Eine sinnvolle Hürde!Der erste Schritt ins Musikstudium

Das Bestehen der Aufnahmeprüfung ist der erste Schritt in das Musikstudium. Studierende von zwei Musikhochschulen berichten, welche Bedeutung die Aufnahmeprüfung für sie hatte, welche Vorbereitungen sie getroffen haben und welche Ratschläge sie zukünftigen Studierenden mit auf den Weg geben möchten.

MK — Die Hochschulgesetzge- bung sieht schweizweit vor, dass nebst Matura oder gleichwerti- gen Schulausbildungen für die Zulassung zu Bachelor-Ausbildungen bei Musik und Künsten eine Eignungsprüfung abgelegt werden muss.

Dies aus dem einfachen Grund, dass allein die schulische Ausbildung (bsp. Maturität) in diesem Bereich keine umfassende Ausbildung (und Praxis) garantiert. Alle Schweizer Musikhochschulen führen deshalb diese Eignungsprüfungen durch – die Grundregeln und die terminlichen Abstimmungen werden über die KMHS (Konferenz der Musikhochschulen Schweiz) harmonisiert.

Grundsätzlich, aber immer auch in regionaler Ausprägung je nach Hochschule und je nach Studiengang, wird zum Zugang zu den BA-Studiengängen eine praktische und eine theoretische Prüfung verlangt. In der praktischen Prüfung wird ein Vortragsspiel auf dem Hauptinstrument erwartet, ebenso sind oft Pflichtstücke (kurzzeitige Vorbereitung) und Blattlesen verlangt.

Die Theorieprüfungen umfassen je nach Disziplin mündliche und schriftliche Gehörübungen, Melodiediktate, Rhythmusübungen, Harmoniekenntnisse, usw. Oft werden an den Eignungsprüfungen mit den Kandidierenden Gespräche geführt. Nach bestandener Prüfung (meist März-April) bieten die Hochschulen den erfolgreichen Kandidierenden Studienplätze an. Sie führen gleichzeitig Wartelisten, falls bei einem Instrument nicht genügend Studienplätze angeboten werden können. In einem Abkommen unter den Hochschulen gilt der 1. Juni als Stichtag für die Studierenden zur Annahme eines Studienplatzes und zur definitiven Aufnahme in die Hochschule. Die Hochschulen können danach definitiv planen und «Nachrutschende» von Wartelisten aufnehmen.

Aus Sicht der KMHS sind die BA-Eignungsprüfungen für Studieninteressierte ein wichtiges Instrument: Dies einerseits zur Qualitätssicherung des Studienbetriebs (tiefe Drop-out-Quote während dem Studium), andererseits im Interesse der Studierenden, reelle Chancen für das erfolgreiche Absolvieren des Studiums zu haben.

Wichtig: Terminliche und inhaltliche Details zu den Anforderungen sind immer bei der jeweiligen Hochschule abzufragen, sie sind je nach Hochschule unterschiedlich. Die meisten Hochschulen stellen Übetools und Workshops für die Vorbereitungen der Theorieprüfungen zur Verfügung. Auch hier geben die Webpages der einzelnen Hochschule Auskunft.

Matthias von Orelli — Matteo Gualandi (Haute Ecole de Musique de Genève: 3e année de Bachelor en composition à Genève dans la classe de Michael Jarrell), Gabriela Glaus (Hochschule Luzern – Musik: Master of Arts in Musikpädagogik, Major Schulmusik II, Hauptfach Gesang Klassik sowie Präsidentin des Studierendenrates an der Hochschule Luzern) und Roman Halter (Hochschule Luzern – Musik: Bachelor of Arts in Music mit Hauptfach Klavier) im Gespräch.

Matteo Gualandi, quand avez-vous décidé de passer l’admission, et où avez-vous passé votre examen d’entrée ?

J’ai décidé de passer mon examen d’entrée en bachelor de composition à la haute école de musique de Genève en décembre 2015, après y avoir réfléchi avec mes professeurs en Italie.

Gabriela Glaus, wann fiel dieser Entscheid bei Ihnen?

Ich habe mich in meinem Maturajahr dazu entschieden die Auf- nahmeprüfung zu machen. Ich hatte jedoch schon länger den Wunsch, mein Hobby zum Beruf zu machen. Dazu habe ich die Aufnahmeprü- fung in Zürich und in Luzern ab- solviert.

Roman Halter, wie sah die Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung genau aus?

Bereits zu Beginn der Klasse für Studienvorbereitung haben mein Klavierlehrer und ich uns anhand der Prüfungsbedingungen der je- weiligen Hochschulen die Stücke ausgesucht, welche wir während den ungefähr acht uns verbleibenden Monaten bis zu den Prüfungen im April 2017 erarbeiten wollten. Die Gehörbildungs-, Theorie- und Diktatkurse bereiteten uns auf den schriftlichen und mündlichen Teil der Aufnahmeprüfung vor. Einige Monate vor den Prüfungen ging ich verschiedenen Klavierdozenten an unterschiedlichen Hochschulen vorspielen, um ihre Rückmeldungen zu erhalten und mehr über ihre Unterrichtsweise zu erfahren. Je näher die Aufnahmeprüfungen rückten, desto emotionaler wurde die Vorbereitungsphase. Es folgten Tage, an denen ich ein gutes Gefühl hatte, andere, an denen der Selbstzweifel mich aufzufressen drohte. Um eine Woche vor der Aufnahmeprüfung die Prüfungssituation zu üben, spielte ich nebst den öffentlichen Konzertabenden und den vielen Klassenstunden in Basel mein komplettes Programm für die Aufnahmeprüfung meinem ehemaligen Klavierlehrer am Gymnasium vor. So konnten die letzten Schwachpunkte der einzelnen Stücke ausfindig gemacht werden, die man dann noch beheben konnte.

Gabriela Glaus: Ich wurde in meinem letzten Jahr an der Kantons- schule in das Begabtenförderungs-programm für Musik aufgenommen. Von nun an hatte ich zusätzliche Theorielektionen, die mich vor allem auf den theoretischen Teil vorberei-tet haben. Ich habe mir dazu die Musterprüfungen auf den Internetseiten der Hochschulen angeschaut, jedoch nicht spezifisch für diese gelernt. Für die Aufnahmeprüfung in Zürich habe ich einer Dozentin vorgesungen und war zwei Mal bei ihr in der Stunde, um mich beraten zu lassen, ob eine Aufnahme überhaupt möglich wäre. Sie konnte mir gute Tipps geben und hat mich bei der Auswahl der Stücke für das Vorsingen beraten.

In Luzern war ich nicht vorsingen, ich kannte meine Dozentin jedoch bereits vom Besuchstag und war mir sicher, dass unsere Zusammenarbeit funktionieren würde. Meine Gesangslehrerin an der Kantonsschule hat mich zudem auch immer gut beraten, und durch die Aufnahme in das Begabtenförderungsprogramm hatte ich jede Woche eine Zusatzstunde.

Die Prüfung

Wie ist die Aufnahmeprüfung genau abgelaufen und wie haben Sie diese persönlich erlebt?

MG : L’examen s’est plutôt bien passé, c’était dur mais je m’y attendais. Je me rappelle que c’était impressionnant de voir toutes les professeures et tous les professeurs du département me juger pendant l’oral sur les différentes épreuves et me poser des questions sur mes partitions.

GG: In Luzern fand zuerst der praktische Teil, das Vorsingen, statt. Zuerst liest man ein Stück vom Blatt, dann darf man selbst ein Stück aus dem eigenen Programm auswählen, welches man vorsingen möchte, anschliessend entscheidet das Gremium, welche weiteren Stücke sie gerne noch hören möchte. Nach dem Vorsingen beraten sich die Dozierenden und geben anschliessend ein kleines Feedback, bei dem mitgeteilt wird, ob man die Aufnahmeprüfung bestanden hat. Natürlich war ich an der Prüfung nervös, und deshalb lief das Blattlesestück total schlecht, so dass die Dozenten sogar mitgesungen haben. Das anschliessende Vorsingen ist mir aber gut gelungen, und glücklicherweise haben die Dozenten als weiteres Stück eines gewählt, in welchem ich sehr sicher war und welches super zu mir gepasst hat. Am gleichen Tag fand dann die Theorieprüfung statt. Diese bestand aus einem Melodiediktat und dann einem mündlichen Teil, bestehend aus Intervalle- und Dreiklänge-Hören, Rhythmusaufgaben-Singen, Blattlesen und dem Vortragen eines kleinen Klavierstückes. Ich habe mich während dieser Prüfung sicher gefühlt, und sie ist mir gut gelungen. Bereits nach diesem Tag wusste ich, dass meine Prüfung bestanden war. Jetzt musste mir nur noch der Studienplatz bestätigt werden.

RH: Grundsätzlich unterschieden sich die Aufnahmeprüfungen der einzelnen Hochschulen nicht allzu stark: Überall durfte man selber wählen, mit welchem Stück man beginnen möchte. Anschliessend wurden Ausschnitte aus den anderen vorbereiteten Stücken von der Jury ausgewählt. Schliesslich folgte ein Gespräch, in welchem die Jury einem Fragen – wie zum Beispiel zu persönlichen Zielen oder was man vom Studium erwartet – stellte. Zudem musste für das Bestehen der Aufnahmeprüfung eine theoretische bzw. mündliche Prüfung absolviert werden. Bei allen Aufnahmeprüfungen war ich sehr nervös, da vom Resultat der Aufnahmeprüfungen sehr viel über den weiteren Verlauf meiner Zukunft abhängen würde.

Die Zeit bis zum Entscheid, ob die Prüfung bestanden wurde oder nicht, war sicherlich nervenaufreibend…

GG: Nun, ich wusste ja bereits, dass die Prüfung bestanden war und musste nur noch auf die Bestätigung des Studienplatzes warten. Diese bekam ich zu meiner Überraschung nach drei Tagen, deshalb gab es für mich keine lange Wartezeit.»

RH: Während den Tagen, in denen ich auf das Resultat meiner Prüfungen wartete, versuchte ich mich abzulenken und nicht ständig an die Prüfungen zu denken, indem ich viel nach draussen ging.

Das Resultat

Comment avez-vous pris connaissan-ce du résultat de l’examen d’entrée, et quelle a été votre impression ?

MG : J’ai vu les résultats sur une feuille affichée à l’entrée de l’école. Comme j’avais réussi l’examen, j’étais très content.

GG: Das Prüfungsergebnis bekam ich bereits am Tag der Prüfung mündlich. Der Studienplatz wurde mir in einem Brief per Mail bestätigt. Ich habe mich riesig gefreut, vor allem da ich von nun an meinen Beruf zum Hobby machen konnte, und bin sofort zu meiner Mutter gerannt, die sich dann mit mir gefreut hat. Ich war erleichtert, dass die Aufnahmeprüfung beim ersten Versuch geklappt hat und vor allem auch, dass mir nun endlich klar war, was ich nach meiner Matura machen werde. Aber ich war auch ein bisschen angespannt, da ich nun mit gerade mal siebzehn Jahren von zuhause in eine neue Stadt ziehen würde.

RH: Einige Tage nach der Aufnahmeprüfung in Luzern öffnete ich meinen E-Mailaccount. Unter den erhaltenen Mails befand sich eine von der Hochschule Luzern. Als ich den Anhang mit dem Prüfungsresultat öffnete, schlug mein Herz bis zum Hals. Im Anhang stand geschrieben, dass ich die Aufnahmeprüfung bestanden hätte und für mich ein Studienplatz reserviert sei. Ich verspürte einen riesigen Moment der Erleichterung, purer Freude und grosser Zufriedenheit.

Erkenntnisse

Comment résumeriez-vous l’expé-rience de l’admission ? Et quels sont vos conseils pour les futurs étudiants qui passent l’examen d’entrée ?

MG : C’était une expérience positive et assez intense. Je pense que le meilleur conseil à donner, c’est de bien se préparer aux rencontres individuelles avec le jury pour l’affronter au mieux et donner une bonne impression.

GG: Für mich war die Aufnahmeprüfung eine gute Erfahrung. Sie verlangt, dass man sich vor dem Studium bereits genauer mit dem Studiengang auseinandersetzt, und ich bin der Überzeugung, dass man sich so viel bewusster ist, was einem als Musikstudent erwartet. Zudem gehört Vorspielen zum Beruf des Musikers. Es ist klar, dass man nervös ist, jedoch wird einem dieser Moment im ganzen Leben immer wieder begegnen. Gute Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung ist die halbe Miete. Meine Ratschläge für Studierende:

Informiert euch frühzeitig, wie sich der Inhalt der Prüfungen gestaltet. Geht, falls möglich, eurem Wunschdozenten vor der Aufnahmeprüfung vorspielen, denn diese Leute können einem immer wertvolle Tipps geben, und man findet schnell heraus, ob es passt.

Bereitet euch auch auf den Theorieteil seriös vor, sei dies in einem Spezialangebot der Kantonsschule oder in einem der Hochschule selber.

Sucht für die praktische Auf- nahmeprüfung Stücke aus, die ihr gerne singt oder spielt und die euch gut liegen. Nehmt lie- ber ein Stück, welches nicht ganz so schwer ist. Die Dozenten wollen nicht eure äussersten Grenzen sehen, sondern Mu- sikalität und Kreativität in der Interpretation.

Falls ihr bei euren Stücken einen Korrepetitor braucht wird die- ser meistens von der Hochschule gestellt. Passt deshalb bei der Stückwahl auf, dass diese vielleicht nicht gerade die virtuoseste Klavierbegleitung haben, klebt zudem unbedingt die Noten, denn wenn der Korrepetitor nicht weiterspielen kann wegen Notenchaos, tut ihr euch selbst keinen Gefallen.

Reist, wenn ihr aus einer anderen Stadt kommt, genug früh an, damit ihr nicht in den Stress kommt. Zieht euch etwas Bequemes und Hübsches an, worin ihr euch wohlfühlt, und nehmt eine kleine Stärkung mit.

Und vielleicht der wichtigste Punkt: zeigt, dass ihr Spass habt und ihr gerne Musik macht.

RH: Die Zeit der Aufnahmeprüfungen war eine emotionale Berg- und Talfahrt. So sollte man sich von Selbstzweifeln und allfälligen Zweifeln anderer Leute nicht übermannen lassen. Ich finde es sehr wichtig, sich von Anfang an gezielt auf die Prüfungsbedingungen vorzubereiten und die zur Verfügung stehende Zeit optimal zu nutzen. Auch einen Lehrer zu haben, der einen motiviert und weiss, wie man die Stücke und deren Schwierigkeiten am besten angehen soll, war für mich sehr viel wert.

Die Volksinitiative «No-Billag» im Spiegel der Schweizer Musikhochschulen

Die so genannte «No-Billag-Initiative» gefährdet das Schweizer Kulturschaffen. Vertreter von Schweizer Musikhochschulen nehmen im Interesse der Musik dazu Stellung – im Gespräch und mit Stellungnahmen zu den kulturellen Auswirkungen und möglichen Konsequenzen.

Peter Kraut — Die «No-Billag-Initiative» ist ein direkter Angriff auf das einheimische Musikschaffen, freilich ist das auf den ersten Blick nicht klar. Die Initiative müsste ja korrekterweise «No SRF» heissen, weil sie per Verfassung dem Bund verbietet, eigene Radio- und TV-Anstalten zu betreiben (Artikel 6: «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen»). Wenn wir als einziges westeuropäisches Land aber keine öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mehr hätten, die per Gesetz unabhängig und ausgewogen informieren müssen, dann würden wir ein wichtiges und sinnvolles Glied in vielen Förderbereichen verlieren. Der Bund fördert per Verfassung und Gesetze ja nicht bloss Kultur, sondern auch Sport, Sprachenvielfalt, Landwirtschaft, Grundlagenforschung, Umweltschutz, Denkmalpflege und ganz vieles mehr. Die Dokumentation dieser Verfassungsaufträge mittels Radiosendungen und TV-Formaten (etwa Kultursendungen, Sportübertragungen, Diskussionen, Reportagen etc.) ist grundlegend für den politischen Diskurs. Wenn SRF nicht mehr über wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens berichtet, die gemäss Verfassung gefördert werden müssen, dann können wir uns auch kein Bild mehr darüber machen, ob diese Aufgaben sinnvoll sind und wie sie allenfalls zu verändern wären. (Und es ist nicht davon auszugehen, dass private Medien in diese Lücke springen werden, da sie primär einen kommerziellen Auftrag haben). Unsere Demokratie würde also selber eine ihrer wichtigsten Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten – die öffentliche Diskussion – massiv beschneiden. Deshalb ist die «No-Billag-Initiative» so gefährlich und demokratiefeindlich.

Kritisch für die Musik

Für die Musik wird es besonders kritisch, schon nur weil der SUISA, also der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaft für Musik, knapp 40 Millionen Franken an Einnahmen fehlen werden, die sie durch SRF-Sendungen erhält. Das trifft die schweizerischen Urheber ganz direkt. Aber auch indirekt, denn das vielfältige Musikschaffen wird ohne SRF viel schlechter dokumentiert werden. Kein Medium berichtet so ausführlich und detailliert über die schweizerischen Musikszenen wie SRF2. Lokalradios, die das lokale Musikschaffen fördern, würden eingehen. Tessiner oder rätoromanische Musik wäre kaum mehr zu hören. Zudem fallen ohne SRF viele wichtige Filmproduktionen weg (wie etwa Tatort, Wilder, Der Bestatter, Dokumentarfilme etc.), die der schweizerischen Film- und Musikbranche wichtige Plattformen bieten. Diese Liste der negativen Auswirkungen der Initiative liesse sich verlängern. «No-Billag» löst kein einziges Problem und leistet keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Kulturlandschaft, sondern entlastet lediglich Personen und Firmen von Mediengebühren, die, ähnlich wie Steuern, eine zentrale und solidarische Ressource darstellen für das Funktionieren unserer Gesellschaft.

Dass «No-Billag» für die gesamte Musiklandschaft verheerend wäre, beweisen auch die starken Statements gegen die Initiative von so unterschiedlichen Musikschaffenden wie The Young Gods, Peter Reber, Gotthard oder Andrew Bond. Wem die Vielfalt des schweizerischen Musikschaffens ein Anliegen ist, muss diese Initiative ablehnen.

Peter Kraut

… ist stv. Fachbereichsleiter Musik an der Hochschule der Künste Bern HKB/BFH

Rück- und Ausblicke

In dieser Ausgabe werfen die Schweizer Musikhochschulen individuelle Blicke zurück: was waren Höhepunkte und besondere Momente im laufenden Jahr, und was ist geplant, vorgesehen und erhofft im 2018.

Luzern: Richtung Südpol

In Luzern geht’s Richtung Zukunft. An der Gegenwart wird gleichzeitig hart gearbeitet. Es ist wie bei guter Musik: Das Lineare krümmt sich, das Vergangene kommt erst, das Zukünftige ist schon vorbei. Sich erinnernd hört man voraus. Nach vorne schauen wir auf unseren Bauplatz am Luzerner-Südpol, dem neuen Luzerner Campus für die Musik. Erstmals Jazz, Kirchenmusik, Forschung, Volksmusik, Pädagogik, Performance, Klassik, Schulmusik und alles, was dazwischen ist, unter einem Dach, in neuen Räumen, im kreativen Chaos. Daraus soll die Kultur einer zeitgemässen Musikhochschule entstehen. Das Künftige ausdenkend beschäftigen wir uns mit Gegenwart: Neu geschnürt haben wir im 2017 alle unsere Bachelor-Studiengänge, abgewehrt auf der politischen Ebene haben wir Streichkonzerte bei den Precollege-Studiengängen, in Konzerten glänzten wir zusammen mit dem Luzerner Sinfonieorchester und am Lucerne Festival. Mit dem Luzerner Theater stemmten wir Musiktheater-Events und zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Irland und der Türkei schafften unsere Volksmusikstudierenden überraschende Fusionsgigs am Festival Alpentöne. Und die Jazz-Bigband tourte durch die halbe Schweiz. Wir fühlen uns wie die Kollegen auf unserer realen Baustelle und haben eine gemeinsame Partitur: Wir sind «sur place», wir bauen an neuen Ideen und Strukturen, wir wissen, dass es von unten nach oben geht und jeder Schritt überlegt sein will. Oben kommt man ohne Katastrophe nur an, wenn die Grundsteine gelegt sind, wenn die inhaltlichen Räume realistisch aufgespannt sind. Diese sollen heute das bergen, was wir am Ende haben wollen. Vordergründig bauen am Südpol Handwerker, Ingenieure, Architekten. Hintergründig füllen Dozierende, Studierende, Pädagoginnen und Pädagogen, Forschende und Administrierende das Entstehende mit Inhalten auf. Jedes heute gesetzte Steinchen hat morgen seine Bedeutung im Ganzen.

Michael Kaufmann, Direktor Hochschule Luzern-Musik

Kalaidos: Mein Studienjahr 2017

Ich fing das Jahr mit dem ernsten Vorsatz an, den ersten Teil der Musiktheorieprüfung abzulegen: Akustik und Musikgeschichte. Die Prüfungstermine waren Anfang Mai und Anfang Juli. Ausserdem wechselte ich Anfang des Jahres zu Ting Sun als Hauptfachlehrperson. Ich lernte sie im Rahmen ihrer Akkreditierung kennen und war sofort von ihrer Art zu unterrichten beeindruckt. Ende Februar gab es Abwechslung im Lernalltag, einen szenischen Opernkurs in Basel mit Maria Gessler und Martin Kronthaler sowie dem Pianisten Riccardo Bovino. Drei Tage lang wurden Opernszenen geprobt unter der fachkundigen Anleitung der Dozenten. Dort habe ich viel wertvollen Input erhalten. Im Frühjahr besuchte ich das Modul Musik und Forschung, in dem es um Forschungsthemen und das Schreiben von Forschungsarbeiten ging. Dieses Modul wird sowohl von Studenten im klassischen Profil als auch von Studenten im Jazz/Pop Profil besucht. Ich fand es sehr spannend, einen Einblick in andere Stilrichtungen der Musik zu bekommen, die dieser gemeinsame Kurs bot. Vor den Sommerferien bestand ich die beiden Prüfungen, und mein Wissen über Musikgeschichte und Akustik war markant angestiegen. Der Herbst brachte einen neuen Opernkurs in Basel und ein neues Modul: Mastervorbereitung Pädagogik. Im nächsten Jahr stehen dann der zweite Teil der Musiktheorieprüfung an und die noch fehlenden Module, welche zum Studium gehören. Vor allem aber Singen!

Grete Einsiedler, Bachelor Gesang Klassik, Kalaidos Musikhochschule

Lugano: Numerose sorprese

Sono una flautista all‘ultimo anno del Bachelor of Arts in Music al Conservatorio della Svizzera Italiana. Questo corso ha arricchito notevolmente le mie conoscenze in campo musicale in generale e flautistico in particolare. Tra gli eventi più significativi dell‘anno accademico appena trascorso, spicca a mio avviso l‘incontro con uno dei flautisti più importanti nel panorama musicale attuale: il primo flauto dei Berliner Philharmoniker, Emmanuel Pahud. Questa non è stata sicuramente la prima volta in cui abbiamo avuto l‘opportunità di confrontarci con musicisti di livello eccelso. Noi studenti, infatti, oltre ad essere seguiti da maestri di fama internazionale, spesso seguiamo masterclasses con concertisti importanti. Per esempio, alcuni allievi della classe di pianoforte, hanno più volte seguito corsi e concerti della conosciutissima pianista Martha Argerich. Sicuramente l‘anno accademico 2017/2018 non sarà meno stimolante del precedente. Per quanto mi riguarda seguirò corsi molto interessanti, tra cui uno in collaborazione con gli allievi del DEASS (SUPSI) che prevede concerti per persone in stato di sofferenza e difficoltà (presso il teatro del Centro Sociale Di Mendrisio). Inoltre, il 12 febbraio al LAC, sarò impegnata in una delle numerose produzioni orchestrali del conservatorio. Per finire, a conclusione del mio percorso formativo, avrò occasione di esibirmi in un concerto solistico in conservatorio nel mese di giugno. Non è detto però che vi abbia elencato tutti gli avvenimenti che mi impegneranno in quest‘anno. Il conservatorio infatti riserva ai suoi iscritti numerose sorprese!

Chiara Ritoni, studentessa del Bachelor of Arts in Music, flautista

Lausanne : diversité

Revenir sur l’année écoulée, c’est notamment savourer l’ampleur et la variété des projets artistiques réalisés par l’HEMU au travers des nombreuses vidéos et photos mises en ligne. Les partenariats y figurent en nombre : avec l’Orchestre de Chambre de Lausanne, l’Opéra de Lausanne, la Société de Musique Contemporaine, le Festival Archipel, le Cully Jazz Festival, le Montreux Jazz Festival, pour n’en citer que quelques-uns. Ces collaborations permettent à nos étudiants et étudiantes de côtoyer des artistes de renom et de se créer un réseau fort utile à l’aube de leur carrière. En mars 2017, L’HEMU et l’EJMA ont accueilli la Montreux Jazz Academy, qui a sélectionné, parmi ses dix candidats, une étudiante de l’HEMU pour une semaine de création avec six icônes mondiales du jazz. Dans la série Le Flon Autrement, une carte blanche a été donnée à la brillante mezzo-soprano Marina Viotti, qui a laissé chanter sa créativité autour du thème Love has no borders. La cantatrice s’est également largement démarquée lors de la première édition du concours Kattenburg, nouveau venu dans le paysage romand du chant lyrique et fondé sur la volonté de créer un point de rencontre bisannuel entre les étudiants de l’HEMU et ses alumnis. De quoi entrer en 2018 avec énergie pour nos étudiants et étudiantes ! L’année s’ouvre avec plusieurs conférences sur des thèmes de musiques actuelles proposées en janvier 2018 et un workshop innovant voué à expérimenter de manière interactive la question du leadership en orchestre. En avril 2018 sera marqué du retour de l’HEMU Jazz Orchestra au Cully Jazz Festival, et on ne peut que vous conseiller de suivre l’annonce de la programmation de près.

Haute École de Musique de Lausanne

(HEMU)

Bern I: drumming

Anfangs Juni spielte die Schlagzeugklasse der HKB drumming von Steve Reich unter der Leitung von Brian Archinal am Festival «HKB geht an Land» in St. Imier. Im September nahm ich an der Student competition des Ostschweizer Solisten- und Ensemblewettbewerbes teil, an dem ich den ersten Preis gewann, und schliesslich war ich im Rahmen des Musikfestivals Bern Teil des Projektes bei der Aufführung von Gerard Griseys Le Noir de l’Étoile, geleitet von Pascal Viglino und Benoît Piccand, für sechs Schlagzeuger in der emblematischen Reithalle Bern. Die vielen Eindrücke in der Begegnung mit zeitgenössischer Musik und der Musikvermittlung zeigten mir neue Sicht- und Spielweisen auf, welche in mein jetziges Schaffen einfliessen und es so tiefgründiger und nuancierter machen.

Mirco Huser, Schlagzeugstudierender HKB in den Klassen Brian Archinal, Jochen Schorer und Christian Hartmann

Bern II: Das wilde Europa erfinden

In Les Indes galantes, dem opéra ballet von Jean-Philippe Rameau, wird die Praxis der Liebe in fernen Ländern beschrieben – es ist der europäische Blick auf das Fremde. Rameau war aber auch Musiktheoretiker und einflussreicher Kulturpolitiker. Alles zusammen also eine perfekte Startrampe für ein multidisziplinäres Grossprojekt, das man an vier Spielorten rund um die Ostermundigenstrasse 103, am neuen Standort des Fachbereichs Musik HKB, wird erleben können. Ein High-Tech Auditorium, ein alter Hörsaal, eine leere Shedhalle, ein Theatersaal und diverse Verbindungswege werden von Regisseur Joachim Schloemer mit rund 50 Studierenden und Dozierenden eindrucksvoll in Szene gesetzt. Dabei wird aber nur wenig Barockmusik zu hören sein – vielmehr komponieren, bauen, inszenieren, interpretieren, vermitteln und librettieren Studierende aus Musik, Theater, Literatur, Oper, Gestaltung und Kunst, Sound Arts und anderen Bereichen grosse Teile dieses HKB Laboratoriums. Eine wilde Sache eben, aktuell und dramatisch, poetisch und auch kulinarisch angereichert. L’Europe sauvage, so der Titel, ist eine verpflichtende Ansage für ein wunderbares Spektakel im industriellen Galgenfeld.

Peter Kraut, Stellvertretender Leiter Fachbereich Musik, Hochschule der Künste Bern

Zürich: 2017 und 2018

Ich bin jedes Mal sehr aufgeregt, wenn ich eine Möglichkeit habe, bei Musikprojekten aufzutreten: Kammermusik zu spielen, zeitgenössische Musik aufzuführen, im Orchester zu spielen… Im Jahr 2017 hatte ich die Ehre, zusammen mit meiner Kollegin, der Saxophonistin Valentine Michaud, beim Lucerne Festival ein Debut-Konzert zu spielen und meine Hochschule dort zu repräsentieren. Gemeinsam bilden wir das Duo AKMI und haben unser internationales Debüt in Russland und den USA gegeben und dabei die Erstaufführung von Kevin Juillerats L’étang du Patriarche gespielt, was eigens für unser Duo komponiert wurde. Des Weiteren war ich stark mit Kammermusik und zeitgenössischer Musik beschäftigt. Ich habe mit meinen Kollegen von der ZHdK im Rahmen der «Prelude» und «Surprise» in der Tonhalle gespielt, neue Kompositionen von ZHdK-Studierenden aufgeführt und dabei sehr viel Erfahrung gesammelt. Zudem hat mir die ZHdK die Gelegenheit gegeben, meine Ideen im Abschlussrecital zum Thema Crossover zu realisieren, daher habe ich das Konzert für zwei Klaviere und Schlagzeug op. 104 (aus dem Jahr 2002) von Nikolai Kapustin aufgeführt, ein Stück, das ich schon lange spielen wollte. Im Jahr 2018 werde ich die Gelegenheit wahrnehmen, weiter interessante Konzerte zu spielen und neue musikalische Erfahrung zu sammeln. Es gibt wie immer Projekte mit dem Ensemble Arc-en-Ciel, dem Orchester der ZHdK, ausserdem Konzerte bei der Musikwoche Braunwald, beim Lilienberg Rezital oder in der Maison Blanche sowie ein Workshop mit Brett Dean und vieles mehr.

Akvile Sileikaite, Master Specialized Music Performance, Klavier, Zürcher Hochschule der Künste

Basel: Gesang im Aufwind

In Basel stand 2017 Gesang im Zentrum bedeutender Projekte der Schola Cantorum Basiliensis (SCB) und der Hochschule für Musik (HSM). Einige davon wurden von beiden Instituten gemeinsam veranstaltet, wie die inspirierenden Kurse der langjährigen Gastdozentin Margreet Honig, ein Meisterkurs mit Christine Schäfer und das Projekt Lamento in Kooperation mit der Gare du Nord. Unter diesem Titel verband Désirée Meiser Teile aus Monteverdis Orfeo und Sciarrinos Luci mie traditrici zu einer Musiktheater-Produktion, die unter der musikalischen Leitung von Giorgio Paronuzzi und Jürg Henneberger erklang und gleichzeitig zum Programm des Jubiläums zum 150-jährigen Bestehen der Musik-Akademie Basel gehörte. Lamento war das dritte Opernprojekt an der HSM, nach Richard Ayres Die Genesung der Grille am Theater Basel und einer Projektwoche von Regina Heer zu Le nozze di Figaro. Das Jubiläumsjahr wurde mit einer Uraufführung von Rudolf Kelterborn Musica profana für Sopran, Bariton und drei Instrumental-Ensembles unter der Leitung von Heinz Holliger eröffnet. Weitere ehemalige Basler Direktoren und Professoren standen in einem Chorkonzert unter der Leitung von Raphael Immoos auf dem Programm. An der SCB bleiben die Fragen des historischen Singens stets im Zentrum. Eine CD (Label: Glossa) des Ensembles Profeti della Quinta mit Musik des frühen 17. Jh. aus der Feder des mysteriösen «Carlo G.» hat die Verzierungspraxis dieser Quelle beleuchtet; Ensembleprojekte in Bogotá und ein Senfl-Konzert in Basel (27.1.2018) bemühen sich um Aufführungen aus originaler Chorbuchnotation und im Projekt «Studio 31» (SCB/HSM) wird vieltönige Musik im Vokalensemble experimentell erprobt und aufgeführt.

Musik-Akademie Basel (FHNW), Hochschule für Musik Basel, Schola Cantorum Basiliensis, Hochschule für Alte Musik

Genève : consolider l’identité propre

Après que l’année 2016 se soit conclue sur le vote de l’Assemblée générale des Nations Unies mettant à disposition de la Cité de la musique un terrain à proximité de son siège de Genève, l’année 2017 se termine avec la proclamation du vainqueur du concours international d’architecture sur invitation destiné à sa construction. Les bureaux de Pierre-Alain Dupraz (Genève) et Gonçalo Byrne (Lisbonne), ainsi que Nagata Acoustics (responsables notamment de la Philharmonie de Paris, de l’Elbphilharmonie à Hambourg et de la salle Boulez de Berlin) se sont associés pour concevoir un grand ensemble comprenant une salle philharmonique de 1700 places (siège de l’Orchestre de la Suisse Romande), une salle de récital d’environ 450 places, une salle lyrique d’environ 250 places et une blackbox destinée aux spectacles expérimentaux, ainsi que la totalité des activités de la Haute école de musique de Genève. Magnifiquement située au cœur de la Genève internationale, faisant la part belle aux interactions entre ses différents occupants et largement ouverte sur la région et sur le monde, la Cité de la musique devrait s’ouvrir en 2023.

Le défi principal de 2018 pour la Haute école de musique sera également immobilier avec la fermeture pour rénovation du bâtiment historique de la Place neuve et le déménagement de ses activités de production dans diverses salles genevoises, lui permettant d’aller encore davantage à la rencontre de la population et de consolider son identité propre.

Haute Ecole de Musique de Genève

Summertime

In den Sommermonaten waren viele Musikerinnen und Musiker unterwegs. Sie besuchten ihre Familien, traten bei Festivals auf, nahmen an Meisterkursen teil oder legten das Instrument einmal beiseite. Doch was bedeutet diese Zeit für sie tatsächlich?

Matthias von Orelli — Der Cellist Joachim Müller-Crépon (JMC), der Pianist Alexander Boeschoten (AB) und die Trompeterin Manuela Fuchs (MF) geben in einem Gespräch Auskunft, wie sie den Sommer verbracht haben, welche Bedeutung diese Zeit für sie hat und welchen Stellenwert ihre Ausbildung an einer Schweizer Musikhochschule hat.

Stellen Sie sich doch bitte kurz vor…

MF: Aufgewachsen auf einem Luzerner Bauernhof, wollte ich schon als kleines Mädchen Trompete lernen. Ob Filmmusik oder die hiesige Dorfmusik als Inspirationsquelle diente kann ich nicht mit abschliessender Sicherheit beantworten. Ich schätze die stilistische Vielfalt, welche dieses Instrument mit sich bringt sehr und lebe es mit meiner klassischen Ausbildung so gut es geht aus.

JMC: Ich bin Cellist, 29 Jahre alt, in Zürich aufgewachsen, und ich habe vor einem Jahr mein Studium in Basel bei Thomas Demenga mit einem Master in Solo Performance abgeschlossen.

AB: Ich bin auch nur ein Mensch…

An welcher Schweizer Musikhochschule haben Sie studiert?

MF: Den Bachelor absolvierte ich bei Laurent Tinguely an der Zürcher Hochschule der Künste, für den Orchester- und Solistenmaster wechselte ich zu Klaus Schuhwerk an die Hochschule für Musik Basel.

JMC: Als Jungstudent war ich in Zürich und Winterthur, damals HMT, heute ZHdK. Dort habe ich auch mit einem Bachelor in Musik abgeschlossen. Nach einer Weile im Ausland habe ich in Basel meinen Pädagogik-Master und, wie gesagt, den Solo Performance Master gemacht.

AB: Ich habe meine Ausbildung an der Musik-Akademie Basel bei Ronald Brautigam und in Zürich an der ZHdK bei Homero Francesch geniessen dürfen.

Sommerzeit – Festivalzeit

Die Sommer- und Ferienzeit geht nun zu Ende. Wie haben Sie diese Monate verbracht?

MF: Ein Highlight war sicherlich die Zeit beim Davos Festival, eine Inspirationsquelle sondergleichen mit vielen hervorragenden Musikern und einer einzigartigen Energie. Eine Woche ging für den Umzug drauf, sonst gab es viele kleinere Engagements, darum hat sich keine längere Pause ergeben, um richtig abschalten zu können. Nach einer Woche Pause brauche ich wieder etwa eine Woche sauberen Aufbau – ich vergleiche es gerne mit einem Spitzensportler, der rennt den Marathon normalerweise auch nicht ohne Training.

JMC: Da ich seit einem Jahr eine Stelle am Konservatorium Bern habe, waren meine Ferien auf gut sechs Wochen beschränkt. Ich war bis Mitte Juli noch sehr beschäftigt mit Unterrichten und Konzerten und habe mir dann von Ende Juli bis Mitte August eine kleine Auszeit in Südafrika gegönnt, wo ich zwei Jahre studiert habe und noch immer viele Freunde habe. Mein Instrument hat mich begleitet, und somit konnte ich dort auch Konzerte spielen und mich auf die kommende Konzertsaison vorbereiten.

AB: Ferienzeit gibt es für einen Musiker eigentlich nicht. Trotzdem ist der Sommer eine besondere Zeit, da der Konzertbetrieb in den Städten stillsteht und sich das kreative Schaffen in diversen wunderbaren Festivals bündelt.

Was bedeutet für Sie Ferien? Ist es tatsächlich eine Zeit zum Ausspannen oder vielmehr eine Zeit, sich vom Alltag des Studiums zu erholen?

MF: Für mich sind es nebst übefreier Zeit auch Tage ohne Organisations- und Büroarbeiten, was fast wichtiger ist, um den Kopf frei zu kriegen, zumal sich bei mir diese mentalen to-do-Listen nicht per Knopfdruck abstellen lassen.

JMC: Während meines Studiums habe ich die Sommerzeit meistens in Kursen oder an Festivals verbracht. Da blieben höchstens ein paar Tage, um etwas Abstand vom Instrument zu nehmen. Ich habe aber vor ein paar Jahren angefangen, ein paar Tage pro Jahr fix einzuplanen an denen das Instrument auf die Seite gelegt wird und andere Dinge Platz finden können. Es ist für mich ein Kräfte- und Gedanken-Sammeln für die kommende Saison. Manchmal kommt man aus solchen Phasen auch mit neuen Perspektiven auf das eigene Spiel und die Musik heraus, welche man durch das stetige Sich-Mit-der-Musik-befassen vielleicht nicht erlangt. Das empfinde ich als ungemein erfrischend.

AB: Ich denke, dass Ferien, also eine Zeit des Abstandnehmens und der Erholung, essentiell sind für jedes kreative Schaffen. Trotzdem habe ich dieses innige Bedürfnis nach Ferien seit meiner Schulzeit nicht mehr empfunden – dafür ist unser Beruf einfach zu schön.

Gibt es auch einen Moment, in dem Sie glücklich sind, das Instrument für ein paar Tage nicht anfassen zu müssen?

MF: Absolut! Ende Saison ist man mental müde. Ein Freund amüsiert sich darüber, dass bei mir die Instrumente dann in den Keller wandern.

JMC: Auf jeden Fall. Wenn es gut geplant ist und ich aus tiefer Überzeugung mir diese «Freizeit» gönne, dann ist das wunderbar. Genauso wunderbar ist es dann, ans Instrument zurückzukommen. Es ist vielleicht etwas ähnlich wie bei einer Beziehung, wenn man sich mal ein paar Tage nicht sieht. Danach freut man sich (so hoffe ich doch), das Gegenüber wieder zu sehen und sich über Erlebtes auszutauschen.

AB: Aber sicher, nach einer Woche juckt es dann aber wieder in den Fingern.

Hochschulmodelle

Sie kennen viele Musikerinnen und Musiker aus anderen Ländern. Sprechen Sie mit diesen auch über die unterschiedlichen Hochschulmodelle?

MF: Dieser Austausch findet spannenderweise vorwiegend mit anderen Trompetern statt.

JMC: Ehrlich gesagt habe ich das so noch nie erlebt. Über andere Hochschulen hab ich mich wohl informiert, aber das Hochschulmodell verglichen habe ich höchstens in Südafrika, wo ich an einer Universität studiert habe und nicht an einer Hochschule.

AB: Ja, klar, aber am Ende steht und fällt das Ganze mit dem Namen und der Klasse der Hauptfachdozenten. Die Institution ist dabei sekundär.

Was fällt Ihnen dabei auf, oder anders gefragt: wie sehen Sie die Schweizer Musikhochschulen im internationalen Vergleich?

MF: … dass das Bologna-System international – nicht mal schweizweit – einheitlich geregelt ist.

JMC: Ich glaube, wir können uns grundsätzlich sehr glücklich schätzen in der Schweiz. Die Auswahl an Studienorten sowie die Vielfalt sind für ein kleines Land doch sehr beachtlich, und ich glaube auch, dass die Schweizer Musikhochschulen den inter- na-tionalen Vergleich nicht scheuen müssen. Ich bin sehr froh, dass ich hier grösstenteils mein Studium machen konnte.

AB: Das ist ganz unterschiedlich, es gibt an den meisten Schulen gute und schlechte Klassen und nur ein paar wenige erreichen eine internationale Ausstrahlung.

Sehen Sie Punkte, die man Ihrer Meinung nach verbessern müsste an diesem System?

MF: Zum Beispiel der Hauptfachunterricht: An gewissen Schulen sind im dreijährigen Bachelor 60 Minuten eingeplant, an anderen 90 Minuten, während ich von einer deutschen Hochschule weiss, dass der Bachelor dort vier Jahre dauert und man 120 Minuten Unterricht zugute hat. In Österreich wiederum hat man in diesen vier Jahren sogar noch einen pädagogischen Abschluss. Wie kann das kompatibel sein?

JMC: Da wir vorher über Ferien und Sommermonate gesprochen haben wäre es vielleicht ein Gedanke wert, ob man die Semesterpause nicht den umliegenden europäischen Ländern anpassen sollte. Als Student kann es manchmal zu schwierigen Momenten kommen, wenn ein Meisterkurs erst sehr spät im Sommer stattfindet und die Hochschulen in der Schweiz schon Mitte September zur gleichen Zeit wieder den Betrieb aufnehmen.

AB: Das Bologna-System ist für die Musik absoluter Unsinn, aber der Trend nach einer internationalen Gleichschaltung und digitalen Strukturierung ist wohl kaum mehr aufzuhalten.

Schweizer Musikleben

Wie empfinden Sie das Schweizer Musikleben grundsätzlich?

MF: Für freischaffende Musiker ein Paradies! Die Nachfrage und Wertschätzung ist grösstenteils da, und an Musikschulen herrschen optimale, gesetzlich geregelte Arbeitsbedingungen – Sozialleistungen inklusive – was im Ausland überhaupt nicht selbstverständlich ist.

JMC: Vielfältig, lebendig, inspirierend – eine sehr schöne Mischung, und es hat von allem etwas. Und das will ich gar nicht nur auf die klassische Musik beziehen. Ich höre auch gerne Jazz oder andere Stilrichtungen. Die Schweiz hat sehr viel zu bieten! Vielleicht bräuchte es von den grösseren Institutionen und Konzertveranstaltern manchmal etwas mehr Mut zur Innovation. Aber das ist eine Kritik auf sehr hohem Niveau.

AB: Der «Kantönligeist» schafft gewisse Barrieren, aber grundsätzlich ist die Welt in der Schweiz noch in Ordnung. Insbesondere wenn man den Blick auf gewisse europäische Länder lenkt.

MF: Parallel zum Orchesteralltag werde ich diesen Herbst mit dem Pianisten Carl Wolf eine CD aufnehmen, wo wir den Fokus auf die Vielfältigkeit des Instruments legen. An Weihnachten spiele ich wieder mit dem Classic Festival Brass Ensemble im KKL, danach folgen diverse Solokonzerte. Eines davon wird eigens für mich vom Basler Musiker Olivier Truan (dem Gründer und Kopf der erfolgsverwöhnten Klezmer-Band Kolsimcha) komponiert. Ich hoffe, es bleibt noch Zeit für das ein oder andere Probespiel…

JMC: Ich möchte mich auf meinem Instrument weiterentwickeln und auch eigene Projekte aufstellen. Zusammen mit Alexander Boeschoten arbeite ich gerade an einer Konzertreihe in Zürich im nächsten Jahr. Die Organisation ist Neuland für mich, aber es macht unglaublich Spass und tut meinem Cellospiel auch sehr gut, noch andere Aufgaben neben dem täglichen Üben wahrzunehmen.

AB: … und ich sollte gleich noch etwas üben.

Sommerliche Klangausblicke

Vor der Sommerpause werfen wir einen Blick auf kommende Highlights an den Schweizer Musik-hochschulen im Sommer und Frühherbst.

Matthias von Orelli — Sommerzeit ist Semesterferienzeit. Trotzdem bieten die Schweizer Musikhochschulen ein reichhaltiges Programm, gehen aus den Schulen hinaus oder kooperieren mit Festivals, die im Sommer und Frühherbst stattfinden. Die Tour d’horizon soll neugierig machen, einzelne dieser Veranstaltungen zu besuchen.

Basel Plucks

Die Biennale Basel Plucks wurde im Jahr 2013 ins Leben gerufen und wird in diesem Jahr unter der künstlerischen Leitung von Peter Croton zum dritten Mal in den Räumlichkeiten der Musik-Akademie Basel stattfinden. Das Ziel dieses Festivals besteht darin, die Reichhaltigkeit und Vielfalt der Basler Meister und Talente der zupfenden Zunft zu illustrieren. Renommierte internationale Gäste runden das bunte und reichhaltige Programm ab, das 2017 unter dem Thema Collaborations stattfindet. Die Musik-Akademie ist mit ihren Musikschulen Basel und Riehen, dem Jazzcampus und den Musikhochschulen FHNW, Hochschule für Musik und Schola Cantorum Basiliensis geradezu prädestiniert für eine solche Biennale, denn neben den grossen Namen soll auch der Nachwuchs verstärkt mitwirken, eingebunden sein und auftreten können.

Basel Plucks, 27. September bis 1. Oktober an der Musik-Akademie Basel

Im September feiert die Musik-Akademie Basel ihr 150jähriges Bestehen und lädt als Höhepunkt am 23. September 2017 die ganze Stadt zu sich ein. Von morgens bis abends treten unterschiedlichste Formationen auf und lassen, interpretiert von Lehrpersonen, Dozierenden, Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden, Musik aller Genres und Epochen erklingen. Am offiziellen Festakt in der Martinskirche werden Regierungs- und Akademievertreter zu den Gästen sprechen. Dabei wird eine Auftragskomposition des Jazzmusikers Guillermo Klein zur Uraufführung gelangen. Die Veranstaltung soll deutlich machen, was die Musik-Akademie seit 150 Jahren der Stadt Basel bringt: nämlich Musik, Musik, Musik.

Jour de Fête, Grosses Fest an der Musik- Akademie Basel, 23. September 2017

Eine Musikhochschule auf Reise

Die Hochschule der Künste Bern (HKB) arbeitet beim Programm HKB geht an Land mit kulturell interessierten Gemeinden des Kantons Bern zusammen und will so hinaus aus der Stadt. In diesem Jahr besucht die HKB das Vallon de Saint-Imier. Die Studierenden setzen sich mit der industriellen und sogar anarchistischen Vergangenheit der bernjurassischen Gemeinden rund um den Chasseral auseinander und erhalten die Gelegenheit, die Räume ehemaliger Fabriken zu öffnen und neu zu interpretieren und wiederzubele- ben. Die Projekte sollen auch Ideen für die zukünftige Nutzung der Industriebauten, die ihre Funktion vielerorts verloren haben, initiieren. Musikalisch kann man beispielswei-se Studierende der Klavierklasse erleben, wie sie russische und regionale Komponisten im unklassischen Rahmen des Schlachthofs von Saint-Imier interpretieren. Und auch die Lokalbevölkerung ist eingeladen, unter der Leitung von Dozierenden der Perkussion experimentelle Musik in diesen Räumen zur Aufführung zu bringen.

> hkbgehtanland.ch

Im Sommer starten zudem zwei Meisterkurse des Fachbereichs Musik der HKB. Im Juli mit Benjamin Schmid (Violine), Thomas Riebl (Viola) und Peter Bruns (Violoncello), im August mit den Low-Brass-Professoren Ian Bousfield (Posaune), Thomas Rüedi (Euphonium) und Rex A. Martin (Tuba). Die beiden Meisterkurse finden im Rahmen der Simmenklänge HKB talauf statt – eine äusserst fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Kulturförderstiftung Lenk und der HKB.

Lenk, 3 bis 7. Juli 2017 resp. 21. bis 26. August 2017

« Kiss me, Kate » pour débuter la saison

En ouverture de la saison 2017/2018, la Haute école de musique de Genève (HEM) présentera une production de Kiss me, Kate de Cole Porter, l’« ancêtre des comédies musicales » et un des plus grands succès musicaux de la période d’après-guerre. Une pièce qui réunit avec superbe le théâtre classique et celui de boulevard, alors que du côté musical, elle réunit l’opérette, le music-hall ainsi que la revue. Sous la direction artistique de Marcin Habela, la régie de Christian Räth et la direction musicale de Nader Abbassi, l’orchestre de la HEM accompagne les chanteurs des écoles de musique de la Romandie. Cette production de la HEM a vu le jour en collaboration avec le Théâtre du Galpon et de la Haute École de Musique de Lausanne (HEMU).

Théâtre du Galpon, Genève, du 15 au 24 septembre 2017

Dans le cadre de l’Académie d’orchestre annuelle de la HEM et de l’Orchestre de la Suisse Romande (OSR), l’orchestre de la HEM, enrichi de solistes de l’OSR, joue sous la direction du jeune Erik Nielsen, originaire des Etats-Unis. Les musiciens joueront des œuvres de compositeurs originaires de l’Iowa à l’instar de Nielsen : la Suite de ballet Billy the Kid d’Aaron Copland ainsi que la Symphonie n° 2 pour orchestre de Charles Ives. Ces concerts seront donnés dans le cadre de la série de concerts Prélude.

Victoria Hall, Genève, 19 octobre 2017

L’opéra inconnu Ascanio de Camille Saint-Saëns sera interprété à Genève pour la première fois dans sa version concertante sur la base du manuscrit original de 1888. Guillaume Tourniaire en assurera la direction musicale et l’orchestre de la HEM jouera accompagné par divers solistes internationaux.

Grand Théâtre de Genève, 24 et 26 novembre 2017

Musik in der Fabrik

Die Kalaidos Musikhochschule wartet im Juli und September mit Konzerten an ungewöhnlichen Orten auf. Im Rahmen der Reihe Musik ver-rückt: Konzerte an ungewöhnlichen Orten erklingt etwa Klavier- und Kammermusik in der Firma Ernst Schweizer Metallbau in Hedingen. Oder die jungen Klavier-Studierenden Laetitia und Philip Hahn treten in der Bischofszell Nahrungsmittel AG auf. Ein Opern- und Operettenabend findet zudem im Hotel Blume in Baden statt.

Hedingen, 7. Juli 2017

Bischofszell, 3. September 2017

Hotel Blume Baden, 7. September 2017

Im August finden des Weiteren das Vorsingen für ein Masterstudium Performance oder ein Masterstudium Specialized Performance Gesang bei Christiane Oelze und Jan-Hendrik Rootering statt.

Winterthur, 22. August 2017

V comme Vian

Dans le cadre de la collaboration entre le Montreux Jazz Festival et la Haute Ecole de Musique de Lausanne (HEMU), l’HEMU Jazz Orchestra interprète un programme intitulé V comme Vian, un hommage au célèbre écrivain poète français Boris Vian, qui fut l’une des figures emblématiques du jazz parisien des années cinquante. Les arrangements musicaux sont l’œuvre de Philip Henzi, professeur au département Jazz de la HEMU, avec l’appui de Florian Marques, d’Yves Marcotte et de Matthieu Durmarque, tous étudiants en classe Master de composition. L’interprétation de ces pièces par les jeunes musiciens de l’HEMU Jazz Orchestra apporte, sans même retoucher ni paroles ni les notes originales, un nouvel éclairage sur la musique de Boris Vian. Les œuvres transpirent le talent extraordinaire de Vian, son penchant pour l’absurde et sa passion pour le jazz de Duke Ellington.

Hôtel des Trois Couronnes, Vevey, 1er juillet 2017

Les concerts interprétés par les élèves de l’HEMU dans le cadre des concerts gratuits Music in the Parc sont également le fruit de la collaboration avec le Montreux Jazz Festival.

L’enseignement de musiques actuelles fait partie du programme de l’HEMU depuis 2016. Le groupe The Hemulators propose un concert d’électro-rock ; il émane du travail d’élèves qui ont suivi ce cursus. La programmation intègre également un projet de funk soul avec Dave De Vita ainsi que la formation El Gran Combo Caliente, un projet musical aux sonorités afro-cubaines dédié aux grands maîtres de la salsa.

Parc Vernex, Montreux Jazz Festival, 4 juillet 2017

Concerti del Conservatorio della Svizzera italiana

A inizio luglio è previsto a Lugano-Besso il concerto degli studenti del Conservatorio della Svizzera italiana che hanno ottenuto il Master of Arts in Specialized Music Performance e che suoneranno come solisti con l’Orchestra della Svizzera italiana. Sotto la direzione di Alexander Vedernikov, si esibiranno Charles Crabtree (corno), Ekaterina Valiulina (violino), Anton Jablokov (violino) e Daniel Tengberg (violoncello). 

Auditorio Stelio Molo RSI, Lugano-Besso, 3 luglio 2017, ore 20.30

Qualche giorno dopo si potrà assistere al concerto dell’Orchestra sinfonica del Conservatorio della Svizzera italiana accompagnata dagli studenti della Scuola universitaria di musica di Lugano. Sotto la direzione della maestra Xian Zhang, presenteranno il concerto per orchestra (Sz 116) di Béla Bartók e Scheherazade op. 35 di Nikolaj Rimskij-Korsakov. 

Chiesa San Francesco Locarno, 7 luglio 2017, ore 20.30; LAC Lugano, 8 luglio 2017, ore 19.00

Alpentöne

In Altdorf findet in diesem Jahr wiederum das Festival Alpentöne statt, bei welchem die Hochschule Luzern – Musik als Kooperationspartner auftritt. In diesem Rahmen findet auch eine Hochschultagung zur Transkulturalität in der Musik unter dem Titel Volksmusik ohne Grenzen? statt.

Altdorf, 17. und 18. August 2017

Ebenfalls im Rahmen dieses Festivals wird ein internationales Hochschulmeeting mit Workshops und Konzerten von Studierendenensembles durchgeführt. Teilnehmer sind die Irish World Academy of Music and Dance aus Limerick, die Codarts-Hogeschool voor de Kunsten Rotterdam sowie das Institut für Jazz und Volksmusik der Hochschule Luzern – Musik.

Altdorf, 19. August 2017

Auch beim inszenierten Konzert Dies irae mit Musik von Heinrich Ignaz Franz Biber, George Crumb, Michael Hersch, Antonio Lotti, Jorge Sánchez-Chiong, Giacinto Scelsi und Galina Ustwolskaja kooperiert die Hochschule Luzern in diesem Jahr erneut mit dem Lucerne Festival. Es spie- len das JACK Quartet, das Ensemble der Lucerne Festival Alumni so- wie verschiedene Studierende der Musikhochschule Luzern. Das Konzept des Konzerts stammt von Patricia Kopatchinskaja, die auch die künstlerische Leitung des Konzerts inne-hat.

Luzern, 2. September 2017

Summer School

An der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) wird die Zeit zwischen den Sommer- und Herbstferien mit der Summer School 2017 bereichert. Auf musikalischem Gebiet bietet der Kurs Interactive Creation & Notation – for sounds, visuals & live performance einen Einblick in Ko-operationsformen zwischen Musik, visuellen Künsten und szenischen Formen im Raum. Musikalische Settings zwischen Improvisation und Komposition werden durch Interaktion mit visuellen Medien und live Performance praktisch erkundet und erweitert. Der Kurs gibt Impulse, Werkzeuge, Notationsmöglichkeiten und gezieltes Coaching für den Einstieg und die Realisierung eigener Projekte, Kompositionen und Konzepte mit musikalischer, visueller und szenischer Interaktion.

ZHdK Zürich, 8., 9. und 10. September 2017

Ebenfalls im September findet das Festival ZHdK Highlights statt. Es ist der Versuch, ein «Best of» aus Semester- und Abschlussarbeiten aus allen Bereichen der Hochschule zu zeigen. Geboten werden Ausstellungen, Konzerte, Präsentationen, Aufführungen und Interventionen in acht Ausstellungs- und Aufführungsräumen im ganzen Toni-Areal, präsentiert von Studierenden und Abschliessenden des Studienjahres 2017 aus mehr als zwanzig Studiengängen.

ZHdK Zürich, 2. bis 23. September 2017

Beim Semestereröffnungskonzert unter dem Titel what’s now? präsentiert das Ensemble Boswil ein Programm mit rhythmisch-zeitlich differenzierten Werken von zwei ZHdK-Dozierenden (Isabel Mundry und Philippe Kocher) und von zwei Komponisten aus der klassisch-amerikanischen Avantgarde (John Cage und Elliott Carter).

ZHdK Zürich, 18. September 2017

Begabtenförderung in der Schweiz

Im Februar 2017 hat das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) einen Bericht vorgelegt, der über die umgesetzten und geplanten Massnahmen einzelner Kantone für die Begabtenförderung im Hinblick auf ein Musikstudium an einer Musikhochschule informiert.

Matthias von Orelli — Als Basis für den Bericht, der in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK entstand, diente eine Umfrage, die im Frühjahr 2016 lanciert wurde. Erfreulicherweise haben bis auf eine Ausnahme alle Kantone an der Umfrage teilgenommen, womit der gewonnene Überblick als umfassend angeschaut werden kann. Anbei ein paar relevante Einblicke in diesen Bericht.

Im September 2012 wurde dem neuen Verfassungsartikel zur Förderung der musikalischen Bildung in der Schweiz zugestimmt. Die Einführung dieser neuen Verfassungsbestimmung sowie die Verabschiedung der Kulturbotschaft 2016-2020 durch das Parlament betreffen auch die musikalische Bildung, die an den Schweizerischen Musikhochschulen angeboten wird. Dazu heisst es in der Kulturbotschaft, dass «… Bildungsinländerinnen und -inländer an den Schweizer Musikhochschulen bloss 50 Prozent aller Studierenden ausmachen, was als klar zu tief bezeichnet werden muss…». Tatsächlich ist der Anteil der immatrikulierten Studierenden mit schweizerischem Zulassungsausweis im Studienbereich Musik an den Fachhochschulen im Vergleich mit anderen Studienrichtungen teilweise recht gering, was SBFI, das Bundesamt für Kultur (BAK) und die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) veranlasste, verschiedene Lösungsmöglichkeiten auszuloten, um die Aufnahmechancen von Schweizer Nachwuchsmusikerinnen und -musikern zu verbessern.

Rolle der Kantone

Der Bericht zeigt deutlich, dass in allen Kantonen bei den Schulbehörden und Schulleitungen die Absicht vorherrscht, die Entwicklung musikalisch begabter Jugendlicher nach Möglichkeit und so früh wie möglich zu unterstützen. Konkret heisst das, den jungen Talenten zu ermöglichen, parallel zum Schulprogramm an Konzerten und ausserschulischen, musikalischen Aktivitäten teilzunehmen. Dies ist insofern von grosser Bedeutung, da der Bericht auch zeigt, dass Studierende, die im Vorfeld des Studiums an kantonalen Talentförderungsprogrammen teilgenommen haben, an der Musikhochschule sehr erfolgreich sind. Damit einher geht die Feststellung, dass das Interesse für die Musik gestiegen ist und dass eine Erhöhung der musikalischen Kompetenzen festgestellt werden konnte. Messbar ist dies beispielsweise an ausgezeichneten Resultaten, die Musikstudierende an Aufführungen oder Musikwettbewerben in der Schweiz, aber auch im Ausland, erzielen.

Die Erhöhung der musikalischen Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern ist eine direkte Auswirkung der genannten Fördermassnahmen. Erfreulicherweise stellt der Bericht auch keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen einer intensiven musikalischen Ausbildung und einer erfolgreichen Bewältigung des normalen Schulalltags fest. So nehmen beispielsweise am Ende der Sekundarstufe II rund 100 Schülerinnen und Schüler alleine schon an gezielten Massnahmen zur Begabtenförderung teil – gelegentlich mit dem klaren Ziel einer höheren Musikausbildung. Allein diese Tatsache rechtfertigt eine möglichst früh einsetzende Förderung musikalisch Begabter.

Bei der Förderung musikalisch Begabter verfügt die Schweiz über ein dichtes Netz an Möglichkeiten, welche sich aber je nach Kanton unterscheiden können. In einzelnen Kantonen gibt es Massnahmen für eine allgemeine Sensibilisierung von Jugendlichen für die Musik (beispielsweise mit Workshops), in anderen Kantonen zielen die Massnahmen auf die spezifische Förderung von Talenten, die noch entdeckt werden müssen oder deren Begabung bereits feststeht (beispielsweise in Kunst- und Sportklassen). Und wieder andere Kantone konzentrieren sich darauf, überhaupt den Zugang zu einem grundlegenden Musikunterricht zu ermöglichen.

Finanzielle Mittel

In Kantonen, die über eine Musikhochschule verfügen, ist das Angebot verständlicherweise ein vielfältigeres und konkreteres. Dort stellt man fest, dass sich die Begabtenförderung im Hinblick auf ein Studium an einer Musikhochschule auf Einrichtungen konzentriert, die eng mit diesen Musikhochschulen zusammenarbeiten. Die genannten Einrichtungen funktionieren als Anziehungspunkte und Kompetenzzentren und dienen dem Austausch mit den Schulen der Sekundarstufe II (beispielsweise mit Referaten von Lehrpersonen einer Musikhochschule an Gymnasien und Konservatorien oder den PreColleges an den Musikhochschulen).

Die teils knappen finanziellen Mittel haben zur Folge, dass die gewünschten Fördermassnahmen für musikalisch Begabte nicht immer wie gewünscht angeboten werden können. Oftmals reichen die bestehenden Subventionen nicht aus, diese Kosten auch noch zu decken. Zudem haben einzelne Kantone, die über eine Musikhochschule verfügen, darauf hingewiesen, dass die Aufnahme von ausserkantonalen Studierenden in die Fördermassnahmen manchmal daran scheitert, dass der Wohnsitzkanton der betreffenden Kandidaten nicht über angemessene Finanzierungsinstrumente verfügt. Grundsätzlich werden Schülerinnen und Schüler des jeweiligen Kantons beim Zugang zu den Fördermassnahmen bevorzugt.

Der Bericht wirft auch einen Blick auf die finanzielle Beteiligung, die von den Schülerinnen und Schülern bzw. ihren Eltern aufgeworfen wird. Diese Beteiligung hängt in der Regel davon ab, wie intensiv und anspruchsvoll die musikalische Ausbildung ist. Je näher ein Schüler der Tertiärstufe kommt, desto höher ist der Betrag, den die Eltern übernehmen müssen. Für die Zeit vor dem Eintritt in eine Musikhochschule wurde daher von verschiedenen Seiten der Wunsch nach Stipendienmöglichkeiten geäussert, ganz einem stärkeren Engagement des Bundes im Rahmen des Programms «Jugend und Musik» entsprechend, welches in der Kulturbotschaft 2016-2020 festgehalten ist.

Förderabsichten

Abgesehen von den Anstrengungen für die im genannten Bericht aufgeführten Massnahmen haben die Kantone zudem bestätigt, sich aktiv für die Förderung von Musikensembles, Kulturförderungsvereinen und musikalischen Veranstaltungen einsetzen zu wollen, die mit der Musikkultur der Jugendlichen und eines breiteren Publikums zusammenhängen. Die Rückmeldungen der einzelnen Kantone auf die Umfrage bestätigen, dass auf allen Stufen des Bildungssystems und auch ausserhalb davon grosse Anstrengungen unternommen werden, um musikalische Kompetenzen zu entwi-ckeln. Dies gilt nicht nur für die Finanzierung sondern auch für die Bildungsangebote. So ist dem Bericht zu entnehmen, dass es vor dem Hintergrund all dieser genannten Massnahmen zur Förderung der Musikkultur schwer vorstellbar ist, dass hochbegabte Jugendliche durch die Maschen des Netzes fallen könnten. Die sehr hohen Erfolgsquoten, welche für die Kandidatinnen und Kandidaten mit schweizerischem Zulassungsausweis an den Aufnahmeprüfungen der Musikhochschulen verzeichnet werden, scheinen zu bestätigen, dass die Begabtenförderung tatsächlich funktioniert.

Geringer Anteil von Bildungsinländern

Eine wichtige Frage bleibt aber im Raum: Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Massnahmen zur Förderung musikalisch Begabter und dem teilweise geringen Anteil an Bildungsinländern in den Studiengängen der Musikhochschulen?

Es ist in erster Linie Sache der Kantone, den eingangs genannten Verfassungsartikel zur Förderung der musikalischen Bildung in der Schweiz auf der Ebene der Bildungsinstitutionen umzusetzen, entsprechend wurden auch die Kantone um Unterstützung bei der Suche nach Möglichkeiten gebeten, mit denen sich der Anteil der Studierenden mit schweizerischem Zulassungsausweis an den Musikhochschulen steigern lässt. Der Bericht legt dar, dass die Kantone mit einer Hochschule weder eine Erhöhung der Studiengebühren für ausländische Studierende noch die Einführung von Quoten in Betracht ziehen, um den Anteil der inländischen Studierenden in den Musikstudiengängen zu erhöhen. Im äusserst kompetitiven Umfeld der Musik sollen die Qualität und Exzellenz der Kandidatinnen und Kandidaten für ein Musikstudium das Hauptkriterium für die Aufnahme an eine Musikhochschule sein. Unterstrichen wird diese Haltung mit dem Verweis auf die Fachkonferenz des Schweizerischen Hochschulrats, welche überzeugt ist, dass nach Auffassung einer Mehrheit der Kantonsvertreter eine zahlenmässige Begrenzung der Studierenden mit ausländischem Zulassungsausweis den Exzellenzzielen der Musikhochschulen zuwiderlaufen würde. Die Qualität der Studienbewerberinnen und -bewerber hat also Priorität.

Abschliessend ist dem Bericht zu entnehmen, dass die Musikhochschulen und ihre Lehrpersonen eine essentielle Funktion für die Förderung musikalisch begabter Jugendlicher haben, insbesondere im Vorfeld des Musikstudiums. Diese Funktion kommt vor allem dort zum Tragen, wo der Nachwuchs im Schweizerischen Bildungssystem gefördert und ausgebildet wird. Und sie hat – wie es in der Kulturbotschaft festgehalten ist – eine weitere Dimension, die wie folgt zusammengefasst wird: «Die sieben Schweizer Musikhochschulen bieten eine ausgezeichnete Ausbildung mit internationaler Ausstrahlung».

MA in Specialized Music Performance in Genf und Lausanne

Die aktuelle Ausgabe wirft einen Blick auf die Studienprogramme des MA Specialized Music Performance an den Westschweizer Musikhochschulen von Genf/Neuenburg und Lausanne. Dabei kommen Studierende zur Sprache, die über ihre Entwicklung innerhalb und die Erfahrung mit dem Studiengang berichten.

Matthias von Orelli — Die Master of Arts in Specialized Music Performance an der Haute École de Musique Genève – Neuchâtel (HEM) und an der Haute Ecole de Musique de Lausanne (HEMU – Vaud, Valais, Fribourg) sind im Rahmen der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) identisch aufgebaut, weisen aber teilweise unterschiedliche Studienschwerpunkte auf. An beiden Schulen ist das Studium für eine begrenzte Anzahl von Studierenden vorgesehen, und es werden primär Studierende mit herausragenden künstlerischen Fähigkeiten zum Studiengang zugelassen, wobei in Genf vor allem zwei Aspekte bei der Zulassung berücksichtigt werden: eine bemerkenswerte künstlerische Persönlichkeit und/oder die Möglichkeit, auf dem Gebiet der musikalischen Aufführungspraxis innovative Forschungsansätze beizusteuern.

Ausrichtungen

Innerhalb des Genfer Masterstudiums gibt es unterschiedliche Ausrichtungen. Beispielsweise jene des Dirigierens, wo das Ziel darin besteht, nach Abschluss des Studiums ein professionelles Ensemble leiten zu können, sei dies ein Sinfonieorchester, ein Kammerorchester, ein Opernensemble oder ein spezialisiertes Ensemble. Voraussetzung ist die Beherrschung eines Orchesterinstruments oder das Klavierspiel, zusätzlich aber auch praktische Kenntnisse der Instrumental- und Vokalmusik, Verständnis für stilistische Fragestellungen und der Ausweis über eine hohe künstlerische Sensibilität. Gleichzeitig werden auch Repertoirekenntnisse und Partiturlesen erwartet. Und ein weiterer Punkt ist die Fähigkeit, Proben zu planen und entsprechend umsetzen zu können – ein insgesamt sehr umfangreiches und anspruchsvolles Profil. Der Argentinier Nicolás-Eduardo Duna absolviert den Master d’interprétation spécialisée orientation direction d’orchestre in der Klasse von Laurent Gay in Genf. Selber bezeichnet er sich weder als Wunderkind noch entstammt er einer Musikerfamilie. «Erst» mit zwölf Jahren begann er, sich für Musik zu interessieren und entschied folglich, die Musik auch zum Beruf werden zu lassen. So stand mit sechzehn Jahren der Entschluss fest, eine Dirigierausbildung zu machen, die mit privatem Klavierunterricht und Mitwirkung in einem Chor ergänzt wurde. Eine schrittweise Annäherung an die Welt der Musik, die, wie Duna selber sagt, mehr mit Einsatz als Talent verbunden war. Aufgrund eigener Onlinerecherchen ist Duna auf das Masterstudium in Genf aufmerksam geworden, was bedeutete, in Europa weiter zu studieren.

Erfahrungen

Besonders wichtig scheint Duna, dass man bereits eine umfangreiche Erfahrung mit ins Studium bringt und umfangreiche Musikkenntnisse vorweist, sei dies Harmonielehre, Kontrapunkt oder Orchestrierung. So geniesst er nun diese Ausbildung an einer, wie er sagt, exzellenten Schweizer Musikhochschule, wozu er auch die spannenden Kooperationen mit dem Orchestre de Chambre de Genève oder der ZHdK zählt. Einzig bedauert er, dass ihm manchmal alles fast etwas zu schnell geht, um jeweils wirklich gut und fundiert vorbereitet vor dem Orchester zu stehen. Nach Abschluss des Studiums möchte er gerne noch ein weiteres Masterstudium in Musiktheorie oder Pädagogik anschliessen, gleichzeitig sich aber auf Vordirigate und Dirigierwettbewerbe vorbereiten.

Weitere Schwerpunkte

Auch beim Schwerpunkt Chorleitung gehören die oben genannten Voraussetzungen dazu, wobei dann aber entweder eine Gesangsausbildung oder wiederum das Klavierspiel erfordert werden. Das Ziel des Studienschwerpunkts liegt entsprechend in der Leitung eines professionellen Chorensembles (ob nun Opern- oder Radiochor, oder wiederum ein Spezialistenensemble).

Besondere Beachtung verdient in Genf die Studienausrichtung Mittelaltermusik, wo es neben den praktischen Fragen auch um philologische Forschungsfelder geht. Im Mittelpunkt stehen die musikalische Praxis und deren Besonderheiten hinsichtlich verschiedener Spieltechniken, Verzierungen oder der Improvisation. Damit trägt der Studienschwerpunkt der in den vergangenen Jahren zugenommenen Begeisterung für Alte Musik Rechnung. Da gerade die Forschung auf diesem Gebiet viele Erkenntnisse erlangt hat, versucht das Studium eine möglichst breite Einsicht in das Gebiet zu ermöglichen, so dass kulturelle, technische und theoretische Kenntnisse gleichermassen gefördert werden. Dazu gehört auch die musikalische Praxis auf historischen Instrumenten, da sich diese stark von jener auf modernen Instrumenten unterscheidet, was sich verdeutlichen lässt an der Auswahl bei den Tasteninstrumenten, wo Cembalo, Clavichord, Hammerklavier oder Orgel zur Auswahl stehen.

Lausanne

Auch an der Haute École de Musique de Lausanne (HEMU) findet sich der MA in Specialized Music Performance, und der Werdegang der Schweizer Sängerin Marina Viotti verdeutlicht das vielfältige Angebot dort eindrücklich. Die Tochter eines Musikerehepaars kam schon früh mit Konzert und Oper in Berührung. Doch als sie mit sieben Jahren Sängerin werden wollte, empfanden es die Eltern als zu früh – sie solle doch zuerst Querflöte spielen. Dies tat sie dann auch, studierte anschliessend Literatur und Philosophie in Lyon und sang daneben in einer Metal Band. Mit 21 Jahren ging sie nach Marseille und studierte dort Kulturmanagement, ergänzte dies aber mit einer Ausbildung in Chorleitung, worauf der Lehrer meinte, sie solle doch singen. Obwohl sie damals vergleichsweise schon alt war, wagte sie den Wechsel, übersiedelte nach Wien und studierte privat bei Heidi Brunner, weil die dortige Universität ihren Antrag aufgrund des späten Beginns mit dem Singen nicht bewilligte. Drei Jahre studierte sie in Wien, arbeitete an der Wiener Staatsoper und sang abermals in einem Chor. Der Entscheid, in Lausanne zu studieren war mit dem Wunsch verbunden, ihrem Leben eine klare Struktur zu geben. So folgte das Masterstudium bei Brigitte Balleys, welches sie im letzten Jahr abschloss. Für Viotti liegt der grosse Vorteil des Studiums (neben dem aufgebauten Netzwerk, der zahlreichen Unterstützung durch die Hochschule und die gesammelte Erfahrung) darin, dass sie bereits erste Recitals, Oratorien und sogar Rollen an der Opéra de Lausanne singen konnte. Alles, was sie an der Hochschule lernte (etwa Körperausruck, Phonetik, Improvisation, Singen, Schauspiel) konnte sie gleich in die Praxis umsetzen. Und ein Höhepunkt war sicherlich das Orchesterkonzert am Ende des Studiums.

Flexibilität

Was Marina Viotti auffiel war, dass das Studium einerseits Leitplanken bot, andererseits eine grosse Flexibilität innerhalb derselben möglich war, um sich entwickeln zu können. Zu dieser Entwicklung gehören auch die Crossover-Projekte, wo Konzerte Klassik, Pop und Jazz kombinieren, Projekte mit zeitgenössischer Musik und Meisterkurse mit Schwerpunkt Barock angeboten werden, oder Studierende an der École de Jazz et de Musique Actuelle auftreten können. Diese grenzübergreifenden Projekte erachtet Viotti in der heutigen Zeit als besonders förderlich. Dazu gehören, was Nicolás-Eduardo Duna für Genf schon heraushob, die Kooperationen – in Lausanne etwa mit dem Orchestre de Chambre de Lausanne oder der Opéra de Lausanne. Gerade Auditions an der Opéra erachtet Viotti als grossen Luxus im Vergleich zu anderen Musikhochschulen. Das dreijährige Masterstudium schloss Viotti 2016 ab, bereichert mit einem umfangreichen Netzwerk und erster Berufserfahrung. Vermutlich auch deswegen ist ihr Kalender für die nächsten beiden Jahre ausgefüllt, vorwiegend in der Schweiz mit Opernproduktionen in Lausanne, Genf oder Luzern, aber auch mit Konzerten und zwei Opernproduktionen im Ausland.

Studienabschluss mit CD-Aufnahme

Die Anforderungen an Studierende des Masterstudiums an der HEMU Lausanne sind vergleichbar mit jenen in Genf, denn auch in Lausanne ist es die Absicht, den Master einer kleinen Anzahl von Studierenden, welche herausragende Fähigkeiten besitzen und eine Karriere auf höchstem Niveau anstreben, zu ermöglichen. Die Krönung des Masters bildet unter anderem eine CD-Produktion, was die Moldauerin Alexandra Conunova besonders inspirierte. Die Gewinnerin des Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerbs in Hannover und des Tschaikowski-Wettbewerbs in Moskau hatte eigentlich nicht die Absicht, noch einen zweiten Master zu machen. Aber als sich die Möglichkeit bot, bei Renaud Capuçon studieren zu können änderte sie ihre Meinung. Conunova betont, dass die freie Einteilung des Studiums bezüglich des Zeitplans ein grosser Vorteil sei, der Fokus liege ganz klar auf dem Instrument. Nach Abschluss der beiden Studienjahre wird eine komplette CD-Einspielung hergestellt, was bedeutet, diese tatsächlich selber zu gestalten. Da sind Kreativität beim Cover-Layout, sprachliche Gewandtheit beim Formulieren des Booklet-Textes und der Beschreibung der eingespielten Werke sowie technisches Verständnis für die qualitativ hochstehende Aufnahme und deren Bearbeitung gefragt. Eine sehr herausfordernde Arbeit, aber eben auch eine einzigartige und wichtige Erfahrung, welche die HEMU ihren Studierenden damit ermöglicht. Für Conunova war der Master ein wichtiges Sprungbrett. In der Zwischenzeit arbeitet sie mit vier Agenturen zusammen, die sie in vier Ländern vertreten. Und so ist sie der Meinung, dass sie das Glück hatte, im richtigen Moment den richtigen Personen begegnet zu sein. Und das Ziel bleibt seit Jahren dasselbe: selber glücklich zu sein und die Mitmenschen an der ehrlichen Art des Musizierens teilhaben zu lassen. Sie selber will weiterhin verstehen und studieren, was das Leben und die Werke eines Komponisten ausmachen – das Masterstudiums hat sie in all dem bestärkt.

Trumpsinn

Seit der Amtseinführung des US-amerikanischen Präsidenten scheint nichts, wie es einmal war. Immer lauter werden die Bedenken, wohin das Verhalten und die Politik von Donald Trump hinführen. Auch der kulturelle Sektor bleibt von diesem Kahlschlag nicht verschont.

Matthias von Orelli — Es begann schon mit den denkwürdigen Absagen von zahlreichen Musikstars, die für die musikalische Umrahmung der Amtseinführung angefragt wurden. Dies zeigte deutlich, dass die Politik Donald Trumps und die Kultur kaum vereinbar sind. In der Zwischenzeit hat der neue US-Präsident auch mit einschneidenden Kürzungen bei der Kulturförderung gedroht, vor allem mit der Androhung der Abschaffung der beiden staatlichen Fördereinrichtungen für Kultur NEA (National Endowment for the Arts, 1965 von Lyndon B. Johnson gegründet) und NEH (National Endowment for the Humanities). Zahlreiche republikanische Politiker des Senats haben zudem durchblicken lassen, dass sie von staatlicher Kulturförderung nichts halten. Sie wollen die Künste dem Markt überlassen, privat organisieren oder am besten ganz abschaffen. Zudem ist es kein Zufall, dass sich der Sparplan eng an einem Budget-Vorschlag der erzkonservativen «Heritage Foundation» orientiert, jene Stiftung, die seit Jahren die Abschaffung der NEA fordert. Der Angriff auf die beiden Organisationen ist sinnbildlich für das neue antiliberale Klima in den USA. Erschreckend ist die Tatsache, dass sich die Ideologie eines Staates auch in anderen, europäischen Ländern, in der Kulturförderung niederschlägt.

Donald Trump setzt seinen Kunstgeschmack ähnlich rigide durch wie die Präsidenten von Polen und der Türkei oder der Ministerpräsident Ungarns. Gefördert wird ausschliesslich «erbauliche» Kunst, die dem nationalistischen Selbstverständnis der Regierung dient. Ein ähnlich begrenztes Kunstverständnis besitzen auch die US-Republikaner. Seit Jahrzehnten führen sie einen erbitterten Krieg gegen die Künste, die in ihren Kreisen als liberal und unsittlich gelten. Grund genug, dass sich drei Stimmen aus dem Umfeld der Schweizer Musikhochschulen zum Thema «Trump – Musikkultur» äussern.

Tragikomödie im Licht der Glühlampen

Sara Horvath — Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bekommt einen Präsidenten, der keine Grenzen respektiert. Entlang der Landesgrenze will er eine Mauer errichten.

The United States of America, the place to be: Im vergangenen Jahrhundert waren die USA für viele Europäer Zufluchtsort und neue Heimat, die Chance in Freiheit leben und denken zu dürfen. In den letzten Jahrzehnten übernahm Amerika öfters weltpolitische Verantwortung, weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus, und wir Europäer beäugten das argwöhnisch, demonstrierten vielleicht dagegen – aber insgeheim waren wir doch froh, dass da noch ein grosser Bruder war, der helfen könnte, wenn es brenzlig wird. In den vergangenen Jahren war ebendieses Amerika für viele meiner Altersgenossen auch das Land, in dem Träume greifbar sind, wahrer werden als hier bei uns. La La Land lässt grüssen. Gut möglich, dass einiges davon vorläufig der Vergangenheit angehört. Manche Einwohner Amerikas scheinen die Nase davon voll zu haben, sich um alle andern zu kümmern ausser um sich selbst. Zu viele ihrer Männer sind irgendwo auf der Welt stationiert gewesen und als sie zurückkamen waren sie ihrer Menschlichkeit beraubt. Zu viele Fremde kamen und konnten ihre Träume erfüllen, während die eigenen Leute zu kurz kamen. Und dann kommt Trump.

Dieser Mensch irritiert mich. Ich würde gerne an ihm vorbeikommen, ihn ignorieren. Fassungslos starrte eine Bekannte am 8. November auf die Wahlergebnisse und fragte mich entsetzt, ob ich das mitbekommen hatte. Das hatte ich. Obwohl ich mich raushielt bei diesem amerikanischen Zirkus, den ich weder so recht verstand noch wirklich ernst nahm. Aber ich war nicht erstaunt über das Resultat. Wenn wir Schweizer Abstimmungsresultate produzieren können, die anscheinend niemand wollte und für niemanden vorhersehbar waren – warum sollten das die Amerikaner nicht auch können? Können und dürfen? Demokratie funktioniert nun mal so. Die Mehrheit hat Recht. In gewissem Sinne mag Donald Trump ein äusserst amerikanischer Präsident sein. Seine präsidiale Kommunikation per Twitter erinnert an den Pioniergeist der ersten europäischen Einwanderer, um eines der Beispiele für seine unkonventionelle Haltung zu nennen. Und da Amerika nie monarchisch organisiert war passt es auch, dass er nicht allzu staatsmännisch-vornehm auftritt. Auf einen weiteren Aspekt, der mir amerikanisch zu sein scheint, möchte ich ein bisschen näher eingehen.

Der russische Komponist Nikolai K. Medtner war um 1920 auf Konzertreise in Amerika. Dabei «bedrückt(e) ihn der geschäftsmässig nüchterne Lebensalltag, in dem weder Poesie noch geistige Werte einen Platz haben.» Er hatte den Eindruck, dass «Amerikaner sich vor der Nacht und ihren geheimnisvollen Geistern (Tjutschew) fürchten, denn wenn es dunkel wird, schalten sie Millionen und Abermillionen elektrischer Glühlampen an, um nur ja nicht auf das Geheimnisvolle zu treffen und sich die glänzende Oberfläche auch nachts zu bewahren.»1

Ob im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tatsächlich kein Platz ist für Poesie oder geistige Werte sei dahingestellt. Aber die glänzende Oberfläche, die sehe ich auch in Trumps Gesicht. Geputzt und geföhnt steht da ein Mann am Mikrofon, der viel jünger aussieht als er es in Wirklichkeit ist. Ein Mensch, der einen fragwürdigen Umgang mit Fakten an den Tag legt, der auch hier mehr auf die glänzende Oberfläche bedacht ist als auf Wahres oder Vorgefallenes. Ein Politiker, dem das Showbusiness vertrauter zu sein scheint als das aktuelle Weltgeschehen. «Die Welt hat nicht ihren Verstand, sondern ihr Herz verloren!» Auch dieser Satz entstammt der Briefkorrespondenz Medtners und scheint mir heute aktueller denn je. Denn wer nimmt sich in diesen Tagen schon Zeit für Herzensangelegenheiten?

Die Zeit, in der Donald Trump zum mächtigsten Mann der Welt gewählt wird, ist eine Zeit, in der mehr immer besser bedeutet. Eine Zeit, die auf schnelle Gewinne und glänzende Oberflächen aus ist. Eine Zeit, die sich nicht auf langwierige Suchen oder mühsame Prozesse einlassen will. Auch wir Musiker sind Kinder dieser Zeit. Wir können von Donald Trump lernen, indem wir ihn anschauen, die Zeichen der Zeit erkennen und uns nicht mit glänzenden Oberflächen begnügen, sondern uns stattdessen auch mit dem Dunkeln in uns und um uns auseinandersetzen. Ohne elektrische Glühlampen. Auf diesem Weg würden wir vielleicht auch unser verloren geglaubtes Herz wieder finden.

Trumpsinn

James Alexander — When asked to contribute a column to this journal, I reminded the editor that I‘m not American (I have Canadian and Swiss citizenship). However, since Canada and the US share the longest undefended border in the world – at least at the time of my writing these lines – the economic and social life of Canada have always been heavily influenced by its powerful neighbour to the south. In this regard, I was impressed by recent statements from Canada‘s Prime Minister, Justin Trudeau, defending the open and humanitarian values on which Canadian society is based and until recently, the US was always proud to proclaim as well. So, as a Canadian who studied in Santa Barbara, Chicago and New York I‘ll add a few thoughts here, albeit from a Swiss perspective!

In the short time since Donald J. Trump took office (I am relieved to learn that the «J» stands for John, and not James), the world has lost no time in responding, for the most part critically, to his actions as President. As shocking as his election is to me personally, he nevertheless was elected democratically: what I find more disturbing is to consider why America chose him, and to ask in what direction our society as a whole is heading. After all, one doesn‘t need to look very far from home: why did no-one predict Brexit, and why was a beautiful young British politician, wife and mother murdered for her belief in a tolerant and integrated society? What is happening in Hungary, and what will happen in Holland and France? Politics aside, these European countries also share a rich culture and long tradition of «classical» music. To take a horribly cynical view, one could argue that there is little to fear from the effects of a Trump presidency upon musical life, since I assume that the names of many important performers and composers are probably unknown to him: unlike Mexicans or Muslims, how can he block or ban people he‘s never heard of?

If we continue in this light, what, if anything, can artists/musicians do in the current political climate, and what should we as a community be saying to the societies in which we live and work? To stand in front of the American embassy in Berne or even the White House in Washington with angry posters probably wouldn‘t attract much attention, even if one is a star: look at Trump‘s sad denouncement of Meryl Streep, one of the greatest actresses of our time. Many of us teach, as well as perform, and to teach music is in my opinion directly related to teaching human values. To excel as a chamber musician, it is essential to learn to listen to your partners, respect other points of view, and to speak with a unified voice. Without this, the result is empty noise – as in politics. The qualities that make a great work of art or a strong society are universal. Listening recently to a moving performance of Bach reminded me that sooner or later (and I suspect the former) Trump will be gone, but Bach is here to stay.

Wenn Trump singt geht die Welt nicht unter

Ranko Marković — Nun hat es Donald Trump also auch noch in die Schweizer Musikzeitung geschafft… Während auf nmz-Online allein seit Jahresbeginn bereits 14 Trump-erwähnende Artikel erschienen sind, haben wir uns an der ZHdK dazu bisher wenig Gedanken gemacht. Wie sollte denn Trump die Musik betreffen wenn es bisher überhaupt keine Hinweise darauf gibt, dass er selbst von der Musik betroffen sein könnte? Nirgendwo ist bislang erwähnt worden, dass der 45. US-Präsident Saxophon, Klavier oder Gitarre gespielt, im Chor Beethovens Neunte oder bei einem Betriebsausflug Karaoke gesungen hätte. Seine Sprache ist vulgär, seine Diktion abgehackt, seine Stimme heiser – Trump klingt schlecht, und als Ursache dafür – das weiss jede gute Pädagogin und auch jeder gute Pädagoge – kommt nur das Fehlen von qualifiziertem Musikunterricht im Rahmen seiner Bildung in Frage.

Es ist also kein Wunder, dass Donald the president unter Musikerinnen, Musikern, Schauspielerinnen und auch Schauspielern ein ausgesprochen schlechtes Image hat: Elton John lehnte es ab, bei Trumps Vereidigungszeremonie zu singen, DJ Moby ist für den Wirtschaftstycoon und Hobbypolitiker nicht buchbar und Robert de Niro möchte ihm «in die Fresse hauen». Noch bis Ende April läuft unter ourfirst100days.us eine musikalische Kampagne, im Zuge derer engagierte Sängerinnen und Sänger täglich einen neuen Anti-Trump-Song lancieren. Den Reigen eröffnete Angel Osten, gefolgt von Mitski und anderen, der alternativen Szene angehörenden Künstlerinnen und Künstlern. Nicht zu vergessen Meryl Streep, die anlässlich der Golden Globe-Verleihung ebenso sensible wie artikulierte Worte fand, um Trumps menschenverachtendes Gehabe zu kritisieren. Ohne den Mann persönlich getestet zu haben berufe ich mich auf meine langjährige musikpädagogische Erfahrung und behaupte, dass Donald Trump unmusikalisch ist. Den Beweis für diese Behauptung leite ich last but not least aus der Anwendung eines von Johann Gottfried Seume 1804 gedichteten Verses ab, der da lautet:

Wo man singet, lass dich ruhig nieder,

Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;

Wo man singet, wird kein Mensch beraubt;

Bösewichter haben keine Lieder.

Quod erat demonstrandum.

Nun hat es der Bösewicht Trump also nicht nur ins Weisse Haus, sondern sogar bis in die Schweizer Musikzeitung geschafft. In Wien würde man dazu sagen: «Die Welt steht nimmer lang…». Das ist aber alles halb so schlimm: Ein gelernter Österreicher (wie auch die Österreicherin) weiss, dass Weltuntergänge vorübergehende Zeiterscheinungen sind. Bis man sich an der ZHdK auf eine umfassend begründete Position zu Trump verständigt hat und bis sich auch die klassischen Musikerinnen und Musiker ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst geworden sind, ist der Mann vielleicht gar nicht mehr Präsident. Oder er hat singen gelernt. Mein Repertoirevorschlag für seine Verabschiedung wäre jedenfalls ein altes Wienerlied, das vermutlich 1679 vom Bänkelsänger, Sackpfeifer und Stegreifdichter Markus Augustin komponiert wurde:

O, du lieber Augustin, Augustin, Augustin,

O, du lieber Augustin, alles ist hin.

Note

1. Aus Daniel Shitomirski: «Über Nikolai Medtner und seine Musik», in: Einführung in die Klaviermusik von Nikolai Medtner. Berlin, Verlag Ernst Kuhn, S.8.

Sara Horvath

… ist Studierende an der Hochschule der Künste Bern mit Hauptfach Klavier Klassik bei Tomasz Herbut sowie Collaborative Piano bei James Alexander.

James Alexander

… ist Dozent für Kammermusik an der Haute Ecole de Musique de Genève.

Ranko Marković

… ist seit 2014 Studiengangsleiter BA Klassik und Head International Relations Musik an der ZHdK.

Nouveau président de la CHEMS – Neuer Präsident der KMHS

Stephan Schmidt, Direktor der Musikhochschulen FHNW und der Musik-Akademie Basel sowie international renommierter Gitarrist, ist seit Jahresbeginn der neue Präsident der KMHS.

Stephan Schmidt, directeur de l’Académie de musique de Bâle (Musik-Akademie Basel) et des Hautes écoles de musique de la Haute école spécialisée du nord-ouest de la Suisse (Musikhochschulen FHNW), ainsi que guitariste de renommée internationale, est, depuis le début de l’année, le nouveau président de la CHEMS.

Comme ses prédécesseurs, il souhaite à son tour porter la voix des hautes écoles de musique de notre pays sur les thèmes qui revêtent une importance toute particulière, que ce soient la mise en œuvre de l’article 67a de la Constitution (qui n’a pas encore eu l’effet souhaité) ou les questions relatives à l’environnement professionnel international ou à la loi sur l’encouragement et la coordination des hautes écoles (LEHE). Il voit un grand défi dans le poids et le rôle qui seront conférés aux écoles et hautes écoles de musique dans la société à l’avenir, d’autant qu’ils restent largement sous-estimés tant dans la société que dans l’industrie culturelle. Face à ce qui se passe actuellement aux Etats-Unis, la question se pose aussi de savoir si la CHEMS doit prendre position politiquement, sous quelque forme que ce soit.

Stephan Schmidt croit que la musique a un rôle à jouer dans la politique sociale (non politicienne) dans la mesure où cet art contribue à une meilleure compréhension de nous-mêmes dans notre dimension d’être culturel. Il faudra donc également se donner pour but de faire un usage respectueux et responsable de la musique afin de jeter les bases d’un avenir qui permette un développement sur le plan spirituel et culturel – en sa qualité de conférence spécialisée, la CHEMS peut s’en faire la porte-parole au niveau de la formation professionnelle. Lui-même guitariste concertiste, Stephan Schmidt décrit l’extrême difficulté qu’il peut y avoir à réussir le grand écart entre cette double fonction de directeur d’une part, et ses prestations de soliste, d’autre part. Ces deux activités le comblent de joie, mais exigent aussi d’être menées à bien avec le plus haut degré de qualité et de responsabilité. Un problème qui est le lot de nombreux musiciens qui enseignent, planifient, ont des enfants et souhaitent mener un authentique travail artistique. Au final, force est pourtant de reconnaître le privilège qu’il y a à travailler par et pour sa passion.

En conclusion, Stephan Schmidt formule d’une part le vœu que la CHEMS soit écoutée, et ses réflexions prises au sérieux, et d’autre part, que les différents acteurs et institutions du paysage musical se rapprochent, expriment plus clairement leurs intérêts et apprennent à mieux les défendre sur le plan politique. Ils sont encore trop peu à voir quel enrichissement incommensurable la belle musique pourrait apporter à l’existence.

Matthias von Orelli — Die Musikhochschulen in der Schweiz stehen vor grossen Herausforderungen. Die KMHS gibt den einzelnen Hochschulen eine Stimme in die Gesellschaft, in die Politik und in die Musikszene. Stephan Schmidt äussert sich zu seinen Zielen und Vorstellungen als KMHS-Präsident und sagt, welchen Stellenwert die Musik in politischen Fragen haben kann.

Stephan Schmidt, Sie sind der neue Präsident der KMHS (Konferenz der Musikhochschulen Schweiz). Welche Schwerpunkte möchten Sie in dieser Funktion setzen?

Die Präsidentschaft der KMHS ist keine amtliche Funktion, sondern ein zeitlich begrenztes Mandat zur Vertretung der schweizerischen Musikhochschulen. Insofern werde ich wie meine Vorgänger jenen Themen eine Stimme nach aussen geben, zu denen die Musikhochschulen gehört werden müssen oder gehört werden sollten. Schwerpunkte entwickeln sich also entlang der Themen, welche die Musik allgemein und die Ausbildung an Musikhochschulen im Besonderen betreffen:

Die Umsetzung des Verfassungsartikels 67a zum Beispiel hat bis jetzt in wesentlichen Punkten nicht die erhoffte Dynamik gebracht, sondern benötigt aus unserer Sicht vor allem bei der Studienvorbereitung (PreColleges) weitere Anstrengung und Verbesserungen.

Ausserdem müssen wir Politik und Gesellschaft mehr und besser über die Realitäten des Berufsfeldes Musik aufklären: das notwendigerweise international ausgerichtete Ausbildungsprofil, die künstlerischen und pädagogischen Qualitätsansprüche, die alltägliche Kombination der unterschiedlichen Arbeits- und Tätigkeitsfelder als Künstler, Künstlerinnen, Pädagogen und Pädagoginnen, als Angestellte, Freischaffende, selbständig Erwerbende, unbezahlt Übende…

Die letzten Jahre waren durch umwälzende Veränderungen in der Hochschullandschaft geprägt. Die letzte grosse Neuerung brachte das Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz HFKG, welches seit 1. Januar 2015 gilt und für Universitäten, Pädagogische Hochschulen und Fachhochschulen (mit Musik) einen einheitlichen gesetzlichen Hochschulraum geschaffen hat. Es gilt nun in diesem Zusammenhang zu klären, welche Mitsprache die Fachkonferenz KMHS der Musikhochschulen erhalten wird bzw. erreichen kann.

Wie beurteilen Sie die Musikhochschullandschaft der Schweiz im Moment?

Diese hat sich zwar seit den Zeiten der Konservatorien strukturell radikal verändert, ist heute aber eigentlich sehr gut aufgestellt. Die vergangenen Jahre im Fachhochschulkontext haben für uns neben einigen nicht so ganz einfach zu bewältigenden Aspekten, wie z.B. die vielen Reorganisationen bei den Ausbildungen sowie bei den Finanz- und Organisationsstrukturen, auch sehr viele positive Dinge gebracht: die Forschung und Reflexion haben auf allen Ebenen viel Dynamik gebracht, die langfristigen Planungsmechanismen können heute Bedürfnisse der Musikausbildungen durchaus besser aufgleisen als zu Zeiten der Konservatorien…

Welches sind Ihrer Meinung nach die grossen Herausforderungen für die Musikhochschulen der Schweiz, und welche Rolle spielt dabei die KMHS?

Es wird in den kommenden Jahren entscheidend sein, welche Bedeutung und Rolle man dem Musizieren, der Musikbildung und -ausbildung, also den Musikschulen und den Musikhochschulen im gesellschaftlichen Umfeld zugestehen wird. Wir sind überzeugt, dass eben diese Rolle und Bedeutung, sei es in der Gesellschaft, sei es in der Kulturindustrie, weiterhin stark unterschätzt wird. Die Musikhochschulen müssen dabei ihren Beitrag leisten, und die KMHS kann dafür ein Sprachrohr sein. Finanzierungsfragen stehen dabei oft im Vordergrund, doch geht es ja nicht nur um Fragen von Geldmengen, sondern zuvorderst geht es darum, die Bedeutung und Wertschätzung, die unserer Arbeit und unserem Bedarf zugestanden werden, klar zu machen. Da hat es die Musik – trotz Verfassungsartikel – in letzter Zeit nicht immer leicht. Wir werden zwar nicht müde, die Bedeutung von Musik und musikalischer Arbeit zu betonen, aber dabei ist es nicht nur meine durchaus subjektive Beobachtung, dass das Verständnis für Musik schon bessere Zeiten gesehen hat.

Bei den kommenden Veränderungen jedenfalls werden Vereine, Verbände, Musikschulen und Musikhochschulen gemeinsam alle Hände voll zu tun haben, um die Notwendigkeit und Effizienz ihrer Arbeit der breiten Gesellschaft klarer zu machen. Veränderungen sollten wir aufgeschlossen gegenüberstehen, damit Transformation und nicht Abbau und Zerschlagung den Umgang mit Musik prägen wird.

Der Musikerberuf ist jedenfalls weiterhin ein wertvolles und ein zukunftsträchtiges Modell, wenn wir uns darauf einstellen, die Voraussetzungen zu verbessern, damit er inspiriert gelebt, klug organisiert und solide finanziert werden kann. Was es dafür braucht, ist oft den Musikerinnen und Musikern selbst nicht klar und der Gesellschaft oft noch viel weniger. Wer weiss schon, was man als Musikerin und Musiker oft gleichzeitig macht: Üben, Unterrichten, Konzertieren solo, Kammermusik, Ensemble, Orchester, Oper etc., organisieren, lobbyieren, nachdenken, suchen, forschen, schreiben… meist gleichzeitig als Angestellte, Freischaffende, selbständig Erwerbende, unbezahlt Übende…

Ein schwerer, aber auch ein phantastischer, erfüllender Beruf, der grosse Zufriedenheit und Selbsterfüllung bringen kann, wenn man ihn richtig organisieren lernt und die richtigen Bedingungen findet oder schafft.

Die Welt scheint im Moment politisch aus den Fugen geraten zu sein. Der neue amerikanische Präsident tritt Menschen- und Freiheitsrechte bedenkenlos mit den Füssen. Was löst dies bei Ihnen aus?

Es ist nicht an mir, mich hier politisch zu äussern. Gleichwohl hoffe ich auf ein funktionierendes Gleichgewicht der staatlichen Kräfte. Die Gewaltenteilung unserer Zeit jedenfalls wurde hart erkämpft und ist ein hohes Gut, das sich auch in Zukunft immer wieder in seiner Stabilität wird beweisen müssen. Zur heutigen Musik und zum Musikschaffen gehört auch eine gewisse Unabhängigkeit der Musikerinnen und Musiker, die für ein Weltbild, das auf der Pflege grundlegender Menschen- und Freiheitsrechte aufbaut, einstehen. Das war nicht immer so möglich. Musikerinnen und Musiker waren und sind auch nicht per se frei von moralischen Konflikten oder gar Verfehlungen. Das gleiche gilt für die Welt, die – wie Sie sagen – aus den Fugen zu geraten scheint.

Soll sich die Kultur, insbesondere die Musik, in politische Diskussionen einmischen?

Das soll die Musik, aber nicht parteipolitisch, sondern gesellschaftspolitisch. Musik zu machen und Musik zu schaffen gehört zum Selbstverständnis unserer kulturellen menschlichen Existenz. Wir haben einen unermesslichen musikalischen Reichtum, der uns umgibt, und es liegt an uns, ihn nicht nur sinnvoll zu bewahren, sondern weiter zu erschliessen, immer wieder aufs Neue hör- und erlebbar und vor allem all jenen zugänglich zu machen, die keinen Zugang haben oder nicht gelernt haben, ihn wahrzunehmen. Das ist Politik.

Musik wurde gelegentlich ja auch missbraucht, hat auch selbst Missbrauch bewusst mitgetragen. Musik ist also nicht per se gut. Es gibt jedoch gute und schlechte Musik, und man kann gut oder fahrlässig damit umgehen, man kann sie gar manipulierend einsetzen oder sie zur Ausbildung mit Liebe und Respekt einsetzen. Es liegt an jedem einzelnen von uns, den richtigen Weg nicht nur zu finden, sondern in eine Zukunft zu schauen, die uns Zuversicht und geistig-kulturelle Weiterentwicklung ermöglicht.

Und was kann eine KMHS da bewirken?

Die KMHS ist dafür eine Fachkonferenz, ein wichtiges Sprachrohr im Bereich der Berufsausbildung, nicht mehr und nicht weniger.

Sie sind selber ein international renommierter Gitarrist. Wie bringen Sie die Tätigkeiten eines ausübenden Musikers und Direktor einer Musikhochschule unter einen Hut?

Gar nicht. Das eine konkurriert das andere, und es ist ein täglich neu zerreissender Wettkampf um Lebenszeit. Jede Tätigkeit hat ihren nicht verhandelbaren Anspruch in Bezug auf Qualität, und zuvorderst steht eben momentan meine Verantwortung für diese wunderbare Institution Musikhochschulen FHNW/Musik-Akademie Basel mit ihren ca. 560 Mitarbeitenden und ihrem Auftrag sowie für meine Familie.

Da muss mein solistisches Auftreten oft zurückgestellt werden, wenngleich es mich gelegentlich fast verreisst. Dieses Problem ist aber eines, das alle kennen, die unterrichten, organisieren, Kinder haben und künstlerisch authentisch arbeiten wollen. Es ist und bleibt eine unstillbare Unruhe, und diese wird niemals ausbalanciert werden können. Es ist aber auch gut so, kaum anders machbar. Es ist zudem ein Privileg, aus Leidenschaft arbeiten zu dürfen.

Was ist Ihr Wunsch für die nahe Zukunft der KMHS?

Dass man uns zuhört und unsere Überlegungen ernst nimmt. Ausserdem wünsche ich mir, dass die verschiedenen Akteure/Institutionen in der Musiklandschaft insgesamt näher zusammenrücken, ihre Interessen deutlicher formulieren und politisch besser vertreten lernen.

Wir mussten lernen, uns an vieles in dem sich rasant verändernden Umfeld anzupassen, dabei sehen leider immer noch viele kaum, wie gute Musik ihr Leben unermesslich bereichern könnte.

Exzellenz in der Ausbildung

Zu Beginn des neuen Jahres wird die Ausbildungsstufe des Masters in Specialized Music Performance (MA Specialized Music Performance) an zwei Musikhochschulen vorgestellt. Studierende teilen ihre Erfahrungen auf dem Weg zu dieser Ausbildungsstufe mit und berichten aus dem Alltag dieses Masters.

Matthias von Orelli — Ergänzend zu inhaltlich speziellen Masterstudiengängen mit individuellen Ausrichtungsmöglichkeiten kann man an den Musikhochschulen in der Schweiz auch ein Masterstudium in Specialized Music Performance absolvieren, was die Herausbildung einer künstlerischen Exzellenz im umfassenden Sinne zum Ziel hat. Dazu gehören primär die uneingeschränkten Fertigkeiten am Instrument, an der Stimme oder in der Darstellung, wozu sich ein individuelles künstlerisches Profil, die Entwicklung von eigenen Projekten auf höchstem Niveau, umfangreiche Repertoirekenntnisse, Reflektionsfähigkeit sowie eine stark ausgeprägte Auftrittspräsenz und -kompetenz gesellt. In erster Linie richtet sich dieser Master an überdurchschnittlich begabte Studierende, die durch eine individualisierte Ausbildung ein internationales Spitzenniveau erreichen wollen.

Beispiel I: Kalaidos Musikhochschule

Im Jahr 2010 als private Schule gegründet, stellt die Kalaidos Musikhochschule in der Schweiz sowie im benachbarten Ausland ein Angebot an Musikstudien in Klassik, Jazz und Populärmusik bereit. Der Ausbau des Studiengangs MA Specialized Music Performance (der 2015 konzipiert wurde) von einem Studierenden im Jahr 2016 auf voraussichtlich sieben Studierende im Jahr 2017 unterstreicht das Wachstum dieser Schule. Der Pianist Sven Bauer war zu Beginn der einzige Studierende bei Lev Natochenny, mittlerweile sind es drei Pianistinnen und Pianisten, die bei ihm studieren. Ab Februar wird eine chinesische Geigerin bei Xiaoming Wang (dem Konzertmeister am Opernhaus Zürich und Primarius des Stradivari-Quartetts) studieren. Dies zeigt, dass bei der Auswahl der an der Schule tätigen Dozierenden auf internationale Erfahrung geachtet wird.

An der Kalaidos gehören neben dem primären, künstlerischen Unterricht auch Module wie Selbstmarketing, Öffentlichkeitsarbeit, Konzertakquise, Agenturkontakte oder Career Service zum Studium. Ergänzend ist die Teilnahme an mindestens drei Wettbewerben oder Meisterkursen vorgesehen. Die Abschlussprüfung besteht aus drei Konzerten: einem nicht öffentlichen Konzert, dem öffentlichen Masterkonzert sowie einem öffentlichen Konzert als Solist mit Orchester.

Für Sven Bauer verlief der Weg an die Kalaidos Musikhochschule ganz natürlich. Zunächst studierte er bei Lev Natochenny in Frankfurt am Main und konnte die Studien bei «seinem» Professor fortsetzen, als er sich für die Kalaidos Musikhochschule entschied. Zudem entspricht das Ausbildungskonzept dieser Hochschule Sven Bauer, der eine Karriere als Solist anstrebt und aufgrund des flexiblen Systems die Chance hat, zusätzlich zu seiner bereits beachtlichen Konzerttätigkeit einen staatlich anerkannten Master-Abschluss zu erlangen. Der junge Geiger David Nebel hingegen befindet sich erst auf dem Weg zum MA Specialized Music Performance. Den Entscheid, einen Bachelor an der Kalaidos zu machen, erachtet er für sich als Ideallösung. Auch er benötigt viel Zeit und Flexibilität für Konzerte und CD-Aufnahmen, aber letztlich auch für das eigene Üben. Daher empfindet er das angebotene System auf ihn zugeschnitten, massgeblich war auch für ihn, dass sein Lehrer, Alexander Gilman, an der Schule unterrichtet. Eine Schule im Ausland kam nicht in Frage, da seine Familie in der Schweiz lebt und er sein Studium in erster Linie auf den idealen Dozenten ausrichten will. Nebel betont, dass das Studium an der Kalaidos zweifellos ein grosses Mass an Selbstdisziplin erfordere, im Gegenzug komme er aber in den Genuss einer Flexibilität, die man anderenorts vielleicht nicht hat. Und dank des Privatunterrichts kommt der Studierende auch rasch vorwärts in der Entwicklung – entsprechend zuversichtlich schaut Nebel auf die kommenden Monate und den angestrebten Übertritt in das Studium des MA Specialized Music Performance.

Beispiel II: Zürcher Hochschule der Künste ZHdK

Die Geigerin Anne Solveig Weber wurde mit 13 Jahren als Jungstudentin an die Münchner Hochschule für Musik aufgenommen und kam via Paris nach Zürich, wo sie nun bei Nora Chastain studiert. In Zürich angekommen stand sie mitten im Bachelorstudium und hat nach dem Abschluss einen ersten Master direkt angeschlossen. Nach einer Pause von einem Semester konnte sie mit dem MA Specialized Music Performance weiterstudieren. Das vielfältige und am Bedürfnis der Studierenden ausgelegte Angebot an der ZHdK sowie die individuelle Modulierbarkeit des Studienprofils waren für sie massgebend bei der Wahl des Studienorts – dabei schätzt sie, dass es die Hochschule ermöglicht, studienbegleitende Aktivitä-ten wie die Orchesterakademien im Royal Concertgebouw Orchestra oder im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks besuchen zu können. Den MA Specialized Music Performance erachtet sie auch deshalb als ideal, weil sie damit mit einem Fuss bereits im Berufsleben stehen kann, andererseits durch das Studium weiterhin Impulse von gross- artigen Lehrern erhält, um sich so weiter entwickeln und das Spiel perfektionieren zu können. In drei Semestern wird Anne Solveig Weber voraussichtlich den MA Specialized Music Performance abschliessen und dann die Ausformung der beruflichen Laufbahn in Angriff nehmen – sei es mit einer Position in einem grossen Orchester, der aktiven kammermusikalischen Tätigkeit oder auch mit der Unterrichtstätigkeit.

Individualität

Die individuelle Gestaltung kommt auch der Mezzosopranistin Madeleine Merz zugute, die denselben Studiengang in Zürich absolviert. Sie besuchte während zwei Semestern Schauspielunterricht als Nebenfach und hat sich auch in Orchesterleitung weitergebildet. Die Körperarbeit , welche an der ZHdK einen grossen Stellenwert einnimmt, hat sie als wichtigen Aspekt für ihre Ausbildung entdeckt. Ihr Ziel ist es, als Solistin auf nationalen und internationalen Bühnen aufzutreten und sich dabei ständig weiterzuentwickeln. Dank dem angebotenen Austausch zwischen den einzelnen Vertiefungen innerhalb des Specialized Performance-Masters sieht sie sich gerüstet, sich als vielseitige Künstlerin im Musikbusiness behaupten zu können. Überhaupt bilden diese Vertiefungen und Schwerpunkte in Zürich einen zentralen Faktor für die Entwicklung einer universellen und selbstverantwortlichen Künstlerpersönlichkeit, die sich letzten Endes kompetent im Kulturbetrieb bewegen kann. Die ZHdK kann zudem mit einer Vielfalt anderer Fachgebiete aufwarten (Theater, Tanz, Film, Kunst, Medien und Design), die ein besonders kreatives Umfeld bieten und dank Kooperationen mit anderen Musikhochschulen zusätzlich bereichert wird. Bei der Vertiefung Oper etwa kooperiert die ZHdK mit der Hochschule der Künste Bern (HKB). Dem Wandel im Opernbetrieb geschuldet wird die sängerische Ausbildung von der ZHdK übernommen, die szenische Ausbildung hingegen vom Schweizer Opernstudio der HKB. Dort bekam Madeleine Merz dann auch ihre erste grosse Rolle.

Für den Wechsel der Hochschule waren andere Faktoren ausschlaggebend. Einerseits ihre Dozentin, Yvonne Naef, die nur in Zürich unterrichtet (eine Bewerbung ohne konkreten Lehrerwunsch kam für sie nicht in Frage), andererseits aber auch der Wunsch nach Veränderung, nachdem sie das Bachelorstudium an der HKB, ein Studium Chorleitung und Kirchenmusik an der Kirchenmusikschule Bern sowie den MA Music Performance mit Vertiefung Oper ebenfalls an der HKB absolviert hatte. So besteht für Madeleine Merz das Hauptmerkmal des MA Specialized Music Performance in Zürich in der Individualität, mit der sie ihren Studiengang gestalten kann, und dem Fokus auf der Entwicklung zu einer umfassenden, eigenständigen Künstlerpersönlichkeit.

Facing the future

Das Jahresende ist die Zeit des Zurück- und Nach-vorne-Blickens. Die Schweizer Musikhochschulen bewegen sich in einem auf die Zukunft ausgerichteten Umfeld. So sollen hier Überlegungen und Anregungen aus und über die Musikhochschulen bezüglich der Zukunft der Studierenden zur Sprache gebracht werden.

Daniel Weissberg — Als wir vor 15 Jahren den Studiengang Musik und Medienkunst konzipierten, gehörte der CD-Rom eine angeblich blühende Zukunft, die wir in der Ausbildung zu berücksichtigen hätten. Vom schon seit Jahren blühenden Geschäft mit Musik für Computerspiele ahnten auch Experten damals noch nichts. Was eine CD-Rom ist, wissen heute nur noch wenige.

Facing the Future

Auf Schweizerdeutsch wird die Zukunft mit der Gegenwartsform ausgedrückt. Kaum etwas wird so schnell von der Gegenwart überholt wie Zukunftsvisionen. Facing the future, zu Deutsch: der Zukunft ins Gesicht schauen. Zu den genuinen Merkmalen der Zukunft gehört ihre Gesichtslosigkeit, die sie zur Projektionsfolie für allerlei Wünsche und Befürchtungen macht – und die kommen nicht aus der Zukunft.

Facing the Past

Vielleicht haben Musikhochschulen einst zu lange zu einseitig der Vergangenheit ins Gesicht geschaut. Das Gegenteil von einem Fehler wäre allerdings auch ein Fehler.

Facing the Pres(id)ent

Das einzige, das wir über die Zukunft wissen, ist die Gegenwart. Da hat das Schweizerdeutsch schon Recht.

Daniel Weissberg

… leitet seit 15 Jahren gemeinsam mit Michael Harenberg den Studiengang Musik&Medienkunst im Fachbereich Musik der HKB.

> www.medien-kunst.ch

 

Matthias von Orelli — Wie sehen die Musikhochschulen ihre Zukunft und jene der Studierenden, wie nehmen diese Fragen die Studierenden selber wahr? Anbei die Gedanken eines Studierenden aus Lugano sowie Überlegungen dazu von den Musikhochschulen Bern und Lausanne.

Der nordirische Dirigent Darren Hargan (*1983) absolviert aktuell (obschon er bereits einen Namen als Pianist und Coach hat) den Master of Arts in Music Performance (Ensemble conducting – contemporary repertoire) an der Scuola Universitaria di Musica/Conservatorio della Svizzera italiana in Lugano. Er ist ein junger Musiker, der sich vertieft mit den Fragen der Zukunft des Musikerseins, der Verantwortung und dem Stellenwert der Ausbildungsstätten auseinandersetzt. Im Gespräch betont er, welch enormen Stellenwert die Musik hat.

Er sieht in der Musik ein Fundament unserer Gesellschaft, die nicht nur den Geist anregt, sondern uns auch zu Koordination und Ausdruck befähigt. Nachdem Hargan den Entschluss gefasst hatte, Musik zu studieren, half ihm das Glück hinsichtlich seiner eigenen beruflichen Zukunft. Im Anschluss an die Studien an der Royal Academy of Music in London bekam er eine Festanstellung am Opernhaus Zürich, was ihm den Berufseinstieg erleichterte. Doch, so Hargan, müssten Studierende unbedingt verstehen, dass eine Musikhochschule, so gut sie auch sein mag, sie nicht wirklich auf das tägliche Leben im Musikgeschäft vorbereiten könne. Es gelte für jeden Musiker, für jede Musikerin, täglich zu lernen, um der Zukunft gewachsen zu sein. Umso entscheidender sei es daher auch, dass die verschiedenen, international angesehenen Musikhochschulen in der Schweiz ein jeweils individuelles Profil aufweisen, um talentierte Musikerinnen und Musiker ihren Fähigkeiten entsprechend fördern zu können.

Businessfragen

Auf die Zukunft angesprochen sieht Hargan für die Musikhochschulen besonders dort eine Herausforderung, wo sie den Studierenden helfen können, eine eigene Stimme im immer schneller werdenden Musikmarkt zu finden. Für ihn kann eine Musikhochschule nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Möglichkeit hat, eine Verbindung zwischen Ausbildung und Musikerberuf herzustellen und gleichzeitig die Studierenden anhält, ebenso viel Zeit in Businessfragen wie ins Üben ihrer Kunst zu investieren. Hargan erachtet es als aussichtslos, wenn man bloss fähig sei, eine bestimmte Stückauswahl überdurchschnittlich virtuos spielen zu können, ohne sich dabei (ökonomischen) Fragen zur Karriereentwicklung zu stellen. Noch ein anderes Thema beschäftigt ihn sehr: die Kinder. Sie seien unsere Zukunft, und der junge Dirigent bezeichnet es als Schande, dass so viele Kinder nie die Möglichkeit haben werden, in der Schule ein Instrument zu spielen oder ein Konzert besuchen zu können. Zwar erlernten manche Kinder die notwendigen praktischen Fähigkeiten, doch versage das System oft darin, indem diese Kinder ihr schöpferisches Potential nur ungenügend ausschöpfen könnten.

«So haben viele Kinder die grossen musikalischen Errungenschaften der Menschheit nie kennengelernt, etwa Beethovens Musik, die Schriftsteller, Wissenschaftler und Politiker inspiriert hat», unterstreicht Hargan. Dass man nach dem Fall der Berliner Mauer dessen Neunte spielte zeige, dass man darin die einzig richtige Antwort auf eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des 20. Jahrhunderts sah. «Auch deswegen hat die klassische Musik ihre Existenzberechtigung, und wir alle sind», so Hargan, «verpflichtet, uns dafür einzusetzen, dass alle Teile der Gesellschaft den Wert und die Notwendigkeit sehen, welche die Kunst für das Leben der Kinder hat.» Würden sie von dieser Erfahrung ausgeschlossen bestehe die Gefahr, den Vorteil zu verpassen, der ihnen die Musik hätte bringen können. «Ausser Frage – die Musik muss eine Zukunft haben. Die Welt verändert sich schneller und schneller, und wir hatten noch nie so viele Möglichkeiten, uns mit Menschen auf der ganzen Welt zu vernetzen.» Hargan ergänzt, dass doch gar keine Zeit bleibe, über die Schultern mit nostalgischer Wehmut in die Vergangenheit zu blicken. Als Kind des 21. Jahrhunderts müsse man diese Möglichkeiten mit offenen Armen entgegen nehmen und der uns allen Menschen instinktiver Eigenschaft folgen: Gestalten!

Überlegungen der HEMU

Auf die Rolle der Studierenden der Zukunft angesprochen spielt die Gesellschaft auch aus Sicht der Haute École de Musique de Lausanne (HEMU) eine zentrale Rolle. Studierende sollen ein Bewusstsein für die Stellung und Rolle, welche Musiker und Künstler in der Gesellschaft einnehmen, entwickeln, wobei Neugierde und Offenheit gegenüber anderen Kunstformen und die Absicht, Verbindungen mit diesen zu ermöglichen, besonders betont werden. Genauso wie es Darren Hargan sich wünscht, wird auch aus Sicht der Hochschule das Bewusstsein gefordert, dass zukünftige Studierende nicht nur in der Lage sein müssen, den Anforderungen eines Arbeitsmarkt in ständiger Entwicklung gerecht zu werden, sondern auch Innovationen mittragen sollten, die das Musikgeschäft beeinflussen. Das Verständnis für eine zukünftige Musikkultur bestehe darin, offen gegenüber der Welt aufzutreten, in der aktuellen Zeit zu leben und sich gleichzeitig dem kulturellen Erbe bewusst zu sein sowie die Notwendigkeit zu erkennen, dieses Erbe (ohne nostalgischer Wehmut) lebendig zu machen und in unsere Zeit zu übertragen.

Die Studierenden von morgen seien daher angehalten, so die Überzeugung der HEMU, sich Hilfsmittel anzueignen, um ihre musikalische Praxis weiter zu entwickeln, die eigenen beruflichen Ziele zu definieren, um einen Platz in der Gesellschaft zu finden und diese Werte und Fähigkeiten so breit wie möglich zu teilen. Abschliessend geht der Appell an alle: «Seid Unternehmer; seid genauso in der Improvisation von Jazz-Standards wie bei Mozart zuhause und versucht herauszufinden, wie man sich an der Musikhochschule am besten bedient, indem man sein eigenes Angebot zusammenstellt und aktiv an der Entwicklung des Lehrplans innerhalb der akademischen Anforderungen teilnimmt.»


Beilage in SMZ 12/2016

Unter dem Titel Musik und Migration publiziert die KMHS mit dieser Ausgabe der Schweizer Musikzeitung erstmals ihre jährliche Beilage. Das Ziel der Publikation ist es, die Breite und Fülle der Schweizer Musikhochschulen hinsichtlich einer ausgewählten und brennenden Thematik zu beleuchten. So war es naheliegend, die Thematik Musik und Migration aufzugreifen – spielt sie nicht nur aktuell eine grosse geopolitische Rolle, sondern steht auch im politischen Kontext der Schweiz im Brennpunkt. Sie betrifft damit ebenso die international ausgerichteten Schweizer Musikhochschulen: Studierende und Dozierende, die ihre Heimat verlassen und in einem anderen Land heimisch werden, Musikerinnen und Musiker, die einen grossen Teil ihres Lebens auf Reisen sind und ihre Heimat selten sehen. Dies sind nur zwei Aspekte, die in der Beilage behandelt werden. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre.

Sous le titre Musique et migration, la CHEMS publie avec cette édition de la Revue Musicale Suisse son premier supplément annuel. Le but de cette publication est de mettre en lumière la diversité et la richesse des Hautes Écoles de musique suisses en relation avec une thématique donnée. Le thème Musique et migration s’est imposé comme une évidence au regard du rôle important qu’il joue actuellement non seulement au niveau géopolitique, mais également dans le monde de la musique: il suffit de penser aux étudiants et aux professeurs qui quittent leur patrie pour suivre leur formation et doivent trouver leurs marques dans d’autres contrées et aux musiciens qui passent une grande partie de leur vie à voyager et voient rarement leur pays d’origine. Ce ne sont que deux aspects de cette thématique, que ce supplément se propose d’explorer. Nous vous souhaitons une agréable lecture.

LES HEM suisses cultivent la diversité / Lebendige Vielfalt an den Schweizer Musikhochschulen

Die Absicht der Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS) liegt unter anderem darin, die Vielfalt der einzelnen Schulen zu fördern, um damit eine möglichst umfassende stilistische Breite der professionellen Musikausbildung und der Musikpädagogik zu gewährleisten. Die Bandbreite dieser Angebote ist umfassend.

La Conférence des Hautes Écoles de Musique Suisses (CHEMS) vise notamment à encourager la diversité des écoles helvétiques, afin de garantir une palette aussi large et complète que possible en termes de styles de musique et de pédagogie musicale. L’éventail de ces offres est de grande envergure. Outre les programmes de formation usuels, certaines hautes écoles se profilent par des offres individuelles. La vaste palette de filières de bachelor et de master ainsi que les formations complémentaires de la Haute école d’art de Zurich (Zürcher Hochschule der Künste) fait d’elle une des meilleures écoles d’art d’Europe. Les deux hautes écoles de Suisse romande, sises à Genève et à Lausanne, se complètent de façon idéale par la diversité de leurs contenus. L’école de Genève abrite l’institut Jaques-Dalcroze, fondé en 1915, une des plus anciennes institutions au monde sur le terrain de l’enseignement de la musique et du mouvement. À Lausanne, les départements jazz et musiques actuelles sont proposés en exclusivité en Suisse romande. Sur ce terrain, Lucerne contribue tout particulièrement à la diversité du paysage suisse (voire européen) des hautes écoles de musique. En effet, la musique folklorique suisse a connu un regain d’intérêt inattendu au cours des dernières décennies, enthousiasme auquel Lucerne a répondu par une filière de musique folklorique. Pour illustrer l’incroyable éventail de l’offre, nous citerons Bâle et l’interprétation de la musique ancienne. Bâle est un centre de connaissances de rayonnement international, où la musique du passé est jouée, étudiée et objet de recherches. La Haute école de musique de Berne jette quant à elle un pont entre la Suisse allemande et romande et se concentre notamment sur l’enseignement de la musique. La diversité de la Haute école de musique tessinoise est quant à elle soutenue par le cadre italophone dans lequel l’école occupe une place de choix dans le domaine de la pédagogie instrumentale et vocale, notamment avec un master double en collaboration avec la Haute école pédagogique de Locarno.

Matthias von Orelli — Neben den generellen und bei allen Schulen ähnlichen Ausbildungsprogrammen profilieren sich die einzelnen Hochschulen mit individuellen Angeboten. Dieser Vielfalt an der jeweiligen Hochschule begegnen die Studierenden tagtäglich, etwa im umfangreichen Angebot des vielseitigen, kulturellen Umfelds, die ihre Grundlage teilweise auch in der Geschichte der einzelnen Institute haben. Die Zürcher Hochschule der Künste entstand aus der Fusion der Hochschule für Gestaltung und Kunst und der Hochschule für Musik und Theater und ist seit September 2014 im kreativen Umfeld des Toni-Areals untergebracht. Mit einem enormen Angebot von Bachelor- und Master-Studiengängen sowie Weiterbildungen in unterschiedlichsten Kunstbereichen, aber auch der Forschung, künstlerischen Forschung oder De-signforschung, ist sie eine der führenden Kunsthochschulen Europas. Diese Vielfalt ermöglicht es, auf komplexe Fragen der aktuellen Zeit disziplin-übergreifende Antworten zu geben, die in starken disziplinären Kompetenzen begründet liegen. Zürich legt dabei grossen Wert auf nationale und internationale Kooperationen (etwa zu Uni und ETH), die den Studierenden Netzwerke für ihre künftige Tätigkeit eröffnen.

Mit Genf und Lausanne verfügt die Romandie über zwei Musikhochschulen, die sich dank ihrer inhaltlichen Schwerpunkte in ihrer Vielfalt ideal ergänzen. Mit dem Konservatorium hat Genf die älteste Musikausbildungsstätte in der Schweiz und schaut auf eine entsprechend lange Tradition zurück. Mit dem Institut Jaques-Dalcroze, welches 1915 gegründet wurde, beherbergt sie gleichzeitig eine der ältesten Institutionen auf dem Gebiet der Musik- und Bewegungsausbildung. Dazu ergänzend befindet sich in Lausanne das gemeinsame Institut romand de pédagogie musicale (IRPM) der beiden Musikhochschulen, das sich schwerpunktmässig mit der Bildung, Musikerziehungsforschung und der Vermittlung von Musik auseinandersetzt, ergänzt durch die Berufsausbildung von Musiklehrerinnen und Musiklehrern sowie von Musikdozenten. Die Vielfalt wird, und das zeigen die Hochschulen von Genf und Lausanne beispielhaft, auch durch zahlreiche Kooperationen mit regionalen Partnern bereichert. Ein weiterer Aspekt bildet in Genf der im Studienjahr 2016/2017 erstmals angebotene Master-Studiengang auf dem Gebiet der Musikethnologie (in Zusammenarbeit mit den Universitäten von Genf und Neuenburg). Eine weitere Bereicherung stellt das gemeinsame Mitwirken der beiden Westschweizer Musikhochschulen beim Institut de recherche en musique et arts de la scène (IRMAS) dar.

Elektronische, Neue und Gegenwartsmusik

Das in Genf beheimatete und 2005 gegründete Zentrum für elektroakustische Musik (CME) ist – neben dem gleichsam renommierten Institute for Computer Music and Sound Technology in Zürich – ein Exzellenzzentrum auf dem Gebiet der Komposition, der Elektroakustik und musikalischen Informatik. Dieses Zentrum stellt sich den Fragestellungen der Verbreitung und Übertragung elektronischer Musik und den Divergenzen zwischen technischen Neuerungen und traditionellem Komponieren. Bedeutung erlangt die dortige Arbeit durch die internationale Zusammenarbeit mit Instituten wie dem IRCAM in Paris oder der Schulich School of Music of McGill University in Montréal. Historisch gesehen wird an der Hochschule für Musik Lausanne die klassische Musik seit über 150 Jahren gelehrt. Die Angebotspalette wird durch die Abteilungen Jazz und Gegenwartsmusik (die über vier Standorte verteilt sind) im Besonderen ergänzt. Die Lausanner Hochschule arbeitet zudem sehr eng mit nicht berufsbezogenen Studiengängen am Conservatoire de Lausanne zusammen, was für Studierende besonders vorteilhaft ist.

Auf dem Gebiet der Neuen Musik bietet auch die Musikhochschule Luzern mit Contemporary Music Studies zukunftsweisende Lehrgänge in den Bereichen Interpretation, Improvisation und Komposition an. Diese richten sich an Instrumentalistinnen und Instrumentalisten, die eine künstlerisch-interpretatorische Tätigkeit in zeitgenössischer Musik anstreben. Den Absolventen werden beispielsweise die Mitwirkung im Ensemble HELIX, im OFF-Programm der Donaueschinger Musiktage oder die Mitgestaltung des jährlichen Festivals Wege der Wahrnehmung sowie des Festivals New Music Days angeboten.

Auch im Tessin findet sich ein inhaltlicher Schwerpunkt im Bereich der Performance, wo ein grosses Gewicht auf die Neue Musik gelegt wird und sich beispielsweise darin manifestiert, dass sich die Dirigierausbildung auf Ensembleleitung im Bereich der zeitgenössischen Musik oder eine auf Neue Musik spezialisierte Gesangsklasse fokussiert. Erweitert wird diese Bedeutung auch durch die Tatsache, dass die Scuola Universitaria di Musica in diesem Bereich auch bei der Musikproduktion führend ist.

Zentralschweiz und Tessin

In Luzern entstand 1999 aus den Trägervereinen von Konservatorium Luzern, Akademie für Schul- und Kirchenmusik Luzern und Jazz Schule Luzern die Musikhochschule Luzern, die wiederum Teil der Fachhochschule Zentralschweiz ist. Auf einem Gebiet trägt Luzern ganz besonders zur Vielfalt der Schweizer Musikhochschullandschaft bei. Der Tatsache geschuldet, dass die Schweizer Volksmusik in den letzten Jahrzehnten einen ungeahnten Aufschwung erlebt hat und die traditionelle Musik immer mehr Musiker und Zuhörer anspricht, bietet die Musikhochschule Luzern (innerhalb des Studiengangs Bachelor of Arts in Music) die Studienrichtung Volksmusik an. Neben dem Unterricht auf dem Hauptfachinstrument stehen zahlreiche Ensemblekurse auf dem Programm, in denen ein breit gefächertes Repertoire erarbeitet wird. Im Zentrum steht dabei das hochschuleigene Volksmusikensemble Alpini Vernähmlassig, das in der Zwischenzeit zu einem viel gefragten En- semble geworden ist. Was den Aspekt des Vielfältigen noch unterstreicht ist die Ausdehnung der Studienerfahrung auf andere Bereiche, weshalb Volksmusikstudierende immer auch Klassik oder Jazz zu belegen haben. Mit diesem breiten Spektrum kann dem Volksmusik-Nachwuchs eine ideale Ausbildungsplattform geboten werden, die viel Potential in sich birgt.

Der Diversität der bereits genannten Tessiner Musikhochschule dient sicherlich die Nähe zum italienischsprachigen Umfeld, für welches die Schule auf dem Gebiet der Instrumental- und Vokalpädagogik eine besondere Stellung einnimmt. Neu ist auch ein unter dem Dach der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule in Locarno angebotener Doppelmaster, welcher von Musik und Bewegung über den Musikunterricht an der Primarschule bis zur Schulmusik I alles abdeckt.

Historisch

Besonderes Augenmerk verdienen die Basler Musikhochschulen auf dem Campus der Musik-Akademie, welche seit dem Jahr 2008 zur Fachhochschule Nordwestschweiz gehören. Die 1907 entstandene Hochschule für Musik und die 1933 von Paul Sacher gegründete Schola cantorum Basiliensis sind zwar unterschiedlich ausgerichtet, werden aber durch einen ähnlichen Innovationsgeist getragen, der auch in anderen Kunstgattungen ein besonderes Merkmal der Stadt ist. Zentral dabei ist der kontinuierliche Dialog zwischen Praxis und Forschung. Davon zeugt die Schola Cantorum Basiliensis, die von Anfang an entscheidende Impulse zur Historischen Aufführungspraxis gab und ein Wissenszentrum mit internationaler Strahlkraft geworden ist. Aus einem ähnlichen Pioniergeist sind an der Hochschule für Musik bereits sehr früh Studiengänge mit Schwerpunkten im Bereich der Neuen Musik entstanden, wo Interpretation, freie Improvisation und Komposition, gelehrt und reflektiert werden. Im elektronischen Studio, das dabei eine wichtige Rolle spielte, konnten zahlreiche Impulse gesetzt und wichtige Erfahrungen gesammelt werden, die später beispielsweise auch in den völlig neu konzipierten Jazz-Master in Producing und Performance einflossen. Eine Basler Spezialität ist ausserdem der Fokus auf Kammermusik, der in den regulären Studiengängen sowie im Graduate Course für Streichquartette (Walter Levin-Chair) seinen Ausdruck findet.

Vermitteln und Forschen

Der Fachbereich Musik der Hochschule der Künste Bern schafft mit den Standorten Bern und Biel den Brückenschlag zwischen der Deutsch- und Westschweiz, was sich in der breiten Palette der Angebote aber auch dank Dozierenden aus den beiden Kulturräumen niederschlägt. Ein zentraler Schwerpunkt sind die Transdisziplinarität und die Musikvermittlung, die sich quer durch alle Inhalte ziehen, dasselbe gilt für die rege Forschungstätigkeit, etwa die Beschäftigung mit historischen Blasinstrumenten. Die Musik der Berner Hochschule bietet in Kooperation mit der Universität Bern die Möglichkeit zum Doktorat in der gemeinsam betriebenen Graduate School of the Arts, zudem betreibt sie das Schweizer Opernstudio, pflegt als Spezialität den Studiengang Musik und Medienkunst sowie die Vertiefung Théâtre musical, ein Studium für Musikerinnen und Musiker, die sich sowohl als Composer wie als Performer betrachten.

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