Richard Wagner heute

Hat uns Wagner noch etwas zu sagen? Wer Wagners Schriften und Werke liest, wird feststellen, dass seine Thesen keine Gültigkeit beanspruchen können. Verfälschende Aufführungen sind daher unausweichlich und notwendig.

Strassen neben dem Festspielhaus auf dem grünen Hügel. Foto: Txllxt TxllxT, wikimeida commons
Richard Wagner heute

Hat uns Wagner noch etwas zu sagen? Wer Wagners Schriften und Werke liest, wird feststellen, dass seine Thesen keine Gültigkeit beanspruchen können. Verfälschende Aufführungen sind daher unausweichlich und notwendig.

Am Dessauer Wagnerkongress vom Mai 2015 hat sich Frank Piontek in einem Vortrag mit diesen Fragen beschäftigt.


Vortrag als PDF herunterladen (19 Seiten): Wagner heute

Kategorien

Gabetta Artist in Residence der Dresdner Philharmonie

Die argentinische Cellistin Sol Gabetta mit Wohnsitz im aargauischen Olsberg engagiert sich in der kommenden Saison als Artist in Residence bei den Dresdner Philharmonikern. Ein Schwergewicht bilden dabei dabei die Cellokonzerte von Elgar, Martinů und Saint-Saëns.

Foto: Marco Borggreve

Sol Gabetta unterrichtet seit 2005 an der Musik-Akademie Basel. An ihrem Wohnort Olsberg veranstaltet sie ihr eigenes Festival Solsberg. Auch in Dresden ist sie offenbar überaus beliebt: Die meisten ihrer dortigen Auftritte in der kommenden Saison sind bereits jetzt ausverkauft.

Die Dresdner Phiharmonie ist seit 1870 das Sinfonieorchester seiner Heimatstadt. Neben der Pflege des klassisch-romantischen Kernrepertoires hat es sich auch immer dem zeitgenössischen Musikschaffen geöffnet. Davon zeugen unter anderem Aufträge an Komponisten wie Sofia Gubaidulina, Rodion Schtschedrin, Gija Kancheli und Michael Nyman. Chefdirigent des Orchesters ist seit 2011/12 Michael Sanderling.

150 Jahre Orgelbau

Zum Jubiläum hat die Kuhn AG eine umfangreiche Firmengeschichte veröffentlicht. Neben den familiären Gegebenheiten spiegelt diese auch Umbrüche und Tendenzen im Orgelbau.

Spieltisch-Montagesaal. Fotoalbum der Firma Kuhn aus dem 1930er-Jahren

Friedrich Jakob war von 1967 bis 1999 Direktor der Orgelbau Kuhn AG Männedorf und legte 1987 eine Kurzdarstellung der Firmengeschichte vor. Während die meisten seiner zahlreichen Aufsätze und 18 umfangreichen Bücher eine bestimmte Orgel umfassend darstellen, wagt er hier eine geschichtliche Gesamtschau und Wertung der Orgelbau-Entwicklung anhand der Firma von 1864 bis 1925, dem Todesjahr von Theodor Kuhn, Sohn des Firmengründers. Dies tut er mit derselben Akribie, Quellen-Recherche und gesunder Skepsis bisherigem Schrifttum gegenüber, in welchem er manche Fehler findet und richtigstellt.

Wer war der Firmengründer Johann Nepomuk Kuhn und warum beendete er seine Wanderschaft in Männedorf? Da tappte man bisher völlig im Dunkeln. Dank jahrelangem Forschen in öffentlichen und privaten Archiven wissen wir jetzt viel über seine Herkunft im württembergischen Bad Waldsee, seine Ausbildung im Walcker-Weigle-Laukhuff-Kreis und seine Gesellenjahre. Er wurde, was damals ehrenrührig war und vertuscht wurde, unehelich geboren. Umso erstaunlicher sind seine überragenden beruflichen Fähigkeiten im technischen und klanglichen Bereich. Allseits gerühmt wird seine Gewissenhaftigkeit, Treue, Pünktlichkeit und sein Fleiss; er wird zudem als solide, bescheiden und fürsorglich geschildert, was auf gute Erziehung und Charakterstärke hindeutet.

Nach Männedorf kam er 1863, 36 Jahre alt, zusammen mit Johannes Spaich, um die erste Kirchenorgel, gebaut von Eberhard Friedrich Walcker, in der reformierten Kirche aufzustellen. Beide wurden von Gemeindegliedern animiert und unterstützt, hier 1864 eine Firma zu gründen. Diese erhielt sogleich ehrenvolle Aufträge für Neubauten, 1865 in Dittingen BL, katholische Kirche, 1867/68 sogar für dreimanualige Orgeln in der Grubenmann-Kirche von Wädenswil und in der Martinskirche Chur. Ihr letztes gemeinsames Werk, op. 20, 1872 für die alte Tonhalle in Zürich gebaut, ist im Grundbestand von Pfeifen und Prospekt 1995 glanzvoll im Zürcher Neumünster wieder auferstanden. Spaich trennte sich 1872 von Kuhn, um in Rapperswil eine eigene Manufaktur aufzubauen. Nennen wir aus den 55 weiteren Neubauten bis zu Kuhns Todesjahr 1888 nur die bedeutendsten: Zürich St. Peter, Grossmünster und Fraumünster; St. Gallen Dom; Schaffhausen St. Johann und katholische Kirche St. Maria (ursprünglich für die Landesausstellung in Zürich 1881).

Alle Orgeln stattete Kuhn aus mit den von Walcker entwickelten Registerkanzellen und Kegelventilen, die dreimanualigen zur Erleichterung des erforderlichen Tastendrucks mit Barkerhebel. Von der ausgefeilten, langlebigen Technik und klanglichen Raffinesse vom zartesten Säuseln bis zum gravitätischen, immer noch massvollen Gebraus zeugen die einzigen zwei auf den Urzustand restaurierten Orgeln, die letztgenannte op. 52 und op. 40 in der christkatholischen Kirche von Olten. Von bewährten Pfeifenformen, räumlichen Aufstellungen und Dispositionen rückte er möglichst wenig ab. Das bietet, wie der Autor darlegt, Gewähr und wohl auch Voraussetzung für höchste Qualität. Jakob hat auch Physik studiert. Davon zeugen erfrischend zu lesende Bemerkungen, zum Beispiel über aufwendige «Expressionen» (Pfeifenverlängerungen), eine damals und bis heute gepriesene «Klangverbesserung», die keine akustisch messbaren Auswirkungen hätten.

1887 kränklich geworden, holte Nepomuk Kuhn seinen einzigen Nachkommen Theodor (1865–1925) nach zwei Auslandjahren zurück und machte ihn sogleich zum Firmenteilhaber. Dieser soll in frühen Jahren gut Klavier und Orgel gespielt haben. Seine ganze Schaffenskraft habe er jedoch zur technischen und kaufmännischen Entwicklung der Firma eingesetzt. Er blieb Junggeselle und hinterliess fast kein persönliches Schriftstück. So wissen wir, was Jakob genau referiert, fast nichts über seinen Werdegang, die Lehr- und Gesellenjahre sowie Freundschaften, ausser den Namen von zwei langjährigen Freunden, mit denen zusammen er ein Jahr vor seinem Tod für den Fortgang seines Betriebs eine Aktiengesellschaft gründete. Dies und indem er einen namhaften Vermögensteil stiftete zur Unterstützung von Lehrlingen, zeigen einen guten, väterlich-fürsorglichen wenn auch strengen Patron, ähnlich seinem Vater. Genau dokumentiert sind hingegen seine technischen Errungenschaften, vor allem die pneumatische Spiel- und Registertraktur, die er überstürzt eingeführt habe. Dies habe 1895 beinahe zum Bankrott geführt. Unaufhörlich habe er die Pneumatik vervollkommnet mit ausländischen und eigenen Patenten.

Pneumatische Orgeln wurden später im Gefolge der Orgelbewegung als dekadente Fabrikware verschrien. Ihr Nachteil, eine leichte Verzögerung zwischen Taste und Pfeife, wurde übertrieben, ihre Langlebigkeit jedoch unterschätzt. Sie sind noch seltener erhalten geblieben als ihre Vorläufer mit mechanischen Kegelladen. Nachdem noch in den achtziger Jahren Kuhns prachtvolles Werk für die 1902 gebaute Kirche St. Jakob in Zürich «barock» erweitert und auf elektrische Traktur umgestellt worden ist (heute auf gute Weise rückgeführt, soweit technisch möglich), können wir sein einziges auf den Urzustand 1914 restauriertes Werk (2002) in der katholischen Kirche St. Anton bewundern, von derselben Firma sorgfältig und liebevoll auf ihre aparte Klangpracht zurückgeführt. Es sind berückende, auch pastellartige Klangmischungen, durch exotische Labiale, Zungenregister in französischer Bauweise (auch durchschlagende) und das grosse Schwellwerk bewirkt. Jakob beschreibt denn auch treffend Theodor Kuhns stilistische Weiterentwicklung: Während sein Vater der deutschen Romantik verhaftet geblieben ist, berücksichtigt der Sohn zunehmend französische Romantik, was im Einklang steht mit der Schweizerischen Teilhabe an beiden Kulturkreisen und sich im Orgelbau später allgemein bemerkbar macht.

Spannend zu lesen und auch für Laien gut verständlich geschrieben sind Jakobs allgemeine Darlegungen. Mit Liebe zum Detail und reich bebildert stellt er alle vorkommenden Personen und Firmen sowie ausgewählte Orgeln dar. Er fügt mit den benutzten Quellen eine umfassende und dennoch Unwesentliches weglassende Dokumentation hinzu, eine Fundgrube für Spezialisten!

Der Buchteil von Jakob zählt rund 300 zweispaltige A4-Seiten; mehr als die Hälfte davon füllen die Quellen. Der zweite Autor Michael Meyer, der die Fortsetzung der Firmengeschichte bis heute auf 55 Seiten nachzeichnet, fasst seine Aufgabe anders auf: Er beschränkt sich auf die grossen Entwicklungslinien anhand von kursorisch präsentierten 14 Neubauten und 6 Restaurierungen, streift die technischen Entwicklungen und stellt die wirtschaftshistorische Perspektive mit knappem Text und Diagrammen dar. Meyer ist Musikwissenschaftler und Organist, aber kein Orgelbauer. Sein Konzept bringt durchaus Vorteile für historisch interessierte Leser. Das Weglassen orgelbaulicher Details ist auch insofern sinnvoll, als die Objekte in allen wünschenswerten Einzelheiten anhand von Einzeldarstellungen, Einweihungsschriften, dem lückenlosen Firmenarchiv und Internet-Orgeldatenbank (www.orgelbau.ch) erfasst sind. Als in Meyers Text nur beiläufig zweimal erwähntes Beispiel diene die vom Organisten Heinz Specker in jahrelanger Aufklärungs- und Sammeltätigkeit ermöglichte Restaurierung in St. Anton (1997–2002) und dessen durch Beiträge namhafter Fachleute bereicherte Einweihungsschrift.

Vorsichtig geht Meyer auf Rückschläge in den Kriegs- und Nachkriegsjahren ein und beschreibt sachkundig die langwierig-stufenweise Entwicklung einer zeitgemässen Restaurierungstechnik, die zu einem immer wichtigeren Geschäftszweig von Kuhn geworden ist. Sie verdankt sich zunächst den Experten Schiess (Würdigung in Acta organologica 31, 2009, S. 399) und Koller, dann jedoch seit der Anstellung von Friedrich Jakob 1963 und Wolfgang Rehn (1974–2014). Lücken sind dabei unvermeidlich. Zum Beispiel der bahnbrechende Umbau der Berner Münsterorgel 1930 ist beschrieben, dessen Beseitigung durch den jüngsten Umbau 1999 jedoch nicht. Die nicht behobene Ursache für beide Umbauten ist der zu Beginn des 20. Jahrhunderts massiv verstärkte Chorbogen, hinter dem der Schallaustritt der Orgel in den Raum arg behindert wird. Umsonst sucht man auch die Basler Münsterorgel von 1956 (heute in der römisch-katholischen Kathedrale von Moskau) und die Restaurierung der Bommer-Orgel von St. Katharinenthal TG (1965–69) mit späterer Rückführung auf eine ungleichstufige Stimmung. Es handelt sich dabei um minime Flecken in der sonst so erfolgreichen Firmengeschichte, gipfelnd in vielen ehrenvollen Auslandaufträgen trotz starkem Schweizerfranken. Der grösste je erteilte Auftrag war vor kurzem die Restaurierung der riesigen Steinmeyer-Orgel zu Trondheim.

Zuletzt, nach den Listen aller Aktionäre, Leitenden und Mitarbeitenden seit 1925 (mit Fotos) sowie alten bis neuesten Abbildungen der Liegenschaft und den Arbeitsabläufen sei des Geschäftsführers Dieter Utz (2000–2014) gedacht, der diesen Prachtsband herausgegeben hat. Ein durch Pierre Freimüller mit ihm geführtes Interview lässt seine hervorragende Betriebskultur aufleuchten, den Schlüssel zum kunsthandwerklichen und wirtschaftlichen Erfolg.

Image

Dieter Utz (Hg.), Die Orgelbauer. Das Buch zur Geschichte von Orgelbau Kuhn 1864–2014. Friedrich Jakob: Die Gründerfamilie Kuhn – Michael Meyer: Zwischen Historismus und Postmoderne – Die Geschichte der Orgelbau Kuhn AG. Hardcover, 432 S., Format A4, mit 170 Abbildungen und 8 Diagrammen, Fr. 68.30, Verlag Orgelbau Kuhn, Männedorf 2014, ISBN 978-3-033-04728-0

Klaus Hubers Flötenwerke

Diese Porträt-CD mit Einspielungen von Suzanne Huber, Aurèle Nicolet und anderen dokumentiert flötistische Meilensteine im Werk des Komponisten: eine Hommage.

Foto: Harald Rehling

Klaus Huber, der 2013 von der Gema für sein Lebenswerk mit dem deutschen Musikautorenpreis gewürdigt wurde, prägte wichtige zeitgenössische Komponisten wie Younghi Pagh-Paan, Brian Ferneyhough und Wolfgang Rihm, die zu seinen Schülern zählten. In seinem Umfeld gab es auch einige hervorragende Flötisten, die seinen Bezug zur Flöte verstärkten und sein Wissen um die Experimentiermöglichkeiten und klanglichen Raffinessen des Instruments erweiterten, Aurèle Nicolet, Pierre-Yves Artaud und Suzanne Huber etwa.

Die nun erschienene Doppel-CD enthält Einspielungen von Flötenkompositionen, die innerhalb eines grossen Zeitraums von fast vierzig Jahren, zwischen 1961 und 1999, aufgenommen wurden und daher auch historischen Wert haben.

Bereits in den Sechzigerjahren begibt sich Huber in seinem Solostück To ask the flutist, das von Suzanne Huber fantasievoll, lebendig und gleichsam lyrisch interpretiert wird, in instrumentales Neuland mit Multiphonics. Das für Heinz und Ursula Holliger komponierte Trio Sabeth für Altflöte, Englischhorn und Harfe entzieht durch aleatorische Teile dem Hörer die Greifbarkeit und führt, wie es Heinz Holliger formuliert zur, «schwerelosen, ins geheimnisvolle Offene führenden Klangwelt von Sabeth». Auf der CD befindet sich auch ein Livemitschnitt des wohl berühmtesten Flötenstücks von Klaus Huber: Ein Hauch von Unzeit. Dieses beginnt poetisch mit dem Passacaglia-Motiv in der Flöte, das von der Zeit in die Unzeit wandert, in das bald leise Multiphonics und fragile Drittelstöne einfliessen. Die multiple Version Ein Hauch von Unzeit III verwirklicht, wie es Huber bezeichnet, «einen Schwebezustand zwischen Klang und Aleatorik», wodurch der Flötenklang in «fluktuierender Gleichzeitigkeit» mit Oboe, Akkordeon, Sopran und Streichern eine pulsierendere Wirkung entfacht. Reizvolle Raritäten sind auch die Livemitschnitte mit Aurèle Nicolet wie das streng kanonisch komponierte Duo Il pleut des fleurs für zwei Querflöten und das farbig gespielte Trio Oiseaux d`argent, in welchem die drei Flöten sich zwitschernd gegenseitig imitieren. Auf der CD sind auch das anlässlich der Mondlandung 1967 komponierte, gesellschaftskritische Ascensus für Flöte, Violoncello und Klavier sowie weitere kammermusikalische Werke eingespielt.

Die sorgfältige Auswahl der Musikstücke gibt einen Einblick in die stilistisch reichhaltigen Flötenkompositionen eines nach neuen Klängen suchenden Komponisten, die von Suzanne Huber und ihren Kammermusikpartnern klangfarbenreich interpretiert wurden.

Als Fortsetzung der Reihe werden 2015 erstmals die beiden Streichquartette von Klaus Huber, gespielt vom Q3G Drei-Generationen-Quartett mit Egidius Streiff, Daphné Schneider, Mariana Doughty und Walter Grimmer, auf CD erscheinen (SC 1501).

About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

To Ask the Flutist
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Sabeth
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Ein Hauch von Unzeit III

Ein Kontrabass? Verloren?

Ein Bilderbuch, das den Kleinsten bei den ersten Schritten mit dem grossen Instrument begleitet. Man kann es aber auch einfach so erzählen.

Ausschnitt aus dem Buchcover

«Mensch Noah, stell dir bloss vor, mein Kontrabass ist weg», ruft Pauline am Anfang der Geschichte ihrem Freund zu. Da gibt es nur eins, die beiden müssen Paulines Instrument suchen gehen. Dabei erleben die beiden Freunde allerhand musikalische Abenteuer, sie spielen und lösen Aufgaben, immer begleitet von Schnecke, Frosch und Katze. Die drei Tiere sind auf jedem Bild versteckt und erzählen jeweils ihre eigene, witzige Geschichte.

Noah & Pauline auf der Suche nach dem Kontrabass ist ein Musikbilderbuch für die allerkleinsten Kontrabassspielerinnen und ihre Lehrpersonen. Es ist sorgfältig und zeitgemäss illustriert. Auf den Bildern gibt es viele liebevolle Details, die stark an der Erfahrungswelt der Kinder anknüpfen. Das Bilderbuch kann einfach erzählt, es lässt sich aber auch – durch die Lehrperson vermittelt – im Früh- oder etwas späteren Kontrabassunterricht einsetzen. In die Geschichte eingebettet und trotzdem ziemlich zügig wird einiges an Theorie transportiert. Über mehrere Episoden hinweg werden Notenwerte und Rhythmen erklärt. Später kommt das Notensystem ins Spiel, und schon auf Seite 25 gibt es ein erstes Stück, das auf der leeren G-Saite gezupft werden kann. Gegen Schluss treffen die Kinder auf einen Kontrabassspieler, und nun kommt auch der Bogen dazu. Das letzte Stück des Heftes ist denn auch relativ komplex. Es ist mit Bogenstrichen versehen und enthält Pausen. Damit all dies auf nur 39 Seiten möglich ist, muss die Geschichte manchmal Umwege machen.

Meine neunjährige Testperson hat das gar nicht gestört. Sie hat mit Elan Schnecke und Frosch gesucht, Kontrabässe gezeichnet und Rhythmen geklatscht. Sie fand es zudem ganz praktisch, dass sie aus ihrem Kontrabassunterricht schon einige Zeichen kannte, und fühlte sich positiv bestätigt.

Die Geschichte endet mit einer charmanten Pointe: der Kontrabass war die ganze Zeit bei Noah zu Hause. Pauline hatte ihn dort vergessen und Noah traute sich nicht, ihr das zu sagen. Er hatte aus Versehen den Stachel ganz herausgezogen und meinte, der Kontrabass sei kaputt.

Image

Song Choi und Eva Lotta Stein, Noah & Pauline. Auf der Suche nach dem Kontrabass, ab 4 Jahren, Fr. 24.00, Gilgenreiner, Winterthur 2015, ISMN 979-0-700268-19-0

Klingende Vergänglichkeit

Wie hat es die Musik mit Abschied, Trauer und Trost? Eine Erkundung über mehrere Jahrhunderte von Peter Gülke.

Foto: Joerg Trampert/pixelio.de

Wo Sie auch aufschlagen in den 54 kurzen Kapiteln von Musik und Abschied, machen Sie auf Schritt und Tritt Entdeckungen, die verblüffen, erhellen, das eigene Wissen bestätigen oder allenfalls auch zu Widerspruch reizen. Kein bequemes Thema, denn mit dem Abschied in der Musik ist vor allem der Tod gemeint – und der ist in den unterschiedlichsten Werken der Musikgeschichte präsent. Peter Gülke, der als Dirigent, Musikwissenschaftler und Lehrer in zahlreichen Publikationen Werke als Ganzes kommentiert hat, überblickt die Entwicklung vom Mittelalter bis in die Gegenwart auch in dieser speziellen Perspektive, holt die Beispiele so souverän heran und deutet sie so klar, oft auch mit Querverweisen zu literarischen Werken, dass man sofort darauf brennt, die Passagen erklingen zu lassen. Dazu sind allerdings in vielen Fällen die Partituren oder die Klavierauszüge (auch Chorpartituren) unerlässlich.

Damit wird offensichtlich, dass sich die Texte eher an «Eingeweihte» richten, denn oft sind es harmonische Entwicklungen oder nicht offen daliegende motivische Verbindungen, welche den Schlüssel zum Verständnis bieten. Eine vertiefte Betrachtung kann im Kapitel «Transzendiertes C-Dur» bei Gluck, Haydn oder Beethoven zur Erhellung beitragen. In «Totengedenken unter Musikern» werden Werke von Du Fay bis Kurtág unter gleichem Aspekt betrachtet oder, noch schonungsloser, im Kapitel «Musik für den eigenen Tod» auch Gesualdo, Froberger und Schostakowitsch.

Mit wenigen Sätzen gelingt es Gülke, etwa bei Schostakowitsch das achte Streichquartett mit seiner ersten und fünften Sinfonie und gleich auch mit dem d-es-c-h-Motiv zu verknüpfen oder mit treffsicherer Titelwahl der Erwartung ironisch vorzugreifen: «Land, das ferne leuchtet – Fahrkarten nach Orplid» oder «Tod mit und ohne Verklärung». Völlig überraschend ist die Parallelsetzung von Ferdinand Hodler und Leoš Janáček im Kapitel 47 mit dem Titel «Sterbeprotokolle», wenn er Hodlers Bilderzyklus der sterbenden Lebensgefährtin Valentine und Janáčeks Sprechmelodie-Notate von Artikulationen der sterbenden Tochter Olga – respektlos, aber nach überstandenem Schock bei der Überprüfung als doch genau zutreffend akzeptiert – als Ergebnisse «kreativer Gefrässigkeit» bezeichnet. Andererseits beschreibt er in diskretester Nachsicht Mahlers letztes Adagio und Skizzen zur zehnten Sinfonie unter dem Aspekt «Parallelismus von Musik und Leben»; die Umschreibung mit der «schaurig-grossartigen Grenzgängerei dieser Musik» verunmöglicht es, darüber hinwegzugehen, ohne die Takte 184 bis 212 des Adagios im Klangbeispiel zu hören..

Gülkes Formulierungen sind anspruchsvoll, seine Ausführungen ist reich an deutschen, lateinischen und französischen Zitaten, seine Vergleiche verlangen viel Allgemeinwissen, und nicht immer gelingt es auf Anhieb, seinen Gedankengängen zu folgen. Aber nur in wenigen Fällen kann man den Eindruck bekommen, die Sprache sei, am Thema gemessen, unnötig komplex. – Adornos Schreibe schimmert noch ab und zu durch: «Im Übrigen bildet die sorgsam aufrechterhaltene Inkohärenz den strukturellen Gegenpol zur nahezu choralhaften Komplexität der ‹Verklärung›, in die der nicht eben moribunde Impetus des Stückes sich rettet.»

Ergreifend direkt und sehr persönlich – in einem Fachbuch über musikalische Abschlussformulierungen völlig ungewöhnlich – sind die (auch drucktechnisch abgesetzten) ausführlichen Betrachtungen zum Tod, die zwischen Kapitelgruppen als «Selbstgespräche I–V» eingelegt werden: gedankenschwere Abschnitte zu Krankheit und Tod seiner Frau, mit der er fast 60 Jahre lang verbunden war; aber nicht nur dies, sondern auch weiterreichende Reflexionen über Gehenlassen und Alleinsein, die sich oft wieder mit der Musik verschränken, so dass die fachtechnisch besprochene Musik beim Weiterlesen näher an das eigene Verständnis vom Tod heranrückt und subkutane Wirkung erzielen kann.

Image

Peter Gülke, Musik und Abschied, 362 S., mit Notenbsp. und Personen-/Werkregister, € 29.95, Bärenreiter/Metzler, Kassel/Stuttgart 2015, ISBN 978-3-7618-2377-4, auch als E-Book erhältlich

Das rätoromanische Volksliedgut

Ein Band mit bisher unveröffentlichten Liedern, Balladen und Gesängen, begleitet von historischen Fotos und Dokumenten.

Foto: PeeF/pixelio.de

Bereits von 1912–1915 nahm der Engadiner Peider Lansel mit einem Phonographen, den er eigens in Amerika bestellt hatte, ladinische Volkslieder auf. Von 1896–1919 publizierte Caspar Decurtins unter dem Titel Rätoromanische Chresthomathie 13 Bände mit zahlreichen Liedtexten aus Graubünden. 1930 beauftragte die Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde verschiedene Forscher, unter ihnen den Soldatensänger und Volksliedsammler Hanns in der Gand und den Lehrer und späteren Ethnomusikologen Alfons Maissen, mit einer Liederhebung in ganz Romanischbünden. In Zusammenarbeit mit Werner Wehrli hat Alfons Maissen 1945 zwar die Consolaziun dell‘ olma devoziusa (Trost der andächtigen Seele), geistliche Lieder, veröffentlicht, aber Hunderte von weltlichen Liedern, Ton- und Fotoaufnahmen sowie Notenmanuskripte, lagen während mehr als 70 Jahren weitgehend brach.

Eine erfreuliche Ausnahme macht ein Büchlein mit 60 Liedern aus Bergün, Müstair und Tschlin, die Gian Gianett Cloetta 1958 unter dem Titel Chanzunettas populeras rumauntschas im originalen Idiom und auf Deutsch herausgegeben hat, während das vielfältige Heft Rätoromanische Volkslieder aus mündlicher Tradition von 2011 an Wert einbüsst, weil die zwar ausgezeichneten Kommentare von Iso Albin und Cristian Collenberger nicht mit den Tracks der beiliegenden CD übereinstimmen.

Von 2006–2009 bereitete der Churer Kantonsschullehrer und Musiker Iso Albin 1500 Dokumente der Sammlung Maissen für die digitale Nutzung auf. Sie sind seit 2011 über die Online-Plattform der Schweizer Nationalphonothek zugänglich: eine einzigartige Sammlung von Gehörsnotationen, Aufnahmen auf Pilaphonplatten (Schallfolien) und Magnettonbändern, Notizen, Korrespondenzen, Fotos und Biografien der Sängerinnen und Sänger aus den frühen 1930er-Jahren (Links s. unten); Material, das für das historische Verständnis der Alltagswelt im Alpenraum von hohem Wert ist.

Wer sich Volkslieder nach wie vor lieber in einem Buch gedruckt und von einem Tonträger akustisch zu Gemüte führt, darf zum gelungenen, reich bebilderten und mit einer CD ergänzten Band aus dem Somedia-Verlag greifen. Die 40 bisher unveröffentlichten, aus den 1500 Tonaufnahmen und Notationen sorgfältig ausgewählten und kommentierten Liedtranskriptionen erlauben es in Übersetzungen auch jenen, die in den romanischen Idiomen nicht bewandert sind, historische Gesänge und Balladen von Liebes- und Brauchtumsliedern zu unterscheiden. Unter ihnen gelten die «Mintinadas», die der Braut am Abend vor der Hochzeit gesungen werden, wie z. B. E pitigot al mitger bab (Nr. 27, Track 15) als Spezialität der Volkskultur in Graubünden.

Den Katalog von Iso Albin leiten Begleitaufsätze von Karoline Oehme-Jüngling (Zur Idee des Volkslieds), Dieter Ringli (Zur alltäglichen Praxis des Singens) und, besonders aufschlussreich, der Artikel von Cristian Collenberg (Zur Sammlung von rätoromanischen Volksliedern in Zeiten der kulturellen Selbstfindung) ein.

Die liebevoll gestaltete und besonders in den ganzseitigen Foto-, Noten- und Textseiten aussagekräftige Neuerscheinung ist für das kulturelle Gedächtnis der Rumantschia und damit für die ganze Schweiz kostbar und leistet einen Beitrag zum immateriellen Kulturerbe, für den man den Sängerinnen und Sängern, den Feldforschern und den Herausgebern nur dankbar sein kann.

Image

Die Sammlung Maisen. Ein Querschnitt durch das rätoromanische Volksliedgut, 272 Seiten mit Illustrationen, Notenbeispielen und CD, Fr. 56.00, Edition Terra Grischuna, Somedia-Verlag, Chur 2014, ISBN 978-3-7298-1190-4

Katalog Maissen der Schweizer Nationalphonothek

Die Lieder der Consolaziuns dell‘ olma devoziusa
(mit Sängerbiografien)

 

Malta barock

Drei Konzerte des Valletta International Baroque Festivals in verschiedenen sakralen und weltlichen Räumen, Paläste, Gärten und Klippen laden vom 23. bis 27. Januar 2016 zum Besuch. Anmeldeschluss ist am 30. September.

Alexander Bartl / pixelio.de,SMPV

 Seit 2013 kommen Barockmusikfans in Valletta, Maltas Hauptstadt und Unesco-Weltkulturerbe, während jeweils zwei Wochen im Januar auf ihre Kosten. Zusammen mit Touriqum Spezialreisen organisiert die Schweizer Musikzeitung vom 23. bis 27. Januar 2016 eine fünftägige Reise auf die Inselrepublik.

Bis 1964 britische Kolonie, wurde Malta am 1. Mai 2004 EU-Mitglied. 2017 wird es zusammen mit dem Vereinigten Königreich die EU-Präsidentschaft innehaben, und im Jahr darauf wird Valletta europäische Kulturhauptstadt sein, gemeinsam
mit der holländischen Stadt Leeuwarden. Diese beiden Ereignisse beeinflussen seit der Festivalgründung die langfristige Planung sowie die Suche und das Engagement international und national herausragender Barockmusikspezialisten.

> www.vallettabaroquefestival.com

Die drei Konzerte
Im Teatru Manoel, das zu den ältesten noch bespielten Opernhäusern der Welt zählt, wird das auf venezianischen Barock spezialisierte Ensemble La Serenissima zu hören sein, in der St. John’s Co-Kathedrale das Collegium Vocale Gent unter Philippe Herreweghe und in der Franz-von-Assisi-Kirche das 2012 gegründete Valletta Baroque
Festival Ensemble.

Anmeldeschluss: 30. September 2015

Das detaillierte Reiseprogramm samt Anmeldetalon kann hier heruntergeladen werden:

Malta barock – Leserreise der SMZ (PDF)
 

Lieder für einmal instrumental

Eine jeweils kleine Werkauswahl grosser Liedkomponisten ist in «Adrian’s Song Albums»für Klarinette gesetzt.

Foto: rosefirerising/flickr commons

In der Sammlung Adrian’s Song Album Series hat Adrian Connell für die deutsche Edition Dohr je fünf bis sechs Lieder von Hugo Wolf, Robert Schumann, Gabriel Fauré, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy für Klarinette arrangiert. Die Klavierstimme hat der Bearbeiter jeweils original belassen und die Gesangsstimme wurde ebenfalls fast eins zu eins für die Klarinette übernommen. Die Tonarten sind nur ganz vereinzelt angepasst, um unnötig viele Vorzeichen zu vermeiden. Vom Herausgeber ergänzt wurden Metronomangaben sowie teilweise Dynamik und Artikulation in der Gesangs- respektive Klarinettenstimme.

Adrian Connell gibt als Ziel dieser Ausgaben an, «auch Instrumentalisten die Gelegenheit zu geben, sich an diesen Liedern zu erfreuen». Die versammelten Lieder sind mehrheitlich auch im Internet frei zugänglich, die Ausgaben bei Dohr sind jedoch sehr sorgfältig gesetzt und für Klarinettisten bereits komfortabel transponiert. Als Sammlung bieten sie ausserdem die Möglichkeit, sich mit den Liedern dieser grossen Komponisten ohne grossen Aufwand instrumental auseinanderzusetzen und sie auch bei der einen oder anderen Gelegenheit vorzutragen.

Image

Hugo Wolf, Wolf Song Album I, arranged for Clarinet (Bb) and Piano by Adrian Connell, Partitur und Stimme,
E.D. 88554, € 10.80, Verlag Dohr, Köln 2014

Robert Schumann, E.D. 88544, € 9.80

Franz Schubert, E.D. 88534, € 11.80

Gabriel Faure, E.D. 88514, € 10.80

Felix Mendelssohn Bartholdy, E.D. 88504, € 9.80

Sonate agréable …

Viele Einfälle,wenige Schwierigkeiten: Diese Sonate für Violine und Klavier ist ein Vergnügen für die Spielerinnen und Spieler.

Titelblatt der Sonate 43/1, Ausgabe Schott, Mainz o. J. (1812). Quelle: imslp/Petrucci Music Library

Sonate agréable heisst zu Recht eine der über 70 Violinsonaten von Vanhal, weil sie trotz der leichten Spielbarkeit für beide Instrumente viele kostbare Überraschungen bereithält, Violine und Klavier gleichberechtigt Zwiesprache halten lässt und mit ausgereiften Formen überzeugt. Kein Vergleich zu den für die Violine langweiligen Violinsonaten Haydns; sie nähern sich eher dem gesanglichen Stil Schuberts an. Das Heft ist überschrieben mit: «Drei Sonaten», aber es sind darin drei normale Sätze einer Sonate enthalten.

Der Böhme Vanhal war Schüler des gleichaltrigen Carl Ditters von Dittesdorf in Wien und lebte dort selbständig von seinen Kompositionen und vom Unterrichten. Die Titelblätter seiner gedruckten Werke tragen die Namen vieler europäischer Adelsfamilien und beweisen seinen damaligen Bekanntheitsgrad. Das umfassende Werkverzeichnis, 1987 von Paul Bryan erstellt, förderte eine Renaissance der zahlreichen Kammermusikwerke und 77 Sinfonien, letztere denjenigen Haydns ebenbürtig. Zu hoffen ist, dass noch mehr solche Schätze verlegerisch gehoben werden.

Image

Johann Baptist Vanhal, Drei Sonaten für Violine und Klavier «Sonate agréable» op. 43/2, hg. von John F. und Virginia F. Strauss, DM 1472, € 19,95, Doblinger, Wien 2013

Spätromantische Suite

Charles-Marie Widor hat sich hier für einmal nicht der Orgel, sondern der Flöte gewidmet.

Charles-Marie Widor, Ferruccio Busoni, Isidor Philipp (v.l.). Nachweis s. u.

Der französische Pianist und Organist Charles-Marie Widor (1844–1937) ist vor allem für seine Orgelwerke bekannt, obwohl sein Œuvre auch viel Kammermusik umfasst. Allerdings hatte nur die Suite op. 34 für Flöte und Klavier ähnlichen Erfolg wie die Kompsitionen für Orgel, weil sie möglicherweise eine Lücke an spätromantischen Werken im Flötenrepertoire schliesst.

Eines der bekanntesten Stücke daraus ist der dritte Satz, die «Romance», die etwas an die Drei Romanzen für Flöte und Klavier von Robert Schumann op. 94 erinnert. Dieser Satz ist auch in der Orchestersuite op. 64 enthalten und dort von Widor selbst für Soloflöte und Orchester bearbeitet worden. Der bekannte Flötist Georges Barrère hatte den Komponisten zwar um die Orchestrierung der ganzen Suite gebeten, was dieser jedoch ablehnte, woraufhin Barrère dann das Scherzo selbst orchestrierte und beide Sätze oft mit Orchesterbegleitung aufführte.

Die Komposition ist vermutlich 1885 oder 1886 im Pariser Verlag Hamelle erschienen und wurde dann 1897 in das Programm des Verlags Heugel aufgenommen. Anschliessend wurde das Werk vom Komponisten selbst überarbeitet und im Finale erweitert. Da die handschriftliche Quelle fehlt, bildet die überarbeitete Fassung die Quelle für die Urtextausgabe bei Henle. Sie bereichert die Palette der bisherigen Editionen auch durch ihre Gestaltung, so ist z. B. der Notendruck übersichtlich und gut lesbar, ausserdem mit ausklappbaren Seiten erweitert, um «gutes Blättern zu ermöglichen», wie der Verlag schreibt. Am Schluss der Edition weist der Herausgeber auf Unstimmigkeiten in Phrasierung, Artikulation und Dynamik innerhalb der verschiedenen Fassungen hin. Der Klavierpart wurde von Klaus Schilde mit Fingersätzen versehen.

Image

Charles-Marie Widor, Suite op. 34 für Flöte und Klavier, Urtext hg. von Ernst-Günter Heinemann, HN 1218, € 16.00, G. Henle, München 2014

Foto: Charles-Marie Widor (1844–1937), Ferruccio Busoni (1866–1924), Isidor Philipp (1863–1958) im Restaurant Foyot, Place de l’Odéon, Paris ca. 1910. Quelle: Bibliothèque nationale de France/wikimedia commons
 

Selige Zuversicht

Direkt aus dem barocken Manuskript auf die CD: aufregende Neuentdeckungen für Countertenor und Basso-Continuo-Ensemble.

Jan Börner. Foto:zvg,Was betrübst du dich meine Seele,Ach, dass ich Wassers gnug hätte …,Sonata III, aus Encaenia Musices,Herr wie lange

Wahrlich selten zu hörende Frühkantaten und Geistliche Konzerte des 17. Jahrhunderts aus dem deutschsprachigen Kulturraum hat der junge Solothurner Countertenor Jan Börner mit dem Basler Ensemble Il Profondo eingespielt. Sie haben sich im Mai des letzten Jahres ins ehemalige Kapuzinerkloster Solothurn zurückgezogen, um ihre sorgfältig ausgesuchten barocken Werke einzuspielen. Und dies nicht etwa aus modern edierten Notenfassungen: Sie musizieren direkt aus den originalen Handschriften. Nicht nur das: Unter den zehn eingespielten Kantaten finden sich drei eigentliche Neuentdeckungen von Johann Theile, Martin Koler (Colerus) und David Pohle, die nun als Welt-Ersteinspielungen vorliegen.

Wie so oft in Handschriften des frühen Barock, erst recht in noch älteren Manuskripten, sind kaum Angaben zu Tempo, Dynamik oder Instrumentierung vorhanden. Dies kommt den Musikern von Il Profondo, allesamt Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis, mit ihrem fundierten Wissen über die historische Aufführungspraxis und ihrem geschulten Umgang mit kompositorischen Strukturen sehr entgegen. Je nach Werk wird die makellose Stimme von Jan Börner mit Geigen-Consort, Dulzian, Lauten-Instrumenten oder einer originalen italienischen Prozessionsorgel aus dem 17. Jahrhundert, welche eigens für die Aufnahmen ausgeliehen wurde, begleitet. Entstanden ist ein Album, auf dem in grossen Bögen, sehr linear und doch detailreich sowie in einem äusserst authentisch wirkenden barocken Gestus musiziert wird.

Auf absorta est … – von Seligkeit und Zuversicht (etwa: «überwunden ist …»), so der Album-Titel, sind hörfällig Spezialisten erster Güte am Werk. Grossartig musizieren sie. Grossartig muss man auch das gewählte Repertoire nennen, geprägt vom Drang, Neues zu entdecken. Da reiht sich Musikperle an Musikperle. Passend ist das kunstvoll gestaltete, reich schwarz-weiss bebilderte und ordentlich informative Booklet. Damit liegt ein eigentliches Gesamtkunstwerk vor, das etwas zu sagen hat. Notabene von einem Schweizer Countertenor, von dem man noch viel hören wird, ja hören muss …

About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Johann Theile
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Johann Christian Bach
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Romanus Weichlein
About JW Player 6.0.2813…

Ein zeitgerechter Begleiter

Auch das Studium der Musikwissenschaft sieht im digitalen Zeitalter ganz anders aus als früher. Nun gibt es den passenden Studienführer.

Foto: www.JenaFoto24.de/pixelio.de

Als ich das Studium der Musikwissenschaft antrat, Anfang der Neunzigerjahre, stand uns Studierenden der DTV-Atlas der Musik sowie die Einführungen der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt zur Verfügung. (Ich kann mich noch gut an Feders Musikphilologie und Reidemeisters Historische Aufführungspraxis erinnern.) Ein umfassendes Vademecum zum Einstieg ins Fach kannten wir (noch) nicht. Gerade 1992 veröffentlichte aber Nicole Schwindt-Gross für Bärenreiter eine solche Einführung mit dem Titel Musikwissenschaftliches Arbeiten, die sich über verschiedene Neuauflagen mit mehr als 20 000 verkauften Exemplaren zu einem Bestseller entwickelte. Seitdem sind weitere Bücher mit der Zielsetzung erschienen, einen praktischen Studienbegleiter und ein Nachschlagewerk für angehende Musikwissenschaftler bereitzustellen, beispielsweise der von Kordula Knaus und Andrea Zeder herausgegebene Sammelband Musikwissenschaft studieren (Herbert Utz Verlag, München 2012). Nun legt Bärenreiter einen Nachfolger des Buches von Schwindt-Gross vor.

Erst gegen Ende meiner Studienzeit hörte ich etwas skeptisch von meinem älteren Bruder, dass er fast täglich von einem Nachrichtenprogramm namens «Email» Gebrauch mache. Es sind denn auch primär die tiefgreifenden Veränderungen, die das Internet seit 1992 für die Recherche und das Studium gebracht hat, die ein Nachfolgewerk notwendig machen. So finden sich im Inhaltsverzeichnis in fast jedem Kapitel Abschnitte, die dem Digitalzeitalter gerecht werden: «Wikipedia – geeignet für den ersten Überblick?», «Das Internet als Informationsmedium», «Grundlagen der Onlinerecherche». Die Grenzen und die Vorteile von Wikipedia, Google Books & Co. werden nüchtern, ohne Vorurteile dargestellt. Die aufgeführten Beispiele aus der digitalen Welt sind der aktuellen Forschung entnommen wie z. B. die Software Edirom (www.edirom.de) und das Projekt Opera (www.opera.adwmainz.de) im Kapitel «Digitale und digitalisierte Notenausgaben».

Neben der umfassenden und zeitgemässen Darstellung der digitalen Möglichkeiten wissenschaftlichen Arbeitens, sind auch andere Kapitel erwähnenswert, die von einer altmodischen Fixierung auf die Schriftlichkeit absehen: Abschnitte über Tonträger und audiovisuelle Medien, Bilder, Musikinstrumente, ja Gebäude und Räume als Objekt musikwissenschaftlicher Betrachtung. Willkommen ist auch das Kapitel zum mündlichen Referieren und Vortragen. Etwas zu kurz kommt allerdings die Erörterung der beruflichen Perspektiven eines Studiums der Musikwissenschaft; es wird dafür auf einschlägige Literatur verwiesen.

Der Inhalt wird übersichtlich präsentiert. Kästchen mit grauem Hintergrund heben Tipps und Zusammenfassungen vom Fliesstext ab. Nach jedem Abschnitt folgen hilfreiche Fragen zur Selbstüberprüfung und kurze bibliografische Hinweise. Eine ausführliche Literaturliste und ein Register finden sich dann am Schluss des Buches. Die beiden Autoren Matthew Gardner und Sara Springfeld werden also ihrem Anspruch gerecht, den Studierenden ein praktisches Lehr- und Nachschlagebuch in die Hände zu legen. Für Dozierende wird das Buch aber auch von Nutzen sein: Es hilft nämlich, sich die Ausgangslage der jungen Leute zu vergegenwärtigen, die bereits in der Wiege auf dem www zu surfen gelernt haben.

Image

Matthew Gardner und Sara Springfeld, Musikwissenschaftliches Arbeiten. Eine Einführung,
292 S., € 24.95, Bärenreiter, Kassel 2014,
ISBN 978-3-7618-2249-4

Neue Studierende an der ZHdK

605 neue Studierende beginnen an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) am kommenden Dienstag ein Bachelor-, Master- oder MAS-Studium in den Künsten, im Design oder in der Vermittlung. 202 davon in der Musik.

Foto: Sebastian Bernhard/pixelio.de

Die insgesamt 605 neuen Studierenden verteilen sich auf die Bereiche Design (110), Musik (202), Kunst & Medien (95), Art Education und Transdisziplinarität (89), Theater und Film (62), Tanz (17) sowie auf berufsbegleitende Master-of-Advanced-Studies-Programme (30).

Total zählt die Zürcher Hochschule der Künste 2163 Studierende, wovon 1236 ein Bachelor-Studium und 927 ein Master-Studium absolvieren. 483 Personen besuchen eines der zahlreichen Weiterbildungsangebote (MAS, CAS, DAS). An der ZHdK gilt ein Numerus Clausus, das bedeutet, Studieninteressierte müssen vorgängig ein Zulassungsverfahren durchlaufen.

Neubeginn mit «Beginnen»

Wir haben beschlossen, nach der Sommerpause mit «beginnen» wieder zu beginnen. Es war Jean-Jacques Rousseau, der in seinen Bekenntnissen schrieb: «Der Anfang ist fast in allen Dingen schwer.» Aber dieser Aphorismus hat etwas Universelles, man findet ihn ebenso in anderen Sprachen und Kulturen. Mehrere Autoren in dieser Nummer fangen damit an. Denn er trifft wohl für die Musik ganz besonders zu. Wir alle erinnern uns der Stunden und Tage, die wir an unserem Klavier oder mit unserer Geige verbracht habe, um auch nur eine Tonleiter oder eine Melodie aus wenigen Tönen zustande zu bringen.

Das Ausserordentliche dabei ist aber die Fähigkeit des Menschen voranzukommen. Einige Jahre später lesen die ehemaligen Anfängerinnen und Anfänger, die durchgehalten haben, ganze Partituren vom Blatt und verschwenden keinen Gedanken mehr an den Daumenuntersatz oder die Veränderung der Handstellung. Das alles ist selbstverständlich geworden.

Genauso ist es beim Autofahren-Lernen. Wenn wir den Motor in den ersten Lektionen fünfmal abwürgen, bevor er anspringt, können wir uns nicht vorstellen, dass wir uns Monate später bei 120 Stundenkilometern auf der Autobahn fragen werden, warum das Gesetz verbietet, nun eine SMS zu schreiben. Diese unglaubliche Fähigkeit zu lernen, uns anzupassen, weiterzukommen, fasziniert mich.

Und es ist ein Glück, dass es sie gibt! Denn wir bewegen uns ein Leben lang von einem Anfang zum nächsten. Erst wenn wir unser Instrument beherrschen, nach jahrelanger Arbeit, können wir daran denken, eine musikalische Karriere zu beginnen. Und erst wenn unsere Karriere bereits gut in Schwung ist, können wir darauf hoffen, allmählich von den grossen Festivals oder Veranstaltern engagiert zu werden – wenn wir überhaupt so weit gehen wollen.

Diese Nummer zum Thema «beginnen» geht auf verschiedene Anfänge ein: den Start einer Karriere als Künstler oder Veranstalter, die Förderung von Debütantinnen und Debütanten, die Eröffnung eines neuen Konzertsaals und sogar auf die Entstehung einer Musikkritik.

Denken wir doch bei dieser Gelegenheit daran, dass aller Anfang zwar schwer sein kann, aber auch ganz schön aufregend!
 

Kategorien

get_footer();