Verführung zum Tanz

Leichte bis mittelschwere Tänze aus Flandern und Wallonien für Akkordeon-Solo M2 (Standardbass).

Foto: Poppy – flickr.com

Haben Sie schon einmal Volksmusik aus belgischen Provinzen gehört? Beim Ausprobieren der Stücke in diesem neuen Heft hat es mir richtig «den Ärmel reingenommen»!

Marinette Bonnert und Tommaso Huber haben für Akkordeon-Solo M2 (Standardbass) ein Heft mit leichten bis mittelschweren Tänzen aus Flandern und Wallonien veröffentlicht. Sie zeigen damit einen bunten Querschnitt durch das Repertoire der sehr eleganten, duftigen und filigranen Volks- und Tanzmusik, vor allem aus dem 18. Jahrhundert. Überliefert ist diese Musik handschriftlich, gedruckt oder mündlich in verschiedenen Quellen. Marinette Bonnert stammt selber aus Belgien, bezeichnet sich als Botschafterin der wallonischen Musik und hat die Stücke für diese Publikation sorgfältig ausgewählt. Suiten, bestehend aus Kontratänzen, wechseln sich ab mit einzelnen Tanzsätzen wie Menuett, Polka, Walzer und Schottisch. Tommaso Huber kommt aus Österreich, spielt seit Kindesbeinen Akkordeon und hat Kontrabass studiert. Im Vorwort gehen die beiden auf die Herkunft der Musik etwas ausführlicher ein und in einem separaten, einführenden Abschnitt erklären und illustrieren sie die Art der Bassnotation minutiös. Die Melodiestimmen der einzelnen Stücke sind oft einstimmig gehalten, jedoch von einem harmonisch interessanten Bass getragen. Die Arrangements sind äusserst ansprechend, können auch verführen zu eigenen Ausschmückungen oder regen zu Interpretationen mit dem Einzeltonakkordeon an – eine wahrlich tolle und wertvolle Bereicherung für alle, die sich zur Volksmusik anderer Länder hingezogen fühlen!

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Marinette Bonnert und Tommaso Huber:
Dances from Flanders & Wallonia,
23 leichte bis mittelschwere charakteristische Tänze für Akkordeon M2,
UE 36123, € 14.95, Universal Edition, Wien 2016

 

Zum Hundertsten!

Zu diesem ganz aussergewöhnlichen Geburtstag ist bei VD-Gallo ist eine CD mit Aufnahmen aus den 40er- und 50er-Jahren erschienen: Julien-François Zbinden als Jazzpianist, als Begleiter von Chansons oder als Komponist.

Ausschnitt aus dem CD-Cover,Cole Porter – Julien-François Zbinden, Alex Botkine, Raoul Schmassmann,Julien-François Zbinden – Jo Roland, Orchestre Les Philosophes,Joseph Kosma, Jacques Prévert – Juliette Greco, Julien-François Zbinden,Julien-François Zbinden – Ensemble Romand d’Instruments de Cuivre (E.R.I.C.),Foto: Jean-Pierre Mathez

Sympathischer kann man sich einen Gruss zum 100. Geburtstag kaum vorstellen. Kein vergänglicher Blumenstrauss, kein Verlegenheitsgeschenk, kein austauschbares Wort – nein, eine ganze Stunde liebevoll ausgesuchter Musik. Die Kaléidoscope überschriebene CD mit Werken und Aufnahmen von Julien-François Zbinden ist aber weit mehr als eine klingende Liebeserklärung aus den Archiven von Radio Télévision Suisse und dem Studio de Lausanne. Sie dokumentiert ein reiches, noch dazu spielerisches Leben als Pianist und Komponist und ist in diesem Fall weder der Sinfonie noch dem Streichquartett gewidmet, sondern all jenen oftmals an den Rand gedrängten Genres, die im Konzertsaal nicht zu Hause sind oder im heutigen Medienbetrieb ihren angestammten Platz eingebüsst haben: Musik für Blasorchester, die sogenannte «leichte Muse» und das französische Chanson.

Herausgekommen ist ein wundervolles Bouquet voller Raritäten, produziert vor allem in den späten 1940er- und den frühen 1950er-Jahren, bei denen Julien-François Zbinden entweder solistisch mit einem der grossen Jazz-Standards, als Begleiter am Klavier oder als Schöpfer neuer Partituren zu hören ist. Dass Zbinden selbst noch aktiv am Booklet mitgearbeitet hat, zeugt von einer ungebrochenen physischen wie psychischen Vitalität. Möge sie uns noch eine Weile erhalten bleiben!

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Begin the Beguine
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Romance pour un chien
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Je suis comme je suis (Live)
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Das pädagogische Erbe von Zoltan Kodály

Externe Teams von Musiklehrern übernehmen an New Yorker Schulen den gesamten Musikunterricht und erzielen erstaunliche Wirkungen. Eine Überprüfung der Resultate in hiesigen Kindertagesstätten könnte neuen Schwung in unsere pädagogische Forschung bringen.

Die Schulen in New York, besonders die in der Bronx, sind nicht auf Rosen gebettet: Aus finanziellen Gründen sind viele nicht in der Lage, Kunstunterricht anzubieten, und 59% der öffentlichen Schulen der Stadt haben keinen ausgewiesenen Musiklehrer im Kollegium. Doch es gibt die ETM, die Organisation Education Through Music. Diesem Team von engagierten Musikpädagogen können die Schulen den gesamten Musikunterricht übergeben.

ETM übernimmt in den Partnerschulen Musik als Kernfach, richtet die Musikzimmer ein und bietet mit hochqualifizierten Musiklehrerinnen und -lehrern, die auch Bands und Orchester leiten, einen umfassenden Unterricht an. Auf der Website www.etmonline.org sind 43 Mitglieder dieses Teams aufgelistet. Sie sind überzeugt, dass jedes Kind Zugang haben sollte zu hochwertigem Musikunterricht. Musik soll nicht nur Kernstoff sein, sondern auch ein Mittel für die gesamte Entwicklung.
 

Bessere Leistungen, mehr Selbstvertrauen

ETM gibt an, Musikerziehung führe bei Kindern nachweislich zu besseren kognitiven Fähigkeiten und Schulleistungen in allen Fächern, ebenso zu Fortschritten im sozial-emotionalen Bereich (Selbstbewusstsein, Zuversicht und Disziplin). Die Begegnung mit den Künsten wirke sogar bis ins Erwachsenenalter: Langzeitstudien hätten gezeigt, dass Schüler mit tiefem sozioökonomischem Status, die den Künsten während der Adoleszenz stärker ausgesetzt waren, 23% grössere Chancen hätten, ins College zu kommen, und dort höhere Punktzahlen erreichten.

Die Wirksamkeit des Programms beruhe auf dem strengen ETM-Musiklehrplan. Sein Inhalt ist leider nicht abrufbar; er soll umfassend, schrittweise aufbauend und auf Standard-Fähigkeiten ausgerichtet sein. Die Musiklehrer und die Klassenlehrer arbeiten zusammen, um den Lehrplan zu integrieren und die Schüler für alle schulischen Aufgaben zu begeistern. Jährliche Vortragsübungen helfen, die soziale und emotionale Entwicklung voranzutreiben.

Am Ende jedes Schuljahres werden die Erfolge von ETM evaluiert. Der auf den Daten des Schuljahres 2014/15 beruhende Bericht zeigt, wie gross der Einfluss des Programms auf die Schüler und die Gemeinschaften ist. Er bietet auch eine Übersicht des Evaluations-Designs, der Methoden zur Datensammlung und der verwendeten Analysen.

Die Ergebnisse sind beeindruckend: In allen schulischen Belangen verbesserten sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler, und zwar besonders deutlich in den Schulen, die seit vier oder mehr Jahren Partner von ETM sind: Sie weisen signifikant höhere Prüfungsleistungen in Mathematik und Sprache auf als in Schulen ohne ETM-Partnerschaft. Auch Schülerinnen und Schüler mit speziellen Bedürfnissen und Lernschwierigkeiten schnitten in Langzeit-Partnerschulen besser ab.

Fast 90% der Schüler, Eltern und Lehrer glauben, dass ETM in den sozial-emotionalen Bereichen, Vertrauen, Kreativität, Kooperation und künstlerische Fähigkeiten, einen bedeutenden positiven Einfluss hat. Und 90% aller Schüler finden, durch ETM seien ihre Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit verbessert worden.
 

Die Gründerin und ihr wachsender Erfolg

Seit der ersten Partnerschaft 1991 war es das erklärte Ziel der ETM, jedem Kind aus dem New Yorker Niedriglohngebiet diese Art von Musikerziehung anzubieten. Dieses Ziel ist näher gerückt: Während des Schuljahres 2014/15 war ETM Partner in 46 Schulen von NYC und betreute fast 27 000 Schüler in vier Stadtteilen vom Kindergarten bis ins achte Schuljahr.

ETM geht zurück auf die Musikpädagogin Mary Helen Richards, die durch den ungarischen Komponisten Zoltan Kodály inspiriert worden war. Zusammen mit einer kleinen Gruppe von amerikanischen und kanadischen Pädagogen gründete sie 1969 das Richards Institute of Education and Research, das rasch wuchs und das ETM-Programm entwickelte. Dieses fand bei den Lehrkräften grossen Anklang. Auch Zita Wyss, die Pionierin des Eltern-Kind-Singens in der Schweiz, wurde von ETM inspiriert. Heute bietet das Institut 14 Winterkurse an, im Sommer 3 bis 4 Camps und eine Woche Colloquium, die international besucht wird. Mit Hilfe von ETM und amerikanischen Kinderliedern wurden auch die Vietnamesinnen und ihre Kinder in den USA integriert, die nach dem Vietnamkrieg aus ihrem Land gejagt worden waren, weil sie sich mit einem GI eingelassen hatten.
 

Die Schweizer Parallele

Vor dreissig Jahren begann in der Schweiz, ebenfalls inspiriert von Zoltan Kodály, unter dem fast identischen Namen «Bessere Bildung mit mehr Musik» ein Nationalfonds-Projekt: 50 Schulklassen erhielten während drei Jahren wöchentlich fünf Lektionen Musikunterricht, aber je eine Lektion Mathematik, Französisch und Deutsch weniger. Die These, dass es trotz der Reduktion in diesen Hauptfächern keine Einbussen gab, wurde bestätigt. Es gab sogar Verbesserungen, besonders im sozial-emotionalen Bereich. Und die Wirkungen begannen nach drei Jahren deutlicher zu werden.

Diese Resultate führten zu einer öffentlichen Diskussion über die Musik in der Schule und zum Artikel 69,2 in der Bundesverfassung: «Der Bund kann kulturelle Bestrebungen von gesamtschschweizerischem Interesse unterstützen sowie Kunst und Musik, insbesondere im Bereich der Ausbildung, fördern.» (Allerdings wurde dieser Artikel dann listigerweise umgedeutet, um als Grundlage für das Kulturförderungsgesetz zu dienen.) Schliesslich kam es sogar zu einem neuen Verfassungsartikel über musikalische Bildung, wo nun das grosse Wort steht, dass sich Bund und Kantone für einen hochwertigen Musikunterricht einsetzen. Trotzdem hat sich in den Schulen seither leider nichts verändert: Der Unterricht in Musik ist vielerorts in einem desolaten Zustand.
 

Das ungarische Vorbild

Vor fünfzig Jahren erhielten wir Kunde von den ungarischen Musikgrundschulen, wo täglich eine Musiklektion erteilt wurde und im strengen Kodály-Lehrplan nach Handzeichen gesungen, die Notenschrift erlernt und Blattsingen sowie Notieren von Musik geübt wurde. Und es wurde berichtet, dass die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler dieser Schulen in allen Fächern bedeutend besser seien als bei den üblichen Volksschulen, ebenso die Konzentrationsfähigkeit, die Rede- und Formulierungsgewandtheit, das Gedächtnis und die Disziplin des Denkens. Sogar das Gefühlsleben werde bereichert.

Die Ergebnisse liessen aufhorchen, aber im Westen hiess es, sie seien nicht wissenschaftlich erhärtet. Es gab zwar einige Studien, aber keine davon mit Bedingungen, wie sie in den ungarischen Musikgrundschulen geherrscht hatten. Das gilt auch für die Schweizer Studie: Der Musikunterricht musste dabei weiterhin gemäss den kantonalen Lehrplänen erteilt werden; die Studienleitung hatte nur indirekt Einfluss, etwa, indem sie in den Weiterbildungsseminaren – ohne grossen Erfolg – das Kodály-Modell der Singschulung vermittelte.

Das ungarische Experiment selbst aber scheint von der pädagogischen und der psychologischen Forschung glatt ignoriert worden zu sein: In Macht Musik schlau? von Lutz Jäncke (Huber, 2008) wird es nicht erwähnt, obwohl «alle» einschlägigen Studien besprochen werden sollen. Angesichts der Befunde, wie sie in Musikerziehung in Ungarn (Klett, 1966) dargestellt sind, ist das unverständlich.
 

Neuer Schwung in die Pädagogik

Was wir nun von ETM in New York hören, erinnert an die Kodály-Schulen in Ungarn. Die geschilderten Ergebnisse wären – wissenschaftlich verifiziert – schlicht sensationell und müssten in der Pädagogik zu einem Umdenken führen. Eine solche Überprüfung müsste aber an den New Yorker Schulen stattfinden. Denn dort sind die Bedingungen ideal: Ein strenger Lehrplan und bereits bestehende Versuchs- und Kontrollklassen. Es ist zu hoffen, dass renommierte pädagische Forscher sich endlich damit befassen werden.

In der Schweiz könnten wir – für die unterste Stufe – mit verhältnismässig geringem Aufwand ebenfalls eine solche Überprüfung anbieten, nämlich in den Kindertagesstätten, etwa nach folgendem Plan: 5 KITAS mit je 1 Musikstunde nach ETM täglich, 5 ohne ETM, also eine Population von je etwa 100 Kindern in der Versuchs- und in der Kontrollgruppe. Diese wissenschaftlich begleitete Studie müsste über 3 bis 5 Jahre laufen, der ETM-Lehrplan verbindlich sein, die Leiterinnen musikalisch und pädagogisch kompetent.

Die Fähigkeiten der Kinder würden zweimal im Jahr gemessen. Dafür gibt es bereits bewährte Designs und erfahrene Teams. Auch für die musikalische Weiterbildung der Leiterinnen werden schon Kurse angeboten, nämlich im Solotutti-Zentrum für Musik in Solothurn. Zudem könnten erfahrene Leiterinnen von Eltern-Kind-Singen angefragt werden.

Eine solche Studie wäre auch ein konstruktiver Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion über die Bildungsförderung in der frühen Kindheit. Und sie wäre eine lobenswerte späte Referenz an den grossen Zoltan Kodály. Darüber hinaus wäre es ein Steilpass für die schweizerische pädagogische Forschung. Wir können nur hoffen, dass sie sich diese Chance nicht entgehen lässt.

Inzwischen dürfen wir uns an den Bildern und Videos der musizierenden Schülerinnen und Schüler erfreuen, die auf www.etmonline.org zu sehen sind: Die Lebensfreude, die darin zum Ausdruck kommt, ist umwerfend und geht zu Herzen. Das ist lustvolle Schule, wie wir sie uns wünschen.
 

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strapazieren

Der Traumberuf «Musiker» oder «Musikerin» hat Kehrseiten; manchmal ärgert sich das Publikum im Konzertsaal, nicht überall eignet sich das Klima für klassische Musik, allzu oft soll Musik neben Kunstgenuss noch anderes bewirken und schliesslich fordert sogar die Musikzeitung ihre Leserinnen und Leser zu Antworten auf.

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Der Traumberuf «Musiker» oder «Musikerin» hat Kehrseiten; manchmal ärgert sich das Publikum im Konzertsaal, nicht überall eignet sich das Klima für klassische Musik, allzu oft soll Musik neben Kunstgenuss noch anderes bewirken und schliesslich fordert sogar die Musikzeitung ihre Leserinnen und Leser zu Antworten auf.

Alle blau markierten Artikel können durch Anklicken direkt auf der Website gelesen werden. Alle andern Inhalte finden sich ausschliesslich in der gedruckten Ausgabe oder im e-paper.

Focus

 

Es nervt!
Lieblingsärgernisse rund um die Musik

Quand le métier de musicien fatigue
Musicien, un métier de rêve ? Oui, bien sûr, mais un métier aussi très éprouvant

Zu heiss für klassische Musik
Eindrücke aus Manaus

Genauer als alle Sprachen
Interview mit dem Genfer Psychologen Klaus Scherer

15 Fragen zur Schweizer Musikzeitung
Link zur Leserumfrage

 

… und ausserdem

RESONANCE


Fragen und Fragmente — Festival Rümlingen

Die Spielwiese als Experimentierfeld — Davos-Festival

Aus dem öffentlichen Raum verschwunden — Singen, Summen, Pfeifen

Un serpent à musique — ≪ πton ≫ des frères Decosterd

Carte blanche für Hanspeter Künzler

  

SERVICE

Mit Volldampf in die Herbstsaison  — einige Veranstaltungstipps
 

FINALE


Rätsel
— Pia Schwab sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Just do it

Ein neues Unterrichtsjahr hat begonnen. Das ist ein guter Moment, um einige Vorsätze zu fassen. Zum Beispiel: endlich richtig Noten lesen lernen.

Illustration: Viviane Stucki
Just do it

Ein neues Unterrichtsjahr hat begonnen. Das ist ein guter Moment, um einige Vorsätze zu fassen. Zum Beispiel: endlich richtig Noten lesen lernen.

Bis jetzt hast du dich vielleicht erfolgreich durchgeschummelt. Du kannst dich gut an Melodien erinnern, und deine Lehrperson hat dir die Stücke immer vorgespielt. Oder du weisst zwar, wo welcher Ton zu spielen ist, aber wie die schwarzen Dinger so genau heissen, das war dir nicht so wichtig.

FÜNF SCHLAGENDE ARGUMENTE FÜR DAS NOTENLESEN

1. Es gibt nur 7 verschiedene Notennamen – He, das Alphabet hat 26 Buchstaben!!!
2. Mit diesen 7 und einigen # und b kannst du unzählige Stücke spielen. Du siehst, Aufwand und Ertrag stehen in einem super Verhältnis.
3. Grafische Partituren (ohne Noten, nur mit Zeichen) machen Spass und können
zu toller Musik führen, aber den neusten Hit von Stärneföifi/Beyoncé kannst du damit
nun einmal nicht nachspielen.
4. Wenn du zu Hause nicht mehr weisst, wie ein Stück klingt, musst du nicht die
ganze Woche alte Stücke spielen.
5. Musik machen und die Noten nicht kennen ist etwas wie Fussball spielen und
nicht wissen, was ein Elfmeter ist.

Überzeugt? Na dann los!

Klaus Kauker hat auf seiner Website einen Bastelbogen (PDF) für Notenkarten aufgeschaltet. Du kannst ihn hier herunterladen:

Link zu Klaus Kaukers Bastelbogen

Schneide die Kärtchen an den Linien aus und klebe sie auf etwas stärkeres Papier. Notiere auf die Rückseite die Notennamen.

Lege 5 zufällig ausgewählte Notenkärtchen auf den Notenständer.
Sage den Namen des Tons UND spiele ihn auf deinem Instrument.
Mach das jeden Tag mindestens 3-mal

Wenn du das mehr oder weniger fehlerfrei kannst: Erhöhe das Tempo und
die Anzahl Notenkärtchen.

 

 

 

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Freddy Burger übernimmt Thunerseespiele

Die Thunerseespiele werden auf Wunsch von Elsbeth Jungi Stucki, der Witwe des Mitgründers Res Stucki, per Spielsaison 2019 von Freddy Burger Management FBM übernommen. Stucki und Geschäftsführer Stephan Zuppinger werden das Unternehmen weiterhin beraten.

Vertragsunterzeichnung im Grandhotel Giessbach (v.l.n.r.): Burger, Stucki, Zuppinger.

FBM hat sich laut Freddy Burger als langjährige Betreiberin von zwei Theaterhäusern in Zürich und Basel auf die Aufführung von Musicals und Bühnenshows spezialisiert. Dadurch verfüge die Firma über ein Beziehungsnetz zu den grössten internationalen Rechteinhabern und Produzenten sowie eine entsprechende Marketingorganisation. Die Open-Air-Sommersaison mit der Seebühne eröffne ihr neue Möglichkeiten und Perspektiven, «um Synergien zu nutzen und diesen Bereich weiter auszubauen». So könnten zum Beispiel durch die saisonale Ergänzung der Theaterspielzeiten Infrastrukturen optimiert werden.

Die Thunerseespiele gehören laut eigener Einschätzung zu den 10 Top Events der Freilichtmusicals in Europa. Das Programm besteht aus Klassikern der Weltbühne wie Evita oder West Side Story und Eigenproduktionen wie Dällebach Kari oder Gotthelf. Der Besuch der alten Dame war die erste grosse Schweizer Musicalproduktion, die international aufgeführt wurde. Dieses Jahr ist am Thunersee das Musical Cats zu sehen, nächstes Jahr Mamma Mia.

«Wenig so genannt Narratives»

Im Bieler Verlag die brotsuppe sind klang-, lust- und geheimnisvolle Texte des Komponisten Urs Peter Schneider erschienen.

Foto: Thomas Batschelet

Vielleicht sollte man ihn etwas kennen, diesen Urs Peter Schneider. Komponist und Pianist ist er, geboren 1939, in Biel lebend, unermüdlich arbeitend an Orchesterwerken, an musikalischen Konzepten, an Texten und Textpartituren. Wie er selbst sagt, urteilt er schon mal «direkt und unverblümt». Er polarisiert. Es gibt kein «sowohl/als auch», sondern meist – Søren Kirkegård lässt grüssen – ein «entweder/oder».

Nun: Schriften I bis V nennt sich der schneidersche, jetzt im Bieler Verlag die brotsuppe erschienene Sammelband. Seitenzahlen gibt es nicht. Aber 500 Seiten dürften es etwa sein, die diese eigenartigen, subtilen, kaum auf einen Nenner zu bringenden Texte füllen. «Wenig so genannt Narratives» ist darunter, dafür schon mal herrlich Infantiles, das der Klappentext offen deklariert: «nicht zurechtredigierte Peinlichkeiten». Manchmal gibt es blosse Wortreihungen, eine Häufung von Adverbien, die im Kopf klingen («schnatternd», «rülpsend», «heulend»), oder von Adjektiven, die Visuelles betreffen («unbewölkt», «himmelblau», «durchsichtig»).

Amüsant-persönliche Aphorismen wiederum erinnern entfernt an das Münchner Urgestein, den nachdenklichen Komiker Karl Valentin. 1989 schreibt Schneider radikal klein: «mir wird ganz schwindlig, wenn ich bedenke, dass musik schon wieder nicht ist, was sie früher auch nicht war.» Kurz davor heisst es: «im zweifelsfall hält der anthroposoph einen vortrag.» Thematisch wiederum passend: «die dornacher dogmatiker haben wenig humor, aber sie bringen doch viel lachen in die welt.»

Zum zwischen 1955 und 2015 Entstandenen kommen fluxuesk-eigenartige Wortgebilde, oft garniert mit unorthodoxer Orthografie. All das öffnet Imaginationsräume, kann aber auch befremden. Schneider komponiert seine Texte mithilfe mathematischer Algorithmen. Vielleicht sind so manche Reihungen von Silben zu erklären, die sich – durchaus klangvoll – weniger fürs Lesen als fürs Vortragen im Sinn einer Klangkomposition eignen.

Wer diese Schriften zur Hand nimmt, kann sich erfreuen an ihrer freundlichen Weltöffnung, die so gar keine «Haudrauf-Mentalität» zum Ausdruck bringt. Nicht «in einem Rutsch» wird man das dicke, gründlich wie liebevoll lektorierte Buch lesen. Herumblättern wird man wohl, sich das zu Gemüte führen, was einem gerade so beliebt. Beiläufige Musik ist Schneiders Sache übrigens nicht – sie ist auch nicht zu empfehlen bei der Lektüre, der eines auf jeden Fall nicht zu nehmen ist: ihre Klangfülle.
 

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Urs Peter Schneider: Schriften I bis V – Texte für als mit zur Musik 1955–2015, Illustrationen von Ursi Anna Aeschbacher, 528 S., Fr. 39.00, Verlag die brotsuppe, Biel 2016, ISBN 978-3-905689-70-9

 

Lexikon oder Handbuch der Neuen Musik?

Das Nachschlagewerk von Jörn Peter Hickel und Christian Utz bietet Orientierung in einem unübersichtlichen Gebiet eher in längeren Abhandlungen als in lexikalischer Kürze.

Foto: Ubé – flickr.com

Überblickt man die Publikationen der letzten Jahre, so wird man nur schwer den Eindruck los, es gebe in den traditionellen Branchen des Musikmarktes eine Art Götterdämmerung – zumindest aber das Gefühl eines «letzten Aufrufs». Auf dem CD-Markt sind es die Major-Label, die ihre gefüllten Archive in jeglicher Form unter immer wieder neuen Gesichtspunkten geradezu «entleeren» und an das Pub-likum bringen wollen. Kaum anders steht es um die Verlage, die schon seit Jahren die gute Idee von Lexika und Handbüchern gelegentlich ins Absurde führen. Be-gonnen hat dieser Drang zum Enzyklopädischen vor mehr als zwei Jahrzehnten. Seither sind nicht nur Komponisten und Gattungen, sondern auch einzelne Epochen oder Bereiche entsprechend bedacht worden – und man darf sich schon die Frage stellen, ob hie und da nicht der verlegerische Hang zum Ertrag Vater des Gedanken war.

Beim Lexikon Neue Musik drängt sich eine solche Vermutung erst einmal nicht auf. Und doch darf man sich bei der Lektüre der Einleitung wundern. Denn die beiden Herausgeber werden (klug genug!) nicht müde, das «Lexikon» ein «Handbuch» zu nennen, was es auch ist – honni soit qui mal y pense. So wird in die anhaltende Unübersichtlichkeit des Gegenstandes durch neun zusammenfassende Essays erst einmal eine Bresche geschlagen (Themen, S. 3–156), bevor es zu den eigentlichen Artikeln geht (Lexikon S. 157–635). Doch auch diese lesen sich teilweise wie weiter gefasste Abhandlungen auf kleinem (besser: grossem) Raum. Wer also lexikalische Informationen zu einzelnen Komponisten der Neuen Musik, exemplarischen Werken, Institutionen oder wirklich musikalischen Sachverhalten sucht, wird enttäuscht. Der fraglos gelungene Fokus liegt vielmehr auf der allgemeinen Orientierung. Überraschungen gibt es dennoch – im Detail wie auch im Ganzen: so einen übereilten Abgesang auf die universitäre Musikwissenschaft (S. 424), aber auch die ernste Reflexion über den Humor oder Überlegungen zur Kanonisierung des Neuen. Seltsam nur, wie sehr das alles geografisch – mit separaten Einträgen zu Afrika, Indien, Nordeuropa, Osteuropa, Südostasien etc. versehen – um das offenbar mitgedachte, aber unausgesprochene Zentrum kreist.

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Lexikon Neue Musik, hg. von Jörn Peter Hickel und Christian Utz, XVII/686 S., € 128.00, Bärenreiter/Metzler, Kassel/Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7618-2044-5

Die «grande dame» der «bonne grace»

Aus dem Englischen übersetzte und erweiterte Biografie von Isolde Ahlgrimm (1914–1995), einer bedeutende Persönlichkeit auf dem Weg zur historischen Aufführungspraxis.

Ausschnitt aus dem Titelblatt

Dass sich die Wiederentdeckung Alter Musik und die Hinwendung zur historischen Aufführungspraxis weder einer Revolution verdankte, noch ohne prägende Persönlichkeiten auskam, macht das Buch Die Cembalistin Isolde Ahlgrimm (1914–1995) deutlich. Eine Generation jünger als Wanda Landowska (1879–1959), stützte sich Isolde Ahlgrimm kompromissloser als diese auf Lehrwerke und musikalische Quellen der Vergangenheit; eine halbe Generation älter als Gustav Leonhardt (geb. 1928) und Nikolaus Harnoncourt (geb. 1929), war sie für diese Pioniere eine Anregerin und – über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg – Förderin, zeitweise sogar musikalische Partnerin. Sie durchlief eine Ausbildung zur Pianistin an der Wiener Musikakademie und begegnete im Alter von zwanzig Jahren dem streitbaren Sammler und charismatischen Verfechter unbedingter Originaltreue, Erich Fiala, den sie 1938 heiratete. Standen zunächst Aufführungen von Mozarts Clavierwerken auf dem Fortepiano im Zentrum der eigenen «Concerte für Kenner und Liebhaber», so wandte sie sich ab 1943 dem (Pedal-)Cembalo und mithin dem Tastenwerk von Johann Sebastian Bach zu, das sie von 1951 bis 1956 (fast) vollständig auf Schallplatte einspielte. Endlich eröffnete sich dadurch – nach der Scheidung von Fiala – eine internationale Karriere und eine Lehrtätigkeit an der Wiener Musikuniversität. Bis 1983 konzertierte sie im In- und Ausland, bis in die USA und nach Japan, besonders häufig und gerne auch in der Schweiz. Am 11. Oktober 1995 ist Isolde Ahlgrimm in Wien gestorben.

Ahlgrimm war in Vielem ihrer Zeit weit voraus. Dies betraf zunächst ihre akribische Quellenarbeit, dank der sie ein (2004 posthum ediertes) Kompendium der Ornamentik der Musik für Tasteninstrumente verfassen konnte. Andererseits entschloss sie sich 1972, (allzu) spät, zum Spiel auf wirklichen Kopien historischer Instrumente und blieb ihren Ammer-Cembali mit den langen (Klavier-)Tasten treu. Gewisse Manierismen der jüngeren (vor allem holländischen) Kolleginnen und Kollegen lehnte sie ab und stützte sich dabei auf eine Vielzahl historischer Aussagen und Beispiele. Selbst in ihrem Beharren auf Professionalität und technischer Perfektion blieb sie stets eine Anhängerin des guten Geschmacks oder, wie sie selbst sagte, der «bonne grace».

Die erweiterte und angereicherte Übersetzung einer englischen Biografie ihres letzten Schülers Peter Watchorn aus dem Jahre 2007 durch eine weitere ehemalige Studentin, die Schweizerin Regula Winkelman, macht als vorläufige Materialsammlung zu Recht auf das Wirken der bedeutenden Wiener Cembalistin aufmerksam. Besonders verdienstvoll ist der Abdruck von Ahlgrimms eigenen Begleittexten zur Bach-Gesamteinspielung, welche in ihrer Vielschichtigkeit und Gedankenfülle unverzichtbare Dokumente der Bach-Rezeption im 20. Jahrhundert sind.

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Regula Winkelman, Peter Watchorn: Die Cembalistin Isolde Ahlgrimm (1914–1995). Eine Wegbereiterin der historischen Aufführungspraxis, 288 S., geb., € 29.99, Böhlau, Wien u. a. 2016, ISBN 978-3-205-79679-4

Honeggers Vermächtnis

Das Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Mario Venzago spielt «Rugby», die «Symphonie liturgique» und die Sinfonie «Di tre re».

Mario Venzago ist und bleibt ein eigenwilliger und kompromissloser Dirigent. So auch bei seinen CD-Projekten, mit denen er immer zu überraschen weiss. Die Gesamteinspielung der Bruckner-Sinfonien mit verschiedenen Orchestern bei cpo hat durch seine eigene Lesart – linear, transparent, klangsinnlich und mit rhythmischer Verve – in der internationalen Fachpresse für Aufsehen gesorgt.

Konsequent setzt er sich für die Schweizer Musik ein, sei das für die Orchesterwerke Othmar Schoecks oder Paul Juons. Als Chefdirigent des Berner Symphonieorchesters, der er seit 2010 ist, bezieht er die Schweizer Moderne ganz selbstverständlich in seine Programmierung mit ein. Und das von ihm restrukturierte, verjüngte und mit Teilzeitstellen attraktiver gemachte Orchester folgt ihm engagiert.

Nun ist Arthur Honegger (1892-1955) an der Reihe. Auf der aktuellen Einspielung, die als eine der letzten CDs beim bald eingestellten Migros Label Musiques Suisses erschienen ist, präsentieren Venzago und sein Berner Orchester Rugby, Mouvement symphonique (1928), die Sinfonie Nr. 3 Symphonie liturgique (1945/46) und die 5. Sinfonie Di tre re (1950).

Obwohl Honegger den Schweizer Pass hatte, harrte er auch im Zweiten Weltkrieg in Paris aus. Der pulsierenden Musikstadt, in der er schon studiert hatte, blieb er ein Leben lang treu. Mit Rugby, einem seiner drei Mouvements symphoniques, gab Honegger seiner Sportbegeisterung Ausdruck.

Die rhythmische Kraft, die sich auch in Pacific 231 Bahn brach, kommt hier laut wie in einem Sportstadion daher. Dem Berner Symphonieorchester gelingt es trotzdem zu differenzieren, in der harmonisch dichten Klangwucht die Agilität zu wahren und die Imitationen und Fugen deutlich zu artikulieren.

In der Liturgique bringt Honegger zwar durch Satzbezeichnungen wie «Dies irae» oder «Dona nobis pacem» liturgische Beschwörung in die Sinfonik, es gibt jedoch keinen direkten Bezug zu kirchlichen Originalmelodien. Es ist Bekenntnismusik der tiefsten Erschütterung, gleich nach Kriegsende geschrieben. Mario Venzago schöpft hier aus dem Vollen, die Atonalität und expressionistische Gestik deutet er mit aller Intensität aus, bis an die Grenzen des Erträglichen. Da ist man für das Allegretto-Adagio der 5. Sinfonie, das auf ein dunkles Grave folgt, mehr als dankbar.

 

Symphonie liturgique; Symphonie «Di tre re»,
Berner Symphonieorchester, Leitung Mario Venzago,
MGB CD 6287

Hannys Sammlung erklingt

Auf ihrer jüngsten CD haben die Mitglieder der Hanneli-Musik Tänze aus der Ostschweiz zusammengestellt. Wie immer aus dem enormen Fundus der Sammlung Christen.

Hanneli-Musig. Bild: zVg

Die Landesausstellung1964 in Lausanne präsentierte die moderne Schweiz der Technik und Architektur und vergass dabei die Kultur und die Bedürfnisse der Bergbewohner. Die Studiengruppe Forum alpinum legte sozusagen als Lückenbüsser 1965 einen viersprachigen Bildband und die Anthologie authentischer Volksmusik aus den Schweizer Bergen vor. Diese Schallplatten-Edition wurde aber kaum beachtet, bereits 1966 wieder aus dem Handel gezogen und erst 2008 in einer CD-Überspielung als wichtiges Dokument wahrgenommen.

Das mangelnde Verständnis für die traditionelle Schweizer Musik liess auch die 435 handschriftlichen Notenhefte mit 11 874 Volkstänzen, die Hanny Christen von 1940 bis 1960 in der ganzen Schweiz gesammelt und 1963 der Universitätsbibliothek Basel geschenkt hatte, vergessen. Erst 1992 erkannte der Zürcher Musiker und Verleger Fabian Müller den Wert dieser Sammlung. Ein Team von 17 freiwilligen Mitarbeitern erstellte vorerst eine Datenbank und inventarisierte 10 000 Tänze nach Kantonen und Zuträgern. Mit finanzieller Unterstützung der Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz (GVS/SMPS) konnten 2002 zehn grossformatige Bände unter dem Titel Schweizer Volksmusiksammlung. Die Tanzmusik der Schweiz des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesammelt von Hanny Christen vorgelegt werden. Die einstimmig notierten Tänze aus der ganzen Schweiz (mit Ausnahme des Kantons Thurgau) wurden durch die Sammlerin vor allem aus handschriftlichen Tanzbüchern kopiert und mit gehörsnotierten Aufzeichnungen nach Instrumentalstücken älterer Musikanten ergänzt. Die Christen-Sammlung enthält Tanzgattungen, die das heutige aus Ländler, Walzer, Polka und Schottisch bestehende Repertoire mit Mazurka, Galopp, Kreuzpolka, Polonaise, Varsovienne, Tyrolienne, Allewander und Montferrine erweitern.

Nach dem Erscheinen der Christen-Sammlung gründeten professionelle Volksmusiker rund um den Cellisten Fabian Müller die Hanneli-Musig, machten sich an die Umsetzung des Notenmaterials und konnten 2004 die erste von mittlerweile sieben Einspielungen, das Album Blümchen Wunderhold vorlegen (ZYT 4895, vergriffen). 2005 folgten unter dem Titel Alpenträume Tänze aus der Innerschweiz (ZYT 4897, vergriffen). Ein Jahr später publizierten die sechs Musiker, die alle auch bei der Auswahl und dem Arrangement der einstimmigen Melodien mitarbeiten, die CD Tänzix (ZYT 4900). Kürzel und Nummern, die auf den Herkunftskanton und den Sammlungsstandort jedes Stückes hinweisen, erlauben den Rückgriff auf die originale Notation. Wer die mehrstimmigen Bearbeitungen der ersten drei Einspielungen gedruckt vorzieht, findet sie im Fachhandel.

Mit dem Album Seeland von 2008 lässt die Hanneli-Musig das stimmige Repertoire der Biberemusig aus den 1850er-Jahren (Region Murten, ZYT 4919) aufleben und mit dem Titel Baselbiet (ZYT 4930) wird Hanny Christen 2010 mit Volksmusik aus ihrer Heimat die Ehre erwiesen.

Im eben erschienenen Album Über Stock & Stei bieten der gewandte Ländlerklarinettist Dani Häusler, der Spielmann Johannes Schmid-Kunz an der Geige, der Herausgeber der Christen-Tänze und Cellist Fabian Müller, der Vollblutmusiker Ueli Mooser an Kontrabass und Saxofon, der Blechbläser Christoph Mächler und Fränggi Gehrig mit dem Akkordeon «lüpfige», zum Teil in virtuosem Tempo vorgetragene Tänze aus den Alpengebieten der Kantone St. Gallen, Glarus und Graubünden.

Es ist durchaus ein Pläsir, alle diese Einspielungen – und man hofft auf weitere – als Zeugnisse schweizerischer Musiklandschaften zu hören, aber man vermisst bei den Interpretationen der Hanneli-Musig die Bemühung um eine historische Aufführungspraxis.

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Rosenblüten-Walzer WZ 4321
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Schottisch ST 2041
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In die Schopfe gehen

Klanginstallationen im appenzellischen Hochmoor. Wie die Idylle kratzen und das Moor juchzen kann.

Foto: Jacques Erlanger,Foto: Thomas Meyer

Es war ein noch etwas feuchter, aber sich öffnender Sonntagnachmittag, er lud zahlreiche Kunstliebende und Familien ein, hinaus in die Schopfe zu gehen. So sagt man offenbar in der Gegend, entgegen dem sonst üblichen Plural «Schöpfe» des im Hochdeutschen weitgehend ausgestorbenen Schopfs. Denn in dieser Moorlandschaft nahe Gais stehen etliche dieser Ställe und Schuppen, wie überhaupt im Appenzellischen. Und wenn man als Kind schon immer die Neigung hatte, in diese Gebäude einzudringen und das Heu zu zählen, so bot sich hier eine wunderbare Gelegenheit.

«Klang Moor Schopfe» nennt sich das kleine Festival, das erstmals Anfang September stattfand und vielleicht, die Veranstalter wissen es noch nicht genau, eine Fortsetzung finden wird. Die neun Klangorte sind kaum einen halben Kilometer voneinander entfernt – und auch nach ergiebigen Niederschlägen bequem zu erreichen. Ein einheitlich kuratiertes Konzept ergab sich nicht, sollte sich wohl nicht ergeben, das Nebeneinander völlig verschiedener Konzepte war ebenso reizvoll wie lehrreich – zur Frage: Wie gehen denn nun die Künstler in die Schopfe?
 

Forschen, schiessen, bombardieren

Während die eine, die aus Sibirien stammende und in Genf lebende Olga Kokcharova mit Moosforschern durchs Moor zog und aus den Gesprächsausschnitten eine Rauminstallation schuf, hängte der Österreicher Rupert Huber seine Klänge und eine dazu gehörende, freilich sehr offene Partitur in eine Ecke und machte den Schopf zum kleinen Kunsttempel. Das eine lieferte Dokumentation, das andere Transformation, und beides führte hier etwas zu wenig weit.

Das interessantere Beispiel einer Dokumentation, ja fast Überdokumentation, boten die Berner Ethnologinnen und Ethnologen der Gruppe Norient mit einem Theatre of War, das sie ausgerechnet in einem Schiessstand einrichteten. Mit Kopfhörer und Fernrohr fühlte man sich lokalisiert, nur die Schusswaffen fehlten. Aber genau die wurden dann in den Beiträgen thematisiert, die da zu hören waren. Durch die Berichte von Künstlerinnen und Künstlern aus Kriegsgebieten in Israel, Palästina, Syrien und Serbien wurde ein Erfahrungsfeld aufgetan, just in dieser idyllischen Umgebung, in der halt auch geschossen wird.

Eine Transformation versuchten die beiden deutschen Künstler Albert Oehlen und Wolfgang Voigt, die einen aus Astfragmenten wieder zusammengebastelten Baum mit Lichtblitzen und herben Trommelschlägen bombardierten. Das war dann weniger nett und hehr und demonstrierte eine kaputte Natur. Kein Ort, an dem man gern lange verweilte – aber er blieb doch im Gedächtnis.
 

Ärgern, aufreiben, verblüffen

Jason Kahn wiederum, der in Zürich lebende US-amerikanische Musiker, erkundete die appenzellische Klanglandschaft und hängte seine auf Blättern notierten Klangeindrücke zusammen mit Gesangsfetzen in einen Stall. Man begegnete einem Städter, der sich nicht wohl in diese rustikale Landschaft einfindet, sich aber damit nicht freundlich abfindet, sondern seinen Ärger mitlieferte, etwa wenn das Geschmetter einer Kuhglocke den Tinnitus in seinem Kopf konkurrenziert.

So haben sich die meisten Künstler eben nicht mit dem hübschen Landschaftsarrangement beschäftigt, sondern sich daran gerieben und gekratzt. Auch einige Aktionen des Rahmenprogramms verdeutlichten das. So ein Schopf oder Stall, wo noch das Heu liegt und es ein wenig nach Kuh riecht, hat natürlich ein eigenes Cachet, wenngleich ich bei aller Klanginstalliererei doch einmal anfügen möchte, dass eigentlich jeder Raum eine besondere Wirkung hat, wenn man ihn ausstellt und mit Klang versieht. Deshalb wirkten denn auch der klingende und neonleuchtende blaue Quader von Norbert Möslang oder die Feinklang erzeugenden Wassermaschinchen von Svetlana Maraš. Solche Einfachheit – egal in welcher Umgebung – hat durchaus etwas Rätselhaftes, obwohl sie kaum zu überraschen vermag.
 

Berühren, schweben, juchzen

Zwei andere Räume verblüfften da eher. Die «Living Instruments» des Perkussionsensembles WeSpoke und der Biologengruppe Hackuarium bestehen eigentlich vor allem aus einem vermoosten Raum. Zwei der Moosflächen lassen sich berühren und betatschen streicheln und kratzen – wodurch elektronische Klänge ausgelöst werden. Man konnte sich im Spielen verlieren.

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Zimoun lässt den Schopf schweben

Mit solcher Vielfalt wurde man bei dieser Reise nach Gais gelohnt. Nur einer natürlich fehlt nun noch, der im Appenzellischen nicht fehlen darf. Sprengmeister Roman Signer lieferte diesmal nur «einen tiefen Ton», der freilich jedesmal auf einer anderen Tonhöhe daherkam, wenn er jeweils über den Bewegungsmelder ausgelöst wurde. Er dröhnte beim neunten Schopf wie aus dem letzten Rohr über die Landschaft und rief so nochmals die kleine Weite und die Einsamkeit ins Moor hinaus, einem Minimal-Juchzer aus der moorigen Unterwelt gleich.

Das Festival dauert noch bis am 10. September.
 

http://klangmoorschopfe.ch
 

Rihm vergibt Roche Young Commissions 2019

Marianna Liik und Josep Planells Schiaffino erhalten die Kompositionsaufträge der Roche Young Commissions 2019. Ausgewählt hat die beiden jungen Künstler Wolfgang Rihm, der künstlerische Leiter der Lucerne Festival Academy.

Marianna Liik und Planells Schiaffino (Bild: Nik Hunger)

Die 1992 geborene Estin Marianna Liik schloss 2017 das Masterstudium in Komposition an der Estonian Academy of Music and Theatre bei Helena Tulve and Margo Kõlar ab. Sie schrieb bereits Werke für Orchester und Ensembles wie dem Estonian National Symphony Orchestra und dem finnischen Uusinta Ensemble und konnte bereits bedeutende Auszeichnungen entgegennehmen.

Josep Planells Schiaffino, 1988 in Valencia geboren, studierte Komposition an der Berliner Hochschule für Musik «Hanns Eisler». Seine Werke wurden von diversen Formationen gespielt, darunter  Ensemble Modern, das Ensemble der Lucerne Festival Academy, das WDR Sinfonieorchester Köln und die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken. Planells Schiaffino wurde unter anderem bereits mit dem Hanns-Eisler-Interpretationspreis 2015 ausgezeichnet.

Seit 2003 werden im Rahmen der Roche Commissions Werke an weltweit renommierte Komponisten in Auftrag gegeben, mit den Roche Young Commissions wurde die Partnerschaft erweitert. Die Werke der Roche Commissions und der Roche Young Commissions werden jeweils alternierend alle zwei Jahre uraufgeführt. 2015 erhielten Lisa Streich und Matthew Kaner den Kompositionsauftrag der Roche Young Commissions 2017.

Immer mehr junges Publikum

Die öffentlich getragenen deutschen Theater und Orchester in der Saison 2015/2016 zählten rund 14’400 Aufführungen im Bereich Kinder- und Jugendtheater. Damit erreichten Orchester und Theater laut Deutscher Orchestervereinigung (DOV) fast drei Millionen junge Besucher.

Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Die Anstrengungen im Bereich Musikvermittlung und Theaterpädagogik hätten dazu beigetragen, dass der Trend so deutlich nach oben zeige, schreibt die DOV. Inzwischen gebe es an allen grossen Theatern und in vielen kleinen Häusern extra Stellen für Vermittler, die Besuchern sowohl Theater als auch Musik nahe brächten. Der hohe Zuspruch beim Publikum zeige, dass der eingeschlagene Weg richtig sei.

Auch die Saisonbilanzen der vergangenen Monate belegen laut DOV den Trend. Für die gerade zu Ende gegangene Saison hätten ungewöhnlich viele Theater und Orchester Rekordbilanzen vorgelegt. Im ganzen Land nehmen Kommunen auch viel Geld in die Hand, um ihre Theater zu sanieren oder sogar neue Gebäude und Konzertsäle zu bauen. Die Trendwende Klassik ist nach der Überzeugung des DOV-Geschäftsführers Gerald Mertens voll im Gang.
 

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