Schweyzer dantz

Hiesige Volksmelodien aus Renaissance und Barock für Melodieinstrument und Begleitung in heutiger Notation bereitgestellt.

Tabulatur von Georg Wieze, 1616. Fundaziun Planta Samedan

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Sammlung von rund 90 einstimmigen Melodien, die Christoph Greuter aus Handschriften und Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts schweizerischer Provenienz oder mit Bezug zur Schweiz zusammengetragen und für den praktischen Gebrauch eingerichtet hat, ist ein Glücksfall. Der Autor, an der Schola Cantorum Basiliensis diplomierter Lautenist und Spezialist für historische Zupfinstrumente, kennt sich auch in verschiedenen Gitarrenstilen aus. In seinen umfassenden Studien bis hin zur E-Gitarre in Slidetechnik erkannte er, dass sich ältere Volksmusik der Schweiz nicht nur für historische, sondern für alle Melodieinstrumente eignet.

In aufwendigen Recherchen hat der Forscher und Berufsmusiker 20 Handschriften aus der Schweiz, vor allem aus der Universitätsbibliothek Basel und der Fundaziun Planta in Samedan, und einige gedruckte Lauten- und Orgeltabulaturen (Griffschriften) auch aus den Nachbarländern nach weltlichen Schweizer Melodien (z. B. Schweyzer dantz, Zürich Tantz, Marche suisse, Solothurner danz, Pretigauwer Dantz) durchsucht und sie in den originalen Tonarten transkribiert. Als Ergänzung finden sich in Buchstaben notierte Akkordfolgen für begleitende Instrumente, so dass sich die Edition für historisch orientierte Instrumentalisten, fürs Laienmusizieren und ganz besonders für musikpädagogische Bedürfnisse anbietet. Christoph Greuters professionell eingerichteter Melodienschatz wird aber auch Spielleute und Folkies begeistern, die sich ihr Material bislang selbst aufbereiten und in Tabulaturschrift überlieferte Stücke recht und schlecht in heutige Notation übertragen mussten. Die nun so leicht zugänglichen Schweizer Renaissance- und Barock-Melodien dürften zudem Komponisten und experimentelle Volksmusiker zur weiteren Verarbeitung inspirieren.

Das 60-seitige Notenheft konzentriert sich auf Tänze und Lieder, die der Herausgeber in 15-jähriger Arbeit gefunden und bearbeitet hat. Für einen zweiten Band wünschte man sich Melodien, auf die in schweizerischen Flugblattliedern hingewiesen wird und die sich meistens auffinden lassen. Es empfiehlt sich zudem, unter den historischen Basler Fasnachtsmärschen jene zu prüfen, die aufs Feldspiel der alten Eidgenossen zurückgeführt werden können.

Christoph Greuter hat in dankenswerter Weise Einzelleistungen von Arnold Geering, Hans in der Gand, Martin Staehelin, Joachim Marx, Robert Grossmann und anderen Musikwissenschaftern und -ethnologen gesichtet, um weitere Funde ergänzt und alle Melodien für die Praxis harmonisiert. Er hat damit eine Lücke in den schweizerischen Musikdenkmälern gefüllt und einen wesentlichen Beitrag zum immateriellen Kulturerbe geleistet.

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Radix. Früheste Schweizer Musik im Volkston. Musik in der alten Eidgenossenschaft aus Musikhandschriften und -drucken des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. von Christoph Greuter., Bestellnr. 1068, Fr. 29.00, Mülirad Verlag, Altdorf 2014

Pianistische Hürden groovig verpackt

Jazz, Afro-Caribbean, Evergreens: Von Mike Cornick gibt es Hefte für den Klavierunterricht in fast allen Stilen.

Foto: protopic/fotolia.com

Die Langeweile ist bekanntlich der Todfeind des Lernens, während unser Gehirn auf stetiges Wiederholen angewiesen ist. Schon bei Carl Czerny finden wir als Lösung für diesen Zielkonflikt den Trick des unablässigen Neuverpackens. In seinen 160 kurzen (8-taktigen) Übungen zum Beispiel, finden wir immer und immer wieder den Dominantquartsextakkord mit regelkonformer Auflösung. Das harmonische Klischee ist dabei teilweise so gut verpackt, dass wir die Floskelhaftigkeit gar nicht mehr wahrnehmen.

Der erfolgreiche Vielschreiber pianistischer Unterrichtsliteratur, Mike Cornick, scheint das Rezept seines Vorvorgängers verinnerlicht zu haben. Sowohl in der Sammlung In the Groove and More als auch in den drei 2014/15 erschienenen Bänden seiner Style Collection, Jazz, Afro-Caribbean und Evergreens, verpackt er pianistische Dauerherausforderungen immer wieder neu und raffiniert.

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Im Band Jazz finden wir elf Standards und zwei Eigenkompositionen, die sich am traditionellen Jazz orientieren. Überwiegend Swing in seinen Varianten und ein binär zu phrasierender Ragtime dienen dem Training der heimtückischen Verschiebung der Taktschwerpunkte auf die Schläge 2 und 4 und des Vorziehens einzelner stiltypischer Taktteile um einen ternären Achtel. Leider sind die im Jazz unbedingt immer mitzulesenden Akkordchiffrierungen grafisch weit unter das Basssystem gerutscht. Sinnvoller wäre in Anlehnung an die Lead Sheet-Notation ein Abdruck derselben unmittelbar über der Melodie. Im Gegensatz zum Generalbass harmonisieren wir im Jazz ja «Songs», also die Melodien. Zudem soll das im Arrangement präzis Notierte im Jazzunterricht möglichst schnell als eine von vielen Varianten verinnerlicht werden, wie das Akkordsymbol umgesetzt werden kann, aber keineswegs muss. Kein Jazzpianist wird beispielsweise den wiederholten A-Teil eines Stücks zwei Mal gleich spielen. Dem Schüler soll stets klar sein, dass in der Praxis des Jazz improvisiert entsteht, was hier als verbindlich abgedruckt wird. Zur eigentlichen Improvisation wird er leider im Band selber nicht explizit aufgefordert.

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In den afro-karibischen Stücken bzw. deren Arrangements ist in obigem Zusammenhang erstaunlich, wie oft sich Cornick zum verpönten Streckmittel des Copy-Paste verleiten lässt. Die typischen Tonartenwechsel machen alleine den Stil noch keineswegs aus. Dasselbe in Grün nochmals abzudrucken mag allenfalls dem Transpositionstraining dienen, steigert sonst jedoch lediglich die Seitenzahl der Publikation. Pianistisch herausfordernder wäre ein dramaturgisch dem Tonartenverlauf folgend verdichteter, teilweise reharmonisierter oder um Oktavierungen erweiterter Satz.
 

 

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Wer sich an die Schreibe Cornicks gewöhnt hat, findet im Band Evergreens die Hits, die nach der Arbeit mit der Schule Piano Coach 1 und 2 (ebenfalls von Cornick) sein Repertoire ergänzen und erweitern. Ob wir jedoch auf eine weitere vereinfachte Version des Entertainers, des Maple Leaf Rags, von La Cucaracha oder Summertime gewartet haben, wagt der Schreibende zu bezweifeln.

 
 

 

 

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Cornicks Stärke bleiben die didaktisch solid geschriebenen Eigenkompositionen. Hier kann der sichtlich erfahrene Pädagoge aus dem Vollen schöpfen, ohne sich an Vorgängerarrangeuren messen zu müssen. Die 14 Stücke aus In the Groove and More sind ein toller Rundumschlag für die Mittelstufe vor allem klassisch vorgebildeter Schüler. Da auch jene spätestens ab diesem Niveau mit den Akkordsymbolen, vor allem der jazztypischen Septakkorde auf allen Harmoniestufen, konfrontiert werden sollten, ist es unerklärlich, ja fast schon ärgerlich, dass kein einziges Symbol die charakteristischen Voicings bezeichnet und den Weg in den Druck gefunden hat. Ebenso ärgerlich sind die heute halt üblichen Gimmik-CDs. Die gewählten synthetischen Sounds sind so billig und dürftig abgemischt, dass von einem Nutzen der Aufnahmen kaum gesprochen werden kann. Da ist das gute alte Metronom schon fast wieder das solidere Play-along.

 

Cornick Mike, In the Groove and More, 14 unterhaltsame mittelschwere Stücke für Klavier,
UE 21669, € 13,95, Universal Edition, Wien 2014

Mike Cornick, Style Collection – Jazz, Beliebte Jazzstandards, Blues und Spirituals in mittelschweren Bearbeitungen für Klavier, UE 21650, jeweils mit CD, € 17.95

id., Afro-Caribbean Style Collection, UE 21651

id., Style Collection – Evergreens, UE 21652

Immer mehr Deutsche besuchen Kulturevents

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat die Nachfrage nach kulturellen Angeboten in den Jahren 1995 bis 2013 in Deutschland untersucht. Auffallend etwa ist, dass Menschen in Städten nicht kulturaffiner sind als auf dem Land.

Foto: Uwe Steinbrich/pixelio.de

Besuchten laut der Studie im Jahr 1995 nur rund die Hälfte aller Erwachsenen hochkulturelle Angebote, waren es im Jahr 2013 bereits 58 Prozent. Ähnlich entwickelte sich die Nachfrage nach populärkulturellen Angeboten wie Jazz- und Pop-Konzerten oder Musik- und Filmfestivals.

Private Haushalte in Deutschland haben – so zeigt die laufende Wirtschaftsrechnung – im Jahr 2011 durchschnittlich jeweils 144 Euro für Kulturveranstaltungen ausgegeben, also in der Summe 5,7 Milliarden Euro – rund ein Viertel mehr als im Jahr 2003.

Die staatlichen Kulturausgaben lagen im Jahr 2009 – dem jüngsten Jahr, für das entsprechende Daten vorliegen – bei insgesamt 9,1 Milliarden Euro. Das waren zwar 1,6 Milliarden Euro oder 22 Prozent mehr als noch im Jahr 1995, allerdings hat sich das allgemeine Preisniveau im selben Zeitraum um 23 Prozent erhöht. Insgesamt betrachtet heisst das: Obwohl die staatlichen Ausgaben für Kultur real stagnieren, nutzen immer mehr Menschen entsprechende Angebote.

Frauen besuchen der DIW-Studie zufolge häufiger hochkulturelle Veranstaltungen als Männer. Je älter ein Mensch ist (bis zum 75. Lebensjahr) und je höher sein Bildungsabschluss, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Opern, Theater und Museen besucht. Arbeitslose nehmen seltener Kulturangebote wahr als Erwerbstätige und Einwohner ländlicher Gebiete seltener als die städtische Bevölkerung. Berücksichtigt man allerdings, dass in ländlichen Regionen weniger kulturelle Veranstaltungen stattfinden, die Steuereinnahmen geringer sind und die durchschnittlichen Einkommen kleiner, unterscheidet sich die Kulturnachfrage nicht mehr gegenüber den Städten.

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die grösste und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt.

Mehr Infos: www.diw.de

Lernfähiger Roboter wird zum Opernakteur

Pygmalion ist ja Opernstoff durch und durch. Die Komische Oper Berlin nimmt die Menschwerdung der Puppe beim Wort: Sie macht den autonomen humanoiden Roboter Myon zum Helden einer Oper – mit dem sinnigen Titel «My Square Lady».

Was macht einen Menschen zum Menschen? Wie lässt sich ein Gegenstand oder ein «einfaches Lebewesen» zu einem solchen formen? Mit dem Stück My Square Lady nach George Bernhard Shaws Schauspiel Pygmalion und Frederick Loewes Musical My Fair Lady suchen das deutsch-britische Performancekollektiv Gob Squad, das Forschungslabor Neurorobotik der Beuth Hochschule für Technik Berlin und die Komische Oper Berlin nach möglichen Antworten.

Gob Squad begeben sich mit Myon auf eine Entdeckungsreise durch die Komische Oper Berlin. Myon soll das »Kraftwerk der Gefühle« Oper in all seinen Facetten erkunden und dabei lernen, was es heisst, menschliche Gefühle zu empfinden, sie auszudrücken und bei anderen hervorzurufen. Ob Myon schliesslich zum Menschen oder gar zum Opernstar taugt, wird er am Ende der Spielzeit auf der grossen Bühne unter Beweis stellen.

Ein Interview mit Myon: www.youtube.com/watch?v=eWlWUrxLhrk

Kontroverse um Basler Lärmschutzbestimmungen

Kulturstadt Jetzt, ein «parteiunabhängiges Komitee für die Förderung der Kultur und die Belebung der Stadt» sieht die musikalische Eventkultur der Stadt Basel wegen neuer Lärmvorschriften gefährdet. Das zuständige Amt für Umwelt und Energie (AUE) der Stadt versteht die Aufregung nicht.

Wie weit dürfen die Regler geöffnet werden! Foto: Marvin Siefke/pixelio.de

Veranstalter und Musiker in der ganzen Schweiz seien auf das neue Basler Bass-Regime aufmerksam geworden. Ihre Reaktionen machten deutlich, dass Basel mit den vom Amt für Umwelt und Energie (AUE) definierten Regeln keine Partys mehr zu feiern habe, schreibt Kulturstadt Jetzt, eine Vereinigung, die unter anderem von der Basler Popförderung und dem Jugendkulturfestival Basel getragen wird.

Die vom AUE neu definierten Regeln zur Beschränkung von Bassfrequenzen würden einem Verbot von zeitgenössischer elektronischer Musik gleichkommen, schreibt Kulturstadt Jetzt weiter. Anlässe wie das Open Air Basel, Beat on the street/Jungle Street Groove, das Imagine, das JKF und weitere seien bedroht. Und neue Clubgründungen seien nicht mehr möglich. Betroffen seien Künstler und Liebhaber einer Vielzahl an Genres: Dub, Techno, Elektro-Rock, Hip Hop, Trip-Hop und alle anderen Stile, welche von Bässen leben.

Das AUE gibt sich in einer Medienmitteilung erstaunt. Die Bewilligungspraxis bezüglich Lärmschutz habe sich im Kanton Basel-Stadt «im Wesentlichen» nicht verändert. Es gälten nach wie vor die Grenzwerte gemäss Richtlinie der Vollzugshilfe der kantonalen Lärmschutzfachleute Cercle Bruit.

Bei der Bewilligung von Musikveranstaltungen im Freien gehöre Basel überdies zu den liberalsten Städten der Schweiz, schreibt das AUE weiter. So seien sogar in der Innenstadt Musikkonzerte bis zu einer Lautstärke von 100 dB(A) möglich, mit der Empfehlung, eine Differenz zwischen dB(C) und dB(A) von 14 einzuhalten. In Zürich zum Beipiel liege der Grenzwert für Openair-Veranstaltungen in der Innenstadt bei dB(C) 100, was soviel heisse, dass bei basslastiger Musik mit einer Differenz zwischen dB(C) und dB(A) von 14, maximal eine Lautstärke von 86 dB(A) erlaubt sei.

Waadtländer Kulturchefin geht in den Ruhestand

Brigitte Waridel beendet ihre Tätigkeit als Leiterin des Waadtländer Service des affaires culturelles (SERAC) per Ende Jahr. Die Stelle soll nächstens ausgeschrieben werden.

Foto: J.Magnin-Gonze/serac

Brigitte Waridel begann ihren Staatsdienst 1976 als Angestellte der Kantonalen und Universitären Biblothek, die sie als Directrice adjointe von 1981 bis 1993 mitleitete. 1995 übernahm sie die Leitung des «Service des activités culturelles», der später zu den «Services des affaires culturelles (SERAC)» wurde.

Ihr engagierter Einsatz für die Kultur habe nicht zuletzt dazu geführt, dass der Begriff «culture» 2009 in den Departementsnamen «Département de la formation, de la jeunesse et de la culture» aufgenommen wurde, schreibt der Kanton.

Eine wichtige Rolle habe sie bei der Gründung der Haute Ecole de théâtre de Suisse romande in Lausanne, der Welschschweizer Filmstiftung und dem Label+ Théâtre romand gespielt.
 

Musikdirektor des Luzerner Theaters bestimmt

Clemens Heil, der seit 2012 als Erster Kapellmeister am Theater Bremen amtet, wird unter der Intendanz von Benedikt von Peter ab der Spielzeit 2016/17 Musikdirektor am Luzerner Theater.

Foto: Luzerner Theater

Heil wurde in Wiesbaden geboren und wuchs in Tübingen auf. Er erhielt früh Klavier- und Orgelunterricht. Zudem prägte ihn eine kirchenmusikalische Ausbildung an der Hochschule Rottenburg (Neckar) und jahrelange Mitgliedschaft bei den Rottenburger Domsingknaben. Zum Pianisten und Dirigenten an den Musikhochschulen Stuttgart und Freiburg ausgebildet, führten ihn erste Engagements zunächst als Korrepetitor und Chorleiter an die Staatsopern von Stuttgart und Hannover.

Als Solorepetitor und Kapellmeister am Staatstheater Mainz konnte er sich schliesslich ein grosses und breit gefächertes Repertoire erarbeiten. 2007/08 war Clemens Heil Dirigent der Internationalen Ensemble Modern Akademie Frankfurt. Seither besteht eine regelmässige Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern mit Konzerten im In- und Ausland sowie Rundfunk und CD Produktionen.

Cyrill Schürch ausgezeichnet

In Venedig wurde am 6. Mai der mit 10 000 Franken dotierte Mario Merz Prize in der Kategorie Musik an den Schweizer Komponisten und Pianisten Cyrill Schürch verliehen. Die Anmeldefrist für die nächste Vergabe läuft bis Ende Mai.

Cyrill Schürch / Foto: zVg

Die Jury für die Kategorie Musik setzte sich zusammen aus Thomas Demenga, Dieter Ammann, Alexander Lonquich und Willy Merz.

Cyrill Schürch wurde für sein Werk Soirée für Kammerensemble ausgezeichnet. Wie die Fondazione Merz mitteilt, bewogen folgende Qualitäten die Jury zur Vergabe des Preises an den 1974 geborenen Luzerner Komponisten: «hohe lyrische Sensibilität», «Effizienz der Instrumentalkomposition und ein weises Gleichgewicht zwischen Innovation und Kenntnis der Tradition».
Neben Schürch waren für den Preis Paolo Boggio (Vercelli 1964), Arturo Corrales (El Salvador 1973), Vassos Nicolaou (Zypern 1971) und Vito Zuraj (Maribor 1979) nominiert.

Im Bereich Kunst erhielt der ägyptische Künstler Wael Shawky den 1. Preis.

Die Fondazione Merz in Turin verwaltet seit 2005 den Nachlass des Künstlers Mario Merz. Der alle zwei Jahre verliehene Mario Merz Prize zeichnet Talente im Bereich zeitgenössischer visueller Kunst und Musikkomposition aus. Er will mit Ausstellungen und Musikinitiativen ein neues künstlerisches Netzwerk zwischen der Schweiz und Italien knüpfen.
Anmeldefrist für die zweite Runde ist der 1. Juni 2015 um Mitternacht.

Musik machen im Zentrum des Gruppenunterrichts

Am 13. und 14. März erörterten Peter Röbke, Elisabeth Aigner-Monarth, Natalia Ardila-Mantilla und weitere Fachpersonen das Thema «Musizieren als Herzstück des instrumentalen Gruppenunterrichts?»

Inarik – fotolia.com

Das lebendige und anregende Symposium mit Vortragenden und Teilnehmenden fast ausschliesslich aus Österreich und Deutschland – nur zwei Musikhochschullehrer aus der Schweiz! – widmete sich in vielfältiger Art und Weise dem Tagungsthema. Dabei war das Fragezeichen im Titel wie schon an der letzten derartigen Veranstaltung anno 2009, «Musizieren lernen – auch ausserhalb von Unterricht?», mehr als nur ein Markenzeichen.

In der Tat kam man kaum umhin, sich schon vor dem Symposium die verschiedensten Fragen zu stellen: Wenn nicht Musizieren im Zentrum des Instrumentalunterrichts steht, was denn sonst? Und warum nur im Gruppenunterricht? Ist die bekannte Devise von Keith Swanwick – Teach Music Musically – nicht für alle Arten von Musikpädagogik gültig? Und wenn dieser Kernsatz eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, warum ist herzhaftes Musizieren im Unterricht immer noch ein Problem? Was bleibt unterbelichtet im Gruppenunterricht? Wie und wann entfalten sich musikalische Lernprozesse? Wie können pädagogische Ziele wie musikalischer Ausdruck und künstlerische Entfaltung und Kreativität schon im Anfängerunterricht angepeilt werden? Wo sind Defizite in der Instrumentallehrerausbildung auszumachen?

Gleich zu Beginn zeigte Ulrike Kranefeld anhand kurzer prägnanter Videosequenzen und aussagekräftiger Statistiken aus ihrem JeKi-Forschungsprojekt, wie wenig im sogenannten Gruppenunterricht die gemeinschaftliche Musizierzeit genutzt wird. Eindrücklich, wie sich junge Schüler im sequenziellen Einzelunterricht – offenbar eine weitverbreitete Form falsch verstandener Gruppenarbeit – demonstrativ schlafen legen, sobald die Lehrperson sich einem Kameraden widmet. Gäbe es hier nicht ein Entwicklungspotenzial im Wechsel von Plenumsbezug und Einzelbetreuung unter Einbezug aller Schüler? Andererseits war bemerkenswert, wie sich in einem gelungenen Unterrichtsmoment mit einer JeKi-Cellogruppe die Kinder dem musikalischen Geschehen hingeben konnten.

Versunken sein von Beginn an
Hier knüpfte der Institutsleiter und «Hausherr» der Veranstaltung, Peter Röbke, an, wenn er argumentierte, dass dem zielgerichteten didaktischen Handeln Grenzen gesetzt sind. Für ihn sind Musiziermomente letztlich nicht verfügbar, das heisst rational nicht gänzlich planbar. Er plädierte dafür, Musikunterricht nicht als didaktisch-methodischen Herstellungsprozess, sondern als Moment der Hin-gabe und des Sich-Einlassen-Könnens in spontanes Geschehen zu konzipieren; eine «Gratwanderung zwischen dem gewohnten Gang und jener ganz anderen Erfahrung». Versunken-Sein, Glücksmomente, Affektdurchbruch, Grenzüberschreitungen und andere schon beinahe spirituelle Erfahrungen seien, so meinte Röbke, in besonderer Weise im Gruppenunterricht möglich, und das von Beginn an. «Wir sollten uns darauf pädagogisch (weniger didaktisch …) ausrichten!» «Achte auf erfüllte Augenblicke und gib ihnen Raum im Unterricht!» 

Musizieren steht auch im Vordergrund für Elisabeth Aigner-Monarth und Natalia Ardila-Mantilla. Die beiden jungen Klavierlehrerinnen und Mitarbeiterinnen des Instituts konkretisierten die Anliegen Röbkes in einem bipolaren Modell mit acht Dimensionen (siehe Tabelle). Auf der linken Seite die Charaktere des wohlgeplanten Unterrichts, auf der rechten die Wesenheiten geglückter Musiziermomente.
 

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 Unterrichten hiesse, so die zwei Forscherinnen, sich zusammen mit den Schülerinnen und Schülern ans Mischpult zu setzen und die Schalthebel dieser verschiedenen Dimensionen immer wieder neu zu regulieren.

Zu bedauern war die Abwesenheit Ulrich Mahlerts, dessen Beitrag nur stellvertretend vorgetragen werden konnte. Es ging dabei um Erscheinungsformen und Bedingungen von Glückserfahrungen im Musizieren. Spannend wäre gewesen, die Bedeutung dieses Themas und dessen Bezug zum Gruppenunterricht mit dem Autor selbst diskutieren zu können.

Wolfgang Lessing referierte über das Spannungsfeld (musik-)pädagogischer Antinomien im instrumentalen Gruppenunterricht: so etwa die Unvereinbarkeiten von Planung und Spontaneität, Erfahrungsunterschied und Partnerschaft, Organisation und Individualisierung. Im Rahmen dieses kurzen Berichts kann auf die einzelnen Gegensätze nicht eingegangen werden. Erwähnt werden soll jedoch der Gedanke, Antinomien als Chancen zu nutzen. Gerade im Gruppenunterricht und im Erlebnis des gemeinsamen Musizierens gelte es, so Lessing, scheinbare Unvereinbarkeiten nicht als Grenzen zu verstehen, sondern als Schwellen, die zum Überschreiten einladen.
Musizier- und Ausdruckslust im Instrumentalunterricht von allem Anfang an mit Herz und Seele zu pflegen, in jedem Ton das ganze Leben zu erfahren, dieses Anliegen verkörperte Wolfgang Rüdiger mit seinem Fagott unter Einbezug des Publikums: «If you celebrate it, it’s art. If not, it isn’t.»

Proteste gegen Freihandelsabkommen

Vor dem Kurfürstlichen Schloss in Mainz hat die DOV (Deutsche Orchestervereinigung) mit einer künstlerischen Performance und einer Resolution vor möglichen Gefahren des Transatlantischen Handelsabkommens TTIP und des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) gewarnt.

Foto: Nolight – fotolia.com

Auf die Melodie der Schillerschen Ode an die Freude aus Beethovens 9. Sinfonie intonierten Sängerinnen und Sänger den TTIP-kritischen Text «Wir sind keine Handelsware». Sie forderten damit die Politiker auf, bei den Verhandlungen zu den verschiedenen Abkommen «die gravierenden Bedenken des Kulturbereichs ernst zu nehmen» schreibt die Deutsche Orchestervereinigung (DOV).

Bislang, so zitiert der DOV seinen Geschäftsführer Gerald Mertens, wissen man nicht, von welchen Regelungen der Kulturbereich konkret betroffen sein werde. Auf der Grundlage von völlig unklaren Fakten könne keine konstruktive und kritische Auseinandersetzung stattfinden.

Zu der Aktion versammelten sich Musiker aus allen professionellen Konzert- und Opernorchestern, Rundfunkensembles sowie freie Musiker. Sie war der Auftakt der bis Donnerstag andauernden Delegiertenversammlung der DOV.

Netzavantgarde fordert Lockerung des Urheberrechts

Die kroatisch-britische Musik-Managerin Michela Magas hat an der Berliner Messe re:publica, dem wichtigsten europäischen Stelldichein der Internet-Akteure, das Europaparlament aufgefordert, das Urheberrecht zu lockern. So sollen neue Geschäftsmodelle möglich werden.

re:publica 15 – Tag 3. Foto: Ralf, flickr commons

Man könne sich nicht länger an die alten rechtlichen Strukturen klammern, zitiert das Deutsche Kulturinformationszentrum Magas. Auch in der Musikindustrie habe ein Lernprozess eingesetzt, der die Chancen einer Lockerung des Urheberrechts in den Blick nehme.

Magas ist Gründerin des Festivals Music Tech Fest, das der musikalischen Remix-Kultur eine Plattform bietet. Dabei werden Teile bestehender Werke in neuem Kontext zusammengefügt. Die traditionellen Abgeltungsmodellen für die Nutzung geistigen Eigentums würden dabei um neue Quellen, etwa Beteiligung aus Werbeinnahmen auf Internetplattformen, erweitert. Dies müsse in der Reform des Urheberrechts, die das Europaparlament dieser Tage diskutiert, berücksichtigt werden.

Mit neuen Bestimmungen sollen auch die Interessen von «Gunks» (eine Verschmelzung von «Geek» und «Punk») in Betracht gezogen werden. Gunks experimentierten mit Musiksoftware und frei verfügbaren Open-Source-Programmierwerkzeugen und entdeckten die unbelastete Kreativität neu, die der klassischen Musikindustrie abhanden gekommen sei. Dabei entstünden auch neue Formen von Musik wie die «Hackathons» genannten Fusionen von Musik und Software-Code oder das «Internet der Musik», das sich aus dem Internet der Dinge entwickle.

Sind Musikwettbewerbe nur gut gemeint?

Am 18. April diskutierten in der Musik-Akademie Basel Georges Starobinski, Sigfried Schibli, Stephan Schmidt und weitere Experten über den Sinn von Musikwettbewerben.

hchjjl – fotolia.com

 «Können wir uns eine Gesellschaft ohne Musik vorstellen?», fragte Maria Iselin zur Eröffnung der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen des Förderpreises der Basler Orchester-Gesellschaft (BOG). «Nein», lautete die klare Antwort der BOG-Stiftungsratspräsidentin. Aber mit einer kleinen Differenzierung in der Fragestellung wird das Antworten schon schwieriger: «Können wir uns eine Gesellschaft ohne gute Musik vorstellen?» Was ist gute Musik? Und wie findet man dafür einen guten – oder gar den besten – Interpreten? Seit Jahrhunderten versuchen Menschen, diese Fragen zu beantworten.

Schon in der Antike gab es Musikwettbewerbe, wie Georges Starobinski, Leiter der Musikhochschule Basel, in seinem Eingangsreferat betonte. Auch die Sängerkriege im Mittelalter, bei denen Dichtermusiker gegeneinander antraten, sind gut belegt. Doch was macht einen Musikwettbewerb heute aus? Ist er gut für die Musiker, gut für das Publikum? Oder – so lautete die Titelfrage des Podiums – «sind Musikwettbewerbe nur gut gemeint?»

Es ist eine selbstkritische Frage, die sich die BOG stellt. Seit zwanzig Jahren verleiht sie alljährlich Anerkennungs- und Förderpreise unter den Studierenden der Musikhochschule Basel. Aus dem kleinen, aber feinen Wettbewerb gingen so namhafte Persönlichkeiten wie die Cellistin Sol Gabetta, der Klarinettist Reto Bieri oder die Sopranistin Svetlana Ignatovich hervor.

Das Preisgeld ist mit insgesamt bis zu 15 000 Franken nicht üppig, doch eine notwendige finanzielle Unterstützung für junge Studierende. Denn – darin waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig – alle jungen Musiker, die an Wettbewerben teilnehmen, wollen vor allem eines: gute Musik machen. Dafür brauchen sie Raum und Zeit, und natürlich Geld, um keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen.
Ein weiterer bedeutender Faktor ist die Vernetzung in der internationalen Musikszene. Bei den meisten grossen Wettbewerben zahlt sich ein Sieg durch nachfolgende Konzertengagements aus. Manchmal automatisch, manchmal nur mit tüchtiger Eigeninitiative. Auch dies ist für den einzelnen Musiker ein positiver und erwünschter Nebeneffekt. Aber ist es das auch für das Publikum?

Gift für die Individualität
Sigfried Schibli, Podiumsteilnehmer und Musikkritiker bei der Basler Zeitung, resümierte, dass in den letzten 40 Jahren die Uniformität im Musikleben zugenommen habe: «Wirklich originelle Künstler erlebt man heute seltener.» Er ist der Überzeugung: «Wettbewerbe sind Filterinstrumente für Nervenkraft und Technik – und ein Symbol dafür, dass wir alle konkurrieren. Es gibt ja heute Wettbewerbe für jede Sparte, selbst für Journalisten.»

Dass Musikwettbewerbe Kreativität nicht fördern können, ist für Stephan Schmidt, Gitarrist und Direktor der Musikhochschulen der Fachhochschule Nordwestschweiz, klar: «Wettbewerbe beziehen sich auf einen Standard. Man vergleicht etwas, das man schon kennt.» Dennoch schliessen sich Wettbewerbe und Kreativität nicht aus: Oftmals sind es die Träger der zweiten und dritten Preise grosser Wettbewerbe, die schliesslich Karriere machen – sie haben es geschafft, technisches Können und Individualität zu vereinen.
Ob ein Wettbewerb einem jungen Musiker eher schade oder eher nutze, hänge von seiner eigenen Einstellung ab, ist Schmidt überzeugt: «Es geht immer darum, sich selbst weiterzuentwickeln.» Ganz verschiedenes Repertoire intensiv für einen Wettbewerb zu üben, kann die persönliche Entwicklung sehr fördern. Für ihn selbst seien damals Wettbewerbe die einzige Möglichkeit gewesen, aus seiner dörflich geprägten Heimat hinaus in die Welt zu ziehen. Auch der Pianist Carl Wolf, BOG-Preisträger von 2004, zieht aus seiner Wettbewerbszeit die Bilanz: «Man nimmt immer etwas mit: Man lernt neue Säle kennen, neue Leute, neues Repertoire, sammelt viele Erfahrungen.»

Ob Musikwettbewerbe nicht nur die Preisträger, sondern alle Teilnehmenden fördern, hängt wesentlich vom ehrlichen Feedback der Jury ab. Doch genau da hapert es meist, wie alle Musiker auf dem Podium zu berichten wussten. Vielleicht, weil es auch für erfahrene Juroren gar nicht möglich ist, auch nach der zehnten Wiedergabe des gleichen Stücks Unterschiede zu erkennen, wie der Geiger Volker Biesenbender einst in einem Artikel in der Basler Zeitung zugab. Vielleicht aber auch, weil es zu viele Interessenskonflikte zwischen Lehrern und Schülern, Kollegen und Seilschaften gibt.

Das abschliessende Konzert mit Preisträgern aus 20 Jahren BOG-Förderpreis liess jedoch alle Wettbewerbskritik vergessen. Ein grosser Reichtum an Musikalität, Kreativität und Persönlichkeit zeigte sich da – und wie herrlich, einmal ein so bunt gemischtes Konzertprogramm, das mit seinen kurzen Stücken eher an einen Hochschulanlass denken liess, auf allerhöchstem Niveau zu erleben. Da gab es eine Uraufführung von Maximiliano Amicis Kammermusikstück Ithaca mit der geschmeidigen Sopranistin Amelia Scicolone, eine furiose Beethoven-Sonate mit Sol Gabetta, faszinierend poetisch-sprechende Schumann-Fantasiestücke mit der Klarinettistin Karin Dornbusch, eine fulminante, wilde Reise durch Schumanns Carnaval mit dem Pianisten Paavali Jumppanen. Wenn Wettbewerbe – und seien es so kleine wie derjenige der BOG – solche Musiker hervorbringen, dann ist auch einiges richtig daran.

Drinnen und draussen

Die Wittener Tage für neue Kammermusik mit einer Installation von Barblina Meierhans im Gelände und einem Komponistenporträt von Beat Furrer im Saal.

Barblina Meierhans bei ihrer Installation. Foto: Andreas Oertzen,Foto: Andreas Oertzen

 Im Ruhrgebiet gab es mal viel zu tun. So viel, dass deutsche Arbeitskraft nicht mehr ausreichte, um ihn zu befriedigen, den riesigen Bedarf an Kohle und Stahl. Ob Polen, Griechen, Türken – alle halfen mit beim deutschen Wiederaufbau nach 1945. Heute sieht es anders aus in Bochum, Dortmund oder Witten. Vorbei ist es mit der Kohle und dem Kohle-Machen. Verlassene Fördertürme, Zechen wie Bergstollen sind nun Ausflugsziele – auch bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik, wo es ins nahe gelegene Muttental ging zu einer Klangwanderung mit zwölf Stationen in Form von Installationen, Klangperformances oder ausgewachsenen Konzertstücken in freier Natur.
Wer Installationen macht, bezieht sich in der Regel auf den Ort, wahlweise auf dessen Atmosphäre oder auf dessen Geschichte. Franz Martin Olbrisch setzt einen piepsenden Kanarienvogel an den Eingang eines verschlossenen Bergstollens. Bei den Bergleuten dienten Vögel als eine Art Frühwarnsystem vor «schlagendem Wetter». Strömte das gefährliche Methangas irgendwo im Bergstollen aus, reagierten die Vögel zuerst. War das Gasvorkommen besonders stark, war der Vogel tot – und so liegt er dann auch leblos in einem anderen Bergstollen, den Olbrisch künstlerisch nutzt.

Berstende Steine

Barblina Meierhans, 1981 im schweizerischen Burgau geboren, studiert derzeit bei Olbrisch in Dresden; zuvor war sie an den Hochschulen in Bern und Zürich, wo sie das Kompositionshandwerk erlernte unter anderem bei George Aperghis und Daniel Weissberg. Meierhans nennt ihre Installation Steinsengen. In die Grundmauern eines abgerissenen Maschinengebäudes platziert sie kleine Lautsprecher, aus denen die Geräusche berstender Steine tönen. Man sollte denken, stabile Steine würden einfach platzen und dabei gewaltig knallen. Meierhans jedoch inszeniert das Spalten dezent, ja geradezu introvertiert. Sie brachte Kontaktmikrofone an Steine an, die sie mit Hammer und Keilen spaltete. In einem Stolleneingang neben den Grundmauern sind die gewaltsamen Zertrümmerungsschläge zu hören. Daneben, im alten Maschinengebäude, äussern sich die inneren Gesteinskräfte in Form eines seltsamen Klirrens und Quietschens aus den mit grossen Eisenplatten verdeckten Lautsprechern.
Meierhans´ sensible Installation lädt zum Verweilen ein. Anders als Olbrischs Arbeit entfaltet sie ihre Wirkung erst mit der Zeit, die es leider kaum gibt, da es bei der Klangwanderung zu schnell aufgeht zur nächsten Station. Beat Furrer kennt solche Probleme als «Indoor-Komponist» weniger. Der 1954 in Schaffhausen Geborene ist in diesem Jahr ausgiebig präsent in Form eines Komponistenporträts, das im Konzertsaal kammermusikalische wie orchestrale Seiten offenbart. Furrer macht nach zwei Tagen voller Proben (und Interviews) einen durchaus müden Eindruck. Doch ist er froh, dass er sich im Gegensatz zum sonstigen Festivalbetrieb von verschiedenen Seiten zeigen kann und nicht nur mit einer Uraufführung.

 

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Beat Furrer

Kontrollierte Explosion

Schon das Duett lotófagos I für Sopran und Kontrabass zeigt, dass Furrer aus sehr ungewöhnlichen Besetzungen etwas machen kann. Wider Erwarten schmiegen sich die Höhen und Tiefen einander an. Er sei selbst überrascht, sagt Furrer, «wie sich das mischt», und fügt hinzu, dass der Vorteil darin besteht, dass «man keine dynamischen Probleme hat» und dass sich die «Flageoletts des Kontrabasses sehr gut vertragen mit dem Sopran». Furrer ist ein sensibler Klangerkunder und Instrumentator. Er spricht viel über «Formanten», «Klangstrukturen», «Filterwirkungen» und «Bewegungsmodelle». Das 1998 entstandene Spur für Klavier und Streichquartett bringt vor allem letztere zu Gehör. Eine perlend-kreisende Figur des Klaviers gibt dem Stück eine gehörige Portion Vorschub. Die Streicher des hervorragenden Ensembles KNM Berlin akzentuieren das Geschehen mit viel Pizzikati und harschen, durchdringenden Strichen. In seiner motorischen Dichte ist Spur weit entfernt sowohl von den intimen Duetten als auch von den orchestralen Zwei Studien, uraufgeführt vom WDR Sinfonieorchester Köln unter der Leitung von Titus Engel.
Es gibt kein «System Furrer», auch keinen markanten Personalstil. Aber in diesen Zwei Studien kommen doch Anlagen zum Tragen, die häufiger auftauchen. Gewiss ist Furrer kein radikal exaltiert rauschhafter Komponist. In der ersten Studie liefern sich zwar dissonante Blöcke von Blechbläsern und tiefen Streichern ein lautes Duell. Die Kontrolle jedoch ist Furrer zu wichtig, um das Drama dem Schicksal zu überlassen. Er behält stets die Kontrolle. Hier braucht es keinen vor Explosionen warnenden Kanarienvogel. Der Komponist bändigt die Energien selbst – auch mithilfe der zweiten Studie, die grüblerisch tief, zugleich hoch gekonnt in die Materie eindringt, sprich: in die Musik.

Skype-Konzert zwischen Zürich und New York

Zwei Streicherklassen aus Zürich und New York vernetzen sich im Rahmen eines Exchange Concerts diesseits und jenseits des Atlantiks via Skype miteinander: Die Klasse aus dem Schulhaus Sihlfeld trifft auf eine der Baychester Academy im New Yorker Stadtteil Bronx.

Spieler einer Streicherklasse aus Zürich. Foto: Frederic Meyer,SMPV

Neben dem abwechselnden Vorspielen auf den Instrumenten werden sich die Kinder gegenseitig zu ihrem Schulalltag austauschen. In New York werden unter anderem André Schaller, Schweizer Generalkonsul in New York, und Thomas Schneider, Leiter Abteilung Kultur und Bildung am Generalkonsulat, die Fragen übersetzen sowie Unterschiede und Zusammenhänge erklären.

Auf Zürcher Seite übernimmt Stadtrat Gerold Lauber, Vorsteher des Schul- und Sportdepartements diese Aufgabe, unterstützen wird ihn dabei Sharon Kim Soldati, Lehrerin für Klassenmusizieren bei MKZ. Sie arbeitete früher im ETM-Programm in New York und ist eine der Hauptinitiantinnen dieses Austauschprojekts.

Das gemeinsam von der Volksschule und Musikschule Konservatorium Zürich (MKZ) betreute Programm der Streicherklassen hat sich über die letzten Jahre in der Stadt Zürich etabliert. Zurzeit nehmen 74 Klassen (etwa 1600 Schülerinnen und Schüler) daran teil, im kommenden Schuljahr steigt diese Zahl auf 80. In den USA ist das Programm unter dem Namen ETM (Education Through Music) schon seit längerem ein fester Begriff in der Musikerziehung auf Primarschulstufe.

Neubewertung früher Messvertonungen

An der Weimarer Musikhochschule und der Mainzer Uni startet ein Projekt zur Neubewertung früher polyphoner Messen. Geleitet wird es von Christiane Wiesenfeldt und Klaus Pietschmann, der zwischen 2003 und 2009 an den Universitäten von Bern und Zürich tätig war und in Zürich auch habilitierte.

Antoine Brumel, Missa Et ecce terrae motus (1497?). Quelle: imslp.org,SMPV

Das Projekt mit dem Titel «Die frühe Messvertonung zwischen liturgischer Funktion und Kunstanspruch» befasst sich mit der frühen Messvertonung als zentraler musikalischer Gattung des 15. und 16. Jahrhunderts. Ihre wissenschaftliche Erschliessung war bislang unter einer vorwiegend philologisch sowie werk- und stilgeschichtlich geprägten Forschungsperspektive erfolgt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Mainz und Weimar wollen nun eine systematische Neubewertung der frühen polyphonen Messen vornehmen. Dabei sollen die Zusammenhänge zwischen musikalischer Faktur und liturgischer Zweckbestimmung berücksichtigt und methodische Zugänge entwickelt werden, die ritual- und frömmigkeitsgeschichtliche mit kompositionsgeschichtlichen Perspektiven verknüpfen.

Für das Projekt sind zwei Doktorandinnen und vier wissenschaftliche Hilfskräfte für drei Jahre tätig. Die beiden Projektleiter werden eine Monographie zur Thematik erarbeiten. Hinzu kommen die Qualifikationsschriften der Doktorandinnen Franziska Meier und Kirstin Pönnighaus zu Vertonungen des Requiems sowie zur Tradition der frühen L’homme-armé-Messen.

Ein Kernstück der Projektarbeit bildet die Weiterentwicklung der Datenbank MassDataBase, die bereits im Vorfeld der Antragstellung aus Mitteln der Forschungsförderung der Johannes Gutenberg-Universität sowie des Forschungsschwerpunkts Historische Kulturwissenschaften aufgesetzt wurde. Vorgesehen ist ferner, mehrere ergänzende, interdisziplinäre Workshops zu veranstalten.
 

 

 

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