Wer spielte was in der Saison 18/19?

Der Deutsche Bühnenverein hat die Daten von 463 Theatern in Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Saison 2018/19 gesammelt. In der Oper liegt Mozart (mit 93 Inszenierungen in Deutschland, plus 3 im Vergleich zur Vorsaison) vor Verdi (92, minus 6) und Wagner (69, minus 8).

Beleuchtung und Orchestergraben der Volksoper Wien. Foto: Johannes Bättig (s.unten)

Unter den 7152 Inszenierungen waren 834 Opern, 123 Operetten, 246 Musicals, 2740 Schauspielinszenierungen, 523 Ballett- und Tanzproduktionen, 1544 Inszenierungen des Kinder- und Jugendtheaters, 294 Inszenierungen des Puppen- und Figurentheaters, 278 Revuen und Liederabende sowie 570 Projekte, Performances und Mehrspartenprojekte.

Die Werkstatistik erscheint erstmals beim Wissenschaftsverlag Königshausen & Neumann. Unter der ISBN-Nummer ISBN 978-3-8260-7061-7 kann sie auch im Buchhandel erworben werden.

Mehr Infos:
http://www.buehnenverein.de/de/presse/pressemeldungen.html?det=580

Bildnachweis: Johannes Bättig / wikimedia commons CC BY-SA 3.0 DE

Variationen über ein Schweizer Lied

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Sechs Variationen über ein Schweizer Lied für Klavier oder Harfe.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

«Noch ein Wort von Volksliedern. Sie sind wahrlich das, worauf der wahre Künstler, der die Irrwege seiner Kunst zu ahnden anfängt, wie der Seemann auf den Polarstern achtet, und woher er am meisten für seinen Gewinn beobachtet. Nur solche Melodien, wie das Schweizerlied, sind wahre ursprüngliche Volksmelodien, und die regen und rühren auch gleich die ganze fühlende Welt, das sind wahre Orpheusgesänge.» Vielleicht war es ein Zufall, dass Beethoven um das Jahr 1790 noch in Bonn auf diese Worte von Johann Friedrich Reichardt (1752–1814) aufmerksam wurde – abgedruckt im Vorwort der kleinen Sammlung Frohe Lieder für Deutsche Männer (1781) und ergänzt um eine elf Takte umfassende Melodie mit folgender Textunterlegung: «Es hätt’ e’ Buur e’ Töchterli, mit Name heißt es Babeli, sie hätt’ e paar Zöpfli, sie sind wie Gold, drum ist ihm auch der Dusle sic! hold.» Angesichts dieser nur der Spur nach verständlichen Wiedergabe des Schwyzerdütsch darf man wohl froh sein, dass uns in dieser Quelle die übrigen zehn Strophen der Weise erspart bleiben. Das Lied um Babeli und Dursli jedenfalls erzählt, wie so viele Volksgesänge, die Geschichte einer tragischen Liebe, die am Ende den jungen Mann in den Söldnerdienst treibt.

Dies alles blieb Beethoven verborgen. Zur künstlerischen Ausarbeitung könnte er daher allein durch den unregelmässigen Aufbau (3+3+2+3 Takte) und das archaisch anmutende Melos angeregt worden sein. Zunächst ergänzte er die Melodie um eine einfache Basslinie, anschliessend setzte er sechs einfach realisierbare Variationen hinzu. Das Werk ist noch heute im Klavierunterricht präsent. Seltsam mutet allerdings die Besetzungsangabe der 1798 bei Simrock in Bonn erschienenen Erstausgabe an: «Clavecin, ou Harpe». Während der Hinweis auf das Cembalo noch durchaus üblich war (der Erneuerungsprozess hin zum aufkommenden Hammerklavier vollzog sich allmählich), verblüfft die Erwähnung einer Harfe als Alternative. Einen Hinweis zur Aufklärung gibt Beethoven selbst 1796 in einem Brief an den Klavierbauer Johann Andreas Streicher (1761–1833). Nachdem er die junge Augsburgerin Elisabeth von Kissow (1784–1868) auf einem Hammerflügel spielen gehört hatte, schrieb er: «es ist gewiß, die Art das Klawier zu spielen, ist noch die unkultiwirteste von allen Instrumenten bisher, man glaubt oft nur eine Harfe zu hören, und ich freue mich lieber, daß sie von den wenigen sind, die einsehen und fühlen, daß man auf dem Klawier auch singen könne, sobald man nur fühlen kann, ich hoffe die Zeit wird kommen, wo die Harfe und das Klawier zwei ganz verschiedene Instrumente seyn werden.» Die vom Verlag eingefügte Besetzungsangabe scheint also einer zu diesem Zeitpunkt noch durchaus verbreiteten Aufführungspraxis zu entsprechen.
 


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Deutschland unterstützt Kulturschaffende

Für die aktuelle Förderrunde werden in Deutschland die Mittel der bestehenden Förderung der Initiative Musik um insgesamt 10 Millionen Euro aufgestockt.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Foto: Elke Jung-Wolf

Das  Programm hilft Kulturschaffenden und ihren wirtschaftlichen Partnern bislang durch eine Förderung von 40 Prozent der Kosten. Dieser Förderanteil wird nun für einen befristeten Zeitraum um 50 Prozent auf 90 Prozent angehoben. Anträge müssen damit anstatt 60 Prozent nur noch einen Eigenanteil von 10 Prozent der Gesamtkosten enthalten. Insgesamt sei eine Förderhöhe bis zu 67’500 Euro je Projekt möglich, schreibt der Bundesverband Musikindustrie. Zusätzlich zu Produktion, Marketing und Tourneen könnten nun auch die Werkkreation, Probe- und Vorproduktionszeiten gefördert werden.

Die  Verbände der deutschen Musikwirtschaft begrüssen das von Kulturstaatsministerin Grütters vorgestellte erste Teilprogramm aus dem Konjunkturpaket Neustart Kultur. Damit komme die Staatsministerin den Empfehlungen der Musikwirtschaftsverbände und der Verwertungsgesellschaften in Teilen nach, mit passgenaueren Förderprogrammen die hochgradige Arbeitsteilung sowie die gegenseitige Abhängigkeit der Branchensektoren zu berücksichtigen.

Orchesterdirektoren verzweifelt gesucht

Die Deutsche Orchestervereinigung macht sich Sorgen um einen qualifizierten Nachwuchs im Orchestermanagement. Aktuell ist es zum Beispiel dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin nicht gelungen, innerhalb eines Jahres einen geeigneten Orchesterdirektor zu finden.

Foto: Scott Graham / unsplash

Das Lehrangebot für Orchestermanagement wird laut Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutsche Orchestervereinigung, immer weiter ausgedünnt. Bundesweit gebe es nur einen einzigen Masterstudiengang für Theater- und Orchestermanagement in Frankfurt am Main.

Das entsprechende Lehrangebot im Kulturmanagement an der FU Berlin wurde laut der DOV-Mitteilung schon vor Jahren eingestellt. Der Masterstudiengang für Kultur- und Tourismusmanagement an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) mit einem entsprechenden Seminarangebot laufe jetzt sogar komplett aus.

An den Hochschulen müssten neue Ausbildungsangebote für zukünftige Orchestermanagerinnen und -manager geschaffen werden. Sonst überlasse man eine hochkomplexe Führungsaufgabe zwischen Musik und Management zunehmend nur noch Seiteneinsteigern aus anderen Berufsfeldern, so Mertens weiter.
 

Lob auf den dicken Schuppanzigh

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf den musikalischen Scherz «Lob auf den dicken Schuppanzigh» für drei Solostimmen und Chor.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Es sind nicht immer die grossen Werke der Musikgeschichte, die von zwischenmenschlichen Beziehungen erzählen. Oft geben einfache Kanons oder aus dem Stegreif formulierte musikalische Sinnsprüche Einblick in das Umfeld und die alltäglichen Verhältnisse – obwohl sie in aller Regel zur «Spreu» eines kompositorischen Schaffens gerechnet werden. So auch bei Beethoven. Mal geht es um die leidige Verwandtschaft (Fettlümmel, Bankert haben triumphiert, ein dreistimmiger Kanon auf die Schwägerin und deren Tochter, WoO 226), dann um die Frage, wo denn gespeist werden solle: Meine Herren wo werden sie heute speisen im ochsen oder schwanen oder zu den drei hacken oder gar im fischrüherl (WoO 221, 1. Textfassung). Ernster geht es bei der Abreise von Johann Nepomuk Hummel nach Stuttgart zu (Ars longa, vita brevis, WoO 170), hintersinnig wurde mit einem B-A-C-H-Motiv der kunstvolle Eintrag des dänischen Komponisten Friedrich Kuhlau in eines der Konversationshefte erwidert (Kühl, nicht lau, WoO 191).

Gleich zweimal war Ignaz Schuppanzigh (1776–1830), der mit seinem Ensemble nahezu alle Streichquartette Beethovens aus der Taufe hob, Empfänger solch musikalischer Kurzmitteilungen. Und beide Male zielt der Text auf die korpulente Erscheinung des Geigers. Beethoven, der ihm ohnehin den Spitznamen «Mylord Falstaff» gegeben hatte, nennt ihn 1801 im derb-freundschaftlichen Spass Lob auf den dicken Schuppanzigh WoO 100 gar einen «Lump», einen «dicken Saumagen» und «aufgeblasnen Eselskopf». Etwas milder klingt es, als Schuppanzigh im April 1823 aus St. Petersburg zurückkehrt und mit dem Kanon Falstafferl, lass’ dich sehen WoO 184 begrüsst wird (hier imitieren die rasch repetierten und liegenden Töne eine Violine). Auch wenn Beethoven sich durch Schuppanzigh und seine Quartettgenossen immer wieder inspirieren liess und mit ihrer Hilfe im privaten Rahmen offenbar auch vorläufige Fassungen probieren konnte, hatte die Künstlerfreundschaft einiges auszuhalten – unter anderem die bekanntermassen vergeigte Uraufführung des Streichquartetts Es-Dur op. 127. Was Schuppanzigh aber musikalisch ausmachte, ist durch dessen Secundarius Karl Holz überliefert, der Beethoven berichtete: «Mylord hat heute besser gespielt, als je. – Stellen, wie das Recitativ aus op. 132 kann keiner so spielen. – Er hat das, was kein anderer lernen kann; dafür hat er auch weiter nichts gelernt.» 


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Schulmusik darf nicht verboten werden

Die Deutsche Orchestervereinigung appelliert an die Verantwortlichen in den Bundesländern. Sie sollen im Rahmen der Corona-Vorsorge für die musikalische Bildung an Schulen auf massvolle Regelungen zu setzen.

Symbolbild: contrastwerkstatt/stock.adobe.com

In einigen Bundesländern Deutschlands schreiben neu erlassene Unterrichtsverordnungen für das kommende Schuljahr ein Totalverbot des Musikunterrichtes vor, zum Beispiel in Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein. Andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz und Berlin zeigten, dass es unter Einhaltung umsichtiger Hygienekonzepte auch anders gehe, erklärt dazu Jan-Christian Hübsch, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung.

Langfristig negative Auswirkungen durch einen Wegfall sämtlicher musikalischer Aktivitäten im schulischen Umfeld – dazu gehören Musikunterricht und musikalische Arbeitsgemeinschaften wie Chöre oder Orchester – müssten vermieden werden.

Zudem sollte sich jegliche Form von Einschränkungen am Grundsatz der Verhältnismässigkeit messen lassen. Dazu gehören neben den allgemeinen Hygienevorschriften in Corona-Zeiten zum Beispiel Mindestraumgrössen, Mindestsicherheitsabstände und Lüftungspflichten.

Streichquartett F-Dur

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf das Streichquartett in F-Dur Hess 34.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand nicht nur ein erheblicher Bedarf an neuen Klaviersonaten, sondern auch an Streichquartetten. Vor allem in Wien, das 1780 von Wolfgang Amadeus Mozarts noch als ein «Clavierland» bezeichnet worden war, hatten sich in den ersten zwei Dekaden zahllose private Ensembles zusammengefunden. Sie wollten sowohl mit originären Werken versorgt werden als auch mit Bearbeitungen aus bekannten Opern und Oratorien, aber auch ganzer Sinfonien und Sonaten. Doch so wie der Markt florierte, so galt es unter den Arrangements die Spreu vom Weizen zu trennen: Das blosse mechanische Übertragen mag zwar rasch zu einer marktgängigen Druckausgabe geführt haben, aber längst nicht immer zu einer wirklich musikalisch adäquaten Bearbeitung. Denn so wie jedes Instrument seine eigene Idiomatik hat, so gilt dies auch für die unterschiedlichen Gattungen und Besetzungen. Beethoven sah sich im Herbst 1802 gar gezwungen, in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung vor Streichquintett-Bearbeitungen seiner Sinfonie C-Dur op. 21 und dem Septett Es-Dur op. 20 zu warnen, die ohne sein Zutun erschienen waren.

Wie drängend die Problematik war, macht auch ein nur wenige Monate früher an Breitkopf & Härtel gerichteter Brief vom 13. Juli 1802 deutlich, in dem sich Beethoven für das anständige Verhalten dieses Verlages gegenüber solchen Produkten bedankt. Darüber hinaus referiert er ausführlich über die wahren Anforderungen beim Bearbeiten: «in Ansehung der arrangirten Sachen bin ich herzlich froh, daß Sie dieselben von sich gewiesen; die unnatürliche Wuth, die man hat, sogar Klaviersachen auf Geigeninstrumente überpflanzen zu wollen, Instrumente, die so einander in allem entgegengesetzt sind, möchte wohl aufhören können, ich behaupte fest, nur Mozart könne sich selbst vom Klavier auf andere Instrumente übersetzen, sowie Haydn auch – und ohne mich an beide große Männer anschließen zu wollen, behaupte ich es von meinen Klaviersonaten auch, da nicht allein ganze Stellen gänzlich wegbleiben und umgeändert werden müssen. so muß man – noch hinzuthun, und hier steht der mißliche Stein des Anstoßes, den um zu überwinden man entweder selbst der Meister sein muß, oder wenigstens dieselbe Gewandtheit und Erfindung haben muß – ich habe eine einzige Sonate von mir in ein Quartett von G.I. Geigeninstrumenten verwandelt, worum man mich so sehr bat, und ich weiß gewiß, das macht mir nicht so leicht ein andrer nach.»

Bei der erwähnten Komposition handelt es sich um das eigenhändige Arrangement der Klaviersonate E-Dur op. 14/1. Beethoven hat dabei das Werk nicht nur nach F-Dur transponiert, sondern auch nahezu alle Begleitmodelle grundlegend umgestaltet. Zudem erfuhren die Mittelstimmen eine dem Quartettsatz gemässe Individualisierung, so dass am Ende eine vollständig neue, selbständige Fassung vorlag. – Wer diesen geradezu experimentellen Bearbeitungsprozesses einmal im Detail nachvollziehen möchte, dem sei die Taschenpartitur der Edition Eulenburg empfohlen (ETP 297), bei der beide Fassungen der Komposition untereinander abdruckt sind. Ein Lehrstück.
 


Hier hören Sie die dem Streichquartett zugrunde liegende Sonate Nr. 9 E-Dur op. 14/1.

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Aussergewöhnliche Konzerte in der kleinsten Weltstadt Baden-Baden

Selten ist es so einfach, eine Stadt im Herzen der Natur zu finden, die sowohl Ruhe als auch Unterhaltung bietet. Doch genau das ist Baden-Baden – die internationale Kunst- und Kulturmetropole ist wunderschön idyllisch am Fusse des Schwarzwaldes gelegen und begeistert Besucher aus aller Welt mit ihrem mediterranen Flair, das auf das kulturelle Angebot einer Grossstadt trifft.

Stadtansicht Baden-Baden © Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH,© Kaupo Kikkas,© Baden-Baden Kur & Tourismus GmbH,SMPV

Musik hat in Baden-Baden eine lange Tradition. Nicht nur die gefeierte Pianistin Clara Schumann verbrachte 10 Jahre ihres Lebens in der charmanten Stadt, auch die bekannte Sängerin und Pianistin Pauline Viardot zog es 1836 nach Baden-Baden. Daneben verbrachte ebenfalls der Komponist Johannes Brahms die Sommermonate des 19. Jahrhunderts in der «Sommerhauptstadt Europas». Im Ortsteil Lichtental, befindet sich noch heute das Brahmshaus, seine musikalische Gedenkstätte und die einzige dieser Art in Deutschland. Die früheren Wohnräume des Hauses sind als Museum eingerichtet und Exponate, Fotos und Dokumente erzählen aus dem Leben von Johannes Brahms und seiner lebenslangen Freundin Clara Schumann.

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Schumann Quartett

Die Festspiele Baden-Baden zu Gast in Hotels & dem Museum Frieder Burda

Das Festspielhaus Baden-Baden begeistert das Publikum jährlich mit internationalen Konzerten, Musicals, Opern und Ballett. Mit seinen 2500 Plätzen ist es das zweitgrösste Opern- und Konzerthaus Europas und das grösste in Deutschland. In diesem Sommer finden die Festspiele vom 18. Juli bis zum 30. August unter dem ganz besonderen Motto «En suite» statt. Statt im Festspielhaus finden diese aussergewöhnlichen Festspiele in verschiedenen Räumlichkeiten Baden-Badens statt. Spielorte sind der Maler-Saal des Hotels Maison Messmer, die Orangerie des Brenners Park-Hotel & Spa sowie das Museum Frieder Burda. Weitere Informationen und Tickets zum «En suite»-Festival finden Sie unter: www.festspielhaus.de

Kulturelles Angebot einer Grossstadt

Kunstliebhaber können sich über unzählige Ausstellungen zu den unterschiedlichsten Themen freuen. Ob international bekannte Künstler, das Schaffen einer jungen Künstlergeneration, Kunst & Technik oder Schmuck – für jedes Interesse gibt es ein passendes Museum. Das wohl bekannteste ist das vom New Yorker Stararchitekten Richard Meier erbaute Museum Frieder Burda mit ausgewählten Werken der Klassischen Moderne in wechselnden Ausstellungen. Durch eine gläserne Brücke schliesst sich die Staatliche Kunsthalle mit zeitgenössischer internationaler Kunst an.

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Museum Frieder Burda

Ein Mekka zum Verweilen

In Baden-Baden laden prämierte Sternerestaurants, gemütliche kleine Gasthäuser und traditionelle sowie moderne Cafés im Herzen der Stadt zu einer kulinarischen Pause ein. Das nahegelegene Baden-Badener Rebland, eines der bekanntesten Riesling-Anbaugebiete Deutschlands ist ein Geheimtipp für Gourmets und Freunde des guten Weins. Und Shopping-Begeisterte geniessen exklusive Einkaufsmöglichkeiten in den malerischen kleinen Strassen der neobarocken verkehrsfreien Altstadt. Hier fühlen sich Kunstfreunde und Kenner der klassischen Musik genauso wohl wie Gourmets, Shoppingbegeisterte und Wellnessliebhaber.

«Man darf nicht in Vergessenheit geraten»

Die Salzburger Festspiele finden im August statt, die Berliner Philharmoniker spielen unter deutschen Auflagen in Österreich und für Luzern wurde nach der Absage ein neues Festival unter dem Motto «Life Is Live» auf die Beine gestellt.

1000 Personen dürfen jetzt ins Kultur- und Kongresszentrum (KKL). Foto: Priska Ketterer/Lucerne Festival,Foto: Leo Neumayr,Foto: Stefan Höderath,Foto: Daniel Auf der Maur

Es war ein Paukenschlag, als Markus Hinterhäuser im Mai verkündete, dass die Salzburger Festspiele in diesem Sommer vom 1. bis 30. August 2020 mit zwei Opernpremieren, drei Theaterproduktionen und zahlreichen Konzerten und Lesungen stattfinden werden.

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Markus Hinterhäuser

«Wir haben viele Szenarien durchgespielt – von der Totalabsage bis zu einem einzelnen Festivaltag», erklärt der Intendant im Gespräch. «Dann entwickelten sich die Infektionszahlen in Österreich positiv. Und durch den Stufenplan der Bundesregierung konnten ab dem 1. August 2020 bei Vorlage eines strengen Hygienekonzepts bis zu 1000 Besuchern zu Veranstaltungen zugelassen werden. Proben, Oper, Theater, Auftritte von Sinfonieorchestern – das war alles wieder möglich. So können wir jetzt auch künstlerische Akzente setzen. Natürlich werden wir wirtschaftliche Verluste haben, aber sie werden verschmerzbar sein.» Vom ursprünglich geplanten Opernprogramm mit vier szenischen Neuproduktionen und vier Wiederaufnahmen wird nur Richard Strauss’ Elektra behalten, die die Festspiele am 1. August 2020 eröffnet. «Es war uns wichtig, zum 100-jährigen Jubiläum der Festspiele das Werk eines Festivalgründers dabei zu haben. Alle Konzerte und Vorstellungen, die wir im Sommer veranstalten, werden ohne Pause durchgeführt. Da passt der Einakter Elektra auch sehr gut. Das Personal auf der Bühne ist überschaubar und es braucht keinen Chor – auch das waren Gründe für diese Oper zum Auftakt.» Die ausgefallenen Produktionen sollen nächstes Jahr nachgeholt werden. Mit Così fan tutte ist in wenigen Wochen eine Opernproduktion ganz neu für die modifizierten Salzburger Festspiele entstanden. Christof Loy, der eigentlich Boris Godunow inszenieren sollte, führt Regie. Joana Mallwitz, vorgesehen für die Zauberflöte, dirigiert. Alle Veranstaltungen, auch die Theatervorstellungen, Lesungen und Konzerte werden ohne Pause durchgeführt. Es wird keine Bewirtung in den Foyers geben. Was die Mindestabstände bei den Künstlern angeht, verfolgt Österreich einen anderen Weg als die Schweiz und Deutschland. Die Mitglieder der österreichischen Orchester werden regelmässig auf das Coronavirus getestet. Abstandsvorgaben gibt es keine, so dass die Wiener Philharmoniker auch dicht beieinander im Orchestergraben sitzen können. «Ich freue mich darüber, dass wir das menschliche Grundbedürfnis nach Kunst, nach Theater, nach Musik wieder wahrnehmen. Jeder ist aufgerufen, seinen Teil dazu beizutragen, dass wir das hinbekommen. Ich glaube sehr an diesen Versuch», zeigt sich Markus Hinterhäuser vor Festivalstart zuversichtlich.

 

Für die Kultur kämpfen

Andrea Zietzschmann, Intendantin der Berliner Philharmoniker, freut sich sehr auf die beiden Konzerte der Berliner Philharmoniker am 29. und 30. August 2020 bei den Salzburger Festspielen – die ersten Gastauftritte des Orchesters nach fünf Monaten Spielpause.

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Andrea Zietzschmann

Das Programm der beiden Konzerte unter Chefdirigent Kirill Petrenko musste leicht verändert werden. Anton Weberns Passacaglia für Orchester und Josef Suks Sinfonie in c-Moll op. 27 wurden gestrichen, Arnold Schönbergs Verklärte Nacht in der Fassung für Streichorchester dazu genommen. Auch in Österreich muss sich das Orchester allerdings an die in Deutschland vorgeschriebenen Mindestabstände halten – also 1,5 Meter bei Streichern und 2 Meter bei Bläsern. Eine 68-köpfige Orchesterbesetzung ist im grossen Festspielhaus das Maximum. Die letzten Monate waren für Zietzschmann von Krisenmanagement geprägt. Absage von Konzerten, Auflösen von Verträgen, Sicherung der Liquidität. Die Orchestermitglieder sind seit Anfang April bis zum Start der Spielzeit am 28. August in Berlin in Kurzarbeit. Von der Politik in Deutschland fordert sie mehr Entgegenkommen und praktikable Lösungen. «Leider steht die Kultur nicht oben auf der Prioritätenliste der Bundespolitik, dafür müssen wir alle kämpfen.» In Deutschland können die Säle bislang nur bis maximal 30 Prozent belegt werden. Die Mindestabstände für Orchestermusiker verhindern grössere Besetzungen. Chorgesang ist in Berlin in geschlossenen Räumen ganz verboten. Das Testmodell Österreichs hält sie für gut, weil es zu einer Normalität verhelfe. Für das am 1. Mai ausgestrahlte Europakonzert der Berliner Philharmoniker wurde das Orchester auch schon mehrfach getestet. «Da uns das Thema Corona sicher noch länger beschäftigen wird, brauchen wir pragmatische Lösungen», ist Zietzschmann überzeugt. Mitte August wird das neue Saisonprogramm für die Konzerte der Berliner Philharmoniker bis Ende Oktober bekanntgegeben. «Es wird attraktive Programme ohne Pause geben. Um flexibel handeln zu können, planen wir Schritt für Schritt.» Und es wird mehr Konzerte geben, um «angesichts des stark reduziert zugelassenen Publikums mehr Konzertangebote zu schaffen.»

 

Grenzen respektieren

Was die Abstände zwischen den Orchestermusikern angeht, liegen auch in der Schweiz die aktuellen Vorgaben bei 1,5 m (Streicher) und 2 m (Bläser). Aber es ist deutlich mehr Publikum erlaubt als in Deutschland. Inklusive Saalpersonal sind im KKL Luzern mittlerweile 1000 Personen zugelassen.

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Michael Haefliger

Zunächst hatte Michael Haefliger das von 14. August bis 13. September 2020 geplante Lucerne Festival Ende April komplett abgesagt. Dass es nun doch in einer stark verkleinerten Version stattfinden kann, hat mit den grösseren Möglichkeiten zu tun, die Veranstaltern in der Schweiz inzwischen eingeräumt werden. «Wir machen im Sommer kein heruntergefahrenes Festival, sondern ein neues Festival unter dem Thema ‹Life Is Live›. Wir haben ein zeitgemässes Konzept erarbeitet, das alle Hygieneanforderungen berücksichtigt und bieten ein kompaktes Festivalerlebnis an, das sich auf 10 Tage konzentriert.» Vom alten Festival ist nicht viel geblieben. Die Auftritte der internationalen Gastorchester sind nicht möglich. Die Lucerne Festival Academy findet ebenso nicht statt wie das Pre-Festival «Music for Future» und die geplanten 10 Uraufführungen. Das Lucerne Festival Orchestra wird unter Herbert Blomstedt in 35-köpfiger Besetzung (Solistin: Martha Argerich) zwei Beethovenprogramme spielen. Igor Levit setzt seinen Beethovenzyklus fort, neben weiteren Kammerkonzerten wird Cecilia Bartoli mit Les Musiciens du Prince – Monaco ein Händelprogramm geben. Openair sind täglich Weltmusikbands in der Stadt zu hören und an insgesamt vier verschiedenen Kirchen Peter Conradin Zumthors Komposition Luzerner Glocken – con sordino. Mit den Vorgaben der Schweizer Regierung ist Michael Haefliger grundsätzlich einverstanden. «Wenn man zu rigide ist, verhindert man eine gewisse Normalisierung. Deshalb begrüssen wir die Lockerungen, sind uns aber bewusst, dass man dabei die Fallzahlen immer im Auge behalten muss. Das ist eine Gratwanderung.» Die Folgen der Coronakrise für den Klassikbetrieb bedeuten seiner Ansicht nach eine gewisse Redimensionierung. «Jetzt werden auch aus ökologischer Sicht Grenzen respektiert, die früher nicht eingehalten worden sind», sagt Haefliger. «Man wird sich in den nächsten Monaten sicherlich stark auf den eigenen Platz konzentrieren und versuchen, dort mit seinem Publikum eine lebendige Kommunikation aufrecht zu erhalten. Man darf nicht in Vergessenheit geraten.»

Spezialtarife für Musikevents im Ausland

Auch in der Coronazeit sorgt die Fondation Suisa dafür, dass sich Schweizer Musikschaffende zu vergünstigten Tarifen an verschiedenen Veranstaltungen präsentieren können.

Solche Bilder wie vom Reeperbahn Festival 2016 wird es 2020 wohl nicht geben. Bild: Florian Tyrkowski,SMPV

Die Fondation Suisa bietet einen Schweizer Spezialrabatt für folgende Events:

Waves Vienna ist eine musikalische und kulturelle Austauschplattform zwischen West- und Osteuropa und findet vom 10. bis 12. September in Wien statt.
Anmeldeschluss: 9. September 2020

Link zu Waves Vienna

Das Reeperbahn Festival in Hamburg, eines der wichtigsten Treffen für aufstrebende Künstlerinnen und Künstler, findet vom 16. bis 19. September in Hamburg statt.
Anmeldeschluss: 15. September 2020

Link zum Reeperbahn Festival
 

Und schliesslich konzentriert sich das MaMA in Paris vom 14. bis 16. Oktober auf den französischen Musikmarkt mit Schwerpunkt Pop und Rock.
Anmeldeschluss: 18. September 2020

Link zum MaMa in Paris

Die Fondation Suisa beobachtet die Corona-Situation kontinuierlich. Sie pflegt den Austausch mit den Organisatoren und meldet sich falls nötig bei den Teilnehmenden mit entsprechenden Informationen zu Risiken oder Massnahmen.
 

Stucky mit Grand Prix Musik geehrt

Der Schweizer Grand Prix Musik geht in diesem Jahr an Erika Stucky. Weitere vierzehn Musikerinnen und Musiker werden mit dem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 17. September im Rahmen des Festivals Label Suisse in der Opéra de Lausanne statt.

Erika Stucky. Foto: Mirco Taliercio

Erika Stucky spiele im Musikgeschehen der Schweiz und weit darüber hinaus eine überragende Rolle, heisst es in der Mitteilung des BAK. Seit den 1980er Jahren arbeite die 1961 in San Francisco (USA) geborene Musikerin an ihrem eigenen Klanguniversum, häufig zusammen mit bedeutenden Jazzmusikerinnen und -musikern. Als Sängerin, Multiinstrumentalistin oder Performance-Künstlerin nehme sie die unterschiedlichsten künstlerischen Identitäten an. Die Musik der Hippiebewegung ihrer Geburtsstadt San Francisco begleitete sie über den Atlantik in das Oberwalliser Bergdorf Mörel, wo sie ab dem siebten Lebensjahr aufwuchs.

Der Schweizer Musikpreis «zeichnet das herausragende und innovative Schweizer Musikschaffen aus und trägt zu dessen Vermittlung bei». Folgende 14 Musikerinnen und Musiker werden 2020 prämiert: Martina Berther (Chur GR), Big Zis (Winterthur ZH), Aïsha Devi (Genf), Christy Doran (Dublin/Luzern), Antoine Chessex (Vevey VD), André Ducret (Freiburg im Üechtland), Dani Häusler (Unterägeri ZG), Rudolf Kelterborn (Basel), Hans Koch (Biel/Bienne BE), Francesco Piemontesi (Locarno TI), Cyrill Schläpfer (Wald AR), Nat Su (Bülach ZH), Swiss Chamber Concerts (BS, GE, TI, ZH), Emilie Zoé (Lausanne VD).

Der Schweizer Grand Prix Musik ist mit 100’000 Franken dotiert, die Schweizer Musikpreise mit je 25’000 Franken.

Neue Impluse für Neue Musik

In Zürich ist die Trägerschaft und künstlerische Leitung für ein dreijähriges Pilotprojekt eines Festivals für zeitgenössische Musik ausgewählt. Das «Sonic Matter» wird für die Jahre 2021 bis 2023 umgesetzt und löst die «Tage für neue Musik» ab.

«Dancing concrete» (Tüffenwies, Zürich). Foto: Ricardo Gomez Angel / unsplash.com

In dem zweistufigen Auswahlprozess sprach sich die Jury in Zürich – bestehend aus Kulturdirektor Peter Haerle (Vorsitz), Uli Fussenegger (Leiter Neue Musik an der FHNW), der Komponistin Cathy van Eck, Festivalleiter Björn Gottstein und der Komponistin und Performerin Cathy Milliken, für das Konzept «Sonic Matter» von Katharina Rosenberger, Julie Beauvais und Lisa Nolte aus. Zuvor waren zwölf Konzepte, die den formellen Kriterien entsprachen, geprüft und vier Teams eingeladen worden, ihr Konzept persönlich vorzustellen.

Das zukünftige künstlerische Leitungsteam von «Sonic Matter» positioniert das Festival neu in einen lokalen sowie internationalen Kontext. Neben dem Festival in Zürich sollen vielfältige Formate das Publikum auch ganzjährig am Puls neuer Musik teilhaben lassen. «Sonic Matter» vertritt einen weit gefassten Neue-Musik-Begriff, räumt dem künstlerischen Prozess einen hohen Stellenwert ein, ist experimentierfreudig und forschungsorientiert. Die Trägerschaft übernimmt ein neu gegründeter Verein.

Die Stadt unterstützt das Festival in der dreijährigen Pilotphase mit einem einmaligen Beitrag von insgesamt 850’000 Franken. Dieser unterteilt sich in einen Startbeitrag von 100’000 Franken im Jahr 2020 und Betriebsbeiträge von je 250’000 Franken für die Jahre 2021 bis 2023. Das Festival wird während der dreijährigen Pilotphase evaluiert. Danach soll die weitere Unterstützung durch die Stadt durch jährliche Betriebsbeiträge geprüft werden.

Musiknutzung in Frankreich

Alle zehn Jahre untersucht der französische Staat die Musiknutzung seiner Bürger. Der Konsum steigt stark, für die Klassik sieht es allerdings nicht gut aus.

Der grosse Saal in der Pariser Philharmonie. Bild (Ausschnitt): BastienM/wikicommons (Link s. unten)

Laut der Erhebung haben noch nie so viele Franzosen unabhängig vom Stil Musik gehört. 81 Prozent der Befragten erklärten, Musik zu hören, und 57 Prozent gaben an, dies jeden Tag zu tun. 2008 waren es noch 34 Prozent und 1973 9 Prozent. Grund für das explosive Wachstum sind Streamingplattformen wie Spotify oder Deezer.

Rock- oder Jazzkonzerte werden hingegen immer seltener besucht (11 Prozent im Jahr 2018 gegenüber 13 Prozent im Jahr 1997). Das Gleiche gilt für klassische Musik, deren Besucherzahlen bei Konzerten weiter sinken. Nur 6 Prozent der Befragten gingen dorthin, verglichen mit 9 Prozent im Jahr 1997.

Die Studie bestätigt auch das Altern der Zuschauer von Klassikkonzerten, hauptsächlich vertreten durch die Babyboom-Generation, die am häufigsten klassische Konzerte besuchte, ein Trend, der bereits in früheren Studien beobachtet wurde. Nur 15 Prozent der 15- bis 28-Jährigen gingen im Laufe des Jahres in einen Konzertsaal, um klassische Musik zu hören.

Das Französische Kulturministerium veröffentlicht etwa alle zehn Jahre eine umfassende Studie über die kulturellen Praktiken der Franzosen. Die sechste Ausgabe wurde von Februar 2018 bis März 2019 mit einer Stichprobe von 9200 Personen über 15 Jahren  durchgeführt.

 

Daniela Martin leitet neu Basel Sinfonietta

Die Basel Sinfonietta hat eine neue Geschäftsführerin. Nachfolgerin von Felix Heri, der an das Lucerne Festival wechselt, wird die deutsche Kulturmanagerin Daniela Martin.

Daiela Martin (Bild: Jean-Babptiste Millot)

Die 1974 in Giessen (Deutschland) geborene Daniela Martin ist ausgebildete Musikerin und Literaturexpertin und interessiert sich für die ganze Vielfalt der Künste. Sie arbeitete unter anderem beim Festival de Radio France et Montpellier, am Centro Cultural de Belem in Lissabon und seinem Festival Dias da Musica, beim Orchestre National de France, sowie als Assistentin/Agentin für Künstler wie Kurt Masur, Fazil Say oder Augustin Dumay.

Seit 2010 ist Daniela Martin als Mitbegründerin und Geschäftsführerin mit dem auf zeitgenössische Musik ausgerichteten Ensemble Variances in Rouen (Frankreich) eng verbunden. In dieser Funktion initiierte sie eine Reihe internationaler Kooperationen, Tourneen und Auftragsprojekte im Bereich der zeitgenössischen Musik. Daniela Martin wird ihre Stelle in Basel am 16. September antreten.
 

84 Kulturverbände stimmen zu

Der Bundesrat hat am 19. Juni das Covid-19-Gesetz vorgelegt. Mit der gemeinsamen Vernehmlassungsantwort vom 10. Juli unterstützt der Kultursektor den Gesetzesentwurf des Bundesrates. Zur Erhebung des Finanzbedarfs im Kulturbereich wird eine Umfrage durchgeführt.

Das Bundeshaus in Bern. Foto: SMZ

Die im März 2020 gegründete Taskforce Culture hat im Namen von 84 kulturellen Organisationen am 10. Juli auf 18 Seiten ihren Standpunkt zum dringlichen Covid-19-Gesetz abgegeben. Der Wortlaut der Vernehmlassungsantwort ist auf der Website der Taskforce Culture zu lesen.

Im Folgenden wird hier die entsprechende Medienmitteilung der Taskforce Culture vom 10. Juli in voller Länge wiedergegeben:

«Die wichtigsten Statements

1. Wir unterstützen den Entwurf des Bundesrates entschieden: Ohne Weiterführung der Unterstützung von Kulturschaffenden sowie Kulturunternehmen und ihrer relevanten Strukturen, droht ein Kahlschlag in allen Bereichen des Kultursektors.

2. Die Kulturbranche will keine Sonderbehandlung, sondern sie ist ein systemrelevanter Sonderfall unter den Wirtschaftszweigen.

3. Der Kultursektor ist grösser und vielfältiger als gemeinhin bekannt.

4. Die Unterstützungsmassnahmen sollen weitergeführt, aber vereinfacht und den Realitäten des Sektors angepasst werden.

5. Eine Rückkehr zum ursprünglich geplanten Finanzrahmen ist unabdingbar.

Zusammenfassung der wichtigsten Argumente

1. Kultur als Sonderfall:

Bis mindestens Ende 2020 ist nicht mit einem normalen Kulturbetrieb zu rechnen. Kulturunternehmen und Kulturschaffende leiden unter gravierenden Einnahmedefiziten. Sie können dies auch mit grössten Anstrengungen nicht ändern: Kulturanlässe bedeuten in der Pandemie ein deutlich grösseres Risiko als sonst und bleiben, wenn überhaupt, nur stark eingeschränkt möglich. Die Auflagen für Veranstaltende lassen wirtschaftlich selbsttragende Anlässe kaum zu. Das Publikum zögert schon beim Vorverkauf, sei es aus gesundheitlichen Sorgen oder aus Ungewissheit, ob die Veranstaltung tatsächlich stattfinden wird.

2. Kultur als Wirtschaftsfaktor:

In der Schweiz gibt es rund 65’000 Kulturunternehmen mit insgesamt rund 224’000 Beschäftigten. Der Beschäftigtenanteil in der Kultur- und Kreativwirtschaft ist mit 5 % vergleichbar mit jenem der Tourismusbranche (4.8 %). Der Kultursektor besteht zu über 90 % aus Mikrounternehmen mit weniger als 10 Angestellten und oft kleinen Gewinnmargen. Von den rund 65’000 Betrieben sind rund die Hälfte als juristische Personen organisiert, meistens als GmbH oder Verein (Quelle: BFS, Statistik zur Struktur der Schweizer KMU 2017, S. 12). Diese rund 32’500 Mikrounternehmen wiederum sind inhaber- bzw. arbeitgeberähnlich geführt (von durchschnittlich 1.7 Personen). Von Massenentlassungen, wie in anderen Branchen wird man also kaum hören. Aber viele Schliessungen und Konkurse können nur mit zielgerichteter Unterstützung abgewendet werden.

3. Kultur sind viele:

Neben Kulturschaffenden, Produzenten und Veranstalterinnen sind zahlreiche weitere Berufsgruppen von einem funktionierenden Kulturbetrieb abhängig, wie Licht- und Tontechniker, Grafikerinnen, Ausstellungsgestalter, Webdesignerinnen etc. Ohne einen funktionierenden Kulturbetrieb brechen auch ihre Einkommen weg.

4. Kulturvereine im Laienbereich:

Gemäss Kulturstatistik des Bundes 2019 sind rund 28 % der Schweizer Bevölkerung in Kulturvereinen aktiv. Die Tätigkeit der Kulturvereine im Laienbereich ist deshalb von grundlegender Bedeutung für die kulturelle Teilhabe der Bevölkerung. Die momentane Situation ist auch für sie existenzbedrohend. Denn für sie sind die Einnahmen aus organisierten Veranstaltungen zentral.

5. Kultur ist Tieflohn:

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS stellt in ihrem Analysepapier von 2020 fest, dass Selbstständigerwerbende in Krisen wie der aktuellen besonders stark betroffen sind, insbesondere jene im Tieflohnbereich. Dazu zählen viele Kulturschaffende und ihre Strukturen.

6. Kultur braucht vereinfachte, realistische Massnahmen:

Der Ausschluss bestimmter Kulturakteure von den Massnahmen ist nicht nachvollziehbar. Auch Verlage, Buchhandlungen, Galerien, Musiklabels oder Kunstschulen resp. Pädagoginnen und Pädagogen, die künstlerische Fertigkeiten vermitteln, müssen Zugang zu den Massnahmen haben. Ebenso ist es unsinnig, Freischaffende, die als Unselbständige von Kurzanstellung zu Kurzanstellung arbeiten, von der Hilfe auszuschliessen. Diese Lücken gilt es in der Umsetzung der Massnahmen zu schliessen – für den Erhalt der kulturellen Vielfalt, unabhängig davon, ob es sich um nichtgewinnorientierte oder gewinnorientierte Akteure handelt. Der ganze Kultursektor ist gleichermassen von der COVID- Krise betroffen und darum müssen auch bei den Unterstützungsmassnahmen alle gleichbehandelt werden. Ausserdem sind die Massnahmen besser zu koordinieren und zu vereinfachen.

Vereinfachte, an der Realität orientierte Massnahmen – was heisst das:

• Vereinfachung der Anmeldung und Berechnung der Unterstützungsmassnahmen
• Einbezug der Kulturverbände bei der Ausarbeitung von einfacheren, realitätsbezogenen Unterstützungsmodellen
• Transparente, proaktive Kommunikation der zuständigen Bundesämter gegenüber den Kulturverbänden
• Einhaltung der verfassungsrechtlich garantierten Verfahrensrechte (Rechtsmittel)
• Ausfallentschädigung: Verzicht auf die im Kulturbereich unsinnige Unterscheidung von nicht-gewinnorientierten und gewinnorientierten Unternehmen (die allermeisten Kulturunternehmen arbeiten im besten Falle nur kostendeckend)
• Corona-Erwerbsersatz: Vereinzelte Arbeitseinsätze sollen möglich sein, ohne zum Verlust des ganzen Unterstützungsanspruchs zu führen. Das Ziel ist, dass die Betroffenen nicht zu Sozialfällen werden – was das Gemeinwesen wesentlich teurer zu stehen käme.
• Soforthilfe für Kulturschaffende: Vereinfachung der Verrechnungs- und Gesuchsmodelle sowie ausreichende Finanzierung
• Arbeitslosenversicherung: Es braucht eine längere Rahmenfrist von vier Jahren für alle Freischaffenden, die von den Folgen der Covid-19-Pandemie betroffen waren. Dabei soll dieselbe Leistung bezogen auf die Beitragszeit gelten: 12 oder 18 Monate Beiträge in einem Zeitraum von 4 Jahren.
 

Der Kultursektor unterstützt den Entwurf des Bundesrates

Aus diesen Gründen unterstützt der Schweizer Kultursektor den Entwurf des Bundesrates und begrüsst insbesondere:

– Die Weiterführung der Finanzhilfen für Kulturschaffende und Kulturunternehmen, ohne die der Kulturbereich faktisch zusammenbrechen würde (Art. 7).
– Die Weiterführung des Corona-Erwerbsersatz, idealerweise in existenzsichernder Form (Art. 9).
– Die Unterstützung für die Inhaberinnen von Kulturunternehmen und Angestellten in arbeitgeberähnlicher Stellung (Art. 10).

Eine sinnvolle Unterstützung des Kultursektors benötigt mehr Finanzmittel:
Das vom Bundesrat angedachte Massnahmenpaket im Bereich Kultur belief sich ursprünglich auf CHF 1.5 Milliarden für sechs Monate. Daraus wurde in einem ersten Schritt ein Betrag von CHF 280 Millionen für einen Zeitraum von zwei Monaten, der in einem zweiten Schritt auf sechs Monate ausgedehnt wurde. Auch wenn es sich beim Bedarf von CHF 1.5 Milliarden für 6 Monate um Hochrechnungen handelte, so zeigt sich jetzt deutlich, dass ein Fünftel dieses Betrags nicht reichen wird, um den Schweizer Kultursektor zu retten.

Eine detailliertere Gesamtberechnung des Finanzbedarfs für den Kulturbereich wird die Taskforce Culture bis Ende Juli 2020 nachreichen.

Darüber hinaus bedarf es einer weitsichtigen Planung von Projekten und Konjunkturprogrammen, die die Revitalisierung des Kulturbereichs anzustossen vermögen.»
 

Umfrage zur Erhebung des Finanzbedarfs

Wie der Schweizer Musikrat am 13. Juli mitteilt, hat Sonart eine Online-Umfrage für alle Akteure im Kulturbereich auf der Sonart-Website platziert. Aufgrund dieser Angaben soll der zukünftige Finanzbedarf des Kultursektors abgeschätzt werden. Alle professionellen Kultur- und Musikschaffenden sind aufgerufen, die Umfrage möglichst rasch zu beantworten.


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