Übers Leben sprechen

An der Zürcher Hochschule der Künste referierte Diedrich Diederichsen im Rahmen der Tagung «Über Leben», an der verschiedenste Aspekte der künstlerischen Existenz im Zentrum standen.

Diedrich Diederichsen am 28. April an der Zürcher Hochschule der Künste. Foto: Johannes Dietschi/ZHdK

Auf der einen Seite von einem idealistischen Lebensentwurf befeuert, auf der anderen von der Notwendigkeit getrieben, sich den Lebensunterhalt verdienen zu müssen: Diesem gerade für Kulturschaffende virulenten Widerspruch widmete sich die dreitägige Tagung Über Leben Ende April an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK. Künstler fast aller Sparten stellten ihre Überlebensstrategien vor und resümierten die damit gemachten Erfahrungen; Wissenschaftler lieferten die theoretische Unterfütterung zum Thema. Gewiss, ein künstlerisch und gesellschaftlich gewichtiges Thema und vor allem auch für die Studenten der Hochschule brisant. Merkwürdig war nur, dass sich unter den Referenten kein Musiker befand. Als ob Tonkünstler vom Problem nicht betroffen wären.

Mit Diedrich Diederichsen boten die Veranstalter aber immerhin die deutsche Koryphäe intellektueller Sezierung von Popmusik schlechthin auf. Das entschädigte den vor allem am Musikleben Interessierten etwas, auch wenn man gerne mehr über das Ineinandergreifen von artistischen Konzepten, Selbstdarstellung und -vermarktung in der E-Musik gehört hätte. Wie auch immer, Diederichsen ist wahrlich ein Experte auf diesem Gebiet. Nicht nur lieferte er 2008 mit Eigenblutdoping. Selbstverwertung, Künstlerromantik, Partizipation ein Standardwerk dazu, sondern ist auch ein begnadeter Darsteller seiner selbst. Das zeigt sich nicht zuletzt in seiner stets elaborierten Sprache: Eigentlich überzeugend in der Verweigerung von Banalitäten trägt er den Duktus anspruchsvoller Formulierungen eben auch wie ein Werbebanner vor sich her.
 

Über sich selber reden

Passend gab er seinem Referat Lückenhafte Biografie denn auch die Form einer selbstkritischen Autobiografie. Der unter anderem als Kulturwissenschaftler, Kritiker, Journalist, Kurator, Autor und Hochschullehrer tätige Diederichsen stellte sich darin den Fragen, wie er adäquat Zeugnis über sein Tun und Sein ablegen könnte, was das über ihn selbst verrate und welche Gefahren in solchem Tun lägen. Er tat das in Umkehrung der gewöhnlichen Rollenverteilung, bei der Künstler subjektiv über sich, Wissenschaftler objektiv über andere berichten. Dabei kam er auf zwei grundlegende Strategien der Selbsterzählung:

Die eine, seine Biografie in bestehende Kontexte einzuschreiben, hat er vor allem auf den Schulbetrieb angewandt. So betrachtet geht es um die Art und Weise, wie Lehrbeauftragte ihre Rolle definieren. Nicht nur dort, aber gerade an Kunsthochschulen sei oft zu beobachten, dass der Dozent sich als eher zufällig vor der Klasse oder dem Studenten stehende Person inszeniere, das Autoritätsgefälle zwischen sich und den Studenten zu leugnen versuche, indem er es ironisiere. Als ob es zum Verschwinden gebracht werden könnte, indem man seine Person von der Funktion, die man ausübt, trenne. Der Versuch sei nicht nur vergeblich, das Problem dieser Strategie sei vor allem, dass man sich persönlich damit aus der Verantwortung nehme. Leider bot Diederichsen keine konkreten Lösungsansätze, wie man es denn besser machen könnte.

Als alternative Form einer Lebensbeschreibung stellte Diederichsen für sich dann die Möglichkeit einer «Negativ-Liste» vor. Eine Aufzählung, was man nicht tue, möge, getan habe, darunter Dinge wie: «Ich habe keinen Doktortitel», «keine Kinder» oder «keine funktionsfähige Küche». Zusammengefasst präsentiere diese Liste eine als das Gegenteil von Spiessigkeit getarnte Verantwortungslosigkeit, nichts darin sei auf eine irgendwie geartete Zukunft gerichtet. Damit teile er die Haltung von Mönchen, Dandys, Kolumnisten und Snobs oder allgemeiner von Diagnostikern. Es folgte eine Kritik der Diagnostiker dieser Welt, welche zwar deren Zustand konstatierten, aber keine Lösung präsentieren könnten, da die Diagnose völlig unabhängig von einer möglichen Behandlung gestellt werde. Diagnostiker hätten sich selbst aus der Welt heraus verobjektiviert und könnten daher auch gar nicht mehr handelnd eingreifen, also kurieren.

An diesem Punkt finden die beiden präsentierten Strategien der Selbsterzählung auch wieder zusammen respektive die Kritik an ihnen. Beiden ist eigen, sich selbst zu relativieren. Doch, so Diederichsen, man werde seine subjektiven Verstrickungen mit der Welt nicht los, indem man sie verobjektiviere. Man müsse sie pflegen, nicht negieren. Insofern wurde das Referat ein Plädoyer für einen subjektive(re)n Zugang zur Welt und in gewisser Weise auch eine Rechtfertigung von Diederichsens Werk. Zeichnete sich dieses doch schon immer durch eine unverblümt subjektive Sichtweise aus. Seine Kritiken waren immer auch Auseinandersetzungen mit den eigenen ästhetischen Prämissen.

Als Zuhörer muss man sagen, dass der Musikjournalist sicher mehr vom Vortrag profitiert hat als die angehenden Künstlerinnen und Künstler im Saal. Denn als solcher, wie auch Diederichsen selbst festhält, muss man für den Markt erkennbar sein, eine Handschrift entwickeln. Das verträgt sich schlecht mit einer intellektuellen Verweigerungshaltung, wie sie sich in der «Negativ-Liste» zeigt.
 

Kanton Basel-Landschaft zeichnet Future Band aus

Die Future Band, eine regionale Nachwuchsformation für Blasmusik, wird vom Kanton Basel-Landschaft für ihre Nachwuchsförderung mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Der Kulturpreis des Kantons geht an den Philosophen und Astronomen Roland Buser.

Future Band (Foto: Ueli Waldner)

Die Future Band ist eine regionale Nachwuchsformation für Blasmusik, deren Trägerschaft sich aus dem Musikverein Buckten, dem Musikverein Rünenberg, dem Blasmusikensemble Läufelfingen und der Musikgesellschaft Wisen (SO) zusammensetzt. Die Future Band beteiligt sich regelmässig an kantonalen und regionalen Jugendmusikwettbewerben und erspielt sich in schöner Abfolge Preise unter den Besten. Sie wirkt zudem an Konzerten ihrer Trägervereine mit.

Geleitet wird die Future Band vom Dirigenten Roger Leoni. Eine Kommission mit Geschäftsleitung und Bandvertreterinnen gewährleistet und fördert den Einbezug der Jugendlichen in die organisatorischen und strategischen Prozesse. Die Band überzeugt laut der Mitteilung des Kantons «durch die gute Durchmischung der Geschlechter, die engagierte Netzwerkarbeit der Leitung unter Einbindung der Jugendlichen und die frühe und verbindliche Integration des Nachwuchses in die Stammvereine».

Mit der Future Band sei, so der Kanton weiter, «ein Modell gewachsen, welches einen Weg in eine zukunftsgerichtete Nachwuchsarbeit im Bereich der ehrenamtlichen Vereinsarbeit, auch ausserhalb der Blasmusikszene, aufzeigt». Der Förderpreis Nachwuchsförderung Kanton Basel-Landschaft ist mit 10‘000 Franken dotiert.

Kultureinrichtungen müssen sich öffnen

Die Deutsche Unesco-Kommission und die Bertelsmann Stiftung haben die Rolle der Künste für das Zusammenleben in Vielfalt untersucht. Sie regen an, dass die Kultureinrichtungen die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit Migration, Integration und Vielfalt verbunden sind, gezielter im Repertoire abbilden.

Foto: Jerzy Sawluk/pixelio.de

Die Studie «Kunst in der Einwanderungsgesellschaft» von Burcu Dogramaci und Barbara Haack wird anlässlich des Unesco-Welttages der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung am 21. Mai veröffentlicht.

Damit Kultureinrichtungen sich auf die Bedingungen einer Migrationsgesellschaft einlassen können, bedürfe es passender Strukturen und Rahmenbedingungen, erklärt dazu Christine M. Merkel, Leiterin des Fachbereichs Kultur der Deutschen Unesco-Kommission. Kultur-Einrichtungen bräuchten langfristig Förderung und Planungssicherheit. Dann sei es möglich, andere Repertoires zu spielen und Ensembles vielfältiger zu besetzen. Es gehe nämlich nicht nur um Kunst für Migranten, sondern auch um Kunst von und mit Migranten.

Die zentralen Empfehlungen der Studie: Es lohnt sich, das vorhandene interkulturelle Angebot der öffentlich geförderten Kunst- und Kultureinrichtungen weiter auszubauen und erfolgreiche Angebote zu verstetigen; spezielle Ressourcen zur Förderung künstlerischer Kompetenz und Selbstorganisation sollten die Zugangshürden für Künstler mit Migrationshintergrund abbauen; langfristig angelegte Förderstrukturen sind dabei die Basis für die Umsetzung innovativer Projekte.

Jeki Bern ist ein Erfolg

Die Stiftung Jeki Bern hat zum Ziel, Kindern unabhängig von Herkunft und Status den Zugang zum Instrumentalunterricht zu ermöglichen. Das Institut für Musikwissenschaften der Uni Bern hat das Programm nach Abschluss der Pilotphase 2012 bis 2017 evaluiert.

Impressionen aus Jeki-Konzerten (Bild: zvg/Konsi bern),SMPV

Das Programm Jeki («Jedem Kind ein Instrument») Bern wurde 2011 ins Leben gerufen. Das Institut für Musikwissenschaften der Universität Bern hat überprüft, ob und wie Jeki-Kinder aus sozial und finanziell benachteiligten Familien damit erreicht werden können, wie es in einer Medienmitteilung der Musikschule Konservatorium Bern heisst. Die Untersuchung hat den erwarteten positiven Effekt des Jeki-Programms Bern, das flächendeckend in den Quartierschulen in Bern-West angeboten wird, bestätigt.

Die Anzahl Singklassen stieg in der Pilotphase laut der Untersuchung von 4 auf 24 und jene der Instrumentalschülerinnen und -schüler von 10 auf 67 an. Qualitativ wurde bei allen Beteiligten eine hohe Zufriedenheit festgestellt. Und dies nicht nur bei den Primarlehrerinnen, -lehrern und den Jeki-Lehrkräften, sondern auch bei den Jeki-Kindern, den Erst-und Zweitklässlern.

Im musikalischen Bereich sei eine deutliche Verbesserung der stimmlichen Fähigkeiten erreicht worden. Die Entwicklung der Musikalität allgemein und eine Steigerung des Rhythmusempfindens seien messbar. Mehr noch: Darüber hinaus könne im Schulunterricht aufmerksames Zuhören, gesteigerte Konzentrationsfähigkeit und ein verbessertes Sozialverhalten beobachtet werden. In der Summe wirke sich dies wiederum positiv auf den Klassenzusammenhalt aus.

Mehr Infos: www.konsibern.ch/jeki-bern/home/
 

Picasso-Text als Musiktheater

Studierende in der italienischen Schweiz bringen ein surrealistisches Kuriosum auf die Bühne: ein gelungenes Experiment.

Am 14. März 1944, fünf Monate vor dem Ende der deutschen Besetzung von Paris, versammelte sich in den Räumen des Galeristenehepaars Leiris eine illustre Schar von Literaten, um in szenischer Lesung ein neues Stück aufzuführen: Le désir attrapé par la queue. Der Autor hiess Pablo Picasso, Regie führte Albert Camus, Darsteller waren neben Michel Leiris und seiner Frau Louise u.a. Raymond Queneau, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Unter den Gästen befanden sich Georges Braque und Jacques Lacan. Die private Uraufführung galt einem Kammerspiel in sechs kurzen Akten, verfasst in schönster surrealistischer Manier nach dem Prinzip der «écriture automatique», des spontan-assoziativen, von Reflexion weitgehend unbeeinflussten Schreibens. Die überschiessende Schaffensenergie Picassos manifestiert sich darin als Feuerwerk bizarrer Metaphern und absurder Begriffsverknüpfungen. Die Akteure tragen Namen wie Plumpfuss, Zwiebel, Torte, Cousine, die fette und die magere Angst – so heissen sie jedenfalls in der deutschen Übersetzung von Paul Celan, die 1954 unter dem Titel Wie man Wünsche beim Schwanz packt erschienen ist. Vier Jahre zuvor war das Stück in London erstmals auf die Bühne gekommen, 1956 folgte dann eine Aufführung in einem Berner Kellertheater, inszeniert von Daniel Spoerri und mit dem Bühnenbild von Meret Oppenheim. Seither ist das surrealistische Kuriosum da und dort immer mal wieder gespielt worden.

Witz und Einfallsreichtum

Die jüngste Inszenierung fand nun im Mai in Lugano in italienischer Sprache statt. Die Mitwirkenden an dieser Produktion der SUPSI, der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana, waren Studierende des Conservatorio della Svizzera Italiana, der Akademie des Teatro Dimitri und der Fachrichtung «Visuelle Kommunikation». Mit Brechts Dreigroschenoper, mit Satyricon von Bruno Maderna und Kraanerg von Iannis Xenakis hatte man schon in den vorangegangenen Jahren anspruchsvolle Projekte realisiert, und die jetzige Inszenierung des Picasso-Texts setzte die Reihe auf hohem Niveau fort. Solche experimentellen Vorhaben befinden sich bei dem von Routine unbelasteten Nachwuchs offensichtlich in besten Händen. Die Spielfreude der Darsteller auf der Bühne, die mit Witz und Einfallsreichtum gearbeitete Inszenierung und das von Arturo Tamayo hervorragend einstudierte Orchester, aus dem mehrfach der Klarinettist mit schön geblasenen Soli hervorstach, sorgten für einen durchschlagenden Publikumserfolg, und man fragt sich, warum eigentlich die etablierten Institutionen so etwas nicht leisten können oder wollen.

Multimediales Gesamtkunstwerk

Die experimentelle Offenheit von Picassos Text lässt jede Art von Realisierung zu und die jetzige war das exakte Gegenteil der intimen Uraufführung von 1944. Die grosse Bühne im ausverkauften Saal des LAC Lugano wurde in voller Breite bespielt; im Orchestergraben davor befand sich ein Ensemble von stattlicher Kammerorchestergrösse – alles in allem ein Dispositiv wie bei einer Opernaufführung.

Sprache, Schauspiel, Tanz, Musik und ein Bühnenbild, das aus wenigen grafischen, einfachen, mobilen Elementen bestand, fügten sich bruchlos zu einem multimedialen Gesamtkunstwerk. Das ist offensichtlich eine Spezialität des erfahrenen tschechischen Regisseurs Pavel Štourač, wie man den im Netz vorhandenen Videos entnehmen kann. Den Akteuren forderte er alles ab, um die groteske Szenenfolge abwechslungsreich zu gestalten, von der getanzten Choreografie über die solistische Pantomime bis zum Rollenspiel. Und das alles in Verbindung mit einer Textebene, in der sich die Sprache in immer wieder anderer Funktion präsentierte: als gelesene Rezitation und als Rollenprosa, als auf mehrere Personen aufgesplitterter Textkörper, als dichte Sprechpolyfonie, erregtes Tuttigeschrei oder als Material für eine experimentelle Laut- und Silbenakrobatik. Die Gleichzeitigkeit von Sprechen und Agieren in Szenen von manchmal fast zirkushaftem Zuschnitt bereitete den Darstellern keinerlei Problem, auch nicht die Textmengen in italienischer, französischer und englischer Sprache, die es zu memorieren galt. So erhielt jede einzelne Szene einen eigenen Charakter. Die Anzüglichkeiten, die Picasso dem Plumpfuss im Dialog mit seiner geliebten Torte in den Mund legte, wurden choreografisch auf witzige Weise konterkariert, und mit einer durch die Publikumsreihen irrlichternden Schauspielerin wurde die Szene plötzlich in den Zuschauerraum hinein verlängert.

Gelungene Kombination von Text und Musik

Es war eine glückliche Idee, Picassos Text mit zwei ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen Werken von Strawinsky zu kombinieren. Tamayo hatte mit dem Orchester die Danses concertantes und das Orchesterkonzert Dumbarton Oaks einstudiert, die nun geschickt mit dem Sprechtext verknüpft wurden. Grössere Teile wurden als autonom zu hörende Intermezzi eingefügt, anderes als Unterlage für kleine Monodram-Teile verwendet oder ausschnittweise zwischen die Textblöcke gesetzt. Die rhythmisch und intonatorisch heiklen Stücke wurden mit konzentrierter Sorgfalt zum Erklingen gebracht. Die rundum geglückte Umsetzung von Picassos Sprechtext in ein Stück lebendiges Musiktheater macht neugierig auf die Fortsetzung im nächsten Jahr.

Goll-Orgelbau feiert

2018 ist für die Luzerner Firma ein besonderes Jahr. Sie feiert den 150. Jahrestag der Gründung ihrer Werkstatt. Neben Konzerten und Besichtigungen in verschiedenen Städten steht ein grosses Festkonzert im KKL auf dem Programm.

Goll-Orgel im Kultur- und Kongresszentrum Luzern. Bild: © KKL Luzern,SMPV

Das Jubiläumsjahr 2018 gibt Anlass, auf die Geschichte zurückzuschauen. Dies soll mit einer Buch-Publikation geschehen, die momentan in Vorbereitung ist. Andererseits sollen in besonderer Weise die Instrumente sprechen: In Zusammenarbeit mit lokalen Organisatoren von Orgelkonzertreihen wurde ein abwechslungsreiches Jahresprogramm mit wichtigen Goll-Orgeln in Zug, Luzern, Horw, Hochdorf, Bern und Visp zusammengestellt. Neben den Konzerten, in denen die Klangeigenschaften der Orgeln erkundet wurden, gab es Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch.

Als besonderen Höhepunkt gibt es ein Festkonzert im KKL am 15. Mai 2018, also auf den Tag genau 150 Jahre nach der Werkstattgründung. Die dortige Goll-Orgel steht natürlich im Mittelpunkt, umgeben von grossem Orchester. Unter anderen Werken kommt die Symphonie concertante des Belgiers Joseph Jongen zur Aufführung, welche die Orgel als Soloinstrument prominent präsentiert, eingebettet in die farbigen Klänge der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz unter der Leitung von Marcus Bosch. Der Solopart wird gespielt von Christian Schmitt.

Verleihung des Echo Jazz 2018 entfällt

Nachdem die Echo-Preise nach dem Eklat um antisemitische Textzeilen zweier Echo-Pop-prämierter Rapper eingstellt wurden, hat der deutsche Bundesverband Musikindustrie beschlossen, für die bereits bekanntgegebenen Echo Jazz Preisträger 2018 keine Feier auszurichten. Betroffen sind davon auch Schweizer Projekte.

Andreas Schaerer. Foto Copyright © by Reto Andreoli

In der Kategorie Large Ensemble ausgezeichnet worden wäre das Projekt Andreas Schaerer & Hildegard Lernt Fliegen meets the Orchestra of the Lucerne Festival Academy. Andreas Schaerer hätte zudem in der Kategorie Ensemble International zusammen mit Emile Parisien, Vincent Peirani und Michael Wollny einen Echo Jazz entgegennehmen können.

Vorgesehen war nach dem Eklat, den Echo Jazz am 31. Mai im kleinen Kreis und ohne TV-Übertragung durchzuführen. Auch dese Feier wird nun nicht stattfinden. Die bereits im März von der Echo-Jazz gewählten Preisträger werden auf Wunsch ihre Auszeichnungen persönlich erhalten. Die Marke Echo sei so stark beschädigt worden, schreibt der Bundesverband, dass ein vollständiger Neuanfang notwendig sei, der auch eine Neuaufstellung bei Echo Klassik und Echo Jazz nach sich ziehe.

Ausgezeichnete des Edwin Fischer-Wettbewerbs 2018

Die Edwin Fischer-Gedenkpreise, die von den Luzerner Musikausbildungsstätten vergeben werden und mit je 3500 Franken dotiert sind, gehen heuer an den Schlagzeugstudenten Corentin Marillier und an Camille Quinton, die in Luzern Flöte studiert.

Corentin Marillier. Foto: BacoArt

Corentin Marillier absolviert ein Masterstudium Interpretation of Contemporary Music und Camille Quinton ein Masterstudium Orchester. Der Edwin Fischer-Anerkennungspreis, dotiert mit 1000 Franken, erhält die Oboe-Studentin Tomoko Uehara. sie absolviert ein Masterstudium Performance.

Erstmals überhaupt in der Geschichte des Wettbewerbs wurde ein Schlagzeug-Student ausgezeichnet und erstmals stammten überdies sämtliche der aufgeführten Werke aus dem 20. oder 21. Jahrhundert.

Der Edwin Fischer-Wettbewerb wird im Gedenken an Edwin Fischer (1886 bis 1960) von der Hochschule Luzern – Musik und der Stiftung für Musikförderung an der Hochschule Luzern – Musik in Absprache mit der Edwin Fischer-Stiftung organisiert. Es ist ein jährlicher Wettbewerb für die Master-Studierenden dieser Hochschule im Profil Klassik.

Schweizer Grand Prix für Schweizer

Der Schweizer Grand Prix Musik 2018 geht an Irène Schweizer, eine der wichtigsten Pianistinnen des zeitgenössischen Jazz, für ihr einzigartiges Werk. Dreizehn Musikerinnen und Musiker sowie ein Ensemble werden mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet.

Irene Schweizer (Bild: Angeline Evans)

1941 in Schaffhausen geboren, zählt Irène Schweizer zu den prägenden Persönlichkeiten des modernen Jazz. Die Pianistin und Schlagzeugerin erkundet in den 1960er-Jahren die Londoner und Zürcher Jazzszene. 1968 trifft sie in Zürich ihren langjährigen Weggefährten, den Schlagzeuger Pierre Favre, und setzt fortan mit ihm wichtige Impulse im Bereich des Free Jazz und des improvisierten Klavierspiels. Bis heute engagiert sie sich für die musikalische Frauenbewegung Europas. Sie ist Mitgründerin des Taktlos-Festivals, der Werkstatt für Improvisierte Musik Zürich (WIM) und des Jazzlabels Intakt.

Die Schweizer Musikpreise zeichnen «das herausragende und innovative Schweizer Musikschaffen» aus und tragen zu dessen Vermittlung bei. 13 Musikerinnen und Musiker sowie ein Ensemble werden mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet: Noldi Alder (Urnäsch, AR), Dieter Ammann (Zofingen, AG), Basil Anliker alias Baze (Bern), Pierre Audétat (Lausanne), Laure Betris alias Kassette (Freiburg), Sylvie Courvoisier (New York), Jacques Demierre (Genf), Ganesh Geymeier (Moudon, VD), Marcello Giuliani (Paris und Lausanne), Thomas Kessler (Allschwil, BL), Mondrian Ensemble (Basel), Luca Pianca (Lugano), Linéa Racine alias Evelinn Trouble (London und Zürich), Willi Valotti (Nesslau, SG). Die Preisverleihung findet am 13. September 2018 im Rahmen des Festivals Label Suisse in Lausanne statt.

Gestandene und kommende Wagner-Interpreten

Die Schweizerische Wagner-Gesellschaft geniesst Oper im Kurzformat und vergibt langfristig wirkende Unterstützungen für junge Bühnenkünstler.

Richard Wagner lebte 1866-72 auf Tribschen bei Luzern. Foto: Alessandro Gallo / WikimediaCommons

Wagners Monumentaloper Tristan und Isolde, aufgeführt in eindreiviertel Stunden – geht das? Wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt, mit einem Flügel als «Orchester» zufrieden ist und einen guten Arrangeur zur Seite hat, dann geht das sehr wohl. Das Abenteuer gewagt hat die Schweizerische Richard-Wagner-Gesellschaft, die am 21. April unter dem Titel O sink hernieder … in den Grossen Saal der Musikschule Konservatorium Zürich einlud.

Angekündigt war eine «Collage nach Tristan und Isolde», das halbszenische Konzept stammte von John H. Müller, ein seit Jahren engagierter «Wagnerianer». Für das musikalische Arrangement zeichnete der Pianist und Komponist Edward Rushton, der auch am Flügel sass. Er entpuppte sich schnell als souveräner Begleiter, der mit Gefühl für dramatische Steigerungen und einem unerhörten Klangsinn der Aufführung seinen Stempel aufdrückte.

Rushtons Kürzungen zielten auf das Wesentliche: im ersten Aufzug auf die Sühne-Liebestrankszene, im zweiten Aufzug auf die Liebesnacht mit anschliessendem Auftritt König Markes. Der dritte Aufzug bestand aus einer sehr kurzen Tristan-Leidensszene und dem nicht minder verkürzten Liebestod Isoldes. Für Mona Somm, die 2015 in Erl mit grossem Erfolg die Isolde gesungen hat, war es sicherlich nicht ganz einfach, diese Version zu meistern, es gelang ihr aber gut. Ihre Stimme wirkte allerdings in der Mittellage etwas gepresst.

Rolf Romei hat sich am Theater Basel in den Rollen von Lohengrin und Parsifal bewährt, nun versuchte er sich am Mini-Tristan. Seine Stimme ist etwas unberechenbar, einmal absolut topp, dann wieder hat er merkwürdige Brüche zu überstehen, um danach erneut souverän weiterzusingen. Mit Wucht griff Martin Snell als König Marke ins Geschehen ein: mit seinem tragenden Bass wirkte sein Gesang aber zuweilen etwas starr und stentorhaft.

Das Ereignis schlechthin war der Auftritt von Susannah Haberfeld als Brangäne, eine Rolle, die der Mezzosopranistin wie auf den Leib geschrieben ist. Mit tragenden Legatobögen und weich klingender Tiefe sang sie raumgreifend ihren Part mit dem mahnenden «Habet Acht» als Höhepunkt. Hier hätte man sich von Arrangeur Rushton etwas weniger Kürzung gewünscht, um länger dieser wunderbaren Stimme zu lauschen.

Einblicke in Werk und Festspielbetrieb

Das Publikum, das mehrheitlich aus Wagnerianern bestand und sogar aus Freiburg im Breisgau und Vorarlberg angereist war, spendete begeisterten Applaus. Im Gegensatz zu dieser Insiderveranstaltung schreibt die Verbandssatzung allerdings vor, «das Werk von Richard Wagner einem grossen Publikum zugänglich zu machen». Einen öffnenden, zukunftsweisenden Aspekt verfolgt die Wagner-Gesellschaft durch ihr Stipendienwesen.

Die internationale Richard-Wagner-Stipendienstiftung vergibt seit 1882 Beiträge an begabte Sänger, Musiker oder sonstige Bühnenschaffende, die als Nachwuchs für die Bayreuther Festspiele in Betracht kommen. Die Stipendien beinhalten den kostenlosen Besuch der Festspiele, ein Stipendiatenkonzert, bei dem diese ihr Können demonstrieren, und den Besuch von Einführungsvorträgen. Zu den internationalen Gewinnern in der Vergangenheit gehörten etwa Christian Thielemann, Waltraud Meier, Michael Volle oder Anja Kampe, um nur wenige zu nennen.

2013 schloss sich die Schweizerische Gesellschaft dieser Vergabe an und schreibt jährlich an den Musikhochschulen das Stipendium aus. Es kann auch Empfehlungen geben. Eine Gewinnerin der ersten Stunde war die Pianistin Andrea Wiesli, die 2013 Bayreuth besuchte: «Diese geschichtsträchtige Spielstätte mit ihrer besonderen Akustik hat mich sehr beeindruckt», erzählt sie. «Mit einer ehemaligen Mitstipendiatin, der Mezzosopranistin Stephanie Szanto aus Bern, trete ich regelmässig mit einem Liederabend auf, auch werde ich zu Rezitals auf Wagners Erard-Flügel in Tribschen eingeladen.»

Im letzten Jahr gehörte Serafin Heusser, der von seinem Dozenten Peter Brechbühler empfohlen wurde, zu den Stipendiaten. Auch er schwärmt: «Der Besuch der Vorstellungen und die Führung durch das Festspielhaus waren für mich ein einmaliges und sehr interessantes Erlebnis! In andern Opernhäusern hatte ich bei Wagner-Aufführungen immer das Gefühl, dass die Sänger gegen das Orchester kämpfen müssen und nie piano singen können. Umso schöner war für mich, dass etwa Michael Volle dank der genialen Akustik wunderschöne Mezza-voce-Töne singen konnte.»

Wie sinnvoll dieses Stipendium ist, zeigt die diesjährige Auswahl der Gewinner, die am 26. Mai im Schlössli Wartegg in Luzern ihr Stipendiatenkonzert geben. Es tritt die Geigerin Lisa Rieder auf, die Beethovens Kreutzer-Sonate spielt, begleitet von Luka Hauser. Hauser wird zudem Skrjabins mit Tristan-Akkorden gespickte 4. Klaviersonate interpretieren und den Tenor Omar Kobiljak begleiten. Dieser ist unlängst mit Erfolg im Opernhaus Zürich als Steuermann in Wagners Holländer eingesprungen.

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Interpreten des nächsten Stipendiatenkonzerts (v.l.): Lisa Rieder, Luka Hauser, Omar Kobiljak. Foto: zVg

Ausstrahlung auf die Schweiz

Der Einfluss der Musikstadt Leipzig brachte im 19. Jahrhundert das hiesige Musikleben erst zum Blühen.

Saal des Ersten Gewandhauses, eingeweiht 1781. Aquarell von Gottlob Theuerkauf, 1894.

2018 feiert man in Leipzig gleich ein doppeltes Jubiläum: Das Gewandhausorchester, 1743 von 16 jungen, freigeistig denkenden Kaufleuten gegründet und finanziert, wird 275 Jahre alt und das Konservatorium, 1843 von Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy mitinitiiert, kann 175 Jahre vorweisen. Als eines der ersten seiner Art zog das Leipziger Konservatorium begabte Künstler aus ganz Europa an, vor allem auch aus der Schweiz.

Die hiesige Musikszene, die Mitte des 19. Jahrhunderts erst allmählich erwachte, ist ohne die Musikstadt Leipzig kaum vorstellbar. Prägende Schweizer Musikerpersönlichkeiten wie Friedrich Hegar oder Hans Huber haben dort studiert. Hierzulande gab es weder ein höfisches Musikleben noch allgemein zugängliche Ausbildungsmöglichkeiten für Musiker. Hans Georg Nägeli hatte zwar 1805 mit seinem Singinstitut in Zürich eine erste öffentliche Bildungsstätte für Musikbegabte eingerichtet. Doch wer die Musik zu seinem Beruf machen wollte, ging nach Leipzig.

Winterthur und Zürich

Interessanterweise war der erste Leipziger Musikstudent der aus dem Erzgebirge stammende Theodor Kirchner (1823–1903), der kurze Zeit später auf Empfehlung Mendelssohns nach Winterthur kam, um die Stelle als Organist an der Stadtkirche anzutreten. Kirchner machte die deutschen Romantiker in der Schweiz bekannt. Er gab in Winterthur und Zürich selber Konzerte, wirkte als Musiklehrer und war ab 1862 Dirigent der Abonnementskonzerte der Allgemeinen Musik-Gesellschaft AMG Zürich.

Kirchner freundete sich mit dem jungen Johannes Brahms an, dessen Musik er in der Schweiz engagiert förderte. Zudem pflegte er regen Kontakt mit Friedrich Hegar (1841–1927), der in Basel als Sohn eines deutschen Musiklehrers und Klavierhändlers zum Musiker herangereift war. Auch Hegar studierte Ende der 1850er-Jahre Komposition am Leipziger Konservatorium und kam 1863 auf Veranlassung Kirchners als Kapellmeister des Orchestervereins nach Zürich.

Friedrich Hegar baute das Zürcher Musikleben auf mehreren Ebenen auf: Er leitete nicht nur das Tonhalleorchester, sondern wirkte als Kapellmeister auch am Theater. Er leitete mehrere Chöre, darunter den Gemischten Chor, und engagierte sich in der AMG. Dank Hegar und Kirchner kam Johannes Brahms regelmässig in die Tonhalle. Zudem initiierte Hegar in Zürich 1875 auch die Gründung eines Konservatoriums, das er bis 1914 als Direktor leitete.

Basel, Aarau, Bern

Das bürgerliche Konzertwesen regte sich auch in Basel, wo etwa Clara Schumann regelmässig konzertierte. 1857 kam der aus Thüringen stammende Geiger Louis Abel (1835–1895) als Konzertmeisters und Primgeiger in die Stadt. Zuvor hatte er in Leipzig Violine studiert bei Ferdinand David, dem Konzertmeister des Gewandhausorchesters. Auch Abel wirkte als begnadeter Pädagoge und übernahm von 1860 bis 1866 den Unterricht an der von der Gemeinnützigen Gesellschaft ins Leben gerufenen Violinschule, der Vorgängerin der Musikschule, die in Basel 1867 gegründet wurde.

In Aarau baute der aus St. Gallen stammende Eusebius Kaeslin (1835–1889) ein reges Konzertleben auf. Bevor er 1854 für sein Studium nach Leipzig ging, wurde er vom St. Galler Stiftsorganisten unterrichtet. In Leipzig studierte er bei Ferdinand David Violine, um danach als Konzertmeister des Musikkollegiums Winterthur zu wirken.

1862 wurde Kaeslin Organist an der katholischen Kirche Aarau und unterrichtete Violine und Klavier an der Musikschule, die er 1879 grundlegend reorganisierte. Seine Konzerttätigkeit entfaltete er als langjähriger Dirigent des Aarauer Cäcilienvereins. Dank seiner guten Kontakte zur deutschen Musikszene veranstaltete er ausgezeichnete Konzerte, die weit über die Kantonsgrenze hinaus Beachtung fanden.

Eine regelrechte Schweizer Clique am Konservatorium Leipzig bildeten der aus dem Solothurnischen stammende Karl Munzinger (1842–1911), der Genfer August Werner (1841–1900) und der Berner Gustav Weber (1845–1887). Sie lernten sich in den dortigen gemeinsamen Studienjahren von 1860 bis 1863 kennen und befreundeten sich fürs ganze Leben. Karl Munzinger prägte später das gesamte bernische Musikleben – als Leiter der Liedertafel, ab 1884 als Dirigent der Abonnementskonzerte der Musikgesellschaft und des Cäcilienvereins.

Genf und nochmals Basel

Zu dieser Zeit wirkte am Leipziger Konservatorium der Dirigent und Komponist Carl Reinecke als begehrter Kompositions- und Klavierlehrer. Er war noch von Mendelssohn persönlich gefördert worden. Zu Reineckes grosser Schülerschar zählten berühmte Namen wie Max Bruch, Edvard Grieg, Hugo Riemann, Ethel Smyth und Felix Weingartner, der als berühmter Dirigent und Konservatoriumsdirektor später auch in Basel wirkte.

Reinecke war 1859 zum Gewandhauskapellmeister berufen worden und sorgte als solcher bis 1895 für eine noch stark Mendelssohn und Schumann verpflichtete, eher konservativ-klassizistische Interpretationsweise. Auch als Komponist hat er sich unüberhörbar an Mendelssohn, Schumann und Brahms orientiert.

Der Genfer Pianist August Werner wurde von Reinecke besonders gefördert, er war sogar sein Privatschüler und trat 1863 als Pianist im Gewandhaus auf. Zurückgekehrt in die Schweiz wirkte Werner am Genfer Konservatorium und im Komitee der Abonnementskonzerte mit. Gustav Weber seinerseits machte hauptsächlich in Zürich Karriere als Leiter des Männerchors und des Gemischten Chors und als vielseitig engagierter Grossmünster-Organist.

Für das Aufblühen des Basler Musiklebens Ende des 19. Jahrhunderts war der Komponist, Pianist und Dirigent Hans Huber (1852–1921) von entscheidender Bedeutung. Huber studierte von 1870 bis 74 bei Carl Reinecke in Leipzig und wurde Klavierlehrer an der Allgemeinen Musikschule Basel, die er ab 1896 leitete. Als angesehener Komponist mit patriotischer Gesinnung setzte er sich 1900 mit Friedrich Hegar für die Gründung des Schweizerischen Tonkünstlervereins ein.

Auch Huber bemühte sich um die qualitative Verbesserung der musikalischen Berufsbildung und gründete 1905 in Basel das Konservatorium. Sein berühmter Schüler Hermann Suter (1870–1926) studierte ebenfalls beim mittlerweile sehr betagten Carl Reinecke in Leipzig, danach wirkte er als Chorleiter und Dirigent der Sinfoniekonzerte der AMG in Basel. Zudem avancierte er zu einem der führenden Schweizer Komponisten an der Wende zum 20. Jahrhundert.

Sibylle Ehrismann
… ist mitverantwortlich für die artes-projekte, Co-Kuratorin der Gewandhaus-Jubiläumsausstellung 2018 «27,5 Köpfe erzählen die Gewandhausgeschichte».

Jahresbericht 2017 der ZHdK

Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) veröffentlicht ihren Jahresbericht 2017: Schwerpunkte des vergangenen Jahres waren die flexiblere Gestaltung des Studiums, die Zusprache von Bundesmitteln für Doktoratsprogramme in der Höhe von 1,5 Millionen Franken sowie Initiativen im Bereich der Digitalisierung.

Unterrichtssituation Musikstudium an der ZHdK. (Foto: Regula Bearth © ZHdK)

Auf verschiedenen Ebenen arbeitete die ZHdK 2017 laut ihrer Medienmitteilung daran, ihre Lehre und Forschung für die Zukunft optimal aufzustellen: Forschung und Lehre seien besser verbunden und zukunftsfähig konzipiert, in Partnerschaft mit promotionsberechtigten Hochschulen seien noch attraktivere Doktoratsprogramme geschaffen worden.

Die ZHdK hat ein neues Modell zur Förderung des hochschulweiten Lernens implementiert. Dieses ermöglicht es Studierenden, übergreifend konzipierte Module zu belegen sowie Lehrveranstaltungen in einem «fremden» Departement zu besuchen. Die neue Vertiefung Sound Design, die im Herbstsemester 2018/19 starten wird, ist dafür ein Beispiel: Ein breites und individuell erweiterbares Fächerangebot trägt dem heterogenen Umfeld von Sound für Film, interaktive Medien und Video Games Rechnung. Weitere Konzepte und Massnahmen zur Individualisierung des Studiums und zur Erhöhung von dessen Durchlässigkeit sind laut der Mitteilung der ZHdK in Planung.

Einen Meilenstein für die Nachwuchsförderung erreichte die ZHdK im April 2017: Vier ihrer fünf Anträge für projektgebundene Beiträge des Bundes für Doktoratsprogramme mit promotionsberechtigten Partnerhochschulen wurden genehmigt. Die ZHdK kooperiert dabei mit der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, der University of Reading und der Kunstuniversität Linz. Ein weiteres Programm wird gemeinsam mit der ETH Zürich und der Universität Zürich durchgeführt. Der Bund fördert die Programme der ZHdK mit insgesamt 1,5 Millionen Franken.

Zur Bündelung von Digitalisierungsthemen hat die ZHdK 2017 einen Digitalrat eingesetzt. Er berät die Hochschulleitung im Bereich des digitalen Wandels strategisch und koordiniert die Umsetzung von Massnahmen. Zudem beteiligte sich die ZHdK am ersten Digitaltag der Schweiz. Das Engagement im Rahmen des Digitaltags wird 2018 fortgeführt.

PDF des Jahresberichtes:
https://www.zhdk.ch/file/live/8c/8ccc82364db19a3900ce2c68c1bf8312d6c26283/20180305_jahresbericht_zhdk_2017.pdf

Bibliotheken offerieren Streamingdienste

Die Winterthurer Bibliotheken haben ein Streamingangebot aufgeschaltet: Die Plattform «Freegal» enthält über 13 Millionen Songs. Eine aktive Bibliothekskarte berechtigt pro Tag zu drei Stunden Musik.

Foto: James Thew / fotolia.de

Die Winterthurer Bibliotheken bauen ihr Onlineangebot stetig weiter aus. Neu warten sie neben E-Books und Datenbanken mit der Streaming-Plattform «Freegal» auf. «Freegal» umfasst den Katalog von «Sony Music» inklusive Sub-Labels. 13 Millionen Songs aus 220 Genres und 80 Ländern sind so verfügbar, ausserdem bietet die Plattform neben Musik auch Musikvideos und Hörbücher auf Englisch.

Für die Nutzung braucht es keine spezifische Software. Das Angebot ist sowohl über einen herkömmlichen Browser über winterthur.freegalmusic.com, über den Link auf der Seite www.ewinbib.ch/ -> Freegal oder über die «Freegal»-App für iOS und Android zugänglich.

Nach der Anmeldung mit Benutzernummer und Passwort können Kundinnen und Kunden der Winterthurer Bibliotheken, die über einen aktiven Bibliotheksausweis verfügen, drei Stunden pro Tag kostenlos streamen. Als Bonus gibt es bis zu drei Lieder pro Woche, die frei von Kopierschutz sind und für immer genutzt werden können.

Auch viele weitere Bibliotheken in der Schweiz bieten ihren Nutzerinnen und Nutzern ähnliche Dienste an.

Das LSO startet eine Crowdfunding-Kampagne

Das Luzerner Sinfonieorchester hat erstmals eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Das Geld wird für die letzte Finanzierungs-Etappe zum geplanten neuen Probenhaus gesammelt. Es geht um eine halbe Million Franken.

Entwurf zum Probenhaus (Bild: LSO)

Das Budget für den Neubau beträgt rund 10 Millionen Franken, ein Grossteil davon konnte bereits durch private Gönner und Mäzene finanziert werden – eine halbe Million Franken wird aber noch benötigt. Das Spendenziel von einer halben Million Franken würde einen neuen Schweizerrekord für Crowdfunding im Bereich Kultur bedeuten.

Der Bau eines eigenen Probenhauses für das Luzerner Sinfonieorchester ist ein strategisches Hauptziel der Stiftung für das Luzerner Sinfonieorchester. Diesem Ziel kommt sowohl künstlerisch wie auch logistisch eine grosse Bedeutung zu. Die Heimstätte des Orchester soll ein Arbeits- und Kreativzentrum werden mit Probemöglichkeiten für die Musiker und einem kinder- und familiengerechten Ambiente für die Education-Programme.

Wird bis zum 12. Juni mindestens die sogenannte Fundingschwelle von 250‘000 Franken erreicht, lösen die Musikerinnen und Musiker einen Wetteinsatz ein: Sie laden die Unterstützer zu einem gemeinsamen Wurstessen ein. An der Verlosung für die limitierten Plätze nehmen alle Unterstützer teil, welche mindestens 50 Franken spenden.

Mehr Infos: www.funders.ch/projekte/probenhaus
 

Ein grosser Wurf

Die Wittener Tage für neue Kammermusik vom 27. bis 29. April bestechen durch interpretatorische wie kompositorische Qualität.

«Quartet. Bodies in Performance» von Katharina Rosenberger. Foto: WDR, Claus Langer

Professionelles Musizieren ist Hochleistungssport und Muskelspiel. In ihrer Klang- und Videoinstallation Quartet. Bodies in Performance zeigt die 1971 in Zürich geborene Katharina Rosenberger die entblössten Rücken von vier Musikern. Schulterblätter bewegen sich, Sehnen treten hervor, auch kräftige Muskeln, trainiert durch jahrzehntelanges Üben. Rosenberger komponierte für ihre Installation kein geschlossenes Quartett, sondern locker gefügte Solostücke für Klavier, Schlagzeug, Akkordeon und Kontrabass. Sie ist multimedial erfahren genug, um zu wissen, dass sich Sicht- und Hörbares sinnvoll befruchten, nicht Klingendes oder Visuelles dominieren sollte. Sie tat auch gut daran, die Videos nicht direttissima mit der Musik zu synchronisieren. Das erhöht die Aufmerksamkeit des Betrachters. Raum bleibt zum Weiterdenken, zum Sinnieren, zum Räsonieren.

Der Interpreten-Fokus Rosenbergers passt gut zu den Wittener Tagen für neue Kammermusik. Immer wieder besticht das jährlich ausgetragene Festival durch herausragende Musikerleistungen. Zu den erfahrenen Neue-Musik-Spezialisten traten diesmal verstärkt das furiose Klavierduo Grau/Schumacher und die jungen Musikerinnen des Trio Catch. Im Wechsel mit den Pianisten intoniert das Trio eine obsessive compulsive music des jungen, in Zürich lebenden Brasilianers Ricardo Eizirik. Er lässt das Trio kurze, rhythmisch prägnante Motive ostinat wiederholen. Unfassbar genau bewältigen Boglárca Pecze (Klarinette), Eva Boesch (Cello) und Sun-Young Nam (Klavier) die heikle Rhythmik eines inspirierten Stückes. Nicht weniger überzeugend die Interpretation von Rosenbergers Trio surge. Stets transparent ist hier das ausgedünnte Klangbild, spannungsvoll gesetzt sind die Generalpausen eines wiederum sehr beeindruckenden Werks, dem man nach der Wittener Uraufführung viele weitere Aufführungen wünscht.

Essenz und Dichte

Das bündige Fazit eines Neue-Musik-Festivals mit mehr als 20 Uraufführungen fällt in der Regel schwer. In Witten war es diesmal kein Auf und Ab, kein – zuweilen mühsamer – Wechsel von experimentellem Misslingen, von Routiniertem oder versöhnlich Beeindruckenderem. Dank herausragender Interpreten, aber auch dank fast durchwegs aussergewöhnlich inspirierter Tonsetzern geriet dem klug programmierenden Festivalleiter Harry Vogt ein grosser Wurf. Unglaublich die Intensität des 35-minütigen Epigram I–III, das der Franzose Franck Bedrossian für die Sopranistin Donatienne Michel-Dansac und das Klangforum Wien geschrieben hat. Michel-Dansac singt Texte der amerikanischen Autorin Emily Dickinson. Ebenso flexibel wie farbenreich spürt sie den Textinhalten nach, während das Ensemble mal als «Nachhallraum», mal als rabiater Kommentator dient, mal als ein Partner der Sopranistin, der sich klanglich anschmiegt und zuweilen mit dem Gesang verschmilzt. Bedrossian zieht in seiner computergestützten Komposition alle Register. Virtuos versteht er zu instrumentieren, dazu kommt ein ausgesprochener Sinn für Dramaturgie. An keiner Stelle des Werks lässt er die Zügel schleifen. Alles ist Essenz, dicht und konzentriert.

Weitere Highlights kommen von Mark André, von Johannes Maria Staud und Georg Friedrich Haas. Seinem Personalstil entsprechend präsentiert er wieder Klanggemische, die nur ihm zu gelingen scheinen. Heftige Klavier-Cluster mischen sich im Trio Blumenwiese I–III vorzüglich mit den Multifonen des Saxofonisten Marcus Weiss und den perkussiven Akzenten des Schlagwerkers Christian Dierstein. Mark André und der Österreicher Johannes Maria Staud betreiben ähnlich spitzfindige Klangarbeit. In Mark Andrés Uraufführung …selig sind… Zwischenräume des Entschwindens gibt es eine seltene Begegnung von Liveelektronik mit einer Klarinette. Mit seinem Instrument durchstreift Jörg Widmann die Räume des Märkischen Museums in Witten. Erst das Ende erklingt – rituell, durchaus auch religiös aufgeladen – inmitten des Publikums. Auch dank dem SWR-Experimentalstudio fasziniert insbesondere die enge Verzahnung instrumentaler Liegetöne mit den Digitalsphären aus den Lautsprechern. Im Lichte II nennt Staud sein Duo für zwei Klaviere. Es ist eine Art Selbsterkundung, da er zurückblickt auf ein etwa zehn Jahre altes Orchesterwerk. Was er im Lauf der Zeit «dazugewonnen» oder «verloren» hat – dem wollte er in diesem expressiven Werk nachspüren. Gewonnen hat letztlich auch der Witten-Besucher, der belohnt wurde durch einen aussergewöhnlichen Jahrgang, der geschmackliche Nuancen in allen Formen bot.

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