Studierende der Schola Cantorum erfolgreich

Bei der dritten Ausgabe des Concorso Internazionale di Clavicembalo città di Milano gewinnen drei Studierende der Schola Cantorum Basiliensis FHNW die ersten drei Preise.

Die drei Preisträger (Bild: Alberto Panzani)

Der erste  Preis geht an Irene Roldan Gonzalez, der zweite an Dmytro Kokoshynskyy und der dritte an Louise Acabo.

Der vom Mailänder Kulturverein La Cappella Musicale organisierte Wettbewerb entstand laut Eigendefinition aus dem Wunsch, «junge Musiker zu entdecken, zu fördern und zu unterstützen, damit sie ihre eigene künstlerische Karriere beginnen können». Ziel des Wettbewerbs ist die Förderung junger Talente und die Verbreitung des alten musikalischen Erbes.

Der Vorauswahljury besteht aus Maurizio Croci, Céline Frisch und Lorenzo Ghielmi. Sie ermitteln die 12 Halbfinalisten. Die Final-Jury besteht aus Enrico Baiano, Maurizio Croci, Céline Frisch, Christophe Rousset und Menno van Delft.

 

Urbanisierung und Kulturförderung in der Schweiz

Ständerat Hans Stöckli hat am 19. Juni 2019 das Postulat «Der Einfluss der Urbanisierung in der Schweiz auf die Kulturförderung» eingereicht. Als Antwort darauf hat das Bundesamt für Kultur am 27. Juli 2021 eine Studie veröffentlicht.

Titelbild der Schweizer Musikzeitung 1_2_2020. Grafik: Hubert Neidhart

Im Zentrum der Studie steht die Frage, «welchen Beitrag die Kulturförderung leisten kann, um den Austausch zwischen den unterschiedlichen Funktionalräumen – insbesondere zwischen dem städtischen und ländlichen Raum – zu verbessern und dabei die kulturelle Vielfalt zu bewahren.»

Die Studie wurde vom Dübendorfer Büro Brägger erstellt. Onlinebefragungen und Telefoninterviews kantonaler Kulturbeauftragter wurden ergänzt mit Dokumentenanalysen und Onlinebefragungen ausgewählter Städte und Gemeinden.

Als Schlussfazit hält die Studie fest, «dass die Urbanisierung zu neuen Realitäten und Herausforderungen für die Kulturförderung führte. Damit wurden aber auch vielfältige Entwicklungen ausgelöst, die letztlich die Kulturvielfalt fördern und auch die verschiedenen Räume (städtischer und ländlicher Raum, Funktionalräume), die Kultursparten, die Kulturschaffenden, die kantonalen und kommunalen Verwaltungen und letztlich vermutlich auch die verschiedenen Bevölkerungsgruppen einander näher brachten.»

Die Studie ist auf der Website des Bundesamtes für Kultur aufgeschaltet.
 

Weitere Walliser Kultur-Hilfsmassnahmen

Der Walliser Staatsrat stellt weitere 10,8 Millionen Franken zur Unterstützung des Kultursektors bereit. Ausserdem sind spezifische kantonale Massnahmen in der Höhe von 2,3 Millionen Franken für die Gesangs- und Musikgesellschaften vorgesehen.

Symbolbild: Neil Thomas/unsplash.com

Aufgrund der Gesundheitslage Anfang 2021 war es den Gesangsvereinen und Musikensembles verboten, sich unter normalen Umständen zu versammeln und zu proben. Seit dem 31. Mai sind Auftritte wieder möglich. Der Entschädigungszeitraum hat sich im Anschluss der zu Jahresbeginn getroffenen Massnahmen verlängert. Deswegen hat der Walliser Staatsrat beschlossen, diese beiden Bereiche mit weiteren 2,3 Millionen Franken zu unterstützen, um so die Periode vom 1. Januar bis 31. Mai 2021 abzudecken.

Anträge für diese Beihilfe müssen bis Ende September bei der Dienststelle für Kultur eingereicht werden. Die entsprechenden Entscheide werden voraussichtlich Anfang November 2021 gefällt. Darüber hinaus hat der Staatsrat beschlossen, die zusätzliche Unterstützung von 20 Prozent, die nicht durch die Covid-19-Kulturverordnung entschädigt wird, zu verlängern. Damit ist eine einhundertprozentige Deckung für entschädigungsberechtigte Kulturunternehmen gewährleistet.

Seit Beginn der Pandemie haben der Bund und der Kanton Wallis verschiedene Massnahmenpakete zur Unterstützung des Kulturbereichs umgesetzt. Im März 2020 wurde ein Hilfspaket von 18,4 Millionen Franken beschlossen, das Bund und Kanton paritätisch finanzieren. Im März 2021 wurden weitere 10,4 Millionen Franken zugunsten des Kultursektors bereitgestellt, wovon 5,1 Millionen Franken zu Lasten des Kantons gehen.

Mehr Infos:
https://www.vs.ch/de/web/communication/detail?groupId=529400&articleId=12470269

Deutschland fördert vermehrt Popmusik

Mit einer neuen Akademie und einem Preis für Popmusik, gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM), Monika Grütters, soll die Popmusikszene in Deutschland in ihrer Entwicklung künftig stärker unterstützt werden.

Die deutsche Popmusikerin Sarah Farina (Bild: Florian Gründig)

Zu den Gründungsmitgliedern der Akademie, die 2022 erstmals über die Preisvergabe entscheiden wird und darüber hinaus die deutsche Popmusikszene als Forum begleiten und mitgestalten soll, gehören unter anderem Herbert Grönemeyer, Shirin David, Nura, Sarah Farina und Roland Kaiser.

Die Verleihung des neuen Preises wird durch die Initiative Musik realisiert, deren alleinige Gesellschafter der Deutsche Musikrat und die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sind. Die Initiative Musik, die aus Mitteln der BKM gefördert wird, vergibt seit 2013 bereits den Award APPLAUS für Livemusikprogramme im Popmusik- und Jazzbereich und verleiht seit 2021 auch den Deutschen Jazzpreis.

Mehr Informationen zur neuen Akademie und dem Preis für Popmusik gibt es auf www.initiative-musik.de.

Musik stärkt in Coronazeiten Resilienz

Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung des Frankfurter Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik hat untersucht, ob der Umgang mit Musik eine wirksame Strategie für die sozioemotionale Bewältigung eines Lockdowns ist.

Symbolbild: Isaac Ibbott / unsplash.com,SMPV

In sechs Ländern aus drei Kontinenten wurden während des ersten Lockdowns von April bis Mai 2020 demografisch repräsentative Stichproben erhoben: Über 5000 Personen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien und den USA beantworteten in einer Online-Studie Fragen zu ihrem Umgang mit Musik während der Krise. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, Musik zur Bewältigung emotionaler und sozialer Stressfaktoren zu verwenden.

Bemerkenswert sei, dass nicht die Musik selbst als Bewältigungshilfe dient, sondern das musikbezogene Verhalten, also die Art und Weise, wie die Menschen ihren Umgang mit Musik in der Krise verändert haben, kommentiert Melanie Wald-Fuhrmann, Direktorin am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, die Resultate.

Menschen mit pandemiebedingt stärkeren negativen Emotionen setzen laut der Studie Musik in erster Linie zur Regulierung von Depressionen, Angst und Stress ein. Diese Strategie kommt besonders beim Musikhören zum Einsatz. Menschen mit einer vorwiegend positiven Grundstimmung nutzen Musik vor allem als Ersatz für soziale Interaktionen. Eine besondere Bedeutung kommt dem neuartigen Genre der «Coronamusik» zu. Dabei handelt es sich um spezifische musikalische Reaktionen auf die Corona-Krise.

Originalpublikation:
Fink, L.K., Warrenburg, L. A., Howlin, C., Randall, W. M., Hansen, N. C., & Wald-Fuhrmann, M. (2021). Viral Tunes: changes in musical behaviours and interest in coronamusic predict socio-emotional coping during COVID-19 lockdown. Humanities and Social Sciences Communications 8:180. https://doi.org/10.1057/s41599-021-00858-y

 

Ohrwürmer unterstützen Gedächtnisprozesse

Ohrwürmer können lästig sein. Das Phänomen weist aber darauf hin, dass Musik für die Festigung episodischer Erinnerungen eine Rolle spielt. Sie hilft, entsprechende Gedächtnisprozesse zu aktivieren.

SMZ-Archivbild. Foto : Ezume Images/stock.adobe.com,SMPV

Autobiografische Erinnerungen können eng mit Musik verbunden sein. Die Mechanismen, durch die sich Assoziationen zwischen Musik und nichtmusikalischem Wissen zunächst bilden und im Langzeitgedächtnis festigen, sind allerdings noch nicht umfassend geklärt. In Experimenten hat ein kalifornisches Forscherteam die Verbindung von Ohrwürmern und durch Musik hervorgerufenes Erinnern untersucht.

Die Experimente weisen darauf hin, dass das Abrufen musikalischer Fragmente als Konsolidierungsmechanismus sowohl für die Musik als auch für die zugehörigen episodischen Informationen dient.

Originalartikel:
Kubit, B. M., & Janata, P. (2021). Spontaneous mental replay of music improves memory for incidentally associated event knowledge. Journal of Experimental Psychology. https://doi.org/10.1037/xge0001050

Neue und neuste Musik

Impuls, eine österreichische, international bedeutende Institution in Sachen Weiterbildung von Nachwuchskomponisten und -komponistinnen sowie Vermittlung zeitgenössischer Musik, wird im August in Graz durchgeführt.

Symbolbild: Melvin / unsplash.com,SMPV

1998 von Beat Furrer und Ernst Kovacic gegründet, musste Impuls 2020 Corona-bedingt abgesagt werden. Diese Jahr finden die Veranstaltungen in Graz wiederum statt. Organisiert werden die 12. Internationale Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik sowie das 7. Festival von Impuls, dem Verein zur Vermittlung zeitgenössischer Musik, sowie der Kunstuniversität Graz.

An der Akademie nehmen rund 150 Personen aus vielen Ländern teil. Sie bietet Kompositionstudentinnen und -studenten sowie jungen Profis die Möglichkeit, während zwei Wochen mit Weltklassekünstlern zu arbeiten, sich untereinander auszutauschen und weiterzubilden. Das Festival bietet Konzerte mit Musik aus dem 20. und 21. Jahrhundert und ein reichhaltiges Musikvermittlungsprogramm. Die ersten drei der zwölf Festivaltage legen einen Schwerpunkt auf österreichische Komponisten und Interpreten.

Ausführliche Informationen zu Hintergründen, Akademie und Festival auf der Website des Vereins:

http://www.impuls.cc/de/home.html
 

Gestik und historische Schauspieltechniken

Deda Cristina Colonna unterrichtet ab dem Herbstsemester 2021/22 das Fach «Gestik und historische Schauspieltechniken» an der Schola Cantorum Basiliensis.

Deda Cristina Colonna (Foto Ivan Muselli)

Deda Cristina Colonna ist Regisseurin und Choreografin. Ihr bevorzugtes Repertoire ist die Oper des 17. und 18. Jahrhunderts sowie zeitgenössisches Musiktheater. Die Arbeit ist stark beeinflusst von ihrer eigenen Bühnenerfahrung als Tänzerin und Schauspielerin. Ihre besondere Expertise liegt im Barocktanz, in der rhetorischen Gestik und im historisch informierten Schauspiel. Ausgehend von einer historisch informierten Bühnenpraxis sucht ihre Regie den Kontakt zum heutigen Publikum.

Deda Cristina Colonna erwarb Abschlüsse im Ballett am Civico Istituto Musicale Brera (Novara) und an der École Supérieure d’Etudes Chorégraphiques (Paris). Sie schloss ihre Studien an der Sorbonne (Paris) ab und spezialisierte sich auf Renaissance- und Barocktanz. Ausserdem absolvierte sie die Schauspielschule des Teatro Stabile di Genua und spielte in Produktionen von Shakespeare bis Cechov und Genet in Italien, Frankreich und Deutschland. Sie arbeitete mit der Kompanie «Theater der Klänge» (Düsseldorf) und war Solistin und Gastchoreografin bei der New York Baroque Dance Company.

Originalartikel:
https://www.fhnw.ch/de/die-fhnw/hochschulen/musik/schola-cantorum-basiliensis/aktuelles/neue-dozentin-deda-colonna

Moderne Erstaufführung in Murten

Im Rahmen des Festivals Murten Classics wird am 25. August das 4. Klavierkonzert der Genfer Komponistin Caroline Boissier-Butini (1786-1836) erstmals wieder zu hören sein.

Die 21-jährige Caroline Butini, porträtiert von Firmin Massot. Privatbesitz. Foto : Monique Bernaz

Schon 2016 hat Murten Classics die Genfer Komponistin Caroline Boissier-Butini in Erinnerung gebracht und zwar mit ihrem 6. Klavierkonzert La Suisse. Diesen Sommer nun ist ihr 4. Klavierkonzert im Serenaden-Konzert vom 25. August im Schlosshof Murten zu hören. Unter der Leitung von Yacin Elbay spielen die Pianistin Daria Korotkova und das Soundeum Chamber Ensemble.

Davor findet eine Buchvernissage sowie eine Konzerteinführung statt. Die Musikwissenschaftlerin Irène Minder-Jeanneret hat vor einigen Jahren mit ihrer Dissertation «Die beste Musikerin der Stadt» – Caroline Boissier-Butini (1786-1836) und das Genfer Musikleben zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Biografie der Pianistin aufgearbeitet. Die Autorin stellt die nun auf Französisch erschienene Biografie im Rahmen der Buchvernissage am  25. August um 17 Uhr vor. Ausserdem wird die moderne Erstausgabe des 4. Klavierkonzertes und der Fantaisie sur l’air de la belle Rosine präsentiert. 

Weitere Informationen zum Festival

 

Murten Classics vom 15. August bis 5. September 2021

Unterricht in 14 Ländern

Astona International ist eine zweiwöchige Sommermusikakademie für hochbegabte Streicherinnen und Streicher sowie Pianisten im Alter von 14 bis 22 Jahren. Die seit 33 Jahren bestehende Akademie ist seit 2010 im Kanton Zug stationiert.

Konzerte mit den jungen Talenten werden gestreamt. Symbolbild: Sigmund / unsplash.com,SMPV

Nachdem die Akademie im letzten Jahr Corona-bedingt annulliert werden musste, findet sie in diesem Jahr online statt. Seit dem 11. Juli werden die Studierenden (Violine, Bratsche, Cello, Klavier) von sechs renommierten Dozierenden unterrichtet. Die Lektionen finden dezentral statt, verteilt auf 14 europäische Länder. Der Online-Kurs richtet sich nach dem bewährten Astona-Präsenzprogramm: Privatlektionen, Klassenunterricht, Hauskonzerte und öffentliche Konzerte.

Leider verhindert der Online-Unterricht die Bildung von Kammermusikensembles und des Orchesters. An deren Stelle finden Praxisseminare und ein Kompositionswettbewerb für die Teilnehmenden statt. Täglicher Austausch und Abendsessions sorgen für das Astona-typische Zusammengehörigkeitsgeführt.

Die jungen Talente sind an zwei kostenlosen Streaming-Konzerten zu erleben:
Samstag, 17. Juli 2021, 20 – 21.15 Uhr und
Samstag, 24. Juli 2021, 20-21.15 Uhr (Galakonzert).
Streaming-Links über www.astona-international.ch
 

Verbier Festival leidet unter Coronainfektionen

Nachdem mehrere junge Mitglieder des Verbier Festival Orchestra (VFO) positiv auf Corona getestet wurden, muss das Ensemble seine Auftritte am Festival absagen. Ersetzt wird es durch das Verbier Festival Chamber Orchestra (VFCO).

Verbier Festival, Salle des Combins. Foto: © Nicolas Brodard

Laut einer Medienmitteilung des Festivals und eines Berichtes des Onlinemagazins Pizzicato verzeichnet das VFO einen Covid-Ausbruch. Das Orchester bestehe aus vorwiegend ungeimpften Stipendiaten zwischen im Alter von 18 und 28 Jahren, schreibt Pizzicato. Nachdem alle Orchestermitglieder isoliert worden seien, habe sie das Festival nach Hause geschickt.

Am Eröffnungsanlass des Festivals vom 16. Juli wird der Dirigent Valery Gergiev nun das VFCO dirigieren. Solisten bleiben der Pianist Denis Matsuev und der Trompeter Timur Martynov. Im ersten Abendkonzert stehen Schostakowitschs erstes Klavierkonzert und Prokofjews erste Sinfonie auf dem Programm, im zweiten Beethovens drittes Klavierkonzert und Prokofjews erste Sinfonie.

Pizzicato-Artikel:
https://www.pizzicato.lu/verbier-festival-hit-hard-by-covid-19/

Wie wir Sprache und Musik unterscheiden

Ein Team des Frankfurter Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik, des Max Planck NYU Center for Language, Music, and Emotion (CLaME) und der Arizona State University ist der Frage nachgegangen, wie wir Sprache und Musik unterscheiden

Symbolbild: Jaee Kim / unsplash.com,SMPV

Schon mehrfach wurde verglichen, wie Menschen Sprache beziehungsweise Musik wahrnehmen. Die Unterschiede sind jedoch schwer zu erfassen – vor allem, wenn es Überschneidungen gibt, wie bei Reimen oder in der Rap-Musik. Um die Grenzen besser abstecken zu können, initiierte das internationale Forschungsteam eine Online-Studie mit mehr als hundert Personen mit insgesamt 15 verschiedenen muttersprachlichen Hintergründen.

Im Fokus der Studie stand die Dùndún-Trommel. Diese wird im Südwesten Nigerias als Musikinstrument verwendet, aber auch zur Kommunikation eingesetzt. Die Trommel imitiert die tonale Sprache der Yorùbá, wodurch ein sogenanntes Sprachsurrogat entsteht. Das Team verglich die akustischen Eigenschaften sprachlicher und musikalischer Dùndún-Aufnahmen. Dann baten sie die Versuchspersonen, dieselben Aufnahmen anzuhören und anzugeben, ob sie Sprache oder Musik hörten.

Mithilfe der erhobenen Daten entwickelten die Forscherinnen ein statistisches Modell, anhand dessen vorhergesagt werden kann, wann ein Klangbeispiel als musikähnlich oder sprachähnlich wahrgenommen wird. Lautstärke, Tonhöhe, Klangfarbe und Timing erwiesen sich dabei als massgeblich. Ein regelmässiger Rhythmus und häufige Änderungen in der Klangfarbe lassen eine Sequenz beispielsweise eher musikähnlich klingen, während eine geringere Intensität und weniger Änderungen in der Tonhöhe sprachähnlich anmuten.

Originalartikel:
Durojaye, C., Fink, L., Roeske, T., Wald-Fuhrmann, M. und Larrouy-Maestri, P. (2021). Perception of Nigerian Dùndún Talking Drum Performances as Speech-Like vs. Music-Like: The Role of Familiarity and Acoustic Cues. Frontiers in Psychology 12:652673.
https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.652673

 

Junge Talente aus aller Welt zurück auf der Musikinsel Rheinau

Vom 16. bis 25. Juli 2021 findet auf der Musikinsel Rheinau die 11. Youth Classics Swiss International Music Academy (SIMA) statt. Nach einer Corona-bedingten Pause im 2020 profitieren über 60 begabte Musikerinnen und Musiker aus dem In- und Ausland während zehn Tagen im Rahmen von Solounterricht, Kammermusikunterricht und Workshops von den Erfahrungen international bekannter und renommierter Dozentinnen und Dozenten. Konzerte finden dieses Jahr aufgrund der Pandemie im internen Rahmen statt, sie werden aber als Livestream übertragen.

Archivbild SIMA 2018,SMPV

Die vom Verein Youth Classics getragene Swiss International Music Academy (SIMA) gehört zu den etablierten Schweizer Meisterkursen für talentierte junge Musikerinnen und Musiker (Violine, Viola und Violoncello) aus dem In- und Ausland. Nach einer Corona-bedingten Pause im 2020 nehmen dieses Jahr vom 16. bis 25. Juli über 60 Talente im Alter von 10 bis 25 Jahren – davon rund die Hälfte aus der Schweiz – an der 11. SIMA auf der Musikinsel Rheinau teil.

Hochstehender Unterricht und neue Einblicke
Wiederum konnten ausgewählte Dozentinnen und Dozenten renommierter Musikhochschulen des In- und Auslands, die grösstenteils auch als Solisten oder Orchestermusiker tätig sind, verpflichtet werden. Sie arbeiten während der Academy im Rahmen des Solounterrichts mit den Teilnehmenden. In den Lektionen werden den jungen Musikerinnen und Musikern technische Grundlagen vermittelt, es werden Werke interpretiert und die Teilnehmenden werden auf Wettbewerbe, Prüfungen und Probespiele vorbereitet. Ergänzend zum Einzelunterricht finden Proben mit Korrepetition für Streicher, Kammermusikunterricht bzw. Kammerorchesterproben sowie verschiedene Workshops in der Gruppe wie z.B. ein Geigenbaukurs statt.

Erkenntnisse zum Episodischen Gedächtnis

Erkenntnisse eines Forschungsteam des Instituts für Psychologie der Universität Bern zu unbewussten episodischen Gedächtnisprozessen dürften auch für die Musikpädagogik von Interesse sein.

Gehirnmodell frühes 20. Jahrhundert. Foto: David Matos / unsplash.com,SMPV

Unsere alltäglichen Erlebnisse speichern wir automatisch in unserem sogenannten Episodischen Gedächtnis ab, ein Gedächtnissystem, das auf der zentralen Hirnstruktur Hippocampus beruht. Bisher gingen Forschende davon aus, dass nur bewusst Erlebtes im Episodischen Gedächtnis und über den Hippocampus gespeichert wird und auch das Verhalten beeinflusst.

Eine neue Studie von Forschenden um Katharina Henke von der Universität Bern zeigt nun, dass auch unbewusst Erlebtes im Episodischen Gedächtnis gespeichert und verhaltenswirksam wird. Zudem entdeckten die Forschenden, dass nur das bewusst gelernte, aber nicht unbewusst gelernte Episodenwissen einem Vergessensprozess unterliegt. Die Erkenntnisse dürften auch Konsequenzen haben für Strategien des Auswendiglernens in der Musikpraxis.

Mehr Infos:
https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2021/medienmitteilungen_2021/unser_gehirn_vergisst_unbewusste_erlebnisse_nicht/index_ger.html

Mario Venzagos Violinkonzert als bio-piece?

Für sein Abschiedskonzert als Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters programmierte Mario Venzago sein Violinkonzert als Uraufführung. Das Werk trägt autobiografische Züge, ist aber nicht als musikalisches privates Tagebuch zu interpretieren.

Das Wort «bio-piece», eine Analogie zum englischen Kurzwort «biopic» für eine Filmbiografie, ist in Musikliteratur und -journalismus noch nicht sehr verbreitet. Das könnte darin begründet sein, dass der Gegenstand selbst bislang nie einen leichten Stand hatte. Die Frage, ob autobiografisches Komponieren statthaft oder auch nur machbar ist, wurde in der Musikgeschichte häufig diskutiert, kritisiert, sogar verspottet. Richard Strauss, der später selbst in dieser Richtung tätig werden sollte, empfahl etwa, doch lieber eine «Speisenkarte» zu vertonen.

Ob sich der «Erfolg» solcher Bekenntnismusik überhaupt nur einstellen kann, wenn der Komponist selbst bekannt genug, das dargestellte Schicksal drastisch und hart genug ist? Der Gedanke scheint in eine falsche Richtung zu führen. Abgesehen von der etwas fragwürdigen Kategorie des «Erfolgs» eines Kunstwerks muss dessen Qualität mehr aus dem «Wie», der Faktur, resultieren als aus dem «Was», dem aussermusikalischen Inhalt. Und verkörpert nicht jedes Musikstück ein (für sich stehendes) Stück Leben im weitesten Sinne, das sich dem Hörer mitteilt und in ihm subjektive Assoziationen wecken kann und soll? Bezüge zu realhistorischen Fakten herzustellen und Biografismen zu bemühen scheint dabei meist gar nicht nötig. Viele Komponisten tilgten oder negierten später die eigenen entsprechenden Informationen.

Musikalisches Sprechen im Solokonzert

Autobiografisches Komponieren ist nicht an bestimmte Formen gebunden. Richard Wagners Tannhäuser trägt starke autobiografische Züge, aber auch Richard Strauss’ Metamorphosen für 23 Solostreicher, Hector Berlioz’ Symphonie fantastique, Bedřich Smetanas erstes Streichquartett und viele andere Werke enthalten autobiografische Motive in expliziter oder verdeckter Form. Die Entscheidung für ein Solokonzert, die Mario Venzago getroffen hat, scheint in diesem Zusammenhang schlicht, klar und folgerichtig, ist hier doch unüberhörbar ein «Ich» am musikalischen Sprechen, das sich mit einer unmittelbaren Klangumgebung auseinandersetzt.

Mit knapp 73 Jahren zeigt sich der Dirigent Mario Venzago, der es sein Leben lang verstand, sein Publikum zu überraschen, zu berühren und zu begeistern, noch einmal von einer ganz neuen Seite. Zu seinem Abschiedskonzert mit dem Berner Symphonieorchester, dessen Chefdirigent er für elf Jahre war, bringt er am 24./25. Juni 2021 im Casino Bern ein eigenes Violinkonzert mit der grossartigen Geigerin Soyoung Yoon zur Uraufführung. Noch herrschen Pandemiegesetze, doch die strengen Auflagen der Regierung werden für dieses Konzert exklusiv gelüftet und erstmals 600 Zuschauer zugelassen. So wirkt der Saal gut gefüllt mit einem musikhungrigen Publikum, das Venzagos exquisites Programm (fast ausschliesslich Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts, davon drei Chefdirigenten des Berner Symphonieorchesters) mit grosser Wachheit, Dankbarkeit und frenetischem Applaus entgegennimmt.

Dirigentisches Leben in fünf Sätzen

Das Violinkonzert steht am Schluss des Abends, nach einem Satz («Nachklang») aus Fritz Bruns siebter Sinfonie, den Orchestervariationen op. 20 von Paul Kletzki und der Symphonie liturgique von Arthur Honegger. Eine bemerkenswerte Zusammenstellung voll innerer Bezüge; insbesondere scheint die Honegger-Sinfonie bei der Komposition des Violinkonzerts Pate gestanden zu haben. Technisch ist dieses für die Musiker das bei Weitem anspruchsvollste Werk des Abends.

Die Komposition profitiert von Venzagos 40-jähriger praktischer Dirigiererfahrung: So entstehen faszinierende, immer neue Orchesterfarben und -bewegungen, eine zwar mörderische, aber dennoch perfekt geigerische Solopartie und eine sorgsamst ausgearbeitete Balance und Transparenz, die Einblick in einen vielschichtigen Klangkosmos und fantasievolle Strukturen gibt. Mario Venzago, den man als heiteren, humorvollen Menschen mit grossem unterhalterischem Talent kennt, stellt sein Violinkonzert dem Publikum als autobiografisches und sehr persönliches Werk vor, das in fünf Sätzen ebenso viele Stationen seines dirigentischen Lebens durchlaufe. Umso überraschender, ja bestürzender ist es, dass dieses «Bekenntnis» im Ganzen so tief melancholisch wirkt.

Die spannungsgeladenen ersten Takte stellen eine Zwölftonreihe vor, die dem Werk als «Ich»-Thema zugrunde liegt. Sie geht alsbald in eine Reihe wiederkehrender entsetzlicher, unnachgiebiger Schläge über, zwischen denen sich die Sologeige als Individuum windet und verzweifelt kämpft. Ein Zu-Atem-Kommen oder Verweilen gibt es kaum, die Vorwärtsbewegung wirkt wie ein unaufhaltsamer Zwang. Es erklingen scheinbar humorvolle Anspielungen, wie Schuberts Taubenpost, schwungvolle Tango- und Walzerklänge (für den Abschnitt «Bern»). Die Heiterkeit wirkt, wie auch in der Original-Taubenpost, vorgetäuscht. Zwei chromatische «Aufstiege», inspiriert von Ludwig Hohls Bergfahrt, bestimmen und verklammern das Konzert über weite Strecken.

Spaziergänge sind es nicht. Sie gleichen mehr einem mühsam-gewaltsamen Sich-Aufwärts-Schieben in winzigen Intervall-Schritten, begleitet von Stein- bzw. Tiefschlägen, bisweilen auch ganzen Geröll-Lawinen. Das im Ganzen unendlich mühevolle Aufsteigen – wohl eine Metapher für die (Künstler-)Karriere – wird damit zum Generalthema, Getriebenheit und Agonie sind Konstanten im Stück. Schrecklichen, gewaltsamen Strömen und hilfloser Einsamkeit in eisiger «Höhe» ausgesetzt, erreicht das «Ich» dieser musikalischen Erzählung doch nie den Gipfel. Einen Ruhepunkt schafft einzig die zweimalige Betrachtung eines (desolaten) Gebirgssees – hier begleiten die Holzbläser in höchster Lage die Sologeige.

Die Violinen fehlen in diesem Konzert; in der dadurch entstehenden Leere bewegt sich die Sologeige gemeinsam mit dem Konzertmeister, der ihr laut Venzago «Stütze und Bergführer» sein soll. Die Einsamkeit wird dadurch nicht geringer; eher meint man eine Verdoppelung des Ichs oder seinen Schatten wahrzunehmen. Als Gegenüber meldet sich hier höchstens der Wahnsinn in Gestalt des gnadenlos klingelnden Cymbal antique, das der Solostimme streckenweise solistisch begegnet, und in knappster Schostakowitsch-Reminiszenz klopft auch der Tod auf dem Woodblock schon kurz an die Türe. Triumph, der ja auch Teil eines solchen «Lebenslaufs» sein könnte, stellt sich nirgends ein. Die Sehnsucht, die das Taubenpost-Zitat mitbringt – worauf richtet sie sich? Man erfährt es nicht, vielleicht weil man die privaten Verklausulierungen des Werks nicht kennt, man hört leicht schimmelige, chromatisch verfärbte Terzen und Sexten wie Chiffren bitterster Selbstironie.

Lebensschmerz in überwältigenden Klängen

Indem die Künstlerlaufbahn zum Hauptgedanken dieser musikalischen Lebensbeschreibung wird, scheint ein bestimmtes Menschenbild evoziert, das unsere Epoche massgeblich geprägt hat und wohl noch weiter prägt. Der Leistungsethiker, der Mensch, der sein ganzes Streben nach seiner persönlichen Leistung und deren Erfolgen ausrichtet, erscheint hier in der Sonderform des Künstlers, der für die Musik sein Leben hingibt. In diesem Beruf ist Perfektion ein Muss, die «Ehe» unauflöslich, das damit verbundene Leiden unausweichlich. Auch wenn der christliche Glaube offenbar als Heilsmöglichkeit anklingt, z.B. in Form einer Reminiszenz an das Einsiedler Salve Regina, ist doch das Petrus-Wort «und weinete bitterlich» bzw. die entsprechende Melodieparaphrase aus der Johannespassion, verschränkt mit der das Werk bestimmenden Zwölftonreihe, das Schlusswort der Komposition.

Die Erkenntnis einer nicht rückgängig zu machenden Verfehlung? Eines verfehlten Lebens gar? Gleichzeitig eine Huldigung an den für Venzago grössten aller Komponisten, Johann Sebastian Bach? Der Schmerz dieses Haupt- und Schlussgedankens teilt sich in grosser Intensität mit. Erst im langen Nachklang der letzten Takte könnte eine Ahnung von Trost enthalten sein. Dass diese Lebens-Botschaft hörbar, ja verstehbar wird, scheint die Hoffnung des Stücks. Dass die Klangsymbolik und Musiksprache sich unmittelbar mitteilen und vielfältigste Assoziationen wecken, und dass der Schmerz in so überwältigenden musikalischen Farben und Klängen leuchtet, ist eine bewundernswerte kompositorische Leistung.

Aus der musikalischen Schilderung solchen Lebensschmerzes nun wiederum auf eine seelische Verfasstheit des Komponisten rückzuschliessen, wäre irreführend. Ein bio-piece ist kein privates Tagebuch. Zwar mag ihm eine persönliche Aussage zugrunde liegen, und das Persönliche steht stark im Raum, wenn der Komponist auch noch selbst dirigiert und moderierend darauf hinweist. Dennoch ist die persönliche Aussage, ist jedes autobiografische Motiv, in Töne, in Form gegossen, naturgemäss stilisiert. Es verselbständigt sich zu einem Neuen, das den Anfangsgedanken auf andere Ebenen führt. Das Leiden des Ichs wird zur conditio humana. Die Musik evoziert nicht nur das Leiden selbst, sondern auch den empathischen Blick darauf. Auch dieser Vorgang, die Verwandlung von womöglich Erlebtem in Gültiges, lässt sich als Metapher einer Werkgenese in den «Aufstieg»-Passagen lesen. Der Begriff des bio-piece bezeichnet somit lediglich den äusseren Rahmen einer Komposition und einen speziellen Typus von Ausgangsmaterial. Für die Verarbeitung, das «Wie» und seine Interpretation sind andere Aspekte massgeblich.

Partitur und Material zu Mario Venzagos Violinkonzert werden bei der Universal Edition Wien verlegt.

Dorothea Krimm
… ist Musikwissenschaftlerin und leitet die Bibliothek der Bühnen Bern.

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