Alexandertechnik – gelassen ans Ziel

Eine 27-jährige Cellistin wünscht sich weniger Verspannungen und Steifheit. Die Anwendung der Alexandertechnik gibt ihr Impulse für ein lebendigeres, gelösteres, schmerzfreies Musizieren und für mehr Gelassenheit.


N. ist seit einem halben Jahr mit einer 100-Prozent-Stelle im Orchester tätig. Sie übt und probt zur Zeit schwierige Orchesterstücke und klagt, sie habe Schmerzen in Schultern und Nacken. In der ersten Stunde bespreche ich mit ihr den Zusammenhang zwischen Situationen, Gedanken und körperlichen Empfindungen.


Gewahrwerden und Innehalten


Um diesen Verknüpfungen auf die Spur zu kommen, braucht es eine feine, freie, sinnliche Aufmerksamkeit. Ich gebe N. einen Beobachtungsbogen mit. In der nächsten Stunde erzählt sie: «Beim mich Beeilen mit dem Cello auf dem Rücken fühlte ich mich hektisch, atemlos und verkrampft in Rücken und Nacken. Dieses achtsam werden während des Tuns hat angenehm und beruhigend gewirkt».


In der dritten Stunde ist N. etwas betrübt, weil sie realisiert, «wie ich mich immer wieder verkrampfe». Ich empfehle ihr, im Buch Der Gebrauch des Selbst von F. M. Alexander das Kapitel über seine eigene Geschichte zu lesen. Er beschreibt darin Entwicklung und Methodik seiner Technik. N. wird nach der Lektüre amüsiert sein über die menschliche Sturheit, auf eingefleischten Mustern zu beharren.


Umgang mit sich selbst


Ich weise sie an, sich auf den Tisch zu legen. Durch meine Führung mit Händen und Worten entspannt sie sich, was sie als sehr wohltuend wahrnimmt. Nach etwa zwanzig Minuten soll sie sich aufsetzen, während der Bewegungen achtsam sein und unnötige Anspannungen vor allem der Halsmuskulatur sein lassen. Um ungeeignete Anspannung wahrzunehmen, ist es anfangs von Vorteil, Bewegungen langsam auszuführen. Mit der Zeit kann die Qualität von Bewegung auch bei schnellerem Tempo beurteilt werden. N. rollt sich auf die Seite, schiebt die Beine über die Tischkante und setzt sich auf.


Ihr Sitzen auf dem Tisch ist jetzt sehr aufrecht und gleichzeitig gelassen. Das Heben der Arme empfindet sie als unbeschwert und spielerisch. Wie ich sie anweise, eine kurze musikalische Sequenz ohne Bogen «in der Luft zu spielen», spannt sie ein wenig den Hals an, fällt auf der rechten Brustkorbseite leicht zusammen und als Kompensation hebt sich die rechte Schulter. Erst durch meine Frage, wie ihre rechte Seite und ihr Hals auf das Heben des Arms antworten, realisiert sie es. Sie bemerkt auch, dass ihr Arm nicht mehr ganz so frei ist wie zuvor. Mit Händen und Worten erarbeite ich mit ihr, sich beim Heben des Arms nicht auf das Ziel «Musizieren» zu fixieren, sondern das Ziel anzustreben und gleichzeitig den Mitteln zu dessen Erreichung Beachtung zu schenken.


Anweisungen


In der vierten Stunde arbeite ich mit N. im Sitzen und am Instrument. Sie beanstandet, dass sie immer noch nicht über eine souveräne Kontrolle des Bogenarms verfüge und ihr Klang dadurch beeinträchtigt sei.


Ein günstiger Umgang mit der Gesamtheit des Organismus bedeutet ein gutes Gleichgewicht von Spannung und Entspannung und ein Arbeiten mit der Situation entsprechend angepasstem Energieaufwand. Musizieren setzt Muskelspannung am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, während der richtigen Dauer und in der richtigen Dosierung voraus. Ns Becken ruht nach hinten gekippt auf dem Stuhl. Ich arbeite mit ihr nicht direkt am Bogenarm, sondern es ist mein Ziel, Kopf, Hals, Rumpf und ihre Beine besser ins Lot zu bringen.


Wenn sie «eine gute Haltung» sucht, spürt sie bald einen altbekannten Schmerz im Kreuz. Ich lasse sie erfahren, wie sie auf den Sitzhöckern wie auf Kufen balancieren kann. Damit dies möglich ist, braucht es Freiheit in den Hüftgelenken. Ich frage N nach deren genauem Ort. In ihrer Vorstellung liegen die Hüftgelenke sehr viel höher als in Wirklichkeit. Sie betrachtet mein kleines Kunststoff-Skelett und ist erstaunt, wie beweglich ihr Becken reagiert und ihre Füsse einen besseren Kontakt zum Boden finden, wenn sie ihr Körperbild der Wirklichkeit anpasst.


Diese Aufrichtung im Becken ergibt einen höheren Tonus im Unterbauch, gleichzeitig entspannen sich Schultern und Halsmuskulatur. Ns rechter Arm fühlt sich nun in meinen Händen beweglich, entlastet und lebendig an. «Es ist, wie wenn mein Körper auftauen würde», sagt sie.


Neue Ausrichtung


In der fünften Lektion freut sich N, dass es ihr immer wieder gelungen ist, die in unseren Stunden gemachten Erfahrungen zu nutzen und zu integrieren. Sie verspüre mehr Energie und Freude und ab und zu ein neues Eins-Sein mit dem Instrument. Nach einer berufsbedingten Pause werden wir in zwei Monaten unsere Arbeit vertiefen. Wir werden dann zusätzlich zur Handhabung des Instruments an verschiedenen Bewegungsabläufen des Alltags wie auch mit dem Atem und den Augen arbeiten.


> www.sylvia-baumann.ch

Stressverarbeitung über die Zähne

Wer physische und psychische Belastungen ausgleichen muss, «beisst sich buchstäblich durch». Musiker und Musikerinnen, für die das Kausystem auch Instrument ihrer Berufsausübung ist, sind besonders gefährdet.

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Der Funktionskreis der Probleme, die bis zur Berufsunfähigkeit führen können

Die extrem hohen körperlich-geistigen Anforderungen des Musikerberufs haben ein Niveau erreicht, das weit über dasjenige eines Hochleistungssportlers hinausgehen kann. Der Perfektionismus «klinischsauberer» CD-Aufnahmen, der heute vielfach zum Mass aller Dinge geworden ist, lässt für individuelle Eigenheiten kaum mehr Raum. Einspielungen im Tonstudio werden mit Hilfe von Schnitttechniken und Nachbearbeitungen so aufpoliert, dass sie die Illusion einer Perfektion erzeugen, die kein Interpret im realen Spiel zu erreichen vermag. Dieses Wiedergabeideal ist zur grossen Belastung geworden. Die Einzelleistung ist überprüfbar und stellt die Interpreten aus. Kommt hinzu, dass der Konkurrenzdruck beim Besetzen von Musikerstellen in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen ist. Der Druck kann innere Spuren hinterlassen, die nach aussen hin nicht sofort sichtbar sind. Sie äussern sich in der Regel indirekt in Launen, Unzufriedenheit und letztendlich Verzweiflung, welche die Betroffenen selber als «sich Durchbeissen müssen» erleben.
Anspannungen und Verkrampfungen äussern sich schliesslich in psychosomatischen Erkrankungen der Organe, funktionellen Störungen des Bewegungsorgans und Fehlfunktionen des Kausystems. Psychisch bedingte Fehlhaltungen des Körpers werden überdies durch Zähneknirschen und -pressen stabilisiert und umgekehrt.

Die Bedeutung des Kausystems

 Das Kausystem nimmt beim Weg in die Berufsunfähigkeit eine zentrale Stellung ein: Nichtbläser kompensieren und stabilisieren sich über den Zusammenbiss. Bläser, die das Mundstück nicht über die Zahnreihen stabilisieren können, verschieben die Verspannung direkt in das Bewegungsorgan. Wie erkennt der Spezialist die Beteiligung des Kausystems an den vielen psychisch bedingten Symptomen? Dazu hilft der Blick auf die Vorgeschichte (Anamnese) der Leiden eines Patienten. Was haben Betroffene schon an Belastungen, Sorgen, Nöten und hilflosen Therapien hinter sich? Welche Symptome treten wann auf? Der Zahnarzt analysiert überdies die Funktionen des Kausystems klinisch und mit Analysen anhand von Zahnmodellen im Kaucomputer ( Artikulator). Fachübergreifend erstellt ein Facharzt für Orthopädie einen Funktionsbefund des Bewegungsorgans. Ein Physiotherapeut oder Psychotherapeut kann zusätzlich in manchem Fall hilfreich sein.
Die Ergebnisse diskutieren wir interdisziplinär. Daraus entsteht ein zielführender Therapieplan. Dieser kann umfassen: mentale Trainingstechniken, Physiotherapie, Haltungskorrekturen ohne und mit Instrument («Keine Überbelastung ohne Fehlbelastung»), ein Bissausgleich über selektiv aufgebaute Aufbissschienen zur Ent-spannung des Kauund Bewegungsapparates, eine Harmonisierung des Zusammenbisses durch Entfernen von Fehlkontakten oder zahnaufbauende Massnahmen bei Zahnfehlstellungen und/oder fehlenden Zähnen (Zahnersatz, Veneers, Implantate, Kronen).

Unfälle erfordern spezielle Massnahmen

Unfälle – Weichteilverletzungen von Lippen und Wangen oder Zahnfrakturen und Zahnverlust durch Fremdeinwirkung – können schlagartig in eine Berufsunfähigkeit führen. Sie erfordern eine behutsame Vorgehensweise. Die physiologischen Veränderungen können mit psychischen Beeinträchtigungen einhergehen. Dies gilt etwa für das Schleudertrauma. Der Schicksalsschlag «Schlag ins Genick» verursacht Schmerzen und die Fehlhaltung durch permanenten psychischen Druck. Betroffene spüren «die Faust im Nacken», gehen in eine Zwangshaltung, ihre Bandscheiben nutzen sich ab. Permanente Schmerzen und die Berufsunfähigkeit folgen.
Musiker jeglichen Alters können davon betroffen sein. Zur Prävention sind eigene Programme entwickelt worden – basierend auch auf einer von uns zwischen 2001 und 2004 an der Hochschule der Künste in Bern durchgeführten Musikerstudie bei Holzbläsern: orthopädische Haltungsund Bewegungsanalysen mit und ohne Instrument im Sitzen und im Stehen wurden durchgeführt, ebenfalls Funktionsanalysen des Kauorgans. Bei rund der Hälfte der Musiker war Behandlungsbedarf geboten. Diese Erfahrungen fliessen direkt in unsere zahnärztliche Diagnostik und Therapie ein.

Dr. med. dent. J. E. Lahme
Spezialist für Musiker-Behandlungen
Schulgasse 18
A-6850 Dornbirn
Tel. 0043 5572 386 333 Fax DW -8
lahme@aon.at
www.zahnart.at

 

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