Kontroverse um Basler Musikförderung

Eine Interessensgemeinschaft Basler Musikschaffender fordert die Gleichbehandlung aller Musikgenres in der Förderung der Stadt. Geplant ist dazu auch eine Volksinitiative.

Foto: tadicc1989/stock.adobe.com

Laut einem Bericht der bz – Zeitung für die Region Basel stellt sich die IG auf den Standpunkt, dass in der Musikförderug der Stadt ein systemisches Ungleichgewicht herrscht, das Pop, Rock, Jazz und Artverwandtes benachteilige. Mit einem Brief an das Basler Präsidialdepartement reagiert die IG damit auch auf das vorgesehene Kulturleitbild 2020-2025 der Stadt.

Die IG, die in Basel im Vergleich zu andern Kantonen Nachholbedarf in der Aufstellung der Musikförderung sieht, plant eine kantonale Volksinitiative, welche die Musikförderung der Stadt von unten verbindlich anstossen soll.

Originalartikel:
https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/grundlegende-veraenderung-in-der-basler-musikfoerderung-ig-will-gleichbehandlung-aller-musikgenres-135956025
 

Blaskapellen im Tessin

Das Zentrum für Dialektologie und Ethnographie (CDE) in Bellinzona stellt eine neue Publikation vor, die sich mit der Geschichte der Bandella befasst.

© Centro di dialettologia e di etnografia, Foto M. Aroldi (Bildlegende siehe unten),SMPV

Bei Festen und Patrozinien der italienischsprachigen Schweiz ist sie auch heute noch zuweilen zu hören: die Bandella. In der Vergangenheit waren diese kleinen Blaskapellen praktisch überall anzutreffen und im Alltag der Menschen fest verankert. Beim Karneval oder bei Dorffesten, bei politischen Versammlungen und Sportanläs-sen waren sie allgegenwärtig, bei Hochzeiten sogar unverzichtbar. Zudem unterhielten sie die Menschen auf manchen Ausflügen. Überall, wo die Bandella in Erscheinung trat, trug sie zur allgemeinen Heiterkeit bei und wurde zu einem wichtigen Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes der italienischsprachigen Schweiz.

Doch war bisher kaum etwas über die Ursprünge dieser Musiktradition bekannt. Wie viele Bandelle gab es in früheren Zeiten, wer waren die wichtigsten Protagonisten und welches Repertoire spielten diese? Auch wusste man bisher kaum, welche vergleichbaren musikalischen Ensembles es in früheren Zeiten im Alpenraum und im nördlichen Italien gegeben hat.

Eine neue Publikation des Zentrums für Dialektologie und Ethnographie (CDE) in Bellinzona bringt nun Licht in dieses wenig erforschte kulturelle Phänomen des Tessins und des italienischsprachigen Graubündens. Sie be-handelt das Thema aus drei Perspektiven: historisch, kulturanthropologisch und musikalisch. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Musik realisiert und förderte überraschende Ergebnisse über die Geschichte aber auch die heutige Realität der Bandella zutage. Die Tradition der kleinen Blasmusikformation ist in der italienischsprachigen Schweiz noch immer lebendig und hat durchaus das Potenzial zur Erneuerung.

So fanden die Forschenden heraus, dass die Bandella in ihrer langen Geschichte von vielfachen Impulsen ge-prägt worden ist. Am Anfang stand und steht auch heute eine solide Ausbildung der musizierenden Protagonis-ten. Diese erfolgte einst durch das Militär, heute vor allem in Kursen im Bereich der Blasmusik. Der Tourismus hat die Bandella als identitätsstiftende musikalische Praxis sehr gefördert und so zu ihrem Überleben beigetra-gen. Zudem konnte sich die Bandella damit behaupten, dass sie das Repertoire immer wieder den Bedürfnissen der Gegenwart angepasst hat, mit der Absicht, dem Publikum eine zeitgemässe und gute Unterhaltung zu bie-ten. Die Bandella ist auch heute noch so lebendig, weil sie trotz vielfältiger Modeströmungen das Prinzip des spontanen Musizierens in fröhlicher Atmosphäre nie aufgegeben hat.
 

Buchpräsentation in Bellinzona

Die Publikation wird vorgestellt am Samstag, 23. November 2019, 16:30 Uhr
im Palazzo Civico, Piazza Nosetto 5, Bellinzona

Grussworte von:
· Carlo Piccardi, Musikwissenschaftler
· Paolo Ostinelli, Direktor des Centro di dialettologia e di etnografia
· den Autoren des Buches: Aldo Sandmeier, Emanuele Delucchi und Johannes Rühl (Hoch-schule Luzern – Musik)

Den im Anschluss stattfindenden Apéro begleiten die legendäre Bandella di Tremona und spontan mitspielende Musikerinnen und Musikern.
 

Bildlegende

Foto der «Maggiolata» in Caslano, 1986, mit der Kostümgruppe Malcantonesi und der Bandella di Banco

Angaben zum Buch

Note di bandella. Percorsi nel patrimonio musicale della Svizzera italiana
Centro di dialettologia e di etnografia, Bellinzona 2019, 225 S., 18 x 25 cm, CHF 30.-.
ISBN 978-88-944285-2-0

mit Beiträgen von Aldo Sandmeier, Emanuele Delucchi und Johannes Rühl

In deutscher Sprache werden Auszüge des Buches ab April 2020 elektronisch verfügbar sein auf der Projektwebseite der Hochschule Luzern (https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/forschung/projekte/detail/?pid=4076).
 

Neuronale Grundlagen der Schallwahrnehmung

Forschende vom Departement Biomedizin an der Universität Basel haben die neuronalen Grundlagen der Schallwahrnehmung und Klangunterscheidung untersucht, und zwar unter komplexen akustischen Bedingungen.

Pyramiden-Neuron der Maus. Quelle s. unten,SMPV

Trotz der Bedeutung des Gehörs für unsere Wahrnehmung ist relativ wenig darüber bekannt, wie unser Gehirn akustische Signale verarbeitet und ihnen Sinn verleiht. Klar ist: Je präziser wir Geräuschmuster unterscheiden können, desto besser ist unser Gehör. Doch wie gelingt es dem Gehirn, zwischen relevanten und weniger relevanten Informationen zu unterscheiden – besonders in einer Umgebung mit vielen Nebengeräuschen?

Forschende unter Leitung von Tania Rinaldi Barkat vom Departement Biomedizin an der Universität Basel haben die neuronalen Grundlagen der Schallwahrnehmung und Klangunterscheidung unter komplexen akustischen Bedingungen untersucht. Im Zentrum stand dabei die Erforschung des auditiven Cortex – des «Hörgehirns» Gemessen wurden die jeweiligen Aktivitätsmuster im Gehirn einer Maus.

Die Unterscheidung von Tönen wird bekanntlich schwieriger, je näher sie im Frequenzspektrum beieinanderliegen. Zunächst nahmen die Forschenden an, dass ein zusätzliches Rauschen eine solche Höraufgabe noch erschweren könnte. Tatsächlich ist es aber umgekehrt, wie sich herausstellte: Das Team konnte nachweisen, dass die Fähigkeit des Gehörs zur Unterscheidung von subtilen Tonunterschieden besser wurde, wenn noch ein weisses Rauschen im Hintergrund dazukam. Im Vergleich zu einer stillen Umgebung erleichterte das Rauschen somit die auditive Wahrnehmung.

Die Messdaten der Forschungsgruppe zeigten, dass das Rauschen die Aktivität der Nervenzellen in den Versuchstieren deutlich hemmt. Paradoxerweise führte diese Unterdrückung des neuronalen Erregungsmusters zu einer präziseren Wahrnehmung der reinen Töne.

Um zu bestätigen, dass bei den Versuchen allein der auditive Cortex und nicht noch weitere Hirnareale für die neuronale Aktivität und Tonwahrnehmung zuständig waren, nutzen die Forschenden die lichtgesteuerte Technik der Optogenetik. Ihre Erkenntnisse könnten möglicherweise genutzt werden, um die auditive Wahrnehmung in Situationen zu verbessern, in denen Geräusche nur schwer zu unterscheiden sind.

Originalartikel:
Rasmus Kordt Christensen, Henrik Lindén, Mari Nakamura, Tania Rinaldi Barkat: «White noise background improves tone discrimination by suppressing cortical tuning curves», Cell Reports (2019), doi: 10.1016/j.celrep.2019.10.049
 

Bildautoren: Wei-Chung Allen Lee, Hayden Huang, Guoping Feng, Joshua R. Sanes, Emery N. Brown, Peter T. So, Elly Nedivi. Quelle: wikimedia commons CC BY 2.5

Verspiegelt, verschachtelt, verstellt

Es ist schwierig zu umreissen, wovon das neue Musiktheater von Martin Derungs eigentlich handelt. So fern ist es und rätselhaft. Uraufgeführt wurde es am 6. und 7. November im Theater Rigiblick in Zürich.

Ein seltsamer Text, eine seltsame Musik, eine seltsame Inszenierung, insgesamt ein seltsames Konstrukt voller Brüche. Das könnte interessant sein! Dieses Musiktheater mit dem Titel Lebewohl, Gute Reise.

Erst einmal ist man jedoch ratlos, was da auf einen zukommt. Da ist zunächst dieses dramatische Poem von Gertrud Leutenegger aus dem Jahr 1980. Von einem Ich ist darin die Rede, das in einem Sarg erwacht und offenbar in mehreren Doppelgängerinnen existiert, als untote Frau (Leila Pfister), Mutter und Hure (Meret Roth), Faunäffin und Grosse Königin (Eveline Inès Bill). Daneben erscheint eine Trias von Ältesten (Madeleine Merz, Florian Glaus, Arion Rudari), die nacheinander umkommen, und schliesslich das Freundespaar aus dem sumerischen Epos, Gilgamesch (Flurin Caduff) und Enkidu (Daniel Camille Bentz) aus der Stadt Uruk. Aber so völlig klar sind die Rollen nicht immer den Darstellerinnen und Darstellern zugeordnet. Insgesamt ist es ein ziemlich roher und archaischer Stoff, aber die uralte mesopotamische Geschichte wird mit Anachronismen durchsetzt. Gilgamesch überlebt zum Beispiel einen Autounfall. Eine komplexe, verschichtete Story also. Wie vertont man das?

Opera povera

Die Komposition von Martin Derungs gibt sich nicht so verspiegelt, sondern karg und im Fluss aufgebrochen. Oft wechseln die Stimmen nach einer kurzen Phrase wieder ins Sprechen, das wiederum zwischen Ruf, Sprechgesang und Rezitation farblich abgestuft bleibt. Spürbar wird eine starke Emphase durchaus, sie kann aber ständig abbrechen. Manchmal sind die Stimmen völlig allein unterwegs, dann werden sie nur von ausgedünnten einstimmigen Tonfolgen verfolgt: Ein paar Flötentöne, ein Mandolinentremolo, etwas Bratsche, Akkordeon oder Glasharmonika, je nachdem. Es sind ausgewählte Klänge, die sich da aneinanderfügen. Dadurch bleibt der Text ziemlich gut verständlich. Hingegen ist es für das elfköpfige Ensemble unter der Leitung von Marc Kissóczy nicht immer einfach, zwischen den langen Pausen jeweils sofort den Ton zu treffen und stabile Linien entstehen zu lassen.

Dabei gibt es wenige heftige Temposchwankungen, alles geht einen ähnlich ruhigen Gang. Derungs war noch nie ein Komponist der zu vielen Töne, und schon mehrmals hat er sich mit dem Wenigsten begnügt. Charakteristisches scheint kaum auf, diese Musik ist nicht gemacht, nicht theaterwirksam. Nur zwei, drei Mal schwingt sie sich zu einem parodistisch anmutenden Tänzchen auf, knappstens auch da. Sonst müssen Andeutungen genügen: Die im Text erwähnte Grosse Trommel erscheint im Ensemble mit einem Schlägchen auf der kleinen. Insofern ist das in seiner Kargheit konsequent und stilvoll. Eine Opera povera geradezu. Was für eine Inszenierung passt dazu?

Schräge Zusammenstellung

Die Bühne sowie die Regie (beides von Giulio Bernardi) geben sich trotz notgedrungen begrenzter Mittel nicht schlicht, vielmehr verschachtelt und verstellt: da ein Hochsitz für das Ich, daneben ein breites Sofa. Wie in Text und Musik kommt auch in dieser Darstellung nur passagenweise Kontinuität auf. Die Erzählung wirkt wie der Text verspiegelt, etwas verfahren, ständig aufgebrochen in mehrere Ebenen. Ist das nun Epos oder Bühnenrealität? Es ist ein Spiel mit mehreren Gesichtern. Die Ältesten treten hinter grossen Stabpuppen auf, die Sängerinnen und Sänger ziehen Masken an, tragen Schminke auf, ja passagenweise wird quasi konzertant aus der Partitur gesungen und gesprochen. Dazu kommt eine Mimin, die deren Handlungsweise stumm kommentiert und zuweilen leitet. So wechseln sich die Personen und die Konstellationen, ohne erkennbares Muster. Auch da wird man etwas allein gelassen. Es war eine glückliche Idee, dass die Sprecherin Dorothee Roth die einzelnen Szenen zuvor kurz einleitet.

Warum das alles in dieser schrägen und rätselhaften Zusammenstellung? Wie haben die drei Künstler miteinander kommuniziert? Fühlen sie sich wohl verstanden? Oder ist es vielleicht diese Heterogenität, die sich «unvermitteln» will. Recht warm wurde ich nicht damit, eher ungeduldig, aber ich blieb doch dran, weil da jemand etwas anderes wagt. Aber was?

Es gehe auch um Liebe: «Wer die Liebe nicht fürchtet, ist unsterblich», heisst es einmal. Und dann gibt es schliesslich noch diese Einblendungen, die dem Stück seinen Titel gaben: Lebewohl, Gute Reise, ein Lied, eines der letzten der Comedian Harmonists, die sich kurz darauf 1935 im Dritten Reich auflösten. «Denk an mich zurück», heisst es dort weiter. Das Lied ist so, wie das Programmheftchen ankündigt, der Auftakt zu einer Reise in die Unterwelt. Die Geschichte im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus zu lesen, scheint freilich wenig schlüssig. Aber ein Grundgeschmack ist vielleicht doch wahrnehmbar, irgendwie gruftig …

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Die Besetzung der Uraufführung am 6. und 7. November im Theater Rigiblick in Zürich.
Foto: zVg

Esther Flückiger vertritt die Schweiz

Esther Flückiger vertritt mit dem Werk «Guarda i lumi – 5 migrierende, Klangbilder für Violine und Klavier» an den ISCM World Music Days 2020 in Neuseeland die Schweiz.

Esther Flückiger. Foto: zVg

Die Eingaben der Schweizer Gesellschaft für Neue Musik (ISCM Switzerland) koordinierte Egidius Streiff. In diesem Jahr wurden Werke von Heidi Baader-Nobs, Regina Irman, Karl Alfons Zwicker, Blaise Ubaldini, Carlo Ciceri und eben von Esther Flückiger eingereicht. Flückiger ist nach Helena Winkelman (2015), Iris Szeghy (2016) und Junghae Lee (2019) die vierte Schweizer Komponistin, die mit einer Komposition an den ISCM World Music Days präsent ist.

Esther Flückiger, 1959 in Bern geboren, wirkt als Pianistin, Improvisatorin und Komponistin. Auch im multimedialen Bereich schöpft sie aus einem reichen Fundament, das ihre Vertrautheit sowohl mit dem klassischen Repertoire wie auch mit den Jazz-Idiomen zeigt. Ihre Werke wurden in Europa, den USA, Russland, Asien, Südamerika gespielt und sind auf zahlreichen CD-, TV- und Radioaufnahmen dokumentiert.

Die ISCM World Music Days ist das jährlich stattfindende Festival der 1922 gegründeten Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (International Society for Contemporary Music ISCM) und findet 2020 vom 22. bis 30. April in Auckland und Christchurch auf Neuseeland statt. Gastgeber sind die Composers Association of New Zealand (CANZ) zusammen mit der Asian Composers League.

 

Helmut Lachenmann in Zürich

«Das Mädchen mit den Schwefelhölzern» wurde als Ballett am Opernhaus ein Grosserfolg. Am 8. September bot ein Symposium an der Zürcher Hochschule der Künste die Gelegenheit, sich der Persönlichkeit des Komponisten zu nähern.

Aussergewöhnliches hat sich in Zürich ereignet. Mit Helmut Lachenmanns Musiktheater Das Mädchen mit den Schwefelhölzern brachte das Opernhaus ein Werk avancierterster Gegenwartsmusik als Ballett auf die Bühne – und alle neun Aufführungen waren ausverkauft! Ein einzigartiger Erfolg, der umso erstaunlicher erscheint, wenn man sich die Person und insbesondere das Lebenswerk des Komponisten vor Augen führt. Der am 27. November seinen 84. Geburtstag feiernde Lachenmann wurde jahrzehntelang als Verweigerer wahrgenommen, als einer, der sich jeglicher bürgerlichen Konvention verschloss und dementsprechend auch angefeindet wurde. Und nun feiert seine Musik ausgerechnet im Tempel der bürgerlichen Hochkultur einen derartigen Triumph.

Zu diesem Erfolg beigetragen hat sicher das sorgfältig choreografierte Rahmenprogramm. Es gab Porträtkonzerte, ein Gesprächskonzert und ein Symposium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), mit und zu Helmut Lachenmann. Wobei das Symposium weniger als Einführung zur Oper diente, sondern als Vertiefung des «Ereignisses Lachenmann», wie der an der ZHdK lehrende Philosoph Dieter Mersch seinen Vortrag überschrieben hatte. Ausgehend vom Mädchen mit den Schwefelhölzern näherte man sich unter der Leitung des Musikwissenschaftlers Jörn Peter Hiekel grundsätzlichen Fragen zum Lebenswerk des Komponisten. Dabei war man froh über Hiekels Fähigkeit, die diversen Vorträge treffsicher zu resümieren und in einen grösseren Kontext einzugliedern.

Denn die Themenvielfalt der Vorträge war gross. So nahm sich der in Genf lehrende Musikwissenschaftler Ulrich Mosch der Frage an, inwiefern sich Lachenmanns Musiktheater-Ansätze von jenen seines Lehrers Luigi Nono unterscheiden. Zentral war dabei das Problem, wie (politisch) engagiertes Musizieren möglich sei, denn dass Musik engagiert zu sein hat, darin waren sich Lehrer und Schüler einig. Doch während der Kommunist Nono seine (vor allem die früheren) Musiktheaterwerke als Beitrag zum Klassenkampf sah und die Menschen unmittelbar bewegen wollte, steht Lachenmann solchem Tun skeptisch gegenüber, nannte es einmal «Heuchelei oder – sympathischer – Donquichotterie». Er versuche eher, so Mosch, den Menschen mit Kunst zu lehren, «seine denkenden Sinne zu gebrauchen».

Und genau darauf zielt Lachenmanns Musik der Schab-, Anblas- und Kratzgeräusche ab. Die physische Hervorbringung der Töne wird nicht mehr versteckt, sondern nach aussen gekehrt und soll so eine Erweiterung unserer Wahrnehmungsmuster bewirken. Dadurch würden wir bewegt, auch politisch. Oder, wie Mersch es ausdrückte, dadurch ereigne sich das Politische bei Lachenmann quasi «im Rücken der Musik».

Staunende Persönlichkeit

Bei aller Vielfalt der Beiträge, etwa Christian Utz’ Vergleich von Schuberts Winterreise mit dem Mädchen oder Stephanie Schroedters Tour d’Horizon durch unterschiedliche Ansätze, Lachenmanns Musik zu choreografieren, schälte sich doch eines heraus. Das Bild dieses Komponisten ist im Wandel begriffen. Früher in erster Linie von der Negation her betrachtet, als Verweigerer, rückt er heute immer stärker der Aspekt Wahrnehmung in den Vordergrund. Lachenmann setzt sich mit dem Phänomen des Erfassens von Musik an sich auseinander und erreicht gerade dadurch einen Grad an Sinnlichkeit, der in der Neuen Musik selten anzutreffen ist.

Vielleicht lässt sich der Zürcher Erfolg des Mädchens mit den Schwefelhölzern, allgemein der Zuspruch, den Lachenmanns Musik in letzter Zeit erfährt, durch eben diese Sinnlichkeit erklären. Am Symposium fiel einem aber noch etwas ganz anderes auf. Es war die Person des Komponisten selbst, die zu faszinieren vermochte. Etwa wie er die diversen Beiträge zu seiner kompositorischen Persönlichkeit ernst nahm, sie offenbar so verstand, dass er daraus etwas über sich selbst lernen könne. Wie er sich Mühe gab, auf jeden Beitrag zu antworten.

Aber vor allem auch, wenn seine Leidenschaft für die Musik aus ihm hervorbrach und ihn zu Aussagen unglaublicher Plastizität verführte. So, wenn er sein Interesse an Schubert damit begründete, dass dieser ein «Daumenlutscher» gewesen sei, der sich in der von Beethoven hinterlassenen musikalischen Landschaft wie ein verzweifeltes, einsames Kind an gewisse Elemente, etwa einen bestimmten Akkord, geklammert hätte. Oder wenn er die Gründerväter der Seriellen Musik als Goldgräber bezeichnete, die mit Ausnahme des ewigen Desperados Nono zu Juwelieren mutiert seien.

Am deutlichsten aber trat einem die Persönlichkeit Lachenmanns in der von Claus Spahn, dem Chefdramaturgen des Zürcher Opernhauses, moderierten Abschlussdiskussion vor Augen. Während der Choreograf Christian Spuck interessante Einblicke in den Entstehungsprozess der Zürcher Inszenierung bot und die Komponistin Isabel Mundry diese gewohnt geistvoll kommentierte, wirkte Lachenmann wie ein Kind am Rande des Geschehens. Ein Kind, das sich ehrlich über eine, seiner Meinung nach, gelungene Inszenierung freute und dabei noch immer darüber staunte, wie es die Tänzer schafften, sich derart synchron zu bewegen.

Digitales Notenmaterial in Echtzeit

Die Digitalisierung macht auch vor dem Muskverlagswesen nicht halt. Konsequenzen zieht nun die Universal Edition, mit einem interaktiven neuen Digitalangebot

Bild: Newzik/UE/zvg

Der österreichische Musikverlag startet unter dem Namen UE now mit Echtzeit-Verfügbarkeit seines weltweit vertriebenen Notenmaterials für Hobbymusiker bis hin zum professionellen Spielbetrieb. Der Kauf der UE-now-Noten funktioniert via Universal Edition, es folgt eine Verbindung zur App des Technologie-Partners Newzik. In dieser App findet man die erworbenen Noten.

Die Vorteile digitaler Noten sind unter anderem das Umblättern der Noten via Fussschalter oder per Fingertippen, das digitale Eintragen von Markierungen und Notizen – kollaborativ und in Echtzeit sichtbar – sowie das Importieren von Musikdateien in jedem Format mittels offener Schnittstellen auch zu eigenem Notenmaterial. Eigene und erworbene Noten sind so mittels stabiler und sicherer Technik in einer Bibliothek am Endgerät vereint.

Bodensee-Konferenz fördert Neue Musik

Die Internationale Bodensee-Konferenz (IBK) hat ihre Förderpreise im Jahr 2019 in der Sparte Interpretation zeitgenössischer Musik vergeben.

Die Preisträger (Bild: Raffael Soppelsa)

Die Preisträgerinnen und Preisträger wurden von einer internationalen Fachjury aus insgesamt 18 Nominationen ausgewählt. Die sieben jeweils mit 10’000 Franken dotierten Förderpreise wurden in der Kartause Ittingen in Warth überreicht an: Brigitte Helbig, Klavier, nominiert vom Freistaat Bayern, Simone Keller, Klavier, nominiert vom Kanton Thurgau, Moritz Müllenbach, Violoncello, nominiert vom Kanton Zürich, Céline Monique Jeanne Papion, Violoncello, nominiert vom Land Baden-Württemberg, Lukas Stamm, Klavier, nominiert vom Kanton Schaffhausen, Mateusz Szczepkowski, Klavier, nominiert vom Kanton Schaffhausen sowie Irina Ungureanu, Gesang, nominiert vom Kanton Thurgau.

Die Projektgruppe Jugendengagement der IBK hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Erwachsene stärker zu beteiligen. Dazu setzte sie 2019 erstmals eine parallele Jugendjury für die IBK-Förderpreise ein. Diese konnte unter allen 18 Nominationen einen zusätzlichen Preis in Höhe von 5000 Schweizer Franken vergeben. Die Jugendjury hat sich für Simone Keller, nominiert vom Kanton Thurgau, entschieden.

Die Förderpreise der IBK werden seit 1991 jährlich in wechselnden Sparten verliehen. Es können maximal sieben Preise in der Höhe von jeweils 10’000 Schweizer Franken vergeben werden. Ausgezeichnet werden Personen im Alter bis zu 40 Jahren mit einem herausragenden Potential im jeweiligen Kulturbereich.
 

Egg übernimmt Berner Kammerorchester

Der 30-jährige Trompeter und Kulturmanager Niklaus Egg wird Geschäftsführer des Berner Kammerorchesters (BKO). Er übernimmt die Nachfolge von Beat Sieber, der als Intendant zur Kammerphilharmonie Graubünden wechselt.

Niklaus Egg (Bild: zvg/Linda Kaufmann)

Niklaus Egg studierte an der Hochschule der Künste Bern sowie der Haute école de Musique de Genève Trompete. Seither spielte er in verschiedenen Orchestern als Zuzüger (Orchestre de la Suisse Romande, Orchestre de Chambre de Genève, Berner Symphonieorchester, Gstaad Festival Orchester und weitere).

Zurzeit studiert er im Studiengang MAS Arts Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist Geschäftsführer des Vokalensemble ardent sowie des Blechbläserensembles UnglauBlech und betreut mit seinem Kulturmanagementbüro diverse Kunst- und Kulturprojekte. Er übernimmt die organisatorische und administrative Leitung des Berner Kammerorchesters per 1. Dezember 2019.

Freiburger Forschungs- und Lehrzentrum Musik

An der Unversität Freiburg i. Br. ist ein Forschungs- und Lehrzentrum Musik (FZM) eingerichtet worden. Es hat seinen Schwerpunkt in musikbezogenen Disziplinen wie Musikwissenschaft, Musiktheorie, Musikphysiologie/Musikermedizin und Musikpädagogik.

Luftbild von Freiburgs Zentrum mit Universität. Foto: Taxiarchos228 /wikimedia commons (s. unten),SMPV

Das neu gegründete Zentrum hat noch keinen festen Ort. Eine offene Struktur soll Arbeiten über die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen hinweg ermöglichen. Auch Künstlerinnen und Künstler sollen zu Forscherinnen und Forschern werden, indem sie die ästhetischen Möglichkeiten ihrer Kunst systematisch ausloten oder ihre Kunst mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen und ihre Erkenntnisse direkt in die künstlerische Ausbildung einfliessen lassen.

Zugleich will das FZM Forschung und Lehre eng miteinander verbinden und die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit unmittelbar in die eigenen Lehrangebote einfliessen lassen. Studierende der Hochschule für Musik und der Universität können schon jetzt das gemeinsame Angebot beider Institutionen in der Musikwissenschaft nutzen. Zum Sommersemester 2020 folgt der nächste Schritt: Ab dann können sie am FZM im Nebenfach Musiktheorie, Musikphysiologie und Gehörbildung studieren.

Webseite:
https://www.mh-freiburg.de/fzm-landeszentrum/das-fzm

Foto: Taxiarchos228 / wikimedia commons CC BY 3.0

Arthur Waser Förderpreis 2019

Die französische Trompeterin Lucienne Renaudin Vary wird von der Arthur Waser Stiftung und dem Luzerner Sinfonieorchester mit dem Arthur Waser Förderpreis 2019 für herausragende junge Solisten am Anfang ihrer Karrieren ausgezeichnet.

Lucienne Renaudin Vary (Bild: Simon Fowler)

Gemäss der Jury hat sich die junge Französin nicht nur durch ihre Ausstrahlung und ihre ansteckende Spielfreude ausgezeichnet, sondern auch durch ihre enorme Vielseitigkeit in den Musikstilen. Lucienne Renaudin Vary bewegt sich in der Klassik mit ebenso grosser Leichtigkeit wie etwa im Jazz. Renaudin Vary ist die erste Frau, welche diesen Schweizer Förderpreis erhält.

Der Arthur Waser Förderpreis für herausragende junge Solisten beinhaltet ein Preisgeld von 25’000 Franken und wird seit 2013 alle zwei Jahre vergeben. Lucienne Renaudin Vary ist demnach die vierte Trägerin dieses Preises. In den vergangenen Jahren wurden der Pianist George Li (2017), der Cellist Edgar Moreau (2015) und der Organist Sebastian Küchler-Blessing (2013) damit ausgezeichnet.

Bei der Bewertung der Kandidaten für den Förderpreis sind folgende Aspekte massgebend: Originalität in der Interpretation, instrumentale Exzellenz sowie die künstlerische Persönlichkeit. Der Arthur Waser Förderpreis ist weder an eine Instrumentengattung noch an eine nationale Herkunft der Musiker und Musikerinnen gebunden.

Sommerhalder löst an der HKB Würsch ab

Giuliano Sommerhalder ist der neue Dozent für klassische Trompete an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Der Schweizer Trompeter und Solist tritt die Nachfolge von Markus Würsch an.

Giuliano Sommerhalder (Bild: zvg)

Einer musikalischen Familie entstammend, studierte Giuliano Sommerhalder in Italien und bei seinem Vater in Detmold. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen an internationalen Wettbewerben. 2008 wurde er in das BBC New Generation Artists Scheme aufgenommen.

Als Solist auf modernen wie auch auf historischen Instrumenten ist Giuliano Sommerhalder weltweit aufgetreten: Im Wiener Musikvereinssaal, in der Berliner Philharmonie, in der Wigmore Hall und in anderen europäischen und amerikanischen Spielstätten. Nach Solopositionen in Leipzig (Gewandhausorchester unter Riccardo Chailly) und Amsterdam (Concertgebouw mit Mariss Jansons) wirkt Giuliano Sommerhalder mittlerweile in Rotterdam als Solotrompeter unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin und seit dieser Saison unter Lahav Shani.

Bei DECCA, harmonia mundi und NEOS sind von ihm mehrere Einspielungen mit solistischem Trompetenrepertoire vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik erschienen. Giuliano Sommerhalder verfügt bereits über zahlreiche internationale Doziererfahrungen, untere anderem in Detmold, Rotterdam, Rom und gibt regelmässig Masterclasses in ganz Europa, Asien, Nord- und Südamerika.
 

Schweizer Erfolg beim Spohr Wettbewerb

Der 9. Internationale Louis Spohr Wettbewerb für Junge Geiger an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar hat neun Preisträgerinnen und Preisträger. Zwei davon snd Schweizer.

Raphael Nussbaumer. Foto: Maik Schuck,Foto: Maik Schuck

Den 1. Preis in der jüngsten Kategorie I (bis 14 Jahre) erspielte sich die 13-jährige Deutsche Maya Wichert. Den 2. Preis gewann der ebenfalls 13 Jahre alte Schweizer Raphael Nussbaumer. Aus den USA kommt die 3. Preisträgerin, die 12-jährige Geigerin Fiona Khuong-Huu.

In der Kategorie II (15 bis 17 Jahre) setzte sich die 15-jährige Südkoreanerin Haewon Lim gegen die Konkurrenz durch. Sie gewann den 1. Preis vor der 15 Jahre alten belgischen Violinistin Pauline van der Rest (2. Preis). Den 3. Preis erspielte sich der 16-jährige Schweizer Anatol Toth.

In der Kategorie III (18 bis 20 Jahre) war Phoenix Avalon erfolgreich: Der 18-jährige US-Amerikaner gewann den 1. Preis vor dem 17-jährigen gebürtigen Münchner Tassilo Probst (2. Preis). Der 3. Preis ging an den 20-jährigen japanischen Geiger Taichi Miyamoto.

Insgesamt 71 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 18 Ländern rund um den Globus waren zum 9. Internationalen Louis Spohr Wettbewerb nach Weimar gereist. Auf höchstem Niveau spielten sie in drei Wertungsrunden seit dem 23. Oktober um die Preise und Sonderpreise im Gesamtwert von mehr als 17’000 Euro.

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Anatol Toth

Brenner geht von Luzern nach Zürich

Andreas Brenner, Leiter des Instituts für Neue Musik, Komposition und Theorie sowie Dozent für Musiktheorie, wechselt per Sommer 2020 an die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

Andreas Brenner. Foto: Hochschule Luzern

Während 16 Jahren habe Andreas Brenner die Hochschule Luzern – Musik in verschiedenen Funktionen entscheidend mitgeprägt, schreibt diese: seit 2003 als Dozent für Musiktheorie und seit 2007 als Leiter des Instituts für Neue Musik, Komposition und Theorie sowie als Mitglied der Departementsleitung. 2017/18 hatte er zusätzlich während rund eines Jahres ad interim die Funktion des Leiters Aus- und Weiterbildung inne.

Per Sommer 2020 wechselt Andreas Brenner als Dozent für Musiktheorie an die ZHdK. Die Leitungsfunktion des Instituts Neue Musik, Komposition und Theorie an der Hochschule Luzern – Musik gibt Andreas Brenner per Sommer 2020 ab, seine Unterrichtstätigkeit beendet er bereits auf Ende des Herbstsemesters 2019/20.

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