Musikgipfel in Berlin

«Die Einhaltung des Urheberrechts ist keine Behinderung von Wirtschaft. Es ist Wirtschaft.» So brachte es ein Musikschaffender auf den Punkt. – Beim Treffen von deutschen Politikern, Musikverbänden und Kreativen am 14. Juni ging es auch um Musik, obwohl die Zeichen im Bundestag auf Sturm standen.

Eröffnungsrede von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Foto: Tagesspiegel Verlag,Foto: Tagesspiegel Verlag,Foto: Tagesspiegel Verlag

Der erste «Musikgipfel» in der Redaktion des Berliner Tagesspiegels, ein Treffen von Vertretern der Musikwirtschaft und Politikern, war eine Positionsbestimmung. Verbände der Musikbranche, Kreative sowie Akteure aus der Politik diskutierten über die Zukunftsfähigkeit der Musikwirtschaft in Zeiten von Digitalisierung und Bürokratisierung. Urheberrecht und Musikförderung waren wichtige Themen. Einfache Antworten gab es nicht.

Werte statt Konsum

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Kulturstaatsministerin Monika Grütters

Gegen Degradierung der Musik als Handelsware wandte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters in ihrem Eröffnungsvortrag. Musik sei ein Kulturgut, Ausdruck von Kreativität und Mass für die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft. Sie betonte die Verantwortung der Kreativen und der ganzen Musikbranche, weil Musik einen gesellschaftlichen Wert habe, der über den Wirtschaftswert hinausgehe. Das Aus des Musikpreises «Echo» begrüsste sie in diesem Zusammenhang, denn das Klingeln der Kassen könne nicht Massstab von Preiswürdigkeit sein. Verrohung dürfe nicht salonfähig und schulhofkompatibel werden.

Die Ministerin sieht zudem die Gefahr des Zusammenschrumpfens der musikalischen Vielfalt auf gut konsumierbaren Mainstream. Untersuchungen zeigen, dass sich in Zeiten der Click-Kultur die Musik als solche verändert. Die ersten 30 Sekunden Abspielzeit zählen, deshalb setzen die Musiker die Catchy Bits noch vor den Refrain, lassen sich weniger Zeit, wagen weniger Experimente. In ihrem Haus seien Förderprogramme für Musikgenres aufgelegt, die sich der Logik der Click-Ökonomie entgegenstellten. Kreativität, Originalität und Vielfalt sollen Chancen auf dem Musikmarkt haben.

Monika Grütters betonte bezüglich Urheberrecht und IT-Plattformen, Interessenkonflikte zwischen Nutzern, Urhebern, IT-Branche und Musikindustrie seien normal und die Interessen innerhalb der Gruppen auch nicht homogen. Es gelte, Kompromisse zu finden. Ihr Standpunkt: Plattformen sollen nicht die Möglichkeiten haben, ihre Geschäftsmodelle auf Kosten der Kreativen durchzusetzen. Gleichzeitig wollen die Kreativen auf Plattformen als Vertriebsweg und Werkzeug der Öffentlichkeitsarbeit nicht verzichten. Man müsse regulieren ohne zu zerstören, und sei auf einem guten Weg.
 

Klare Forderungen von Seiten der Urheber

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Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium

Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, signalisierte Kompromissfähigkeit und betonte die Erfolge, die dank europäischem Urheberrecht für Rechteinhaber bereits erzielt worden seien. Gleichzeitig seien Präsenz und Verfügbarkeit von Musik enorm gewachsen. Fragen werfe weniger der rechtliche Rahmen auf als die Umsetzung. Wie die Regulierung in den Griff bekommen, damit die Urheber gerecht an der Wertschöpfung beteiligt werden? Ihr Standpunkt: Urheber stärken, Plattformen erhalten. Streaming sei mittlerweile das vorherrschende Medium des Musikkonsums, das gesamte Weltrepertoire an Musik sei verfügbar. Die Gema, Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, habe grosse Mehreinnahmen. Regulatorische Herausforderungen seien jedoch nicht Streaming-Anbieter wie Spotify, sondern Hybride wie Youtube, auf denen die Nutzer selbst Inhalte hochladen. Die Nutzer wollen auf diese Praxis nicht verzichten. Sollen die Plattformen urheberrechtlich für die Inhalte haften? Das würde zu ihrer Schliessung führen. Ein Weg seien Upload-Filter oder die Bereitstellung von Metadaten durch die Rechteinhaber, um Lizenzen zu prüfen. KMU und kleine Plattformen im europäischen Binnenmarkt sollten jedoch faire Chancen haben und von den hohen Lizenzgebühren ausgenommen werden – ein Weg, um Innovationen in Europa zu fördern.

In den anschliessenden Meinungsäusserungen von Betroffenen zur Regulierung von Online-Plattformen war der Tenor klar: Um das sogenannte Value Gap zu verhindern, dass also die Urheber in der musikalischen Wertschöpfung unverhältnismässig schlecht gestellt sind, braucht es europäische Regelungen. Florian Drücke, Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie e.V., wandte sich gegen Kompromisse beim Umgang mit Plattformen und forderte, die EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt als Hebel anzuwenden, um die Plattformen zur Lizenzierung zu verpflichten. Deutschland müsse sich für eine funktionierende Kultur- und Kreativwirtschaft positionieren! Er appellierte an die EU-Abgeordneten, im Sinne der Initiative «Make the Internet fair for Creators» zu entscheiden. Konkret müsse klargestellt werden, dass «User-uploaded-Content»-Plattformen wie Youtube «an der Vervielfältigung und Zugänglichmachung unserer Werke im urheberrechtlichen Sinne beteiligt sind». Deshalb sei dafür zu sorgen, dass Regelungen zum Haftungsausschluss («Safe Harbour») keine Anwendung auf solchen Plattformen fänden, da diese Regelungen für rein technische Vermittler gedacht seien.

Micki Meuser, Filmkomponist, Musikproduzent, Bassist, vom Berufsverband für Medienmusiker und Vorstandsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes, sprach klar aus dem Herzen der Urheber. Die Piraterie habe den Musikern die Existenzgrundlage geraubt. Weltweit mächtige Strukturen machten mit der Arbeit der Künstler Kasse. Die Künstler stellten Produkte her, der Ertrag lande in der IT. Er forderte vom europäischen Gesetzgeber, eine Pflicht zur Lizenzierung für jede Nutzungsart der Werke durchzusetzen. Auf den Vorschlag, KMU und Start-ups unter einer bestimmten Grösse von Lizenzzahlungen auszunehmen, antwortete er, es ginge nicht an, dass Komponistinnen und Künstlerinnen mit dem Verzicht auf ihre Vergütung Start-ups finanzierten. Die Förderung von Start-ups sei Sache des Staates und nicht der Kreativen! Die Forderung nach Einhaltung des Urheberrechts sei keine Behinderung von Wirtschaft. Es sei Wirtschaft!
 

Vielfältige Nachfrage nach Förderung

Auch hinsichtlich der Musikförderung wurden viele Wünsche an die Politik geäussert, beginnend bei der Stärkung des Musikunterrichts einschliesslich aktivem Musizieren in vorschulischen und schulischen Einrichtungen (vier Wochenstunden), die Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg und Vizepräsident des Deutschen Musikrates e.V., vortrug, bis zur Forderung von Zuschüssen für Konzertreisen ins Ausland.

Konsens herrschte bezüglich der Feststellung, dass Kunst nur frei sein kann, wenn Künstler und Künstlerinnen in der Lage sind, von ihrer Arbeit zu leben.

Das Stichwort Künstlergrundeinkommen fiel, wurde jedoch nicht diskutiert. Musiker und Musikerinnen müssen befähigt werden, administrativ und wirtschaftlich zu denken, das soll Teil ihrer Ausbildung werden. Es könne nicht angehen, dass die musikalischen Ausbildungsinstitute ihre Kohorten geschlossen in die Altersarmut führten. Weitere Forderungen: Entwicklung passgenauer Förderinstrumente für Selbständige und KMU auf Länderebene in Ergänzung zu den Förderungen des Bundes; Förderung der Club-Landschaft durch Ausbau von Programmen auch im ländlichen Raum; Zuschüsse zur Förderung von Mobilität und Internationalisierung, um neue Märkte zu erschliessen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit auszubauen; Kulturraumschutz bezüglich Lärmemissionen nach dem Prinzip, dass heranrückende Neubebauung selbst für den Lärmschutz sorgen müsse; Auf- und Ausbau von Programmen zur Förderung von Technologie- und Digitalkompetenzen; Würdigung der Bedeutung von Musiktechnologie-Innovationen; Livemusik und Clubleben sollen Teil der Stadtentwicklungspolitik werden.

Deutlich wurde, dass die föderale Struktur der Bundesrepublik zwar viele Förderinstrumente bereithält, jedoch zu Kompetenzgerangel und Unübersichtlichkeit bei Programmen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene führt.

Vertreterinnen und Vertreter von 15 Verbänden waren zu diesem Musikgipfel gekommen und trugen ihren Forderungskatalog zusammen. Die Expertinnen aus der Politik waren jedoch, wenn überhaupt, so nur als Rednerinnen anwesend, nicht als Zuhörerinnen. Im Bundestag sei die CSU dabei, das Land zu chaotisieren, sagte die Bundestagsabgeordnete Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, im Davoneilen. Die Politikerinnen kehrten mit schlimmen Befürchtungen vom Musikgipfel in den Bundestag zurück. Das zeigt, wie fragil in der Gegenwart Absprachen und Rahmenbedingungen doch sind. Das politische Manöver eines Ministers kann die Stabilität in Deutschland und in der EU gefährden, über die Folgen möchte man gar nicht nachdenken.

Dennoch war die Gewissheit über die Zukunftsfähigkeit der Musikwirtschaft am Ende des Tages um einen Punkt höher geklettert, als am Anfang. Daran zeigte sich: Musiker sind wahre Optimisten.
 

Die Schweizer Wurzeln von Lesothos Nationalhymne

Dass die Landeshymne von Lesotho Wurzeln in Basel hat, ist hier wie dort kaum bekannt. Musikwissenschaftler der Universität Basel sind nun der überraschenden Geschichte dieses alten Lieds im südlichen Afrika nachgegangen.

(Bild: Uni Basel, Musikwissenschaft),SMPV

Die heutige Nationalhymne Lesothos basiert auf einer Tonfolge, die der Basler Musiklehrer Ferdinand Samuel Laur (1791–1854) vor fast 200 Jahren in Basel aufgeschrieben hat. Es ist eine Allerweltsmelodie, wie sie der Chordirigent damals zu Dutzenden produzierte: eingängig und triumphal, aber auch harmlos und austauschbar. Als Schul-, Trink- und Vaterlandslied mit wechselnden Texten verbreitete sich das Lied zunächst in der Schweiz, dann in Frankreich.

Wie aus diesem gewöhnlichen Stück Musik viel später ein wichtiges Stück nationaler Identität werden konnte, interessiert Matthias Schmidt, Leiter des Fachbereichs Musikwissenschaft, und seinen Assistent Andreas Baumgartner. Sie recherchierten in Archiven Lesothos und dokumentierten, wie einheimische Chöre verschiedene Versionen des Laur’schen Musikstücks sangen. «Die Intensität des Gesangs war eindrücklich, denn Musik ist im Alltag Lesothos noch heute sehr präsent», fassen die Forscher ihre Eindrücke zusammen.

Mehr Infos (mit Videos): 
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Lesothos-Nationalhymne-wurde-in-Basel-komponiert.html

Auf dem Bild zu sehen sind die Basler Musikwissenschaftler Matthias Schmidt und Andreas Baumgartner (aussen) mit dem lesothischen Chor «Black is Beautiful» (Lehlonolo Kele, Lebohang Ntloi, Katleho Tlali, Mathebe Kopo sowie Alain Amstutz vom Swiss TPH).

Ein Wohnheim für Musikstudierende

Die Luzern erhält an der Reuss ein auf Studierende der Hochschule – Musik ausgerichtetes Wohn- und Arbeitshaus. Errichtet wird es als temporärer Holzbau vom Musiker Urban Frye.

Visualisierung des Holzbaus (Bild: Igor von Moos)

Der Bau wird als «Music-Box» in Zentrumsnähe, an der Sankt-Karli-Strasse direkt an der Reuss, errichtet. Der Kanton hatte das Grundstück für die Realisierung des damals geplanten Projektes «Spange Nord» erworben, sich aber dagegen entschieden und das Grundstück vor 15 Jahren an Urban Frye verkauft. Dieser wollte ein Wohnhaus für junge Familien errichten, musste seine Pläne aber aufgeben, da der Kanton nun doch eine vierspurige Autobahnbrücke über die Reuss direkt über das Grundstück bauen will. Frühester Baubeginn der Brücke ist 2032.

Frye plante deshalb um und erstellt jetzt einen temporären Holzbau für junge Musikstudierende. Der fünfstöckige Holzbau wird über 23 Studio-Appartements mit eigener Küche und Nasszelle verfügen – fünf davon speziell für Behinderte ausgestattet. Die Mietkosten werden zwischen 750 und 850 Franken liegen und beinhalten die Nutzung der Gemeinschafts- und Proberäume, die Platz bieten für Kammermusikformationen und Jazz-Combos, sowie für das gesamte technische Equipment.

Ein Proberaum und die Eingangslobby werden mit einem Konzertflügel ausgestattet. Ebenfalls werden den Studierenden eine kleine mobile Bühne, ein Drum-Set, Gitarren- und Bassver-stärker sowie eine kleine Gesangsanlage zur Verfügung stehen. Der grosse Proberaum bietet auch die Möglichkeit zu Tonaufnahmen. Das gesamte Gebäude wird behindertengerecht ausgebaut und verfügt über ein leistungsfähiges W-LAN, und die einzelnen Wohneinheiten erhalten zusätzlich einen eigenen Internet-Anschluss.

Stiftung Mozarteum erwirbt Mozart-Brief

Die Stiftung Mozarteum Salzburg hat dank der Unterstützung einer Mäzenin einen bedeutenden Brief Mozarts aus dem Jahr 1791 an seinen Freund Anton Stoll erworben. Er wird in die Sammlung von Original-Autographen der Stiftung Mozarteum, die Bibliotheca Mozartiana, aufgenommen.

Rückseite des Briefes (Foto: Stiftung Mozarteum),SMPV

Im Brief mit Datum vom 12. Juli 1791 bittet Mozart den befreundeten Chorregenten Anton Stoll, ihm die Noten zu zwei Werken zu schicken, die man zuvor gemeinsam in Baden in der Kirche aufgeführt hatte. Dabei machte er sich grosse Mühe, das Anliegen in ein typisch mozartsches Geflecht von Scherzen einzubetten.

Mozart hatte gemeinsam mit Stoll am 10. Juli 1791 in Baden eine seiner Messen aufgeführt (vermutlich die Messe KV 275). Seine Originalpartitur überliess Mozart dem Freund, bat ihn mit diesem Brief jedoch um die Zusendung der eigens angefertigten Stimmen, damit er das Werk auch in Wien aufführen konnte. Dass Mozart ausserdem in seinem letzten Lebensjahr auch noch ein Werk Michael Haydns aufführte, belegt dessen anhaltende Wertschätzung für seinen ehemaligen Salzburger Kollegen.

Auf der zweiten Seite befindet sich ein Schreiben von Mozarts Schüler und Assistenten Franz Xaver Süssmayr, in dem es ebenfalls um die Rücksendung der genannten Noten geht. Allerdings hat auch diesen Text Mozart selber geschrieben und dabei Sussmayers Schrift nachgeahmt.

Die Stiftung Mozarteum macht ihre historischen Bestände sukzessive online frei zugänglich. Auch der neu erworbene Brief wird über die Webseite Bibliotheca Mozartiana digital online verfügbar sein (http://digibib.mozarteum.at).

 

Synapse HKB

Was haben eine App zur Erkundung von Kunst im öffentlichen Raum, ein dörfliches Treibhaus für Ausstellungen, ein Tischlein-deck-dich-Event oder ein Partiturservice gemein?

Graziella Contratto — Abgesehen von der Originalität der künstlerischen Idee verbindet sie alle das empathische Anliegen der Hochschule der Künste Bern, zwischen «Kunst» und «Gesellschaft» eine Brücke zu schlagen. Die Vielfalt der vermittlerischen, interkulturellen Konzepte, Projekte und Aktionen an der HKB ist nun auf einer eigens entwickelten Website zu erleben. Ein wichtiges Detail: Viele der Projekte haben Studierende der Hochschule konzipiert und gestaltet. Als zukünftige Kunstschaffende haben sie damit die an der HKB besonders geförderte Haltung verinnerlicht, den disziplinären persönlichen Lernraum immer wieder zu verlassen, um auf die gesellschaftlichen Bedingungen unserer Zeit «synaptisch» zu reagieren. Begleitet und unterstützt werden sie dabei von renommierten Vermittlerinnen und Vermittlern aus allen Kunstrichtungen.

Als Kunsthochschule fördert die HKB nämlich hierbei auch den Austausch zwischen den eigenen Fachbereichen wie Literatur, Musik, Gestaltung und Kunst, Theater, Oper, Forschung und Konservierung oder der Weiterbildung: Das weite Feld der Vermittlung eröffnet allen Beteiligten eine neue, da transdisziplinäre Sicht auf das eigene Tun, das «Werk» und auf sich selbst. Die Website will aber noch mehr: Nebst Informationen in Text, Bild, Film und Ton zu den einzelnen Projekten bietet sie interessierten Personen, Institutionen oder Gremien aus Politik, Kultur und Wirtschaft die Gelegenheit, mit der Hochschule in Kontakt zu treten, um spezifische Projekte wiederaufzunehmen, in einer neuen Umgebung weiterzuentwickeln und damit noch mehr in die «Welt da draussen» einzuführen. Kunst an der HKB genügt sich nicht selbst. Die Studierenden und Dozierenden wollen andere erreichen, Fragen stellen und sich selbst dabei immer auch in Frage gestellt sehen.

 

> www.synapse-hkb.ch

 

Gespräch mit zwei jungen VermittlerInnen aus der HKB

 

Arion Rudari, Sie sind ein klassisch ausgebildeter Bariton mit einem HKB-Masterabschluss. Was hat Sie dazu inspiriert, im spezialisierten Zweitmaster Musikvermittlung zu wählen?

Zuerst, fernab von der Musikvermittlung, merkte ich, dass ich noch nicht «ready» bin/war auf einem vokalen Level und mir da noch Zeit nehmen wollte, ein besserer Sänger zu werden. Zeitgleich merkte ich auch, dass ich neue Formen von Aufführungen entdecken wollte: eigene Konzepte kreieren und ausprobieren, mehr Kontakt zu meinem Publikum suchen und die klassische Musik auch mal wieder Unterhaltung werden zu lassen.

Was erwartet Sie Ihrer Meinung nach im Studium? Wie werden Sie sich selbst als performender Sänger entwickeln?

Nach einem Jahr kann ich sagen, dass ich vokal tatsächlich die erwünschten Fortschritte machen konnte und auch noch dran bin. Dazu erwünschte ich mir eine Erweiterung meines Repertoires in allen Sparten: Oper, Lied, Oratorium, Standard, Nische, Zeitgenössisch… alles hat(te) seinen Platz. In meinem Master in Specialized Music Performance «Vermittlung» lassen sich meine beiden Schwerpunkte, der Gesang und die Entwicklung von professionellen vermittlerischen Kompetenzen, komplementär miteinander verbinden. Innerhalb eines Jahres durfte ich an einer zeitgenössischen Oper teilnehmen, im Zentrum Paul Klee eine selbst konzipierte Vermittlungs-Musik-Performance aufführen und sogar Teile von Mahlers Wunderhornzyklus aufführen so wie aufnehmen – eine für mich ideale und überraschend gut funktionierende Vielfalt.

In welcher Richtung sehen Sie für sich persönlich besonders relevante Aufgaben einer Vermittlung?

Als Opernfan vor allem in der Oper, dass wenige Leute zu viel zu sagen haben am Schlussprodukt einer Opernproduktion. Dementsprechend versuche ich mich gerade an Projekten, welche a) die Inszenierung zurück in die Hände aller Beteiligten gibt, b) dabei auch Laien und Amateure auf die Bühne bringen und somit ein Zusammenspiel von Profis und Amateuren verlangen und c) wieder mehr in die Richtung Unterhaltung bringen. Unterhaltung, Intellekt und Kunst schliessen sich meiner Meinung nach nämlich nicht aus.

Wo möchten oder könnten Sie wohl in 10 Jahren arbeiten?

Die Frage, welche man ein Jahr vor dem Studienende am liebsten beantwortet. Ich träume davon, was ich bereits tue, nur will ich bis da- hin ein noch professionelleres Niveau erreichen: einerseits ein erfolgreicher Konzert- und Liedsänger sein und andererseits mit Laien und Profis zusammen Opern singen und inszenieren, quasi eine eigene Form von Opernstudio gründen. Zum Beispiel zusammen mit Friseuren Mozarts Figaro gestalten oder mal mit Süch-tigen einen Don Giovanni auf die Beine stellen. Quasi «Oper für wirk-lich Alle».

Salome Böni, Sie sind Flötistin und eine der ersten Alumnae des Master Specialized Performance «Musikvermittlung» Studiengangs an der HKB. Wie gestalten sich Ihre musikalischen Tätigkeiten im Moment?

Nach dem Studienende im letzten Sommer hatte ich das Glück, kopfüber in die Arbeitswelt eintauchen zu können. Ich unterrichte mit viel Herzblut eine Flötenklasse an der Musikschule Oberemmental und arbeite seit März 2018 bei Konzert Theater Bern in der Musikvermittlung. Daneben liegt mir die Weiterentwicklung unseres musikalischen Generationenprojektes «Silberwellen» wie auch meine persönliche Entwicklung als Flötistin am Herzen.

Sie hatten als eines Ihrer Studien-projekte mit grossem Erfolg das mit dem Silberbär ausgezeichnete SeniorInnenprojekt «Silberwellen» realisiert. Konnten Sie basierend aus diesem Vermittlungs- und Business-Modell weitere Projekte entwickeln?

Mein Kopf ist voller Ideen: Nach der Wiederaufnahme der «Silberwellen» im Berner Oberland folgen nun weitere Aufführungen dieses mobilen interkulturellen Seniorenprojekts an anderen Orten. Das erfolgreiche Konzept, ältere Menschen zusammen mit Klassikstudierenden in einem künstlerischen Vermittlungsprojekt auftreten zu lassen, hat alle Teilnehmenden sehr berührt, mich eingeschlossen. Des Weiteren fasziniert mich das Thema «Tod». Durch die persönliche Begegnung mit einem sterbenden Menschen, der mich gebeten hat, für ihn zu spielen, habe ich gemerkt, wie tröstend es sein kann, jemandem mit Musik zu geben, was mit Worten nicht mehr möglich ist. Die Idee «Sterbebe- gleitung mit Musik» möchte ich bald angehen.

Wie nehmen Sie als professionelle Vermittlerin heute die gesellschaft-liche Relevanz von Musik wahr? Was ist Ihre persönliche Position?

Heute ist Musik dank der technischen Möglichkeiten jederzeit und überall verfügbar – die Auswahl an Musikstilen und verschiedenen Interpretationen ist riesig. Der Gang in den Konzertsaal oder das Radioprogramm zuhause sind keine Voraussetzung mehr fürs Musikhören. Als Musikvermittlerin und Flötistin interessiert mich die Frage, wie man zusätzlich zum Live-Erlebnis im Konzert etwas bieten kann, das sich klar vom Angebot im Internet abhebt. Besonders wichtig scheint mir das Experimentieren mit dem Rahmen, in dem Musik präsentiert wird: Die Musik sollte noch öfters aus dem Konzertsaal ausbrechen und an ungewohnten Orten stattfinden. Damit fällt für viele Menschen eine grosse Hemmschwelle weg und die Begegnung mit der Musik wird spontaner, persönlicher und natürlicher.

 

Links

> www.synapse-hkb.ch/silberwellen/

> www.fluchtgespräche.ch

> www.felicitaserb.ch

> www.alejandra-martin.ch/vermittlerin

> www.karenbrubaker.com

Luzerner Kulturpreis geht an Urban Mäder

Der Luzerner Stadtrat würdigt das Schaffen des Musikers Urban Mäder mit seinem mit 25’000 Franken dotierten Kunst- und Kulturpreis 2018. Die zwei Anerkennungspreise 2018 gehen an die Künstlerin Catherine Huth und an den Musiker Martin Gössi.

Urban Mäder. Foto: zVg/www.urbanmaeder.ch

Urban Mäder engagiert sich seit Jahrzehnten für die ganze Breite der neuen und experimentellen Musik. Er lotet dabei Grenzen von Klang, Sound, Rhythmus und Räumen aus und denkt kritisch über gesellschaftliche Kontexte nach. Als «hervorragender Vermittler und gefragter Pädagoge» verstehe er es, Studierenden sowie erfahrenen Musikern und Musikerinnen musikalische, literarische und künstlerische Welten zu öffnen, schreibt die Stadt.

Urban Mäder ist Mitbegründer und Präsident des «Forum Neue Musik Luzern» sowie national und international sehr gut vernetzt und immer wieder gefragt bei der Erarbeitung von neuen Kompositionen und Konzepten. Er lebt mit seiner Familie in der Stadt Luzern.

Martin Gössi steht laut der Mitteilung der Stadt stellvertretend für die Luzerner Subkultur und die dazugehörigen Institutionen und Projekte. Er war Abwart des städtischen Musikzentrums Sedel und ist Sänger der Moped Lads, aber auch Grafiker, Plakatgestalter und Illustrator. Als Veranstalter hole er immer wieder Legenden des Punks für ein Konzert in den Sedel. Der Anerkennungspreis ist mit 10’000 Franken dotiert.

Orchester vom See verpflichtet Raphael Honegger

Das 2011 von Ulrich Stüssi in der Region Zürichsee gegründete und bisher geleitete Orchester vom See hat mit Raphael Maximilian Honegger einen neuen Dirigenten. Das Sinfonieorchester umfasst rund fünfzig Berufsmusiker und einige Studierende.

Der mehrfach ausgezeichnete Raphael Honegger absolvierte ein Studium in Orchesterleitung an der ZHdK bei Johannes Schlaefli und ein Physikstudium an der ETH Zürich.

Das Orchester vom See bildet für junge Berufsmusiker und Musikstudenten eine Brücke vom Musikstudium hin zur Mitgliedschaft bei einem der grossen Orchester (unter anderem Tonhalle Zürich, Philharmonia Zürich, Shanghai Symphony Orchestra und Melbourne Symphony Orchestra) oder zu einer Solistenkarriere. Es bringt anspruchsvolle Werke aus Barock, Klassik, Romantik und Moderne sowie des Wädenswiler Organisten Fritz Stüssi (1874 – 1923) zur Aufführung.

Junge Berufsmusiker oder Musikstudenten unter 30 Jahren, mindestens mit Bachelor-Abschluss, die im Orchester vom See ab dem Novemberprojekt 2018 mitspielen möchten, können sich bis 5. Juli 2018 mit ausführlichem CV per Mail bewerben:  us@orchestervomsee.ch
Nachtrag 13. September 2023: Das Orchester heisst inzwischen Zürcher Kammerphilharmonie: https://www.zuercherkammerphilharmonie.ch/orchester

Geleitet wird es von Dominic Limburg.

Kanton Luzern fördert Produktionen

Die Fachjurys der selektiven Produktionsförderung des Kantons Luzern haben in der ersten Ausschreibungsrunde in den Sparten Musik und Theater/Tanz sechs Ausgezeichnete erkoren. Die zweite Ausschreibungsrunde 2018 erfolgt auch in der Sparte Musik.

Hanreti (Foto: Christian Felber)

In der Sparte Musik gingen 17 Bewerbungen ein. Gefördert werden: Kali (Urs Müller, Raphael Loher, Nicolas Stocker, Album 2019 und Releasetour, 20’000 Franken), Hanreti (Timo Keller, Rees Coray, Mario Hänni, Jeremy Sigrist, Album «Heading your Way» und Showcases, 20’000 Franken) sowie Fischermanns Orchestra von Thomas Reist und Simon Petermann (CD-Produktion, Film und Tournee, 20’000 Franken).

Kürzungen in der Kulturförderung 2018 können laut dem Kanton dank einer Übergangslösung mit Mitteln aus den Erträgen der Zusatzlotterie und einmaligen Zuwendungen des «Vereins zur Förderung der Freien Kulturszene Luzern (FFK)» aufgefangen werden. Dies ermöglicht eine zweite Ausschreibungsrunde des Jahres 2018 in den Sparten Musik, Theater/Tanz sowie für Werkbeiträge der Freien Kunst und der Angewandten Kunst: Illustration und Animation.

Die Beiträge der Ausschreibung Musik können an Veröffentlichungen ab Januar 2019 sowie den damit verbundenen Aufwänden für Promotion und Distribution vergeben werden. Total steht dafür eine Summe von 60’000 Franken zur Verfügung.

 

Anmeldefrist für Live-Auftritte läuft

Die Fondation Suisa und Pro Helvetia organisieren an der Internationalen Kulturbörse Freiburg einen Gemeinschaftsstand. Künstlerinnen und Künstler können sich bis am 30. Juni bewerben.

olga meier-sander / pixelio.de,SMPV

Seit über dreissig Jahren basiert die Internationale Kulturbörse in Freiburg auf einer einfachen Idee: «Wir laden Veranstalter, Produzenten und Eventfachleute nach Freiburg ein und geben ihnen dort die Möglichkeit, an wenigen Tagen in konzentrierter Form sehr viele unterschiedliche Produktionen und Künstler live ansehen zu können. Parallel dazu ermöglichen wir Künstlern, oder den sie vertretenden Agenturen, sich unabhängig von einem Liveauftritt über einen Stand in der Messehalle dem Fachpublikum zu präsentieren und ihre Arbeit vorzustellen.» (Quelle: www.kulturboerse-freiburg.de, abgerufen am 11.6.2018).

Die nächste Kulturbörse findet vom 20. bis 23. Januar in Freiburg im Breisgau statt. Bewerben können sich Performance-Künstlerinnen und -Künstler für Live-Auftritte (Theater, Varieté, Kabarett, Jazz, Pop&Rock, Weltmusik, Tanz) sowie Agenturen, Dienstleister, Verbände und Fachmedien für die Fachmesse. Diese wird abgerundet durch ein Rahmenangebot mit Sonderausstellungen und Informationsveranstaltungen.
Die Fondation Suisa und Pro Helvetia laden Schweizer Akteure ein, sich am Schweizer Gemeinschaftsstand zu präsentieren. Die Standkosten werden übernommen. Anmeldeschluss ist am 30. Juni.

Weitere Informationen und Link zur Anmeldung:
www.fondation-suisa.ch/de/messen-events-im-ausland/internationale-kulturboerse-freiburg-ikf
 

Die Arbeit in den musikermedizinischen Sprechstunden

Beschwerden, die beim Musizieren auftreten, müssen präzis und strukturiert abgeklärt werden. Die SMM vermittelt regionale Fachpersonen.

Peter Schönenberger — «Vor die Therapie hat Gott die Diagnose gestellt». Diesen Satz hört so manche Medizinstudentin von ihren Ausbildern, wenn sie sich zu einem Symptom gleich eine Behandlung ausdenken will. Auch unsere Beratungsstelle hat gelegentlich auf Anfragen zu antworten, die direkt nach einer bestimmten Behandlungstechnik fragen, ohne dass eine Vorabklärung stattgefunden hätte. Etwa im Sinne von «Ich leide unter Schmerzen; können Sie mir einen Handchirurgen empfehlen». Die Sache wird durch die Tatsache, dass auch viele Diagnosen unpräzise oder unzutreffend sind, nicht erleichtert. Begriffe wie Rheuma, Burnout und Sehnenscheidenentzündung gehören dazu.

Grundsätzlich folgen auch die musikermedizinischen Abklärungen den gleichen Prinzipien wie alle schulmedizinischen Abklärungen. Vorinformationen werden gesammelt. In Kenntnis allfälliger weiterer Krankheiten werden die Beschwerden, die für das Muszieren relevant sind, gezielt erfragt. Informationen zum Umfeld sind sowohl für die Suche nach den Ursachen wie auch für die Planung der Therapien von Bedeutung. Die körperliche Untersuchung erhebt einerseits allgemeine Befunde, beurteilt – bei den häufigen Beschwerden am Bewegungsapparat – zwingend Haltung und Funktion am Instrument. Die Abklärung kann in einer musikermedizinischen Praxis, einer entsprechenden Hochschulanlaufstelle stattfinden und durch eine interdisziplinäre Beurteilung ergänzt werden.

Das Beispiel einer jungen Althornistin soll das Gesagte illustrieren. Aus didaktischen Gründen deckt sich die Beschreibung der Problematik nicht exakt mit der effektiven Krankheitsgeschichte. Die Musikerin besucht eine Mittelschule und spielt seit sie acht Jahre alt ist Althorn, aktuell in zwei Formationen. Im Anschluss an eine Fraktur eines Handwurzelknochens der linken Hand als Fünfzehnjährige bleiben Schmerzen im linken Handgelenk zurück. Später kommen Schmerzen im rechten Handgelenk hinzu. Sie ist Rechtshänderin und muss in der Schule viel von Hand schreiben. Weder nach der Ruhigstellung im Gips vor drei Jahren, noch später hat jemals eine physio- oder ergotherapeutische Behandlung stattgefunden. Die Handgelenkschmerzen werden nach einer Stunde Musizieren stark und zwingen zu wechselnden Stützpositionen der linken Hand (Fotos). Rechts treten sie auch beim Schreiben auf. Von allen Handaktivitäten im Schulsport ist die junge Frau dispensiert.

Die Musikerin wird in der Sprechstunde der Berner Fachgruppe für Musikergesundheit vorgestellt. Auf Grund der im MRI nachgewiesenen Hinweise für eine Handgelenkarthritis wird eine rheumatologische Beurteilung angemeldet. Glücklicherweise kann eine entzündlich-rheumatologische Erkrankung ausgeschlossen werden. Allerdings liegt eine deutliche allgemeine Überbeweglichkeit der Gelenke vor, die für die Reizung der Handgelenke verantwortlich ist. Durch den fehlenden Muskelaufbau nach dem Unfall, die lockeren Gelenke und das freihändige Halten des knapp zwei Kilogramm schweren Instrumentes verspannten sich die Muskeln von der Hand bis zu den Schulterblättern und erzeugten bis in die Hände ausstrahlende Schmerzen (Triggerpunkt-Schmerzaussstrahlung).

In mehreren ergotherapeutischen und physiotherapeutischen Sitzungen, die in der Region der Musikerin stattfinden, kann die schmerzverursachende Unterarmmuskulatur entspannt und gekräftigt werden. Neben dynamischer Stabilisierung der laxen Gelenke durch Tapes erhält die junge Musikerin auch Anweisungen zur Pausengestaltung während des individuellen Übens. Mit der Zeit kann sie länger schmerzarm spielen. Die partielle Dispensation vom Schulsport kann bald gelockert werden.

Dr. med. Peter Schönenberger

… ist Facharzt FMH für Allgemeine Innere und Arbeitsmedizin und Vizepräsident SMM.

Auf der Insel aus Schokobäumen

«Kopfüber», das am 1. Juni Premiere feierte, war bereits die dritte Produktion für Kinder von tanz&kunst Königsfelden. Das Konzept der alle zwei Jahre stattfindenden Aufführungen ist vergleichbar, das Resultat immer wieder zum Staunen und Freuen.

Foto: Alex Spichale

Sie sind aufwendig, die Projekte von Brigitta Luisa Merki, der künstlerischen Leiterin von tanz&kunst Königsfelden, denn sie fördern und fordern alle Sinne der Beteiligten auf der Bühne und des Publikums in der Klosterkirche Königsfelden Windisch. Für die diesjährige 70-minütige Aufführung brauchte es ein Bühnenbild, eine Choreografie, Lichtdesign, Musik und Texte: Alles wurde von Schülerinnen und Schülern unter kundiger Betreuung von professionellen Künstlerinnen und Künstlern erarbeitet und bis zur Aufführungsreife geprobt.

Diesmal kamen drei 5. Klassen der Primarschule Angelrain Lenzburg in den Genuss. Vor zwei Jahren waren auch Schulabgänger mit dabei gewesen, Kinder und junge Erwachsene begegneten sich. Diesmal waren ausschliesslich Elf- bis Zwölfjährige am Werk, die mit Lust und Eifer, noch ohne pubertäre Hemmschwellen, locker und doch hochkonzentriert agierten. Ob all der choreografischen Dichte wurde einem erst bei dem aus 72 Kinderkehlen gesungenen Lied Thereʼs a Place I found bewusst, wie jung diese noch sind.

Im Dezember 2017 war der Startschuss zum Projekt, das in den regulären Schulalltag integriert wurde. An den Aufführungen erlebte man dann ein wahres Märchenland: Videoprojektionen, basierend auf mit den Kindern erarbeiteten Zeichnungen und Collagen, evozierten eine zauberische Welt. Die live gespielte Musik ging individuell und mit Lust auf den zeitgenössischen Tanz und den Hip-Hop ein, der von verschiedenen Gruppen im Wechsel oder gar in kleinen Soloauftritten mit erstaunlicher Sicherheit vorgeführt wurde.

Bedenkenswert ist eines der Ziele, die Merki mit ihren Projekten verfolgt: «Mich interessiert, dass die Kinder mit Künstlern zu tun haben, Menschen, die ein anderes Leben führen, anders funktionieren.» Es geht also nicht «nur» um die Förderung der kindlichen Kreativität, sondern um das Verständnis für andere Lebensweisen, die sich schöpferischen Prozessen verschrieben haben.
 

Träumerisch-tänzerische Bilder

Die Kinder näherten sich tanzenderweise, rezitierend oder singend und spielend den «Kopfüberlandschaften». Zu Beginn blähte sich ein weisses federleichtes Tuch am Boden, unter dem sich vier Mädchen versteckten, um dann durch Öffnungen wie Nymphen zu erscheinen. Es herrschte spürbare Eiszeit, die Spielfläche ganz in Blau getaucht, die sphärische Musik des Komponisten Christoph Huber (Sax, Klavier, Effekte), der Sängerin und Cellistin Corinne Huber sowie des Perkussionisten Julian Häusermann unterstrich das Szenario. Für die Kinder hiess dies zuerst mal Bewegungen in Zeitlupe.

Videointermezzi (Visuelle Kunst: Eliane Zgraggen, Karl Egli, Doris Haller, Regina Bänziger) und Hip-Hop-Interventionen (Einstudierung: Patrick Grigo) brachten das Eis dann schnell zum Schmelzen. «Kopfüberland» war erreicht, wo Tanzszenen, Turnakrobatik (Zeitgenössischer Tanz: Teresa Rotemberg, Lucia Baumgartner) oder – besonders berührend – eine musikalische Sequenz das Publikum erfreuten. Kinder sassen auf Hockern und erzeugten mit Ukulelen einen Soundteppich für den groovenden Christoph Huber am Sax. Die Aufführung wirkte leicht und luftig, am Kirchenhimmel hingen von den Kindern bemalte Bäume.

«Das Kopfüberland ist eine Insel aus Schokobäumen, die Menschen essen Wolkenwatte und Sonnenstrahlen, und sie trinken den Mondschein.» So poetisch definierte eines der Kinder den verwunschenen Ort in der Klosterkirche. Für ein anderes ist die Kopfüberwelt «eine Chill-Insel, die Einwohner sind chillig, ihre Sprache ist chillig, es wird auf Wolken gechillt». Diese witzigen Texte hat der Schriftsteller Andreas Neeser in einer Werkstatt im Literaturhaus Lenzburg mit den Kindern erarbeitet.

Merki legte die Aufführung im Sinne eines Steigerungslaufs an, sodass erst zum Schluss alle gemeinsam auf der Bühne standen. Über den Prozess des Erarbeitens merkt sie an: «Ich betreue und beobachte die Jugendlichen in allen Workshops und erarbeite während dieser Zeit das dramaturgische Konzept. Ich kreiere tänzerische Bilder, in denen die einstudierten Tanzvariationen sowie die gestalterischen Elemente der Jugendlichen einbezogen werden. Gleichzeitig entsteht während dieser Zeit die musikalische Komposition.»

Kopfüber funktioniert als Teamwork, bei dem alle ihre Wertschätzung und Funktion erhalten. Gerade bei Fünftklässlern, wo das intellektuelle und kreative Niveau noch sehr heterogen ist, ist das gleichermassen eine Herausforderung wie es allen die Freude über das Erreichte bringt. Aufeinander hören und schauen ist dabei Pflicht für die Kids, die dies gut umsetzten. Und auch als Publikum fühlte man sich wie in einem Sommernachtstraum, wo manches kopfüber geriet!
 

50 000 Franken für Klubs mit Livemusik

Das Migros-Kulturprozent und die Fondation Suisa schreiben zum zweiten Mal die Musikklub-Förderung «Cheers!» aus. Sie ist mit 50 000 Franken dotiert und hat zum Ziel, Schweizer Livemusik-Klubs zu stärken, ihnen finanziellen Rückhalt zu geben und zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Foto: Annatamila/fotolia.de,SMPV

Ohne Klubs keine Musikszene: Ein qualitativ hochwertiges, innovatives und ambitioniertes Livemusik-Programm ist ausschlaggebend für die künstlerische Entwicklung und das Repertoire von Musikerinnen und Musikern. Klubs mit Livemusik ermöglichen die Begegnung sowie den direkten Austausch mit dem Publikum und übernehmen dadurch eine wichtige soziokulturelle Funktion. Jedoch müssen gerade Klubs, die mit Nachwuchskünstlern arbeiten, wegen Lärmklagen, hoher Auflagen der Behörden und kommerzieller Mitbewerber ohne Liveprogramm zunehmend ums Überleben kämpfen. «Cheers!» unterstützt die Livemusik-Klubs einerseits finanziell, andererseits verhilft die Auszeichnung zu mehr Aufmerksamkeit für die Belange der Klubs in den Gemeinden und Kantonen. Im Fokus der Förderung stehen Musikclubs mit einem kulturell herausragenden Livemusik-Programm und einem hohen Anteil an nationalen Bands und Nachwuchskünstlern. Die hohe Resonanz auf die erstmalige Ausschreibung im letzten Jahr, 63 Schweizer Klubs nahmen teil, unterstreicht die Relevanz des Fördergefässes.

Bewerben können sich Schweizer Klubs in zwei Kategorien (kleine bis 400 und mittelgrosse bis 1200 Besucher), die während mindestens neun Monaten pro Jahr in Betrieb sind und bei denen Livemusik eine massgebliche, identitätsstiftende Rolle spielt. Der Schwerpunkt soll im Bereich Pop/Rock/Electronica liegen. Das Programm soll einen wesentlichen Anteil an Schweizer Bands beinhalten. Die inhaltliche und finanzielle Verantwortung liegt beim Klub.

Einsendeschluss für die Anträge: 21. August 2018

Richtlinien und Anmeldeunterlagen unter:
www.migros-kulturprozent.ch/de/foerderantrag/foerderbeitraege/popmusik
 

Mozart war nicht Alkoholiker

Der renommierte britische Chirurg Jonathan Noble will mit Legenden um mutmassliche Musikerkrankheiten aufräumen. Er ist der Überzeugung, dass es keine echten Belege dafür gibt, dass Mozart zum Beispiel Alkoholiker gewesen sei oder Ravel an Syphilis gelitten habe.

Mozartdenkmal in Salzburg. Foto: Christa El Kashef/pixelio.de

Noble ist der Überzeugung, dass Mozart keineswegs übermässig dem Alkohol zugesprochen habe, wie dies spätere Biografen suggerierten. Mutmassungen über Alkoholismus in Falle Tschaikowskys, Schuberts, Brahms oder Beethovens seien ähnlich unfundiert.

Die einzige Quelle für die Behauptung, dass Ravel an Syphilis gelitten haben, sei bloss der Bericht einer Krankenschwester, die behauptete, drei Jahre nach dem Tod des Komponisten Zugang zu notierten Blutwerten Ravels gehabt zu haben. Auch Behauptungen über eine Syphilis-Erkrankung Brittens seien aus der Luft gegriffen. Krankengeschichten, die Noble vorliegen, zeigten hingegen, dass Britten an einem Herzklappen-Problem gelitten hatte.

Originalartikel:
https://www.telegraph.co.uk/science/2018/05/17/mozart-not-alcoholic-british-surgeon-claims

 

In Freiburg entsteht ein Künstlerhaus

Der Staatsrat gewährt der Genossenschaft Künstlerhaus in Givisiez eine finanzielle Unterstützung von 600’000 Franken. Er will so mithelfen, die Produktion von professionellen Vorführungen und kulturellen Schaffensprojekten in Freiburg zu verbessern.

Angrenzend an das Théâtre des Osses soll das Künstlerhaus entstehen. Foto: Quadrien/wiki commons

Die federführende Genossenschaft Künstlerhaus in Givisiez möchte Gebäude in Givisiez umbauen, die sie im Jahr 2016 mit Unterstützung der Loterie Romande sowie von privaten Stiftungen erwerben konnte. Mit dieser Einrichtung soll für die Künstlerinnen und Künstler des Kantons Freiburg ein multidisziplinäres Schaffenszentrum entstehen, das Arbeitsräume zu moderaten Mietpreisen anbietet.

Der so geschaffene Künstlerraum soll auch für kulturelle Veranstaltungen offen sein. Solche Strukturen, die bereits an anderen Orten in der Schweiz und im Ausland entstanden seien, hätten sich sehr positiv auf das Kunstschaffen und die kulturelle Entwicklung ausgewirkt, schreibt der Kanton weiter.

Die Förderhilfe wird unter der üblichen Vorbehalten gewährt, dass der Voranschlag 2019 durch den Grossen Rat genehmigt wird. Sie wird aus dem Investitionsbudget des Amts für Kultur finanziert.
 

Kompositionswettbewerb des Musikkollegiums Winterthur

Das Musikkollegium Winterthur veranstaltet unter dem Titel «Rychenberg Competition» einen internationalen Kompositionswettbewerb und vergibt Preisgelder in der Höhe von insgesamt 100 000 Franken an Komponisten.

Villa Rychenberg in Winterthur. Foto: Robert Cutts / WikimediaCommons

In der Saison 2019/20 veranstaltet das Musikkollegium Winterthur zum ersten Mal in seiner Geschichte einen internationalen Kompositionswettbewerb. Unter dem Titel «Rychenberg Competition ‒ International Composition Contest» beabsichtigt das Musikkollegium Winterthur Komponistinnen und Komponisten jeden Alters aus allen Ländern anzusprechen. Interessierte dürfen sich bis zum 31. Juli 2018 anmelden und ihre Kompositionen bis Ende März 2019 einreichen. Die Kompositionen müssen sich zwingend auf eine der drei Fotoserien beziehen, die das Fotomuseum Winterthur zu diesem Zweck ausgewählt und zur Verfügung gestellt hat.

Zur Jury des Wettbewerbs gehören die Komponisten Alfred Zimmerlin, Bettina Skrzypczak und Martin Wettstein sowie der Musikwissenschaftler Roman Brotbeck und der Dirigent und Solo-Trompeter des Musikkollegiums Winterthur Pierre-Alain Monot. Aus den eingereichten Orchesterwerken wird die Jury für die erste Runde zehn Werke auswählen, die das Musikkollegium Winterthur auf Video einspielen wird. Diese Video-Aufnahmen werden im Oktober 2019 online veröffentlicht und das Publikum aufgefordert, in einem Online-Voting eines der Werke mit dem Publikumspreis auszuzeichnen. Vier weitere Preise verleiht die Jury.

Die «Rychenberg Competition» will das zeitgenössische Musikschaffen fördern und eine Tradition weiterführen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand. Unter der Ägide des Musikmäzens Werner Reinhart wurde Winterthur damals zu einem Zentrum zeitgenössischer Musik mit internationaler Ausstrahlung. Komponisten wie Anton Webern, Arnold Schönberg, Igor Strawinsky oder Richard Strauss komponierten für und musizierten mit dem Musikkollegium Winterthur. Nicht nur Komponisten, sondern auch Interpreten und Dirigenten von Weltruf kamen auf Einladung Reinharts nach Winterthur und logierten oft bei ihm in der Villa Rychenberg, dem heutigen Sitz der Geschäftsstelle des Musikkollegiums Winterthur.

Weitere Informationen und Teilnahmebedingungen:

www.rychenbergcompetition.ch
 

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