RCM und CSI präsentieren Aufführungssimulator

Das Londoner Royal College of Music (RCM) hat zusammen mit dem Conservatorio della Svizzera Italiana (CSI) in Lugano einen Aufführungssimulator entwickelt. Studierende können damit einüben, wie sich Auftritte vor Publikum anfühlen.

Youtube-Screenshot

Der Simulator versetzt die Übenden sowohl in den Backstage-Bereich einer Bühne als auch aufs Podium vor ein erwartungvolles virtuelles Publikum. Realisiert worden ist der Simulator auf Basis einer Bildschirm-Projektion von den Firmen Studiohead und Skyline Whitespace.

Mit dem Simulator können sowohl Konzertsituation als auch ein Vorspiel vor einer Jury nachgestellt werden. Das Publikum ist in der Lage, sowohl freundlich aufmunternd als auch ablehnend skeptisch zu reagieren. Eine dreiköpfige Jury macht etwa Notizen, nickt oder schüttelt die Köpfe. Das Publikum applaudiert höflich oder enthusiastisch.

Ebenfalls Teil des Simulators ist eine Aufnahmemöglichkeit für die Studierenden, die so ihre eigenen Auftritte analysieren können. 

Ein Video zum Simulator findet sich hier.
 

Blockflöte für Senioren

Wenn ältere Menschen ein Instrument lernen, muss der Unterricht angepasst werden. Allzu betulich braucht er aber nicht zu sein.

Foto: Petra Bork/pixelio.de

Blockflötenschulen gibt es für jede Zielgruppe vom Kleinkind bis hin zum Erwachsenen; was bis anhin fehlte, war ein Lehrwerk, das sich spezifisch an den Bedürfnissen von Senioren ab 70 Jahren orientiert. An sie wendet sich Senioren musizieren: Blockflöte, mit dem Ziel, Anfängern oder späten Wiedereinsteigern innert kurzer Zeit das Musizieren in einer Gruppe und auf den verschiedenen Instrumenten der Blockflötenfamilie zu ermöglichen. Dabei scheint jedoch, wie schon Über- und Untertitel andeuten («Musik für Geist & Seele – Ein behutsamer Lehrgang für Anfänger und Wiedereinsteiger»), nicht von rüstigen Golden Agers ausgegangen worden zu sein, sondern von Menschen, bei denen das höhere Lebensalter mannigfaltige Einschränkungen mit sich gebracht hat, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt.

Lobenswert sind zwar die grosse Notenschrift und der Verzicht auf poppige Songs oder eine grafische Aufbereitung, die sich an der Erlebniswelt von Kindern orientiert. Dass aber auf rund achtzig Seiten gerade mal ein Fünftonraum erarbeitet wird – etwas, was gewöhnlich von Erwachsenen in einer einzelnen Lektion verdaut werden kann –, dass beispielsweise bei den vierstimmigen Stücken die Stimmen nicht in Partiturform angeordnet werden, um die Spielenden nicht zu verwirren, oder dass auf jeder Seite der bereits erarbeitete Tonraum in einer Griffbildleiste repetiert wird, um das Zurückblättern zu ersparen, sollte ein Ton der vorangehenden Seiten bereits vergessen gegangen sein, hinterlässt unweigerlich das Gefühl, es ginge um Menschen, denen mit dem natürlichen Verlust der Sehkraft auch die kognitiven Fähigkeiten abhanden gekommen seien. Folgerichtig werden die Griffe durchwegs nur als C-Griffe angegeben, unabhängig davon, welches Instrument wirklich gefragt ist. Alt- und Bassflöte werden also transponiert notiert, was für die Blockflöte aussergewöhnlich ist und verunmöglicht, weiterführende Literatur aufzugreifen. Auch die beigefügte CD mit allen im Lehrgang vorkommenden Stücken lässt punkto Phrasierung, Klanggebung oder Artikulation eher ratlos zurück, wenngleich die in einem Begleitheft notierten Klavierbegleitungen in ansprechenden Sätzen komponiert wurden.

Betagte Menschen bilden sich heute aktiv in den unterschiedlichsten Bereichen weiter. Senioren musizieren: Blockflöte verpasst die Chance, ihnen auch das Spielen eines Instruments in angemessenen Lernschritten näherzubringen. Für Menschen mit Lernbehinderung oder leichten kognitiven Defiziten hingegen könnte es das geeignete Lehrmittel darstellen – auch etwas, was bis anhin auf dem Markt der Flötenschulen fehlte.

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Barbara Hintermeier und Birgit Baude, Senioren musizieren: Blockflöte 1. Ein behutsamer Lehrgang für Anfänger und späte Wiedereinsteiger, für Tenor- oder Altblockflöten, ED 21595, mit CD, € 19.99, Schott, Mainz 2014

id., Klavierstimme und Partituren, Begleitheft zu Band 1, ED 21595-01, € 19.99
 

Musik kennt
kein Alter

Ältere Menschen wollen
kulturell aktiv bleiben. Sie wollen ihre Freiräume nutzen und Kulturtechniken
weiterpflegen oder gar neu
erlernen. Erfüllung bringen kann ihnen nicht zuletzt die Beschäftigung mit Musik.


Für Wieder- oder Neueinsteiger gilt es im fortgeschrittenen Alter die Musik für sich (neu) zu entdecken, zu singen, ein Instrument zu spielen oder zu erlernen. Sie haben die Möglichkeit, Anschluss an instrumentale Ensembles oder an einen Chor zu finden und Musiklehre- oder Musikgeschichtswissen zu vertiefen.


Das Alter kennt allerdings oftmals keine Musik mehr, weil sich die Bedingungen ändern und die Zugänge zum Musizieren erschweren. Das Musizieren sollte aber in jeder Lebensphase im Alter möglich sein. Dies gilt für mobile ältere Menschen, die noch problemlos zur Musikschule kommen, sich einen Chor oder ein Ensemble suchen können. Es trifft aber auch auf gesundheitlich beeinträchtigte und möglicherweise dementiell veränderte Menschen zu, zu denen Musikschulen oder freiberufliche Musiklehrer ihre Angebote tragen und dazu auch Kooperationen mit Alteneinrichtungen eingehen. Oftmals gelten auch intergenerative musikalische Angebote als besonders erfolgreich, besonders beliebt etwa zwischen Enkel- und Grosselterngeneration.


Die Musikschulen sollten sich folglich noch stärker Gedanken machen, wie Singen, Musizieren und Musiklernen im Alter gelingen kann. Das Ziel: ein flächendeckendes und barrierefreies Angebot in gut erreichbaren und gestalteten Räumen für Ältere in unterschiedlichsten Lebenslagen. Es muss sich an individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten orientieren – auch finanziell und zeitlich – und musikalisch qualitativ Hochwertiges schaffen.


Im Alter musizieren kann dann bedeuten, gewonnene freie Zeit sinnvoll zu füllen, Selbstwirksamkeit zu erfahren, am öffentlichen kulturellen Leben (weiterhin) teilzuhaben, soziale Kontakte zu pflegen und Geselligkeit zu erfahren. Damit wird auch Gesundheitsprävention betrieben und auf verschiedensten Ebenen – kognitiv, motorisch, emotional und sozial – auf den Alltag im Alter vorbereitet. Musik im Alter vermag überdies, spirituelle Dimensionen zu entfalten. Selbst in einen so delikaten Bereich wie die Sterbebegleitung kann Musik in aller Behutsamkeit hineinreichen und einen schützenden Mantel (pallium) anbieten.


Ebenso kann Musik auch die Pflege unterstützen. Vieles geht leichter von der Hand, wenn dabei gesungen oder gesummt, Lieder und Musikstücke einfach nur erwähnt oder auch über Musik oder über frühere Erlebnisse gesprochen wird, bei denen Musik eine Rolle spielte.


Immer wieder kann man beobachten, dass Musik eine beruhigende Wirkung auf Unruhezustände oder auch herausforderndes Verhalten entfaltet. Es ist dann auch für die pflegenden Menschen und die Pflegeinstitutionen äusserst angenehm, wenn sich die Atmosphäre innerhalb der Pflegesituation durch die Beteiligung von Musik deutlich verbessert. Passende Musik kann in diesem Zusammenhang Zuwendung bedeuten oder bei Demenz auch identitätsstärkend wirken.


Musikangebote für Ältere dürfen keinesfalls als eine überstülpende musikalische Späterziehung aufgefasst werden, sondern einzig als Ermöglichungsdidaktik. Es geht um das Initiieren ästhetischer Erfahrungsfelder, in denen sich Ältere selbstbestimmt musikalisch betätigen, aber auch lernen und sich bilden können. Eine so verstandene Musikgeragogik wird sich in dialogischen Prozessen und einer wertschätzenden Kommunikation – durchaus auch validierend etwa bei Demenz – an den Bedürfnissen sowie den Lebensgeschichten und Lebenswelten der Beteiligten zu orientieren haben. Gerade die biografische Dimension nimmt ja bei Älteren aufgrund der langen Lebenserfahrung eine besondere Rolle ein.


Musikgeragogik darf nicht mit
Musiktherapie verwechselt werden: Zwischen beiden gibt es sicherlich auch Schnittmengen, etwa bei den Zielgruppen, dem Instrumentarium und den Methoden. Aber die Ziel-setzung ist ganz klar eine andere: Musikgeragogik schafft für musikalisches Lernen, Bilden und Ausüben die Voraussetzungen. Aber Musikgeragogik will nicht therapieren, das bedarf
gezielter Anamnesen, Diagnosen und standardisierter Verfahren. Das schliesst aber natürlich nicht aus,
dass sich durch das musikalische Tun und Erleben viele aussermusikalische und gesundheitsfördernde Transfers ergeben. Solche sind sogar sehr willkommen.


Weiterführende Materialien:


Innerschweizer Kulturpreis für Graziella Contratto

Die Schwyzer Pianistin, Dirigentin und Kulturmanagerin Graziella Contratto wird mit dem mit 25’000 Franken dotierten Innerschweizer Kulturpreis 2015 ausgezeichnet.

Foto: F. Angleraux

Die Innerschweizer Kulturstiftung ehrt mit der Auszeichnung in ihren eigenen Worten «eine herausragende Persönlichkeit, die als Musikerin, Dirigentin und Kulturvermittlerin das musikalische Schaffen in der Zentralschweiz und weit darüber hinaus wesentlich mitprägt».

Graziella Contratto studierte in Luzern, Winterthur und Zürich Klavier und Musiktheorie und absolvierte an der Musikakademie Basel eine Kapellmeisterausbildung. Nach einer Assistenz bei den Berliner Philharmonikern leitete sie zwischen 2003 und 2009 das Orchestre des Pays de Savoie. Von 2007 bis 2013 amtete sie als Intendantin des Davos Festival – young artists in concert, seit 2010 leitet sie den Fachbereich Musik der Hochschule der Künste Bern (HKB).

Die Übergabe des Innerschweizer Kulturpreises 2015 findet am Samstag, 12. September 2015 im Kanton Schwyz statt.

Porträt des Urgrossonkels

Eine CD präsentiert Lieder und Klavierstücke des vergessenen Bündner Komponisten Karl Köhl. Sogar als Interpret ist er zu hören.

Foto: zvg
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Als Karl Köhl, Ehrenbürger von Chur, 1919 starb, pries ihn der Nachruf in der Neuen Bündner Zeitung als «geistiges Zentrum des ganzen musikalischen Lebens» der Stadt. Geboren wurde er 1855 in Odessa (Ukraine), wohin seine Eltern aus Bergün ausgewandert waren. Wenige Wochen nach der Geburt verlor er sein Augenlicht, seine Mutter starb, als er zwei Jahre alt war. 1862 siedelte die Familie nach Chur über, wo Köhl die Schulen besuchte. Danach studierte er Orgel am Konservatorium in Stuttgart, in der Klasse von Immanuel Faisst. Zurück in Chur wirkte er 42 Jahre lang als Organist und Kirchenchorleiter, als Veranstalter von Konzerten und, vor allem, als Komponist; eine fröhliche Persönlichkeit trotz der schweren Schicksalsschläge.

Der Pianist Carlo Köhl, Urgrossneffe des Komponisten, hat es unternommen, die vorliegende CD mit einem Querschnitt durch Köhls Lied- und Klavierschaffen herauszugeben. Die zwölf Lieder und Duette, eher der klassischen als der romantischen Ausprägung ihrer Gattung verpflichtet, sind von den jungen Stimmen Jeannine Camenzind, Sopran, und Mattias Müller-Arpagaus, Bariton, leicht und frisch interpretiert. Aus der Sammlung von Klavierwerken spielt Carlo Köhl, mit feiner Empfindung wie schon bei den Liedbegleitungen, drei Charakterstücke, die ihre Nähe zu Schubert und Schumann nicht verhehlen, auch und gerade in der Wahl eines Titels wie Moment musical.
Karl Köhl selbst ist auf dem Tonträger überraschenderweise auch als Interpret präsent. Guilmants Marsch über ein Thema von Händel, Hesses Variationen über God save the King op. 67 und Mendelssohns zweite Orgelsonate wurden von ihm auf Welte-Rollen aufgenommen und für die CD auf der «Britannic Organ» im Museum für Musikautomaten in Seewen abgespielt. Es ist da ein genau, aber überaus vorsichtig spielender Organist zu hören – was angesichts der damaligen Aufnahmesituation auch nicht verwundert.

Eine vor allem in historischer Hinsicht sehr interessante Produktion, deren Cover eine Porträtzeichnung des Komponisten von der Hand Albert Ankers (s. o.) schmückt.

 

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Karl Köhl. Portrait des Churer Musikers. Historische Aufnahmen auf Orgel-Rollen; Lieder und Klavierstücke. Jeannine Camenzind, Sopran; Mattias Müller-Arpagaus, Bariton; Carlo Köhl, Klavier.

http://karlkoehl.ict-atelier.ch

 

 

 

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«Populärer» Ausgleich

Ein bisschen Effekthascherei darf auch mal sein. Hier in einem Stück für Altsaxofon mit Klavierbegleitung.

Bild: Didi01/pixelio.de

Wer im Saxofonunterricht zwischendurch das Eingängige, rhythmisch Jazzige und melodisch Romantische sucht, findet in der Sérénade populaire von Paul Lewis seinen Genuss – Lehrer wie Schüler. Das mittelschwere Stück ist leicht zugänglich, musikalisch sehr abwechslungsreich und verlangt keinen Tastenfresser am Klavier. Leider verfällt die Sérénade im Allegro etwas in einen dialogischen Sprint zwischen Saxofon und Klavier, der ausser heiteren Tonleiterkapriolen wenige kompositorische Eskapaden oder gar Überraschungen bringt: «Pop» vom Feinsten!

Ursprünglich für Mundharmonika komponiert, gibt es mittlerweile neben der Bearbeitung für Altsaxofon auch Versionen für Klarinette, Flöte und Violine.

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Paul Lewis, Sérénade populaire, für Altsaxofon und Klavier, ED 21381, € 13.50, Schott, 2014

Aus für Bieler Sinfonieorchester?

Die Stadt Biel muss sparen. Einer der Vorschläge des Gemeindrates zuhanden des Stadtrates für die Zeit nach 2017 sieht einen Verzicht auf das Sinfonie Orchester Biel Solothurn vor. Seine Aufgaben sollen Projektorchester übernehmen.

Foto: Sabine Burger

Mit einem Projektorchester mit wechselnden Musikerinnen und Musikern, die projektspezifisch engagiert werden, könnte das bestehende Angebot beibehalten werden bei einer finanziellen Einsparung, schreibt der Gemeinderat in seinem «Massnahmenpaket 2016+» zur finanziellen Sanierung der Stadt zuhanden des Stadtrates.

Das Projektorchester koste weniger als ein Berufsorchester, habe aber nicht die Qualität des Klangkörpers des Berufsorchesters, räumt der Rat selber ein. Eine Aufhebung des Berufsorchesters müsse mit den verschiedenen Partnern ausgehandelt werden. Das werde zu schweizweiten Diskussionen in den Medien und mit den Berufsverbänden führen, und möglicherweise für die Stadt eher schlechte Presse bringen.

Durch die Aufhebung würden zudem Praktikumsstellen im Orchester wegfallen, weil die Qualität des Orchesters den Hochschulansprüchen nicht mehr genügen könne. Insgesamt führe eine Aufhebung zum Verlust von rund 50 Festanstellungen. Der Gemeinderat ist aber der Meinung, dass diese Massnahme dennoch umzusetzen ist, da «kein direkter Leistungsabbau für die Bevölkerung damit verbunden» sei.

In der Bieler Presse wird der Vorschlag bereits bissig kommentiert. So schreibt etwa das Bieler Tagblatt, die radikale Sparkur, die der Gemeinderat jetzt vorlege, sei etwa so, als würde man sich eine neue Skiausrüstung kaufen und dann fünf Jahre keinen Ski-Urlaub machen, um zu sparen. TOBS (Theater und Orchester Biel Solothurn) hat denn vor Kurzem auch einen aufwendigen Neuorganisationsprozess durchlaufen.

Die aktuellen Leistungsverträge 2016–2019 der Bieler Kultuinstitutionen inklusive TOBS (Theater und Orchester Biel Solothurn) sind von der Politik vorläufig noch abgesegnet worden.

Nachtrag 2. April 2015

SMZ. Der Verein Freunde des Sinfonie Orchesters Biel Solothurn sammelt Unterschriften für einen Appell an den Stadtrat: PRO Orchester!

Unterschriften können bis am 18. April 2015 eingesandt werden.

Der Bogen kann hier heruntergeladen werden.

Nachtrag 16. April 2015

SMZ. Der Schweizerische Musikerverband hat am 15. April einen offenen Brief zu den «Auswirkungen der vorgeschlagenen Auflösung des Sinfonieorchesters Biel Solothurn» an den Bieler Stadtrat geschickt. Der Brief kann hier heruntergeladen werden.

 

Ein Kommentar von Laurent Mettraux und Johannes Knapp findet sich hier. 

Neue Musik wachgerüttelt

In Lugano wurde am 5. März eines der neuesten und bedeutendsten Kapitel in der (kurzen) Geschichte der zeitgenössischen Musik in der italienischen Schweiz fortgeschrieben.

Foto: Iris Ponti,Foto: Iris Ponti

Eine vollständig mit Kartonschachteln zugestellte Bühne, manche braun, andere weiss. Am Anfang und Ende des Saales zwei grosse, durchsichtige Zylinder aus Plastikverpackungen, in denen sich Personen zu verstecken scheinen.
Damit könnte respektive müsste man vielleicht beginnen, um über die dritte Veranstaltung von Neon&Caffeine zu berichten, der innovativen Serie zeitgenössischer Konzerte, die vom Conservatorio della Svizzera italiana gefördert wird.
 

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Nur vom unmittelbaren Eindruck dieses Abends ausgehend, wären die Beweggründe für eine derartige Veranstaltung und ähnliche Projekte rund um das Angebot von neuer, anspruchsvoller Musik jedoch nur schwer verständlich. Gewiss, doch Neon&Caffeine ist nicht nur eine thematische Ansammlung von vier jährlichen Konzerten, sondern auch ein Zielpunkt auf dem jahrzehntelangen, gewundenen Weg, den die zeitgenössische Musik in der südalpinen Schweiz zurückgelegt hat. Alles hatte Mitte des letzten Jahrhunderts mit isolierten, importierten Programmen angefangen, die an Persönlichkeiten wie Wladimir Vogel oder Hermann Scherchen gebunden waren. Weiter ging es im Jahr 1977 zur Generation der Konzerte OGGImusica, die sowohl spontan als auch aus einem eigenen, wohlgesinnten ideologischen Nährboden entstanden und die schliesslich in den Rückgang der neunziger Jahre mündeten, als die Uraufführungen nach und nach von den offiziellen sinfonischen Spielplänen verschwanden und das Publikum bei den althergebrachten kammermusikalischen Veranstaltungen immer weniger wurde. Eine Wiederbelebung um das Jahr 2000 schien gute Chancen zu haben durch die Synergie Rete Due – Konservatorium, die 900presente gründeten (immer noch mehr dem 20. Jahrhundert als der Gegenwart verhaftet) und durch die Schaffung von La Via Lattea, das jedoch der Kategorie von Konzerten im üblichen Rahmen nur schwer zuzuordnen war. Aber ausgerechnet Mitte der Nullerjahre stand man vor zwei möglicherweise endgültigen Tatsachen: die befürchtete Auflösung der Vereinigung OGGImusica und die bedauerliche Ankündigung des Endes der Swiss Chamber Concerts durch den Direktor des Teatro Sociale di Bellinzona. Trotz allen möglichen Anstrengungen schien kein an neuer Musik interessiertes Publikum mehr vorhanden zu sein.

Was bedeutete das? Was konnte man dagegen tun? War es wirklich sinnvoll, sich weiter für die Gegenwartskunst einzusetzen oder musste man vielleicht einfach akzeptieren, dass die italienische Kultur unanfechtbar resistent war gegenüber dieser Art von Musik?

Die entschlossenste und positivste Antwort auf diese berechtigten Zweifel lieferte ein junger Tessiner Komponist, unmittelbar heimgekehrt nach unzähligen Aufenthalten in ganz Europa und mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Er war motiviert, im ausgetrockneten Land seiner eigenen Herkunft den Samen des absterbenden Baumes wieder einzupflanzen, um ihn in einer neuen, sehr liebevollen und weniger dogmatischen Art zu kultivieren. Nadir Vassena verdanken wir tatsächlich die Wiederbelebung von OGGImusica, die Schöpfung einer tragfähigen Kompositionsklasse am CSL, den ständigen Dialog mit den wichtigsten Autoren und den glaubhaftesten Institutionen von nationalem und internationalem Massstab sowie die zentralisierte Koordination aller Veranstaltungen, die jetzt unter der Etikette Lugano Modern stattfinden. Natürlich ist es nicht so, dass Vassena das alles ganz allein bewerkstelligt hätte. Aber es ist unbestritten, dass ohne eine ähnliche Persönlichkeit – aus tiefster Seele italienisch-schweizerisch und gleichzeitig eine wahre und wirkliche Brücke Richtung Norden und Süden – hier eine ganz andere Geschichte zu erzählen wäre (ein dodekafonisches de profundis?).

Vassenas genialste Erfindung, unvorhersehbarer, atypischer, synkritischer und somit zeitkritischer, war diejenige, Konzerte als wahrhaftige Spektakel zum Leben zu erwecken und die neue Musik in einem ganz ungewohnten Rahmen zu präsentieren. Das Problem, das es zu lösen galt, war die Rückeroberung eines neugierigen und anspruchsvollen Publikums, nachdem dieses im Lauf der Jahre von der in den üblichen frontalen Konzerten dargebotenen zeitgenössischen Musik enttäuscht (vielleicht sogar verraten?) worden war. Mit dem Festival Lanterna Rossa wurde 2010 ein Modus gefunden, der die neue Musik nicht einfach leuchtend hell ins Zentrum stellte (quasi als ein a priori zu verehrendes Totem ästhetischer Erfahrung), sondern ihr ein perfekt abgestimmtes Umfeld gab, das einen während der Aufführung umfasste, hineinzog und nicht mehr losliess. Dies wurde durch Lichteffekte, Video, Theater, Installationen oder Tanz erzeugt, immer in einer thematisch schlüssigen Konzeption (auch dank dem blühenden Erfindungsreichtum des Regisseurs Fabrizio Rosso). Damit gelang es tatsächlich, von neuem ein zahlreiches Publikum zu erreichen und in Kontakt mit den kühnsten Werken des aktuellen Kunstschaffens zu bringen.

Dieser Vorgänger ist schliesslich im letzten Jahr abgelöst worden durch Neon&Caffeine, auch das ein Festival, wo sich die neue Musik in einer quasi unterschwelligen Art behauptet. Anstelle der charakteristischen Themen steht jetzt jeweils eine Persönlichkeit im Zentrum jeder Folge. Vorzugsweise kein Künstler, nie ein Musiker, aber auf jeden Fall eine Person, die in ihrem täglichen Handeln einen Bezug zu schöpferischen Themen lebt. So war der vergangene 5. März der Abend von Giosè Casalotto, Firmeninhaber von Finser Packaging. Er behandelte im Videointerview, abwechselnd mit den Musikstücken, sowohl für die Unternehmung als auch für die Tonkunst grundsätzliche Themen wie die Erfindung, das Risiko, die Auseinandersetzung, die Finanzen oder die Leidenschaft. So haben sich die Werke von Steve Reich, Mathias Steinauer und Yves Daoust wie auch der Gastprotagonist des Anlasses in das aus Paketen hergestellte Bühnenbild integriert, womit sich auch das hier am Anfang beschriebene, merkwürdige Dekor erklärt. Eine andere und sicher nicht alltägliche Art und Weise, um einen funktionellen Zugang zu den fortschrittlichsten Werken der musikalischen Kunst anzubieten und für den Zuschauer eine reiche, echte Erfahrung zu schaffen, die man bereits abhandengekommen glaubte. Hoffen wir also, dass es nicht gelingen wird, sie von neuem zu verlieren.

http://neon-caffeine.ch
 

Credit Suisse Award for Best Teaching für Kinzler

Der mit 10 000 Franken dotierte Credit Suisse Award for Best Teaching 2014 geht an Burkhard Kinzler. Er lehrt Musiktheorie und Hörtraining sowie Kammermusik an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

Foto: zvg

Mit dem von der Credit Suisse Foundation vergebenen Preis werden hervorragende Leistungen von Dozierenden gewürdigt. Er dient der Förderung der Qualität der Lehre auf Hochschulstufe. Er wird turnusgemäss alle drei Jahre an einer der drei Teilschulen der Zürcher Fachhochschule verliehen.

Der 1963 geborene Burkhard Kinzler unterrichtet seit 2003 am Departement Musik der ZHdK in den Fächern Musiktheorie, Hörtraining und Kammermusik. Er überzeugte die Jury, die aus fünf Dozierenden verschiedener Departemente der ZHdK und einer Vertretung der Studierendenorganisation bestand, unter anderem durch seine hohe Fachkompetenz und seinen interaktiven Dialog mit den Studierenden. In einem Klima gegenseitiger Wertschätzung sporne Burkhard Kinzler seine Studierenden zu Höchstleistungen an, heisst es in der Erklärung. 

Neben seiner Tätigkeit als Dozent leitet Kinzler verschiedene Ensembles und Projekte, überwiegend in der neuen Musik. Er gründete und leitete das Vokalensemble Chroma und war künstlerischer Leiter der Meersburger Sommerakademie. Seit 2007 ist er künstlerischer Leiter der Museumskonzerte Winterthur, seit 2009 leitet er den Kammerchor Winterthur. Ausserdem ist er als Komponist tätig.

Neues Leitbild für die Zürcher Kulturförderung

Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat ein neues Leitbild für die Kulturförderung definiert. Gefördert werden soll künftig die internationale Ausstrahlung der Zürcher Kulturlandschaft. Einen weiteren Akzent setzen kulturelle Initiativen in den Regionen.

Opernhaus Zürich, Figur der Fassadenbekrönung. Foto: Andreas Praefcke/wikimedia commons

Das neue Leitbild nennt als internationale Attraktoren das Filmschaffen und das Opernhaus. Dazu beitragen würden aber auch Kunstschaffende, deren Werke von Zürich aus über die Landesgrenzen hinaus strahlen. Für regionale Zusammenschlüsse und das Kulturleben in den Gemeinden sind ab 2015 finanzielle Mittel reserviert. Der Kanton will die interessierten Regionen mit Beratung und Vernetzungsleistung begleiten.

Die künftige kantonale Kulturförderung will überdies den gesamten Kreationsprozess von der künstlerischen Idee bis zur Umsetzung vermehrt im Blick behalten. Das Erleben von Kultur sei zudem ein Recht, das allen Bevölkerungskreisen zustehe, schreibt der Kanton weiter. Die kantonale Kulturförderung stärke darum künftig Kultur auch als Brückenschlag zwischen Generationen, Regionen, Tradition und Kulturen.

Die Fachstelle Kultur (www.fachstellekultur.zh.ch) will das neue Leitbild an zwei öffentlichen Informationsveranstaltungen vorstellen. Sie finden am 24. März in Zürich und am 1. April in Winterthur statt.
 

Empörung über Vorwürfe gegenüber Dutilleux

Der Bürgermeister des 4. Pariser Arrondissements weigert sich, eine Ehrenplakette am Haus des langjährigen Wohnsitzes des Komponisten Dutilleux zu bewilligen. Die Begründung hat in Fachkreisen Bestürzung und Unverständnis ausgelöst.

Foto: Milan Wagner / Schott Promotion

Der Bürgermeister Christophe Girard und die Stadträtin Karen Taieb wollen die Erinnerungsplakette verhindern, weil sie dem 2013 verstorbenen Henri Dutilleux Kollaboration mit den Nazis vorwerfen. Als Grund geben sie an, der Tonschöpfer habe die Musik zu einem angeblichen Propagandafilm verfasst, dem Dokumentarfilm «Forces sur le stade» von 1942, der im Sinne des Vichy-Regimes den Nutzen des Sports propagierte.

Henri Dutilleux war während der Besatzungszeit in Paris als Lehrer und Musiker tätig und leitete ab 1942 den Chor der Pariser Oper. Ab 1945 war er Leiter der Musikabteilung von Radio France. Zu seinen Freunden zählten unter anderem Mstislav Rostropovich und Isaac Stern.

In einer Onlinepetition wehren sich prominente französische Musiker gegen die in ihren Augen haltlose Unterstellung. Sie werfen Girard und Taieb historische Inkompetenz vor und betonen, dass Dutilleux während der Pariser Besetzungszeit aktiv am Widerstand gegen die Nationalsozialisten und ihre französischen Kollaborateure beteiligt war.

Berner Student gewinnt Europäischen Schulmusikpreis

Christoph Schäfer, Studierender des Master of Arts in Music Pedagogy, Major Musik SII, hat mit seinem Abschlussprojekt KlangMalerei des Minors künstlerische Musikvermittlung einen der Europäischen Schulmusikpreise 2015 gewonnen.

Foto: Felix Groteloh

Christoph Schäfer hat nach einem Wirtschaftsstudium an der Universität Bern an der Musikhochschlule Luzern und am International Music College in Freiburg Musik studiert. Zur Zeit absolviert er an der Hochschule der Künste in Bern einen Studiengang Master of Arts in Musicpedagogy, Vermittlung in Musik mit Hauptfach Jazzpiano. Zudem arbeitet er als Musiklehrer am Gymnasium Biel-Seeland in Biel und als freischaffender Künstler.

Mit dem Europäischen Schulmusikpreis (ESP) werden Lehrer und Schulen ausgezeichnet, die es verstehen «mit neuen Ideen und grossartigen Konzepten junge Menschen für das aktive Musizieren zu begeistern». Ferner ist es das Ziel des ESP, «herausragende und vorbildhafte Beispiele für kreatives Arbeiten mit Musikinstrumenten an Schulen zu dokumentieren und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen». Der ESP wird in sechs Kategorien verliehen und ist mit einem Preisgeld in Höhe von insgesamt 21’000 Euro dotiert. Der Preis wird an der Musikmesse Frankfurt verliehen.

Cantars in Basel stimmig eröffnet

Von März bis Juni feiert das Kirchenklangfest 2015 in vielen Teilen der Schweiz die Vielfalt der jahraus, jahrein praktizierten Kirchenkultur.

Festakt in der Predigerkirche: Sandra Rupp Fischer und Ehrengäste. Foto: © cantars,Foto: © cantars,Foto: © cantars,Foto: © cantars

Ganz irdisch wird der Eingang kontrolliert, keine Unbefugte hereingelassen. Die Konzerte des Auftaktfestivals von cantars in Basel sind straff organisiert und gleichwohl geht alles leicht, um nicht zu sagen, himmlisch, über die Bühne. Um zwölf Uhr wird am 14. März das Kirchenklangfest im Basler Münster mit einem geistlichen Spektakel eröffnet. Dann folgen bis um Mitternacht stündlich über 20 Konzerte à maximal 40 Minuten zum Teil parallel in fünf verschiedenen Kirchen. Diesem Veranstaltungsmodell werden innerhalb dreier Monate rund 440 Konzerte mit 12 000 Mitwirkenden an 36 Anlässen unter der Obhut je eigener Organisationsteams folgen. Erwartet werden total rund 100 000 Zuhörerinnen und Zuhörer. Cantars findet nun zum zweiten Mal nicht mehr nur wie 2011 im Bistum Basel statt, sondern in grösserem Rahmen in den Kantonen AG, BE, BS/BL, FR, GR, LU, SG, SH, SO, SZ, TG, VS und ZH. Veranstaltet wird das bemerkenswerte Ereignis vom Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverband, unterstützt vom Schweizerischen Kirchengesangsbund.

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Theatrum Sacrum Basiliensis
cantars – es geht los! Geistliches Spektakel im Münster

Drei Jahre dauerten die Vorbereitungen unter der Leitung von Sandra Rupp Fischer. Am Abend des ersten Veranstaltungstages mündeten sie in einen ersten Höhepunkt,  den Festakt in der Basler Predigerkirche. Die schlichte und gleichzeitig eindrückliche Feier stand ganz im Zeichen des cantars-Mottos: vielfältig – verbindend – grenzüberschreitend – zukunftsweisend. Es ertönten barocke Bläserklänge, Gesänge verschiedener Stilrichtungen samt dem cantars-Jingle von Christoph Honegger und Tastenimprovisationen, es sangen gemeinsam Jung und Alt, Chöre aus verschiedenen Kantonen und Gäste, und es trafen sich, beflaggt von balinesischen Gebetsfahnen, Katholiken und Evangelische in der Kirche der Christkatholiken. Die Gastredner (Bischof Markus Büchel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Pfarrer Gottfried Locher, Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds und Pfarrer Michael Bangert, Gastgeber Predigerkirche und Vertreter der Christkatholischen Kirche Schweiz) unterstrichen die ausserordentliche Bedeutung der so vielfältig gelebten Kirchenmusik für die Kultur im Allgemeinen und die Kirche im Besonderen, während Festrednerin Ständerätin Anita Fetz (SP/BS) den ökumenischen Hintergrund unserer Nationalhymne, des Schweizer Psalms, ins Bewusstsein rückte.

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Festakt in der Predigerkirche
Delegationen der 36 Anlassveranstalter: Einzug mit balinesischen Gebetsfahnen

Der Besuch einiger Veranstaltungen liess das breite Spektrum heutiger Kirchenmusik erkennen. So begeisterten Klassisches und Barockes etwa unter der schwungvollen Führung eines tüchtigen Dirigenten und klanglich herauspoliert durch professionelle Instrumentalisten und Solisten. Oder ein raffiniert zusammengestelltes Programm liess die unüberhörbaren Schwächen eines andern Chores beinahe vergessen. Einem exzellenten Männerstimmenensemble hätte man noch lange zuhören wollen, während andernorts der Vortrag schon nach den ersten paar Takten viel zu lange dauerte. Diese Konzerte bildeten natürlich nur einen verschwindend kleinen Teil all der Darbietungen, die im Rahmen von cantars 2015 noch zu hören sein werden. Trotzdem sei eine zusammenfassende Feststellung erlaubt: Chormusik – welcher Stilrichtung auch immer – klingt da am schönsten, wo sie kompetent geleitet, das heisst, wo das Potenzial eines Ensembles erkannt und optimal entwickelt wird.

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Himmelwiit – Familienkonzert in der Offenen Kirche Elisabethen
Andrew Bond & ökumenischer Kinderchor ökiko Oberwil, Therwil, Ettingen, Biel-Benken

Cantars (von lateinisch cantare – singen und ars – Kunst) bietet nun bis Anfang Juni Gelegenheit, verschiedenste Ausrichtungen der Kirchenkultur kennenzulernen in Konzerten, Ausstellungen, Referaten, Begegnungen, Lesungen, Führungen … Einige Themen-Schwerpunkte aus den 36 Anlässen seien hier hervorgehoben:
 

18. April in Olten: Faszination Orgel-Bau
25. April in Bern: Rap & Poetry
3. Mai in Schaffhausen: Humor-Festival
9. Mai in Baden: Gospel
9. Mai in Luzern: Weltreligionen – Weltmusik
30. Mai in Luzern: Migranten-Kirchen
30. Mai in Muri: Alte Musik
6. Juni in Luzern: Sängerknaben

 

Detaillierte Informationen unter:
www.cantars.ch

Die Schweizer Musikzeitung ist Medienpartnerin von cantars.

Das menschliche Ohr sendet auch Schall aus

Ein Forscherteam um die Oldenburger Neurobiologin und Hörforscherin Christine Köppl und den kanadischen Physiker Christopher Bergevin haben herausgefinden, dass das menschliche Gehör dem von Vögeln und Echsen ungeachtet der sehr unterschiedlichen Innenohren verblüffend ähnelt.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de,SMPV

Die sogenannten otoakustischen Emissionen des Ohres sind seit Ende der 1970er-Jahre bekannt, aber ihre Entstehung blieb bislang rätselhaft. Die neue Studie vergleicht nun die Emissionen menschlicher Ohren im Detail mit denjenigen von Schleiereulen und grünen Anolis-Echsen und legt einen über Gattungsgrenzen hinweg einheitlichen Entstehungs-Mechanismus nahe.

Laut Köppl sind die Sinneszellen im Innenohr das gemeinsame Element. Im Verlauf der Evolution habe sich daraus bei Säugetieren eine spiralförmige Cochlea entwickelt, bei Vögeln eine lange bananenförmige Innenohr-Struktur.

Im normalen Alltag senden Ohren sehr selten selbst Schall aus, meist wird dies von den hereinkommenden Umgebungsgeräuschen quasi unterdrückt. In einer schallisolierten Kammer hingegen sind nach ungefähr zehn Minuten absoluter Ruhe entweder spontane Emissionen messbar, oder sie lassen sich mittels akustischer Reize hervorrufen. Würde man diese – bei Frauen aus unbekannten Gründen etwas häufigeren – otoakustischen Emissionen verstärken, klängen sie wie ein Pfeifen und wären bei manchem sogar mehrstimmig.

Bei Säuglingen und Kleinkindern sind otoakustische Emissionen laut Köppl sehr prominent und daher auch Grundlage des Neugeborenen-Hörscreenings. Ein besseres Verständnis für otoakustische Emissionen könnte in Zukunft auch differenziertere Diagnostik ermöglichen.

Originalartikel:
http://www.pnas.org/content/early/2015/03/02/1418569112
 

Winterthur enttäuscht von Musikschulgesetz-Vorlage

Im Februar hat der Zürcher Regierungsrat die Vorlage für das neue Musikschulgesetz dem Kantonsrat weitergeleitet. Für Winterthur ist der Entwurf eine Enttäuschung. Er treibe die Aufwendungen und lasse die Gemeinden mit den Infrastrukturkosten alleine.

Nicht die richtigen Nägel eingeschlagen im Gesetzesentwurf?

Der Winterthurer Stadtrat begrüsst, dass mit dem Gesetz das Angebot an ausserschulischem Musikunterricht für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene längstens bis zum vollendeten 25. Altersjahr an Musikschulen ermöglicht wird. Die geforderten, hohen Qualitätsvoraussetzungen für Musikschulen werden vom Stadtrat im Grundsatz auch nicht in Frage gestellt.

Stossend an der Gesetzesvorlage ist aus Sicht des Stadtrates aber, dass der Kanton zwar hohe Qualitätsanforderungen für die Anerkennung der Musikschulen aufstellt, gleichzeitig aber nur für eine minimale Kostenbeteiligung bereit ist. In den Vernehmlassungsantworten hätten die Gemeinden und Musikschulen einen kantonalen Beitrag von zwanzig Prozent gefordert, schreibt die Stadt Winterthur. Zudem würden Infrastrukturkosten nicht als beitragsberechtigt eingestuft.

Die Vorlage sieht vor, dass die Musikschulen ein Mindestangebot und den Zugang zu einem erweiterten musikalischen Angebot gewährleisten, über eine qualifizierte Schulleitung verfügen und dafür sorgen müssen, dass der Musikunterricht von Musikschullehrpersonen mit Hochschuldiplom oder gleichwertiger Ausbildungen erteilt wird.

Auch dem verfassungsmässigen Auftrag der Begabtenförderung werde die Gesetzesvorlage nicht gerecht, so der Stadtrat weiter. So werde zwar festgehalten, dass musikalische Begabungen und besonders talentierte Schülerinnen und Schüler gefördert werden sollen. Der Kanton sei jedoch nicht bereit, sich an den anfallenden Kosten und an den Ausgaben der Förderungszentren (besondere Musikschulen) angemessen zu beteiligen.

Die Stadt Winterthur regt an, den Kostenanteil des Kantons anlässlich der Beratungen durch das Kantonsparlament auf mindestens zwanzig Prozent anzuheben und den Passus «Infrastrukturkosten gelten nicht als anrechenbare Betriebskosten» ersatzlos aufzuheben.

 

Foto: Maschinenpark der Nagelfabrik in Winterthur. Roland zh/wikimedia commons

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