Karriere-Ratgeber für Sängerinnen und Sänger

Vor allem die praktischen Tipps und die Breite der angesprochenen Themen machen den Wert dieses «Coaches» in Buchform aus.

Foto: Te NGuyen / Unsplash (s. unten)

Die Jazz-, Pop- und Rocksängerin LeeZa Nail hat ihre Erfahrungen als Sängerin zu einem Ratgeber zusammengestellt, der jungen Talenten helfen soll, die eigene Karriere an die Hand zu nehmen. Werden in den Kapiteln 1 bis 4 Musiktheorie, Gesangstechnik und Atemübungen in einer derartigen Schnellbleiche skizziert, dass sie eigentlich überflüssig wären, so präsentiert der zweite Teil des Buches Interessantes, Fundiertes und Praxisnahes, erfrischend und sinnvoll zusammengestellt: Wie erfindet man sich selbst? Das nötige Equipment und die Entwicklung einer «Eigenmarke» sind ebenso wichtig wie Selbst- und Zeitmanagement. Marketing, Werbung, Imagebildung und Outfit gehören dazu wie Lampenfieberbewältigung, Auswendiglernen, Organisation und Kommunikation, Webseite, Social Media und Flyer. Und nicht zuletzt muss der Businessplan stimmen: Versicherungen, Altersvorsorge und Nebenjobs sind zu planen. Entspannungs-, Bewegungs- und Ernährungstipps ergänzen die Vielfalt der angesprochenen Bereiche.

Die Infos sind mit Anekdoten und Wissenswertem aus der Praxis gespickt, eingefügte Interviews von Berufsmusikerinnen und -musikern geben Einblicke in den konkreten Berufsalltag und machen das Buch zu einer originellen und vielseitigen Lektüre vor allem für Berufsanfänger.

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LeeZa Nail: The Singer’s Coach. Der Karriere-Ratgeber, 160 S., € 18.95, Alfred Music, Köln 2019, ISBN 978-3947998081

 

 

Foto oben: Te NGuyen / Unsplash

Etüden als Miniaturen

30 originelle Etüden, die 30 verschiedene technische Probleme angehen helfen und erst noch gut klingen.

Ausschnitt aus dem Titelblatt der «Moderní Klavírní Etudy»

Was mir gefällt an diesen Etüden: Sie sind kurz und bündig, greifen jedoch tief. Tief, sowohl vom Musikalischen her als auch im Hinblick auf die technischen Aufgaben und die Fertigkeit im Notenlesen. Ich spreche von den Moderní Klavírní Etudy des tschechischen Komponisten Jakub Metelka. Die Stücke bewegen sich durch alle Dur- und Molltonarten und beschäftigen sich je Etüde mit einem konkreten technischen Aspekt. Beispielsweise musikalische Verzierungen, Glissandi, Terz- und Sextintervalle, Polyrhythmik, Arpeggien, weite Lageverschiebungen. Trotz dieser klaren Absichten des Komponisten gelingt es ihm, sehr poetische und ansprechende Musik zu schreiben, fern schablonenhafter Abarbeitung technischer Muster.

Vom Schwierigkeitsgrad her bewegen sich die Miniaturen auf der Mittelstufe, und je nach Tempo und Qualitätsansprüchen werden sie doch recht knifflig. Im Klavierunterricht gezielt als «Etüde» eingesetzt, kann ich mir vorstellen, dass diese Stücke durchaus auch fortgeschritteneren Schülerinnen und Schülern Spass machen können. Als besonders wertvoll erachte ich auch die Beschäftigung mit Tonarten mit vielen Vorzeichen und damit verbunden das Lesen von Zusammenhängen sowie die Schulung des Gehörs.

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Jakub Metelka: Moderne Klavieretüden, BA 11559, mp3-Dateien online, € 13.50, Bärenreiter, Prag 2019

 

Moldau im Duett

Eine schöne Bearbeitung des sinfonischen Werks, die als kurze Einzelstücke oder zusammenhängende Konzertversion eingesetzt werden kann.

Die Warme Moldau, einer der beiden Quellflüsse. Fotonachweis: s. unten

Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich um eine Bearbeitung der schönsten Motive aus der Moldau für zwei Querflöten. Die Tondichtung ist Teil des sinfonischen Zyklus Mein Vaterland von Bedřich Smetana. Auch im Original beginnt die Moldau mit zwei Querflöten, die die sprudelnden Quellen symbolisieren, aus denen dann der grosse Strom entsteht. Zunächst wechseln sich die beiden Instrumente mit den Melodieabschnitten ab, bis dann die erste Stimme die grosse Kantilene spielt. Im zweiten Teil «Wälder – Jagd» imitieren die Flöten wirkungsvoll das markante, punktierte Horn-Motiv, das klanglich in Terzen und Sexten geführt wird. Auch die «Bauernhochzeit» nähert sich durch die dichte Setzweise der Sechzehntel dem Original. «Mondschein – Nymphenreigen» orientiert sich am Anfang ebenfalls am originalen Satz, wobei die Bearbeiterin Jennifer Seubel empfiehlt, bei den vielen Sechzehnteln auch mal einen für die Atmung auszulassen. Im fünften Teil «Der breite Strom der Moldau – Vyšehrad-Motiv» nennt sie als Alternative, einzelne Stellen eine Oktave tiefer zu spielen.

Das thematische Geschehen spielt sich weitgehend in der ersten Stimme ab, sodass sich anbietet, zwischen den Sätzen die Stimmen zu tauschen, dies vor allem, weil die zweite Stimme, die die Begleitstimmen des Orchesters ersetzt, eine Herausforderung darstellt. Die Autorin schlägt vor, die Teile entweder als kurze abgeschlossene Stücke oder im Zusammenhang als Konzertversion zu interpretieren. Diese schöne Bearbeitung ist eine Bereicherung des Duo-Repertoires und auch gut mit fortgeschrittenen Schülerinnen und Schülern spielbar.

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Bedřich Smetana: Moldau, für zwei Querflöten arrangiert von Jennifer Seubel, BA 10929, € 13.95, Bärenreiter, Kassel 

 

 

Foto oben: Ivo Lukačovič /wikimedia commons CC-BY-SA-2.5

Mahler-Lieder neu erlebt

Lisa Batiashvili und Ronald Kornfeil haben fünf bekannte Lieder für Violine und Klavier gesetzt.

Ging heut morgen übers Feld … Foto: Tanguy Sauvin / Unsplash (s. unten)

Wenn wir Mahler-Lieder, die wir so gut vom Hören kennen, dank der Bearbeitung von Ronald Kornfeil und Lisa Batiashvili selber spielen können, dringt der Reichtum der harmonischen und ausdrucksmässigen Mittel dieser Kompositionsweise richtig ins Bewusstsein und lässt uns tief eintauchen in die Gefühlswelt der Lieder. Die Gesangspartien sind geschickt auf die beiden Instrumente verteilt, die Orchesterpartien durchsichtig reduziert auf das Wesentliche, so dass sich eine runde Darstellung ergibt. Schade, dass im Heft die Texte nicht abgedruckt sind. Es wäre sogar wünschenswert, wenn die Worte in der Partitur bei den entsprechenden Noten stünden. Wer sich das mühsam mit Hilfe der Originalfassungen zusammenstellt, vermag die Lieder farbiger zu gestalten.

Enthalten sind: Erinnerung, Frühlingsmorgen, Ging heut morgen übers Feld, Das irdische Leben, Urlicht.
 

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Gustav Mahler: Ging heut morgen übers Feld, Fünf ausgewählte Lieder für Violine und Klavier arrangiert von Lisa Batiashvili, UE 36432, € 21.95, Universal Edition, Wien

 

 

Motetten für das gesamte Kirchenjahr

In der «Kleinen Geistlichen Chormusik» sind bisherige Einzelausgaben für Chor a cappella oder mit Begleitinstrumenten zusammengefasst.

Thomaskirche Leipzig. Nachweis s. unten

Viele frühere Generationen von Chorleitern kennen noch die dreibändige Chorleitungsschule von Kurt Thomas (1904-1973). Sein ebenso wichtiges Wirken als Komponist wird erst heute wiederentdeckt. Und wer die Entwicklung geistlicher Chormusik im 20. Jahrhundert reflektiert, kommt an der zentralen Bedeutung seines Werkes nicht vorbei. Beraten vom Reger-Interpreten Karl Straube komponierte er seine wichtigsten Werke in einem Alter, in dem normalerweise Komponisten ihren Weg erst noch suchen, und hatte damit einen weit über Deutschland ausstrahlenden Erfolg. Nach Lehrtätigkeiten in Berlin, Frankfurt/Main und Detmold wurde er 1957 zum Thomaskantor in Leipzig ernannt.

Beim Verlag Breitkopf & Härtel erschien vor Kurzem seine für die kirchenmusikalische Praxis bestens geeignete Kleine Geistliche Chormusik op. 25, eine Sammlung von 20 Motetten, die das gesamte Kirchenjahr einschliesslich einiger besonderer kirchlicher Anlässe abdeckt. Die meisten Motetten sind für vierstimmigen Chor a cappella komponiert, bei einigen treten jedoch Orgel, Violine, Flöte oder eine Sopran-Solistin hinzu. Die genaue Besetzung ist in der Regel offengehalten, da Kurt Thomas als Kantor um örtlich unterschiedliche Gegebenheiten wusste. Häufige zwei- und auch dreifache Teilungen im Chor setzen jedoch eine entsprechende Zahl von Sängern voraus. Die häufig zitierten Lutherchoräle erscheinen u. a. in Form eines Cantus firmus oder unisono, was auch als Gelegenheit zur Gemeindebeteiligung im liturgischen Rahmen genutzt werden kann. Auch die Aufführung im Konzert ist denkbar, um die Vielfalt und die spannungsvollen Kontraste dieser Musik hervorzuheben. Die Neuausgabe fasst die bisherigen Einzelausgaben in einem gut lesbaren, schön gesetzten Notenbild zusammen und ist wirklich eine lohnende Repertoire-Bereicherung.
 

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Kurt Thomas: Kleine Geistliche Chormusik für Sopran, Bariton ad lib. und vier- bis achtstimmigen Chor a cappella oder mit zwei Violinen, Flöte und Orgel, CHB 5344, €19.50, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

 

Foto: Falko Seidel / pixelio.de

Duo Butterland wird ausgezeichnet

Das diesjährige Stipendium «Ici & Ailleurs 2019», das im Kanton Bern von der französischsprachigen Kommission für allgemeine kulturelle Fragen vergeben wird, geht an das Duo Butterland der Autorin Regina Dürig und des Elektromusikers Christian Müller.

Duo Butterland: Regina Dürig und Christian Müller (Foto: Arnold Haberl)

Die Autorin Regina Dürig und der Musiker Christian Müller arbeiten seit 2010 als Duo Butterland im Bereich Stories & Sound zusammen. Die Werke von Butterland haben meist skulpturalen Charakter und sind formal zwischen Liveperformance, Poetic Noise, Hörspiel und räumlicher Installation einzuordnen. Ihre Formate legen einen besonderen Fokus auf die Begegnung und den Austausch mit dem Publikum.

Das Duo greift Lieblingsthemata der französischen Philosophin, Linguistin und Feministin Luce Irigaray auf und möchte mit künstlerischen Mitteln, die von ihr inspirierten Begegnungen mit anderen hinterfragen. Ausgehend von ihren Texten und Begegnungen entsteht ein Epilog zu dritt, in dem Christian Müller mit musikalischen Strategien (Komposition, Aufnahmen) und Regina Dürig mit poetischem Zugriff arbeitet.

Mit dem Stipendium, das mit 20 000 Franken dotiert ist, unterstützt die französischsprachige Kommission für allgemeine kulturelle Fragen des Kantons Bern Künstlerinnen und Künstler bei der Erarbeitung eines gemeinsamen Projekts zwischen dem französischsprachigen Teil des Kantons Bern und einer anderen Region. Von den 13 eingegangenen Dossiers hat sich die Jury für das Projekt von Butterland entschieden.

Das Stipendium wird heuer zum dritten Mal vergeben. Das erste Stipendium ging an die Gestaltungskünstlerin Mingjun Luo, das zweite an den Musiker und Bildhauer Laurent Güdel. Die nächste Wettbewerbsausschreibung erfolgt im Frühling 2020.

30-Jahre-Jubiläum und Buchvernissage

Viele hundert Kinder und Jugendliche haben in der lizenzierten Oltner Niederlassung der Pariser Agostini Drum School ihre ersten Beats getrommelt und sind zum Teil bis zum Profi avanciert.

Noby Lehmann mit zwei Studenten der Profi-Abteilung. Foto: Agostini Drum School Olten,SMPV

Viele Drummer wurden in der Profi-Abteilung (Berufsschule) zu professionellen Schlagzeuglehrerinnen und -lehrern ausgebildet. Und einige aufstrebende Grössen wie Philipp Schmid (Art o Nice), Flavio Mezzodi (Krokus, Stefanie Heinzmann), Alain Ackermann (Eluveitie) oder Giuseppe Urso (Florian Ast) haben bei der Agostini Drum School in Olten die Grundlagen für ihren Erfolg am Schlagzeug gelegt.

Am Tag der offenen Tür vom Samstag, 7. Dezember 2019, 10.30 bis zirka 15 Uhr, wird das dreissigjährige Bestehen der Schlagzeugschule in der Rötzmatt 10 gefeiert und die Neuauflage des Lehrbuchs The Drummer II lanciert. Der Gründer und Leiter der Agostini Drum School in Olten, der Schlagzeuglehrer Noby Lehmann, hat seine langjährige Erfahrung in dieses Lehrmittel für Fortgeschrittene eingearbeitet.

Interessierte, Freunde und Fans sind herzlich willkommen.
 

Pro Helvetia öffnet die Türen

Zur Schlüsselübergabe und Einweihung des Hauses am Hirschengraben 22 lädt die Pro Helvetia am 6. Dezember zu einem Tag der offenen Tür ein.

Der Pro-Helvetia-Hauptsitz am Hirschengraben 22 in Zürich. Foto: Maya Wipf

Wie Pro Helvetia mitteilt, stammt der älteste Teil des denkmalgeschützten Baus aus dem Jahr 1725. Die Schweizer Kulturstiftung hat hier bereits seit 80 Jahren ihren Hauptsitz. Nach dem Umbau könne die Pro Helvetia nun «sämtliche Arbeitsplätze im selben Gebäudekomplex konzentrieren. Damit wird der Standort der Stiftung langfristig gesichert, was sowohl dieser als auch der Stadt ein Anliegen war.»

Am 6. Dezember findet um 14 Uhr zunächst die offizielle Einweihung samt Schlüsselübergabe statt. Danach bietet das offene Haus Einblick in die Räumlichkeiten mit verschiedenen Präsentationen und Kinderprogramm.

 

Weitere Informationen
 

https://prohelvetia.ch

Unbekannter Gast am Genfersee

Irische Abstammung, amerikanische Staatsbürgerschaft, deutsche Ausbildung, geprägt von Schumann und jahrelang in der Schweiz zu Hause: Diese CD macht mit Swan Hennessy bekannt.

RTÉ-Contempo-Quartett. Foto: zVg

Einige namhafte Komponisten – man denke etwa an Brahms, Strawinsky, Wagner oder Liszt – wurden durch längere oder kürzere Aufenthalte in der Schweiz zu bedeutenden Werken angeregt. Nicht so der in Paris ansässige amerikanische Komponist Swan Hennessy, der kriegsbedingt von 1915 bis 1919 in Veytaux am Genfersee lebte. Aus nicht näher bekannten Gründen entstand in den fünf Jahren kein einziges Werk.

Hennessys Werk wird erst seit einigen Jahren vermehrt zur Kenntnis genommen. In Illinois in den USA 1866 als Sohn eines irischen Auswanderers geboren, studierte er in Stuttgart. Kein Wunder, dass seine frühen Kompositionen von der deutschen Musik, insbesondere von Schumann, geprägt sind. Seine Übersiedlung nach Paris fällt mit einer Hinwendung zum musikalischen Impressionismus und zur Musik Debussys und Ravels zusammen, ab 1900 kommt ein Interesse an irischer und keltischer Musik hinzu.

Werke «im irischen Stil» machen einen wichtigen Teil von Hennessys Œuvre aus, das bis zu seinem Tod 1929 auf über 80 Werke mit Opuszahlen anwuchs. Sein Schaffen ist ausschliesslich der Klavier-, Vokal- und Kammermusik gewidmet. In ganz Europa, aber besonders in Irland wurden seine Kompositionen sehr positiv aufgenommen. Anders als andere Komponisten arbeitete Hennessy nicht mit Zitaten irischer Volksmusik, sondern eignete sich deren melodische und rhythmische Besonderheiten an.

Die Initiative, eine CD mit sämtlichen Streichquartetten und dem Streichtrio Swan Hennessys aufzunehmen, ist sehr lobenswert. Unter dem Label des irischen Radios RTÉ erschienen und vom ausgezeichneten hauseigenen RTÉ Contempo Quartet interpretiert, trägt diese Aufnahme dazu bei, Interesse für einen komplett vergessenen Komponisten zu wecken. Die Mitglieder des Streichquartetts, dem man mit Freude zuhört, kennen sich seit ihrer Schulzeit in Bukarest. Seit Jahren ist das Ensemble im irischen Galway beheimatet und hat sich sowohl mit Aufführungen des traditionellen Repertoires als auch mit Uraufführungen von zeitgenössischer irischer Musik einen Namen gemacht.

Besonders berührend ist Hennessys zweites Quartett op. 49 von 1920, das an Terence MacSwiney, den Lord Mayor of Cork, erinnern soll, der im gleichen Jahr in einem englischen Gefängnis nach einem Hungerstreik starb und so zu einem Märtyrer der irischen Unabhängigkeitsbewegung wurde.

Dass Hennessy kein Freund der atonalen Musik und der Avantgarde im Allgemeinen war, ist seinen Kompositionen anzuhören. Sein Ziel war es, eine pan-keltische Musik zu schaffen, die sich auf die Traditionen Irlands, Schottlands und der Bretagne bezieht. Seine von einer milden Melancholie durchzogenen Streichquartette, denen extreme dynamische Kontraste und übersteigerte Emotionen fehlen, sind gute Beispiele dafür. Das RTÉ Contempo Quartet trifft ihren Tonfall perfekt und überzeugt durch nuancierte und klangschöne Interpretationen.
 

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Swan Hennessy: Complete String Quartets 1–4, Sérénade & String Trio. RTÉ Contempo Quartet (Bogdan Sofei und Ingrid Nicola, Violinen ; Andreea Banciu, Viola; Adrian Mantu, Violoncello)
RTÉ lyric fm CD 159

 

In Luzern folgt auf Gaffigan Sanderling

Michael Sanderling wird ab der Saison 2021/22 Chefdirigent des Luzerner Sinfonieorchesters. Er tritt damit die Nachfolge des derzeitigen Chefdirigenten James Gaffigan an.

Michael Sanderling (Foto: Vera Hartmann)

Als langjähriger Chefdirigent der Dresdner Philharmonie hat sich Michael Sanderling international einen Namen erarbeitet. Als Gast-Dirigent von Klangkörpern wie der Berliner Philharmoniker konnte Sanderling in den letzten Jahren ebenfalls Erfolge feiern. Der gebürtige Berliner mit Jahrgang 1967 wurde vom Trägerverein Luzerner Sinfonieorchester einstimmig gewählt.

Erstmals dirigierte Sanderling das Luzerner Sinfonieorchester 2010 in einem Programm mit Werken von Schubert und Brahms; 2014 ein weiteres Projekt mit Partituren von Weill und Schostakowitsch. Im März 2019 leitete er zwei Programme in Luzern sowie die «Residenz» des Luzerner Sinfonieorchesters am Tongyeong Festival (Südkorea), Im Mai 2019 übernahm Sanderling in Luzern kurzfristig die Leitung von Abonnementskonzerten mit der 5. Sinfonie von Schostakowitsch.

Der zukünftige Chefdirigent des Luzerner Sinfonieorchesters deckt nicht nur das bestehende Kernrepertoire des Luzerner Sinfonieorchesters ab, er steht laut der Medienmitteilung auch für eine weitere Entwicklung des Klangkörpers in Richtung des spätromantischen Repertoires wie Bruckner, Mahler und Strauss.

Chamber Music Competition zeichnet Ensembles aus

Die Swiss Chamber Music Competition hat drei Ensembles ausgezeichnet. Sie erhalten Geldpreise und das Recht, einen Kompositionsauftrag zu erteilen. Es sind dies das Nerida Quartett (Streichquartett), das Duo Sikrona (Violine, Klavier) und das Atreus Trio (Violine, Violoncello, Klavier).

Nerida Quartett (Bild: Facebook)

Die drei Erstplatzierten gewinnen Preise von 5000, 3000 und 2000 Franken. Ausserdem können sie je einen von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia finanzierten Kompositionsauftrag an einen Nachwuchskomponisten ihrer Wahl erteilen. Die drei Werke werden anlässlich des Festivals in Adelboden (11. bis 20. September 2020) uraufgeführt.

Der Orpheus Wettbewerb wird an allen schweizerischen Musikhochschulen mit dem Zweck durchgeführt, Nachwuchsensembles am Start ihrer kammermusikalischen Berufslaufbahn zu fördern. Das Vorspiel aller angemeldeten zwanzig Ensembles fand dieses Jahr an der Zürcher Hochschule der Künste statt.

Die fünfköpfige Jury unter der Leitung des Cellisten und Komponisten Thomas Demenga wählte die Ensembles aus, die am 10. Swiss Chamber Music Festival Adelboden und am Festival Musikdorf Ernen 2020 auftreten können. Weitere für das Swiss Chamber Music Festival in Adelboden nominierte Ensembles sind das Berchtold Piano Trio und das Trio Ernest.

Ensemble Proton hat einen Geschäftsführer

Das Ensemble Proton Bern hat einen Geschäftsführer bestimmt. Ab Januar 2020 übernimmt der Berner Kulturmanager Peter Erismann die neugeschaffene Stelle. Er wird unter anderem für das Budget und das Fundraising verantwortlich sein.

Peter Erismann (Bild: zVg)

Erismann wird er das achtköpfige Ensemble auch bei der künstlerischen Weiterentwicklung und besonders in spartenübergreifenden Projekten begleiten und unterstützen. Proton ist seit zehn Jahren für Uraufführungen (unter anderem als Ensemble in Residence in der Dampfzentrale Bern) im Bereich der zeitgenössischen klassischen Musik bekannt geworden und hat dieses Jahr den Musikpreis des Kantons Bern erhalten.

Der 58-jährige Peter Erismann stammt aus einer Musikerfamilie und war viele Jahre als Ausstellungsleiter, Kurator und Herausgeber an der Schweizerischen Nationalbibliothek/Schweizerisches Literaturarchiv tätig. Er ist in Bern gut vernetzt und engagiert sich unter anderem im Vorstand des Vereins Cinéville/Kino Rex, für dessen Umbau er verantwortlich war. Zuletzt wirkte er über vier Jahre als Geschäftsführer des Aargauer Kuratoriums in Aarau.

ISCM erstmals in Frauenhand

An der Generalversammlung der International Society for Contemporary Music (ISCM) ist erstmals in der 97-jährigen Geschichte eine Frau zur Präsidentin gewählt worden, die Neuseeländerin Glenda Keam.

v.l.: Hasnas, Smetanová, Oteri, Keam, Fukui, Kentros (Bild: zVg)

Keam (ISCM New Zealand) folgt auf den scheidenden Peter Swinnen (ISCM Flanders). Neuer Vizepräsident ist der US-Amerikaner Frank J. Oteri (New Music USA). Neu in den Vorstand gewählt wurde Irina Hasnaş (ISCM Romania). Die weiteren Vorstandsmitglieder sind Tomoko Fukui (ISCM Japan), George Kentros (ISCM Sweden) und Olga Smetanova (Generalsekretärin, ISCM Slovakia).

Glenda Keam wird für die Austragung der ISCM World Music Days 2020 in Neuseeland verantwortlich sein. Die erste ISCM-Präsidentin stammt aus dem Land, das in der Neuzeit als erstes das Frauenstimmrecht eingeführt hat, und durch ihre Wahl 2019 wird die ISCM bei ihrem 100-Jahre-Jubiläum 2022 weiblich präsidiert sein.

Die International Society for Contemporary Music ISCM geht auf eine Initiative der Zweiten Wiener Schule während der Salzburger Festspiele 1922 zurück. Zu ihren Gründungsmitgliedern gehörten unter anderen die Komponisten Bartok, Hindemith, Honegger, Milhaud, Ravel, Berg, Schönberg, Strawinsky und Webern. Sie organisiert die alljährlich in einem anderen Land stattfindenden Weltmusiktage (World Music Days WMD).

Bühnenverband unter neuer Leitung

Der Schweizerische Bühnenverband hat Dieter Kaegi zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Er tritt die Nachfolge von Stephan Märki an, der die Intendanz beim Staatstheater Cottbus übernehmen wird und damit die Schweiz verlässt.

Dieter Kaegi (Bild: Marshall Light Studio)

Dieter Kaegi ist seit 2012 Intendant von TOBS Theater Orchester Biel Solothurn und seit 2016 Mitglied im Ausschuss des Schweizerischen Bühnenverbandes (SBV).  Er ist in Zürich geboren und studierte Anglistik und Musikwissenschaft in Zürich, Paris und London. Seine Theaterlaufbahn begann er am Opernhaus Zürich, darauf folgten Stationen an der English National Opera, der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf, der Opéra de Monte-Carlo, den Salzburger Festspielen und am Festival in Aix-en-Provençe.

Er war 12 Jahre Direktor der Opera Ireland in Dublin und ist seit 2012 Intendant von Theater Orchester Biel Solothurn. Als Regisseur war Dieter Kaegi in weit über 100 Inszenierungen an den bedeutendsten Opernhäusern und Festivals in Europa, Amerika und Asien tätig.

Der SBV ist die Dachorganisation der bedeutendsten Berufstheater in der Schweiz. Er vereinigt 74 Theater in der Deutschschweiz, der Romandie und dem Tessin. 17 Betriebe befinden sich in der deutschen Schweiz, 1 Theater befindet sich im Tessin und 56 Bühnen liegen im französischen Landesteil und bilden in der Fédération Romande des Arts de la Scène (FRAS) einen eigenen Verband. Die FRAS ist ihrerseits Mitglied des SBV.

 

Zurückgebeamt in den Sozialismus

Mit Konzert, Film und Diskussion blickt das Collegium Novum Zürich auf die Musikszene der DDR zurück.

So geht Zeitreise: Am Freitag bin ich noch tief im deutschen Osten, in der alten Residenzstadt Dresden bei den leutseligen und traditionsbewussten Sachsen, die sich partout nicht dem «Wessisprech» anpassen wollen und das Verdikt der fernen Westmedien, sie seien für den Faschismus anfällig, freundlich lächelnd wegstecken. Am Samstag dann der Flug mit der Swiss aus dem ehemaligen Tal der Ahnungslosen (kein Westfernsehen) direkt auf die heutige Insel der Glückseligen (präzedenzloser Wohlstand). Doch hier werde ich gleich wieder um dreissig Jahre in eben jenes Tal und die angrenzenden Gebiete zurückgebeamt, die damals noch keine blühenden Landschaften waren. Da finde sich einer noch zurecht.

Ziel der Zeitreise war das Radiostudio Zürich mit der sechsstündigen Veranstaltungsreihe des Collegium Novum Zürich (CNZ) «… und der Zukunft zugewandt …» (eine Zeile aus der DDR-Nationalhymne). Thema war das, was bis 1989 «DDR-Musik» oder allgemein «DDR-Kultur» hiess und heute nur noch Gegenstand von Erinnerung ist – verbunden je nach Gesichtspunkt mit Erleichterung oder mit nostalgischen Gefühlen. Beides schwang im umfangreichen Programm mit zwei Konzertblöcken, zwei Filmen und einer Podiumsdiskussion mit. Der Abend trug die Handschrift des noch in der DDR geborenen Jens Schubbe, der nun nach neun Jahren die Leitung des CNZ an Johannes Knapp abgibt und nach Deutschland zurückkehrt, um bei der Dresdner Philharmonie als Dramaturg zu arbeiten. In Dresden wurde das Konzert in der Zürcher Besetzung inzwischen wiederholt – am symbolbeladenen Datum des 9. November.

Wenn eine ganze Kultur unter die Räder kommt

Er möchte mit diesem Projekt ein Bewusstsein für Historizität schaffen, sagt Schubbe. Seine Idee: Eine über Jahrzehnte gewachsene Kulturlandschaft sollte trotz ihren eklatanten Problemen und Widersprüchen nicht einfach im Orkus der Geschichte verschwinden. Tatsächlich ist die zeitgenössische Musik der DDR nach der Wende 1989 auf ähnliche Weise abgewickelt worden wie die Wirtschaft; der kapitalstarke westdeutsche Kulturbetrieb hat einiges davon integriert, das meiste aber beiseitegeschoben und damit dem Vergessen überantwortet.

Vieles, was in diesem deutschen Sozialismus produziert wurde, ist zu Recht untergegangen. Von Staatskunst mit populistischen Maximen und stupiden, wenn auch fortschrittlich verkleideten Erziehungsparolen wie einst bei Hitler und Stalin hatten viele DDR-Bürger die Nase voll. Die etwas Wacheren unter den Komponisten fühlten sich ohnehin andauernd gegängelt. Daran änderte sich grundsätzlich auch nichts, wenn eine parteioffizielle Autorität wie Paul Dessau sein Prestige in die Waagschale legte, um den unzufriedenen Nachwuchs hin und wieder gegen sture Kulturfunktionäre zu verteidigen.

Als dann in den Siebzigerjahren die Sozialistische Einheitspartei (SED) die Vorgaben für die Künstler ein wenig lockerte, entstand das, was als «DDR-Avantgarde» auch im Westen Aufmerksamkeit erregte: Werke, in denen die knappen Freiräume zur Entfaltung der individuellen Kreativität genutzt und sogar erweitert wurden. In ihnen manifestiert sich die für die Kunst in einer Diktatur charakteristische Dialektik von erzwungener Anpassung und verschlüsselt formuliertem Widerstand. Zu den Protagonisten dieser Entwicklung zählten etwa die aufmüpfigen, mit dem Leipziger Ensemble «Neue Musik Hanns Eisler» verbundenen Komponisten Friedrich Goldmann und Friedrich Schenker, die Berliner Georg Katzer, Paul-Heinz Dittrich und Reiner Bredemeyer und, mit stärker konservativem Einschlag, auch Udo Zimmermann in Dresden.

Widerstand und Abgesang

Stellvertretend für das Schaffen dieser Generation brachte das Collegium Novum unter Jonathan Stockhammer nun drei bedeutende Werke zur Aufführung. Die Kammermusik II von Paul-Heinz Dittrich von 1973, ein energiegeladener, streitbarer Dialog zwischen Tonband und kleinem Ensemble, enthält mit denaturierten Klängen, Mikrotönen und bedingungslos subjektivem Tonfall alles, was in der DDR damals noch als westliche Dekadenz galt. La fabbrica abbandonata III von Georg Katzer von 2010 ist eine postmoderne Antwort auf Luigi Nonos revolutionäre Komposition La fabbrica illuminata und zugleich ein symbolstarker Abgesang auf ein bankrottes Gesellschaftssystem. Das Stück basiert auf einem Text von Wolfgang Hilbig aus den Siebzigerjahren, der den industriellen Zerfall in der DDR in eine gespenstische Untergangsvision packt. Der lange erste Teil ist ein beschreibendes Monodram (Sprecher: Peter Schweiger), der Schluss mit seiner exponierten Sopranpartie ein Stück surreale Poesie (mit akrobatischer Präzision: Catriona Bühler).

Als drittes Werk erklang die Sonata a quattro, komponiert 1989 von Friedrich Goldmann. Das Stück für viermal vier Instrumente exponiert die Instrumentenfamilien Holz- und Blechbläser, Streicher und Schlagzeug in ihrer spezifischen Klanglichkeit und mischt sie schrittweise zu immer neuen Konstellationen. Der latente Formalismus dieser Anordnung wird konterkariert durch eine Vielzahl an Farben und einen orgiastischen Tuttimoment. Mit seinem raumgreifenden Gestus nimmt das Werk deutlich hörbar Abschied von der Enge der Vergangenheit.

Desertiert in Boswil

Einer, dem das bisschen Freiraum in der DDR nicht reichte, war Wilfried Jentzsch. Er nutzte 1973 einen Aufenthalt im Künstlerhaus Boswil, damals einer der wenigen von den SED-Kulturoberen akzeptierten Auftrittsorte für DDR-Avantgardisten im Westen, um sich aus dem Arbeiter- und Bauernparadies zu verabschieden. Nun war er in Zürich zu Gast und schilderte im Gespräch mit Jens Schubbe und Johannes Knapp anschaulich die damalige Situation und die Beweggründe der Flucht.

Jentzsch verzichtete auf die existenzsichernde Zusammenarbeit mit sogenannten Kulturbrigaden aus den Betrieben – die Partei hatte das unter der Bezeichnung «Bitterfelder Weg» zur kulturpolitischen Richtlinie gemacht – und schlug sich lieber auf dem freien Markt im Westen durch. In Paris kam er in Kontakt mit Xenakis und begann elektronische Musik zu komponieren. Dann, nach der Wende, die Heimkehr in ein fremdes Land, das doch irgendwie gleich geblieben war: Die Musikhochschule Dresden berief ihn zum Leiter des Elektronischen Studios. Von Jentzsch wurde in Zürich die Komposition Tamblingan für elektronische Klänge und Videoprojektion vorgestellt, in der digitale Klangsignale und abstrakte Pixelbilder korrelieren.

Surreale Bilder aus einer freudlosen Gesellschaft

Zwei Filme des 2017 verstorbenen DDR-Filmemachers Frank Schleinstein ergänzten das Programm. Erdspiel (1990) ist ein beklemmender Rückblick auf eine freudlose Gesellschaft. Nachkriegselend, marode Industrielandschaften, eine sterile Öffentlichkeit und die Suche des Ichs nach einem lebenswerten sozialen Ort werden zu surrealen Bildfolgen verdichtet. Ein Porträtfilm über Friedrich Goldmann gibt trotz mancher Mängel – oft wurden einfach Tonbandinterviews mit Bildern unterlegt – einen guten Einblick in die damalige Kulturszene. Auch Prominenzen kommen zu Wort. Die Regisseurin Ruth Berghaus erzählt etwa, dass bei Goldmann oft Musiker verkehrten, die sich in ihrem Land «nicht wohl fühlten». Sie nennt Henze und Nono, unterschlägt aber, ganz Nomenklaturakünstlerin, die Komponisten im eigenen Land. «Wir da oben, ihr da unten»: Das war eben auch im Sozialismus nicht unbekannt.

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