Die schweigende Welt?

Übersetzung Pia Schwab

Übersetzung Pia Schwab

Von den vier Elementen nährt das Wasser unsere Vorstellungskraft zweifellos am stärksten. In allen Religionen spielt es eine Rolle, unzählige Legenden und symbolische Vorstellungen kreisen darum. Wasser ist lebensnotwendig, nach dem Islam sogar dessen Quelle. Es reinigt, wie in der christlichen Taufe, der jüdischen Mikwe oder dem hinduistischen Bad im Ganges. Man schreibt ihm auch heilende Kraft zu: das Wasser aus Lourdes, der legendäre Jungbrunnen oder der Brunnen des Mimir in den germanischen Mythen.

Wasser schützt, löscht Feuer, lindert Schmerzen, erinnert an die Geborgenheit des Mutterleibs. Im Französischen haben mer (Meer) und mère (Mutter) denselben Klang, was wohl sprachgeschichtlich ein Zufall ist. Dichter und Schriftsteller werden aber nicht müde, mit diesem Einklang von Wasserwelt und Welt des Ungeborenen zu spielen. Lange Zeit entstanden die Zivilisationen am Ufer von Meeren, Seen und Flüssen. Und noch heute markieren letztere oft Landesgrenzen: Wasser schützt vor Invasionen. Aber es bringt auch Katastrophen mit sich, sei es durch Überfülle – Überschwemmungen, Tsunamis, Ertrinken –, sei es durch Mangel – Dürre und Unfruchtbarkeit.

Wasser birgt und verbirgt eine andere Welt auf unserem Planeten: die Unterwasserwelt, zu der wir Menschen nur sehr beschränkten Zugang haben. Darin soll es Monster aller Arten geben, von riesigen Kraken bis zu Sirenen, die Seeleute durch ihren Gesang in den Bann ziehen. Mit dem Wasser verbunden ist eine breit gefächerte klangliche und musikalische Vorstellungswelt.

Es ist fast ein wenig sonderbar, dass Jacques-Yves Cousteau seinen berühmten Unterwasser-Dokumentarfilm Die schweigende Welt genannt hat. Schon physikalisch breitet sich der Schall unter Wasser schneller und weiter aus als in der Luft. Walgesänge sind über mehr als 3000 Kilometer zu hören. Und seit Jahrhunderten inspiriert das Wasser die Musiker: La mer von Claude Debussy oder Charles Trenet, An der schönen blauen Donau von Johann Strauss, Les jeux d’eau von Maurice Ravel. Vom Ozean bis zum Regentropfen wurden alle wässrigen Erscheinungsformen in Musik gesetzt.

In dieser Nummer erklärt der Komponist Cyrill Schläpfer sehr treffend, dass man Wassergeräuschen, Wellenrauschen zum Beispiel, lange Zeit lauschen muss, um ihren Gehalt zu ermessen. Es braucht Zeit, um von der Luft- in die Wasserwelt zu gelangen, um – bildlich gesprochen – in diese andere Welt einzutauchen (aus der reale Taucher ja auch nur stufenweise wieder aufsteigen dürfen). Lauschen wir also in aller Ruhe der Schweigenden Welt in dieser Nummer.

Herzlich
Ihr

Jean-Damien Humair
 

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Hochverehrt und schlecht bezahlt

Während das Schiff unter ihnen versank, harrten sie spielend aus. Viele Legenden ranken sich um das Geschick der Musiker auf der Titanic. Die nüchternen Tatsachen zu ihren Anstellungsbedingungen sind dagegen wenig erhebend.

Erinnerungs-Postkarte, State Library of Queensland / flickr commons
Hochverehrt und schlecht bezahlt

Während das Schiff unter ihnen versank, harrten sie spielend aus. Viele Legenden ranken sich um das Geschick der Musiker auf der Titanic. Die nüchternen Tatsachen zu ihren Anstellungsbedingungen sind dagegen wenig erhebend.

Am 14. März diesen Jahres ging eine verblüffende Nachricht durch die englische Presse: Die Geige von Wallace Hartley sei wieder aufgetaucht. Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel titelte tags darauf: «Violine des Titanic-Kapellmeisters auf Dachboden entdeckt.» Tatsächlich stellte das britische Auktionshaus Henry Aldridge and Son der Öffentlichkeit ein «sensationelles Fundstück» vor. Sieben Jahre habe er die Echtheit des Instruments von Kriminaltechnikern und Forschern der Universität Oxford testen lassen, berichtete Andrew Aldridge, es gäbe keinen Zweifel.

Dies sollte also die Geige sein, die sich der Musiker in einem initialengeschmückten Lederetui an die Brust band, bevor er ins Wasser stürzte. Sein erfrorener Körper wurde zehn Tage nach dem Unglück geborgen. Die Geige soll seiner Verlobten übersandt worden sein. Sie hatte ihm das Instrument ja auch geschenkt. Bei ihrem Tod geriet das geschichtsträchtige Stück in Vergessenheit … Allerdings wurde nach dem Schiffsunglück sehr genau protokolliert, was die gefundenen Opfer auf sich hatten. Hartley trug seine Musikeruniform mit den grünen Blenden, Schulterstücken und Knöpfen der White Star Line. Von einer Geige war aber nicht die Rede.

Die Berichterstattung über das Wiederauftauchen des Instruments lässt deutlich durchklingen, dass die Journalisten Zweifel an der Echtheit des Fundstücks mit den Salzwasserflecken hegen. Kein Zweifel besteht dagegen an dem unverminderten öffentlichen Interesse, das die Titanic-Katastrophe immer noch erregt, die sich genau 101 Jahre vor der Präsentation der Violine ereignet hatte.

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Erinnerungsblatt der AMU
wikimedia commons

Verschlechterte Anstellungsbedingungen
Wallace Hartley war Geiger und Chef der achtköpfigen Musikergruppe auf der Titanic. In der Regel spielten sie in zwei Gruppen. Ein Klaviertrio unterhielt die Gäste in der Lounge des A-la-Carte-Restaurants und im Café Parisien. Um das kontinentale Flair zu unterstreichen, waren ein belgischer Geiger und ein französischer Cellist engagiert worden. Ein Quintett spielte im Speisesaal oder in der First Class Lounge auf. Percy Cornelius Taylor spielte sowohl Klavier wie auch Cello. Es waren also Auftritte als (tiefes) Streichquintett möglich (zwei Violinen, zwei Celli, Kontrabass,) oder als Klavierquintett. Man nimmt an, dass in der fatalen Nacht zum ersten Mal alle acht zusammenspielten.

Anstellungen auf Ozeandampfern waren bei den Musikern in jener Zeit begehrt, obwohl sich die Arbeitsbedingungen gerade in der Zeit vor der Jungfernfahrt der Titanic verschlechtert hatten. Früher hatten die Reedereien die Musiker direkt engagiert. Nun traten vermittelnde, aber natürlich auch mitverdienende Agenturen auf den Plan. In einem Bericht der Internationalen Musikerföderation FIM, verfasst von John Swift, steht dazu: «Während die Titanic sich in Besitz der White-Star-Reederei befand, waren ihre Musiker von der Schifffahrtsagentur, C. W. & F. N. Black engagiert und als Passagiere der zweiten Klasse gebucht worden. Black war in der Lage, günstigere Konditionen anzubieten, indem die Gage der Musiker von ursprünglich 6 bis 10 auf 0 bis 4 Pfund herabgesetzt, die monatliche Uniformzulage von 10 Shilling zurückgezogen und die Kosten für Noten den Musikern von der Gage abgezogen wurden. Proteste der Vereinigten Musikergewerkschaft AMU, eines Vorläufers der heutigen Musikergewerkschaft, endeten ergebnislos.»

Die Musiker mussten ein vielseitiges Repertoire beherrschen, sowohl Salon- und Tanzmusik wie Auszüge aus Orchesterwerken und Opern. Sie spielten die angesagten Schlager der Zeit, begleiteten aber auch Andachten an Bord. Auf Deck E in der Nähe der Wäscherei war ihnen ein Raum zugewiesen worden, in dem sie morgens üben konnten.

Heldentum statt Leben
Kaum ein Bericht vom Untergang der Titanic kommt ohne die Erwähnung der heldenmütigen Kapelle aus. Die Worcester Evening Gazette zitierte fünf Tage nach dem Unglück die Überlebende Mrs. John Murray Brown: «Die Kapelle ging von Deck zu Deck und spielte immerzu. Als das Schiff sank konnte ich immer noch Musik hören. Als ich die Musiker zum letzten Mal sah, kam ihnen das Wasser bis zu den Knien.» Aber schon die verschiedenen Augenzeugenberichte, die von einer Untersuchungskommission akribisch zusammengetragen wurden, waren sich in vielen Punkten uneins.

In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 um 23.40 Uhr kollidierte das Schiff mit einem Eisberg. Eine Stunde später begann die Kapelle an Deck zu spielen, zehn Minuten bevor das erste Rettungsboot (halbleer!) ins Wasser gelassen wurde. Noch schätzte man die Gefahr sehr unterschiedlich ein. Und die fröhlichen Klänge («lively airs»), die gespielt wurden, verstärkten die Verwirrung möglicherweise noch. Hinter der Anweisung an die Musiker stand das Ziel, eine Panik zu vermeiden.

Um 2.10 Uhr waren alle verfügbaren Boote gewassert, aber immer noch gut zwei Drittel der Menschen an Deck oder irgendwo in den labyrinthischen Untergründen des Schiffsbauchs. Der Dampfer neigte sich so bedrohlich, dass das baldige Sinken offensichtlich war. «In diesem Augenblick klopfte Kapellmeister Hartley auf den Boden seiner Geige. Die Ragtime-Musik verstummte, und die Klänge der Episkopal-Hymne Automn fluteten über das Deck, und trieben in der stillen Nacht weit hinaus über das Wasser. In den Booten lauschten die Frauen wie auf etwas Wunderbares.» So wird später – romanhaft verklärt – über diesen schicksalhaften Moment berichtet (Walter Lord, Die letzte Nacht der Titanic, Scherz 1955).

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Das zuletzt gespielte Stück?
National Postal Museum, Washington

Die Zeugen sind sich einig, dass nur wenige Minuten vor dem endgültigen Sinken und bevor nur noch Schreie zu hören waren, Musik erklang. Uneinig sind sie sich allerdings bezüglich des Stücks. Die Presse, die sich auf die Überlebenden stürzte, trug wohl auch zur mehrfachen Legendenbildung bei. Die New York Times vom 21. April 1912 titelte: «Die Kapelle des sinkenden Schiffs wählte den passenden Choral.» Sie zitierte den geretteten Funker Harold Bride, der die geistliche Hymne Automn erkannt haben wollte. Sie enthält die suggestive Zeile: «Halte mich aufrecht in gewaltigen Wasserfluten». Andere Zeugen erinnerten sich an den Choral Näher mein Gott zu dir. Spätere Kommentatoren wiesen darauf hin, dass es zu der Zeit zwei bekannte Stücke mit dem Namen Automn gegeben habe, den Choral und eine Art Sportpalastwalzer zum Mitpfeifen.

Dieser Punkt wird wohl nie aufgeklärt werden. Sicher ist, dass die geistlich-heroische Variante durch viele Nacherzählungen verbreitet wurde und dass die Musiker der Titanic in besonderem Mass heroisiert wurden. Natürlich liess sich mit dieser Verehrung auch Geld machen. Findige Verleger druckten Notenblätter mit den in Frage kommenden Stücken und dem Bild von Wallace Hartley oder sie brachten neue Stücke heraus, die die Katastrophe musikalisch verarbeiteten: Just as the Ship went down – a Song of the Sea oder The Wreck of the Titanic – a descriptive Composition for Piano solo.

Keiner der Musiker überlebte die Katastrophe. Von dreien, eben auch von Hartley wurde der Körper geborgen. Der Romanautor Joseph Conrad, der selbst zur See gefahren war, spottete über die posthume Hochstilisierung: «Viel schöner wäre es gewesen, wenn die Band der Titanic gerettet worden wäre, anstatt spielend untergehen zu müssen – was auch immer sie spielten, die armen Teufel …»

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«A beautiful Song Inspired by the Wreck of the Titanic»
wikimedia commons

Unrühmliches Nachspiel
Im Bericht der FIM steht weiter: «Nach dem Unglück erhielten die Hinterbliebenen mindestens eines Musikers, aber wahrscheinlich alle, eine Rechnung und eine Kostenaufstellung der Agentur. In der Kostenaufstellung wurde unglaublicherweise dargelegt, dass aufgrund dessen, weil der Vertrag des verstorbenen Musikers in dem Moment ausgelaufen war, als das Orchester nicht mehr spielen konnte, dessen Gage anteilsmässig nicht ausreichend war, um alle durch ihn entstandenen Kosten zu decken, einschliesslich der Reversbesätze der White Star Reederei auf der Jacke, dem Aufnähen von White Star-Knöpfen auf seiner Uniform und seinen Notenblättern. Dies wurde ohne jegliche Anteilnahme oder Beileidsbezeugung mitgeteilt.»

Der Brief an die Familie des erst 21-jährigen Geigers John «Jock» Hume, der diese ungeheuerlichen Forderungen bestätigt, ist erhalten. Die Agentur verlangte von der Familie zudem fünf Shilling zurück, die sie dem jungen Mann zum Kauf eines neuen Anzugs vorgestreckt hatte. Entschädigungsforderungen der Hinterbliebenen verwies sie an die White-Star-Reederei. Aber auch diese drückte sich um die Zahlung (wie sie auch die Heueransprüche ihrer Angestellten genau zum Zeitpunkt des Sinkens einstellte) und verwies wiederum auf die Agentur Black. Nur dank Benefizkonzerten verschiedener Orchester konnte den Familien schliesslich eine Entschädigung gezahlt werden. Geld brachte auch das von der Musikergewerkschaft gedruckte Erinnerungsblatt mit den Porträts der acht Bordmusiker ein, das innert Monatsfrist 80 000 Mal verkauft wurde.

Vermutlich befeuert durch die schäbige Haltung von Reederei und Agentur wurden Anklagen der Angehörigen laut, man habe die Musiker ganz absichtlich geopfert. Der Vater des französischen Cellisten Roger Bricoux befragte ein überlebendes Besatzungsmitglied und bekam zu hören, «… dass die Musiker die Anweisung erhielten, die ganze Zeit über weiterzuspielen (…) dass keiner von ihnen eine Schwimmweste trug und (…) dass sie aufgrund dieser Anweisungen geopfert werden sollten, um zu verhindern, dass an Bord Chaos ausbrach.» (Bericht FIM)

Es leuchtet ein, dass die Kapelle mit Schwimmwesten nicht wirklich Normalität ausgestrahlt hätte. Als aber Wallace Hartleys Leiche – mit oder ohne Geige – aus den eisigen Fluten geborgen wurde, trug er eine Schwimmweste.


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Zukunft des Archivs «Frau und Musik» bedroht

Die internationale Forschungsstätte besteht seit 30 Jahren. Ab 2014 will das Kulturamt der Stadt Frankfurt keine Mittel mehr dafür sprechen.

Foto: lightpixel – Fotolia.com

Seit über 30 Jahren widmet sich das Archiv «Frau und Musik» der Förderung von Komponistinnen, ihrer Arbeit und ihrer Werke. Es ist Bestandteil der kulturellen Landschaft von Frankfurt und leistet mit der Sammlung, Sicherung und Veröffentlichung der kreativen Leistungen von Komponistinnen einen wichtigen kulturpolitischen Beitrag. Die vom Archiv herausgegebene Zeitschrift VivaVoce ist die einzige deutsche Fachzeitschrift zum Thema Komponistinnen und Interpretinnen.

Wie die Stiftung mitteilt, sei das Archiv «Frau und Musik» in den letzten Jahren vom Land Hessen und dem Kulturamt der Stadt Frankfurt finanziert worden. Ab 2014 habe die Stadt Frankfurt die Streichung aller bisherigen Mittel für das Archiv angekündigt und bleibe auch nach Gesprächen bei ihrer Entscheidung. Als Begründung werden Sparzwänge angeführt. Die Weiterführung und Sicherung der jahrelangen erfolgreichen Arbeit des Archivs sei nun durch die Kürzungen akut bedroht.

Damit die Zukunft dieser Einrichtung gesichert werden kann, trifft das Archiv verschiedene Massnahmen. Unter anderen hat es eine Petition an die Stadtverordneten von Frankfurt für den Erhalt der Förderung des Archivs und damit für eine sichere Zukunft der einmaligen Einrichtung gestartet. Sie kann hier unterstützt werden.
 

Kammermusik für Ohren und Augen

In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Kammermusik Basel bringt das Label bmn eine neue Tonträger-Reihe heraus. Musik zum Anhören wie auch zum Anschauen.

CD-Cover Zemlinsky-Quartett,SMPV

«Kammermusikfreunde gelten als konservativ und wenig technikaffin. Das ist jedoch ein Vorurteil, das leicht zu widerlegen ist. Die Basler Kammermusik-Gesellschaft (www.kammermusik.org) lanciert jetzt ein Label, auf dem sie ihre Konzerte im Hans Huber-Saal nicht nur akustisch dokumentiert, sondern auch visuell.
Eine Besonderheit des Labels: Die Aufnahmen erscheinen parallel auf ‹normaler› CD und auf Blu-ray Disc. Eine erste Ausgabe dokumentiert das Konzert vom 23.August 2012 mit dem Zemlinsky Quartett, indem das Streichquartett „Madrigaux“ von Jean-Jacques Dünki uraufgeführt wurde, gefolgt von Alexander Zemlinskys erstem Quartett in A-Dur. Mit auf der Blu-ray Disc ist auch das Gespräch, das Elmar Budde mit dem Komponisten Dünki führte. Die Tonqualität ist, eine entsprechende Abspielstation vorausgesetzt, sogar noch besser als bei der herkömmlichen Compact Disc.»
 Sigfried Schibli, Basler Zeitung, 20.Juni 2013


Bei der Visualisierung des Konzerts soll die Zerstreuung vermieden werden. Indem die reale Konzertsituation als Ausgangspunkt für eine einzige, konsequente Einstellung genommen wird, die – auch durch konzentrierte Ausleuchtung – fokussiert und nur eben das sehen lässt, was man im Konzert wirklich sehen kann. Auf der Blue-ray-Disc ist jeweils auch ein Gespräch mit einem der Musiker oder Komponisten aufgezeichnet.

Bisher sind erschienen:

  • Beethoven Quartett: Beethoven String Quartets op.18,4 & op.59,1, bmn20121

  • Zemlinsky Quartet, First Performance: Jean-Jacques Dünki, Madrigaux; Alexander von Zemlinsky, Streichquartett Nr. 1 A-Dur op. 4, bmn20131

  • Hansheinz Schneeberger & Bettina Boller, Violin Duos: Werke von Bach, Bartók und Berio, bmn20132

  • Valentin Valentiyev, Piano, Debut: Werke von Bach, Haydn, Chopin, Rachmaninoff, bmn20133

  • Franziska Hirzel & Jan Schultsz, Wagner and his Contemporaries: Hans von Bülow, Drei Lieder op. 1, Liederzyklus von Carl Beck op. 8 (Ersteinspielungen); Richard Wagner: Wesendonck-Lieder; Franz Liszt, Über allen Gipfeln, Hohe Liebe, bmn20134

Katalog

Moderne Technologie und Copyright

Bei der neunten Durchführung des «Musiksymposiums – The Music Metting Day» standen Neuerungen bei YouTube und Diskussionen über Segen und Fluch von Streaming-Diensten wie Simfy oder Spotify im Zentrum.

Foto: XtravaganT – Fotolia.com

Eröffnet wurde das neunte «Musiksymposium – The Music Meeting Day» von Michael Grossenbacher. Bis 2009 war der Berner Teil der A-cappella-Truppe Bagatello, zwei Jahre später stellte er seine erste Soloshow auf die Beine: «Therapie». Er erzählte von einem Teenager, der ihn unlängst gefragt habe, welchen seiner zwei Traumberufe er ergreifen solle: Bäcker oder Musiker? «Meine Antwort: Willst du Geld verdienen? Dann werde Bäcker.»

Womit der von der Schweizerischen Vereinigung der Musikverleger erstmals im Zürcher Hallenstadion durchgeführte Anlass im Nu bei einer Kernfrage angelangt war: Was muss ein Musiker alles unternehmen, um auch von seiner Kunst leben zu können? Wenigstens teilweise. Eine abschliessende Antwort auf diese Frage bot zwar auch das folgende Referat von Oliver Heckmann, Director of Engineering YouTube, nicht, aber: Der Vertreter des 2005 gegründeten Unternehmens zeigte Wege auf, wie via YouTube Geld generiert werden kann. Auch in der Schweiz. Möglich ist dies dank der Freischaltung von www.youtube.ch – seit April steht die Site jetzt Produzenten von Content, aber auch Werbetreibenden zur Verfügung. Für Schweizer Musikschaffende, die bei der Suisa angemeldet sind, bleiben die Geldtöpfe des Tochterunternehmens von Google Inc. bis auf weiteres verschlossen, denn noch sind sich die Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik und YouTube uneinig, wie hoch die Entschädigung pro gespieltem Clip ausfallen soll. «Wir sind am Verhandeln und ich glaube, dass bald eine Einigung erzielt wird», gab sich Heckmann optimistisch. Ebenfalls für die Schweiz freigeschaltet wurden die sogenannten Partnerprogramme. Mit diesen können Produzierende auf YouTube eigene «Kanäle» kreieren, was beispielsweise Julia Graf alias Miss Chiveous auch schon gemacht hat. Mit Erfolg. Die Bernerin hat sich – Stand Mitte September – einen Kreis von 564 935 Abonnenten aufgebaut. Allerdings ist Graf keine Musikerin, sie erteilt Schminktipps. Musikschaffende, die der Suisa angehören, finden sich bei den Partnerprogrammen noch keine. Auch hier gilt: Erst muss es zu einer Einigung zwischen der Verwertungsgesellschaft und YouTube kommen. «Um jetzt oder später in ein Partnerprogramm aufgenommen zu werden, muss man zudem gewisse Bedingungen erfüllen», führte Heckmann aus. Wer sich etwa schon einmal einer Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht hat, kommt nicht mehr in Frage.

Heckmann malte ein blühendes Zukunftsszenario, sprach von der Milliarde YouTube-Nutzer, vom letztjährigen Wachstum um 50 Prozent und von den sechs Millionen Videos, die Monat für Monat auf das Portal hochgeladen werden. Die Chancen, via YouTube dereinst den einen oder anderen Franken verdienen zu können, sind zweifelsohne intakt. Um welche Beträge es sich dabei handeln könnte, ist hingegen offen. Zum Vergleich: In den USA schüttet YouTube pro 1000 Videostreams rund 10 Dollar aus, die es dann unter sämtlichen Rechteinhabern aufzuteilen gilt. Der Durchschnittsmusiker wird von derlei Summen nicht leben können. Es wäre ein Zubrot. Wie sagte doch Heckmann? «Je bekannter ein Musiker ist, desto schneller sollte er mit uns in Kontakt treten.»

Die «Mittelklasse» verdient fast kein Geld mehr
Beim Panel «Download vs. Streaming», äusserte Steffen Holly Verständnis für die Konsumenten. «Selber bin ich ja auch begeistert von den bestehenden Angeboten», sagte der Head of Business Unit Media Management & Delivery. Unter diesen würde vor allem die «Mittelklasse der Musiker» leiden. «Sie verdienen fast kein Geld mehr.» Eine Tatsache, die Dennis Hausammann, Mitinhaber iGroove Switzerland, mit Zahlen verdeutlichte: «Rund eine Million Streams sind nötig, damit ein Musiker nur schon seinen monatlichen Krankenkassen-Beitrag bezahlen kann.» «Kleinere» Künstler würden das Gros ihrer Einnahmen via iTunes erzielen und nicht etwa via Streamingdienste wie Simfy oder Spotify, sagte Hausammann. Man müsse den neuen Technologien eine Chance geben, plädierte Julie Born, Director Sony Music Schweiz. «In Schweden wurden bereits drei Millionen kostenpflichtige Premium-Streaming-Abos gelöst, in der Schweiz sind es bis jetzt erst gut 75 000.»

Alexander Herbst, CEO Simfy, erklärte: «Wir zahlen bereits einen siebenstelligen Betrag an die Major-Labels aus. Und einen deutlich kleineren an die Unabhängigen.» Doch das werde sich regulieren, gab er sich überzeugt. «Es wird wohl zu einer ehrlicheren Verteilung kommen.» Sein Unternehmen, das in Berlin beheimatet ist und an die 20 Millionen Songs im Streaming-Angebot hat, komme derzeit gut über die Runden, aber: «Auch für uns wachsen die Bäume nicht in den Himmel.» Poto Wegener, Direktor Swissperform, kritisierte, der momentan von Simfy und Spotify ausbezahlte Betrag pro Stream sei viel zu gering. Und als eines der Hauptprobleme machte er fehlende Transparenz aus. «Ich möchte von den Streaming-Diensten endlich mal wissen, was im Durchschnitt pro Stream ausgeschüttet wird.» Die Antwort von Alexander Herbst: «Wir geben einzig bekannt, wie viele Streams passieren.»

Trotz aller Differenzen schien die Mehrheit der Gesprächsteilnehmer an die Zukunft von Streaming-Diensten zu glauben. Und daran, dass sich Musiker auf diesem Wege wieder mehr Einkommen verschaffen könnten. «Ich denke, dass die Entwicklung nun wieder in Richtung Künstler und zulasten der Labels geht,» schloss Steffen Holly.

Neue Werke mit Bezug auf Strawinskys «Histoire du Soldat»

Das Projekt «Stravinskij revisited» führt russische und schweizerische Partner mit dem kulturellen Erbe beider Länder zusammen und bringt sie in einen Dialog.

Robert Delaunay: Igor Strawinsky (1882-1972)

Die beiden ausführenden Ensembles des Projektes Stravinskij revisited repräsentieren das luzid-apollinische und das dunkel-dionysische Prinzip: Das Moscow Contemporary Music Ensemble ist das aktivste und renommierteste Spezialistenensemble für zeitgenössische Musik in Russland. Es spielt in einer für die Neue Musik bereits «traditionellen» Kammerensemblebesetzung mit Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, Klavier und Schlagzeug. Demgegenüber spielt das Kontra-Trio über in einer Besetzung, die jeden traditionellen Klangrahmen sprengt. Mit Kontrabass-Flöte, Kontrabass-Saxofon und Tuba lotet das Schweizer Trio die ganz tiefen, die chthonischen Klänge aus.

Die fünf Uraufführungen nehmen auf je eigene Art musikalisch oder thematisch auf die Histoire du Soldat von Igor Strawinsky Bezug (Märchen, Marschieren, Soldat, Teufelspakt usw.). Zu hören sind Werke von Vladimir Rannev und Vladimir Gorlinskij aus Russland sowie Roland Moser und Katharina Rosenberger. Dabei handelt es sich um Kompositionsaufträge für jeweils eines der beiden Ensembles. Hinzu kommt ein Remix von Fragmenten aus Strawinskys Histoire du Soldat. Dieser wurde vom Schweizer Komponisten Thomas K.J. Mejer für die beiden Ensembles gemeinsam komponiert.
 


Tourneedaten

Eve-Maud Hubeaux gewinnt Tebaldi-Wettbewerb

Die junge Mezzosopranistin Eve-Maud Hubeaux, die neben dem schweizerischen Jugendmusikwettbewerb bereits renommierte internationale Preise gewonnen hat, ist im Rahmen des Internationalen Renata Tebaldi Wettbewerbs in San Marino einstimmig mit dem ersten Preis und dem Spezialpreis für die jungste Teilnehmerin ausgezeichnet worden.

© Eve-Maud Hubeaux

Eve-Maud Hubeaux hat am Konservatorium von Lausanne Klavier und Gesang studiert Weitere Studien absolvierte sie im Atelier Scénique von Christophe Balissat und in Meisterkursen unter anderem bei Peter Galliard, Julian Gavin und Laura Sarti.

Im Juli dieses Jahres hat Eve-Maud Hubeaux bereits den 2. Preis beim internationalen Hans Gabor Belvédère Wettbewerb (Muziektheater Amsterdam) und die Kirsten Flagstad Festival Grant gewonnen.

Eve-Maud Hubeaux war Mitglied des Opernstudios der Opéra national du Rhin (Strassburg / Colmar) wo sie bis zum Ende der Saison 2010/2011 an verschiedenen Produktionen mitwirkte. Im November 2010 gab sie überdies ihr Debüt an der Oper in Frankfurt als Waltraut in Wagners Walküre.

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