Neuorganisation der Musikrats-Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle des Schweizer Musikrats (SMR) ist neu organisiert: Stefano Kunz, der bisherige Geschäftsführer, leitet neu den Bereich Politische Arbeit, während Nina Rindlisbacher die Leitung der Geschäftsstelle übernommen hat. Zusammen mit der Präsidentin, Nationalrätin Rosmarie Quadranti, bilden sie neu die Geschäftsleitung.

Der Musikrat hat seinen Sitz im Haus der Musik in Aarau. Foto: Voyager/WikimediaCommons

Stefano Kunz, ausgebildeter Sänger, Gesangslehrer und Absolvent eines MBA für Integrales Management, übernahm 2012 die Geschäftsführung des SMR. Seit 2014 ist er zudem Stadtrat in Schlieren (ZH). Da sein Stadtratsmandat sehr zeitintensiv ist und ihm zudem vor rund einem Jahr ein Verwaltungsratspräsidium übertragen wurde , hat er sich entschlossen, die Geschäftsführung des SMR abzugeben. Er wird sich künftig beim Musikrat ausschliesslich der Politischen Arbeit widmen.

Nina Rindlisbacher ist ausgebildete Pflegefachfrau und Juristin. Sie arbeitete zunächst im Gesundheitswesen und war dann mehrere Jahre als Juristin tätig, unter anderem an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg. Nebenberuflich engagiert sie sich seit jeher im Kulturbereich. Sie arbeitete für Film- und Musikfestivals sowie während zehn Jahren für einen Konzertveranstalter in Bern. Sie spielt Querflöte und Piano und wirkte als Instrumentalistin und Sängerin im Verlaufe der Jahre in mehreren Musikprojekten mit. Seit Dezember 2017 ist sie für den SMR als Assistentin tätig und hat nun per 1. September 2018 die Leitung der Geschäftsstelle übernommen.

Neuenburg schliesst Genfer Musikhochschulfiliale

Der Neuenburger Staatsrat bestätigt den Termin für die Schliessung der Neuenburger Filiale der Haute école de musique de Genève (HEM-NE) im Jahr 2021. Nicht betroffen vom Schliessungsentscheid ist das Conservatoire de musique neuchâtelois, das dem Kanton erhalten bleibt.

JWS / fotolia.com

Der Schliessungsentscheid fällt ungeachtet eines Volksbegehrens mit dem Titel «Für den Erhalt der musikalischen Berufsausbildung im Kanton Neuenburg» und wird vom Grossen Rat des Kantons unterstützt. Die Initiative, über die noch entschieden werden muss, schreibt der Kanton, verlange nicht, dass eine allfällige künftige Berufsausbilung in den bestehenden Strukturen stattfinden müsse. 

Die Schliessung der HEM-NE habe auf das Konservatorium des Kantons keinen Einfluss, schreibt der Staatsrat. Es übernehme nach wie vor die Aufgabe, allfällige Berufsstudierende der Musik auf ihren Ausbildungsgang vorzubereiten. 

Neue Impulse für die Thurgauer Musikszene

Der Thurgauer Regierungsrat hat das umfassend überarbeitete Kulturkonzept des Kantons für die Jahre 2019 bis 2022 genehmigt. Jährlich fliesst über eine Million Franken mehr aus dem Lotteriefonds in die Kultur, auch für die Thurgauer Musikszene.

Gefördert wurde u.a. das Ensemble Cartusia in der Kartause Ittingen. Foto: Waldteufel/fotolia.com

Mit der neuen Fassung des Kulturkonzeptes setzt der Kanton drei Entwicklungsziele in der Kulturförderung, die für den Thurgau wichtige kulturelle Impulse aufgreifen und eine nachhaltige Kulturförderung ermöglichen. Dies sind die Umsetzung der Museumsstrategie für die kantonalen Museen, die stärkere Vernetzung der Veranstalterinnen und Veranstalter im Kulturbereich sowie neue Impulse für die Thurgauer Musikszene. Diese Entwicklungsziele sollen die stärkere Vernetzung fördern und zu Kooperationen anregen.

Eine Vielzahl an aktiven Ensembles und Organisationen veranstaltet im Kanton Konzerte, Musikreihen und Festivals. Innovative Projekte seien jedoch eher rar und genreübergreifende Vorhaben oder solche, die neue Synergien schaffen, gebe es nur vereinzelt, schreibt der Kanton. Der Schwerpunkt soll deshalb zu mehr Austausch und Kooperationen über die Genregrenzen hinweg anregen und der Thurgauer Musiklandschaft neue Impulse geben.

Der Wunsch nach stärkerer Vernetzung im dezentral orientierten Kanton ist den Kulturschaffenden und Organisationen ein besonderes Anliegen. Mit diesen wurden im Vorfeld Gesprächsrunden veranstaltet, um Anregungen und Ideen aufzunehmen sowie Anliegen an die kantonale Kulturförderung zu klären.

Mit dem neuen Kulturkonzept werden voraussichtlich jährlich über eine Million Franken mehr aus dem Lotteriefonds fliessen. Insgesamt erhöhen sich die geplanten Beiträge für die Jahre 2019 bis 2022 von bisher jährlich 9’746’000 Franken auf 10’791’000 Franken. Die jährlichen Beiträge für Leistungsvereinbarungen nehmen aufgrund zahlreicher Erhöhungen von bisher 2’646’000 Franken auf neu 3’091’000 Franken zu.

Das neue Kulturkonzept gilt vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2022. Alle Leistungsvereinbarungen mit kulturellen Trägerschaften werden ebenfalls für diese Zeitdauer abgeschlossen. Neu sind sämtliche Kriterien für die Beitragsgewährung zur Vereinfachung für die Gesuchstellenden direkt online abrufbar unter www.kulturamt.tg.ch.
 

Lesothos schweizerische Nationalhymne

Ende September bis Anfang Dezember ist in der Universitätsbibliothek Basel eine Ausstellung zu sehen über die Nationalhymne Lesothos, die auf einer Basler Melodie beruht.

Grenzübergang nach Lesotho beim Sani-Pass. Foto: Vaiz Ha/WikimediaCommons

1967 wird das Lied «Lesotho, Land unserer Väter» zur Nationalhymne der konstitutionellen Monarchie Lesotho. Die Melodie stammt von Ferdinand Samuel Laur (1791–1854), dem Gründer des Basler Gesangsvereins. Um 1870 findet man sie als Lied mit sesothischem Text in einem Schulbuch der britischen Kronkolonie Basutoland.

«Unser Land»? – Lesothos schweizerische Nationalhymne, eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Basel und ein reich bebildertes Buch, zeichnen nun die ungewöhnliche Geschichte dieser Melodie nach.

Universitätsbibliothek Basel, 28. September bis 1. Dezember 2018
 

Weitere Informationen


Universitätsbibliothek Basel

Raff-Archiv in Lachen eröffnet

Anfang September wurde in Lachen am oberen Zürichsee das Joachim-Raff-Archiv mit einem Festakt, Musik und einem internationalen Symposium offiziell zugänglich gemacht.

Joachim Raff (1822-1882), Stich von August Weger (1823-1892) «nach einer Photographie», Leipzig

Joachim Raff (1822–1882) ist längst ein Geheimtipp unter den Verehrern deutscher Musik der Spätromantik. Seine sämtlichen Sinfonien, Konzerte, Kammermusiken und Klavierwerke wurden längst auf CD eingespielt, und Neuausgaben seiner Werke erscheinen seit zwanzig Jahren, beispielsweise in der Edition Nordstern, Stuttgart. In der Tat füllt der Komponist manche Repertoirelücke, wo es – zumal in der Kammer- und Konzertmusik – wenige zeitgenössische Vergleichsstücke gibt. Als ein von Mendelssohn Geförderter und in den 1850er-Jahren als Mitglied des Liszt-Kreises, später als ein mit Hans von Bülow und Clara Schumann verbundener Komponist stand er beiden damaligen Richtungen nahe, den Konservativen (Brahms) wie den Neudeutschen (Liszt, Wagner). Raff war neben seiner kompositorischen Tätigkeit auch als Musikschriftsteller und -pädagoge aktiv, zuletzt als Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main.

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Res Marty am Festakt zur Eröffnung des Raff-Archivs. Fast schon ein halbes Jahrhundert lang setzt sich Res Marty für die Aufarbeitung von Joachim Raffs Leben und Werk ein. Foto: Carlo Stuppia, Lachen

Ein Kompetenzzentrum für die Raff-Forschung

Dass Raff in Lachen am Zürichsee geboren worden war, hat längst das Interesse lokaler Musikliebhaber geweckt, allen voran Res Marty, der bereits vor 46 Jahren, zum 150. Geburtstag des Komponisten, die Raff-Gesellschaft in Lachen mitgegründet hat. Vor zwei Jahren wurden diese Aktivitäten intensiviert, und mit Severin Kolb und Stefan König bildete sich ein wissenschaftlicher Stab, der nun auch mit klug aufgebauten Datenbanken die Grundlage für eine zielstrebige Forschung gelegt hat. Manuskripte und Frühdrucke aller Werke (zumindest in Reproduktionen) wurden zusammengesucht, über 3000 Briefe (mit ausführlichen Regesten) erfasst, Bilder und biografisches Material gesammelt. Lachen sollte zu einem «Kompetenzzentrum» der Raff-Forschung nach dem Vorbild etwa der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe oder des Max-Reger- bzw. Martinů-Instituts werden.

Nun ist es dank dem Eingreifen einer Stiftung kurzfristig sogar möglich geworden, gediegene Räume in dem Haus zu beziehen, das an der Stelle von Raffs Geburtsstätte steht. Endlich haben sich Schweizer Musikwissenschaftler auf der Suche nach Dissertationsthemen auch dieses eher zufälligen Lokalbezugs angenommen; denn Raffs Geburt am oberen Zürichsee war nur der Tatsache geschuldet, dass sein Vater notgedrungen in die Schweiz flüchtete, um in seiner schwäbischen Heimat der Einziehung ins Militär zu entgehen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Raff schon mit 23 Jahren die Schweiz endgültig verlassen hat und sein ganzes Interesse fortan dem Musikleben nördlich des Rheins galt.

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Ein Treffpunkt während des Symposiums ist der Ort, wo Raffs Geburtsstätte stand. Hier hat nun das Archiv seinen Platz gefunden. Foto: Carlo Stuppia, Lachen

Am 7. September 2018 wurde das Raff-Archiv in einem feierlichen, kulinarischen Festakt in Lachen eröffnet, musikalisch begleitet von Ingolf Turban (Violine), Dmitri Demiashkin (Klavier) sowie dem Duo Sibylle Diethelm (Gesang) und Fabienne Romer (Klavier). In zum Teil launigen Reden wurde vor einer grossen und illustren Feiergemeinde die rosige Zukunft Lachens als Ort der Musikforschung heraufbeschworen. Vor allem lokale Kräfte bestritten am folgenden Abend in der Kirche Lachen ein Konzert, das im Rahmen der Möglichkeiten einen Überblick von Raffs Schaffen, von den Orgelwerken bis zum zweiten Cellokonzert, vermittelte.

Wissenschaftliche Auslegeordnung

Aus Anlass der Archiv-Eröffnung fand zugleich ein internationales wissenschaftliches Symposium statt, das an zwei Tagen (7. und 8. September) unter dem Titel «Synthesen» Joachim Raffs Wirken neuerlich als Gegenstand der Musikforschung etablieren sollte. Dazu wurden vor allem Musikwissenschaftler und eine Musikwissenschaftlerin aus Deutschland eingeladen, die sich mit Raff beschäftigt hatten, und drei Doktoranden aus dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich.

Es wäre zu viel verlangt, schon jetzt umgreifende Forschungsergebnisse aus der eben begonnenen Arbeit zu erwarten. So blieb es in der langen Reihe der Vorträge bei Proklamationen, bei Übersichten über Raffs Errungenschaften in den diversen Gattungen (Klaviermusik, Sinfonik, Kammermusik, Lied, Chormusik) und bei Einblicken in erste Detailstudien zu einzelnen Werken: zum Streichquartett op. 77 und zur niemals vollständig aufgeführten Oper «Samson». Interessanter waren Beobachtungen zum Kontext: Einerseits wurden Raffs Misserfolge als Opernkomponist anhand seiner Kontakte zu dem politisch einflussreichen «Theaterherzog» Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha verständlich gemacht; andererseits wurde deutlich, dass Raff ein Sonderfall war: ein Komponist, der seine eigenen Werke kaum selbst spielte und höchst selten dirigierte, mithin also auf ein Netzwerk von Interpreten von Breslau bis Boston angewiesen war.

Der raschen und reichlichen Rezeption raffscher Orchestermusik in den USA galt ein weiteres Referat, das auch den Nachweis lieferte, wie rasant die Beliebtheit von Raffs Musik nach der Jahrhundertwende in der Neuen wie auch der Alten Welt nachliess. Der erhellendste Beitrag zeigte, wie direkt sich die idealistische Philosophie jener Epoche in Raffs kompositorischem Denken und in seiner Pädagogik niederschlug. Ein Symposiumsbericht soll im kommenden Jahr erscheinen.

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Das Kernteam des Raff-Archivs: Stefan König, Yvonne Götte, Res Marty, Hans-Joachim Hinrichsen, Severin Kolb, Nathan Labhart (von links). Foto: Carlo Stuppia, Lachen

So erhellend manche Äusserungen waren, so bleibt doch die Frage zurück, ob Raffs Zeit im Konzertsaal jemals wieder kommen oder ob er nicht vielmehr ein Forschungsfeld für wenige Musikhistoriker bleiben würde. Denn sein Output an Werken unterschiedlichen Umfangs und Gewichts ist riesig im doppelten Wortsinn: Einerseits tummelte er sich in fast allen Gattungen, andererseits zeichnen sich seine Werke durch bemerkenswerte Weitschweifigkeit aus. Man darf aber gespannt sein, ob die Grundlagenforschung im neuen Lachener Archiv bis zu Raffs 200. Todestag in vier Jahren zu Erkenntnissen führen wird, welche in der Folge auch eine grundsätzliche Neueinschätzung der Musik aus der Feder dieses musikalischen Gourmands erlauben.



Neueste Publikation

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Cover der Broschüre

ks. Im Frühjahr 2018 hat die Kulturhistorische Gesellschaft der March eine reich bebilderte Broschüre herausgegeben. Sie spürt Raffs Verbindungen in die Welt und wieder zurück nach Lachen nach. Archivleiter Severin Kolb hat die verschiedenartigen Texte, zirka 80 Fotos, zahlreiche Zitate und drei Anhänge zu einer reichhaltigen Dokumentation zusammengefügt. Beiträge geliefert haben:

Res Marty: «Raff-Renaissance» in der March. 45 Jahre Joachim-Raff-Gesellschaft (1972-2017)
Severin Kolb: Auf den Spuren eines «denkenden Musikers». Ein Joachim-Raff-Archiv für Lachen
Walter Labhart: Raff als Anreger von Tschaikowsky, Mahler und Debussy (Vortrag in der Konzertsaison 2012/2013)
Rainer Bayreuther: Joachim Raffs «König Alfred» und die nationale Bewegung in Deutschland (Vortrag in der Konzertsaison 2012/2013)
Hans-Joachim Hinrichsen: Hans von Bülow und Joachim Raff. Die Geschichte einer Freundschaft (Vortrag in der Konzertsaison 2012/2013)
Lion Gallusser, Dominik Kreuzer, Severin Kolb: Von der grossen Oper zum Musikdrama, vom Musikdrama zur komischen Oper – Raffs «Samson» im Kontext seines Opernschaffens
(Auszug aus der «Samson»-Broschüre der Joachim-Raff-Gesellschaft [2017)]

Joachim Raff
Von der March in die Welt – und zurück

Marchring-Heft Nr. 61/2018, hg. Marchring, Kunsthistorische Gesellschaft der March, Red. Severin Kolb, Zürich, Leiter des Joachim-Raff-Archivs, 132 Seiten, Fr. 20.-, zu beziehen über www.marchring.ch

Konzertraum digital erweitert

Bei ihrer Saisoneröffnung gibt sich die Basel Sinfonietta «geerdet» und «app-gestützt» zugleich. Die Handybenutzung während des Konzerts galt für einmal als cool.

Ob das Natel im Konzertsaal heimisch wird? Die Diskussion läuft. Foto: Zlatko Mićić / Basel Sinfonietta

Mit zwei markanten Orchesterwerken aus den Achtzigern sowie einer Erstaufführung eines Schweizer Komponisten startete die Basel Sinfonietta unter ihrem Principal Conductor Baldur Brönnimann ambitioniert in die neue Saison. Zum peppigen Internetauftritt des Orchesters passte die «Weltpremiere» der App Onstage. Das Konzertgeschehen wurde mit vier Bühnenkameras eingefangen und via App aufs Handy übertragen. Viele Zuhörende testeten die verschiedenen Funktionen. Eine gelungene Idee war, die Partituren der gespielten Werke aufzuschalten – man hätte allerdings mindestens ein Tablet benötigt, um die kleingedruckten Noten zu entziffern. Der Reiz hatte sich schnell erschöpft, zumal es auch real genug zu hören und zu sehen gab. Im Laufe des Konzerts verschwanden immer mehr Telefone und die Programmheftchen wurden aufgeschlagen.

Das Hauptereignis des Abends war ohnehin das höchst anspruchsvolle, dem Thema «Erde» verpflichtete Programm mit dem mässig originellen Titel Crumb tanzt mit Beat. Das Werk des Briten George Crumb, A Haunted Landscape (1985), und Earth Dances von Harrison Birtwistle, komponiert 1985/86, bildeten den Rahmen für die Schweizer Erstaufführung von Beat Furrers Stück Nero su Nero aus dem Jahr 2017. Die beiden Angelsachsen setzen das Thema in einer bildhaften, farbenreichen, ja romantischen Art und Weise um, während Furrers Musik ganz ohne Buntstifte auskommt.
 

Von Crumb …

Crumbs meist ruhige aber fantasievolle Musik setzt auf zahlreiche, teils exotische Perkussionsinstrumente. Zusammen mit den furchteinflössend eingesetzten Bläsern sorgen sie für eine spukhafte Stimmung. Die Streicher kommen verhältnismässig wenig zum Einsatz. Wo sie es tun, verströmen sie Ruhe und Verklärung. Im Auftragswerk der New York Philharmonic, damals unter anderem aufgeführt unter der Leitung von Zubin Metha, wollte Crumb das Geheimnisvolle ihm vertrauter Landschaften vertonen.

… zu Furrer,

Ganz anders bei Beat Furrers Nero su Nero: Beim im Juni 2018 durch das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Cornelius Meister uraufgeführten Stück herrscht Düsterkeit vor. Im Programmtext wird von «Abstufungen der Dunkelheit» gesprochen. Der Dirigent wies eingangs auf die dreiteilige Struktur des Werks hin, in dem Bläser und Streicher in zwei Schichten mit- und gegeneinander agieren. Die Bläser schieben sich immer wieder grell und quer zwischen die Streicher hinein. Der Mittelteil bringt, gespickt mit Mikrotönen und Glissandi, vorübergehende Ruhe, welche sich alsbald wieder mit Energie auflädt und erneut in einen Widerstreit mündet.

… zu Birtwistle …

Earth Dances gilt als eines der zeitgenössischen Meisterwerke für Orchester, das ebenso reichhaltig wie schwierig aufzuführen ist. Birtwistle schrieb dieses 40-minütige Stück für das BBC Symphony Orchestra und widmete es Pierre Boulez, welcher es erstmals im Jahr 2001 mit dem Ensemble Modern Orchestra in Frankfurt aufführte. Die Zuhörer werden mitgenommen auf eine geheimnisvolle Reise durch eine verworrene musikalische Landschaft mit plötzlichen, überwältigenden Höhepunkten. Der Komponist hat sechs instrumentale Schichten geschaffen, jede mit unterschiedlichen Funktionen, die sich ineinanderschieben oder verbinden, kollidieren oder auseinanderbrechen. Mit diesem mächtigen musikalischen Material wollte er Bewegungen tektonischer Platten mit ihren Eruptionen und Konvulsionen nachbilden.
Die Partitur zeichnet sich aus durch eine komplexe Rhythmik, die sich später zu einem pochenden, durchgängigen und fast jazzigen Puls verdichtet. Lobend erwähnt sei hier das rasante Solo der Bratschengruppe. Mitunter brechen rhythmische Muster hervor, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Melodische Inseln in verschiedenen Instrumentengruppen verbreiten kurzzeitig Wohlgefühle und tauchen wieder ab.

Die Sinfonietta musizierte unter Hochspannung. Es war den Ausführenden anzumerken, dass sie noch sehr mit den Tücken der Partitur zu kämpfen hatten. Längst nicht alle Pizzicati kamen rechtzeitig an. Baldur Brönnimann erwies sich als sicherer Organisator, der stets umsichtig, zuverlässig und konsequent in seiner präzisen Zeichengebung blieb, eine Sicherheit, die dem Orchester half, über die Runden zu kommen. Trotz allem darf man die Musikerinnen und Musiker beglückwünschen, dass sie den Mut hatten, dieses monumentale und anspruchsvolle Werk zu Gehör zu bringen.
 

… und zurück zur App

Felix Heri, Geschäftsführer der Basel Sinfonietta, erläuterte gegenüber der Schweizer Musikzeitung den Einsatz der App: «Es ist für uns entscheidend darüber nachzudenken, wie wir unsere Tätigkeit dem Publikum gegenüber vermitteln. Dabei steht die Frage nach dem Konzerterlebnis im 21. Jahrhundert weit oben.
Diese App bietet uns die Möglichkeit, den Konzertraum digital zu erweitern und diesbezüglich neue Erfahrungen zu sammeln. Während des Konzerts haben über 200 Personen die App aktiv genutzt und viele haben Feedback gegeben, das wir zurzeit auswerten. Die einzelnen mündlichen Rückmeldungen nach dem Konzert waren gemischt. Die Spannweite bewegte sich von ‹ein echter Gewinn› bis ‹Handy gehört nicht ins Konzert›. Auch im Orchester wurde das Thema kontrovers diskutiert und es gab gewisse Vorbehalte. Der Orchestervorstand hat jedoch nicht gezögert, dieses Projekt umzusetzen. Publikum und Orchester haben sich also darauf eingelassen, und wir konnten zur Diskussion anregen sowie neue Wege ausprobieren. Die App wird am 21. Oktober bei unserem 2. Abo-Konzert nochmals eingesetzt, um z. B. beim neuen Schlagzeugwerk von Michel Roth für Christian Dierstein die Performance des Solisten genauer zu beobachten. Weitere Einsätze sind derzeit nicht geplant. Sicherlich werden wir aber weiterhin experimentieren.»
 

Musik in Hülle und Fülle

Konzerte im Überfluss bot Klang Basel, ein Festival von ortsansässigen Institutionen und Musikern. Wo beginnen, wo aufhören, das war die grosse Herausforderung für die Besucher, denn die Ohren machten ob der schieren Menge irgendwann schlapp.

Jüützigs. Foto: Benno Hunziker/Klang Basel,Foto: Benno Hunziker / Klang Basel,Foto: Benno Hunziker / Klang Basel,Foto: Benno Hunziker / Klang Basel

Basler Musikschaffende, ob professionell oder nicht, können ihre Ideen, ihre Musik an den drei Festivaltagen in ungewöhnlichen Räumen oder open air präsentieren: in der Kirche, im Privathaus, auf Spaziergängen oder im Lift, um nur einige zu nennen. Der Sonntag war als «Familientag» konzipiert, das Motto lautete Mitmachen, Ausprobieren, Zuhören, Lernen.

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Die Millenials der Musikschule Basel unter der Leitung von Petra Vogel

Es war ein übervolles Netzwerkfestival, das eindrücklich zeigte, was Basel an Musik und Musikstilen zu bieten hat. Etwas, das Anne Brugnoni, die Leiterin der Musikschule Basel, besonders schätzt: «Bei Klang Basel können wir uns mit unserer Vielfalt und Vielseitigkeit in Stilen und Konzertformaten der Bevölkerung präsentieren.» So ist die Musikschule jeweils mit bis zu zehn verschiedenen Gruppen präsent. «Für die Ensembles der Musikschulen ist dies eine Möglichkeit, einen Auftritt mit intensivem Üben auf ein hohes Niveau zu bringen und ungewöhnliche Formate in ungewohnten Räumen auszuprobieren.» Diesmal waren auch die Millenials, eine Gruppe von zwölf Jugendlichen der Musikschule Jazz Basel unter Leitung von Petra Vogel, dabei. Sauber, aber etwas gar brav gaben sie vor etwa 60 Besuchern in der Kreuzkirche Gospels und Songs zum Besten.

Action, Entspannung und Fäden überallhin

Bei Klang Basel gab es aber auch die Möglichkeit zu heftigen Szenenwechseln, wie das Beispiel Chez Soif am Riehenring zeigt. Hatte man die steile Kellertreppe heil überstanden, fand man sich in einem Gewölbekeller mit etwa 40 Sitzplätzen. «Bass drop in – Ohne Bass kein Spass!» war die Einladung überschrieben. Bässe in allen Variationen waren im Stundentakt zu erleben, vom Jazz-Bass über den Pop&Rock- bis hin zum Blues-Bass. Bei unserem Besuch legten Henry Imboden am E-Bass, Robi Schweizer am Fretless E-Bass und Felix Handschin am Schlagzeug los.

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«Aus dem Hause Bach» mit Jermaine Sprosse

Nach Jazz, Rock und Barock folgte dann der Jodel – ein unerwartet inspirierender Anlass mit dem Trio Jüützigs bei einem Spaziergang am Rheinufer. Seraina Clark-Wüthrich, Lars Handschin und Renate Schwank präsentierten einen Parcours durch die Jodellandschaft, wobei das über hundertköpfige, fröhliche Publikum beim Muotathaler und Toggenburger Naturjodel mitsingen durfte.

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Paul Hanmer & Derek Gripper mit Hopkinson Smith brachten Wüstenblues und Barock

Spannend waren die spartenübergreifenden Konzerte, wie der Auftritt im Zentrum für Afrikanistik von Paul Hanmer & Derek Gripper zusammen mit Hopkinson Smith, die Wüstenblues und Barock verbanden. Ungemein subtil, in leisen Tönen spielten Hanmer am Clavichord und Gripper an der klassischen Gitarre von Mali inspirierte Musik. Hopkinson Smith interpretierte daneben einige Stücke auf seiner Laute, etwa von Johann Kapsberger. Es war eine sehr stimmige Hausmusik. Überhaupt gab es viele kleine, feine Konzerte von maximal einer Stunde Dauer, das Angebot war riesig.

Auch die grossen Institutionen waren mit dabei, so das Sinfonieorchester Basel, das spartenübergreifend mit dem Duo Noti Wümié auftrat. Oder Alberto Garcia Tribal, dessen Weltmusikprojekt mit Perkussionisten, Bassisten, Bläsern, Gesang und Tänzerinnen aufwartete. Doch selbst wenn man gerne noch weitere Anlässe besucht hätte, die Ohren war übervoll!
 

Schweizer Musikpreise 2018

Jedes Jahr honoriert das Bundesamt für Kultur herausragendes und innovatives Schweizer Musikschaffen in allen Sparten. 14 Auserwählte wurden am 13. September im Rahmen des Lausanner Festivals Label Suisse ausgezeichnet, der Grand Prix ging an die Free-Jazz-Pianistin Irène Schweizer.

Der Grand Prix 2018 ging an Irène Schweizer. Foto: Bundesamt für Kultur (BAK), Nicolas Brodard

Der Schweizer Musikpreis ist in verschiedener Hinsicht einzigartig und deshalb mehr als eine Kulturnotiz wert. Dass eine derartige Wertschätzung der künstlerischen Eigenständigkeit und Reife in den verschiedensten Sparten – von Avantgarde bis Volksmusik – einmal auf Bundesebene möglich sein würde, hat vor einigen Jahren wohl noch keiner der Ausgezeichneten gedacht.

Das Bundesamt für Kultur (BAK) setzt mit dieser hochdotierten Ehrung auch ein politisches Zeichen. Bundesrat Ignazio Cassis betonte in seiner sympathischen Ansprache, dass es eine wichtige Aufgabe der Demokratie sei, auch Kritische und Andersdenkende zu integrieren und wertzuschätzen. Für ihn persönlich sei es unmöglich, ohne Musik zu leben, am liebsten wäre er Jazztrompeter geworden.

Für den Schweizer Musikpreis kann man sich nicht bewerben. Das BAK wählt jährlich rund zehn Expertinnen und Experten aus, welche Kandidatinnen und Kandidaten aus allen Regionen und aus sämtlichen Musiksparten vorschlagen. Eine eidgenössische Jury vergibt dann unter dem Vorsitz des Klarinettisten Florian Walser den mit 100 000 Franken dotierten Grand Prix Musik und die 14 Schweizer Musikpreise à 25 000 Franken.

Kunterbunt und gar nicht öde war die Präsentation der Ausgezeichneten. Nichts von nobler Etikette, alle gaben sich einfach und authentisch. Nach einer knappen Vorstellung durch Florian Walser wurde ein kurzes Video zum jeweiligen künstlerischen Schaffen eingespielt, und alle bedankten sich auf ihre Art. Es ist schon speziell, wenn nach dem bekannten Volksmusik-Freigeist Noldi Alder der «bissige» Rapper Baze auf die Bühne kommt oder nach der 37-jährigen Rockmusikerin Kassette der radikale Klang-Experimentator Jacques Demierre mit Jahrgang 1954.

Der Grand Prix Musik geht dieses Jahr an die Jazzpianistin Irène Schweizer für ihr Lebenswerk. Isabelle Chassot, die Direktorin des BAK, hielt die Laudatio für die mittlerweile 77-Jährige und würdigte dabei auch ihr Engagement für die Rechte der Frauen. Die Autodidaktin Schweizer, die im Restaurant ihrer Eltern intuitiv mit dem Klavierspielen begann und die als Au-Pair-Mädchen in London die einschlägigen Clubs besuchte, sie hat den Free Jazz in der Schweiz etabliert und sich auch in einer reinen Männerdomäne durchgesetzt.
 

Ein Festival-Fest

Dieses Stelldichein origineller Künstlerpersönlichkeiten machte aus dem nachträglichen Apéro riche ein sympathisches Fest in angeregter Atmosphäre. Geschickt kombiniert war die Preisverleihung mit dem Festival Label Suisse, bei dem mehrere der Gekürten auftraten. Das alle zwei Jahre durchgeführte Festival stellt – wie der Schweizer Musikpreis – einzigartige Schweizer Musik aus allen Stilrichtungen in den Mittelpunkt. Es wird hauptsächlich von der Stadt Lausanne und dem Kanton Waadt getragen, alle Konzerte waren gratis und fanden an zehn verschiedenen Orten statt. Radio Télévison Suisse war vor Ort und hat als Hauptpartner viele Konzerte live ausgestrahlt oder aufgezeichnet.

Das von Claire Brawand geleitete Festival bot an drei Abenden ein enorm breites und vielfältiges Angebot. Auf der Place Central traten die Rock- und Popgruppen open air auf, dort gab es bei schönem Wetter ein echtes Volksfest. In den Clubs präsentierten sich die Jazzer, Klassisches war in den Konzertsälen und in der Kirche St. François zu hören. Man konnte kommen und gehen, wie man wollte. Bot das Kammerorchester Basel mit der Knabenkantorei ein schmissiges Orchesterkonzert zum Bernstein-Jubiläum, so spielte das tags zuvor mit dem Musikpreis ausgezeichnete Mondrian Ensemble vor einer kleinen interessierten Zuhörerschaft Zeitgenössisches von Jarrell, Xenakis, Feldman und Dieter Ammann (ebenfalls Preisträger).

Überraschend gut besucht war hingegen das vom jungen welschen Komponisten Kevin Juillerat (*1987) präsentierte Programm in der Kirche St. François, in dem frühbarocke Musik auf seine Neukomposition Earth was in spring für Stimme, historische Instrumente und Elektronik stiess. So konnte man wechseln vom Delikaten zum Rockigen, und man begegnete unweigerlich Musikstilen, die man sonst nie gehört hätte. Schade nur, dass der Festivalführer so klein und fein gedruckt war, dass man ihn kaum lesen konnte. Insgesamt haben rund 90 000 Menschen dieses Label Suisse erlebt. Die Lausanner wissen, wie man stimmungsvoll feiert.
 

Schweizer Musikpreise 2018

 

Irène Schweizer, Grand Prix Musik

 

Noldi Alder
Dieter Ammann
Basil Anliker aka Baze
Pierre Audétat
Laure Betris aka Kassette
Sylvie Courvoisier
Jacques Demierre
Ganesh Geymeier
Marcello Giuliani
Thomas Kessler
Mondrian Ensemble
Luca Pianca
Linéa Racine aka Evelinn Trouble
Willi Valotti

schweizermusikpreis.ch

PGM: Freiwilligenarbeit im Gegenwind

Die Parlamentarische Gruppe Musik beschäftigte sich bei ihrem jüngsten Treffen in Bern mit dem unbezahlten Engagement, das für musikalische Organisationen unverzichtbar ist. Das politische Interesse am Thema scheint im Moment gering.

fotomek/fotolia.com

700 619 896 Stunden wurden 2014 in der Schweiz an Freiwilligenarbeit in- und ausserhalb von Vereinen geleistet, rund 48 000 000 Stunden davon in kulturellen Organisationen. Würde man sie mit einem Stundenansatz von 50 Franken vergüten, ergäbe das 5,5 % des Bruttoinlandproduktes und entspräche der Summe, die von Bund, Kantonen und Gemeinden jährlich für Bildung ausgegeben wird. Mit diesen beeindruckenden Zahlen eröffnete Markus Freitag, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern, seine Ausführungen. Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung ist in irgendeiner Form in Vereinen unbezahlt tätig. Grundsätzlich wird Freiwilligenarbeit (ausserhalb des eigenen Haushalts) von Haus- und Familienarbeit (zu Hause) unterschieden.

Das Treffen eingeleitet hatte der Präsident der Parlamentarischen Gruppe Musik, Nationalrat Stefan Müller-Altermatt, mit einem pessimistisch stimmenden Beispiel: In seinem Wohnkanton Solothurn, wo er selbst als Blasmusiker aktiv ist, wird im kommenden Jahr kein Kantonales Musikfest stattfinden, weil sich kein Verein in der Lage sah, den Aufwand für ein solches Fest zu stemmen. Probleme dieser Art scheinen sich zu häufen. Und Freitag bestätigte auch, dass das freiwillige Engagement in allen Bereichen rückläufig sei.

Individuelle Vorlieben statt gemeinsame Ziele

Einleuchtende Gründe dafür finden sich im heutigen Lebensstil. Nicht nur die traditionellen Rollen innerhalb der Familie wandeln sich, auch die soziokulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Die Ansprüche an den Einzelnen im täglichen Leben sind gestiegen, so dass er weniger Zeit zur Verfügung hat, zugleich schreitet die Individualisierung – getrieben von Wohlstand, Mobilität und Internet – voran. Statt in einem örtlichen Verein mitzumachen, kann jeder dorthin fahren, wo er das ganz spezielle Freizeitangebot für sich findet. Oft beschränken die Menschen ihre Aktivitäten eben nicht nur auf den Wohnort, so dass sich dort keine Basis für gemeinschaftliche freiwillige Arbeit bilden kann.

Nun könnte man argumentieren, dass hier wohl einfach Aktivitäten verschwinden, für die jüngere Generationen eben keine Notwendigkeit mehr sehen. So einfach ist es aber nicht. In einem Land wie der Schweiz, wo nicht nur kulturelle und sportliche Strukturen, sondern auch die politische Arbeit auf dem Milizsystem basieren, ist der Rückgang des Engagements für die Gemeinschaft in hohem Masse besorgniserregend. Freiwilligenarbeit bildet eine essenzielle Grundlage des Gemeinwesens. Zudem ist erwiesen, dass sie mit einem verantwortungsbewussten Abstimmungsverhalten korreliert: Wer sich ehrenamtlich einsetzt, geht auch an die Urne. Umso erstaunlicher, dass die Freiwilligenarbeit in den politischen Diskussionen kaum präsent ist. Ein Symptom davon könnte sein, so wertete es Markus Freitag, dass die Parlamentarische Gruppe Freiwilligenarbeit, die es noch vor einigen Jahren gab, «verschwunden» sei.

Entschädigen heisst nicht zwingend bezahlen

Für die Musikverbände und -vereine ist Freiwilligenarbeit unabdingbar. Karin Niederberger, Präsidentin des Eidgenössischen Jodlerverbands (EJV) führte aus, wie ihr Verband in den bald zehn Jahren, seit sie das Präsidium übernommen habe, das freiwillige Engagement neu zu regeln versuche. Begonnen habe es mit einer Krise um die Geschäftsstelle, die mit Arbeit weit über das bezahlte Pensum hinaus überhäuft worden sei. In einem langwierigen Prozess hätten sie dann alle Arbeiten der beteiligten Gremien und Personen evaluiert und in Pensen festgehalten. Als Ziel sei eine Vergütung von 40 % dieser Arbeiten festgelegt worden. Das habe Mehrkosten von 120 000 Franken ergeben, die man verbandsintern habe aufbringen müssen. Niederberger betonte aber, es könne keinesfalls darum gehen, alle Tätigkeiten zu bezahlen, nicht nur, weil das Geld fehle, sondern auch, weil man sonst vermutlich die falschen Leute bekäme, die keinen Bezug zur Sache, keinen inneren Antrieb mehr hätten. Eine Entschädigung sei aber wichtig, eine ausgewogene Mischung von Anerkennung, Dank und finanzieller Abgeltung. So sei es für sie jetzt in Ordnung, wenn sie wegen der Verbandsarbeit in der Familie oder im Geschäft ihres Mannes fehle.

Jemand zahlt immer

Niederberger appellierte an die Politik, den Verbänden nicht immer neue Hürden in den Weg zu legen. Der EJV organisiere grosse friedliche Feste für die Bevölkerung und es sei stossend, dass er die hohen Sicherheitskosten selbst tragen müsse, während diese bei Sportgrossanlässen dem Steuerzahler aufgebürdet würden. Mit grosser Zustimmung von anderen Verbandsverantwortlichen plädierte sie auch für höhere Strukturbeiträge des Bundesamtes für Kultur an die Verbände. Freitag untermauerte ihr Votum: «Event-Freiwilligenarbeit wird auch in Zukunft nicht das Problem sein, sondern das regelmässige, nicht im Rampenlicht stehende Engagement.»

«Jemand zahlt immer», warf Daniel Schranz, ehemaliger Präsident des Eidgenössischen Orchesterverbands, gegen Ende der Veranstaltung ein, «der Partner, die Familie oder das Auskommen, wenn man wegen eines zeitintensiven Ehrenamtes nur Teilzeit arbeitet.» Er sprach sich daher für die steuerliche Absetzbarkeit von Freiwilligenarbeit aus. Auch dies sei ein immer wiederkehrendes Postulat, entgegnete Freitag. Was es brauche, sei politischer Wille, Sichtbarkeit!

Dass man im Moment weit davon entfernt ist, verriet ein Blick in die Runde: Ausser Müller-Altermatt war niemand aus dem Parlament erschienen – und das kann auch die AHV- und Steuerdebatte in den Räten nicht völlig entschuldigen.

Hochschule Luzern vergibt Strebi-Preise

An der Diplomfeier der Hochschule Luzern – Musik sind drei Preise der Strebi Stiftung für besonders herausragende Bachelor-Abschlüsse verliehen worden. Die mit je 2000 Franken dotierten Auszeichnungen gingen an zwei Klassik- und eine Jazzarbeit.

v.l.n.r.: Noemi von Felten, Chiara Schönfeld und Paola Mitrovic. (Foto: Ingo Höhn)

Die Harfenistin Noemi von Felten hat im Profil Klassik laut der Medienmitteilung der Hochschule den Schwerpunkt Improvisation belegt und in beiden Hauptfächern mit der Höchstnote A abgeschlossen. Die Auseinandersetzung mit neuen Spieltechniken und der elektronischen Verstärkung der Harfe gipfelte in einem Bachelorprojekt im La Bohème in Zürich, wo sie zusammen mit ihrer Folk-Pop-Band «Eyebrows of Deaths» auftrat.

Die Pianistin Paola Mitrovic hat im Kernbereich mit den höchsten Noten abgeschlossen. Zudem realisierte sie in ihrem aussergewöhnlichen Bachelorprojekt ein Konzert mit Beethovens Klavierkonzert C-Dur op.15 und Mahlers Liedern aus «Des Knaben Wunderhorn» für Kammerorchester mit Klavier. Bei diesem Konzert wurde das Klavier als Soloinstrument mit Orchester sowie als Ersatz für das Orchester eingesetzt.

Chiara Schönfeld hat sich durch eine überdurchschnittlich souveräne Bachelorabschlussprüfung ausgezeichnet. Sie verfügt nicht nur über eine sehr schöne Stimme und einen überzeugenden, persönlichen Ausdruck, sondern auch über gutes Phrasing und rhythmische Stärke insbesondere auch im ternären Jazz-Bereich, was in den vorgesungenen Stücken stark zum Ausdruck kam. Ihre spontane Interpretation des Leadsheets war sehr überzeugend, die Transkription des Hank Mobley-Solos sehr präzise und von ihr die raffiniert arrangierte Etüde hervorragend vorgetragen.

Im Studium Bachelor of Arts in Music erhielten in Luzern diesen Herbst 63 Absolventinnen und Absolventen ihre Diplome, 44 davon im Profil Klassik, 19 im Profil Jazz. Im Master of Arts in Music wurden insgesamt 51 Diplome vergeben, die meisten davon im Profil Performance Klassik (27). Im Master of Arts in Musikpädagogik haben 45 Absolventinnen und Absolventen ihre berufliche Qualifikation für das Unterrichten an Musikschulen oder Maturitätsschulen erworben. Zusätzlich schlossen 43 Berufspersonen ihre Weiterbildung mit einem Diploma of Advanced Studies (DAS) oder einem Certificate of Advanced Studies (CAS) ab.

 

Studienbeginn an der ZHdK

Heute nehmen 774 Studierende ihr Studium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) im Toni-Areal auf. Neu angeboten wird der Studiengang Master Dance, die erste Tanzausbildung auf Masterstufe in der Schweiz.

Studienbeginn an der ZHdK. (Foto: Regula Bearth © ZHdK)

Von den 774 Studienanfängerinnen und -anfängern an der ZHdK haben sich 334 für einen Bachelor- oder Masterstudiengang im Bereich Musik immatrikuliert, 112 in Design, 100 in Kunst und Medien, 136 in Art Education und Transdisziplinarität sowie 92 in Darstellenden Künsten und Film. Unter ihnen sind auch acht Tänzerinnen und Tänzer, die den neuen Studiengang Master Dance besuchen. Es handelt sich um die schweizweit erste praxisorientierte Tanzausbildung auf Masterstufe.

Insgesamt studieren an der Zürcher Hochschule der Künste 2288 Personen. Davon absolvieren 1303 einen der acht Bachelor- und 985 einen der elf Masterstudiengänge. Die Studierendenzahl ist gegenüber den letzten Jahren konstant geblieben. An der ZHdK gilt ein Numerus clausus; Studieninteressierte durchlaufen vorgängig ein strenges Zulassungsverfahren.
 

Bündner Kulturschaffende in Rom

Der Kanton Graubünden vergibt im Rahmen eines Pilotprojekts in den Jahren 2019 und 2021 Atelierstipendien in Rom an Bündner Kulturschaffende.

Atelierwohnung in Rom (Bild: Kanton Graubünden)

Der Kanton Graubünden stellt Bündner Kulturschaffenden seit 2013 eine Atelierwohnung in Wien zur Verfügung. Neu wird Bündner Kulturschaffenden während einer Pilotphase in den Jahren 2019 und 2021 zusätzlich die Möglichkeit zur Benützung einer Atelierwohnung in Rom geboten. Diese wird abwechselnd von den Kantonen St.Gallen und Graubünden und dem Fürstentum Liechtenstein genutzt. Hauptmieter ist der Kanton St.Gallen.

Das möblierte Wohnatelier (3 Zimmer) befindet sich im Quartier San Lorenzo in der Via dei Latini 18. Der Aufenthalt beträgt jeweils sechs Monate (1. Juni – 30. November 2019 und 1. Juni – 30. November 2021). Der Kanton Graubünden stellt das Wohnatelier den Kulturschaffenden unentgeltlich zur Verfügung und richtet einen monatlichen Zuschuss von 2000 Franken an die Lebenshaltungskosten aus.

Zur Bewerbung sind professionelle Kulturschaffende eingeladen, die im Kanton Graubünden wohnhaft sind oder eine enge Verbundenheit mit dem Kanton Graubünden oder der Bündner Kultur aufweisen. Die Bewerbungen sind für alle Sparten offen und an keine Altersgrenze gebunden. Die Anmeldefrist für das Atelier Rom 2019 läuft bis Freitag, 26. Oktober 2018 (Datum des Poststempels).
 

«Klamu» – die niederschwellige Zauberformel

Die Fondation Suisa lud innerhalb einer Woche gleich zweimal zu grossen Fachtagungen über das Klassenmusizieren, kurz «Klamu». Bericht vom Anlass in Zürich.

Bläserklasse live: die 5. Klasse Grünau von Thomas Mosimann und Daniel Frei

Am 8. September trafen sich im Florhof in Zürich Fachleute aus verschiedenen Ländern, um sich zum Thema auf theoretischer und praktischer Ebene auszutauschen. Eine Woche später wurde in Genf eine ähnliche Veranstaltung unter dem Titel «Orchestre en classe» durchgeführt. Angesprochen waren Lehr- und Leitungspersonen von Musik- und Volksschulen.

Urs Schnell dankte im Namen der Fondation Suisa Cristina Hospenthal, ehemalige Direktorin von Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ), und Martin Sonderegger (Fachdidaktik Klarinette, ZHdK) für das Organisieren der Tagung. Seit 2016 hat die Fondation Suisa schon über 40 «Klamu»-Projekte unterstützt. Schnell liess aber durchblicken, dass das Klassenmusizieren in Zukunft breiter abgestützt finanziert werden sollte, und äusserte den Wunsch, dass auch andere Personen und Institutionen dieses erfolgreiche niederschwellige Angebot unterstützen möchten.

Erich Zumstein, Direktor der MKZ, wartete in seiner Begrüssungsrede mit eindrücklichen Zahlen auf. Was vor neun Jahren mit zwei Bläserklassen im Glatttal begann, hat sich bis heute zu einer Organisation mit jährlich 2000 Teilnehmenden gesteigert. Alle zwei Jahre wurde bisher ein grosses Konzert im Volkshaus mit bekannten Showgrössen organisiert. Die Schule arbeitet in Bildungsprojekten-Projekten mit dem Tonhalle-Orchester zusammen, und über den grossen Teich hat man sich via Skype mit einem «education through music»– Vorhaben in der Bronx in Verbindung gesetzt.

Moderatorin Esther Girsberger durfte mit Helena Maffli eine der herausragenden schweizerischen Fachpersonen für musikalische Bildung begrüssen. Die Referentin und ehemalige Präsidentin der Europäischen Musikschulunion umriss die Bedeutung des Klassenmusizierens im europäischen Kontext. Es gebe viele internationale Vorbilder dafür und als Brücke zwischen Volks- und Musikschulen sei das Programm geradezu ideal. Als notwendigen Schritt um weiterzukommen, regte Helena Maffli die Schaffung einer nationalen Infostelle an, ein Gedanke, der allseits auf Interesse stiess.
 

Win-win-Situation für Volks- und Musikschule

Wenn sich eine der allergrössten Musikschulen Europas mit ihren 24 000 Schülerinnen und Schülern und 600 Lehrpersonen in Verbindung mit einer bedeutenden Schweizer Stiftung in einem solchen Masse für einen musikpädagogischen Teilbereich einsetzt, dann muss etwas dran sein. Nicht nur unter dem Aspekt der «Teilhabe am kulturellen Leben», wie es die laufende Kulturbotschaft formuliert, wird das Klassenmusizieren als wertvolles pädagogisches Instrument gesehen. Es gilt als erwiesen, dass Bildungsziele wie Sozialkompetenz, Konzentration und Aufmerksamkeit durch gemeinsames Musizieren sehr begünstigt werden. Zumstein stellte fest, dass in Quartieren mit hohem Migrantenanteil die Musiklassen gefragter sind als in bildungsaffinen Stadtteilen. Mit dem Erreichen bildungsferner Schichten dürfte auch ein hoher integrativer Wert einhergehen.

In acht parallel geführten Workshops erhielten die Besucher durch etliche Fachleute Einblick in die unterschiedlichsten Aspekte und Formen des «Klamu». In Gesprächsrunden und Eins-zu-eins-Vorführungen konnte man sich ein Bild von der praktischen Arbeit machen. Elisabeth Karrer ordnete das Fach Musik und das Klassenmusizieren im Rahmen des Lehrplans 21 ein und der deutsche Jeki-Spezialist Achim Tang präsentierte eine Einheit in «Experimentellem Klassenmusizieren». Michaela Hahn, Dozentin für Musikschulentwicklung in Österreich, weitete den Blick auf die Ziele und Herausforderungen im gesamten deutschsprachigen Raum.

Die erfahrene Primarlehrerin und Schulleiterin Idil Calis sprach offen über die Malaise im Fach Musik an den Primarschulen. Sie hat in ihrer 38-jährigen Berufstätigkeit 25 Jahre Musik unterrichtet, «aber ich bin eigentlich unmusikalisch … Für mich ist das Klassenmusizieren das schönste Ereignis in meiner ganzen Laufbahn».

Die Volksschule hat heute mit «Klamu» die Chance, ihr latentes Musikunterrichtsproblem zu lösen, und die Musikschulen finden Zugang zu breiteren Kundensegmenten, welche später für sie als Nachwuchs in Frage kommen – eigentlich eine klassische Win-win-Situation.
 

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Schlussrunde mit Elisabeth Karrer, Achim Tang, Helena Maffli, Thomas Ineichen, Michaela Hahn und Moderatorin Esther Girsberger (v.l.)

Neues Konzept für das Klanghaus Toggenburg

Die durch die St. Galler Regierung beauftragte regionale Task Force legt ein überarbeitetes Konzept für das Klanghaus Toggenburg vor.

Klanghaus Toggenburg (Visualisierung: nightnurse images, Zürich)

Das Klanghaus mit erweitertem Angebot wird laut der Mitteilung des Kantons St. Gallen stärker in die Tourismusregion eingebettet. Ausserdem will die Stiftung Klangwelt Toggenburg das Haus im Rahmen eines neuen Finanzierungsmodells künftig auf eigene Kosten betreiben. Die erste Vorlage zum Bau des Klanghauses Toggenburg erreichte im März 2016 in der Schlussabstimmung des Kantonsrates das erforderliche qualifizierte Mehr nicht.

Die Regierung räumte in der Folge einer regionalen Task Force die Möglichkeit ein, das Projekt zu überarbeiten, ohne die umfangreichen Genehmigungsprozesse zu wiederholen. Mitglied der Task Force sind die Stiftung Klangwelt Toggenburg, die Region Toggenburg, die Gemeinde Wildhaus-Alt St.Johann und Toggenburg Tourismus sowie die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur.

Die Regierung hat die überarbeitete Botschaft Mitte August zuhanden des Kantonsrates verabschiedet. Das Parlament berät die Vorlage im November 2018 und im Februar 2019. Genehmigt der Kantonsrat die Vorlage, werden die Stimmberechtigten voraussichtlich am 30. Juni 2019 darüber abstimmen.

13. Junge Ohren Preis: jetzt anmelden!

In zwei Wochen endet die Bewerbungsfrist für den 13. Junge Ohren Preis. Für die Kategorien Programm und Charakter kann man sich noch bis am 30. September online anmelden.

Paulista/fotolia.com,SMPV


Was?

Der Junge Ohren Preis sucht modellhafte und innovative Programme für neue Publikumsgenerationen. Dieses Jahr hat der Junge Ohren Preis erstmals einen inhaltlichen, vom Fachbeirat des netzwerk junge ohren kuratierten Schwerpunkt: Diversität. Damit gemeint sind nachhaltige Programme, die Menschen im gemeinsamen musikalischen Tun zusammenbringen. Darüber hinaus würdigt der Junge Ohren Preis in seiner zweiten Kategorie herausragende Persönlichkeiten der Musikvermittlungsszene.

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