Propagandamittel, Instrument der Besatzung oder des Widerstands? Ein Buch beleuchtet die Rollen und Wirkungen der Musik zur Zeit der beiden Weltkriege.

Die traditionelle Musikwissenschaft könnte es schon beängstigen, dass immer mehr Publikationen aus dem Umfeld der Cultural Studies den Markt verdichten. Besatzungsmacht Musik. Zur Musik- und Emotionsgeschichte im Zeitalter der Weltkriege widmet sich nicht Werkstrukturen und auch nicht in bewährter biografischer Manier einzelnen Komponisten. Dafür vereint das Buch Aufsätze über Musik in Konzentrationslagern, über französische Entnazifizierungsbestrebungen nach 1945 oder auch über die schlimmen Aktivitäten der Berliner Philharmoniker in der Zeit davor. Solch heterogene Themenfelder machen die Lektüre gewiss nicht zu einer leichten. Verschärft wird die Gefahr der Ausfransung dann noch durch die im Untertitel schon angedeutete «emotionale» Wirkung von Klängen, an der die Cultural Studies offenbar besonderes Interesse haben. Unbestritten ist es, laut der Philosophin Martha Nussbaum, dass «Musik eine tiefe Verbindung zu unserem emotionalen Leben hat». Doch zugleich räumt sie ein: «Aber die Natur dieser Beziehung ist schwer zu beschreiben.»

Wohl kalkulierbar sind die musikalisch-emotionalen Folgen weder für Philosophinnen, noch für Machthaber oder Besatzer. Eine bestimmte musikästhetische oder musikpolitische Strategie gab es weder bei den Nationalsozialisten noch bei den Franzosen, die Deutschland auch schon nach 1918 mithilfe der Musik zu stabilisieren versuchten. Stephanie Kleiner betrachtet die französische Rheinlandbesetzung im Anschluss an den ersten Weltkrieg. Zum einen wurde hier mit Aufführungen von Richard Wagners Rheingold eine offensive Vereinahmung des Rheins als französische Grenze artikuliert. Zum anderen war den französischen Besatzern klar, dass eine längerfristige Stabilisierung des Gebiets nur durch eine kulturelle Annäherung zwischen Besetzern und Besetzten gelingen könne, will sagen: nur durch ein Gespürs für die Befindlichkeiten der Einheimischen. Eine zu offensive Vereinnahmung (oder auch Eliminierung) deutscher Kultur hätte schliesslich zu einem Partisanenkampf führen können.

Alle Aufsätze, unterteilt in die drei Kapitel «Musik als Besetzungsinstrument», «Bedrohte Musik – Bedrohung Musik» und «Musikalische Antworten auf Krieg und Besetzung», werfen Schlaglichter auf ein wichtiges mentalitätsgeschichtliches Thema. Gewiss wäre im ein und anderen Fall eine stärkere Fokussierung der Fragestellungen sinnvoll gewesen. Weitestgehend unbeachtet blieb zum Beispiel die Trennung von «populärer» und «elitärer» Sphäre. Eine löbliche Ausnahme ist Michael Walters Text Lili Marleen. Germanische Hegemonie oder Kriegsbeute? Über diverse deutsche Soldatensender wurde das Lied Lili Marleen in Kriegszeiten wirkungsmächtig ausgestrahlt in Belgrad und vor allem auch in Nordafrika. Es stiess auf breite Resonanz, indem es auch die «erotische Leerstelle» deutscher Soldaten an der Front füllte. Da das Lied auch bei Amerikanern und Engländern auf grosse Resonanz stiess, folgert Walter, dass das Soldatentum offenbar wichtiger sein könne als die national-politische Einstellung. Auf jeden Fall zeigt Lili Marleen eine musikalische Mehrfachcodierung, die für Machthaber und Besetzer ähnlich heikel ist wie für Vertreter der Cultural Studies.

Image

Besatzungsmacht Musik. Zur Musik- und Emotionsgeschichte im Zeitalter der Weltkriege,
hg. von Sarah Zalfen und Sven Oliver Müller,
336 S., Euro 32.80, transcript Verlag, Bielefeld 2012

Generationenwechsel in der Musikstudio Frey GmbH

Peter Frey hat sein Musikstudio 1973 als erste und einzige professionelle Akkordeonlehrer-Ausbildungsstätte in der Schweiz gegründet. Die Leitung liegt seit Ende August bei Sabine Bachmann.

Peter Frey und Sabine Bachmann-Frey.\tFoto: zvg,SMPV

Heute präsentiert sich die Musikstudio Frey GmbH als Kompetenzzentrum, das sich an Vorgaben internationaler Hochschulen orientiert.
Mit der Eröffnung der «Akkordeon-Jugend-Akademie Reinach» wird ein neues Unterrichtsmodul angeboten, das den veränderten schulischen Bedingungen Rechnung trägt und die gezielte Förderung ambitionierter Akkordeonschüler zum Ziel hat. Rektorin dieser neuartigen Einrichtung ist Lina Frey. Die Musikstudio Frey GmbH bietet regelmässig Weiterbildungskurse an, die Berufsmusiker wie interessierten Amateuren zugänglich sind. Ausserdem stehen der Instrumentenhandel sowie ein umfassendes Notensortiment inklusive Eigenverlag im Zentrum.

Neue Führung
Peter Frey hat nun die Institutsleitung an der 40-Jahre-Jubiläumsfeier am 25. August an seine Tochter Sabine Bachmann-Frey übergeben. Er wird künftig noch als Musiklehrer und interner Berater tätig sein.
Als erste Berufsausbildung hat Sabine Bachmann-Frey das Akkordeonlehrer-Diplom im elterlichen Musikstudio erworben und verfügt als ständige Mitarbeiterin während mehr als 20 Jahren über profunde Kenntnisse des Betriebs. Nach der Erstausbildung folgten Studien im Hauptfach Klavier bei Patrizio Mazzola in Luzern und Bern, die sie mit dem Lehr- und Konzertdiplom abschloss. Meisterklassen im Ausland und eine mehrjährige Weiterbildung im Bereich des Jazz und der Improvisation komplettieren ihr Portfolio. Sabine Bachmann-Frey hat sich als Korrepetitorin einen Namen gemacht (u.a. am Stadttheater Sursee) und tritt mit verschiedenen professionellen Ensembles auf, z.B. mit dem von ihr und ihrem Ehemann Sven Bachmann (Klarinette und Saxofon) gegründeten Salontrio La Jalousie. Sabine Bachmann-Frey leitet das Aargauer Operettenensembles Die Fledermäuse. Neben ihrer Tätigkeit im Musikstudio Frey unterrichtet sie eine Klavierklasse in Seengen AG, ist Mitglied im Regionalen Akkordeonorchester Peter Frey und leitet dessen Juniorenformation.
 

Sunao Goko gewinnt Tibor-Varga-Wettbewerb

Der 20-jährige japanische Geiger Sunao Goko hat in Sion im Wallis bei der Tibor Varga International Violin Competition den mit 15’000 Franken dotierten ersten Preis gewonnen.

Die Erstplatzierten Sunao Goko, Liya Petrova und Eimi Wakui, Foto: zvg

Sunao Goko ist Student von Pavel Vernikov am Konservatorium Wien. Vernikov ist auch Mitglied der Jury des Wettbewerbs. Neben dem ersten Preis des Wettbewerbs hat Sunao Goko auch den Publikumspreis und einen Preis für die beste Interpretation eines zeitgenössischen Werks – «Shèxi» des chinesischen Komponisten Guo Wenjing – entgegenehmen können.

Den zweiten Preis hat die 23-jährige Bulgarin Liya Petrova zugesprochen erhalten, den dritten die 21-jährige Japanerin Eimi Wakui. Insgesamt angetreten sind 24 Teilnehmer aus 13 Ländern.

Die Tibor Varga Violin Competition ist erstmals gemeinsam mit der International Violin Competition Sion Valais durchgeführt worden. Die beiden Anlässe sind zuvor getrennt veranstaltet worden.

Mehr Infos: www.varga-sion-concours.ch

Eine Sammlung für Cello und Orgel bringt viele Raritäten und bereichert die Programme von kirchlichen Anlässen oder Konzerten.

In der Serie Orgel plus des Dr. J. Butz Musikverlags sind zwei von Kurt Lueders redigierte Bände mit romantischer Musik für Violoncello und Orgel erschienen, die beide eine sehr willkommene Bereicherung dieses Genres darstellen.

Ausser der bekannten Prière op. 158 von Camille Saint-Saëns enthalten beide Bände überwiegend Raritäten von Komponisten des 19. Jahrhunderts wie Waldemar von Bausznern, Friedrich Lux, Gustav Adolf Merkel, Ernst Toller u. a. Drei Erstveröffentlichungen stammen von Alexandre Guilmant, Otto Dienel und Emile Bourdon. Erstere ist eine interessante Eigenbearbeitung des Mittelsatzes aus der 6. Orgelsonate op. 86.

Es handelt sich ausschliesslich um langsame, kontemplative Einzelkompositionen, welche sich zur musikalischen Gestaltung von kirchlichen Anlässen eignen, aber durchaus auch als Ergänzung von Konzertprogrammen Verwendung finden können.

Image
Image

Romantische Musik für Violoncello und Orgel,
hg. von Kurt Lueders;

Band 1: Leichte Werke
BU 2302 (2010)

Band 2: BU 2602 (2013),
je € 20.00

Dr. J. Butz Musikverlag, Bonn
 
 

Wagners leitmotivisches Vorgehen ist vielschichtig und ermöglicht eine komplexe Aufladung der Handlung.

Der Ausdruck «Leitmotiv» ist bei den Musikinteressierten so sehr mit Wagners Musikdramen verknüpft, dazu in einer wohl allzu vereinfachten Form, dass es immer wieder notwendig wird, die angehäuften Missverständnisse auszuräumen. Es sind nicht einfache Zeichen für Dinge wie Schwert oder Burg, für Personen wie Tristan oder Sieglinde oder für abstrakte Begriffe wie Liebe oder Betrug. Der Titel des Buches von Melanie Wald und Wolfgang Fuhrmann Ahnung und Erinnerung deutet es unmissverständlich an: Leitmotive verweisen auf etwas Kommendes (Ahnung) oder auf etwas Zurückliegendes (Erinnerung), sie verknüpfen den Ablauf vor- und rückwärts und sind viel mehr als nur Wegmarken der Handlung – Wagner selber spricht von «Gefühlswegweisern». Er ist auch nicht der Erfinder des Begriffs; Meyerbeer, Marschner und Berlioz sind ihm da vorangegangen, und erst die wagnersche Nachwelt hat den Begriff «Leitmotiv» für ihn reserviert.

Unermüdlich wird in dieser Darstellung darauf hingewiesen, wie vielschichtig Wagner Motive eingsetzt und dass er durch vielfaches Variieren einer einmal gesetzten Tonfolge – sei es durch Instrumentierung, Modulation oder durch rhythmische Veränderung – die feinsten Nuancen zum Klingen bringt, wobei vieles erst durch genauestes und mehrfaches Hinhören erschlossen werden kann. Beinah auf jeder Seite sind Entdeckungen zu machen, die durch zahlreiche, am Buchschluss zusammengefasste Notenbeispiele unterlegt werden. Faszinierend etwa der Nachweis, wie Wagner in der Götterdämmerung durch extreme Verdichtung der Harmonik, mit einer «verfilzten Leitmotivik» und dem «massiven Einsatz von Instrumentengruppen, um den typischen Mischklang zu erzeugen» einen «Mechanismus von erdrückender Gewalt» hervorruft.

Der Text ist sehr gut lesbar, der Aufbau in den Kapiteln didaktisch vorbildlich. Die Erläuterungen können aber nicht soweit vereinfacht werden, dass «dieses Buch auch musikalisch nicht oder nur wenig vorgebildeten Lesern verständlich und zugänglich sein wird, auch wenn sie gelegentlich musiktheoretische Fachsprache tolerieren müssen». Das ist ein ehrbarer, aber letztlich frommer Wunsch, weil nur schon die Beispiele mit harmonischen Bezügen ohne Vorbildung keinen Erkenntnis-Zuwachs ermöglichen. Es wäre aber, auch aus politischer Sicht, wünschenswert, dass solche Kreise mehr Einblick gewännen, weil die Phalanx der intoleranten Wagner-Gemeinde aus Unwissenden oder Halbgebildeten noch heute den grössten Zulauf erhält.

Image

Melanie Wald und Wolfgang Fuhrmann,
Ahnung und Erinnerung – Die Dramaturgie der Leitmotive bei Richard Wagner,
269 S., € 24.95
Bärenreiter/Henschel, Kassel 2013
ISBN 978-3-7618-2260-9 
 

get_footer();