Jazz, Rock&Pop-Nachwuchs
Am 31. August trafen sich neun Bands im Rahmen des zweiten Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs (SJMW) Jazz Rock&Pop zum «Come Together» im Jazzclub Moods in Zürich.
Neun Bands hatten sich beim zweiten Schweizerischen Jugendmusikwettbewerb Jazz Rock&Pop, der sich dieses Jahr in einem neuen Format präsentierte, für das Finale, das Come Togehter im Moods, qualifiziert. Die Bands wurden von einer neunköpfigen Jury bewertet. In der Jazz-Jury sassen Hans Peter Künzle, Florian Heeb, Thomas Dobler, Urs Röllin und Gregor Frei. Die Rock&Pop-Bands wurden von Martin Lehner, Daniel Schwarz, Claudio Cappellari und Christophe Rosset bewertet. Urs Schnell von der Suisa-Foundation moderierte den Anlass. In jeder Kategorie wurde eine Band zur besten gekürt. Es gab Sonderpreise und Eltern, Lehrer und Zuhörer hatten die Möglichkeit, sich mit der Jury und den Bands auszutauschen.
Auszeichnungen und Sonderpreise
Zur «Best of Band Jazz» wurde die Berner Band M’Adam(e) gewählt. Neben dieser Auszeichnung durfte die Band als Sonderpreis einen Auftritt im Rahmen des Schaffhauser Jazzfestivals 2014 entgegennehmen.
In der Kategorie Rock&Pop holte sich die Gruppe Funk Alliance aus dem Berner Jura den Titel «Best of Band Rock&Pop». Zudem darf die Band dank einem Sonderpreis an den Stanser Musiktagen 2014 auftreten.
Das Jakob Kulke Jazz Quintett bekam einen Gutschein für einen kostenlosen Besuch eines Jazz-Kurses im Rahmen der Musik-Kurswochen Arosa 2014 und BOBaDROP erhielt den EMCY–Preis (European Union of Music Competition for Youth). Dieser Sonderpreis bringt der Band ein Preisträgerprofil bei emcy.org und eventuell ergeben sich daraus Konzerte oder Masterclasses für Jazz in Europa.
Musikdorf Ernen mit Prix Montagne ausgezeichnet
Dem Musikdorf Ernen ist der mit 40’000 Franken dotierte Prix Montagne 2013 der Schweizer Berghilfe und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) zugesprochen worden. Eingereicht worden sind 50 Projekte.
Die SAB und die Berghilfe verleihen den Preis zum dritten Mal. Die Jury um Präsident Bernhard Russi nominierte neun Favoriten. Alle nominierten Projekte hätten Modellcharakter und leisteten auf vorbildliche Weise einen Beitrag zur Wertschöpfung, Beschäftigung oder wirtschaftlichen Vielfalt im Berggebiet, schreiben die Berghilfe und die SAB.
Gegründet worden ist das Musikdorf Ernen vom 1999 verstorbenen Pianisten und Musikpädagogen György Sebök. Seit über 20 Jahren finden in Ernen Konzerte mit namhaften, international bekannten Grössen der klassischen Musik statt. Diese sowie die internationalen Meisterkurse und die Schreibseminare mit Donna Leon, haben das Walliser Dorf bis über die Landesgrenze hinaus bekannt gemacht.
Teilchen, Wellen, Kristalle
Neben Werken von Chaya Czernowin und Ludwig van Beethoven gelangte Michael Pelzels zweites Streichquartett zur Uraufführung.
Dass die seitlichen Kirchenfenster, durch die das Licht hereinfiel, verschieden farbige Puzzleteile zeigten, schien sehr zum Konzertprogramm zu passen, das unter dem Titel Revolution Kammermusik 2 am Morgen des 24. August in der Luzerner Lukaskirche stattfand. Das französische Quatuor Diotima und das amerikanische JACK Quartet präsentierten die Schweizer Erstaufführung des Werkes Anea Crystal der israelischen Komponistin Chaya Czernowin, dieses Jahr Composer in Residence beim Lucerne Festival, die Uraufführung des Streichquartetts vague écume des mers des Schweizer Komponisten Michael Pelzel, das als Auftragswerk für das Lucerne-Festival entstanden ist, und das Streichquartett cis-Moll op. 131 von Ludwig van Beethoven.
Aus Zweien wird ein Drittes
Zwei Puzzleteile, die perfekt ineinandergreifen und so etwas Drittes ergeben, hat Chaya Czernowin mit Anea Crystal aus dem Jahr 2008 geschaffen. Fasziniert von der Perfektion von Kristallstrukturen hat sie zwei Streichquartette komponiert, die sich so ergänzen, dass sie gleichzeitig gespielt, ein Oktett bilden. Der erste Teil Seed I, gekonnt präsentiert vom Quatuor Diotima, beginnt mit einem Motiv der Bratsche, das an orientalische Klänge erinnert. Es verliert sich im Folgenden in Glissandi und Tonrepetitionen, die weitaus weniger Lücken lassen, als das Konzept der ineinandergreifenden Streichquartette erwarten liesse.
Die vier Musiker des JACK Quartets widmeten sich konzentriert und präzise den etwas wilderen, raueren und stärker auseinanderstrebenden Klängen von Seed II. Gern hätte man gleich im Anschluss gehört, wie das Experiment der zusammengefügten Teile ausgehen würde. Die beiden Ensembles setzten sich jedoch erst später zum Oktett für Chaya Czernowins Anea zusammen. Motive und Charakter der Einzelstücke blieben erkennbar und ragten als solche aus dem Gesamtklang hervor. Darüber hinaus entstand jedoch ein Eindruck von breiter Flächigkeit, bei der man sich manchmal etwas mehr Transparenz, mehr Pausen und Stille gewünscht hätte.
- Foto: Vinzenz Niedermann
Anregungen in und aus östlicher Richtung
Pre-art bringt Musikerinnen und Musiker über politische Grenzen hinweg in Kontakt und erkundet musikalische Grenzen. Nach einem Konzert am Vorortfestival in Wallisellen sind im Herbst in Boswil und andernorts die pre-art soloists und das Convergence New Music Ensemble mit neuen Werken zu hören, auch solchen, die für den pre-art-Kompositionswettbewerb entstanden sind.
«Dieses Stück führt an die Grenzen des Spiel- und Hörbaren», warnt Boris Previsic im Walliseller Zwicky-Areal, bevor er seine Querflöte in ein akrobatisches Hauch- und Atemmanöver lenkt: Er setzt an zum beeindruckenden Stück DAH (bosnisch für «Atem») des bosnischen Komponisten Aliser Sijaric (*1969), welches dieser auf der Basis von Studien über den Atem von Schizophrenen komponierte. Mal unruhig stockend, mal tänzelnd narrativ lotet es die Grenzen zwischen Ton und Hauch, zwischen Klingen und Zischen aus, dokumentiert Atemverlust und Aufatmen, Sinnverlust und Sinngewinn gleichzeitig.
Mit seinen einführenden Worten benennt Previsic ein Prinzip, das nicht nur das Konzertprogramm des engagierten Vorortfestivals «Blick in den Osten!» (16. bis 18. August 2013) treffend beschreibt, sondern gleichzeitig für ein zentrales Anliegen von pre-art steht: Es sind die Grenzen oder eher: ihre Überwindung; jene zwischen Ländern und Kulturen und jene, die Stile, Genres und Traditionen umgeben. pre-art, 2001 von Matthias Arter und Boris Previsic gegründet, verschrieb sich von Anfang an dem Austausch mit und der Förderung von jungen Musikschaffenden aus marginalisierten Regionen Europas, hauptsächlich aus Südosteuropa und dem Kaukasus. Neben der Organisation von Kompositionswettbewerben, Künstleraufenthalten, Meisterklassen, Instrumenten- und Notenhilfe und anderen Fördermassnahmen für begabte Musikerinnen und Musiker aus diesen Regionen zeichnen sie verantwortlich für eine beeindruckende Vielfalt an interkulturellen Kunstprojekten hüben wie drüben.
Aber nicht nur kulturelle Grenzen stehen dabei stets im Fokus, sondern auch künstlerische: «pre-art lotet ästhetische Grenzen aus und ermöglicht so neue künstlerische Wege», heisst es in ihrer Charta. Tradition werde mit Gegenwart konfrontiert, Zentrum mit Provinz, über das «sogenannt Randständige» drücke sich in der Differenz zum Etablierten «das Wesentliche unserer Kultur» aus. Grenzen ausloten bedeutet aber ebenso Annäherung und das Thematisieren von Gemeinsamkeiten. So werden innere Grenzen zum Gegenstand: etwa im pre-art-Projekt «Safientriennale», einem transdisziplinären Kunstspektakel, das die Bergregionen des Kaukasus und des Balkans mit dem ebenfalls marginalisierten Schweizer Safiental verbindet. Oder im 2001 in Sarajewo gegründeten Sonemus-Ensemble unter der Leitung von Aliser Sijaric, das Musikerinnen und Musiker aus den noch immer zäh zusammenarbeitenden Nachfolgestaaten Jugoslawiens zusammenbringt, also Grenzüberwindung vor Ort leistet.
Ausgleichendes und Unversöhnliches
Im Zwicky-Areal wird deutlich, dass diese Grenzarbeit auch eine hohe ästhetische Produktivität entwickelt. Im Stück Jazz Exprompt des jungen weissrussischen Komponisten Andrey Tsapko (*1987) entfaltet sich eine zwischen ziehenden Akkordeonklängen, tiefen Bassvibrationen und griffigen Melodiezitaten oszillierende Jazzvision, die leichtfüssig Neues mit Altem und Östliches mit Westlichem ausgleicht. Zu keiner Versöhnung der Gegensätze kommt es im Stück OFF der Mazedonierin Darija Andovska (*1979). OFF steht für Oblivion, Fade und Farewell, Bezeichnungen für einen Wechsel des «Aggregatszustands» zitiert bei Shakespeare. Diese Übergänge spürt Andovska auf, lässt sie aber unvermittelt stehen. Mit ganzem Körpereinsatz der Musiker – Matthias Arter an der Oboe, Vladimir Blagojevic am Akkordeon, Aleksander Gabrys am Kontrabass und Boris Previsic an den Flöten – ertönt eine dramatische und zugleich lustvolle Auseinandersetzung mit dem Scheinbaren. «As if there was …» hauchen sie zwischen Stampfen und Klopfen, bevor es in hohen Quietschlauten der Flöten weitergeht bis zu einem strawinskyhaften Chaosausbruch, dem auch die tiefen Bassstimmen keine Bodenhaftung mehr bieten können. Neben anderen neuesten Kompositionen aus Armenien und Russland ist das Konzert in Wallisellen durch die G-Dur Triosonate von J. S. Bach umrahmt. Dem Eruptiven, Aufwühlenden steht damit das Wohlgesetzte, Flüssige entgegen. Nur das als basso continuo «eingeschmuggelte» Akkordeon verleiht dem Bekannten einen Hauch von Grenzgang.
- Foto: Jano Demetrashvili
Jugendchor Cantacanti am Eurotreff 2013
In der deutschen Stadt Wolfenbüttel findet vom 4. bis 8. September 2013 der 16. Eurotreff statt. Mit dabei ist der Chor der Kantonsschule Wattwil.
Ziel des Festivals: Kinder und Jugendliche aus ganz Europa sollen Gelegenheit erhalten, sich durch Musik kennenzulernen und gemeinsam zu singen. In Ateliers mit Chordirigenten aus Frankreich, Spanien und Deutschland werden die Chöre neues Repertoire zum Thema «Klänge der Natur|Sounds of Nature» erlernen.
Cantacanti, der von Max Aeberli geleitete Chor der Kantonsschule Wattwil hat bereits 2011 an einem Eurotreff in Wolfenbüttel teilgenommen. Der rührige Chor nimmt in der Schweiz häufig an Wettbewerben teil. Am Schweizerischen Chorwettbewerb 1999 hat er in Zug einen ersten Preis gewonnen, am gleichen Wettbewerb 2002 in Vevey einen dritten Preis und am ChorOpen 2005 in Gossau/St.Gallen ebenfalls einen ersten Preis.
Webseite des Eurotrreffs: www.amj-musik.de/eurotreff2013
Beethoven erahnen
Eine anspruchsvolle Klavierkomposition mit «doppeltem Boden».
David Philip Hefti schrieb seine Beethoven-Resonanzen, sein zweites Klavierstück, im Auftrag des Musikkollegiums Winterthur. Die Aufgabe bestand darin, ein Klavier-Solowerk mit Bezug auf Beethovens Sinfonik zu schreiben. Hefti nahm als Ausgangspunkt für sein Stück das Thema aus dem langsamen Satz der 7. Sinfonie.
«Die kompositorischen Mittel wurden in diesem Klavierstück insofern reduziert, als auf die erweiterten Spieltechniken im Innern des Flügels … verzichtet wurde. Durch den Einsatz aller drei Pedale und verschiedener Pedaleffekte wird dennoch eine vielschichtige Palette an Klangfarben erreicht. Zudem entsteht ein Spannungsfeld zwischen freien und exakt notierten Passagen sowie zwischen scharfen Attacken und zart resonierenden Echotönen, die immer wieder Beethovens Musik in diffuser Klanggestalt erahnen lassen.» Diese präzise und sehr zutreffende Beschreibung stammt vom Komponisten selber. Tatsächlich sind die Beethoven-Zitate nur an wenigen Stellen vordergründig wahrnehmbar. Viel dominierender sind die Resonanzen, welche mit Hilfe des oft verwendeten Tonhaltepedals dem Stück einen «doppelten Boden» verschaffen.
Entstanden ist eine anspruchsvolle Komposition, die auch unabhängig von Beethovens Thematik bestehen kann, eben als Klavierstück Nr. 2. Und obwohl nur traditionelle Spieltechniken zur Anwendung kommen und der Notentext sich klar und plausibel liest, erfordert das Werk – wie sich der Schreibende selbst überzeugen konnte – eine gehörige Portion Geduld und Disziplin beim Einstudieren …
David Philip Hefti
Beethoven-Resonanzen
Klavierstück Nr. 2
GM 1880, Fr. 21.00
Edition Kunzelmann, Adliswil 2012
Besser nicht zu Tränen gerührt
Emotionen wie Weinen, Wut oder Zorn, aber auch Staub, Wind, kalte Luft, Reizgase und so weiter bringen die Augen zum Tränen. Das kann insbesondere beim Musizieren zu Problemen führen.
Georg von Arx — Oft treten wässerige oder gar tränende Augen nur in speziellen Situationen auf. Bei anspruchsvollen visuellen Tätigkeiten wie zum Beispiel Lesen, Arbeit am PC oder beim Musizieren, können schon leicht wässerige Augen zu einer erheblichen Leistungsverminderung führen. Häufige Gründe für tränende Augen sind Bindehautentzündungen, trockene Augen, Lidfehlstellungen, Abflussbehinderungen in den ableitenden Tränenwegen und vieles anderes mehr. Auf diese Ursachen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
Für Musiker und Musikerinnen sind funktionelle Störungen, die keine offensichtliche Ursache zu haben scheinen, wichtiger, da sie schwer zu kontrollieren sind. Im Zusammenspiel von lokalen und zentralen Steuerungsfaktoren bei visuell anspruchsvoller Tätigkeit verursacht eine zentral, das heisst durch das Hirn und Nervensystem gesteuerte Verminderung der Lidschlagfrequenz eine vermehrte Verdunstung des Tränenfilms und somit ein relativ trockenes Auge.
Je mehr wir uns auf unsere visuelle Aufgabe konzentrieren, desto seltener wird der Lidschlag. Der Tränenfilm wird instabil, bricht auf und verursacht einen «Trockenheits-Reiz» der Hornhaut, der seinerseits nun über einen Reflexbogen eine vermehrte, teils überschiessende Tränensekretion auslöst. Dies kann insbesondere bei ungenügender Beleuchtung (zum Beispiel im Orchestergraben) noch verstärkt werden, da wir dann reflektorisch die Augen noch mehr «aufreissen» und noch weniger häufig blinzeln. Die optimale Beleuchtung des Notenpultes (ohne Blendeffekte!) ist daher auch in dieser Hinsicht wichtig.
Ein Lidschlag oder Blinzeln ist ein schnelles, meist unwillkürliches und unbemerkt ablaufendes Schliessen und Öffnen der Augenlider (Lidschlussreflex), das in erster Linie der Aufrechterhaltung des Tränenfilms und somit der optimalen optischen Qualität des visuellen Systems dient. Pro Minute blinzeln wir normalerweise etwa 12 bis 15 Mal, also alle 4 bis 6 Sekunden, wobei dies über eine Zeitspanne von durchschnittlich 300 bis 400 Millisekunden geschieht. Die durch den Lidschluss bedingte Dunkelphase wird nicht bewusst wahrgenommen, da die visuelle Wahrnehmung in den zuständigen Bereichen des Gehirns kurz vor dem Blinzeln unterdrückt wird.
Monotone visuelle Arbeit, insbesondere wie bereits erwähnt bei zusätzlich mangelhafter Beleuchtung des Arbeitsfeldes und Arbeiten mit hohen visuellen Anforderungen führen zum Starren auf das Arbeitsfeld mit Abnahme der Lidschlagfrequenz um mehr als 50 Prozent. Häufige, aber kurze Unterbrechungen der Arbeit für einige Minuten können die Befeuchtung der Hornhaut ausreichend verbessern, so dass keine vermehrte reflektorische Tränensekretion und somit kein wässeriges Auge entsteht.
Weinen kann Ausdruck ausgeprägter Emotionen sein wie Schmerz, Trauer, Hilflosigkeit, Angst, Gefühl tiefer Kränkung und Ungerechtigkeit. Diese emotional verursachten Tränen spielen bei professionell Musizierenden insofern keine Rolle, als sie in Ausübung ihres Dienstes die Emotionen zu kontrollieren gelernt haben. Das «Tränenzentrum» ist nämlich mit verschiedenen Hirnregionen wie zum Beispiel dem limbischen System («Gefühlszentrum»), aber auch mit dem Frontalhirn vernetzt. Die Funktionen des Frontalhirns betreffen die Aufnahme und Verarbeitung (Kontrolle) von sensorischen Informationen für Wahrnehmung, Denken, Sprache, motorische Operationen, Aktivitäts-, Bewegungs- und Handlungssteuerung, Willkürbewegungen und -handlungen, Bewusstsein, höhere intellektuelle Prozesse sowie emotionell-affektive Aspekte des Verhaltens.
Trotzdem kann ein besonders «rührendes» Musikstück schon einmal die entsprechende emotionale «Taste» berühren und uns zum Weinen bringen, was dann die klare Sicht auf das Notenblatt trüben kann. Nicht ganz selten kommt es auch zu wässerigen oder gar tränenden Augen durch eine schlecht korrigierte Fehlsichtigkeit. Denn das Auge muss sich dann viel mehr anstrengen, um gut sehen zu können. Auf die beruflichen Bedürfnisse individuell und optimal angepasste Sehhilfen können Abhilfe schaffen.
Dr. med. Georg von Arx
Augenarzt FMH
Admedico Augenzentrum
Fährweg, 4600 Olten
> info@admedico.ch
Die Sängerin Esther Ackermann scheint bei diesen Lieder nicht an die Zuhörer zu denken – zur Freude der Zuhörer.
In Südfrankreich mit jüdisch-spanischen Wurzeln geboren, sog die in Genf lebende Sängerin Esther Ackermann in ihrer Kindheit die jüdischen Lieder regelrecht auf, die ihr die Mutter zum Einschlafen sang. So erzählt sie. Fasziniert von der Musikalität der Sprache soll sie mit sieben Jahren ihr erstes Gedicht geschrieben haben. Nun, fast 40 Jahre später, hat sie diese Lieder mit dem Gitarristen Paco Chambi unter dem Titel A la una yo naci eingespielt. Es ist ein kurzes Album mit zwölf Stücken – totale Spielzeit gerade mal 31 Minuten – geworden, auf dem sie mit grosser Zartheit die Kindheit und die jüdische Kultur besingt. Und sie tut es intensiv und konzentriert und mit so kindlicher Lust, als ob sie einfach nur für sich beim Gemüserüsten vor dem Haus unter einem schattigen Baum singen würde. Das schafft eine eindringliche Intimität, die umso mehr berührt, als sie den Zuhörer in eine Welt eintauchen lässt, die Sehnsüchte weckt, ohne in volkstümliche Süsslichkeit zu verfallen. Vielleicht ist es die heitere Wehmut ihrer Lieder, dass daraus eine sehr persönliches Album geworden ist. Es hat, was schöne und gute Musik ausmacht: Sie vermag uns zu berühren.
Die einfachen Lieder werden von einer klassischen Gitarre unaufdringlich und mit viel Gespür in folkloristisch-jazzigem Stil begleitet. Mehr braucht diese Musik nicht. Und so hat man man schnell das Gefühl: Hier musizieren zwei Künstler, denen es nie um technische Aufdringlichkeit und Raffinesse geht, sondern einzig um Ausdruck. Passend dazu ein Glas Wein am Bistrotisch und den Traum, irgendwo nach Süden zu entfliehen. – Zum Glück gibt es für A la una yo naci die Repeat-Taste.
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Erstes Triospiel
Leichte Bearbeitungen für 2 Violinen und Violoncello
Heft 2
hg. von Ursula Erhart-Schwertmann
Partitur und Stimmen
D 06042, € 24.95
Doblinger, Wien 2012Blick in Faurés Werkstatt
Rezension: Eine neue Ausgabe der Violinsonate op. 13 ermöglicht eigene Entscheidungen bezüglich Bindung und Dynamik.
Zu Recht hat der eine halbe Generation ältere Camille Saint-Saëns die1877 erschienene erste Violinsonate von Fauré überschwänglich gelobt: «… und über allem schwebt ein Zauber, … der die Masse der gewöhnlichen Zuhörer dazu bringt, die wildesten Kühnheiten als ganz normale Sache zu akzeptieren …» Sie steht ganz vorne im Repertoire der Konzertierenden. Fauré war 1774 zum Sekretär der Société nationale de musique berufen worden, die sich dem «renouveau» des französischen Musiklebens verschrieben hatte im Wettstreit zur deutschen Instrumentalmusik. Dies steht unter Anderem im interessanten Vorwort dieser Neuausgabe. Der Urtext von Henle vergleicht den Erstdruck von Breitkopf & Härtel mit den autografen Skizzen und zeigt Differenzen in Bindebogen und Dynamik auf, die beim Erarbeiten des Werkes zu erwägen sind; es ist ein Blick in Faurés Werkstatt. Neben der Urtext-Violinstimme steht eine Einrichtung von Igor Ozim zur Verfügung. Ozim sucht die richtigen Farben der Saiten auf und passt die Bogenstriche der Dynamik an. Manchmal verwendet er vorsichtige Saitenwechsel für spannende Intervalle, die expressiver auf einer Saite wirken würden.
Gabriel Fauré
Sonate Nr. 1 A-Dur op. 13
Urtext hg. von Fabian Kolb
mit zusätzlicher bezeichneter Violinstimme von Igor Ozim
Partitur und Stimmen
HN 980, € 21.00
G. Henle Verlag, München 2012Sogar Liszt hatte zuwenige Finger dafür
Rezension: Gabriel Faurés überaus komplexe «Ballade» op. 19 ist in der grossformatigen Ausgabe von Christoph Grabowski deutlich besser lesbar.
«Sa complexité formelle, sa densité d’écriture, sa richesse harmonique, sa variété émotionnelle et ses difficultés techniques considérables placent cette composition parmi les plus difficiles du répertoire pianistique du 19e siècle.» Dieses Urteil Philipp Faurés über die Ballade op.19 seines Vaters mag heutzutage etwas übertrieben klingen. Tatsache ist, dass sie zu Gabriel Faurés repräsentativsten und ambitioniertesten Klavierwerken gehört.
Was die pianistischen Schwierigkeiten anbetrifft, hat kein geringerer als Franz Liszt dem Komponisten mit dem ihm eigenen Charme geklagt, mehr Finger habe er nicht. Liszt war es vermutlich auch, der zu einer Umarbeitung riet. Fauré nahm sich diesen Rat offenbar zu Herzen, und so kennt man das Werk heute eher in der Fassung für Klavier und Orchester.
Der Bärenreiter-Verlag hat gut daran getan, die Originalfassung im Grossformat herauszubringen. Faurés komlpex versponnener Klaviersatz ist so doch viel angenehmer zu lesen. Christophe Grabowski hat als Herausgeber nicht nur ein lesenswertes Vorwort, sondern auch anregende Interpretationshinweise aus der Feder von Philipp Fauré und der Pianistin Marguerite Long beigefügt.
Gabriel Fauré
Ballade op. 19
Urtext hg. von Christophe Grabowski
BA 10841, € 12.95,
Bärenreiter, Kassel 2012Ein Hauch von chopinscher Wehmut
Rezension: Die Klavierwerke von Franz Xaver Mozart weisen in die Frühromantik. Karsten Nottelmann hat sie in zwei Bänden im Henle-Verlag neu herausgegeben.
Franz Xaver Wolfgang Mozart (1791–1844) war ein beachtlicher Pianist und Komponist. Ausgebildet unter anderem bei Johann Nepomuk Hummel und Antonio Salieri, verliess er seine Geburtsstadt Wien bereits 1808 in Richtung Galizien, wo er sich in Lemberg (heute Lwiw in der Ukraine) niederliess. Immer schon als «W. A. Mozarts Sohn» gefeiert, setzte er sich auch kompositorisch mit dem Erbe des Vaters auseinander. Dabei sind wohl weniger seine Don-Giovanni-Variationen von Interesse, bei welchen der erst 14-Jährige dem Menuett aus der Oper viel leeres Tastengeklingel zumutet, als vielmehr die Kadenzen und Auszierungen, die er zu einigen Klavierkonzerten seines Vaters schrieb. Harmonik und pianistische Schreibweise sind hier zum Teil bereits sehr von der Frühromantik geprägt.
Musikalisch am überzeugensten ist F. X. Mozart dann (wen wunderts?), wenn er sich nicht an die Musik seines Vaters anlehnt und sich beispielsweise von der Folklore seiner galizischen Umgebung inspirieren lässt. So geschehen in den Polonaises mélancholiques op. 17 und 22. Da weht schon ein Hauch von chopinscher Eleganz und Wehmut…
All diese Werke und vieles mehr (darunter auch zwei «Diabellivariationen») hat der G. Henle-Verlag nun in zwei schön gestalteten und sehr handlichen Bänden herausgebracht.
Franz Xaver Mozart
Sämtliche Klavierwerke
Urtext hg. von Karsten Nottelman
Fingersatz von Rolf Koenen
Band 1, HN 958
Band 2, HN 959
je € 22.00
G. Henle, München 2011/12Diskussion
Zum Beitrag «Spannende Aufgaben für alle, die Wagner hassen!» von Roman Brotbeck («Schweizer Musikzeitung», Nr. 7/8/2013, S. 19 – in der Reihe «Carte Blanche»)
Zum Beitrag «Spannende Aufgaben für alle, die Wagner hassen!» von Roman Brotbeck («Schweizer Musikzeitung», Nr. 7/8/2013, S. 19 – in der Reihe «Carte Blanche»)
Gezielte Provokation kann anregend wirken. Diese Wirkung wird jedoch verfehlt, wenn unsachliche Verallgemeinerung bzw. manipulative Darstellung Anwendung findet. Roman Brotbeck formuliert in der zweiten Hälfte seines Beitrags ein beherzigenswertes Anliegen: Er ermuntert zur vorurteilsfreien Beschäftigung mit Werken des Musiktheaters, deren angemessene Rezeption durch abwertende Äusserungen Richard Wagners blockiert oder behindert wurde. Die Darstellung dieses Anliegens hätte der vorangehenden Sätze nicht bedurft; diese lassen zunächst die Absicht vermuten, der Autor habe sich mit einigen provozierenden Betrachtungen der Aufmerksamkeit der Lesenden versichern wollen, geraten aber zu einer Folge von Unterstellungen und Halbwahrheiten.
Es mag methodisch korrekt sein, sich bei der Betrachtung von Person und Biografie Wagners nicht von dessen Wirkungsgeschichte beeinflussen zu lassen. Die Betrachtung von Wagners Wirkungsgeschichte kann dagegen nicht ausblenden, dass seine besondere Bedeutung in den Jahren des nationalsozialistischen Regimes nicht nur auf posthume Vereinnahmung zurückzuführen ist (wie sie etwa im Fall Anton Bruckners geschehen ist), sondern auch auf die Nähe von Strategien und Positionen. Die laut Brotbeck «raunend» und «beschwörend» vorgebrachte Formulierung «Urvater des Nationalsozialismus» stellt eine unzulässige Vergröberung dieses Zusammenhangs dar. Wenn sie sich tatsächlich in einer der von Brotbeck kritisierten Darstellungen nachweisen lassen sollte, so wäre das noch kein Grund, die Untersuchung der genannten problematischen Aspekte Wagners grundsätzlich für unnötig oder unangebracht zu erklären – es wäre allenfalls ein Grund, eine differenziertere Darstellung anzumahnen. Brotbeck erweckt in diesem Teil seines Textes den unglücklichen Eindruck, er wolle oder könne die Bewertung von Wagners Antisemitismus relativieren, da dessen militante Äusserungen in die Zeit vor Entstehung des Nationalsozialismus fallen. Es gibt jedoch (salopp gesagt) für diesen Antisemitismus keine «Gnade der frühen Geburt» (bzw. keine «Gnade des rechtzeitigen Todes»).
Die im letzten Satz des ersten Absatzes in ein drastisches Bild verpackte Unterstellung, die Auseinandersetzung mit Wagners Antisemitismus geschehe anstelle der wesentlich unbequemeren Untersuchung der Verbrechen der Nationalsozialisten, stelle demnach ein Ablenkungsmanöver oder eine Verdrängung dar, ist ebenfalls ungeheuerlich – zumindest, solange sie nicht in einem einzigen Fall belegt wird, d. h. solange sie als Vorwurf gegen die Gesamtheit der zu Wagners Antisemitismus Schreibenden gelesen werden kann. Da zu Beginn des Satzes allgemein von «Verbrechen» die Rede ist (nach der Erwähnung der «Massenmörder» im vorangegangenen Satz) stellt sich tatsächlich der Eindruck ein, Brotbecks pauschaler Vorwurf der Verdrängung oder mangelnden Aufarbeitung gelte dem Umgang (zumindest der Wagner-Kritiker) mit dem «Dritten Reich» im Allgemeinen – dass im folgenden Absatz des Textes ausschliesslich Beispiele aus dem Bereich der Musik genannt werden, impliziert jedoch, dass Brotbecks Bezichtigung nur den Umgang mit dem nationalsozialistisch dominierten Musikleben bezeichnet.
War im ersten Absatz von Wagner-Kritikern und (im Sinne des Titels der Ausführungen) von «Wagner-Hassern» die Rede (mit Seitenhieben auf das im «Wagner-Jahr» besonders umfangreiche Wagner-Schrifttum), so wird im zweiten Absatz der gegenwärtige Umgang mit musikalischen Protagonisten bzw. Erzeugnissen aus der Zeit des Nationalsozialismus anhand von drei Beispielen belegt, was im Kontext der Wagner-Thematik der anderen Teile des Textes allenfalls als Exkurs gelten kann. Hier werden Beispiele genannt, die nach Darstellung Brotbecks «landauf» und «landab» zu finden sind bzw. allgemein «in den Kirchen» (von denen es ja immer noch eine recht grosse Zahl gibt) – damit und mit der zuvor geäusserten Unterstellung einer von Verdrängung und Bequemlichkeit bestimmten Themenwahl erweckt Brotbeck verallgemeinernd den Eindruck, es habe bisher keine ernsthafte Beschäftigung mit Opfern, Profiteuren und Tätern der nationalsozialistischen Gleichschaltung des Musiklebens gegeben. Dieser Eindruck entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Es mag zwar sein, dass die Bearbeitung dieses Themas erst spät eingesetzt hat und auch nach der ersten umfassenden Publikation (Joseph Wulf: Musik im Dritten Reich – Eine Dokumentation, Gütersloh 1963) noch lange ein Thema von Aussenseitern geblieben ist; allerdings müsste Brotbeck bekannt sein, dass seit Beginn der 1980er-Jahre (seit Fred K. Priebergs Buch Musik im NS-Staat, Frankfurt/M. 1982, Neuauflage Köln 2000) eine grosse Zahl von Aufsätzen und Büchern zum Thema vorgelegt wurde. Die Auswirkungen dieser Studien auf Repertoire und Programmgestaltung sind nicht gross, da hier mehrheitlich von Musik die Rede ist, die als «nicht mehr neu, aber noch nicht alt» ohnehin weitgehend gemieden wird – immerhin konnte aber in Aufführungen und Editionen auf zahlreiche von den Nationalsozialisten verfemte, vertriebene, ermordete Komponisten hingewiesen werden (P. Ben-Haim [P. Frankenburger], H. Berlinski, B. Goldschmidt, E. I. Kahn, V. Ullmann u. a.). Diese Initiativen sind keineswegs an ein Ziel gelangt, sie sollten intensiviert, breit diskutiert und allgemein bekannt gemacht werden – es kann der aktuellen Situation aber nicht gerecht werden, die Bemühungen vorschnell in Abrede zu stellen, wie es im Text Brotbecks geschieht.
Zwei Leistungen können von den genannten Versuchen nicht erwartet werden: Eine Wiedergutmachung dessen, was den Verfolgten und Vertriebenen angetan wurde, und eine von weiterem Nachdenken befreiende eindeutige Einteilung aller Nicht-Verfolgten und Nicht-Emigrierten in «gut» (oder zumindest «unbelastet») und «böse». Viele Fälle werden seit Jahren kontrovers betrachtet – als Beispiel mag die Diskussion um Hugo Distler dienen, dessen widersprüchliches Verhalten bereits 1997 Gegenstand einer eigenen Publikation war (Stefan Hanheide [Hrsg.]: Hugo Distler im Dritten Reich, Osnabrück 1997). Auch Richard Strauss hat ein wechsel- und teilweise rätselhaftes Verhalten gezeigt, dessen Beschreibung in Lexikon-Artikel Eingang gefunden hat (vgl. wikipedia.org/wiki/Richard_Strauss) – seine von Brotbeck erwähnte Präsidentschaft in den Anfangsjahren der Reichsmusikkammer verdient natürlich Kritik. Wie aber soll nach Meinung Brotbecks im Fall Strauss künftig verfahren werden? Soll auf Aufführungen seiner Werke verzichtet werden? Wagner, den Brotbeck in seinem ersten Absatz als zu Unrecht «geprügelten» Ururgrossvater darstellt, ist trotz der «Prügeleien» bis jetzt von solchen Massnahmen verschont worden: Die von Brotbeck für unangemessen erklärte Wagner-Schelte hat dessen Popularität und Präsenz auf den Spielplänen noch nicht wirksam einzuschränken vermocht.
Brotbeck bezeichnet Carl Orffs Carmina Burana als eines jener «nationalsozialistischen Propagandastücke», die auch heute häufig aufgeführt werden. Welches sind die anderen heute noch (oder womöglich heute wieder) geschätzten Propagandastücke? Wodurch eignen sich die Carmina Burana als Propagandastück – etwa durch die archaisierende Stilistik der Musik oder den Text? Wurde das Werk womöglich gezielt zum Zweck der Propaganda komponiert? Bis jetzt kann noch nicht einmal nachgewiesen werden, dass es tatsächlich als Propagandastück eingesetzt wurde. Die Uraufführung 1937 geschah im Rahmen des letzten Tonkünstlerfests, das der mit Beteiligung Franz Liszts gegründete «Allgemeine deutsche Musikverein» vor seiner erzwungenen Auflösung veranstalten konnte. Die Carmina waren erfolgreich, wirkten aber «anfangs genügend eigenwillig, um in den Kreisen von Rosenberg und sogar Goebbels verdächtig zu erscheinen» (Michael Kater: Die missbrauchte Muse – Musiker im Dritten Reich, München und Wien 1998, S. 363; ähnlich S. 352). Dagegen schreibt wikipedia.org/wiki/Carmina_Burana_(Orff) über das Werk: «Speziell in der NS-Diktatur war es populär. Nazigrössen wie Hitler und Goebbels sagten die Carmina Burana von Orff besonders zu.» Als Beleg für diese auch in ihrer Diktion nicht restlos geglückte Darstellung wird allerdings nur eine Stelle des Buchs Adolf Hitler: A Psychological Interpretation of His Views on Architecture, Art, and Music von Sherree O. Zalampas (Bowling Green State Univ. 1990) genannt, wo es heisst «The melodies are quite folk-like in their simplicity and clear-cut stanzas. For these reasons perhaps, Hitler liked the work.» 1940 wurden die Carmina in Dresden von Karl Böhm dirigiert, der den Nationalsozialismus durch öffentliche Aufrufe aktiv unterstützt hatte, dagegen wurden während des Krieges Aufführungen in Görlitz abgesetzt auf Betreiben der nationalsozialistisch eingestellten Pianistin Elly Ney, die das Werk in Gegenwart des örtlichen NSDAP-Kreisleiters als «Kulturschande» bezeichnete (Prieberg S. 326).
Dieser notgedrungen kurze Überblick mag zeigen, dass die Einstufung von Orffs Erfolgsstück als nationalsozialistische Propagandamusik eine bedauerliche Überzeichnung und höchst eigenwillige Interpretation Brotbecks darstellt. Damit ist Orff nicht von seinen «Verstrickungen» freigesprochen: Er hat sich von staatlichen Stellen fördern lassen und Auftragsarbeiten geschrieben, etwa die Komposition Einzug und Reigen der Kinder für die Olympischen Spiele in Berlin 1936. Eine Bewertung ist im Einzelfall kompliziert: Als Orff zugesagt hatte, eine Bühnenmusik zu Shakespeares Ein Sommernachtstraum zu liefern, dürfte er gewusst haben, dass hinter dem Kompositionsauftrag der Versuch der Nationalsozialisten stand, Ersatz für die verbotene Bühnenmusik von Felix Mendelssohn Bartholdy zu schaffen. Für Orff dürfte der Auftrag schon deshalb sehr attraktiv gewesen sein, da er nun eine Umarbeitung seiner bereits im Jahr 1917 – damals jedoch ohne politische Implikation und ideologische Motivation – zum gleichen Thema komponierten Musik vorlegen und vermarkten konnte.
Durch das erwähnte, zweifellos bahnbrechende und verdienstvolle Buch von Prieberg wurde im Jahr 1982 bekannt, dass Johann Nepomuk David die Motette Heldenehrung auf Worte Adolf Hitlers komponiert hatte. Die Mitteilung Priebergs führte damals zu Diskussionen und zum Rücktritt des Niederländers Cornelis van Zwol aus dem Präsidium der 1978 gegründeten «Internationalen Johann-Nepomuk-David-Gesellschaft». Hier seien einige Informationen zum Werk nachgereicht, fussend auf Forschungen und Publikationen von Bernhard A. Kohl: David vertonte den in anderen Quellen bisher nicht nachweisbaren Text: «Wer seinem Volke so die Treue hält, der soll selbst in Treue nie vergessen sein». Die Motette trägt die Widmung «Den gefallenen Lehrern und Studierenden der Staatl. Musikhochschule in Leipzig zum Gedächtnis» und wurde zweimal aufgeführt, zunächst am 7. November 1942 anlässlich einer Feierstunde der seit 1933 gleichgeschalteten Deutsch-Japanischen Gesellschaft – dies ist die von Brotbeck erwähnte Aufführung «vor diplomatischen Vertretern der Achsenmächte» – sodann am 27. März 1943 am selben Ort (in der Krypta des Völkerschlachtdenkmals) in einer Gedenkstunde für die gefallenen Lehrer und Studierenden, die im Rahmen der Feiern zum 100. Jahrestag der Gründung der Leipziger Hochschule (bis 1941 Konservatorium) stattgefunden hat. Vom Verlag Breitkopf & Härtel, in dem fast alle veröffentlichten Werke Davids erschienen sind, wurde die Komposition zwar für die beiden Aufführungen vervielfältigt, jedoch nicht publiziert: Es existiert kein Copyright-Vermerk und keine Verlags- oder Editionsnummer, so dass angenommen wird, dass David die Komposition nicht zur Veröffentlichung freigegeben hat. Zu den Umständen der Auftragserteilung und Textauswahl liegen keine amtlichen Zeugnisse vor, sondern nur eine Mitteilung Davids an Kohl, der David persönlich auf die Heldenehrung angesprochen hat, nachdem er – Jahre vor dem Erscheinen von Priebergs Musik im NS-Staat – auf den Titel gestossen war: Nach eigener Darstellung wurde David mit der Komposition beauftragt (dies wird von damaligen Schülern Davids bestätigt) und musste den Text aus einer Reihe von Vorschlägen auswählen, wobei alle übrigen Vorschläge «unbrauchbar» waren, also wohl stärker ideologisch befrachtet als das vertonte Zitat, bei dem die Urheberschaft mehr kompromittiert als der Wortlaut. In Stellungnahmen zweier damaliger Studierender der Leipziger Hochschule (publiziert 1983 in Heft 4 der Mitteilungen der Internationalen Joh.-Nep.-David-Gesellschaft) findet sich die Darstellung, dass es David peinlich gewesen sei, das Stück dem von ihm geleiteten Chor vorzulegen, und dass er um Verständnis für diese «Pflichtübung» gebeten habe.
Auch David hat finanzielle Förderung nicht zurückgewiesen: Im Jahr 1941 wurde ihm der «Gaukulturpreis des Gaues Oberdonau der NSDAP» verliehen. In Priebergs umfangreicher letzter Veröffentlichung Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945 (CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004) wird für November 1943 Davids Beitritt zum bereits seit 1922 existierenden, aber längst gleichgeschalteten «Reichsbund Deutsche Familie» nachgewiesen. Dagegen legen viele Zeugnisse und Berichte über Davids Leipziger Zeit den Schluss nahe, dass dieser sich seine Unabhängigkeit gegenüber den herrschenden Ideologien bewahrt hat. Einige Beispiele: David hatte 1938 eine Aufführung von Strawinskys Psalmensymphonie durchgesetzt – explizit gegen ein Verdikt, das der «städtische NS-Kulturbeauftragte» ausgesprochen hatte; er hat sich für den Komponisten Günter Raphael eingesetzt, der als «Halbjude» angesehen wurde und über den ein Berufs- und Aufführungsverbot verhängt worden war. David wurde 1942 kommissarisch mit der Leitung der Hochschule betraut, doch nie offiziell zum Direktor des Instituts ernannt – dies wird im umfangreichen Wikipedia-Artikel zur Leipziger Musikhochschule falsch dargestellt. In seiner Eigenschaft als kommissarischer Leiter hat David bis Februar 1945 für die Aufrechterhaltung des Unterrichts- und Prüfungsbetriebs gekämpft. Es wird wohl nie ganz geklärt werden können, inwieweit die Heldenehrung und eventuell auch der genannte Beitritt zu einer gleichgeschalteten Institution als taktisches Vorgehen zu betrachten sind. Wie sehr sich David als Leiter der Kantoreien der Hochschule und als Komponist in seinem Einsatz für die Kirchenmusik behindert sah, belegt das Zitat aus einem Brief, den er im Sommer 1942, also im Jahr der Komposition der inkriminierten Heldenehrung, an seinen zur Wehrmacht eingezogenen Schüler Helmut Hilpert schrieb – hier heisst es nach der Aufzählung der neusten Instrumentalkompositionen Davids: «Für Chor zu schreiben ist nicht möglich, weil die Texte ja doch eigentlich verboten sind.» Diese Äusserung kann als Hinweis gelesen werden darauf, dass David die Heldenehrung auch zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht als gültiges Werk angesehen hat.
Dieser abermals kurze Überblick kann natürlich nicht dazu führen, Davids Wirken in der Zeit des «Dritten Reichs» zu glorifizieren (wie es andernorts tatsächlich versucht wurde), er mag aber doch zu der Einsicht führen, dass Brotbecks Bestreben, David in einer Beispielsammlung musikalischer Exponenten des Nationalsozialismus zu vereinnahmen, als unsachliche Verallgemeinerung anzusehen ist. Anfechtbar und tendenziös ist seine Darstellung nicht nur deshalb, weil sie Aufführungen von Davids Werken in die Nähe von Verdrängung und mangelndem Geschichtsbewusstsein rückt, sondern auch deshalb, weil sie den Eindruck erweckt, Davids Werke würden angesichts der angeblich mangelhaften Untersuchung der Biografie ihres Komponisten «in den Kirchen gesungen», also an vielen Orten und damit insgesamt recht häufig aufgeführt. Das Gegenteil ist der Fall: Aufführungen von Werken Davids stellen in der Kirche ebenso wie im Konzertsaal eine grosse Ausnahme dar, was angesichts der Qualitäten dieser Kompositionen bedauert werden muss. Die Diskussion um Davids Wirken in den Jahren des «Dritten Reichs» hat sich bereits in zweifacher Weise nachteilig auf die Häufigkeit von Aufführungen ausgewirkt: Einerseits wurde der Tatbestand Heldenehrung immer wieder ähnlich plakativ und undifferenziert genannt wie bei Brotbeck. Dabei hat sich ein zweifelhaftes «in dubio contra reum» erhalten, das in der Phase der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema «Musik im NS-Staat» als emotionale Reaktion verständlich war, heute aber nicht mehr angemessen ist. Ein Beispiel für diese Verallgemeinerung aus der Erfahrung des Schreibenden: Ein renommierter Schweizer Organist hat in einem Gespräch über Musik des 20. Jahrhunderts geäussert, es sei sicher lohnend, sich mit den Orgelwerken Davids zu beschäftigen, sei aber «aus politischen Gründen» unstatthaft. – Andererseits wurde der tonal fundierten und häufig nach alten Mustern gearbeiteten Kirchenmusik der 1930er-Jahre in manchen Diskussionen pauschal eine stabilisierende Funktion und Wirkung gegenüber dem NS-Regime unterstellt – ohne Ansehung der Komponistenpersönlichkeit. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Äusserungen des Organisten und Komponisten Gerd Zacher in der Zeitschrift Musik und Kirche und an den von Michael Kater ausgesprochenen Generalverdacht gegenüber «der neuen Schule restaurativer Kirchenmusik» (S. 313). Die Werke Davids und vieler anderer Komponisten – auch ihre Kirchenmusik – entziehen sich solchen Etikettierungen. Erschreckend ist, dass hier manchmal ein Schubladen-Denken spürbar wird, das von ferne an peinliche Muster erinnert: Die Gleichsetzung, dass ein in Deutschland in jener Zeit tonal oder modal Komponierender mit Sicherheit ein «Nazi» gewesen sein müsse, funktioniert natürlich genau so wenig wie die in NS-Publikationen zu findende absurde Gleichsetzung, «atonale» Kompositionen müssten zwangsläufig das Werk eines jüdischen Komponisten sein.
Anliegen dieser Ausführungen ist es nicht, eine einzelne Persönlichkeit möglichst rein zu waschen, sondern eine differenzierte Betrachtung und Darstellung anzumahnen. Daraus erwachsen «spannende Aufgaben» für alle, die sich nicht mit dem Niveau von Stammtischparolen zufrieden geben wollen. Natürlich darf bei der Betrachtung der Geschichte nichts beschönigt oder ausgelassen werden – der Antisemitismus Richard Wagners ebenso wenig wie Zugeständnisse, politische Naivität, Anbiederung oder aktive Mittäterschaft von Musikern im NS-Staat. – Diese Ausführungen übersteigen das für einen Leserbrief übliche Mass, obwohl sie viele Aspekte nur in der Art eines Überblicks streifen. Damit die Form eines Leserbriefs gewahrt bleibt und der Text nicht noch länger wird, sind die bibliografischen Nachweise lückenhaft – diese können aber bei Bedarf gerne vollständig nachgereicht werden.
Matthias Wamser, Rheinfelden
wamserbaerthlein@sunrise.chOrff-Instrumente spielen – nicht schlagen
Micaela Grüner stellt in ihrem Buch 48 Schlaginstrumente und die richtige Spielweise vor.
«Ich strebte die Aktivierung des Schülers durch Selbstmusizieren, das heisst durch Improvisieren und Entwerfen eigener Musik an. So wollte ich nicht eine Ausbildung an hochentwickelten Kunstinstrumenten, sondern eine solche an vorzüglich rhythmisch orientierten und verhältnismässig leicht erlernbaren, primitiven, körpernahen Instrumenten.» – Carl Orff (1895-1982) war ein Pionier. Sein Schulwerk revolutionierte die Musikpädagogik und brachte neue Ansätze in den Unterricht, weit über das gemeinhin übliche Singen hinaus: «Elementare Musik ist nie Musik allein, sie ist mit Bewegung, Tanz und Sprache verbunden, sie ist eine Musik, die man selbst tun muss, in die man nicht als Hörer, sondern als Mitspieler einbezogen ist.» Seine Gefährtin Gunid Kneetman fügt hinzu: «Diese Einheit (…) ist (…) nur noch bei Kindern vorhanden. Sie ihnen zu erhalten und weiterzuentwickeln ist eine Hauptaufgabe, die sich die Schulwerk-Arbeit gestellt hat.»
In jeder Schule von heute finden sich «Orff-Instrumente». Erfunden hat Carl Orff sie allerdings nicht, weder das Xylofon noch den Schellenkranz. Aber er hat die Schlaginstrumente zusammengestellt für seinen Unterricht, zuerst für seine Studentinnen in ihrer Ausbildung für Gymnastik, Musik und Tanz, dann für den Einsatz mit Kindern. Und genau genommen dürfe der Name «Orff-Instrumentarium» nur für die Stabspiele verwendet werden, die Orff in Zusammenarbeit mit dem Münchner Instrumentenbauer Karl Maendler entwickelte, meint Autorin Micaela Grüner. 48 verschiedene Schlaginstrumente stellt sie in ihrem Buch vor, aufgeteilt in Stabspiele (Glockenspiel, Xylofon), Fellinstrumente (Trommeln), Kleines Schlagwerk (Claves, Triangel, Rasseln) und Erweiterte Orff-Instrumente (Latin Percussion, Boomwhackers). Diese Einteilung ist zwar weder wissenschaftlich (Instrumente geordnet nach dem klingenden Teil) noch besonders unterrichtspraktisch (was man in den Schulzimmern so findet). Aber sie zeigt die Entwicklung des Instrumentariums auf, vom Kern bis zu den Erweiterungen.
In Kapitel 2 werden Handhabung und Spielweise anschaulich beschrieben und illustriert. Das ist gut, denn Schlaginstrumente haben ein Problem: Man schlägt sie, anstatt sie zu spielen. Dabei sind sie genau so klangsensibel wie ein Klavier oder eine Geige. Wo auf dem Fell muss die Hand aufschlagen, damit die Trommel am vollsten klingt? Welcher Schlag entlockt ihr den lautesten Klang, welcher den trockensten? Und wie nimmt man eine Kabassa eigentlich richtig in die Hand, wie hält man eine Guiro? Überhaupt: Wie macht man damit Musik? Das Kapitel 4, «Mit Orff-Instrumenten spielen», bringt Rhythmuslinien und ganze Spielsätze, welche die Klangvielfalt der Schlagzeuge schön aufzeigen. Und es werden viele unterrichtspraktische Spielideen vorgestellt. Orientierungshören im Raum, Klangketten bilden, Wetterspiele und grafische Notation, Trommelgespräche, Texte und Geschichten verklanglichen. Alle diese Anregungen sind gut beschrieben – in Wort, Bild und Ton – und leicht umzusetzen. Besonders interessant: die Tonbeispiele auf der CD mit Kompositionen von Orff selber!
Micaela Grüner
Orff-Instrumente – und wie man sie spielt
Ein Handbuch für junge, alte, kleine und grosse Hände
ED 21039, 128 S., mit CD, € 24.95
Schott, Mainz 2011Blues in der Kirche
Eine Komposition, die Trompete und Orgel dialogisch setzt – und mit ungewohntem Groove.
Der 1946 in Ungarn geborene Zsolt Gárdonyi wuchs in einer Musikerfamilie auf (sein Vater war Schüler von Kodály und Hindemith) und erhielt schon im Alter von 19 Jahren Preise in den Fächern Orgel und Komposition an der Musikhochschule Budapest. Er wirkte als Professor für Musiktheorie an der Hochschule für Musik Würzburg, übte eine rege Konzerttätigkeit als Organist aus und machte sich durch zahlreiche Publikationen und Gastvorlesungen international einen Namen.
Sein Blues für Trompete und Orgel ist ein waschechter Blues und bewegt sich innerhalb der Konventionen, was Melodiebildung, Phrasierung und Harmonisierung betrifft. Speziell ist der Orgelsatz: Pedaliter und manualiter werden die Möglichkeiten einer dichten Begleitung gänzlich ausgenützt durch Vollgriffigkeit der Akkorde gepaart mit raffinierter Jazzharmonik. Trompete und Orgel sind dialogisch gesetzt, wodurch auch das Kircheninstrument zum Jazzsolisten avanciert und so in ganz neuem Kontext auftrumpfen und in ungewohnter Weise abgrooven kann. Der Blues ist auf jeden Fall in einem Konzertprogramm für Trompete und Orgel ein «Stück zum Hinhören».
Zsolt Gárdonyi
Blues, für Trompete und Orgel
EW 866, € 12.00
Edition Walhall, Magdeburg 2012