Ohne Schmerz
kein Preis?
Musikerspezifische Krankheitsbilder

Dank spezifischen Abklärungen in musikermedizinischen
Spezialsprechstunden können Musikerinnen und Musiker heute gezielt behandelt
werden.


Gesundheitliche Beschwerden können heute in interdisziplinären musikermedizinischen Sprechstunden beziehungsweise in den Praxen der beteiligten Fachpersonen beurteilt werden. Ihre Störungen und Krankheiten lassen sich so gezielt behandeln. Letztere lassen sich dabei im Wesentlichen einteilen in musikerspezifische Krankheitsbilder sowie allgemein häufige Krankheitsbilder mit besonderer Bedeutung für Musizierende.


Krankheitsbilder sind musikerspezifisch, wenn die Symptome im direkten Zusammenhang mit dem Musizieren stehen. Nicht selten werden entsprechende Probleme auch bei Angehörigen anderer Berufe beobachtet, wenn ähnliche ergonomische Herausforderungen und psychologische Umstände vorliegen.


Die Fachpersonen streben eine möglichst präzise Diagnostik an. Sie schlagen dazu die in ihrem Fachgebiet üblichen diagnostischen und diagnostisch-technischen Abklärungen vor. Ihre musikermedizinische Kompetenz erlaubt ihnen die Analyse der prädisponierenden und der auslösenden Faktoren sowie die Erarbeitung eines therapeutischen Konzeptes. Leider werden Symptome von Betroffenen – zum Teil aus nachvollziehbaren Gründen – zu häufig verdrängt beziehungsweise verschwiegen, oder sie werden ohne Diagnostik mit teilweise untauglichen Mitteln behandelt.


Häufig müssen Intensität und zeitliche Staffelung des Musizierens angepasst werden. Ergonomische Anpassungen am Instrument sind in einem gewissen Umfang möglich. Arbeitsplatzanpassungen scheinen dabei deutliche Grenzen gesetzt. An kaum einem Arbeitsplatz eines Produktionsbetriebes arbeiten Menschen auf so engem Raum wie in einem Orchester. In keiner Bibliothek teilen sich zwei Leser ein Buch so wie sich zwei Musikerinnen ein Notenpult in heikler Distanz teilen. Zumindest im klassischen Musikbetrieb bestehen Kleidervorschriften, und kein Musiker erbringt seine Spitzenleistung so leicht bekleidet wie ein Langstreckenläufer, wie sehr er auch schwitzen mag.


Wie Abklärungen erfolgen – ein Fallbeispiel


Ein Hausarzt überweist einen 19jährigen Flötisten wegen Schmerzen in den Bereichen der Beugeseite des rechten Handgelenkes und der Streckmuskulatur am rechten Unterarm. Pro Tag spielt er 30 Minuten Klavier und 3 bis 4 Stunden Flöte ‒ mit einer Pause. Die Schmerzen verspürt er schon seit drei Jahren. Sie treten vorwiegend am Zweitinstrument Klavier auf. Die Beschwerden, inzwischen auch im Nacken, haben zwei Jahre zuvor mit Hilfe einer Craniosakraltherapie gelindert werden können. Nachdem die Vorgeschichte erhoben ist, wird der Flötist körperlich untersucht, und sein Spiel mit der Flöte wird mit einer Videokamera aufgenommen.


In einer zweiten Sitzung stellt sich der Musiker in der interdisziplinären musikermedizinischen Sprechstunde vor. Festgestellt werden eine muskuläre Insuffizienz im Bereich der Brustwirbelsäule sowie ein Überlastungssyndrom der rechten Unterarmmuskulatur. Eine dynamische Ultraschalluntersuchung schliesst ein dyna-
misches Karpaltunnelsyndrom – eine positionsabhängige Kompression des Nervus medianus durch Muskulatur – aus. Der Flötist erhält Empfehlungen hinsichtlich der Spielhaltung an der Flöte und für ein spezielles Coaching durch eine spezialisierte Therapeutin oder Pädagogin sowie Hinweise auf die Bedeutung von Pausenplanung und die präventive Wirkung körperzentrierter Techniken. Zur Behandlung der muskulären Insuffizienz am Rücken und der Unterarmmuskulatur verordnet ein Musikerarzt eine aktive muskelaufbauende Physiotherapie.


Muskuläre Überlastung
(overuse)


Sehnenprobleme


Chronische myofasziale
Schmerzen


Nervenkompressionen


Hypersensibilität der
Fingerkuppen


Fokale Dystonie


Hautirritationen und
-allergien


Kiefergelenk- und Zahn-
probleme


Glaukom


Innenohrfunktionsstörungen


Stimmbanderkrankungen

Eine neue Schweizer Musikgeschichte

Angelo Garovi betrachtet in seinem Buch die Musik im Gebiet der heutigen Schweiz von der Spätantike bis in die Gegenwart.

Ausschnitt aus dem Buchcover,SMPV

Wer hat an der Expo 1964 die Sinfonie für 156 Büromaschinen komponiert? Welche Kompositionen hat Igor Strawinsky am Genfersee geschrieben? Gab es nur in den Klöstern komponierende Frauen? Und was ist das Besondere an der Musik Arthur Honeggers?

Als Antoine-Elisée Cherbuliez, Professor für Musikwissenschaft an der Universität Zürich, 1932 die erste Musikgeschichte der Schweiz schrieb, gehörte Arthur Honegger noch zu den «jungen» Komponisten. Seither hat es keine selbständige Publikation zur schweizerischen Musikgeschichte mehr gegeben. Angelo Garovi betrachtet nun in zahlreichen knappen Kapiteln musikalische Themenkreise auf schweizerischem Territorium. Er beginnt bei der spätrömischen Wasserorgel von Avenches, thematisiert neben vielem anderen die Musik an den grossen Klöstern St. Gallen und Engelberg sowie am Konzil von Basel, spricht über liturgische Spiele im Spätmittelalter und die Festspielkultur im 19.und 20. Jahrhundert, über Minnesang und Kuhreihen, den Genfer Psalter und Glareans Dodekachordon. Auch die Schweiz als Gast- und Inspirationsland berühmter Musiker aus umliegenden Ländern spielt eine Rolle.

Angelo Garovi (*1944 in Sarnen) studierte Germanistik, Geschichte, Musikgeschichte und Orgel sowie Komposition bei Mauricio Kagel. Garovi war Musikkritiker in Luzern, Musikredaktor am Schweizer Radio SRF in Bern, Staatsarchivar des Kantons Obwalden und Professor für Deutsche Philologie an der Universität Basel. Er hatte Lehraufträge an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland.

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Angelo Garovi, Musikgeschichte der Schweiz,
mit Namensregister der Komponisten,
160 Seiten, illustriert, broschiert, Fr. 19.90,
Stämpfli, Bern 2015, ISBN 978-3-7272-1448-6

 

Raritäten aus Polen

Kostproben aus der Entwicklung des polnischen Klavierliedes vorgestellt von der Mezzosopranistin Bernadeta Sonnleitner und dem Pianisten Jakub Tchorzewski.

Andrzej Panufnik (links) and Witold Lutosławski (rechts), 1990. Nachweis s. u.,The Sea,A Yellow Song,I am and I weep

Obschon sich zahlreiche Meisterwerke darunter befinden, gingen nur ganz wenige polnische Kunstlieder ins Weltrepertoire ein. Was einer grossen Verbreitung im Wege stand, waren nebst Vorurteilen das Fehlen von international erfolgreichen Sängerinnen und Sängern sowie sprachliche Schwierigkeiten. Mit ihren vielen Zisch- und Nasallauten hat es die polnische Sprache nicht leicht, Interpreten zu gewinnen, denen zungenbrecherische Fähigkeiten ebenso zugemutet werden können wie Verständnis für eine spezielle, vorwiegend slawisch geprägte Klang- und Ausdruckswelt.

Umso dankbarer muss man der an der Frédéric Chopin-Musikakademie in Warschau und an der Berner Hochschule der Künste ausgebildeten Mezzosopranistin Bernadeta Sonnleitner und dem polnischen Pianisten Jakub Tchorzewski für eine mit Ersteinspielungen gespickte CD sein, die mit repräsentativen Kostproben von sechs bedeutenden Komponisten aus Polen bekannt macht. Bei Stanisław Moniuszko, der rund 300 Lieder schuf und als «polnischer Schubert» gilt, mag die Auswahl dermassen delikat gewesen sein, dass er schliesslich wegfiel. Chopin führt an dessen Stelle die Romantiker an, deren letzter Vertreter Mieczysław Karłowicz (1876–1909) mit durchwegs ausdrucksvollen Liedern aus Opus 3 hervorsticht.

In den Drei Fragmenten (Jan Kasprowicz) op. 5 von Karol Szymanowski steigert sich die Sängerin in opernhaftes Pathos. Weniger Vibrato wäre auch bei Roman Palester, in der Vokalise Dreamscape von Andrzej Panufnik und in Lutosławskis glasklaren Fünf Liedern nach Gedichten von Kazimira Iłłakowicz wünschenswert gewesen. Beide Interpreten schöpfen den emotionalen und geistigen Gehalt der stilistisch sehr unterschiedlichen Lieder aber mit hörbarem Engagement voll aus. Nebst dem polnischen Originaltext enthält das Booklet Übersetzungen ins Englische und Italienische.

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Polish Music – Songs. Chopin, Karłowicz, Szymanowski, Palester, Lutosławski, Panufnik. Bernadeta Sonnleitner, Mezzsosopran; Jakub Tchorzewski, Klavier. Acte Préalable APO 337

 

 
 

 

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Witold Lutosławski
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Roman Palester
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Karol Szymanowski

Foto von Włodzimierz Echeński aus der Zeitschrift «Studio», August 1993, Prószyński i S-ka edit

Neue Mitglieder im Vorstand der Suisa

An der Generalversammlung der Schweizer Urheberrechtsgesellschaft Suisa in Freiburg sind Marie Louise Werth und Zeno Gabaglio in den Vorstand der Gesellschaft gewählt worden. Sie ersetzen Monika Kaelin und Massimiliano Pani, die aus dem Vorstand ausgeschieden sind.

Foto: Robert Huber

Die 1963 geborene Marie Louise Werth studierte am Konservatorium Zürich Klavier und Orgel. Mit der Gruppe Furbaz gewann sie 1989 den nationalen Concours Eurovision de la Chanson. 1992 startete sie eine Solokarriere. Seit dem Comeback der Furbaz 2004 bestreitet sie jährlich exklusiv mit der Gruppe eine Weihnachtstournee.

2014 gewann diese nach 25 Jahren erneut den Prix Walo als «Publikumslieblinge für ausserordentliche Leistungen in 2013». Von 1993 bis 2015 war Marie Louise Werth Mitglied der Verteilungs- und Werkkommission der Suisa.

Der 1979 geborene Zeno Gabaglio hat Philosophie studiert und ein Diplom
in Cello und einen Master in Improvisation abgeschlossen. Aus seiner Feder stammen die Filmmusiken zu rund 20 europäischen Filmen, die bei wichtigen internationalen Festivals ausgezeichnet wurden. Weiter hat er mannigfach Musik fürs Theater geschaffen. Im Verlauf seiner Karriere arbeitete er mit Musikern wie Bugge Wesseltoft, Michel Godard, Villi Hermann, Frankie Hi NRG, Teho Teardo, Vinko Globokar, Peter Kernel und René Burri.

Zeno Gabaglio ist seit jeher auch als Kritiker und Promoter neuer Musik in der italienischen Schweiz aktiv. Zudem ist er Mitglied in der Jury des Schweizer Musikpreises und der kantonalen Subkommission der Musik.

Demotape Clinic 2015: die CD

m4music hat die Compilation «The Best of Demotape Clinic 2015» mit den verheissungsvollsten 14 Demos des diesjährigen Newcomer-Wettbewerbs veröffentlicht.

Gewinner 2015 mit Philipp Schnyder von Wartensee, Festivalleiter m4music. Foto: Alessandro Della Bella,SMPV

Die Demotape Clinic ist der etablierteste Wettbewerb für Schweizer Nachwuchsmusiker. Für die 17. Ausgabe haben Newcomer aus der ganzen Schweiz 681 Songs aus den Kategorien Pop, Rock, Urban und Electronic eingereicht. Eine Jury hörte sich sämtliche Songs an und präsentierte die besten am 27. und 28. März 2015 am m4music, dem Popmusikfestival des Migros-Kulturprozent. Branchenprofis kommentierten die Tracks öffentlich vor dem Festivalpublikum und gaben den Bands wertvolle Tipps.

Die spannendsten Demos, darunter auch die Gewinner der Fondation-Suisa-Awards, sind zum zehnten Mal auf einer Compilation vereint: The Best of Demotape Clinic 2015. m4music-Festivalleiter Philipp Schnyder von Wartensee freut sich über die CD: «Ich bin überzeugt, dass wir auch dieses Jahr wieder einige Talente aufgespürt haben, die noch viel von sich hören machen werden. Gleichzeitig zeigt die Compilation, wie vielfältig und aktiv die Schweizer Popmusikszene aufgestellt ist.»

Mit Manoir, dem ersten Track auf der Compilation, hat FlexFab in der Kategorie Electronic sowie den Hauptpreis «Demo of the Year 2015» gewonnen. Nach einigen Auftritten in Belgien wird der 25-jährige Neuenburger am diesjährigen Paléo-Festival in Nyon spielen. Ebenfalls aus der Westschweiz stammen The Chikitas aus Genf, die sich den Preis in der Kategorie Rock sichern konnten und zurzeit in Los Angeles an ihrem neuen Album feilen. Der Gewinner in der Kategorie Pop, Don’t Kill the Beast, ist kein gänzlich Unbekannter in der Schweizer Musikszene: Der Bassist der Basler Band Sheila She Loves You hat für sein Soloprojekt unter anderem in Paris mit dem Musiker Marcello Giuliani zusammengearbeitet, der auch schon für namhafte Künstler wie The Young Gods oder Sophie Hunger produziert hat. Im Gegensatz dazu stehen die vergleichsweise jungen Musiker der Band Pedestrians aus Baden: Alle um die zwanzig Jahre alt, gewannen die Aargauer in der Kategorie Urban und damit die zweite Auszeichnung nach dem bandXaargau-Wettbewerb.

Unter www.m4music.ch/de/demotape-clinic kann die Compilation als Stream angehört werden. Zudem erscheint sie in einer limitierten Auflage von 4500 Stück als CD, die an die wichtigsten Entscheidungsträger der Schweizer Musikszene geht. Die CD gelangt nicht in den Verkauf, kann jedoch online kostenlos bestellt werden (solange Vorrat).

Die nächste Ausgabe von m4music findet vom 14. bis 16. April 2016 in Zürich und Lausanne statt.

Schott Music lanciert Open-Access-Plattform

Die Unternehmensgruppe Schott Music startet in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Musikforschung (GfM) und der Verlagsdienstleisterin tredition GmbH eine Open-Access-Plattform für Musikwissenschaft.

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de,SMPV

Autoren, Institutionen und Herausgebern musikwissenschaftlicher Publikationen soll mit der Plattform «eine schnelle und transparente Veröffentlichung von Büchern und Aufsätzen ermöglicht» werden, schreibt Schott Music.

Sämtliche Texte, die über die Plattform mit Namen «Schott Campus» publiziert werden, sind im Open-Access-Modus, das heisst frei, zugänglich. Zugleich werden vom Verlag Bücher im gesamten deutschen und internationalen Buchmarkt als Paperback, Hardcover und E-Book zum Kauf angeboten sowie für Bibliotheken verfügbar sein. Für die Plattform nutzt Schott Music die Vertriebs- und Technologie-Infrastruktur des Verlagsdienstleisters tredition.

Jede Publikation durchläuft einen mehrstufigen Qualitätssicherungsprozess, der gemeinsam mit der GfM entwickelt worden ist. Zum Start der Plattform bietet Schott Music ausgewählte Texte aus seinem Programm an. Die GfM, die Schott Music bei dem Aufbau der Plattform unterstützt hat, plant die Publikation einer eigenen Schriftenreihe über Schott Campus

Laut Peter Hanser-Strecker, Verleger und Vorsitzender der Geschäftsführung von Schott Music, soll mit dem Angebot «eine zeitgemässe Form des Publizierens» möglich werden  und ein «hohes Mass an Selbstständigkeit bei gewohnt hoher Verlagsqualität» garantiert sein.

Mehr Infos: www.schott-campus.com

Glarner Musiker am Sacco di Roma 2016

Der Kanton Glarus ist 2016 Gastkanton an der Vereidigung der Rekruten der
Schweizergarde. Über 300 Glarnerinnen und Glarner werden am 6. Mai 2016
der feierlichen Zeremonie im Herzen der Vatikanstadt beiwohnen, darunter einige Musikgruppen.

Hermann Mathis. Foto: © Günter Lade, Mathis Orgelbau

Eine extra gebildete Glarner Jungmusik und Sänger werden, etwa auf dem Cortile San Damaso und im Petersdom, bei verschiedenen Gelegenheiten ihr Können zum Besten geben. Als musikalische Koordinatoren amten Hermann Mathis, der mit seiner Näfelser Firma bereits eine Orgel für die Sixtinische Kapelle gebaut hat, und Lorenz Stöckli, Dirigent der regionalen Jungmusik Young Winds.

Der Glarnern Regierungsrat hat das Konzept für die Durchführung des Anlasses genehmigt und ein Budget von 180‘000 Franken bewilligt. Es beinhaltet neben der Musik weitere Aktivitäten, etwa zwei Apéros für hunderte Personen, die der Glarner Gastronom Claudio Keller in Zusammenarbeit mit seinem Zürcher Kollegen Daniel Pesaresi, durchführt. Der Regierungsrat möchte es der Glarner Bevölkerung ermöglichen, am Anlass teilzunehmen. Dazu wird in Kürze via Amtsblatt und Internet eine öffentliche Ausschreibung erfolgen.

Maria – greifbar und entrückt

In der frisch renovierten Klosterkirche wurden die Rheinauer Konzerte mit der Uraufführung von Ulrich Gassers Oratorium «Exvoto – ein Magnificat» Mitte Juni wieder aufgegriffen.

Deckengemälde in der Klosterkirche Rheinau. Foto: Klosterkirche Rheinau

Die Täfelchen entdeckt man nicht sogleich. Der Besucher ist zuerst einmal überwältigt von der barocken Pracht dieses Kirchenraumes, der seit der abgeschlossenen Renovation in den leuchtendsten Farben erstrahlt. Beim Rundgang findet man sie dann im linken Seitenschiff an einer Wand. Abgebildet ist meist der heilige Fintan, der im 9. Jahrhundert als Mönch im Kloster Rheinau lebte, begleitet von Texten wie diesem: «Herr Conrad Götz von Reinach Offizier bey der französischen Prinzen Armee ist den 18. December 1793 beym Volken-Bach mit seinem Pferd über den Berg hinabgestürzt; doch aber samt dem Pferd durch ein Wunderwerk vom heiligen Fintan unverletzt erhalten worden.»

Diese Votivtafeln, mit denen gläubige Christen in früheren Zeiten für die Errettung aus einer Notsituation dankten, führten zu einer der drei Grundideen, aus denen der in Rheinau wohnhafte Komponist Ulrich Gasser sein Oratorium Exvoto – ein Magnificat aufbaut. Die zweite Grundidee beruht – der Titel spricht es an – auf dem Lobgesang Marias. Gasser hat seine Komposition nämlich zur Wiedereröffnung der renovierten ehemaligen Klosterkirche Rheinau geschrieben. Und diese ist Maria geweiht, wie man aus den zahlreichen Mariendarstellungen im Kirchenraum unschwer erkennen kann. Das dritte Element stellt der Rosenkranz dar. Die heutzutage weitgehend verschwundene, aber in Rheinau immer noch gepflegte Gebetsform ist eine Art von Meditation, die das Leben Christi aus der Perspektive seiner Mutter Maria betrachtet. Dass der Protestant Ulrich Gasser in seinem Oratorium mit Heiligen- und Marienverehrung derart katholische Themen aufgreift, mag einigermassen erstaunen. Gegensteuer aus reformatorischem Blickwinkel geben da die Texte von Gassers Ehefrau Eva Tobler, die die traditionellen Gebete da und dort mit aktualisierenden Paraphrasen anreichern.

Klangzeitraum
Auch das musikalische Konzept des Oratoriums ist untrennbar mit den räumlichen Gegebenheiten der Klosterkirche verbunden. Die Uraufführung unter der Gesamtleitung von Peter Siegwart zeigte diesen Aspekt in eindrücklicher Weise. Beteiligt waren das von Siegwart geleitete Vokalensemble Zürich, der Bach-Chor Konstanz (Leitung: Claus G. Biegert), der Cäcilienchor Rheinau (Leitung: Gesuè Barbera), der Brass-Band-Posaunenchor Marthalen (Leitung: Daniel Jenzer) sowie ein Streichtrio, ein Horn, ein Glockenspiel, eine Harfe und drei Orgeln. Die grosse Orgel hinten auf der Empore und die Chororgel vorne steckten dabei nicht nur den Rahmen ab, sondern setzten sich in ihrer mitteltönigen Stimmung auch von den temperiert gestimmten Blasinstrumenten und den Chören ab. Ausgeklügelte räumliche Effekte ergaben sich insbesondere durch das Vokalensemble Zürich, das abwechselnd vor dem Hochaltar, vor dem Chorgitter, im Kirchenschiff, auf den Seitengalerien oder auf der Orgelempore zu hören war. Wechselnde Standorte nahmen auch das Streichtrio und einzelne Musiker der Brass-Band ein. Die räumliche Gestaltung verdeutlichte in nachvollziehbarer Weise die unterschiedlichen textlichen und formalen Teile des Oratoriums.
Ulrich Gasser breitet in seinem Werk, wie er selber sagt, einen «Klangzeitraum» aus, den die Hörer selber ausfüllen müssen. Seine Musik fliesst in gemächlichem Tempo dahin, wiederholt sich oft, hat einen statischen Charakter, bietet eine flache Spannungskurve und lädt so zur Meditation ein. Immer wieder sind schöne Durakkorde zu hören, die an den Strahlenkranz von Maria auf einem der Altarbilder erinnern. Den vertrauten Klängen stehen aber auch verfremdete gegenüber, die durch verschiedene «Modi» wie Pentatonik oder Zwölftonreihen entstehen. Der Wohlklang wird überdies durch die überlagerten Stimmungen gestört. So spiegelt Gasser in der Harmonik genau die Doppelgestalt Marias, die auch in den Texten des Werks aufscheint: Sie ist eine zugleich greifbare und doch unendlich entrückte Erscheinung.

Aargau richtet Kulturpolitik neu aus

Der Regierungsrat des Kantons Aargau beauftragt die Abteilung Kultur, zusammen mit dem Aargauer Kuratorium ein Kulturkonzept auszuarbeiten, das neben einer Bestandsaufnahme auch die Ziele und Schwerpunkte der kantonalen Kulturpolitik für die Jahre 2017 bis 2022 festlegt.

Foto: Andreas Hermsdorf/pixelio.de

Die Abteilung Kultur soll laut der Medienmitteilung des Kantons zusammen mit dem Aargauer Kuratorium in den kommenden Wochen die Aufgabe in Angriff nehmen. «In geeigneter Form» einbezogen werden die kulturellen Akteure und Interessenvertreter im Kanton. Mit Unterstützung externer Experten soll das Kulturkonzept bis im Dezember 2016 dem Regierungsrat zum Beschluss vorgelegt und im Frühjahr 2017 dem Grossen Rat zur Kenntnis gebracht werden. Der Kanton verfügt seit 2010 über ein eigenes Kulturgesetz.

Die bisherige Praxis soll «auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen, wie im Bereich der Digitalisierung und der demografischen Entwicklung, aber auch angesichts der finanzpolitischen Situation des Kantons» überprüft werden. Die Ziele und Handlungsfelder für die Jahre 2017 bis 2022 sollen «so ausgerichtet werden, dass die Ressourcen weiterhin nachhaltig und wirkungsorientiert eingesetzt werden können», schreibt der Kanton weiter.

Suisa verteilt erstmals Youtube-Einnahmen

Mit der Online-Abrechnung vom Juni 2015 verteilt die SUISA erstmals Einnahmen aus dem Vertrag mit Youtube. Abgerechnet werden die Einnahmen aus fünf Quartalen. Die Verteilsumme beträgt rund 300’000 Franken.

Grafik: vector_master, fotolia.com

Verteilt werden alle genutzten und identifizierbaren Werke, abhängig von der Klickrate. Der Vertrag zwischen Suisa und Youtube läuft gegenwärtig in seinem zweiten Jahr. Im Vertrag sind Nutzungen in 43 Ländern direkt lizenziert, wie der Suisa-Generaldirektor Andreas Wegelin im Blog der Gesellschaft schreibt.

Die Herausforderung bei der Verarbeitung der Nutzungsmeldungen von Youtube bestehe nicht nur aus der enormen Datenmenge, sondern auch in der Datenqualität vor allem des «User generated contents», so Wegelin weiter. Videos von privaten Benutzern würden kaum Angaben zum verwendeten Material enthalten.

Für die Abrechnungsperiode von 15 Monaten hat die Suisa Nutzungsmeldungen von Youtube verarbeitet mit rund 3,2 Millionen unterschiedlichen Videos, die gesamthaft 1,7 Milliarden Mal angeklickt wurden. Davon betreffen 590,2 Millionen Views das Repertoire, das von der Suisa abgerechnet wird.

Der Verteilungsbetrag pro Klick für die abgerechnete Periode beträgt 0,0008 Franken. Im Vergleich dazu kann die Suisa bei der ebenfalls jetzt stattfindenden zweiten Verteilung von Spotify-Einnahmen einen Betrag von durchschnittlich 0,0018 Franken pro Stream ausschütten, also mehr als doppelt so viel.

Jossi Wieler in Stuttgart ausgezeichnet

Jossi Wieler, der Schweizer Intendant der Stuttgarter Oper, ist mit dem mit 20’000 Euro dotierten Kulturpreis Baden-Württemberg 2015 ausgezeichnet worden.

Foto: Martin Sigmund

Mit Jossi Wieler werde eine Künstlerpersönlichkeit ausgezeichnet, die seit vielen Jahren dem Land durch ihre Arbeit auf das Engste verbunden sei, begründet Staatssekretär Jürgen Walter als Vorsitzender des Stiftungsrats den Entscheid.

Wieler gelinge es, in seinen Arbeiten das Gesellschaftliche und das Psychologische zu vereinen. Zudem sei er in seiner Arbeitsweise und seinem aufklärerischen Humanismus beispielgebend. Wieler, 1951 in Kreuzlingen geboren, ist seit 2011 Intendant an der Staatsoper Stuttgart.

Die im Jahr 2002 gegründete Stiftung Kulturpreis Baden-Württemberg der Volksbanken Raiffeisenbanken und der Baden-Württemberg Stiftung vergibt den Kulturpreis alle zwei Jahre im thematischen Wechsel. Er ist mit insgesamt 25’000 Euro dotiert und teilt sich in einen Haupt- und einen Förderpreis. Letzterer geht an den Verein Zeitraumexit aus Mannheim.

Eklat an der Musikhochschule Dresden

Der Hochschulrat der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden ist mit sofortiger Wirkung in corpore vom Amt zurückgetreten. In einem Schreiben an Eva-Maria Stange, die sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, erklärt er sich.

Neuer Konzertsaal der Hochschule für Musik in Dresden. Foto: SchiDD, wikimedia commons

Grund für den Rücktritt: Der erweiterte Senat hat den Hochschulrat bei der Wahl des neuen Rektors der Musikhochschule übergangen und die bisherige Prorektorin für Lehre und Studium Judith Schinker gewählt. Favorit des Rates war der damalige Rektor Ekkehard Klemm.

Die deutlich unterschiedlichen Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Schule zwischen Senat und Rat machten laut dem offenen Brief des Rates an die Staatsministerin Eva-Maria Stange «ein gedeihliches und unbelastetes Zusammenwirken unmöglich». Dem Hochschulrat gehörten Werner Barlmeyer (Vorsitzender), Olaf Bär, Wilfried Krätzschmar, Regine Lorenz und Jan Vogler an. Er wurde im Herbst 2014 für fünf Jahre berufen.

Damit kämpft nun auch eine deutsche Musikhochschule mit Nachfolge- und Strategieproblemen. Vergleichbare Wirren waren an den Musikhochschulen Wien und Graz zu beobachten. Bei diesen traten bereits gewählte Rektoren respektive Rektorinnen das Amt nicht an.

Jazz-Improvisationen mit Software analysiert

Mit Hilfe einer kostenlos offerierten Software von Weimarer und Jenaer Musikwissenschaftler lassen sich Personalstile von Jazzmusikern und Kennzeichen improvisatorischer Schaffensprozesse analysieren. In einer «Weimar Jazz Database» sind dazu mittlerweile knapp 300 Beispiele abgelegt.

Bild: ra2 studio – fotolia.com

Worin unterscheiden sich Swing-Soli von Bebop-Soli und die Improvisationen von Charlie Parker von jenen John Coltranes? Ist es die Linienführung, die rhythmische Gestaltung – oder vielleicht die Auswahl der Töne und Skalen? Wie funktioniert das überhaupt: Improvisieren? Diesen Fragen widmet sich seit Oktober 2012 das Jazzomat Research Project am gemeinsamen Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, geleitet von Martin Pfleiderer und finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Zunächst wurde die Weimar Jazz Database mit inzwischen 299 Jazzsoli aufgebaut – beispielhaften Improvisationen aus acht Jahrzehnten Jazzgeschichte, die von Studierenden des Jazz- und des Musikwissenschaftsstudiengangs transkribiert worden sind. Parallel hierzu haben die Projektmitarbeiter Jakob Abesser und Klaus Frieler die frei verfügbare Analyse-Software MeloSpyGUI 1.0 entwickelt, die auch für Analysen anderer Musikrichtungen eingesetzt werden kann.

Mit ihr lassen sich per Knopfdruck Informationen über die in den Soli verwendeten Töne, Intervalle und Rhythmen und vieles mehr generieren oder gezielt Patterns in bestimmten Jazzsoli suchen. Dies wiederum ermöglicht detaillierte Beschreibungen der Personalstile von Jazzmusikern und erlaubt übergreifende Schlussfolgerungen zu improvisatorischen Schaffensprozessen.

Die Analysesoftware MeloSpyGUI 1.0 und die Weimar Jazz Database können über die Projekt-Website kostenlos heruntergeladen werden. Dort finden sich auch umfangreiche Dokumentationen und Tutorials zur Software und deren Einsatzmöglichkeiten. Ausserdem werden zu jedem Jazzsolo der Weimar Jazz Database Informationen und erste Analyseergebnisse präsentiert; zudem können dort die Transkriptionen als Midi-Version angehört und heruntergeladen werden.

Webseite: jazzomat.hfm-weimar.de
 

Kantons Wallis fördert Pascal Viglino

Der Unterwalliser Schriftsteller Jean-Marc Lovay erhält den mit 20’000 Franken dotierten Walliser Kulturpreis 2015. Die Förderpreise (je 10’000 Franken) gehen an die Tänzerin Cosima Grand, die Videokünstlerin Malika Pellicioli und den Musiker Pascal Viglino.

Pascal Viglino. Foto: zvg

Pascal Viglino studierte klassische und zeitgenössische Perkussion, Komposition und Musiktheater an den Hochschulen von Genf, London, Barcelona, Berlin und Bern. Von 2000 bis 2006 war er Mitglied des Verbier Festival Orchestra. Regelmässig arbeitet er mit Sinfonieorchestern und Ensembles für Zeitgenössische Musik in Genf, Zürich Opernhaus, Barcelona, Brasilien, Bern, Lissabon und Basel zusammen.

Zum fünften Mal in Folge wird vom Kanton Wallis auch ein Spezialpreis für die Förderung der Kultur vergeben, und zwar an die Stiftung Bretz-Héritier in Savièse. Die Kulturpreisträger wurden vom Staatsrat auf Vorschlag des Kulturrats bestimmt.

Die Entstehung des Walliser Kulturpreises geht auf das Jahr 1980 zurück. Damals hat der Staatsrat entschieden, jedes Jahr einem Walliser Künstler oder einem im Wallis wohnhaften Kunstschaffenden den Walliser Kulturpreis zu übergeben. Die Auszeichnung würdigt die Karriere eines Künstlers oder einer Künstlerin.

Die 1982 ins Leben gerufenen Förderpreise richten sich an junge talentierte Künstlerinnen und Künstler, die an einem Wendepunkt ihrer Karriere stehen. Dieser Schaffensbeitrag soll einerseits eine Anerkennung für ihr Schaffen, anderseits aber auch ein Anreiz sein, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Der seit 2011 vergebene Spezialpreis ist für eine Person oder eine Gruppe bestimmt, die sich mehrheitlich im Hintergrund für die Entwicklung und Förderung der Kultur im Wallis engagiert.

Stiftung Nico Kaufmann prämiert Fatima Dunn

Fatima Dunn ist die Gewinnerin des Stipendiums, das die Stiftung Nico Kaufmann im vergangenen Jahr im Bereich Kleinkunst ausgeschrieben hat. Die Cellistin, Komponistin und Sängerin erhält für ihr Multimediaprojekt «Landfall» einen Unterstützungsbeitrag von 15’000 Franken.

Foto: zvg

Die 1983 in Zürich geborene Performerin Fatima Dunn studierte zeitgenössischen Gesang am Winterthurer Institut für aktuelle Musik WIAM. Anschliessend absolvierte sie ein Master-Studium an der Zürcher Hochschule der Künste in Komposition für Film, Theater und Medien. Seit ihrem Abschluss im Sommer 2013 ist sie als freischaffende Performerin und Sängerin sowie als Theatermusikerin und Filmkomponistin verschiedentlich in Erscheinung getreten.

Zusammen mit der Video-Künstlerin Mirjam von Ow hat Fatima Dunn unter dem Titel «Landfall» eine cineastische Live-Performance verwirklicht, in der Gesang, Violoncello, Elektronik und die grossflächig projizierte Bildwelt eine poetische Reise gestalten. Die «künstlerische Vielseitigkeit, gepaart mit einer hochprofessionellen Umsetzung» hat die Jury der Stiftung Nico Kaufmann bewogen, das Stipendium Dunn zuzusprechen.

Die vom Präsidialdepartment der Stadt Zürich verwaltete Stiftung Nico Kaufmann richtet jährlich ein Stipendium zugunsten von Musikerinnen und Musikern aus, die im Ausschreibungsjahr das 35. Altersjahr noch nicht erreicht haben und in der Schweiz domiziliert sind. Stiftungspräsidentin ist die Stadtpräsidentin. In der Jury für die aktuelle Stipendienvergabe hatten der Direktor des Departements Musik der Zürcher Hochschule der Künste, Michael Eidenbenz, die Liedermacherin Véronique Müller sowie der Kabarettist Joachim Rittmeyer Einsitz.
 

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