Eine Maschine für zwei Instrumente

Das Ravel-Duo für Violine und Violoncello stiess die ersten Zuhörer vor den Kopf.

Bild: Didi01/pixelio.de

Heute ist es kaum vorstellbar, dass Maurice Ravels viersätzige Duosonate für Violine und Violoncello bei der Uraufführung 1922 und unmittelbar danach beim Publikum auf Unverständnis stiess. Die bis dahin ungewohnte Behandlung der Streichinstrumente – Ravel liess sich von den Interpreten beraten, was auf der Geige und dem Cello an Spieltechniken alles möglich war – und die «Versachlichung» und «Entromantisierung» der Tonsprache markieren einen Wendepunkt im Schaffen des Komponisten. Als «eine Maschine für zwei Instrumente» hat er diese Sonate selbst bezeichnet. Hélène Jourdan-Morhange, die Geigerin der Uraufführung, berichtet in ihren Memoiren von der akribischen Arbeit mit dem Komponisten und meint: «Das Duo, von geradezu abstossender Wirkung bei der ersten Begegnung, verbirgt Schätze, aber es behandelt die Violine sehr hart.»

Heute gehört das Ravel-Duo zu den Hauptsäulen des Repertoires für diese Besetzung, wenn es auch hohe Ansprüche an die Ausführenden stellt. An die «Härte» haben wir uns längst gewöhnt, empfinden gar weite Teile dieser Sonate als ausgesprochen lyrisch! Neben der traditionellen Ausgabe von Durand & Co., Paris, bietet jetzt Bärenreiter eine neue Urtext-Edition des Werks. Die herangezogenen Quellen werden im Vorwort und im Anhang angegeben und teilweise sogar als Faksimile des Autografs abgebildet; ferner werden die Beschreibungen von Jourdan-Morhange ausführlich zitiert. Ausgesprochen hilfreich für die Aufführung sind die Darstellung als grossformatige Spielpartitur (wahlweise kann das Violoncello den ersten Satz auch «einstimmig» lesen) und der ausgeklügelte Seitenumbruch, der ein lückenloses Spiel ermöglicht. Allerdings muss einige Male der Geiger oder die Geigerin für das Violoncello umblättern!

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Maurice Ravel, Sonate en quatre parties
pour violon et violoncelle,
Urtext hg. von Douglas Woodfull-Harris,
2 Spielpartituren, BA 9417, € 22.95,
Bärenreiter, Kassel 2013

Geniale Charakterstücke

Die Klavierfassung der «Bilder einer Ausstellung» aussergewöhnlich reich kommentiert.

Viktor Hartmanns Anregung zum «Ballett der unausgeschlüpften Küken». wikimedia commons

«Wir zögern nicht, dieses Werk als die bedeutendste Klavierschöpfung russischer Meister bis auf den heutigen Tag hinzustellen. Gewiss lässt sich an dieser Sammlung von zehn Charakterstücken (…) manches bemängeln. Aber eine geniale, urwüchsige Schöpferkraft, vor der alle Kritik verstummen muss, prägt diesen Stücken den Stempel des ganz Einmaligen auf.» Treffender als dies vor Jahrzehnten Klaus Wolters in seinem immer noch unübertroffenen Handbuch der Klavierliteratur (Atlantis, Zürich, 5. Auflage 2001) tat, kann man die Faszination, die Mussorgskys Bilder einer Ausstellung ausüben, kaum formulieren.

Der Bedeutung des Werkes angemessen, hat der Bärenreiter-Verlag nun einen aussergewöhnlich reich kommentierten Urtext editiert. Das Vorwort des Herausgebers Christoph Flamm mit Angaben zur Werkentstehung, ausführlichen Gedanken zu den einzelnen Bildern sowie aufführungspraktischen Anregungen ist spannend zu lesen und geht weit darüber hinaus, was bisherige Ausgaben publiziert haben.
Dass sich bei so viel Material auch Widerspruch zutage kommt, liegt auf der Hand, bei der Behauptung etwa, das Werk eigne sich gar nicht für eine Orchestrierung, untermauert durch Swjatoslaw Richters bissige Bemerkung: «Ich lehne die Orchesterfassung dieses Werkes ab und hasse sie …» Auch bei der Korrektur einiger «Irrtümer» im Notentext wird gelegentlich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die neuen Lesarten in Takt 17 der ersten Promenade etwa wären selbst für den eigenwilligen Mussorgsky schlicht zu absurd (ein a wäre wohl eher angebracht. Die Handschrift des Komponisten ist allerdings mehrdeutig!)

Der Notentext selber, ganz ohne Fingersätze, überzeugt durch Klarheit und Übersicht. Im Anhang finden sich noch einige schwarzweiss Abbildungen der Vorlagen von Viktor Hartmann, an den das Werk ja erinnern sollte. Wer noch mehr praktische Hinweise zur Interpretation finden möchte, dem sei die Wiener Urtext Edition von Manfred Schandert und Vladimir Ashkenazy ans Herz gelegt. Gerade Ashkenazys Erfahrung mit den Bildern einer Ausstellung sowohl als Pianist wie als Dirigent und Herausgeber einer eigenen Orchesterfassung prädestinieren ihn in hohem Masse, den Dingen auf den Grund zu gehen. Auch diese Ausgabe ist bebildert – sogar in Farbe.

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Modest Mussorgsky, Bilder einer Ausstellung. Erinnerung an Viktor Hartmann, für Klavier, Urtext hg. von Christoph Flamm, BA 9621, € 14.50, Bärenreiter, Kassel 2013

Akkordeontechnik

Übungen in stetig ansteigendem Schwierigkeitsgrad zur Begleitung einer Schule.

Foto: Kaspar Ruoff

Das neue Heft Technical Basics von Heinz Hox für Piano-Akkordeon (Standardbass) kommt sehr übersichtlich und in eher grosser Notation daher – alles in allem, sehr «anmächelig». Der Autor erwähnt in seinen Vorbemerkungen, dass er es für Einsteiger, Wiedereinsteiger, aber auch fortgeschrittene Akkordeonspielerinnen und -spieler zusammengestellt hat. Die Übungen sind als Ergänzungen zu Akkordeonschulen gedacht. Einige Hinweise zur Haltung des Akkordeons scheinen mir eher gewagt formuliert, denn was soll ich verstehen unter «ergonomisch richtig verbunden mit dem Instrument» oder was ist denn die «richtige Grösse»? Glücklicherweise wird diesbezüglich sicher die Lehrperson Klarheit schaffen.

Bei den Anmerkungen zu den einzelnen Übungen, findet die Empfängerin oder der Empfänger jede Menge interessanter und wertvoller Ideen zu variantenreichem Üben. Dies geht von unterschiedlicher Artikulation, über Tempoveränderungen bis zu rhythmischen Varianten. Die Herausforderungen beginnen mit dem Fünftonraum in der rechten Hand, gefolgt von ähnlichen Übungen für die linke Hand, gehen dann über Spreizungen, Dur- und Moll-Tonleitern, bis hin zu Fesselfingern, Intervallen, Akkorden, Jazz-Harmonien und Kadenzen. Ein ideales Fortschreiten und eine breite Abstützung sind also gewährleistet.

Ebenfalls zu erwähnen sind die passenden, ergänzenden Videosequenzen im Internet (www.heinzhox.de). Aufgefallen sind mir dabei jedoch die oftmals ungünstige Balgführung beim Schliessen (zu starkes Anheben des Balges, das zu einem grossen Unterbruch führt) und auch die zum Teil ungenaue Koordination zwischen Taste und Balgwechsel. Mit der ruhigen Haltung der rechten Hand kann ich mich sehr anfreunden. Weshalb aber die Finger der linken Hand oft mit so viel Distanz auf die Knöpfe auftreffen, wodurch ein sehr lautes Tastengeräusch entsteht (und der Klang entsprechend secco ausfällt), kann ich nicht nachvollziehen. Das Werk bietet auf jeden Fall einiges an Material, um ein stabiles technisches Fundament zu legen.

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Heinz Hox, Technical Basics. Technische Übungen für Piano-Akkordeon (Standardbass), für Einsteiger und Fortgeschrittene, VHR 1850, € 13.80, Holzschuh-Verlag, Manching 2013

Amateure – Musik einfach lieben

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff «Amateur»? Inwiefern sind Profis und Amateure voneinander abzugrenzen? Was sagen unsere Leserinnen und Leser, aber auch Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur dazu?

Amateure - Musik einfach lieben

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff «Amateur»? Inwiefern sind Profis und Amateure voneinander abzugrenzen? Was sagen unsere Leserinnen und Leser, aber auch Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur dazu?

Focus

… wie der Pfuscher zum Handwerk?
Eine Hommage an den Amateur und seine Vorläufer

Gibt es im Musikbetrieb einen Dilettantengraben?

Leserinnen und Leser antworten

Partager son savoir-jouer
Petit panorama des musiciens amateurs en Suisse romande

Singen Amateure schöner als Profis?
Die Leiterin des Europäischen Jugendchorfestivals sucht Antworten

Die Anerkennung ist mit Geld nicht aufzuwiegen
Gespräch über die Laienförderung des BAK und von Pro Helvetia

… und ausserdem

RESONANCE

Zum Tod von Christian Buxhofer: Nachruf von Markus Fleck

Pianos historiques : témoins des caractéristiques stylistiques du passé

In Bruno Molls neuem Film interpretieren Amateure Schubertlieder

Maria Portens Hexen-Konzerte und Mischa Käsers Verhext

Le jeune festival lausannois N/O/D/E

Rezensionen Klassik/Jazz/Rock & Pop — Neuerscheinungen Bücher, Noten, CDs

Carte Blanche mit Michael Kube

CAMPUS


Modelle der Begabungsförderung am Forum Musikalische Bildung

Les Concerts sacrés de Duke Ellington par les étudiants de l’HEMU

Freischaffende Musikpädagogen seit Zwinglis Zeiten

Rezensionen — Rezensionen Unterrichtsliteratur

klaxon — Kinderseite

FINALE

Rätsel Jean-Damien Humair sucht

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Hexen, Nymphen und die ewige Loreley

Jungen Musikerinnen eine Auftrittsmöglichkeit zu geben ist verdienstvoll, dies mit einem geschickt zusammengestellten Programm zu tun, noch mehr. Ein «Hexen»-Konzert in Zürich, Schaffhausen und Wetzikon machte es vor.

Carl Joseph Begas, Lurelei, 1835. Foto: Wikimedia Commons
Hexen, Nymphen und die ewige Loreley

Jungen Musikerinnen eine Auftrittsmöglichkeit zu geben ist verdienstvoll, dies mit einem geschickt zusammengestellten Programm zu tun, noch mehr. Ein «Hexen»-Konzert in Zürich, Schaffhausen und Wetzikon machte es vor.

Seit Menschengedenken haben Frauen für die männliche Welt eine bedrohliche Seite: unheimlich, verführerisch, vergiftend und des Teufels. Hexen wurden in der Schweiz bis 1782 verbrannt. Die verführerisch-verhängnisvolle Frau, die Femme fatale, inspirierte zahllose Maler, Dichter oder Komponisten; Nixen und Nymphen waren besonders im Fin de Siècle der Renner in Literatur und Kunst. Tempi passati?

Nicht ganz, denn auch in jüngster Zeit gibt es in Afrika und Asien wieder Beispiele von Hexenverbrennungen: Die Komponistin Maria Porten hat dies zum Anlass genommen, das Konzert Hexen zu realisieren, in welchem sie nach eigenen Angaben «verschiedene Aspekte der Zauberei und des Verzaubertseins» darstellen wollte. Der Abend reichte vom romantischen Strophenlied bis zur Uraufführung des Hexenprozesses von Porten, die alle von den jungen Musikerinnen hervorragend interpretiert wurden.

Der Loreley, die mit ihrem Gesang die Männer anzieht und ins Unglück stürzt, waren die ersten Lieder gewidmet. Es ist schon harmlos, wie Friedrich Silcher in seiner berühmten Vertonung des ebenso berühmten Heine-Gedichtes diese Geschichte vertont; als ob das Elfenwesen kein Wässerchen trüben könnte. Eine Demonstration romantischen Schöngeistes, von Anna Herbst mit betörender Kantilene gesungen. Da war Franz Liszts Vertonung schon abgründiger; er deutet den Text, dramatisiert und stellt das Unglück der Schiffer heraus.

Ein Bild weiblicher Sehnsucht verkörpert Rusalka. Die berühmte Arie aus Dvořáks gleichnamiger Märchenoper sang Anna Herbst in Originalsprache mit Schmelz, einfühlsam begleitet von Sarah Tabitha Staehli am Klavier. Max von Schillings 1903 komponiertes Melodram Das Hexenlied trug Werner Bärtschi als Sprecher und Pianist in Personalunion vor. Gefangen in der Atmosphäre des Fin de Siècle, handelt es von einem verliebten Mönch, der die Melodie, welche die geliebte Hexe auf dem Scheiterhaufen sang, nicht vergessen kann. Eine suggestive, leitmotivische Musik mit einer Anziehungskraft, wie sie den Sirenen eigen ist. Bärtschi gestaltete das zeitgebundene Drama eindringlich.

Diesen Projektionen der Männerwelt des 19. Jahrhunderts stellte Maria Porten ihre Sicht der Hexen gegenüber – witzig, verspielt, elfenhaft, also durchaus positiv. Ihre gestische Musik hat etwas Einheitliches in allen Werken. Zuerst erklang ihre Vertonung von Brentanos Ballade Zu Bacharach am Rheine für Sprechstimme und Cello, dann der kleine Zyklus Beim Hut des Hermes für Sopran, Cello und Harfe auf Texte von Ariane Braml. Porten spielt mit allerlei Klängen und Zutaten. Dramaturgisch geschickt aufgebaut jeweils das Zwiegespräch zwischen Cello – dramatisch und virtuos gespielt von Ioanna Seira – und Singstimme (Anna Herbst). Witzig das titelgebende Stück mit Tanzrhythmen, Schlagen auf den Harfenkörper oder Einsatz einer Pfeife; klangsinnlich evozierte die Harfe im letzten Lied das Wabernde des Dichten Nebels (Corinne Kappeler).

Zum Schluss folgte als Uraufführung der kurze Hexenprozess, ein Stück für Sopran, Harfe, Cello und Klavier. Dem laut Porten «schockierenden Blick auf die Hinrichtung eines unschuldigen Naturwesens» fehlte musikalisch allerdings der Biss, auch wenn am Ende mit kräftigen Cello-Strichen und Klavierclustern ein kleiner Ausbruch gewagt ist. Ein Konzert, das weniger die Schrecknisse und männlichen Sichtweisen der Femme fatale thematisierte, als abwechslungsreiche und atmosphärisch dichte Momente bot.
Die Konzerte fanden in Zürich, Wetzikon und Schaffhausen vom 24. bis 26. Januar stat
 


Uraufführung von Mischa Käsers «Verhext»

«Ein musiktheatralisches Minenfeld» nennt der Komponist, Choreograf und Regisseur seine neuste Produktion, die am 23. Januar im Tanzhaus Zürich vor vollem Haus ihre Uraufführung erlebte.

Sibylle Ehrismann — Was auch immer auf der Bühne erklingt und geschieht, Mischa Käser hat alles im Griff. Schon wenn er die Musik konzipiert, ist sie immer mit Bewegungs- und Handlungsideen verknüpft, die er dann auch auf der Bühne umsetzt. Ausgangspunkt und Inspiration dieser Aufführung ist Rico Czerwinskis Reportage Verhext, die von einem emotionalen Minenfeld erzählt: Tochter, Vater, Mutter.

Als «Leitfaden» dienen die Aktionen der Tochter Tanja (Jelena Dojćinović). Sie «choreografiert» die Tänzer wie surreale Erinnerungsbilder und lässt sie so auf ihre unglaubliche Familiengeschichte los. Es entstehen rätselhafte Bildfolgen, die stets auf gescheiterte Beziehungen verweisen.

Lisa Beese, Kilian Haselbeck, Sonja Rocha und Nicolas Turicchia tanzten diese extremen Choreografien mit ausdrucksstarker Heftigkeit und überzeugender Sinnhaftigkeit. Dazu spielte und improvisierte der Kontrabassist Daniel Studer gestisch virtuos und beredt. Studer stand links von der Bühne, rechts davon war ein Streichquartett des Collegium Novum Zürich positioniert, alles hervorragende Musikerinnen und Musiker. Käsers skurrile choreografische Einfälle und seine poetisch suggestive Musik ergänzten sich so immer wieder zu grandiosen «Albtraumbildern».
 

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Der Star hinter den Kulissen

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren. Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust.

Foto: Arosa Kultur
Der Star hinter den Kulissen

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren. Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust.

Es waren drei Herzen, die in seiner Brust schlugen. Eines gehörte seiner Familie, als Ehemann und Vater eines 13-jährigen Jungen, eines dem Bündner Tagblatt, das er als Chefredaktor jahrelang prägte, und eines der Kultur, namentlich der Musik, der er in Arosa eine breit gefächerte Plattform bot. Und vielleicht war es am Ende die brennende Leidenschaft für diese Dinge, die sein sterbliches Ich zu früh vollendete.

Jeder einzelne dieser Lebensbereiche erfuhr eine so hohe Aufmerksamkeit und Zuwendung, dass es kaum vorstellbar ist, wie dies alles in einem 24-Stunden-Tag Platz haben konnte. Christian Buxhofer aber war ein sehr aussergewöhnlicher Mann. Kennengelernt habe ich ihn anlässlich eines Konzertes, das ich mit meinen Mitmusikerinnen und Mitmusikern vom casalQuartett 2006 in Arosa gab, anlässlich des 100. Geburtstages von Hans Schäuble, dem dort 1906 geborenen Komponisten. Aus diesem Zusammentreffen entwickelte sich das Arosa Musikfestival, eines der vielen Projekte, die Christian Buxhofer initiierte und durch die Anbindung von Partnern aller Art pragmatisch in die Realität umzusetzen wusste. In wenigen Tagen wird es – ein letztes Mal von ihm geprägt – über die Bühne gehen.

Seit 1985 engagierte er sich ehrenamtlich für die Kultur, ausgerechnet im kleinen Bergdorf Arosa auf 1800 Höhenmetern. Man kann durch dieses Dorf nicht hindurch, nur ankommen und wieder gehen. Es ist immer Ziel, nie zufällige Station. Es ist ein Ort, den die Natur rau und wild umgibt, der aber gleichzeitig so viel Wärme, Geborgenheit und Sehnsuchtspotenzial entwickeln kann, dass man dort schnell in eine Art Bindungsfalle hineinläuft. Sich auf Arosa einlassen, heisst: entweder ganz oder gar nicht. Halbheiten haben keine Chance.

Christian Buxhofer war kein Mann für halbe Sachen. Er hatte die seltene Gabe, seinen Anliegen unablässig und auf sanfte Weise Nachdruck zu verleihen, auch gegen Widerstände und ohne Aussicht auf persönliche Lorbeeren. Echte Wertschätzung seiner Arbeit machte ihn überglücklich, aber er forderte sie nicht ein. Sein grösster Lohn war, dass, was er anstiess, Erfolg hatte, Qualität aufwies.

Heute, mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn seines Engagements – damals war er Lehrer in Arosa – ist seine frühere Wahlheimat europaweit der Ort mit den meisten Musikkursen von der Keltischen Harfe bis zum Kinderchor, verfügt über ein Opernfestival im Sommer, ein Osterfestival mit gemischtem Programm zwischen Klassik und Folklore sowie seit drei Jahren eine sommerlichen Music Academy, ein Magnet für zahlreiche Musikstudenten aus aller Welt. Aber nicht nur die Schwergewichte der Jahresplanung lagen Christian Buxhofer am Herzen, sondern auch kleine und feine kulturelle Kontinuitäten, wie die wöchentlichen Konzerte im akustisch wunderbaren und optisch reizvollen Bergkirchli. Wer in Arosa ist, weiss, dass er jeden Dienstag um 17:00 Uhr ein Konzert hören kann. Gratis und mit oft überraschendem Inhalt im intimen, archaischen Kirchenraum mit Blick auf das Dorf und eine herrliche Gebirgskulisse.

Aber Buxhofer war nicht nur Ideengeber, sondern auch bienenfleissiger Macher und kongenialer Netzwerker. Er hielt alle Fäden in der Hand, hochvirtuos und vielseitig, charismatisch und verbindlich, geduldig und insistierend, kenntnisreich und enthusiastisch. Aufgegeben hat er nie, für ihn gab es für jedes Problem eine Lösung und meist war er es, der die Lösung tatsächlich beibrachte.

In seiner Arbeit für das Bündner Tagblatt war er vor allem den politischen Themen nahe. Ja, er hätte auch selbst Politiker sein können. Seine Fähigkeit zur Kommunikation und sein Sendungsbewusstsein, seine Überzeugungen und sein Gemeinsinn wären perfekte Voraussetzungen gewesen. Aber er kannte die Fallstricke wohl zu gut. Das Faule-Kompromisse-Machen hätte ihm sehr zugesetzt. Christian Buxhofer konnte man nicht für Zwecke verbiegen, die ihm nicht einleuchteten. Seine Bodenständigkeit und Geradlinigkeit sorgten für einen klaren Kopf, dem der Sinn seines Tuns wesentlich war. Aber auch Unabhängigkeit und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, waren ihm einfach zu wichtig. Im Bereich der Kultur konnte er sich so engagieren, wie er es für richtig hielt.

Als Amateurorganist kannte er die Musik und die oft anspruchsvolle Ausprägung künstlerischer Charaktere und Eigenheiten so gut, dass er sich perfekt darauf einstellen konnte. Es konnte nicht sein, dass er nicht zurecht kam mit einem Musiker, er wusste Befindlichkeiten zu erkennen, Bedürfnisse zu sehen und zu erfüllen, ohne sich dabei zu verbiegen. So machte er sich diskret und absichtslos beliebt und war als Partner gesucht. Man vertraute sich ihm an, man übergab ihm blindlings Verantwortung, einfach, weil er so ein gewinnendes Wesen hatte. Umgekehrt konnte man ihm auch fast nichts abschlagen, er überzeugte, ohne grosse Worte und Gesten, einfach so.

Wir Musiker sind glücklich, wenn wir spüren, dass das, was wir tun, akzeptiert wird. Wenn wir Ohren finden, die zuhören, Worte, die ermuntern, Augen, die begeisterungsfähig sind … Freilich war Christian Buxhofer nicht naiv. Er war ganz im Gegenteil psychologisch höchst raffiniert oder besser: feinfühlig. Jede Fassade, jede Allüre konnten ihn regelrecht erschüttern. Sie beleidigten seinen Sinn für Balance. Ihm war der Dienst an der Kunst so heilig, dass er Egozentrik und nervenaufreibendes Tamtam als das empfand, was es ist: überflüssig. Ihm war wichtig, dass man für die Sache brannte, sei es nun in Arosa oder in der Carnegie-Hall in New York …

Es ist ein Unterschied, ob man einem Künstler eine Bühne zur Verfügung stellt, oder ihm diese bereitet. Das konnte Christian Buxhofer wie wenig andere. Er hinterlässt nicht nur eine Familie, sondern auch eine riesige, bestürzte, trauernde Künstlerfamilie und regelrechte Fangemeinde. Ein stiller Star hinter den Kulissen war er und ein weitherum geachteter und geschätzter Freund.

Für Arosa, Graubünden, ja für die ganze kulturelle Schweiz ist sein Tod ein enormer Verlust. Seine Werke fortzusetzen ist eine gewaltige Aufgabe und dringliche Pflicht zugleich.

Christian Buxhofer starb völlig unerwartet am 16. Februar im Alter von 52 Jahren.
 

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Von Zwingli bis SMPV

Eine kleine Geschichte der öffentlichen Musikkultur und der freischaffenden Musikpädagogen am Beispiel Zürichs. Trennlinien zwischen Amateuren und Profis sind dabei nicht zu ziehen.

Hans Georg Nägeli-Denkmal in Zürich. Foto: Roland zh/WikiCommons
Von Zwingli bis SMPV

Eine kleine Geschichte der öffentlichen Musikkultur und der freischaffenden Musikpädagogen am Beispiel Zürichs. Trennlinien zwischen Amateuren und Profis sind dabei nicht zu ziehen.

Eine höhere Musikkultur hat in der Schweiz nicht erst im 20. Jahrhundert begonnen. In früheren Jahrhunderten sind zwar mit Ausnahme des am Hofe Kaiser Maximilians wirkenden Ludwig Senfl wenig leuchtende Komponistennamen zu verzeichnen, es existierte jedoch ein reges Musikleben. Mit Nachdruck muss auch der Legende entgegengetreten werden, mit der Reformation von Zwingli und Calvin habe sich ein Raureif über das Musikleben der reformierten Orte gelegt. Das Gegenteil ist der Fall. Huldrych Zwingli sang hervorragend und spielte nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen folgende Instrumente: «Lauten, Harpfen, Geigen, Pfeifen, Rabögli, Schwäglen, Trummscheit, Hackbret, Zinken, Waldhorn». (1) Er komponierte kunstvolle polyfone Gesänge und traf sich im privaten Kreis mit anderen Musikfreunden, zum Beispiel mit dem Pfarrer Leo Jud, regelmässig zu gemeinsamem Singen am Abend.
Psalmbücher aus Basel und Konstanz kursierten in Zürich zur Privaterbauung, und bald traten Gesangbücher aus der einheimischen Druckerei Froschauer hinzu. Musikkollegien bildeten sich, in welchen eifrig gesungen, Instrumente gespielt und für die so genannten «Quartalsbötter» geprobt wurde. In Zürich existierten drei, deren Gründungsjahr im Dunkeln liegt. Sie schlossen sich 1812 zur Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich zusammen, die Konzerte mit bunten Programmen, Oratorien, Opern und Singspiele zur Aufführung brachte.

Schulmeister, Pfarrherren, Komponisten
Was hat das alles mit dem freischaffenden Musikpädagogen zu tun? Sehr viel, denn eine so eifrige Musikpflege bedarf der Ausbildung, die meist in den Händen von Schulmeistern, gelegentlich auch von musikliebenden Pfarrherren lag, wobei die Grenze zwischen professionellen Musikern und Amateuren schwierig zu ziehen ist. Zwingli gründete in Zürich bereits 1528 die erste Musikschule und berief dazu als Leiter einen Musiker namens Hans Vogler. Heinrich Bullingers Schulordnung für die Lateinschule von 1532 forderte das Singen von carmina an drei Tagen pro Woche. Chor- und Instrumentaleinlagen in Schul- und Volksdramen sind u. a. für Zwingli bezeugt. (2) Zwei Lehrbücher für den Gesangsunterricht von Johannes Frisius wurden bei Froschauer 1552 und 1554 gedruckt.

Was aber geschah im Gottesdienst? Winterthur und Stein am Rhein führten bereits 1559 den Kirchengesang ohne Instrumentalbegleitung wieder ein; der Rat der Stadt Zürich zögerte länger, bis er 1598 den entsprechenden Beschluss fasste. Neben dem Psalmgesang, dessen 125 Melodien von Guillaume Franc, Loys Bourgeois und Pierre Davantès stammen, gab es im ersten offiziellen Zürcher Gesangbuch von 1598, dem später sogenannten Lobwasser, die «Gebräuchlichen Psalmen» (die seit Jahrzehnten in Zürich gedruckten Psalmlieder). Dazu kamen dann immer weitere geistliche Gesänge, zunächst einstimmig, bald aber vierstimmig gesetzt, wobei Bourgeois den Cantus firmus wie damals üblich in den Tenor setzte, die Choralmelodie später jedoch durch Tausch von Sopran und Tenor nach oben verlegt wurde. Fassbar wird dieser vierstimmige homofone Satz in der dritten Auflage des Zürcher Gesangbuches von 1641. Diese Art des Kirchgesangs hielt sich als Ersatz der Instrumentalbegleitung zäh, Reste davon bis in unsere Tage. Denn ein Teil der Lieder wird in den schweizerischen Kirchengesangbüchern immer noch vierstimmig gedruckt. Das vierstimmige Singen wurde in allen Schulen und im kirchlichen Unterricht regelmässig geübt.
Das Repertoire, das in den drei Stadtzürcher Musikkollegien gepflegt wurde, lässt sich durch aufbewahrte Notenbestände mindestens für das 18. Jahrhundert erschliessen. Es war durchaus zeitgemäss und anspruchsvoll. Neben viel Händel sind Grauns Passionsmusik, Hiller, Naumann, Rolle und früh auch Sinfonien und Messen von Joseph Haydn zu nennen. Daneben traten auch Schweizer Komponisten: Johann Caspar Bachofen (1695–1753) war theologisch bis zum Verbi Divini Minister ausgebildet, übte aber den Pfarrberuf nie aus, sondern widmete sich als Autodidakt der Musik und hinterliess einprägsame, einfache ein- bis dreistimmige Lieder mit Generalbass. Der Pfarrer Johannes Schmidlin (1722–1772) gründete und leitete das Musikkollegium in Wetzikon, Zürcher Oberland. Er unterrichtete den in Seegräben geborenen Johann Heinrich Egli (1742–1810) der von 1760 an in Zürich als gesuchter Klavier- und Gesangslehrer wirkte und gefühlvolle Lieder komponierte. Dessen acht Jahre jüngerer Schüler Johann Jakob Walder wirkte im gleichen Sinne und vertonte erbauliche geistliche Texte von Christian Fürchtegott Gellert, die 1791 im Druck erschienen und sehr beliebt wurden.

Musikpädagogen und reisende Virtuosen
Musikpädagogen gab es natürlich zuhauf. Die Genannten bilden, als Komponisten hervorgetreten, nur die Spitze eines Eisbergs. Ein Nichtkomponist sei erwähnt, nämlich der mit Goethe befreundete Philipp Christoph Kayser, bekannt als «Kunscht-Kayser» aus Stäfa am Zürichsee, 1755 geboren, der schon als 15-Jähriger in Frankfurt am Main und fünf Jahre später dann in Zürich sein Brot mit Klavierstunden verdiente. Neben den eingesessenen Musikpädagogen gab es noch die reisenden Virtuosen; zum Beispiel kam die Familie Mozart im Jahre 1766 nach Zürich, wo der zehnjährige Wolfgangerl hinten auf eine Menukarte des Hotels Storchen einen Marsch notierte. Die Virtuosen tauchten wie Sternschnuppen am Zürcher Musikhimmel auf und liessen sich gelegentlich dort auch nieder wie zum Beispiel Anton Liste, 1772 in Hildesheim geboren. Als Dirigent wurde er 1804 von den Musikkollegien für ihr Orchester nach Zürich berufen, wo er bis 1834 dem Zürcher Musikleben einen unerhörten Aufschwung verlieh und das Niveau des hauptsächlich von Amateuren bestückten Orchesters bedeutend hob. Er gründete den Liste-Gesangverein, der in Konkurrenz zu Hans Georg Nägelis Chören trat und mehrmals Haydns Schöpfung und Jahreszeiten sowie Händels Messias und weitere Oratorien vortrug. Liste galt auch als bedeutender Klaviervirtuose, dessen Klavierwerke lange Zeit geschätzt blieben.
Mit dem Namen Nägeli (1773–1836) ist der wichtigste Repräsentant der Musikpädagogen genannt. Er wuchs im musikliebenden Wetzikon auf und leitete bereits mit zehn Jahren dessen Musikkollegium. Am Herzen lag ihm vor allem das Chorwesen. 1805 gründete er das Musikinstitut mit seinem Gemischten Chor, Männerchor und Kinderchor. 1810 erschien seine Gesangbildungslehre nach Pestalozzischen Grundsätzen, 1821 seine Chorgesangschule. Ihm ist die ein ganzes Jahrhundert dauernde quantitative und qualitative Blütezeit des schweizerischen Chorwesens zu verdanken, so dass er mit Recht der «Sängervater» genannt wird.

Konservatorien, Chöre und Blasmusikvereine
Es gab angestellte Orchester- und Chordirigenten, Musikdirektoren genannt, und Singlehrer an Gymnasien, aber vor der Gründung von Konservatorien keine weiteren angestellten Musikpädagogen. Ab 1858 förderte Friedrich Hegar Zürichs Musikleben nachhaltig. Zunächst war er Konzertmeister des Orchestervereins, nach drei Jahren hingegen schon Chefdirigent. Er trug massgebend zur Gründung der Tonhalle-Gesellschaft 1868 bei, brachte internationale Koryphäen wie Brahms, Liszt, Joseph Joachim, Klara Schumann, Hans von Bülow und viele weitere zu Gastauftritten nach Zürich, hinterliess 1927 beachtliche Kompositionen und gründete 1876 das Konservatorium, das von Anfang an und noch sehr lange eine Berufsabteilung und eine Allgemeine Abteilung bot. Zürichs Konservatorium war aber längst nicht das erste in der Schweiz. Den Anfang machte Genf 1835. Es folgten 1858 Bern, 1861 das Institut de Musique de Lausanne, 1867 Basel und 1873 Winterthur. Das Konservatorium Luzern kam erst 1942 hinzu. In andern Städten und auf dem Lande existierte nichts dergleichen. Somit gab es in einigen Städten öffentlich zugängliche Musikschulen, die aber privat organisiert waren und vom Subventionstropf der Gemeinden abhingen und deren Musikpädagogen Angestellte waren. Doch die Freiberuflichen befanden sich in mächtiger Überzahl. Sie bildeten einen Wildwuchs aller möglichen Qualitätsstufen, wobei die Grenze zwischen Professionellen und Liebhabern wieder nicht zu ziehen war. Die pädagogische Arbeit von Musikliebhabern war nicht immer schlecht. Vor allem talentierte Volksschullehrer leiteten die Tausenden von Männer-, Frauen- und gemischten Chören, die ihr Können in periodischen Musikfesten miteinander massen, von einer Fachjury beurteilt. Auch sorgten die zahlreichen Blasmusikvereine in eigener Regie für den Unterricht ihres Nachwuchses. Und bei der Volksmusik gaben die Eltern ihr Können und Wissen ihren Kindern weiter, meist ohne Notenkenntnisse. Letzteres gibt es auch noch heute.
Die Sorge um die pädagogische Qualität der Musikerziehung führte im Jahre 1893 schliesslich zur Gründung des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbandes, damals «Schweizerischer Gesang- und Musiklehrerverein» genannt. Der Name bezeichnet den Schwerpunkt der Bemühungen. Im Zweckartikel der Statuten heisst es denn auch: «Hebung und Förderung des Gesanges und der Musik in der Schule, Kirche, in Haus und Verein». Nebenbei: «Gesang und Musik», diese merkwürdige Bezeichnung blieb noch lange aufrecht. Am Aufgang der Wendeltreppe zur Orgel der Predigerkirche in Zürich prangt noch heute das Schild: «Aufgang nur für Sänger und Musiker». Aus Pietät lässt man das Schild hängen. Die Mitgliedschaft des Vereines, der 1911 auf den heutigen Namen, abgekürzt SMPV, umgetauft wurde, stand auch nicht musikberuflich tätigen Personen offen. Es wurden Weiterbildungskurse für Chorleiter, Schulmusiker und Organisten angeboten. Bei der neuen Namensgebung 1911 erfolgte die «Einführung von Prüfungen für solche Musiklehrer und -lehrerinnen, die nicht im Besitze von Ausweisen über akademisch-musikalische Bildung sind». 1913 erfolgte die erste Ausschreibung solcher Prüfungen, auf die hin sich über sechzig Interessenten meldeten, von denen allerdings nur fünf zur Prüfung antraten. Die Anforderungen des leider verschollenen Reglements waren offenbar hoch. Das war der Beginn der Berufsausbildung des SMPV, die heute noch als europaweiter Sonderfall besteht, weitergeführt von der Schweizerischen Akademie für Musik und Musikpädagogik, die als Departement Musik in der Kalaidos Fachhochschule Schweiz integriert ist. An Konservatorien sind im Laufe des 20. Jahrhunderts Diplomprüfungen für Musikpädagogen erst allmählich eingeführt worden, was die Pioniertat des SMPV erst verständlich macht.

Freiberufliche Musikpädagogen heute
Die Gründungswelle von Musikschulen, zunächst mehrheitlich Jugendmusikschulen, in den Sechziger- und Siebzigerjahren, führte zu einem flächendeckenden Netz von heute rund 440 dem Verband Musikschulen Schweiz angeschlossenen Musikschulen. Eine Zeit lang glaubte man, mit dieser Umwälzung sterbe der freiberufliche Musikpädagoge aus. Auch wenn viele ehemalige Jugendmusikschulen heute ebenfalls Erwachsenenunterricht anbieten, ist das Gegenteil der Fall. Denn viele Professionelle finden entweder keine Anstellung oder nur ein kleines Pensum an einer Musikschule und unterrichten daneben privat. Dasselbe gilt für diejenigen, die nicht vollamtlich in einem Orchester spielen oder die ihre Gesangskarriere beendet haben. Weitere Nischen steigender Bedeutung tun sich auf bei der hochwichtigen Förderung der Kleinkinder in Eltern-Kind-Singkursen, der musikalischen Elementarerziehung im Vorschul- und ersten Schulalter bis zur Musikgeragogik.
Was ist das Fazit dieses historischen Spazierganges? Neben der notwendigen Professionalisierung der Musikpädagogen darf die Breitenwirkung musikalischer Betätigung und Bildung nicht aus den Augen verloren werden, deren Hebung in Schule und Vereinen ohne Amateure nicht denkbar ist. Das schliesst jedoch eine standespolitische Förderung der sozialen Sicherheit freiberuflicher Musikpädagogen nicht aus.

Nachweis
Der Text basiert auf einem Referat im Rahmen der 43. D-A-CH-Tagung in Würzburg.
Das vollständige Referat ist veröffentlicht in: Elisabeth Herzog-Schaffner und Dirk Hewig (Hrsg.), Der freiberufliche Musikpädagoge – ein Beruf mit Zukunft? Bericht über die 43. D-A-CH-Tagung 2012 in Würzburg, ISBN 978-3-926906-21-2, erhältlich bei der Geschäftsstelle des Deutschen Tonkünstlerverbandes: info@dtkv. org

 

Anmerkungen

1 Zitiert nach Pfr. Leonhard Stierlin, 43. Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft Zürich auf das Jahr 1855, S. 8
2 MGG2, Sachteil Bd. 9, 1998, Sp. 2479.

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Akademischer Appell für Erasmus-Weiterführung

Rund 400 Vertreterinnen und Vertreter aus Bildung und Forschung haben die Politik in Europa und in der Schweiz aufgefordert, die Schweiz weiter an «Erasmus+» und «Horizon 2020» zu beteiligen.

Den Austausch nicht unterbrechen! Foto: Burkard Vogt/pixelio.de

In dem Appell wenden sich die rund 400 Erstunterzeichnenden an die politischen Entscheidungsträger in Europa und in der Schweiz. Unter ihnen befinden sich der Rektor und die Leiter der Departemente der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste), weitere Präsidien, Rektorinnen, Rektoren, Vizerektorinnen und Vizerektoren der Schweizer Hochschulen sowie die Vertretungen der Studierenden, des Mittelbaus, des Schweizerischen Nationalfonds und der Akademien.

Sie fordern die politischen Entscheidungsträger in Europa und in der Schweiz auf, alles daran zu setzen, dass sich die Schweizer Hochschulen weiterhin vollberechtigt am Bildungs- und Austauschprogramm «Erasmus+» und am Forschungs- und Innovationsprogramm «Horizon 2020» beteiligen können.

Alle Interessierten sind eingeladen, den Appell mit ihrer Unterschrift zu unterstützen und die Kolleginnen und Kollegen in Europa darauf aufmerksam zu machen und diesen Link weiter zu verbreiten. Der Appell ist in vier Sprachen abrufbar.

Mehr Infos: www.not-without-switzerland.org
 

Knifflige Aufgabe

Mit Joseph Haydn schliesst Walter Wiese seine kammermusikalischen Erkundungen ab. Die Streichquartette stehen dabei im Zentrum.

Schloss Eszterházy, fast 30 Jahre Haydns Heimat. Foto: Civertan Grafikai Stúdio, wikimedia commons

Walter Wiese arbeitete als Jurist in Ministerien und bei der deutschen NATO-Vertretung. Daneben spielte er als Geiger intensiv in Kammermusik-Formationen. Seine Kammermusik-Bibliothek begann 2001 mit einem Band über Mozart. Es folgten: Tschechische Kammermusik, Schubert/Mendelssohn/Schumann/Brahms und Beethoven (besprochen in der SMZ 2011/4 S. 37). In seinem 80. Lebensjahr kommt als fünfter Band mit Haydn der Abschluss der Reihe. Das lange Zögern lässt sich verstehen durch die besonders knifflige Aufgabe: Es galt, unter der Fülle von Werken (u. a. 77 Streichquartetten, 45 Klaviertrios und 126 Barytontrios) eine Auswahl zu treffen und einer noch weitherum als natur- und volksverbundener Vielschreiber («Papa Haydn») oder als Wegbereiter unterschätzten Persönlichkeit gerecht zu werden.

Die Barytontrios schrieb Haydn für seinen Brotherrn, Fürst Nikolaus I. Esterházy, der das ausgefallene tiefe Streichinstrument leidenschaftlich gern spielte. Man mag bedauern, dass manche Perlen unter den Barytontrios (auf anderthalb Buchseiten) und 30 Klaviertrios pauschal übergangen werden. Im Ganzen jedoch ist es ein Vorteil, dass Wiese den Schwerpunkt auf die Entwicklung des Streichquartetts setzt, Haydns ein halbes Jahrhundert fortgesetzter bahnbrechender Leistung. Auch die Beschränkung auf die späten, in London entstandenen Klaviertrios ist zu begrüssen. Es erlaubt ein durch Notenbeispiele unterstütztes Eingehen auf individuelle Eigenschaften von Haydns vielgestaltigem Schaffen.

Die lebendige, durchaus persönliche Darstellung wird ergänzt durch geschickt zitierte, umfangreiche Sekundärliteratur. So reicht das Buch weit über einen Kammermusikführer hinaus. Es wird hohen Ansprüchen nicht nur von Amateuren, sondern auch von professionellen Ensembles gerecht. Wieses Erfahrung äussert sich in mancherlei praktischen Ratschlägen zur Temponahme (z. B. missverstandenes «Presto» bei Finalsätzen), zur Befolgung von Wiederholungen, zur Artikulation usw. Die – wie im Amadeus-Verlag gewohnt – höchsten qualitativen Ansprüchen genügende Ausstattung macht den Band zu einem wertvollen Geschenk.

Einzig Aspekte der Formenlehre, die ja bei Haydn besonders interessant und innovativ sind, kommen etwas zu kurz. Zwei Beispiele sollen genügen: Im ersten Satz des Klaviertrios in C Hob. XV/27 endet die Durchführung nicht nach der Generalpause auf der Dominante G-Dur: Dort beginnt eine Scheinreprise in überraschendem As-Dur ohne Modulation, die geistreich in Etappen zurückmoduliert, anders als im folgenden Klaviertrio. Auch im Streichquartett in Es op. 33 Nr. 2 bleiben der interessante Modulationsgang der Durchführung und der kurze Scheinreprisenbeginn in c-Moll vor der verkürzten Reprise unerkannt.

Eindrücklich dargestellt ist jedoch der verwinkelte Werdegang im Streichquartett-Schaffen. Jedes Opus, das ja meist sechs Quartette umfasst, erfährt zunächst eine treffende Charakterisierung, bevor Wiese auf die Einzelwerke eingeht. Packend geschildert ist die erstaunliche Entstehungsgeschichte der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz.

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Walter Wiese, Haydns Kammermusik, mit vielen Abb. und Notenbeispielen, 262 S., Fr. 56.00, Amadeus, Winterthur 2013, Best.-Nr: BP 2190, ISBN 978-3-905786-12-5

Deutsche Musikbranche ehrt Yello

Das Schweizer Popduo Yello wird dieses Jahr mit dem Deutschen Musikpreis Echo für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die Deutsche Phono-Akademie, das Kulturinstitut des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), ehrt das Duo als «eine der international einflussreichsten Formationen des Elektro-Pop».

Foto: Ben Wolf, echo

Mit Titeln wie Oh Yeah, The Race oder Vicious Games schrieben Yello, bestehend aus Boris Blank und Dieter Meier, Musikgeschichte und feierten weltweit Erfolge. Als Pioniere der Sampling-Technik und Schöpfer ungewöhnlicher Rhythmusstrukturen inspirierten sie Künstler unterschiedlichster Genres von Hip-Hop und Funk bis hin zu Elektro-Pop und Techno.

Die erste Aufnahmesession der Band findet in einem Autotestlabor statt. Dabei nimmt das ursprüngliche Trio unter anderem die Sounds eines Stahlzerkleinerers auf Tonband auf und lässt sie in ihre Musik einfliessen. Im Laufe weiterer Experimente werden zum Beispiel Gorillalaute mit lateinamerikanischen Cha-Cha-Beats gemischt.

Mit dem Album You Gotta Say Yes to Another Excess definierten Meier und Blank in den 1980er-Jahren massgeblich den abgeklärten und unterkühlten Sound der Zeit, der in der Folge von vielen Bands kopiert wird. 

Die beiden Bandmitglieder werden den Echo am 27. März im Rahmen der grossen Preisveranstaltung in der Messe Berlin persönlich entgegennehmen. Das Erste Deutsche Fernsehen strahlt die Verleihung am 27. März um 20:15 Uhr live aus.

Freundlicher Klaviersatz

Neue Erkenntnisse und hohe Praxistauglichkeit kennzeichnen diese Ausgabe von Pergolesis «Stabat Mater».

wikimedia commons

Sehr erfreulich stellt sich die neue Urtextausgabe des Stabat Mater von Giovanni Battista Pergolesi dar, die im Bärenreiterverlag erschienen ist. Die zugrunde liegenden Forschungsergebnisse basieren auf der Gegenüberstellung des Autografs mit einer sehr frühen neapolitanischen Partitur, die vermutlich auf den Stimmen des Uraufführungsmaterials beruht. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Kritischen Bericht ausführlich erläutert. Für die Nutzung besonders relevant ist der schlichte, gut spielbare und der Musik in jeder Hinsicht gerecht werdende Satz des Klavierauszugs.

Ein durchaus erschwingliches Faksimile des Autografs ist kürzlich in der Edition Walhall erschienen (EW 880).

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Giovanni Battista Pergolesi, Stabat mater für Sopran, Alt, Streicher und Basso continuo, Urtext hg. von Malcolm Bruno und Caroline Ritchie, Partitur, BA 7679, € 24.95; Klavierauszug, BA 7679-90, € 9.95, Bärenreiter, Kassel 2012

Neues Skalensystem

Logisch und systematisch aufgebaute Violintechnik, die zu einer sicheren Intonation führt.

Foto: Laurent Desbois – Fotolia.com

Hochkonzentriert erstellte der Tscheche Zdeněk Gola, der lange in Schweden Konzertmeister, Lehrer und Leiter international beachteter, ganzjähriger Violinkurse war und seit der Wende wieder in Ostrava lehrt, logisch aufgebaute Übungssequenzen zum Beherrschen einer sicheren Intonation für Fortgeschrittene – eine Weiterentwicklung von Schradiek.

Gola unterscheidet «horizontale und vertikale Bewegungen der Hand»; diese Bezeichnungen sind ungewöhnlich. Gemäss Vorwort sind horizontale Bewegungen Stellungsänderungen der Finger (Griffwechsel), ohne mit der Hand in eine andere Lage zu gehen: 1. Vorstrecken und Zurückbiegen auf einer Saite, 2. Querbewegen der Finger von einer Saite auf eine andere, rechtwinklig oder diagonal. Vertikale Bewegungen sind Lagenwechsel längs der Saiten mittels Armtransport.

Dank logischer Präsentation kann man Probleme gezielt angehen. Das Deutsch der kurzen dreisprachigen Erklärungen ist manchmal nicht präzis; ein Vergleich mit der englischen Version dagegen oft klärend. Wirklichkeitsnah werden die «horizontalen» Übungen nacheinander in allen Lagen und auf allen Saiten verlangt. Besonders wertvoll sind die chromatischen Verschiebungen in den Doppelgriffen, die die Rollbewegungen in den Fingergrundgelenken aktivieren. Die Dezimen werden mit geschickten Vorübungen vorbereitet; leider wird nicht geraten, damit in der 4. Lage zu beginnen. «Vertikale» Übungen beginnen Ende Heft 1 auf einer Saite und füllen das Heft 2 mit interessanten wellenförmigen Lagenwechselkombinationen diagonal über alle Saiten. Ein- und zweistimmige Tonleiterübungen über zwei Oktaven auf einer oder zwei Saiten mit verschiedenen Fingersatzarten schliessen das im positiven Sinn anstrengende Werk ab.

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Zdeněk Gola, Violintechnik,
2 Bände;

Heft 1, BA 9550, € 15.95;
Heft 2, BA 9551, € 14.95;
Bärenreiter, Prag 2013

Musik mit allen Sinnen

Der Musikunterricht mit
Kindern in Gruppen wird
immer heterogener. Dazu
fünf Thesen.


Seit Jahren gehören Begabtenförderung, Hochbegabtenförderung, Integration und Inklusion zum Auftrag für die Musikschulen in ganz Europa. Die Projekte «Jedem Kind ein Instrument» oder «Klingende Kindertagesstätte» bildeten im grossen Stil in Deutschland den Auftakt zum Musizieren für Kinder jeden Alters und in grossen Gruppen. In der Schweiz sind Musikalische Grundausbildung, Klassenmusizieren und Projekte mit verschiedensten Schwerpunkten ausgebaut worden.


In Publikationen sowie Modulen in Aus- und Weiterbildung sind Grundlagen der Strukturierung des Unterrichts entwickelt worden, die Musik für jedes Kind erfahr- und lernbar machen lassen. Um den Musikunterricht in Gruppen für alle Kinder chancengleich zu gestalten, sind neben der eigentlichen Musikdidaktik auch flankierende Massnahmen definiert worden. Sie ermöglichen es, den integrativen Musikunterricht vielfältig und gemäss neuer pädagogischer Erkenntnisse zu gestalten. Basierend auf der Grundlage der Didaktik von Musik und Bewegung, Theorien zur Wahrnehmungsförderung sowie diverser Lerntheorien können dabei die folgenden Strukturierungsthesen hilfreich sein.


Integrativer Musikunterricht ist vielfältig gestaltet – Unterschiedliche Lerntypen sind auch im Musikunterricht von Bedeutung. Eine Rhythmisierung, welche den Unterricht vielfältig auf verschiedenen Ebenen gestaltet, macht möglich, dass alle gemäss ihren Möglichkeiten sich am Unterricht beteiligen können.


Integrativer Unterricht ist spür- und fühlbar gestaltet – Das Spielen eines Instruments fordert die Wahrnehmung des ganzen Körpers: Körperoberfläche, aber auch innere Organe, vor allem die Atemfunktionen. Auch Bewegungsdifferenzierung inklusiv die Gleichgewichtsstrukturen sind gefordert. Für den Musikunterricht sinnvoll hat sich die Differenzierung in Nah- und Fernsinne erwiesen. Nahsinne sind alle Sinne, die direkt mit der Wahrnehmung des Körpers und dessen differenziertem Einsatz zu tun haben. Ohr und Auge sind Fernsinne. Musikalische Erfahrungen zum Beispiel in Form von Body Percussion Sequenzen werden so spür- und fühlbar.


Integrativer Musikunterricht ist bewegt gestaltet – Musikalische Gestaltung ist auch Bewegung, erfordert Koordination und Geschicklichkeit. Deutlich gestaltete Puls- und Rhythmusbewegungen im Wechsel zum Musizieren am Instrument unterstützen das Lernen und die Konzentration. Bewegung und Sitzen auf dem Stuhl sind in einem lebendigen Wechsel gestaltet. Unter diesem Fokus ist auch die musikphysiologisch relevante Nutzung der Stühle zu beachten.


Integrativer Musikunterricht ist hör- und sichtbar gestaltet – Visuelle und auditive Strukturen im Unterricht schaffen Orientierung und vertiefte Konzentrationsmöglichkeiten. Dadurch wird eine Ästhetik der Unterrichtsgestaltung geschaffen, die Redundanz vermittelt mit der Dynamik von künstlerischen Prozessen allgemein. Qualität der auditiven Struktur bedeutet Musikstunden, in denen sich Phasen des gemeinsamen Musizierens und des Experimentierens abwechseln mit Sequenzen der Stille. Ein klarer visueller Fokus berücksichtigt Aspekte der Gestaltung von Notenmaterial, der Anordnung des Unterrichtssettings im Raum sowie die spezifischen Art der Anleitung und des Dirigierens.


Die Partitur des integrativen Musikunterrichts hat verschiedene Stimmen – Kinder lernen in unterschiedlichem Rhythmus. Für die Komposition der Musikstunde ist dies ein künstlerisch zu nutzendes Phänomen. So wie jedes Musikstück mit unterschiedlichen Stimmen gestaltet wird, so wird auch der Unterricht binnendifferenziert aufgebaut. In Arrangements, eigens für die Gruppe, gibt es neben Grundelementen, die von allen gespielt werden, differenziertere Stimmen und gar Soli, aber auch Stimmen für einfache Grooves und einzelne Akzente.


Literatur


Langversion des Artikels:

ZHdK-Absolventin Konzertmeisterin in Mailand

Laut einer knappen Meldung des britischen Musikjournalisten Norman Lebrecht wird die italienische Geigerin Laura Marzadori, die an der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste) Schülerin von Zakhar Bron war, Konzertmeisterin des La-Scala-Orchesters.

Bild: zvg

Laura Marzadori hat am Conservatorio G. B. Martini in Bologna studiert und 2004 den Andrea Amati National Contest for Young Violinists gewonnen. 2006 besuchte sie einen einjährigen Meisterkurs mit Giuliano Carmignola im Rahmen des Orchestra Mozart und im Alter von 17 Jahren studierte sie für drei Jahre bei Pavel Berman an der International Academy Incontri col Maestro in Imola (Italien).

An der Zürcher Hochschule der Künste in Zürich studierte sie ab 2008 bei Zakhar Bron. 2013 gewann sie mit dem Trio Armellini-Marzadori den XXXII Franco Abbiati Award.

Originalmeldung: www.artsjournal.com/slippeddisc/2014/03/breaking-la-scala-appoints-woman-concertmaster.html

Eleganz und Leichtigkeit

Christoph Stiefel und sein Inner Language Trio haben auf ihrem neuen Album «Big Ship» zu souveräner Grösse gefunden.

Stiefel, Chesham, Huber. Foto: Marco Zanoni

Es ist kein Zufall, dass Christoph Stiefel wie Nik Bärtsch im letzten Jahrzehnt zu internationalem Renommee gelangt ist. Beide Pianisten aus Zürich sind von Konzepten mit relativ strengen formalen Vorgaben ausgegangen, die sie mit persönlicher Prägung als ihren ureigenen Ausdruck etabliert haben. Zu Grösse gebracht haben sie es aber erst, als sie sich von der konzeptuellen Strenge lösten und für Freiheiten nicht nur der Interpretation öffneten.

Christoph Stiefel, der einer breiteren Öffentlichkeit mit der Jazzrock-Band Stiletto und als Begleitmusiker von Andreas Vollenweider bekannt wurde, verwendet seit den späten 1990er-Jahren das mittelalterliche Gestaltungsprinzip der Isorhythmie als Grundlage für seine Kompositionen. Er hat es in einen Jazz-Kontext gestellt, wo es sowohl einen komplexen Groove wie ein Spiel der Klangfarben ermöglicht. Und er hat es stetig verfeinert.

Nicht nur deshalb nimmt man die rhythmischen Modelle auf dem neuen Album mit seinem Inner Language Trio nur noch in wenigen Stücken als prägendes Konzept wahr: Sie sind auf Big Ship in den Hintergrund getreten. Zum persönlicheren Ausdruck tragen auch die Freistellen viel bei, in denen sich Christoph Stiefel mit seinem perlenden Spiel solistisch entfalten kann. Er tut dies keineswegs prahlerisch, sondern mit unaufdringlicher Originalität. Er zeigt dabei dieselbe elegante und zuweilen sogar swingende Leichtigkeit, die auch das traumhaft sichere Zusammenspiel mit dem deutschen Bassisten Arne Huber und dem Westschweizer Schlagzeuger Kevin Chesham bestimmt.

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Elegy
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Konzerte:
23.03.14 – bee-flat im Progr, Bern
08.04.14 – Jazzfestival, Cully
10.05.14 – Forum andere Musik, Theater Gleis 5, Frauenfeld *
17.05.14 – Alte Fabrik, Rapperswil *
18.05.14 – Stanzerei, Baden *
* mit Tobi Backhaus statt Kevin Chesham am Schlagzeug

Christoph Stiefel, Inner Language Trio: Big Ship.. Basho Records SRCD 44-2. www.christophstiefel.ch

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