Instrumentenbau mit Kleinkindern

Die Kalaidos Musikhochschule bietet seit 2020 ein CAS Bambusflöte an. Nun haben die ersten Studierenden die Weiterbildung abgeschlossen und stehen schon mitten im Berufsleben.

Hanspeter Janzi (HJ) hat eine Schreinerlehre gemacht und an der Musikhochschule Luzern Posaune studiert. Vor Kurzem hat er das CAS Bambusflöte der Kalaidos Musikhochschule abgeschlossen. Er spielt in verschiedenen Ensembles und unterrichtet an mehreren Musikschulen, 2021 übernahm er auch eine Bambusflötenklasse. In seiner Freizeit ist er gerne mit seiner Familie in den Bergen unterwegs.
Denise Schär-Plüss (DSP) hat Klarinette an der Hochschule der Künste Bern studiert und ein
Lehrdiplom für Bambusflöte erworben. Sie unterrichtet an den Musikschulen Aaretal und Solothurn und ist Dozentin im CAS Bambusflöte. In ihrer Freizeit spielt und hört sie verschiedenste Musikstile von Renaissance bis Jazz, macht Spaziergänge mit ihren Hunden und reist.

Erwähnen wir den Bambusflötenunterricht, ernten wir beim Gegenüber manchmal ein Schmunzeln. Wird der Unterricht auf der Bambusflöte ernst genug genommen?
HJ:
Manche Leute denken, wir machen etwas wie ‘betreutes Basteln mit Musik’ und sind erstaunt, wenn sie erfahren, dass wir das Instrument selber bauen. Die Bambusflöte ist komplett gestimmt und hat einen chromatischen Tonumfang von 1 ½ Oktaven. Aus dem Schmunzeln wird dann meistens ein Staunen.
DSP: Ein Schmunzeln habe ich noch nie erlebt! Mir kommt nur bewunderndes Staunen entgegen, dass es möglich ist, mit Kindern ein vollwertiges chromatisches Instrument zu bauen und darauf zu musizieren.

Das ist wirklich erstaunlich. Ab welchem Alter ist man fähig, seine eigene Bambusflöte zu bauen?
DSP:
Der Unterricht richtet sich an Kinder ab 4 oder 5. Nachdem sie eine Sopran- und ev.
eine Altflöte gebaut haben, wechseln sie meist auf ein anderes Instrument. Im Elementarunterricht kann sich aber auch eine Passion für Instrumentenbau entwickeln: Manche Kinder wollen das gesamte Flötenquartett bauen!
HJ: Bei uns an der Musikschule beginnen viele zwischen 2 und 5 Jahren mit einem ElternKind-Musikkurs. Wenn sie dann ein Instrument lernen möchten, sind sie u. U. noch zu jung.
Als Übergang können sie mit der Bambusflöte musikalische Grundlagen erlernen. Das
Spezielle ist, dass jedes Kind sein Instrument selber baut. Denn wer von uns
Berufsmusiker*innen hat sein Instrument schon einmal selber hergestellt? Ich als Posaunist sicher nie.

Als Geigerin und Pianist können wir das von uns auch nicht behaupten. Müssen wir uns eine Gruppe singender Kinder mit Werkzeugen vorstellen, oder wie sieht der Elementarunterricht mit der selbstgebauten Bambusflöte konkret aus?
DSP:
Bunt und vielseitig! In Kleingruppen finden gut rhythmisierte Lektionen statt, die musikalisch-spielerische und handwerkliche Elemente enthalten. Sämtliche Schritte für den Flötenbau führen die Kinder selber aus, mit Bohrer, Säge und Feilen. Beim Ausarbeiten der
Löcher wird ihr Gehör geschult, denn sie müssen so lange feilen, bis der richtige Ton erklingt.

Der Flötenbau ist also auch Teil der CAS-Ausbildung?
HJ:
Genau. Damit man Freude am Unterricht hat, ist es wichtig, eine gute Bambusflöte zu bauen. Das erfordert Übung und Geschick. Auch das Spielen auf der Bambusflöte will gelernt sein.

Welche Inhalte werden im CAS Bambusflöte sonst vermittelt?
DSP:
Neben Flötenbau und Spieltechnik und -praxis besteht das CAS aus den Modulen
Methodik, Praktika und der Abschlussprüfung. Wie von Herrn Janzi angedeutet, braucht der Flötenbau am meisten Zeit. In Methodik und Praktika liegt der Schwerpunkt auf ‘Learning by doing’ und dem Unterricht auf Elementarstufe. Das CAS kann nach einem Vorkurs berufsbegleitend von diplomierten Musiker*innen besucht werden.

Herr Janzi, wie lässt sich die Ausbildung mit Privat- und Berufsleben verbinden?
HJ:
Eigentlich recht gut, da wir die Unterrichtszeiten selber definieren konnten und die Dauer von ca. einem Jahr überschaubar ist.

Sie sind beide ausgebildete Berufsmusiker*in. Gibt es Möglichkeiten, die Ausbildung mit anderen Berufslaufbahnen zu absolvieren?
DSP:
Für Personen aus pädagogisch-sozialen Berufen mit Hochschulabschluss bietet der Verband Bambusflöten Schweiz zusätzlich zum Baukurs einen Vorkurs in Musik an, so ist der Einstieg in das CAS möglich.

Positionspapier von Sonart

Die Sonart-Mitgliederversammlung hat ein Positionspapier zur Verbesserung der sozialen und beruflichen Rahmenbedingungen im Kulturbereich verabschiedet. Ausserdem stimmte die Mitgliederversammlung der Integration des Verbands der Film- und Medienkomponierenden Smeca zu.

Michael Kaufmann präsidiert Sonart-Musikschaffende Schweiz. Foto: zVg/Archiv SMZ

Mit dem Positionspapier startet Sonart (Musikschaffende Schweiz) laut seiner Medienmitteilung eine sozial- und berufspolitische Kampagne: Das 7-Punkte-Programm soll als Leitlinie dienen und deckt verschiedene Bereiche der beruflichen und sozialen Rahmenbedingungen ab. So geht es unter anderem um soziale Sicherheit und Berufslaufbahnen: Sonart fordert einen besseren Schutz für Selbständigerwerbende bei Lohnausfall und eine Verbesserung der Bedingungen beim Einstieg in den Berufsalltag.

Weitere Forderungen betreffen die Weiterführung der Covid-19-Massnahmen sowie die regionale und nationale Kulturpolitik. Sonart setzt sich für eine Stärkung der Kulturpolitik ein und tritt den Reduktionen von Kulturbudgets auf allen Ebenen entgegen.

An der Sonart-Mitgliederversammlung wurde zudem die Integration des Verbands Smeca in Sonart beschlossen. Smeca ist der Verband der Film- und Medienkomponierenden und hat rund hundert Mitglieder.

Link zum Positionspapier:
https://www.sonart.swiss/files/Verband/Mitgliederversammlung/MV%202022/SONART-Positionspapier_Leben%20von%20der%20Musik%20nach%20der%20Pandemie_MV%202022_final.pdf

Rückschau auf ein fruchtbares Leben

Die Gespräche, die Max Nyffeler mit Hans Zender geführt hat, werden ergänzt durch eine Aufnahme von Debussys «La Mer» aus dem Jahr 1975. Zender dirigiert das Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken.

Rückschau auf ein fruchtbares Leben
Hans Zender 2018. Foto: Max Nyffeler

An seinem Alterssitz über dem Bodensee hält Hans Zender Rückschau auf sein Leben und gibt Einblick in sein Denken: ein gebildeter und vielseitig interessierter Künstler, der als Dirigent und Komponist das deutsche Musikleben während einem halben Jahrhundert befruchtete. Sein Wirken fällt in die goldene Zeit des ARD-Rundfunks, als der zeitgenössischen Musik breiter Raum und entsprechende Produktionskapazitäten eingeräumt wurden. Davon wusste Zender insbesondere in den dreizehn Jahren seines Wirkens als Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken (1971–1984) Gebrauch zu machen. Er tat dies nicht so sehr zu seinem eigenen Nutzen als zu dem von Komponistenkollegen wie Helmut Lachenmann, der in diesem Filmporträt ausführlich zu Wort kommt und Zender neben vielem anderem eine überlegene Instrumentationskunst attestiert. Zenders schöpferische und nachschöpferische Tätigkeiten stimulierten sich gegenseitig. So wusste er etwa in den Partituren Gustav Mahlers eine Modernität des Klangs hörbar zu machen, die für gewöhnlich in philharmonischer Üppigkeit untergeht. Obwohl für Zenders Selbstverständnis das Komponieren stets zentral war, stand dieses lange Zeit im Schatten seiner Aktivitäten als Dirigent. Vielleicht nicht zufällig gelang ihm erst mit der Bearbeitung eines Klassikers, der schubertschen Winterreise, ein Welterfolg.

Der Film von Reiner E. Moritz veranschaulicht Zenders Wirken mit vielen Konzert- und Probenausschnitten, die einen auch im fortgeschrittenen Alter vifen und inspirierenden Musiker zeigen. Den roten Faden bilden Zenders Äusserungen aus einem mehrtägigen Interview, das Max Nyffeler im Jahr 2018 mit dem gesundheitlich sichtlich angeschlagenen Pensionär führte. So ist der Film zu einem Abgesang geworden, nicht nur auf eine historisch einmalige Phase der Musikkultur, auch auf Hans Zender selbst, der am 23. Oktober 2019 gestorben ist.

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Hans Zender – Thinking with your senses. Ein Film von Reiner E. Moritz. Inkl. Debussys «La Mer», Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, Leitung Hans Zender, 1975. Arthaus Musik-DVD, EAN 4058407094388

Marta Walter Preis

Die SMG verleiht den Marta Walter Preis (vormals Hand-schin-Preis) an Dr. Stephan Klarer, der mit seiner Dissertation «Pater Roman Bannwart und die Einsiedler Choralpraxis» an der Universität Graz und der Zürcher Hochschule der Künste promoviert wurde.

Helen Gebhart — Im Interview gibt er Einblick in seine Arbeit.

Stephan Klarer, welche Bedeutung hat der Marta Walter Preis für Sie?

Der Preis ist für mich eine grosse Ehre und in mehrfacher Hinsicht eine riesige Freude: Eine Prämierung im Bereich der Gregorianik-Forschung, die eher ein Randgebiet der Musikwissenschaft in der Schweiz darstellt, ist überaus erfreulich. Dass ich als Kandidat mit einem Fachhochschul-Hintergrund diesen renommierten Preis gewinnen darf, macht mich sehr stolz. Es zeigt, dass in unserem Fachgebiet die alten institutionellen Gräben überwunden scheinen und man sich als gleichwertige Partner wahrnimmt.

Sie sind Kirchenmusiker, Kapellmeister, haben auch Fagott studiert und lehren als Dozent an der ZHdK. Inwiefern beeinflussen Ihre vielseitigen Ausbildungen und Erfahrungen ihre Forschung?

Da ich erst nach über zwei Jahrzenten künstlerischer und pädagogischer Tätigkeit zur Wissenschaft gekommen bin, ist mir der Transfer zwischen Forschung und musikalischer Praxis sehr wichtig. Ich suche nach Berührungspunkten und fördere den aktiven Austausch auch in meiner täglichen Berufspraxis.

Aufgrund meiner Themenwahl für die Dissertation sowie meiner Lehrtätigkeit im Profil Kirchenmusik an der ZHdK hatte die geistliche Musik bisher ein gewisses Übergewicht in meiner Forschungsarbeit. Ich möchte aber meine Erfahrungen als Instrumentalist und Dirigent in Zukunft ebenfalls in meine Forschungsprojekte einfliessen lassen. Ideen habe ich viele, die Zukunft wird zeigen, welche sinnvoll umsetzbar sind.

Wie sind sie zum Thema «Pater Roman Bannwart und die Einsiedler Choralpraxis» gekommen?

P. Roman Bannwart war mein Gregorianik-Lehrer. Seine Persönlichkeit, seine Begeisterungsfähigkeit und sein didaktisches Geschick haben mich immer beeindruckt. Es war für mich auch selbstverständlich, dass ich in meiner Praxis – ich leite seit über 30 Jahren Gregorianik-Ensembles – in seinem Sinne arbeite. Meine Lehrtätigkeit und mein Engagement in der AISCGre (Associazione Internazionale Studi di Canto Gregoriano) haben mich allerdings auch mit anderen Gregorianik-Spezialisten und deren Interpretationspraxis in Kontakt gebracht. So begann ein persönlicher Entwicklungsprozess, bei dem aber Bannwart stets die Vergleichsgrösse blieb. Irgendwann wollte ich genauer wissen, was denn das Besondere an seiner Art Choral zu singen war. Ich besprach dies mit Dominik Sackmann, meinem Kollegen an der ZHdK, und er ermutigte mich, dieser Fragestellung in einem Dissertationsprojekt auf den Grund zu gehen.

Könnten Sie einige zentrale Erkenntnisse aus Ihrer Arbeit zusammenfassen?

Als Gregorianik-Interpret war Roman Bannwart in erster Linie Musiker. Der Fokus seiner Arbeit lag auf der vokalen, klanglichen, formalen und spannungsmässigen Umsetzung der einstimmigen Gesänge, weniger auf den theologischen Hintergründen der Texte. Eine weitere wichtige Grundlage seiner Interpretationspraxis war die von ihm selber oft zitierte «Tradition des Hauses», die in meiner Arbeit zum ersten Mal genauer untersucht und konkretisiert werden konnte. Auf diesen zwei Grundpfeilern entwickelte Bannwart seine Gesangspraxis in den eindrücklichen 60 Jahren seiner Tätigkeit auch immer weiter, stets orientiert an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Wie wurde das musikalische Leben des Klosters Einsiedeln in der Musikgeschichte bisher reflektiert?

Es gibt einige Veröffentlichungen zur allgemeinen Musikgeschichte des Klosters und zu Musikalien aus der Musikbibliothek (u.a. in der Reihe Musik aus Schweizer Klöstern der SMG). In der breiten Musikgeschichte kommt Einsiedeln allerdings nur im Zusammenhang mit der Entstehung der Neumenschrift und den ersten Handschriften aus dem 10. Jahrhundert vor. Über den weiteren Weg, den die Gregorianik in späteren Jahrhunderten gegangen ist, findet man kaum etwas, geschweige denn über die Geschichte der Einsiedler Gregorianik im 19. und 20. Jahrhundert. Diese Lücke konnte ich mit meiner Arbeit ein Stück weit schliessen.

Gibt es etwas, was Sie in Ihrer Forschung zum Kloster Einsiedeln besonders fasziniert hat?

Es war beeindruckend, die Neugier und die Schaffenskraft der musikverantwortlichen Mönche in hunderten von Archivalien in der Musikbibliothek zu entdecken. Da wurde nicht einfach eine Pflicht erfüllt, sondern die Klostermusiker strebten nach künstlerischer Qualität, meist auf der Basis von damals aktuellen Forschungsergebnissen.

Ebenfalls Eindruck gemacht hat mir die Hilfsbereitschaft und Offenheit der Verantwortlichen in Einsiedeln, allen voran Pater Lukas Helg, der ehemalige Stiftskapellmeister und Musikbibliothekar. Ich durfte mich als erstes in P. Romans Mönchszelle umsehen, in der sich noch etliche interessante und wichtige Unterlagen und Dokumente befanden. Auch die Bestände der Musikbibliothek standen mir zur Verfügung, sämtliche Bücher, aber auch Manuskripte mehrerer Generationen von Klostermusikern.

Woran arbeiten / forschen Sie aktuell?

Aktuell arbeite ich an der Buchproduktion meiner Dissertation, die in der Reihe Zürcher Musikstudien erscheinen wird. Zudem bereite ich zwei weitere Forschungsprojekte vor, eins zur Musikförderung durch Zürcher Zünfte und eins zur Gesangbuchgeschichte in Zürich.

EOV-Reise ans EOFed-Festival in Plovdiv

Nach Abklingen der Corona-Pandemie konnten nun das 12. European Orchestra Festival und die EOV-Reise im Vorfeld vollumfänglich durchgeführt werden. Teilnehmerin Barbara Steinmann berichtet über die unvergessliche Reise nach Plovdiv, Bulgarien.

Barbara Steinmann — Bereits am ersten Abend in Sofia entführt uns bei Kerzenschein Ventseslav Nikolov, einer der bedeutendsten Musiker Bulgariens in die Klangwelt seines venezianischen Cellos aus dem Jahr 1726, mit Musik von Bach bis zurgeorgischen Volksmusik von heute. In diesem Ambiente entwickelt sich rasch eine heitere Stimmung in un-serer Gruppe, die vorwiegend aus Geige spielenden Mitglieder diver-ser Schweizer Amateurorchester besteht.

Georgi Palahutev, unser hervorragender staatlich geprüfter Wanderführer und Reiseleiter sowie zeitweise seine Frau und die Tochter des Cellisten begleiten uns auf der gesamten Reise. Sie vermögen uns mit ihrem unglaublich differenzierten Wissen und spannenden Erzählstil für die eindrückliche und vielfältige Geschichte und Kultur Bulgariens zu begeistern und lassen uns auf den Wanderungen durch das Vitosha-Gebirge oder die Karstlandschaften bei Veliko Tarnovo die Schönheiten der dünn besiedelten Natur entdecken.

Schildkröte, Pfingstrosen und Kloster

Unerwartete Begegnungen mit einer Schildkröte, wilden tiefroten Pfingstrosen oder dem Affenknabenkraut lassen die Herzen der Botaniker*innen unter uns höher schlagen. Das riesige Rila-Kloster (Unesco Weltkulturerbe) in der Nähe der griechisch-mazedonischen Grenze mit zugehöriger Einsiedelei des Gründers Ivan Rilski, das idyllisch gelegene Preobrazhenski-Kloster im Norden oder die in einer Scheune versteckte Kirche mit einzigartigen Fresken zeugen von reicher bulgarisch-orthodoxer Kirchengeschichte.

Sakraler Höhepunkt der Reise ist ein Konzert in Sofia mit christlich-orthodoxen Gesängen. Die stimmgewaltigen Chorleute und Solist*innen begrüssen uns vor der Kirche mit Ostergebäck. Ergriffen und zu Tränen gerührt, lauschen wir ihrem überwältigenden Gesang.

Viele junge Musiker*innen

Nach dem Besuch einer Rosenöldestillerie im Rosental, unserer letzten Reiseetappe, fahren wir, umhüllt von Rosenduft, nach Plovdiv, wo uns in der riesigen Eingangshalle des Hotels Ramada mit einem Hauch von leicht abgewirtschafteter «Grandezza» aus früheren Zeiten emsiges Treiben erwartet. Die Registrierung fürs 12. EOFed-Festival läuft, 350 Angemeldete mit starker Vertretung der jungen Generation.

Nelleke Greusebroek, Holländerin und Vizepräsidentin der European Orchestra Federation (EOFed), begrüsst uns herzlich. Für individuell Teilnehmende finden Workshops von Barock, über Klassik, Film bis zu bulgarischer Volksmusik und Jazz in den Räumen des Hotels statt. Mit Enthusiasmus wird zwei Tage auf hohem Niveau mit hochmotivierten Dirigent*innen geprobt. Abends finden bereits die ersten Konzerte der angemeldeten (Jugend-)Sinfonieorchester und Ensembles, unter anderem aus Lettland, Estland, Ungarn, Bulgarien und Deutschland, im Roman Theater unter freiem Himmel statt. Dieses liegt inmitten der wunderschönen Kulturhauptstadt Plovdiv. Keine Hektik auf den Strassen, lebendiges Treiben in den Cafés, mediterrane Stimmung, Schach und Karten spielende Män-ner in den Parks, ideales Parkett zur Durchführung eines Orchesterfes-tivals! Dem Präsidenten Jüri-Ruut Kanguur, Johannes Reinhard, Daniel Kellerhals und den Organisationsteams muss man ein Kränzchen winden, alles verläuft einwandfrei!

Swing, Openair und Wind

Am letzten Tag warten die Workshopteilnehmenden an verschiedenen Standorten fiebrig auf ihre Auftritte, knüpfen Kontakte. Musik ist völkerverbindend! Das Niveau der Darbietungen ist hoch, das Publikum in guter Laune. In Erinnerung bleibt der erste «swingige» Satz aus der Sinfonie Nr. 1 in e-Moll von Florence B. Price, einer vergessenen afroamerikanischen Komponistin (1987–1953). Am Abend der krönende Abschluss im Roman Theater mit Openair-Stimmung. Nicht einmal der Wind, der hin und wieder die Noten von den Ständern wegfegt, vermag die estonischen Spieler*innen zum Schweigen zu bringen, die «kehligen» Lieder der bulgarischen Sängerinnen hallen nach, der 7/8 Takt, gespielt vom Orchester, ebenfalls.

Mit einem Hauch von Wehmut denken wir an die wunderbare Zeit in Bulgarien zurück. Ein herzliches Dankeschön geht an Hedi Boller für die tolle Organisation der EOV-Reise!

Aaraus Kulturförderung wird digital

Ab sofort können Kulturschaffende ihre Gesuche an die Stadt Aarau digital eingeben. Ein Online-Tool ersetzt die bisherige Gesuchseingabe per Post und E-Mail.

Foto: Christin Hume/unsplash.com (s. unten)

Kulturschaffende können die Gesuche auf der Webseite aarau.ch unter «Kulturförderung» eingeben. Informationen zu den Eingabekriterien sind auf der städtischen Webseite aufgeführt. Neben einem Projektbeschrieb müssen Kulturschaffende unter anderem ein Budget und einen Finanzierungsplan einreichen.

Förderanträge können ausschliesslich über das Online-Formular eingereicht werden. Die nächsten Eingabetermine sind 1. Oktober 2022, 31. Januar 2023 und 31. Mai 2023.

Musik-Kurswochen Arosa mit 1300 Anmeldungen

Mitte Juni startet die 36. Ausgabe der Musik-Kurswochen Arosa. Bereits haben sich 1300 Teilnehmende zu den rund 130 Kurswochen angemeldet. Und täglich werden es mehr.

Angela Buxhofer — Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Kurswochen für Volksmusik, Alphorn und Böhmische Blaskapelle. Wer noch einen Kurs besuchen möchte, findet auf der Internetseite musikkurswochen.ch alle Informationen zu den Kursen, Anmeldung und freien Plätze. Einige Kurse sind bereits ausgebucht.

20 verschiedene Meisterkurse Arosa

Unter dem Label «Meisterkurse Arosa – Masterclasses Arosa» bündelt Arosa Kultur alle jene Kurse der Musik-Kurswochen Arosa, die das Niveau von Meisterkursen anbieten. Insgesamt sind es rund 20 Einzelkurse für verschiedene Instrumente. Ein spezielles Angebot innerhalb der Meisterkurse ist die «AROSA MUSIC ACADEMY“, welche Einzelunterricht mit intensivem Kammermusikunterricht kombiniert.

Als Dozierende bei den Meisterkursen sind bekannte Musikerinnen und Musiker wie Maurice Steger, Simon Fuchs, Priya Mitchell, Lars Mlekusch, Markus Fleck, Sarah O‘Brien und viele andere tätig.

Attraktive Auszeichnungen für Teilnehmende der Meisterkurse

Arosa Kultur hat für Teilnehmende der Meisterkurse attraktive Auszeichnungen geschaffen. Der Hans-Schaeu-ble-Award wird an maximal neun Teilnehmende vergeben. Ein Award beinhaltet ein Konzertengagement im Rahmen des Festivals Arosa Klassik im darauffolgenden Winter. Dabei bietet Arosa Kultur die Möglichkeit für kammermusikalische Auftritte mit renommierten Musikern.

Der Award kann dank der finanziellen und ideellen Unterstützung der Hans Schaeuble Stiftung vergeben werden.

Die Stiftung Villa Musica aus Rheinland-Pfalz DE vergibt attraktive und begehrte Stipendien an ausgewählte Musik-Studentinnen und Studenten. Teilnehmende der arosa music academy für Streicher bekommen die Möglichkeit für ein exklusives Vorspiel für ein Stipendium der Villa Musica.

Alle Informationen zu den Meisterkrusen gibt es unter:

masterclassesarosa.ch.

Kultursommer Arosa mit breitem Kulturangebot

Offiziell eröffnet wird der Kultursommer Arosa 2022 am Freitag 8. Juli mit dem Zwei-Personen Theater Via Mala mit Gian Rupf und Volker Ranisch. Weitere Höhepunkte das Kultursommers das Solokonzert des Schweizer Jazzpianisten Yves Theiler, die Volksmusikcombo obsigänt, eine Lesung mit Ueli Haldimann über Thomas Mann, das Abschiedskonzert der Hannelimusig oder die Operproduktion Der Pralinésoldat von Oscar Straus mit der Oper im Knopfloch. Jeden Dienstag vom 28. Juni bis am 11. Oktober finden um 17 Uhr die Dienstags-Konzerte statt mit vielen Bündner Musiker*innen und Kursleiter*innen der Musik-Kurswochen Arosa.

Sympathisch: Bei einigen Veranstaltungen ist die Bahnfahrt Chur-Arosa-Chur im Ticket inbegriffen. Und bei schönem Wetter finden viele der Veranstaltungen auf der Open-Air Waldbühne Arosa statt.

Ebenfalls auf der Waldbühne finden im Juli und August jeweils montags die Kinderanlässe von Arosa Kultur statt.

Tickets für den Kultursommer können nur per Anmeldung reserviert werden:

+41 (0)81 353 87 50 oder

ticketing@arosakultur.ch.

Alle Informationen sind auf

www.arosakultur.ch zu finden.

Tag of Lehre 2022

The Conference of Swiss High Schools of Music organizes a day of reflection and discussion each year on a defined theme. Focus in this article on the Tag der Lehre 2022.

Antoine Gilliéron — Students as authors of their courses. This is the subject around which the pedagogical day will be organized, which will take place on Friday, October 21, 2022 in Lausanne. To question this idea, about twenty guests from each of the eight higher music schools that make up the landscape of higher education in Swiss music will be present.

Creation

Starting from the fundamental humanist postulate stipulating that human beings are the author of their own destiny, music study courses would benefit from being even more centered on the learner, with the aim that the latter can become ever more active. source of his training.

Ainsi, une individualisation accrue des curriculums permettrait de renforcer la logique profonde des études musicales tertiaires qui visent in fine à ce que des musicien.nes investissent la société par le truchement de leur art et de leur sensibilité à dessein de la bonifier.

Dès lors, trouver un équilibre fin entre cette nouvelle vision de la formation, avec ses implications organisationnelles, et les anciennes formes de structuration curriculaires s’annonce comme un des enjeux de cette journée.

Employabilité

Au-delà du temps des études, cette nouvelle manière de concevoir les cursus dans une veine plus flexible tout en répondant aux obligations curriculaires de la systématique Bachelor-Master née de la réforme de Bologne, induit un conséquence éminemment positive sur l’emploi.

Il est vrai en effet qu’au sein des grandes transformations sociétales à l’œuvre, notamment numérique, une majorité des emplois du futur ne sont pas connus et une diffusion transversale de compétences-clés à acquérir (à l’instar de la créativité, l’adaptation ou l’intelligence sociale) pour à la fois transfigurer la société mais aussi répondre à ses besoins, paraît nécessaire.

L’impact souhaité est de renforcer l’employabilité des étudiant.es au sortir de leurs études tout en leur insufflant l’envie et la capacité d’inventer le monde de demain.

Fédération

Enfin, cette journée resserra les liens entre les Hautes Écoles de Musique de Suisse et les personnes les faisant vivre tout en fédérant autour des questionnements et des synergies potentielles que de telles réformes auraient à tous les niveaux institutionnels.

There is no doubt that the quality of the speakers and participants in this day of exchange and reflection will create the conditions for a positive impact on the future of music students in our country.

Vorlagen zur ersten Säule

Die eidgenössische Abstimmungsvorlage zur AHV und kommende Initiativen zur Altersvorsorge rücken die Stellung der ersten Säule in den Fokus – gerade auch für viele Musikpädagogen und -pädagoginnen ein sehr wichtiges Thema.

SMPV — Am 25. September stimmen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die vom Parlament beschlossene Vorlage «AHV 21» ab. Diese sieht verschiedene Massnahmen vor, um eine vor allem demographisch bedingte Finanzierungslücke bei der ersten Säule abzuwenden. Neben einer Erhöhung der Mehrwertsteuer sieht der Beschluss unter anderem die Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahren vor. Während die Erhöhung der Mehrwertsteuer ohnehin dem obligatorischen Referendum unterliegt, haben Gewerkschaften und Parteien des linken Spektrums das Referendum gegen das Massnahmenpaket «AHV 21» ergriffen. Vor allem die Erhöhung des ordentlichen Rentenalters für Frauen stösst auf Ablehnung. Insgesamt wird eine Schwächung der ersten Säule befürchtet, die längst nicht mehr existenzsichernd ist, obwohl der Souverän dies einst so in die Verfassung geschrieben hat. Befürchtet wird zudem ein langfristiger, fortgesetzter Trend zur Schwächung der AHV gegenüber der zweiten und dritten Säule. Dabei wird ins Feld geführt, dass das System der ersten Säule für die meisten Arbeitnehmenden am vorteilhaftesten ist. Dies gilt auch für viele Musiklehrpersonen, die oft Teilzeit arbeiten, keinen sehr hohen Stundenlohn beziehen und bei denen es häufig zu Brüchen im Erwerbsleben kommen kann, alles Umstände, welche die AHV bei der Berechnung der Renten glättet, die zweite Säule hingegen nicht. Bei letzterer sinken zudem die Renten aufgrund der schwierigen Ertragslage, die Umwandlungssätze werden nach unten korrigiert.

In Richtung Stärkung der ersten Säule zielen denn auch zwei aktuelle Volksinitiativen. Zum einen soll ein Teil der Gewinne der Schweizerischen Nationalbank dem AHV-Vermögen zugutekommen, wodurch laut den Initianten die Finanzierung der AHV für zehn Jahre gesichert wäre. Eine weitere Initiative möchte den zu tiefen AHV-Renten mit einer 13. AHV-Rente entgegenwirken.

Informationen zu den beiden Volksinitiativen finden Sie auf der Seite des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), dessen Mitglied der SMPV ist:

> www.sgb.ch/themen/sozialpolitik/detail/ahv-staerken-statt-rentenalter-erhoehen

> www.sgb.ch/themen/sozialpolitik/detail/bundesrat-ignoriert-problem-der-sinkenden-renten

Nach der Pandemie mehr Kultur und Musik – erst recht!

Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass der Nachholbedarf für die berufliche Sicherheit sowie die Sicherung von gerechten Gagen, Löhnen und Abgeltungen aber auch für angemessene kulturpolitische Rahmenbedingungen gross ist. Die Krise hat die Bevölkerung und die Politik für die Musikberufe sensibilisiert. Die Pandemiemassnahmen behandelten – erstmals! – die künstlerischen Berufe wie andere Erwerbsbranchen. Darauf will SONART aufbauen.

Die Menschen haben Freude an Musik – und meinen, weil auch die Musiker*innen Freude daran haben, sei die Frage von Lohn und sozialer Sicherheit unwichtig. Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen hat der Musikberuf wenig monetären Wert: Wenn ich einen Handwerker anstelle, um eine Reparatur vorzunehmen, bezahle ich gut und gerne 125 CHF pro Stunde. Wenn ich eine Musikperson für ein Konzert suche, empfinde ich eine Gagenforderung oftmals bereits schon irritierend. Und öffentliche Kulturausgaben in den Gemeinden und Kantonen sind immer zuerst dran, wenn es ums Sparen geht. Kultur und Musik erzeugen zwar hohe gesellschaftliche Werte, Musikprestige soll aber möglichst wenig kosten.Zum Glück haben angestellte Orchestermusiker*innen oder Musiklehrpersonen an einer Schule vertraglich erkämpfte und einigermassen gesicherte Gehaltsbedingungen – ähnlich den Lehrpersonen an öffentlichen Schulen.
Gemäss der 2021 veröffentlichten Einkommensstudie von Suisseculture Sociale sind knapp die Hälfte der Musikschaffenden aus der Schweiz selbständig erwerbend. Doch ob freischaffend oder teilselbständig mit Nebeneinkünften aus Kleinstpensen, sie alle sind auf gute Rahmenbedingungen angewiesen, um ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Dank der Covid-19 Nothilfe konnten viele aufgefangen werden, die ansonsten durch die Maschen gefallen wären. Manche suchten sich andere Tätigkeiten und/oder mussten ihr Erspartes aufbrauchen.
Damit sind viele nach dem sogenannten Ende der Pandemie noch lange nicht fit, um wieder auf den Markt zu kommen: Nach wie vor sind Veranstaltende aller Sparten zurückhaltend, ebenso braucht es zur Publikumsrückgewinnung sehr viel Zeit und Aufwand. Teilweise senken gleichzeitig die öffentlichen Kulturförderer wie Kantone und Städte gerade ihre Kulturbudgets. So aktuell etwa die Stadt Bern. Das wird unweigerlich Auswirkungen haben auf das Kunstschaffen und die kulturelle Vielfalt generell, auch wenn Ankündigungen der öffentlichen Hand, angemessene Honorare und Sozialleistungen nun beim Leisten von Finanzhilfen stärker zu gewichten, sicherlich positiv zu bewerten sind.

Gegen Selbstausbeutung
Viele Musiker*innen, aber auch viele Kulturveranstaltende, stehen vor der absurden Situation, unter selbstausbeuterischen Bedingungen zu produzieren: «Wer die tiefste Gage anbietet, kriegt den Job», sagt mir ein Jazzmusiker mit einem Achselzucken.
Deshalb schreibt sich SONART auf die Fahne, dass in allen Bereichen der freien Musiktätigkeit entsprechende Honorarrichtlinien noch in diesem Jahr erarbeitet werden. Letztlich ist es im Interesse der ganzen Szene, dass überall faire Bedingungen herrschen und professionelle Qualität ihrem Wert entsprechend abgegolten wird.

Das Big Business ist anderswo
Das globale Musikbusiness ist eine Geldmaschine, aus der sich aber nur ganze wenige, privilegierte Musiker*innen in allen Sparten bedienen. Das meiste Geld hingegen fliesst nicht an die Künstler*innen, sondern zu Produzent*innen, Streaming-Plattformen, Vertriebskonzernen, Aktionär*innen.
Deshalb stehen Themen wie Abgaben auf globalem Streaming und deren Einsatz für die einheimische Musikförderung – analog der soeben vom Schweizer Volk beschlossenen «Lex Netflix» – bei SONART weit vorne auf der Politagenda.

Prävention als Managementaufgabe

In Sachen Prävention können Orchester einiges von der Sportmedizin lernen.

SMM — Die Kulturwissenschaftlerin Hannah Bregler erinnert daran, dass sich in berufsmusikalischen Karrieren zahlreiche physiologische, soziale und psychische Anforderungen stellen. Im Rahmen einer Arbeit für das Hamburger Institut für Kultur- und Medienmanagement bekräftigt sie, dass der entsprechende Alltag von permanenter Höchstleistung unter Stressbedingungen geprägt ist, was sowohl feinmotorische als auch kognitive Fähigkeiten betreffe. Im Musikalltag stosse man ähnlich wie im Profisport an die Grenzen von Leistungsfähigkeit und körperlicher Belastbarkeit. Damit verbänden sich erhebliche gesundheitliche Risiken. In beiden Branchen bedürfe es jahrelanger Trainings- oder Übeeinheiten, um Spitzenleistungen zu erzielen. Der Alltag sei in beiden damit auch von unregelmässigen Arbeitszeiten, häufigem Reisen und ständiger Selbstkritik geprägt.

Zahlreiche Studien belegen laut der Autorin, wie prekär die gesundheitliche Situation in Orchestern nach langjähriger Berufstätigkeit ist. Es sei zu beobachten, dass Orchestermitglieder bereits im jungen Alter chronische Fehlhaltungen entwickelten. Die Bedeutung von und die Verantwortung für die Gesundheit im musikalischen Berufsalltag nehme aber zu, um nicht zuletzt die Reduzierung von krankheitsbedingen Fehltagen zu erreichen, was unter anderem die Wirtschaftlichkeit von Kultureinrichtungen verbessere. Dass die Berufsgruppe keine kleine, zu vernachlässigende Personengruppe sei, spiegle sich in den Beschäftigtenzahlen wider.

Aktuell gebe es in den deutschen Kulturorchestern laut der Deutschen Orchestervereinigung 9766 Planstellen. Im Gegensatz zu anderen Bereichen, insbesondere dem Sportbetrieb, sei das Thema Schmerzen und Beschwerden bis heute allerdings häufig ein Tabu. Es fehle Wissen und Aufklärung, wie beispielsweise Fehlhaltungen zu vermeiden sind, wie Symptome frühzeitig erkannt werden und welche Therapiemöglichkeiten bestehen. In den letzten Jahren sei das Bewusstsein diesbezüglich geschärft worden, dennoch gebe es angesichts der aktuellen Situation Handlungsbedarf, bei der ein Blick in den Leistungssport lohnend sei.

Die Sportpsychologie hat laut Bregler früh damit begonnen, zu untersuchen, welchen Einfluss Emotionen auf die Wettkampfleistungen haben und wie sie vor, während und nach einem Wettkampf oder Training optimal zu nutzen sind. Sport und Emotionen sind nicht voneinander zu trennen, wie man nach Wettkämpfen oder Fussballspielen auf und neben dem Spielfeld beobachten kann. Wie Auftrittsangst ist auch Wettkampfangst ein Phänomen, das leistungshemmend wirken kann und weit verbreitet ist.

Eine wichtige Komponente zur Vermeidung von Beschwerden ist der Zusammenhang zwischen Erholung und Belastung und seine Auswirkung auf die Leistung. Um kontinuierlich Höchstleistung zu erbringen, ist eine Balance aus Stress und Erholung essenziell. Michael Kellmann, einer der führenden Sportpsychologen unterteilt Vorgehensweisen zur Erholung diffenziert in passive (zum Beispiel Massage), aktive (zum Beispiel lockeres Auslaufen nach einem Wettkampf) und proaktive (zum Beispiel soziale Aktivitäten).

Eine Leistungssteigerung bringt einen gewissen Grad an Erschöpfung mit sich und kann durch ausgiebige Erholungsmethoden kompensiert werden, da die funktionelle Erschöpfung nur eine kurze Leistungsminderung erzeugt. Wird eine systematische und individuelle Erholungsphase nach einem Training oder einer Erschöpfung nicht eingehalten, kann ein andauerndes Ungleichgewicht zwischen Erholung und Überforderung zu einem schädlichen Zustand führen, der sich in anhaltender Untererholung (underrecovery) und dysfunktionaler Erschöpfung (non-functional overreaching (NFO)) äussert.

Für einen Bewusstseins- und Strukturwandel im Orchesterbetrieb ist ein Zusammenspiel auf vielen verschiedenen Ebenen notwendig, angefangen in der musikalischen Ausbildung an Musik- und Musikhochschulen bis hin zum Arbeitsklima im Berufsorchester. Die Praktiken des Leistungssports bieten eine Möglichkeit, erfolgreiche Methoden zu kopieren, zu adaptieren oder entsprechend der Bedürfnisse des Orchesters zu variieren.

Literatur:

Hannah Bregler, 2021, Prävention

für Berufsmusiker:innen als Managementaufgabe. Was der Orchesterbetrieb

vom Profisport lernen kann, München, GRIN Verlag,

> www.grin.com/document/1152272

Ausbildungsstätten für Musik im 19. Jahrhundert

In drei Bänden beleuchtet das «Handbuch Konservatorien», wie sich die institutionelle Musikausbildung im deutschsprachigen Raum in ihren Anfängen entwickelt hat.

Sie nennt es Handbuch der Konservatorien, die Herausgeberin und Institutsleiterin des Sophie-Drinker-Instituts Bremen, Freia Hoffmann, die in verdankenswerter Weise zusammen mit ihrem Team erstmals umfassende Informationen zum Beginn der professionellen Musikausbildung im deutschsprachigen Raum zusammengetragen hat. Anhand von 16 ausgewählten Instituten zeichnet das Team ein spannendes Bild der frühen Geschichte der Konservatorien. Entstanden ist in drei Bänden ein Panoptikum, in dem man sowohl interessiert lesen als auch gezielt Informationen finden kann, was den Begriff «Handbuch» rechtfertigt.

Es war sicherlich nicht einfach, einen gemeinsamen Nenner für die Darstellung der verschiedenartigen Entwicklungen dieser Ausbildungsinstitute zu finden. Zuerst galt es, alle verfügbaren Quellen zusammenzutragen: Korrespondenzen und Inventare aus Archiven, Zeitungsartikel, Biografien der Lehrerschaft oder Broschüren. Einen Einblick geben abgedruckte Quellen am Schluss des dritten Bandes wie diverse Artikel Ueber musikalische Conservatorien in der Neuen Zeitschrift für Musik von 1841, Teile der 46 Seiten umfassenden Broschüre von Franz Joseph Kunkel Die Verurtheilung der Conservatorien zu Pflanzschulen des musikalischen Proletariats … oder Luise Adolpha Le Beaus Artikel Über die musikalische Erziehung der weiblichen Jugend von 1878.

Trotz grosser Unterschiede ist es methodisch gelungen, eine Einheitlichkeit im Vorstellen der einzelnen Konservatorien zu finden. So umfassen die Beiträge Aspekte zur Geschichte, zur Finanzierung und zur inhaltlichen Ausgestaltung des Studiums einschliesslich Nebenfächern und Konzertaktivitäten in den damals zur Verfügung stehenden Räumen. Finanzieren mussten sich die meisten Institutionen über Studiengebühren, erhielten aber auch Zuwendungen von Fürsten oder Königen wie das Stern’sche Konservatorium Berlin.

Interessant sind auch die Statistiken zu Studierenden im Geschlechterverhältnis und nach Nationen aufgelistet. Bei allen Konservatorien und in allen Studienjahren finden sich Schweizerinnen und Schweizer, was das damalige Manko an helvetischen Ausbildungsstätten markant demonstriert. Besonders bekannt und begehrt war das Konservatorium Leipzig, das so eng mit Felix Mendelssohns Wirken verbunden ist und das bis 1868 die erstaunliche Zahl von 46 Personen aus der Schweiz ausweist.

Erstmals ein wissenschaftliches Gesicht erhält auch die Misere der Frauen im 19. Jahrhundert, die schon gar nicht erst zum Studium zugelassen wurden. Für Wien heisst es etwa, dass Verordnungen erlassen wurden, «die den Zugang zu Instrumentalabteilungen für Frauen deutlich beschränkten». Ausgenommen waren natürlich Sängerinnen, die nicht ersetzbar waren. Informationen zu den Lehrern – Lehrerinnen gab es kaum – zusammenzutragen war gewiss eine Herkulesarbeit, ermöglicht aber weitere Einblicke bezüglich der Beschaffenheit des Lehrkörpers.

Schade ist einzig, dass ein Personenregister fehlt, das Querverweise unter den Institutionen ermöglicht und auf übersichtliche Weise aufgezeigt hätte, welche bekannten Namen sich schon damals pädagogischen Aufgaben stellten. Andererseits zwingt es zum intensiven Lesen aller drei Bände, was auch grossen Gewinn bringt.

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Handbuch Konservatorien: Institutionelle Musikausbildung im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts, hg. von Freia Hoffmann, 3 Bd. mit zusammen 871 S., € 198.00, Laaber, Lilienthal 2021, ISBN 978-3-89007-911-0

Bild oben: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inv.-Nr. D 1441; Fotograf: Hermann Walter  wikimedia commons

Hochvirtuose Bearbeitung

Für diese Version von Camille Saint-Saëns’ «Carnaval des Animaux» braucht es eine gross dimensionierte Orgel und gewiefte Interpretinnen und Interpreten.

Auch wenn Camille Saint-Saëns die Verbreitung seines Carnaval des Animaux zu Lebzeiten vermeiden wollte: Heute gehört die «Grande Fantaisie Zoologique» zweifellos zu seinen meistgespielten Werken und hat sich einen festen Platz gerade in Familien- und Kinderkonzerten erobert. Zum 100. Todesjahr des Komponisten legt die aus Südkorea gebürtige und in Frankreich tätige Konzertorganistin Shin-Young Lee eine Transkription für Orgel solo vor, die einen neuen Blick auf den Carnaval erlaubt. Der Zyklus ist in mindestens zwei weiteren kompletten Orgel-Bearbeitungen im Handel erhältlich, neben zahlreichen Arrangements des Schwans, unter anderem in der historischen Transkription von Félix Alexandre Guilmant.

Lees Einrichtung (die sie auch in einer stimmungsvollen Youtube-Aufnahme interpretiert) steht der Transkriptions-Ästhetik von Jean Guillou relativ nahe, richtet sich also in ihrem mehrheitlich hochvirtuosen Anspruch (Pedaltriller, Doppelpedal in Sätzen wie dem Aquarium oder der Volière) an souveräne Spielerinnen und Spieler. Die Bearbeiterin geht zudem (leider ohne Angabe von Alternativen) von einem modernen Instrument mit einem Manualumfang von 61 Tasten und einem Pedal aus, das bis g‘ reicht (z. B. für den Schwan), und auch die vorgeschlagenen, farbigen Registrierungen suggerieren eine üppig disponierte Orgel. Ohne hier auf die schwierige Frage einzugehen, in welchem Rahmen solche Arrangements ihren Platz finden können: Bei entsprechender Spieltechnik und auf einem passenden Instrument wird der Carnaval in dieser Fassung seine Wirkung nicht verfehlen!

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Camille Saint-Saëns: Le Carnaval des Animaux, Orgelbearbeitung von Shin-Young Lee, ED 23492, € 16.00, Schott, Mainz

Schoecks elegische Kühnheit

Bariton Christian Gerhaher und das Kammerorchester Basel unter der Leitung von Heinz Holliger treffen den richtigen Ton für Othmar Schoecks Elegie op. 36.

Kammerorchester Basel. Foto: Sandro Isler, Matthias Müller

«Es sind da wirklich Töne aus einer andern Welt, etwas Ähnliches habe ich noch nie vernommen», schrieb Komponistenkollege Fritz Brun über das neue Werk. Das war 1923 – eine Zeit, in der punkto Modernität einiges los war, in Paris wie in Wien. Auch den Zürchern kam das Werk kühn vor, aber Brun sagte nicht «neu», sondern «andere Welt» und traf damit die Situation ziemlich gut. Othmar Schoeck war an einer Schwelle. Schon mit der Venus hatte er andere Töne angeschlagen, kurz darauf wird er sich mit der Penthesilea für kurze Zeit unter die Modernsten einreihen – und sich ein bisschen entäussern. Denn eigentümlicher und persönlicher ist er hier, in der dazwischen entstandenen Elegie, einem Zyklus von 24 Orchesterliedern nach Eichendorff und Lenau.

Kühnheit: Das Wort mag überraschen bei dieser weitgehend ruhigen und melancholischen Musik, die kaum hyperchromatisch ist, weder neoklassizistisch frech noch expressionistisch hochgetrieben, die aber dennoch an Grenzen geht. Sie gehört durchaus noch der tonalen Spätromantik an, ja, ist aber nicht überfrachtet wie bei Mahler, Strauss oder dem Lehrer Reger, sondern entschlackt, grandios verknappt und damit für die Moderne parat. Die Melodien kreisen in sich – Zeichen der Melancholie. Von Abschied ist ständig die Rede. Die Kühnheit steckt also in der tieftraurigen, aber lichtvollen Stimmung und in einer im Detail höchst originellen Tonsprache, was besonders gut in der Orchesterfassung zutage tritt. Mit wenig wird hier enorm viel erreicht. Ein phänomenales Meisterwerk.

Der Name des einen Dichters, Lenau, wird manchen an Heinz Holligers jüngste Oper Lunea erinnern, und tatsächlich steht dieser hier am Dirigentenpult, leitet das Kammerorchester Basel und den ebenso phänomenalen Christian Gerhaher in dieser Neuaufnahme. Es wird sehr liebevoll und aufmerksam musiziert. Und ungemein differenziert in der Klanglichkeit. Das Verblüffende: Schoecks Vertonweise verlangt den Sängern einen bestimmten, sehr typischen Duktus ab. Leicht, meist unaufdringlich, zuweilen fast gesprochen, kein schweres Pathos, aber überaus expressiv und an wenigen Stellen ausbrechend. Gerhaher, der den Lenau auch in Lunea sang, trifft das genau.

Othmar Schoeck: Elegie op. 36 für Stimme und Kammerorchester. Christian Gerhaher, Bariton; Kammerorchester Basel; Leitung Heinz Holliger. Sony Classical 19439963302

Bauprojekte der Musik-Akademie Basel

Die Musik-Akademie Basel plant, ihre Infrastruktur am historischen Standort in den nächsten Jahren zu sanieren und zu erweitern sowie mit einer Salle Modulable zu ergänzen. Zum Zuge kommen soll ein Projekt des Architekturbüros Architecture Club.

Visualisierung des geplanten Aussenfoyers (Bild: zVg)

Im Rahmen des Sanierungs- und Erweiterungsprojekts «MAB Campus 2040» führte die Musik-Akademie Basel einen selektiven Studienauftrag durch. Das Beurteilungsgremium unter Vorsitz von Pierre de Meuron wählte in einer offenen Präqualifikation aus 37 Bewerbungen vier Teams aus. Das Beurteilungsgremium empfahl schliesslich den Projektvorschlag von Architecture Club einstimmig zur Weiterbearbeitung, sowohl für die bauliche Erweiterung als auch für die Sanierung der bestehenden Bauten.

Das Vorhaben umfasst zum einen die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten des historisch wertvollen Gebäudeensembles. Zum anderen geht es um die Erfüllung des dringenden Raumbedarfs hinsichtlich heutiger funktionaler und technischer Anforderungen. So sei auch die Erweiterung um eine Salle Modulable für heutige Ausbildungszwecke unabdingbar, heisst es in der Medienmmitteilung. Einzig eine solche Salle Modulable vermöge der stilistischen Vielfalt im aktuellen und zukünftigen Musikleben, mit dem steigenden Einbezug multimedialer und digitaler Techniken, den vielen interdisziplinären künstlerischen Ansätzen gerecht zu werden.

Mehr Infos:
https://www.musik-akademie.ch/de/news/detail/campus-2040-die-musik-akademie-der-zukunft.html

 

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