf dem Berg und über den See

An der Matinee auf Rigi Scheidegg bespielte das Stradivari-Quartett mit Tangos von Astor Piazzolla eine stilisierte Arche mit 360 Grad Rundsicht. Ungewohnte Konzertumgebungen bieten bekanntlich stets die Chance für ungewohnte Musikerlebnisse. Dies, und nicht der billige Versuch partout «anders» zu sein, ist der Grund, warum sich das Quartett nicht vor überraschenden Konzertorten scheut. Dass sich durch die je anderen Aufführungsbedingungen oft anspruchsvolle interpretatorische Anforderungen stellen, versteht sich. Das Publikum spürte allerdings nichts davon.

Die Gersauer Seebühne und die Abendstimmung über dem Vierwaldstättersee boten den Rahmen für die Serenade am See mit dem Streichquartett in a-Moll op. 13 von Felix Mendelssohn und Franz Schuberts Oktett für Klarinette, Horn, Fagott, Streichquartett und Kontrabass in F-Dur D 803. Das faszinierende Ensemble von Natur, herausragenden Kompositionen und inspiriert wie engagiert zu Werke gehenden Interpreten sorgte für ein Musikerlebnis der besonderen Art: Kammermusikalisch Intimes, Passagen von sinfonischem Gestus, virtuos und teilweise solistisch Brillierendes sowie hör- und sichtbares, gescheites Dialogisieren und Kommunizieren lösten sich ab.

Die Konzerte bei der Tellskapelle und auf dem Rütli, der bekanntesten Wiese der Schweiz, waren ebenfalls durch den jeweiligen Genius loci geprägt. So kam beim erstgenannten eine für das Stradivari-Quartett adaptierte Fassung der Ouverture zu Gioacchino Rossinis Oper Wilhelm Tell zur Aufführung; auf dem Rütli getreu dem Konzertmotto «Musikalische Schweizer Delikatessen» Werke von Adolf Reichel (Spaziergang, letzter Satz), vom Brunner Komponisten Othmar Schoeck (Streichquartett Nr. 2 in C-Dur) und von weiteren Schweizer Komponisten. Als musikalische Referenz an die vier Kantone rund um den Vierwaldstättersee erklangen eigens für das Rütlikonzert arrangierte Volksmusikstücke aus Uri, Schwyz, Unterwalden und Luzern. «Darf und soll man das?», mögen Kammermusikpuristen fragen. Die Antwort lautet in beiden Fällen ja, wenn das Resultat so respektvoll und stimmig dargeboten wird und die Konzertumstände dazu einladen. Da war jedenfalls nicht die Spur von anbiedernder Volkstümelei zu vernehmen.

Ein weiteres sehr unkonventionelles Konzertpodium bot der Gersauer Nauen «Republik». Zu den Zuhörern auf dem traditionsreichen ehemaligen Transportkahn gesellten sich 70 weitere Personen, welche eigens für die sogenannte Stradivariclass im Rahmen des Gersauer Stradivarifestes aus China angereist waren. Sie lauschten den Quartettklängen an Bord eines Gesellschaftsbootes, das auf «hoher See» am Nauen vertäut wurde. Wiederum war es interessant, Werke in einer Umgebung zu erleben, welche andere Facetten der Kompositionen erfahrbar werden liess als gewohnte Konzertörtlichkeiten. Dieses Ausloten von akustischen Potenzialen und aussermusikalischen Wirkungen auf die Wahrnehmung ist dem Stradivari-Quartett eine Herzensangelegenheit.
 

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Tangos in der Arche auf der Rigi Scheidegg

Eine Art Meisterkurs

Die Musiker des Quartetts und der Pianist Per Lundberg boten erstmals unter dem Label Stradivariclass Unterrichtslektionen für talentierte Kinder und Jugendliche aus China an. Die rund 30 Schülerinnen und Schüler erlebten im Einzelunterricht wahre Meisterkursatmosphäre. Hier und durch die Konzertbesuche bei ihren Lehrmeistern lernten sie einige Geheimnisse erfolgreicher Berufsmusiker kennen. Das Gelernte zeigten die chinesischen Jungtalente im Konzert im Parkhotel Vitznau. Durch dieses neue Angebot bereitete das Stradivari-Quartett, welches mehrmals jährlich in China, Korea und anderen Staaten Asiens gastiert, die Plattform für einen spannenden künstlerischen, gesellschaftlichen und kulturellen Austausch. Es bleibt zu hoffen, dass dieses jüngste Engagement in den kommenden Jahren weitere Auflagen findet. Eine Idee sei dem Verfasser erlaubt: Wie wäre es, wenn die Quartettmitglieder ein Coaching für junge Streichquartette oder -trios anbieten würden?

Ausführliche Informationen über das Quartett (Leiterin, Mitglieder, Instrumente, Konzerte) und weitere damit verknüpfte Angebote sind hier aufgeführt:

www.stradivarifest.com
 

Kaufmann geht Ende August 2019 in Pension

Michael Kaufmann, Direktor der Hochschule Luzern – Musik, geht per 31. August 2019 in Pension. Er leitete das Departement Musik während bald acht Jahren. Die Stelle wird umgehend intern und extern ausgeschrieben.

Foto: Hochschule Luzern

Michael Kaufmann habe das Departement Musik der Hochschule Luzern seit seinem Amtsantritt im März 2011 in inhaltlicher, kultureller, strategischer und organisatorischer Sicht «wesentlich geprägt und weiterentwickelt», schreibt die Hochschule.

Unter seiner Leitung seien zukunftsweisende Projekte in den vier Leistungsbereichen Ausbildung, Weiterbildung, Forschung und Dienstleistungen umgesetzt worden, die Zusammenarbeit mit Praxispartnerinnen und -partnern sowie Drittmittelgebenden stark intensiviert und die Weichen zur Eröffnung des Musik-Neubaus am Standort Südpol in Kriens im Jahr 2020 gestellt.

Darüber hinaus habe sich Michael Kaufmann als Leiter des Bereichs Interdisziplinarität für hochschulübergreifende Themen stark gemacht. In diesem Bereich, der in der Strategie der Hochschule Luzern eine besonders hohe Bedeutung hat, widmete er sich dem Auf- und Ausbau der Interdisziplinären Schwerpunkte und aktuell den zwei neuen Interdisziplinären Themenclustern «Raum und Gesellschaft» sowie «Digitale Transformation der Arbeitswelt».

Anmeldefrist für «Get going!» läuft

Die Fondation Suisa verstärkt ihr Engagement in der Förderung von Musik in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein: Jährlich sollen unter dem Titel «Get Going!» vier musikalische Projekte angestossen und mit «Carte Blanche» alle zwei Jahre ein grösserer Werkbeitrag gesprochen werden.

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Wie die Fondation Suisa auf ihrer Website schreibt, sollen Musikschaffende neu Beiträge erhalten, um ohne finanziellen Druck arbeiten, sich weiterentwickeln und entfalten zu können. Dabei steht nicht zwingend das Ergebnis der Arbeit an einem bestimmten Werk im Mittelpunkt, sondern der Werkbeitrag soll Anregung für Neues sein. Damit löst sich die Stiftung von gängigen Ausschreibungskriterien und richtet den Blick in die Zukunft.

«Get Going!»

Während im Rahmen des Projektes «Carte Blanche» eine Fachjury alle zwei Jahre einen Beitrag von 80’000 Franken ohne Ausschreibung vergibt, kann man sich für «Get Going!» jeweils bewerben. Die Fondation Suisa spricht pro Jahr vier Beiträge in der Höhe von je 25’000 Franken. Angesprochen sind Urheberinnen und Urheber, Autorinnen und Autoren sowie Musikerinnen und Musiker, die einen deutlichen Bezug zum aktuellen schweizerischen oder liechtensteinischen Musikschaffen nachweisen können.

Dieses Jahr läuft die Anmeldefrist noch bis am 31. August. Bewerben kann man sich ausschliesslich online:

https://www.fondation-suisa.ch/de/werkbeiträge/get-going
 

Musik und Markt

Die dieser Ausgabe beige- legte Publikation der KMHS (Konferenz Musikhoch-schulen Schweiz) beschäftigt sich mit dem Thema «Musik und Markt». Ein paar grund-legende Überlegungen zum Thema des Musikmarkts sowie die Perspektive einer Musikhochschule sollen Lust auf die Lektüre des Jahres-magazins machen.

MvO — Besonders im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Musik zu einem regelrechten Wachstumsmarkt. In London entstanden die so genannten Musikgärten (beispielsweise jener von Vauxhall, der einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich war), welche einzelne Musiker oder ganze Orchester engagierten. Während diese spielten konnten die Gäste promenieren. Für den Konzertbetrieb waren eigene Konzertreihen, wie sie etwa Johann Christian Bach oder Carl Friedrich Abel seit den 1760er Jahren in London organisierten, besonders wichtig und vor allem sehr lukrativ. Gleichzeitig kämpften verschiedene Konzertunternehmer um die Gunst von Künstlern und Publikum, ein bekanntes Beispiel war seit den 1790er Jahren der Musikverleger und Impresario Johann Peter Salomon, der Joseph Haydn und dessen Musik nach London holte. Im Vergleich zu England fand die Kommerzialisierung der Musik in Deutschland auf einem niedrigeren Niveau statt. Den wichtigsten Markt bildeten dort gedruckte Musikalien und weitere musikrelevante Publikationen. Daneben etablierten sich profitable Konzertgesellschaften wie etwa die Gewandhauskonzerte in Leipzig, welche ihren Anfang im November 1781 hatten. Mit dieser Markteroberung einher ging auch ein vermehrter Diskurs über die Musik. Das Rezensionswesen gewann immer mehr an Bedeutung, sei es in wissenschaftlichen Zeitschriften oder dann in spezialisierten Musikzeitschriften.

Pariser Weltausstellung

Als Beginn der Musikindustrie kann die Pariser Weltausstellung von 1889 betrachtet werden, in deren Folge die ersten industriellen Grammophone hergestellt und zeitgleich die ersten industriellen Musikaufnahmen gemacht wurden, welche in den neu erfundenen Jukeboxen abgespielt werden konnten. Die Gründung des Unternehmens Deutsche Grammophon im Jahr 1898 ist diesbezüglich von besonderer Bedeutung, da sie den Beginn der Massenproduktion von Tonträgern manifestiert. Mit der ersten Schallplattenaufnahme von Enrico Caruso im Jahr 1902 trat die neue Technologie den weltweiten Siegeszug an, und diese wurde in den Folgejahren technologisch immer weiter verbessert und perfektioniert. Die Entwicklung mündete in die CD-Technik, welche der Musikindustrie in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts goldene Zeiten bescherte – im Jahr 1997 erreichte die CD ihren Höchstumsatz.

Musikmarkt heute

Dieser Musikmarkt, der über Jahrzehnte florierte, sieht sich heute gänzlich anderen Voraussetzungen ausgesetzt. Exemplarisch dafür sind etwa die zahlreichen Schliessungen von traditionsreichen Musikhäusern auch in der Schweiz. Die Musikbranche spürt den beinahe vollständigen Wegfall des stationären Tonträgergeschäfts aber auch den einschneidenden Rückgang bei der Nachfrage nach physischen Noten oder Musikinstrumenten. Das CD-Geschäft ist in der Zwischenzeit vollständig vom Musik-Streaming überholt worden. Erhebungen aus Deutschland zeigen, dass der Marktanteil der Streaming-Dienste im ersten Halbjahr 2018 bei rund 48 Prozent lag, das CD-Geschäft dagegen macht gerade noch einen Anteil von 34 Prozent aus. Aufgrund dieser Erkenntnisse wird auch ein anderes Problem relevant: Wie kann sich die Branche in diesem Umfeld überhaupt noch behaupten, wie bleiben die Lizenzzahlungen an die einzelnen Künstlerinnen und Künstler auch in Zukunft noch gesichert, wenn der Ertrag pro gestreamtem Titel unter 0.01 Rappen liegt? Wie also sollen sich Künstlerinnen und Künstler in Zukunft im Markt überhaupt noch behaupten können?

PR, Marketing oder Audience Development sind inzwischen auch in der Klassikbranche zu wichtigen Instrumenten geworden (zahlreiche Publikationen zu dieser Wechselwirkung belegen dies), das Talent alleine genügt nicht mehr, der Markt will bearbeitet werden. Arrivierte Künstlerinnen und Künstler, und die Talente von morgen erst Recht, müssen erkennen, dass sich mit dem Verkauf von Tonträgern kaum mehr Geld verdienen lässt. Dies ist auch im Pop-Sektor nicht anders, wo primär mit Konzerten Profit gemacht werden kann. Gerade für junge, noch unbekannte Künstler stellt sich die Frage, ob man bei den minimalen Einkünften die Debüt-CD nicht gleich verschenken soll. Einnahmen sind kaum zu erwarten, doch die dank einer professionellen Aufnahme geschaffene Aufmerksamkeit ist nach wie vor eminent, wie auch die Tatsache, mit einer Aufnahme Tonmaterial zu haben, welches man Konzertveranstaltern oder Agenten vorlegen kann.

Vorteile für die Konsumenten

Es überrascht nicht, dass auch die Veranstalter ihrerseits erfinderisch sein müssen, wenn sie etwa den Künstlern eine tiefe Fix-Gage bezahlen, diese im Gegenzug an den Konzerteinnahmen beteiligen. Damit überträgt der Veranstalter das Risiko auf die Künstler – diese müssen dann für sich entscheiden, bis zu welchem Punkt es sich für sie noch lohnt und auszahlt. Der Beruf des Musikers, der Musikerin ist aufreibend, und gerade der Anfang der Karriere verlangt sehr viel ab. Ob es heute schwieriger ist als noch vor ein paar Jahrzehnten kann sicherlich nicht abschliessend beantwortet werden, weil die meisten Musikerinnen und Musiker diesen Weg aus Überzeugung gewählt haben. Man kann den goldenen Zeiten des CD-Marktes nachtrauern, gleichzeitig birgt die Digitalisierung auch für die Musikbranche ein riesiges Potential, welches ausgeschöpft werden will und den Musikmarkt positiv beeinflussen kann.

Handwerk hat einen Preis

Michael Kaufmann — Handwerksleute wie Schreiner, Uhrmacher, Schlosser oder Maurer lernen ein Handwerk. Sie verstehen ihre Arbeit zu Recht als Kunst. Sie sind schaffen Neues und geben die Präzision der Tradition mit Leidenschaft für Qualität weiter. Trotzdem müssen sie auf den Märkten bestehen, ihre Arbeit “verkaufen“. Sie müssen im Alltag bestehen. Bei den Musikerinnen und Musikern ist das auch so. Wenn auch sie sich in der Ausbildung und im Berufsleben mehrheitlich mit Handwerk, Kunstfertigkeit, Interpretationskultur, Harmonielehre, Rhythmik, musikwissenschaftlichen Fragen, Komposition und Bühnenpräsenz auseinandersetzen, gibt es im Musikleben auch Märkte, die man schlicht und einfach bedienen muss um zu überleben.

Was Musik eigentlich soll

An den Hochschulen geht es um das Erlernen von Musikinstrumenten auf höchstem Niveau, es geht um Ausbildung zur künstlerischen Persönlichkeit. Wichtig sind die Diskurse um Interpretation, musikalisches Material, historische Bezüge und über die Frage, was Musik eigentlich soll.

Kreative Menschen sollen das Resultat sein, die ihr Handwerk beherrschen und die zeitgemässe Aussagen zu unserer Zeit machen. Sie sollen gleichzeitig in der Lage sein, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weiterzugeben an junge Menschen, die an Schulen zum Glück immer noch etwas mitbekommen vom Wesen der Musik und von dessen eminenter Bedeutung bei der Bildung lebensfähiger Menschen.

Link zum Markt

Die Musikhochschulen dürfen bei dieser hehren Aufgabe nicht im Elfenbeinturm verharren und den Blick nur auf rein musikalische Fragen richten. Es ist eine zentrale – und immer wichtigere – Aufgabe der Hochschulen, frühzeitig im Studium den Link zum Markt und zur alltäglichen Praxis herzustellen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil nur ein kleiner Teil der professionellen Musikpersonen «einfach so» eine musikalische Karriere macht. Die meisten Musikprofis bewegen sich im realen Leben mehrdimensional in verschiedenen Welten: im Konzert, als Musiker im Theater oder Film, im Schulalltag, an einer Musikschule, im Kulturmanagement, usw. Praxisorientierte Lehrmodule zum Alltag, zur Praxis auf der Bühne, zum Musikmarkt, zur digitalen Welt, zur pädagogischen Praxis, zu Multimedia, zu Kommunikation, zu Musikvermittlung, usw. sind an einer zeitgemässen Musikhochschule ein «must». Ebenso Weiterbildungsangebote für alle jene, die sich in der Berufswelt solche Fertigkeiten zulegen wollen. Alles kann man sich im Studium nicht aneignen und je nach Entwicklung der Märkte muss man lebenslang flexibel bleiben.

Das Berufsprofil der Musikprofis ändert sich laufend und das Bewusstsein steigt hoffentlich auch Dank den Hochschulen, dass man sich frühzeitig auf die Marktentwicklungen ausrichtet. Dass Musik ihren Preis hat, weil deren gesellschaftlicher Wert gigantisch ist, dürften künftige Musikerinnen und Musiker ebenfalls und zunehmend im Bewusstsein tragen. Ebenso wie das die eingangs erwähnten traditionellen Handwerker durchaus tun.

 

Michael Kaufmann
… ist Direktor der Hochschule Luzern – Musik

Burkhardt wird Leiterin von Kultur Stadt Bern

Der Gemeinderat hat Franziska Burkhardt zur neuen Leiterin Kultur Stadt Bern gewählt. Sie löst Veronica Schaller ab, welche nach zehnjähriger Tätigkeit als Abteilungsleiterin Ende Januar 2019 in Pension geht.

Franziska Burkhardt (Foto: Caroline Marti)

Franziska Burkhardt ist derzeit Geschäftsleiterin des Berner Kulturzentrums Progr und wird diese Aufgabe Ende Oktober abgeben. Zuvor arbeitete sie im Bundesamt für Kultur. Nebst ihrer Tätigkeit beim Progr hat sie im Auftrag des Berner Gemeinderates, der Exekutive der Stadt, den Prozess zur Erarbeitung der neuen städtischen Kulturstrategie geleitet. Ihre Aufgabe wird es sein, die Kulturstadt Bern in allen Facetten nach innen und aussen, mit profilierter Kulturpolitik, zukunftsweisender Kulturförderung und offenem Dialog zu vertreten.

Die Stabsübergabe per 1. Februar 2019 zwischen der bisherigen Abteilungsleiterin Veronica Schaller und Franziska Burkhardt ist auf die aktuell laufende Erneuerung der Vierjahresverträge zwischen der Stadt und ihren Kulturinstitutionen ausgerichtet: Bis Ende Januar 2019 wird das kulturpolitische Schlüsseldossier «Schwerpunkte und Mittelverwendung 2020 bis 2023» verwaltungsseitig von Veronica Schaller abgeschlossen sein.
 

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