Schweizer Lieder und Tänze aus der Romantik

Die Zentralbibliothek Solothurn hat die Lieder und Instrumentalwerke des blinden Wandermusikers Alois Glutz von Blotzheim herausgegeben.

Liederbuch mit Werken von Alois Glutz. Foto: Zentralbibliothek Solothurn

Im Historischen Lexikon der Schweiz erinnern nur wenige Zeilen an den Solothurner Komponisten Alois Franz Peter Glutz von Blotzheim (1789–1827). Aber um den als Kind erblindeten Liedermacher aus der Beethovenzeit ranken sich allerlei Anekdoten. So soll dieser begüterte Musiker wiederholt grosse Mengen von Haferbrei an bedürftige Landsleute verteilt haben. Der Wahrheit entspricht, dass es sich der Patriziersohn leisten konnte, einen musikbegabten Blindenführer auf seine Streifzüge von Dorf zu Dorf mitzunehmen. Ludwig Rotschi, der künftige Musiklehrer am Kollegium und Musikdirektor in Solothurn, begleitete Alois Glutz während Jahren weit herum, einmal bis nach Schwyz, wo der Wandermusiker ein halbes Jahr nach Ludwig van Beethoven «auf der Durchreise» (wie es im Sterberegister heisst) verschied. Rotschi notierte die von Glutz getexteten und vertonten Lieder und unterstützte den sehbehinderten Komponisten auch bei deren Publikation.

Diese Lieder im Volkston, die sich mit den gleichzeitigen Neuschöpfungen des Künstlerpaares Gottlieb Jakob Kuhn und Ferdinand Fürchtegott Huber vergleichen lassen und die manchmal an einen berühmten Zeitgenossen, Franz Schubert, erinnern, leben in der Sammlung Im Röseligarte (1908–1925), ja, sogar in Schulgesangbüchern unserer Zeit weiter. Oft wird vergessen, dass das noch heute beliebte Volkslied Morge früeh, eh d’Sunne lacht auf Alois Glutz zurückgeht.

Es erstaunt, dass das Werk des zu Lebzeiten weit herum bekannten Strassenmusikers mit der Gitarre am Rücken und dem Flageolett im Sack, der auch für Flöte, Gitarre und fürs Fortepiano komponierte, erst vor Kurzem in einer dreibändigen Ausgabe greifbar geworden ist. Verena Bider, die scheidende Direktorin der Zentralbibliothek Solothurn, hat die Bestandesaufnahme der Lieder und Instrumentalwerke angeregt. Es ist aber vor allem der vielseitige Bibliothekar Christoph Greuter, dem die für den praktischen Gebrauch eingerichteten Hefte zu danken sind. Als an der Schola Cantorum Basiliensis geschulter Lautenist, Berufsgitarrist und in Musikeditionen erfahrener Mitarbeiter kann Greuter eine Sammlung aller auffindbaren Werke von Alois Glutz von Blotzheim vorlegen.

Die eben erschienenen Musikalien bereichern das Repertoire von schweizerischen Volksliedern und die Literatur für das gehobene Liebhabermusizieren. Die Lieder und Tänze fordern aber auch Musikologen zu Analysen und Vergleichen auf. Die vorliegende Neuausgabe weist zudem auf fehlende Stimmen und Werke hin und kann als fortgeschrittene Vorarbeit zu einer künftigen Gesamtausgabe bezeichnet werden. Einstweilen darf man sich über einen aus der Vergessenheit befreiten Schatz freuen und sich beim Spielen und Singen an eine liebenswerte schweizerische Musikerpersönlichkeit der Romantik erinnern.

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Alois Franz Peter Glutz von Blotzheim: Lieder und Instrumentalmusik, hg. von Christoph Greuter, (Musik aus der Zentralbibliothek Solothurn, Heft 9), Heft I: M&S 2399, Heft II: M&S 2451,Heft III: M&S 2452, je Fr. 32.00, Müller & Schade, Bern 2017

Tschumi-Preis 2018 geht an Yi-Chang Liang

Zwei Solistinnen und drei Solisten der Hochschule der Künste Bern (HKB) haben im Kongresshaus Biel ihren Master of Arts in Specialized Music Performance Klassik abgeschlossen. Der Blockflötist Yi-Chang Liang ist mit dem Eduard-Tschumi-Preis 2018 für die beste Solistenprüfung ausgezeichnet worden.

Yi-Chang Liang (Bild: zVg)

Yi-Chang Liang hat den Preis in der Höhe von 12’000 Franken mit seiner Interpretation von Toshio Hosokawas Komposition «Sorrow River» für Blockflöte und Streichorchester gewonnen. Der 1992 in Taiwan geborene Blockflötist studierte am Amsterdamer Konservatorium und an der Hochschule der Künste Bern in der Klasse von Michael Form.

Er trat bereits mit verschiedenen Ensembles als Solist auf, so mit La Cetra Barockorchester Basel und mit dem Malaysischen Philharmonieorchester unter der Leitung von Maurice Steger. Am Moeck/SRP Solo Recorder Playing Competition gewann er 2011 den 2. Preis. 2016 spielte er die Uraufführung des Auftragswerks «Ten Dipoles».

Ihr Masterstudium in Specialized Music Performance Klassik ebenfalls erfolgreich abgeschlossen haben die beiden Geiger Mateusz Kasprzak-Labudzinski und Daniele D’Andria (Violinklassen von Monika Urbaniak und Bartlomiej Niziol) sowie Yan Yao (Akkordeonklasse von Teodoro Anzellotti) und Mami Miyamoto (Klarinettenklasse von Ernesto Molinari).

 

 

 

Origen mit Wakkerpreis ausgezeichnet

Das Bündner Kulturfestival Origen ist mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet worden. Das Dorf Riom bespielt es zur Zeit mit vier Ausstellungen. Zudem will es weitere leerstehende Gebäude des Dorfes wieder beleben.

Hotel Löwe (Bild:zVg)

Am Julierpass zeigt der russische Fotograf Alex Plotnikov Portraits junger russischer Tänzer in historischen St. Petersburger Interieurs. Im Hotel Löwe verweist eine Serie von lebensgrossen Kartonfiguren auf die illustren Gäste des ehrwürdigen Posthotels. In Riom öffnet die Burg ihre Türen und lädt zur Kostümausstellung «Noahs neue Kleider», eine Installation von Martin Leuthold mit Musik von Lorenz Dangel. Im «Kabinett der Visionen» in der Turnhalle des Riomer Schulhauses werden Entwicklungsprojekte und Zukunftsperspektiven für Riom eröffnet.

Der Wakkerpreis wird der Bündner Kulturinstitution «für ihren vorbildhaften Umgang mit der vorhandenen Baukultur» im Bergdorf Riom zugesprochen. Dazu hat Origen auch das Projekt Malancuneia vorgestellt: Vier leerstehende Gebäude sollen restauriert und neu belebt werden. Das verwaiste Gemeindehaus soll zum Festivalzentrum werden, das historische Frisch-Haus wird Mitarbeiter und Gäste beherbergen. In einer leerstehenden, modernen Scheune werden Werkstätten eingerichtet, Kostüme genäht und einheimische Schafwolle verarbeitet. Das Schulhaus wird zum Bildungszentrum und steht für internationale Kooperationen, Meisterkurse und zeitgenössische Theaterkreationen zur Verfügung.

Die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur belaufen sich für das Projekt auf 7,6 Millionen Franken. Origen will möglichst viele Baumassnahmen bis zur Übergabe des Wakkerpreises im August 2018 finanzieren. Entsprechende Förderer, Mäzene und Sponsoren werden auf einer Tafel am Gemeindehaus aufgeführt. Die Regierung des Kantons Graubünden hat der Stiftung rund eine Million Franken in Aussicht gestellt, falls es Origen gelingt, die restlichen Gelder zu beschaffen. Die Gemeinde Surses  beteiligt sich mit Baurechtsvergaben.

Unternehmerische Strategien in der Kreativwirtschaft

Zum dritten Mal veröffentlicht die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) einen Bericht zu den Creative Economies. Nachdem in den ersten beiden Berichten die Kreativszene und die Schnittstelle zu weiteren Branchen im Vordergrund stand, liegt der Fokus nun auf unternehmerischen Strategien.

Foto: NicoLeHe/pixelio.de

Unter dem Begriff «Positive Economy» werden Modelle und Überlegungen verstanden, wie Künstlerinnen und Designer ihre unterschiedlichen Möglichkeiten zu passenden unternehmerischen Arrangements bündeln. Wie in den vorangehenden Berichten werden Angaben zur Zahl der Beschäftigten und Unternehmensgrösse in den Teilmärkten präsentiert, ergänzt um Karten zur regionalen Konzentration der Industrie in der Schweiz. 

Der Bericht will zum Verständnis neuer Geschäftsmodelle beitragen. Er behandelt Fragen rund um die Digitalisierung und untersucht, wie diese die Geschäftsmodelle von Kunst- und Designschaffenden beeinflusst. Laut Christoph Weckerle, dem Co-Autor der Studie und Direktor des Departements Kulturanalysen und Vermittlung der ZHdK wird dabei deutlich, dass Geschäftsmodelle in den Creative Economies Kreations- und Produktionsprozesse kaum mehr trennen und sich so von «herkömmlichen» unternehmerischen Modellen unterscheiden.

Eingebettet in den Bericht sind Porträts von Akteuren in Kulturberufen weltweit: Auf der Basis von über 120 Interviews geben sie Einblick in diverse künstlerische Lebenswelten und deren unternehmerische Strategien.  Der Bericht kann online bestellt werden und steht ab sofort in englischer Sprache zum Download bereit. Ab Herbst 2018 kann zudem eine französische und deutsche Version heruntergeladen werden.

Bestellung unter www.creativeeconomies.com

 

 

 

Fritz-Gerber-Awards 2018 vergeben

Die Saxophonistin Sara Zazo Romero, der Geiger Alexandre Guy und der Schlagzeuger Thomas Soldati werden mit dem Award der Fritz-Gerber-Stiftung ausgezeichnet. Mit diesem Preis werden junge, hochbegabte Musikerinnen und Musiker im Bereich der zeitgenössischen, klassischen Musik gefördert.

v.l.n.r.: Alexandre Guy, Sara Zazo, Thomas Soldati (Bild: Lucerne Festival)

Die drei erhalten je ein Preisgeld von je 10’000 Franken und ein Stipendium in Form einer Teilnahme an der Lucerne Festival Academy im Wert von weiteren 10’000 Franken. Der Lucerne Festival Academy-Fonds der Stiftung Freunde von Lucerne Festival erhält 2018 darüber hinaus von Renate und Fritz Gerber eine ausserordentliche Spende von 500’000 Franken.

Die 1989 in Madrid geborene Saxophonistin Sara Zazo Romero komplettierte 2017 ihren Master im Fach Pédagogie Instrumentale an der Haute École de Musique de Lausanne, zuvor hatte sie dort bereits ihren Master im Fach Interprétation musicale abgeschlossen.

Der französische Geiger Alexandre Guy wurde 1995 in La Rochelle geboren. Er absolvierte den Master of Arts in Music Performance an der Haute École de Musique de Genève. Mit dem 2016 gegründeten Meteorôs Quintett gewann er 2017 und 2018 den ersten Preis des Kammermusik-Wettbewerbs der Norwegischen Musikhochschule in Oslo.

Der Schweizer Schlagzeuger Thomas Soldati wurde 1996 in Vercorin geboren. Er studiert momentan an der Haute École de Musique de Genève und nahm an Meisterkursen unter anderem mit der Komponistin und Marimbaphon-Spielerin Keiko Abe und dem Schlagzeuger Peter Sadlo teil.

Über die Lucerne Festival Academy erfolgte zum vierten Mal die Ausschreibung des «Fritz-Gerber-Awards». Nebst der Bewerbung der Musikerinnen und Musiker auf die offene Ausschreibung wurden Empfehlungen von Hochschulen und bekannten Künstlern entgegengenommen. Die Jury bestand auch in diesem Jahr aus Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival, Komponist und Dirigent Heinz Holliger sowie Dozenten der «Teaching Faculty» der Akademie. Zur Teilnahme am Award berechtigt sind junge Künstler bis 28 Jahre, die das Schweizer Bürgerrecht besitzen oder seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz leben.

Musikgipfel in Berlin

«Die Einhaltung des Urheberrechts ist keine Behinderung von Wirtschaft. Es ist Wirtschaft.» So brachte es ein Musikschaffender auf den Punkt. – Beim Treffen von deutschen Politikern, Musikverbänden und Kreativen am 14. Juni ging es auch um Musik, obwohl die Zeichen im Bundestag auf Sturm standen.

Eröffnungsrede von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Foto: Tagesspiegel Verlag,Foto: Tagesspiegel Verlag,Foto: Tagesspiegel Verlag

Der erste «Musikgipfel» in der Redaktion des Berliner Tagesspiegels, ein Treffen von Vertretern der Musikwirtschaft und Politikern, war eine Positionsbestimmung. Verbände der Musikbranche, Kreative sowie Akteure aus der Politik diskutierten über die Zukunftsfähigkeit der Musikwirtschaft in Zeiten von Digitalisierung und Bürokratisierung. Urheberrecht und Musikförderung waren wichtige Themen. Einfache Antworten gab es nicht.

Werte statt Konsum

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Kulturstaatsministerin Monika Grütters

Gegen Degradierung der Musik als Handelsware wandte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrem Eröffnungsvortrag. Musik sei ein Kulturgut, Ausdruck von Kreativität und Mass für die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft. Sie betonte die Verantwortung der Kreativen und der ganzen Musikbranche, weil Musik einen gesellschaftlichen Wert habe, der über den Wirtschaftswert hinausgehe. Das Aus des Musikpreises «Echo» begrüsste sie in diesem Zusammenhang, denn das Klingeln der Kassen könne nicht Massstab von Preiswürdigkeit sein. Verrohung dürfe nicht salonfähig und schulhofkompatibel werden.

Die Ministerin sieht zudem die Gefahr des Zusammenschrumpfens der musikalischen Vielfalt auf gut konsumierbaren Mainstream. Untersuchungen zeigen, dass sich in Zeiten der Click-Kultur die Musik als solche verändert. Die ersten 30 Sekunden Abspielzeit zählen, deshalb setzen die Musiker die Catchy Bits noch vor den Refrain, lassen sich weniger Zeit, wagen weniger Experimente. In ihrem Haus seien Förderprogramme für Musikgenres aufgelegt, die sich der Logik der Click-Ökonomie entgegenstellten. Kreativität, Originalität und Vielfalt sollen Chancen auf dem Musikmarkt haben.

Monika Grütters betonte bezüglich Urheberrecht und IT-Plattformen, Interessenkonflikte zwischen Nutzern, Urhebern, IT-Branche und Musikindustrie seien normal und die Interessen innerhalb der Gruppen auch nicht homogen. Es gelte, Kompromisse zu finden. Ihr Standpunkt: Plattformen sollen nicht die Möglichkeiten haben, ihre Geschäftsmodelle auf Kosten der Kreativen durchzusetzen. Gleichzeitig wollen die Kreativen auf Plattformen als Vertriebsweg und Werkzeug der Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten. Man müsse regulieren ohne zu zerstören, und sei auf einem guten Weg.
 

Klare Forderungen von Seiten der Urheber

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Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium

Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, signalisierte Kompromissfähigkeit und betonte die Erfolge, die dank europäischem Urheberrecht für Rechteinhaber bereits erzielt worden seien. Gleichzeitig seien Präsenz und Verfügbarkeit von Musik enorm gewachsen. Fragen werfe weniger der rechtliche Rahmen auf als die Umsetzung. Wie die Regulierung in den Griff bekommen, damit die Urheber gerecht an der Wertschöpfung beteiligt werden? Ihr Standpunkt: Urheber stärken, Plattformen erhalten. Streaming sei mittlerweile das vorherrschende Medium des Musikkonsums, das gesamte Weltrepertoire an Musik sei verfügbar. Die Gema, Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, habe grosse Mehreinnahmen. Regulatorische Herausforderungen seien jedoch nicht Streaming-Anbieter wie Spotify, sondern Hybride wie Youtube, auf denen die Nutzer selbst Inhalte hochladen. Die Nutzer wollen auf diese Praxis nicht verzichten. Sollen die Plattformen urheberrechtlich für die Inhalte haften? Das würde zu ihrer Schliessung führen. Ein Weg seien Upload-Filter oder die Bereitstellung von Metadaten durch die Rechteinhaber, um Lizenzen zu prüfen. KMU und kleine Plattformen im europäischen Binnenmarkt sollten jedoch faire Chancen haben und von den hohen Lizenzgebühren ausgenommen werden – ein Weg, um Innovationen in Europa zu fördern.

In den anschliessenden Meinungsäusserungen von Betroffenen zur Regulierung von Online-Plattformen war der Tenor klar: Um das sogenannte Value Gap zu verhindern, dass also die Urheber in der musikalischen Wertschöpfung unverhältnismässig schlecht gestellt sind, braucht es europäische Regelungen. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie e.V., wandte sich gegen Kompromisse beim Umgang mit Plattformen und forderte, die EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt als Hebel anzuwenden, um die Plattformen zur Lizenzierung zu verpflichten. Deutschland müsse sich für eine funktionierende Kultur- und Kreativwirtschaft positionieren! Er appellierte an die EU-Abgeordneten, im Sinne der Initiative «Make the Internet fair for Creators» zu entscheiden. Konkret müsse klargestellt werden, dass «User-uploaded-Content»-Plattformen wie Youtube «an der Vervielfältigung und Zugänglichmachung unserer Werke im urheberrechtlichen Sinne beteiligt sind». Deshalb sei dafür zu sorgen, dass Regelungen zum Haftungsausschluss («Safe Harbour») keine Anwendung auf solchen Plattformen fänden, da diese Regelungen für rein technische Vermittler gedacht seien.

Micki Meuser, Filmkomponist, Musikproduzent, Bassist, vom Berufsverband für Medienmusiker und Vorstandsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes, sprach klar aus dem Herzen der Urheber. Die Piraterie habe den Musikern die Existenzgrundlage geraubt. Weltweit mächtige Strukturen machten mit der Arbeit der Künstler Kasse. Die Künstler stellten Produkte her, der Ertrag lande in der IT. Er forderte vom europäischen Gesetzgeber, eine Pflicht zur Lizenzierung für jede Nutzungsart der Werke durchzusetzen. Auf den Vorschlag, KMU und Start-ups unter einer bestimmten Grösse von Lizenzzahlungen auszunehmen, antwortete er, es ginge nicht an, dass Komponistinnen und Künstlerinnen mit dem Verzicht auf ihre Vergütung Start-ups finanzierten. Die Förderung von Start-ups sei Sache des Staates und nicht der Kreativen! Die Forderung nach Einhaltung des Urheberrechts sei keine Behinderung von Wirtschaft. Es sei Wirtschaft!
 

Vielfältige Nachfrage nach Förderung

Auch hinsichtlich der Musikförderung wurden viele Wünsche an die Politik geäussert, beginnend bei der Stärkung des Musikunterrichts einschliesslich aktivem Musizieren in vorschulischen und schulischen Einrichtungen (vier Wochenstunden), die Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg und Vizepräsident des Deutschen Musikrates e.V., vortrug, bis zur Forderung von Zuschüssen für Konzertreisen ins Ausland.

Konsens herrschte bezüglich der Feststellung, dass Kunst nur frei sein kann, wenn Künstler und Künstlerinnen in der Lage sind, von ihrer Arbeit zu leben.

Das Stichwort Künstlergrundeinkommen fiel, wurde jedoch nicht diskutiert. Musiker und Musikerinnen müssen befähigt werden, administrativ und wirtschaftlich zu denken, das soll Teil ihrer Ausbildung werden. Es könne nicht angehen, dass die musikalischen Ausbildungsinstitute ihre Kohorten geschlossen in die Altersarmut führten. Weitere Forderungen: Entwicklung passgenauer Förderinstrumente für Selbständige und KMU auf Länderebene in Ergänzung zu den Förderungen des Bundes; Förderung der Club-Landschaft durch Ausbau von Programmen auch im ländlichen Raum; Zuschüsse zur Förderung von Mobilität und Internationalisierung, um neue Märkte zu erschliessen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit auszubauen; Kulturraumschutz bezüglich Lärmemissionen nach dem Prinzip, dass heranrückende Neubebauung selbst für den Lärmschutz sorgen müsse; Auf- und Ausbau von Programmen zur Förderung von Technologie- und Digitalkompetenzen; Würdigung der Bedeutung von Musiktechnologie-Innovationen; Livemusik und Clubleben sollen Teil der Stadtentwicklungspolitik werden.

Deutlich wurde, dass die föderale Struktur der Bundesrepublik zwar viele Förderinstrumente bereithält, jedoch zu Kompetenzgerangel und Unübersichtlichkeit bei Programmen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene führt.

Vertreterinnen und Vertreter von 15 Verbänden waren zu diesem Musikgipfel gekommen und trugen ihren Forderungskatalog zusammen. Die Expertinnen aus der Politik waren jedoch, wenn überhaupt, so nur als Rednerinnen anwesend, nicht als Zuhörerinnen. Im Bundestag sei die CSU dabei, das Land zu chaotisieren, sagte die Bundestagsabgeordnete Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, im Davoneilen. Die Politikerinnen kehrten mit schlimmen Befürchtungen vom Musikgipfel in den Bundestag zurück. Das zeigt, wie fragil in der Gegenwart Absprachen und Rahmenbedingungen doch sind. Das politische Manöver eines Ministers kann die Stabilität in Deutschland und in der EU gefährden, über die Folgen möchte man gar nicht nachdenken.

Dennoch war die Gewissheit über die Zukunftsfähigkeit der Musikwirtschaft am Ende des Tages um einen Punkt höher geklettert, als am Anfang. Daran zeigte sich: Musiker sind wahre Optimisten.
 

Die Schweizer Wurzeln von Lesothos Nationalhymne

Dass die Landeshymne von Lesotho Wurzeln in Basel hat, ist hier wie dort kaum bekannt. Musikwissenschaftler der Universität Basel sind nun der überraschenden Geschichte dieses alten Lieds im südlichen Afrika nachgegangen.

(Bild: Uni Basel, Musikwissenschaft),SMPV

Die heutige Nationalhymne Lesothos basiert auf einer Tonfolge, die der Basler Musiklehrer Ferdinand Samuel Laur (1791–1854) vor fast 200 Jahren in Basel aufgeschrieben hat. Es ist eine Allerweltsmelodie, wie sie der Chordirigent damals zu Dutzenden produzierte: eingängig und triumphal, aber auch harmlos und austauschbar. Als Schul-, Trink- und Vaterlandslied mit wechselnden Texten verbreitete sich das Lied zunächst in der Schweiz, dann in Frankreich.

Wie aus diesem gewöhnlichen Stück Musik viel später ein wichtiges Stück nationaler Identität werden konnte, interessiert Matthias Schmidt, Leiter des Fachbereichs Musikwissenschaft, und seinen Assistent Andreas Baumgartner. Sie recherchierten in Archiven Lesothos und dokumentierten, wie einheimische Chöre verschiedene Versionen des Laur’schen Musikstücks sangen. «Die Intensität des Gesangs war eindrücklich, denn Musik ist im Alltag Lesothos noch heute sehr präsent», fassen die Forscher ihre Eindrücke zusammen.

Mehr Infos (mit Videos): 
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Lesothos-Nationalhymne-wurde-in-Basel-komponiert.html

Auf dem Bild zu sehen sind die Basler Musikwissenschaftler Matthias Schmidt und Andreas Baumgartner (aussen) mit dem lesothischen Chor «Black is Beautiful» (Lehlonolo Kele, Lebohang Ntloi, Katleho Tlali, Mathebe Kopo sowie Alain Amstutz vom Swiss TPH).

Ein Wohnheim für Musikstudierende

Die Luzern erhält an der Reuss ein auf Studierende der Hochschule – Musik ausgerichtetes Wohn- und Arbeitshaus. Errichtet wird es als temporärer Holzbau vom Musiker Urban Frye.

Visualisierung des Holzbaus (Bild: Igor von Moos)

Der Bau wird als «Music-Box» in Zentrumsnähe, an der Sankt-Karli-Strasse direkt an der Reuss, errichtet. Der Kanton hatte das Grundstück für die Realisierung des damals geplanten Projektes «Spange Nord» erworben, sich aber dagegen entschieden und das Grundstück vor 15 Jahren an Urban Frye verkauft. Dieser wollte ein Wohnhaus für junge Familien errichten, musste seine Pläne aber aufgeben, da der Kanton nun doch eine vierspurige Autobahnbrücke über die Reuss direkt über das Grundstück bauen will. Frühester Baubeginn der Brücke ist 2032.

Frye plante deshalb um und erstellt jetzt einen temporären Holzbau für junge Musikstudierende. Der fünfstöckige Holzbau wird über 23 Studio-Appartements mit eigener Küche und Nasszelle verfügen – fünf davon speziell für Behinderte ausgestattet. Die Mietkosten werden zwischen 750 und 850 Franken liegen und beinhalten die Nutzung der Gemeinschafts- und Proberäume, die Platz bieten für Kammermusikformationen und Jazz-Combos, sowie für das gesamte technische Equipment.

Ein Proberaum und die Eingangslobby werden mit einem Konzertflügel ausgestattet. Ebenfalls werden den Studierenden eine kleine mobile Bühne, ein Drum-Set, Gitarren- und Bassver-stärker sowie eine kleine Gesangsanlage zur Verfügung stehen. Der grosse Proberaum bietet auch die Möglichkeit zu Tonaufnahmen. Das gesamte Gebäude wird behindertengerecht ausgebaut und verfügt über ein leistungsfähiges W-LAN, und die einzelnen Wohneinheiten erhalten zusätzlich einen eigenen Internet-Anschluss.

Stiftung Mozarteum erwirbt Mozart-Brief

Die Stiftung Mozarteum Salzburg hat dank der Unterstützung einer Mäzenin einen bedeutenden Brief Mozarts aus dem Jahr 1791 an seinen Freund Anton Stoll erworben. Er wird in die Sammlung von Original-Autographen der Stiftung Mozarteum, die Bibliotheca Mozartiana, aufgenommen.

Rückseite des Briefes (Foto: Stiftung Mozarteum),SMPV

Im Brief mit Datum vom 12. Juli 1791 bittet Mozart den befreundeten Chorregenten Anton Stoll, ihm die Noten zu zwei Werken zu schicken, die man zuvor gemeinsam in Baden in der Kirche aufgeführt hatte. Dabei machte er sich grosse Mühe, das Anliegen in ein typisch mozartsches Geflecht von Scherzen einzubetten.

Mozart hatte gemeinsam mit Stoll am 10. Juli 1791 in Baden eine seiner Messen aufgeführt (vermutlich die Messe KV 275). Seine Originalpartitur überliess Mozart dem Freund, bat ihn mit diesem Brief jedoch um die Zusendung der eigens angefertigten Stimmen, damit er das Werk auch in Wien aufführen konnte. Dass Mozart ausserdem in seinem letzten Lebensjahr auch noch ein Werk Michael Haydns aufführte, belegt dessen anhaltende Wertschätzung für seinen ehemaligen Salzburger Kollegen.

Auf der zweiten Seite befindet sich ein Schreiben von Mozarts Schüler und Assistenten Franz Xaver Süssmayr, in dem es ebenfalls um die Rücksendung der genannten Noten geht. Allerdings hat auch diesen Text Mozart selber geschrieben und dabei Sussmayers Schrift nachgeahmt.

Die Stiftung Mozarteum macht ihre historischen Bestände sukzessive online frei zugänglich. Auch der neu erworbene Brief wird über die Webseite Bibliotheca Mozartiana digital online verfügbar sein (http://digibib.mozarteum.at).

 

Orchester vom See verpflichtet Raphael Honegger

Das 2011 von Ulrich Stüssi in der Region Zürichsee gegründete und bisher geleitete Orchester vom See hat mit Raphael Maximilian Honegger einen neuen Dirigenten. Das Sinfonieorchester umfasst rund fünfzig Berufsmusiker und einige Studierende.

Der mehrfach ausgezeichnete Raphael Honegger absolvierte ein Studium in Orchesterleitung an der ZHdK bei Johannes Schlaefli und ein Physikstudium an der ETH Zürich.

Das Orchester vom See bildet für junge Berufsmusiker und Musikstudenten eine Brücke vom Musikstudium hin zur Mitgliedschaft bei einem der grossen Orchester (unter anderem Tonhalle Zürich, Philharmonia Zürich, Shanghai Symphony Orchestra und Melbourne Symphony Orchestra) oder zu einer Solistenkarriere. Es bringt anspruchsvolle Werke aus Barock, Klassik, Romantik und Moderne sowie des Wädenswiler Organisten Fritz Stüssi (1874 – 1923) zur Aufführung.

Junge Berufsmusiker oder Musikstudenten unter 30 Jahren, mindestens mit Bachelor-Abschluss, die im Orchester vom See ab dem Novemberprojekt 2018 mitspielen möchten, können sich bis 5. Juli 2018 mit ausführlichem CV per Mail bewerben:  us@orchestervomsee.ch
Nachtrag 13. September 2023: Das Orchester heisst inzwischen Zürcher Kammerphilharmonie: https://www.zuercherkammerphilharmonie.ch/orchester

Geleitet wird es von Dominic Limburg.

Luzerner Kulturpreis geht an Urban Mäder

Der Luzerner Stadtrat würdigt das Schaffen des Musikers Urban Mäder mit seinem mit 25’000 Franken dotierten Kunst- und Kulturpreis 2018. Die zwei Anerkennungspreise 2018 gehen an die Künstlerin Catherine Huth und an den Musiker Martin Gössi.

Urban Mäder. Foto: zVg/www.urbanmaeder.ch

Urban Mäder engagiert sich seit Jahrzehnten für die ganze Breite der neuen und experimentellen Musik. Er lotet dabei Grenzen von Klang, Sound, Rhythmus und Räumen aus und denkt kritisch über gesellschaftliche Kontexte nach. Als «hervorragender Vermittler und gefragter Pädagoge» verstehe er es, Studierenden sowie erfahrenen Musikern und Musikerinnen musikalische, literarische und künstlerische Welten zu öffnen, schreibt die Stadt.

Urban Mäder ist Mitbegründer und Präsident des «Forum Neue Musik Luzern» sowie national und international sehr gut vernetzt und immer wieder gefragt bei der Erarbeitung von neuen Kompositionen und Konzepten. Er lebt mit seiner Familie in der Stadt Luzern.

Martin Gössi steht laut der Mitteilung der Stadt stellvertretend für die Luzerner Subkultur und die dazugehörigen Institutionen und Projekte. Er war Abwart des städtischen Musikzentrums Sedel und ist Sänger der Moped Lads, aber auch Grafiker, Plakatgestalter und Illustrator. Als Veranstalter hole er immer wieder Legenden des Punks für ein Konzert in den Sedel. Der Anerkennungspreis ist mit 10’000 Franken dotiert.

Anmeldefrist für Live-Auftritte läuft

Die Fondation Suisa und Pro Helvetia organisieren an der Internationalen Kulturbörse Freiburg einen Gemeinschaftsstand. Künstlerinnen und Künstler können sich bis am 30. Juni bewerben.

olga meier-sander / pixelio.de,SMPV

Seit über dreissig Jahren basiert die Internationale Kulturbörse in Freiburg auf einer einfachen Idee: «Wir laden Veranstalter, Produzenten und Eventfachleute nach Freiburg ein und geben ihnen dort die Möglichkeit, an wenigen Tagen in konzentrierter Form sehr viele unterschiedliche Produktionen und Künstler live ansehen zu können. Parallel dazu ermöglichen wir Künstlern, oder den sie vertretenden Agenturen, sich unabhängig von einem Liveauftritt über einen Stand in der Messehalle dem Fachpublikum zu präsentieren und ihre Arbeit vorzustellen.» (Quelle: www.kulturboerse-freiburg.de, abgerufen am 11.6.2018).

Die nächste Kulturbörse findet vom 20. bis 23. Januar in Freiburg im Breisgau statt. Bewerben können sich Performance-Künstlerinnen und -Künstler für Live-Auftritte (Theater, Varieté, Kabarett, Jazz, Pop&Rock, Weltmusik, Tanz) sowie Agenturen, Dienstleister, Verbände und Fachmedien für die Fachmesse. Diese wird abgerundet durch ein Rahmenangebot mit Sonderausstellungen und Informationsveranstaltungen.
Die Fondation Suisa und Pro Helvetia laden Schweizer Akteure ein, sich am Schweizer Gemeinschaftsstand zu präsentieren. Die Standkosten werden übernommen. Anmeldeschluss ist am 30. Juni.

Weitere Informationen und Link zur Anmeldung:
www.fondation-suisa.ch/de/messen-events-im-ausland/internationale-kulturboerse-freiburg-ikf
 

Kanton Luzern fördert Produktionen

Die Fachjurys der selektiven Produktionsförderung des Kantons Luzern haben in der ersten Ausschreibungsrunde in den Sparten Musik und Theater/Tanz sechs Ausgezeichnete erkoren. Die zweite Ausschreibungsrunde 2018 erfolgt auch in der Sparte Musik.

Hanreti (Foto: Christian Felber)

In der Sparte Musik gingen 17 Bewerbungen ein. Gefördert werden: Kali (Urs Müller, Raphael Loher, Nicolas Stocker, Album 2019 und Releasetour, 20’000 Franken), Hanreti (Timo Keller, Rees Coray, Mario Hänni, Jeremy Sigrist, Album «Heading your Way» und Showcases, 20’000 Franken) sowie Fischermanns Orchestra von Thomas Reist und Simon Petermann (CD-Produktion, Film und Tournee, 20’000 Franken).

Kürzungen in der Kulturförderung 2018 können laut dem Kanton dank einer Übergangslösung mit Mitteln aus den Erträgen der Zusatzlotterie und einmaligen Zuwendungen des «Vereins zur Förderung der Freien Kulturszene Luzern (FFK)» aufgefangen werden. Dies ermöglicht eine zweite Ausschreibungsrunde des Jahres 2018 in den Sparten Musik, Theater/Tanz sowie für Werkbeiträge der Freien Kunst und der Angewandten Kunst: Illustration und Animation.

Die Beiträge der Ausschreibung Musik können an Veröffentlichungen ab Januar 2019 sowie den damit verbundenen Aufwänden für Promotion und Distribution vergeben werden. Total steht dafür eine Summe von 60’000 Franken zur Verfügung.

 

Auf der Insel aus Schokobäumen

«Kopfüber», das am 1. Juni Premiere feierte, war bereits die dritte Produktion für Kinder von tanz&kunst Königsfelden. Das Konzept der alle zwei Jahre stattfindenden Aufführungen ist vergleichbar, das Resultat immer wieder zum Staunen und Freuen.

Foto: Alex Spichale

Sie sind aufwendig, die Projekte von Brigitta Luisa Merki, der künstlerischen Leiterin von tanz&kunst Königsfelden, denn sie fördern und fordern alle Sinne der Beteiligten auf der Bühne und des Publikums in der Klosterkirche Königsfelden Windisch. Für die diesjährige 70-minütige Aufführung brauchte es ein Bühnenbild, eine Choreografie, Lichtdesign, Musik und Texte: Alles wurde von Schülerinnen und Schülern unter kundiger Betreuung von professionellen Künstlerinnen und Künstlern erarbeitet und bis zur Aufführungsreife geprobt.

Diesmal kamen drei 5. Klassen der Primarschule Angelrain Lenzburg in den Genuss. Vor zwei Jahren waren auch Schulabgänger mit dabei gewesen, Kinder und junge Erwachsene begegneten sich. Diesmal waren ausschliesslich Elf- bis Zwölfjährige am Werk, die mit Lust und Eifer, noch ohne pubertäre Hemmschwellen, locker und doch hochkonzentriert agierten. Ob all der choreografischen Dichte wurde einem erst bei dem aus 72 Kinderkehlen gesungenen Lied Thereʼs a Place I found bewusst, wie jung diese noch sind.

Im Dezember 2017 war der Startschuss zum Projekt, das in den regulären Schulalltag integriert wurde. An den Aufführungen erlebte man dann ein wahres Märchenland: Videoprojektionen, basierend auf mit den Kindern erarbeiteten Zeichnungen und Collagen, evozierten eine zauberische Welt. Die live gespielte Musik ging individuell und mit Lust auf den zeitgenössischen Tanz und den Hip-Hop ein, der von verschiedenen Gruppen im Wechsel oder gar in kleinen Soloauftritten mit erstaunlicher Sicherheit vorgeführt wurde.

Bedenkenswert ist eines der Ziele, die Merki mit ihren Projekten verfolgt: «Mich interessiert, dass die Kinder mit Künstlern zu tun haben, Menschen, die ein anderes Leben führen, anders funktionieren.» Es geht also nicht «nur» um die Förderung der kindlichen Kreativität, sondern um das Verständnis für andere Lebensweisen, die sich schöpferischen Prozessen verschrieben haben.
 

Träumerisch-tänzerische Bilder

Die Kinder näherten sich tanzenderweise, rezitierend oder singend und spielend den «Kopfüberlandschaften». Zu Beginn blähte sich ein weisses federleichtes Tuch am Boden, unter dem sich vier Mädchen versteckten, um dann durch Öffnungen wie Nymphen zu erscheinen. Es herrschte spürbare Eiszeit, die Spielfläche ganz in Blau getaucht, die sphärische Musik des Komponisten Christoph Huber (Sax, Klavier, Effekte), der Sängerin und Cellistin Corinne Huber sowie des Perkussionisten Julian Häusermann unterstrich das Szenario. Für die Kinder hiess dies zuerst mal Bewegungen in Zeitlupe.

Videointermezzi (Visuelle Kunst: Eliane Zgraggen, Karl Egli, Doris Haller, Regina Bänziger) und Hip-Hop-Interventionen (Einstudierung: Patrick Grigo) brachten das Eis dann schnell zum Schmelzen. «Kopfüberland» war erreicht, wo Tanzszenen, Turnakrobatik (Zeitgenössischer Tanz: Teresa Rotemberg, Lucia Baumgartner) oder – besonders berührend – eine musikalische Sequenz das Publikum erfreuten. Kinder sassen auf Hockern und erzeugten mit Ukulelen einen Soundteppich für den groovenden Christoph Huber am Sax. Die Aufführung wirkte leicht und luftig, am Kirchenhimmel hingen von den Kindern bemalte Bäume.

«Das Kopfüberland ist eine Insel aus Schokobäumen, die Menschen essen Wolkenwatte und Sonnenstrahlen, und sie trinken den Mondschein.» So poetisch definierte eines der Kinder den verwunschenen Ort in der Klosterkirche. Für ein anderes ist die Kopfüberwelt «eine Chill-Insel, die Einwohner sind chillig, ihre Sprache ist chillig, es wird auf Wolken gechillt». Diese witzigen Texte hat der Schriftsteller Andreas Neeser in einer Werkstatt im Literaturhaus Lenzburg mit den Kindern erarbeitet.

Merki legte die Aufführung im Sinne eines Steigerungslaufs an, sodass erst zum Schluss alle gemeinsam auf der Bühne standen. Über den Prozess des Erarbeitens merkt sie an: «Ich betreue und beobachte die Jugendlichen in allen Workshops und erarbeite während dieser Zeit das dramaturgische Konzept. Ich kreiere tänzerische Bilder, in denen die einstudierten Tanzvariationen sowie die gestalterischen Elemente der Jugendlichen einbezogen werden. Gleichzeitig entsteht während dieser Zeit die musikalische Komposition.»

Kopfüber funktioniert als Teamwork, bei dem alle ihre Wertschätzung und Funktion erhalten. Gerade bei Fünftklässlern, wo das intellektuelle und kreative Niveau noch sehr heterogen ist, ist das gleichermassen eine Herausforderung wie es allen die Freude über das Erreichte bringt. Aufeinander hören und schauen ist dabei Pflicht für die Kids, die dies gut umsetzten. Und auch als Publikum fühlte man sich wie in einem Sommernachtstraum, wo manches kopfüber geriet!
 

Mozart war nicht Alkoholiker

Der renommierte britische Chirurg Jonathan Noble will mit Legenden um mutmassliche Musikerkrankheiten aufräumen. Er ist der Überzeugung, dass es keine echten Belege dafür gibt, dass Mozart zum Beispiel Alkoholiker gewesen sei oder Ravel an Syphilis gelitten habe.

Mozartdenkmal in Salzburg. Foto: Christa El Kashef/pixelio.de

Noble ist der Überzeugung, dass Mozart keineswegs übermässig dem Alkohol zugesprochen habe, wie dies spätere Biografen suggerierten. Mutmassungen über Alkoholismus in Falle Tschaikowskys, Schuberts, Brahms oder Beethovens seien ähnlich unfundiert.

Die einzige Quelle für die Behauptung, dass Ravel an Syphilis gelitten haben, sei bloss der Bericht einer Krankenschwester, die behauptete, drei Jahre nach dem Tod des Komponisten Zugang zu notierten Blutwerten Ravels gehabt zu haben. Auch Behauptungen über eine Syphilis-Erkrankung Brittens seien aus der Luft gegriffen. Krankengeschichten, die Noble vorliegen, zeigten hingegen, dass Britten an einem Herzklappen-Problem gelitten hatte.

Originalartikel:
https://www.telegraph.co.uk/science/2018/05/17/mozart-not-alcoholic-british-surgeon-claims

 

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