Der Doyen und drei Generationen

Walter Grimmer und das 3G-Quartett haben Schuberts Streichquintett C-Dur eingespielt. Als Auftakt erklingt Philippe Racines Adagio, entstanden auf Anregung Grimmers.

Walter Grimmer. Foto: Ursula Lehmann Artists Management

Gerade ist Walter Grimmer 82 geworden. Nach einem reichen musikalischen Leben die Beine hochlegen möchte er aber nicht. Der gerne als «Doyen der Schweizer Cellisten» bezeichnete Musiker, der sich mit viel Leidenschaft besonders auch der Neuen Musik gewidmet hat, legt nun mit seinem Dreigenerationenquartett 3G eine bemerkenswerte Einspielung des Schubert-Streichquintetts in C-Dur vor, die gerade in den lyrischen Passagen eine berührende Klangschönheit und Innigkeit atmet. Der Streicherklang ist genau abgestimmt, das Vibrato so geschmackvoll wie dezent. Walter Grimmer spielt den zweiten Cellopart, sein Schüler Sébastien Singer den ersten; Egidius Streiff, souverän, aber nie dominierend an der ersten Geige, die junge Lisa Rieder an der zweiten und Mariana Doughty an der Viola komplettieren das Ensemble.

Der zweite Satz ist mit den flächigen, warmen Akkorden in den Mittelstimmen ein echter Locus amoenus, bevor im Mittelteil eine andere Welt hereinbricht, der es aber dann doch ein wenig an Dramatik fehlt, um den von Schubert komponierten extremen Kontrast noch eindringlicher werden zu lassen. Auch im Kopfsatz entscheidet sich das um ein Cello erweiterte 3G-Quartett eher für Verbindlichkeit als für Deutlichkeit – die abstürzenden Stakkato-Achtel hat man schon dramatischer gehört. Im Scherzo schärfen die fünf die Kontraste zwischen lustvoll zupackend und ätherisch entrückt im Mittelteil. Das recht gemächlich startende Finale entfesselt nach und nach die gestaute Energie und ist herrlich frei musiziert. Kleinere Ungenauigkeiten wie klappernde Pizzikati im Adagio fallen kaum ins Gewicht.

Dass vor dem Quintett ein Adagio für Streichquintett des Schweizer Komponisten Philippe Racine erklingt, das Walter Grimmer in Auftrag gegeben hat, passt zur Vita des Schweizer Cellisten, der sich stets für zeitgenössische Werke eingesetzt und zahlreiche von ihnen uraufgeführt hat. Hier erbat er sich explizit ein Werk, das vor dem Schubert-Quintett zu spielen sei: C-Dur-Reminiszenzen treffen auf Flageolettzauber, verlorene Triller, gespannte Akkorde und innige Melodiefragmente.

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Franz Schubert: Streichquintett in C-Dur, Philippe Racine: Adagio für Streichquintett. Walter Grimmer und das 3G-Dreigenerationenquartett. Solo Musica SM 331

 

 

 

 

 


Anmerkungen von Walter Grimmer zu Schuberts Streichquintett D 956 op. posth. 163

«Seit der Erfindung der Notenschrift gibt es die Tonkunst in zwei Aggregatzuständen: als notierte und als klingende Musik. […] Seit der Erfindung der Schallplatte hat sich verstärkt eine dritte Grösse zwischen Notation und Klang geschoben, nämlich der Interpret.»(1)

Indes ist die Zielsetzung des Interpreten einzig und allein, die Musik «in ihrem innersten Wesen»(2) als zeitlich gebundenen Klang hörbar zu vermitteln. Waches Formbewusstsein, empfindsamste Klangsensibilität in Bezug auf die Harmonik sowie Beherrschung der spieltechnischen und dynamisch-dramatischen Ausführung sind die Grundlagen, ohne die er sich nicht einmal in die Nähe der grossen Meisterwerke wagen kann.

Eine massgebende Interpretation des Streichquintetts D 956, Schuberts instrumentalem Schwanengesang, unbestreitbarem Gipfel seiner Gattung, verlangt eine fundierte innovative Kunstfertigkeit seiner Interpreten; sie können sich das Stück freilich seit langem leider nur in einer recht zweifelhaften Drucklegung des verschollenen Manuskriptes aneignen: Spätestens seit der ersten Ausgabe als «Grand Quintuor» von 1853 bei C.A. Spina in Wien ist das Manuskript unauffindbar.

Zahlreiche offensichtliche Unstimmigkeiten, auch Flüchtigkeitsfehler, die Schubert nicht mehr korrigierend hat bereinigen können, sind seltsamerweise auch von den neuesten sog. Urtextausgaben übernommen worden. Auch scheint es, immer im Vergleich mit anderen Spätwerken Schuberts, dass der unbekannte Kopist besonders den letzten Satz des Quintetts mit dynamischen Anweisungen eigenmächtig und verschwenderisch überladen hat.

Ein offensichtliches Beispiel für die zweifelhafte Authentizität des überlieferten Textes: Am Schluss der Exposition des ersten Satzes macht der letzte Dominantseptakkord nur Sinn, wenn diese wiederholt wird. Keinesfalls ist er ein «Wegweiser» zur anfänglichen Durchführungs-Tonart. Editionstechnisch gesehen müsste dieser Takt also als «erster Ausgang» kenntlich gemacht werden, der folgende Takt hingegen als «zweiter Ausgang». Als weiteres Beispiel sticht die tradierte Verwässerung der Form des dritten Satzes und dessen Trio ins Auge. Seine überlieferte Gestalt ist auch hier neu zu lesen, die Coda natürlich nur einmal zu spielen – der Interpret wird wahrhaftig zum Sinnstifter. Auf diesen Sachverhalt ist bisher in den Ausgaben und in der Literatur zu Schubert seltsamerweise noch nicht eingegangen worden.

Durch seinen harmonisch uns so berührenden Gehalt, nicht zuletzt auch durch die zeitliche Ausdehnung, durch den «epischen Charakter»(3) seiner letzten Werke scheint Schubert das «bergende Gehäuse»(4) der Sonatensatzform schier zu sprengen.

Wie ein Leitmotiv erlebt der Hörer in jedem der drei ersten Sätze die langen und verzehrenden an- und abschwellenden Klänge. Anders das abschliessende Unisono-C des letzten Satzes: Wie, wenn dieses nur noch, unendlich abschwellend, als ein Verstummen in bodenloser Tiefe gedacht wäre?

Die wechselseitige Funktions- und Lagenänderung der fünf Streichinstrumente – selbst die Bratsche wird gelegentlich zum Fundament – ist eine der genialen Seiten dieses Quintetts; Möglicherweise hat der Komponist hier die erweiterte Bass-Aura seines «Forellenquintetts» D 667 weiterentwickelt. Die vielen bereits existierenden Quintette mit zwei Celli, von Boccherini bis Onslow, gehen eigene Wege und haben nichts gemeinsam mit Schuberts visionärem Wurf einer fast symphonisch anmutenden Kammermusik.

Das so viel gespielte Stück, oft ad hoc zusammengewürfelt, oft auch einfach mit einem Stargast am zweiten Cello besetzt, hat allen Unstimmigkeiten zum Trotz seinen hohen Rang behalten können. Ich erlebte es als eine sehr grosse Chance, dieses ultimative Meisterwerk während Jahren immer wieder neu zu überdenken und «auszuhören».

Das Abwägen der Nuancen, der stets vorhandene Zweifel an der Authentizität der überlieferten Partitur, das Verwerfen oder das Hinzufügen von Spielanweisungen, das Ausformulieren des nicht Notierten, auch das «Lernen vom Partner» und schliesslich das wiederholte Nachprüfen im Konzert – ein leidenschaftliches musikalisches Abenteuer, auf welches ich lange habe warten müssen, hat mit dieser Einspielung seinen harmonischen Abschluss gefunden.

Mein tiefer Dank gilt meinen Freunden vom 3Gdreigenerationenquartett; nur durch ihren bedingungslosen künstlerischen Einsatz konnte diese Einspielung realisiert werden.

 

1) Silke Leopold : Über die Musik. https://www.swp.de/suedwesten/staedte/ulm/silke-leopold-ueber-die-musik-29457622.html, [konsultiert am 31 Juli 2019]

2) Ibid.

3) Ernest Ansermet, 1961. Les Fondements de la musique dans la conscience humaine. Neuchâtel, Ed. de La Baconnière, S. 420.

4) Peter Gülke, 1973. Schubert. München, Ed. text + kritik, S. 150

 

Ehrendoktorwürde für Rudolf Lutz

Der Musiker und Dirigent Rudolf Lutz ist von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich für seine langjährigen Verdienste um die Vermittlung geistlicher Musik mit einem Ehrendoktor ausgezeichnet worden.

Rudolf Lutz. Foto: Jelena Gernert,SMPV

Der 1951 geborene Rudolf Lutz ist Pianist, Organist, Cembalist, Komponist, Dirigent und Improvisator. Bis 2013 war er Organist an der evangelischen Stadtkirche St. Laurenzen in St. Gallen und bis 2008 leitete er den Bach-Chor St. Gallen. Zu seiner langjährigen Tätigkeit als Dozent zählten Lehrstühle an der Schola Cantorum Basiliensis (Improvisation), an der Hochschule für Musik Basel (Generalbass) und an der Musikhochschule Zürich (Oratorienkunde).

Die Uni Zürich würdigt mit ihrer Auszeichnung insbesondere auch die von Lutz realisierte Gesamtaufführung des Vokalwerks von Johann Sebastian Bach. Er amtet als musikalischer Leiter dieser Gesamtaufführung durch die  J. S. Bach-Stiftung St. Gallen – eine Aufgabe, die er seit 2006 erfüllt. Seit 2016 ist Rudolf Lutz Mitglied des Direktoriums der Neuen Bachgesellschaft e. V. Leipzig.

Neue Lieder für Gott und die Welt

Der Chorleiterband des «Freiburger Kinderchorbuchs 2» bietet Notentext, Höreinedrücke und viele Umsetzungstipps.

Ausschnitt aus dem Buchcover

Zwölf Jahre nach der Herausgabe des inzwischen allseits etablierten Freiburger Kinderchorbuchs erschien nun eine erfreuliche Folgesammlung mit 100 geistlichen und 40 weltlichen Liedern. Die sorgfältig ausgewählte Zusammenstellung ist stilistisch, inhaltlich und besetzungstechnisch sehr vielfältig. So sind Werke von Homilius, Mendelssohn und Pärt ebenso vertreten wie Auszüge aus Kindermusicals oder Eigenkompositionen des Herausgeber-Teams.

Durch ein detailliertes Register und kurze katechetische Einleitungen wird die Verwendung der geistlichen Lieder für den Gottesdienst erleichtert. Zudem zeigen Umsetzungsratschläge und Spielanleitungen Entwicklungsmöglichkeiten für die Probenarbeit auf. Die Klavierbegleitsätze sind auch für nicht studierte Kinderchorleiter und -leiterinnen gut spielbar, und eine Begleit-CD bietet einen ersten Eindruck der Lieder. Das Freiburger Kinderchorbuch 2 sollte als Ergänzung zum ersten Band in keinem Regal fehlen.

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Freiburger Kinderchorbuch 2. Neue Lieder für Gott und die Welt, Chorleiterband mit CD, CV 12.080/00, € 34.95, Carus, Stuttgart 2020

Süddeutsche Theater im Lockdown

Baden-Württemberg verlängert Corona-Massanahmen. Dies bedeutet unter anderem für die Staatstheater von Stuttgart und Karlsruhe erneute Schliessung. Das Festspielhaus Baden-Baden streicht auch die Ersatz-Osterfestspiele. Auch das Saarländische Staatstheater muss wieder schliessen.

Theatersaal im Augustinum Stuttgart-Sillenbuch. Foto: Michael Kube

Ein Alptraum sei wahr geworden, schreibt das Saarländische Staatstheater: Nach kurzer Vorfreude über die Wiedereröffnung am 8. April und sechs erfolgreichen Premieren müsse es leider mitteilen, dass es ab Samstag, 24. April 2021 die Pforten für das Publikum wieder schliessen müsse. Das geänderte Infektionsschutzgesetz und die damit einhergehende »Bundes-Notbremse« zwinge es zu diesem drastischen Schritt. Im Staatstheater Stuttgart gibt es statt des regulären Spielbetriebs nur digitale Angebote sowie «Gedichte am Telefon».

Das Festspielhaus Baden-Baden sagt seine öffentlichen Veranstaltungen für den Monat Mai ab. Die aktuelle Landesverordnung verbietet den Spielbetrieb zunächst bis zum 16. Mai 2021. Entsprechend kann die geplante Residenz der Berliner Philharmoniker vom 6. bis 9. Mai nicht stattfinden. Weiter werden auch die Pfingstfestspiele 2021 (13.-24. Mai) in Baden-Baden nicht stattfinden können, da der Vorlauf für das Festival zu kurz wäre.

Ausschreibung und Suche nach Vorstandsmitgliedern

Für den diesjährigen OSEW läuft die Anmeldefrist bis am 31. Mai. Weiterhin werden drei Vorstandsmitglieder gesucht.

Der Ostschweizer Solisten- und Ensemblewettbewerb (OSEW) wurde im Jahr 2001 von einigen initiativen Mitgliedern der Liberty Brass Band Ostschweiz gegründet. Durch die ständig steigende Teilnehmerzahl wurde der OSEW zu einem der grössten Musikwettbewerbe der Schweiz. Um die Zukunft des Wettbewerbs zu sichern, wurde am 9. Februar 2010 der Verein OSEW gegründet.

Eigentlich hätte man im September 2020 das 20-jährige Bestehen feiern wollen, doch Corona zog einen Strich durch die Rechnung. Die Feier findet nun, wenn es die Umstände zulassen, am 11. September statt.

Trotz erschwerter Bedingungen war der Musikwettbewerb 2020 ein grosser Erfolg. An diesen möchte man wieder anknüpfen. Vorstand und Musikkommission haben einige Änderungen vom letzten Jahr übernommen; so finden die Rangverkündigungen jeweils bereits im Laufe des Tages statt. Die Ausschreibung für den Wettbewerb läuft bis am 31. Mai. Man kann sich direkt über www.osew.ch anmelden.

Nach wie vor werden drei Vorstandsmitglieder gesucht. Im Speziellen für das Rechnungsbüro, das von einer IT-affinen Person besetzt werden sollte. Weitere Informationen und Kontaktadressen finden Interessierte auf der Website.

Musikalischer Nachwuchs in Luzern

Der 46. Schweizerische Jugendmusikwettbewerb (SJMW) findet ohne Publikum im Südpol in Kriens statt. Das Schlusskonzert wird später von SRF2 und auf der SJMW-Website ausgestrahlt.

Impression vom SJMW 2019. Foto: SJMW/Ueli Steingruber

Im März haben sich von über 1000 Kandidatinnen und Kandidaten 366 für das Finale qualifiziert. Die jungen Talente spielen solistisch oder in Kammermusikformationen und werden von Fachjurys beurteilt.
Die Stundenpläne sind auf der SJMW-Website zugänglich (Link).

Für das Finale arbeitet der Schweizersche Jugendmusikwettbewerb mit dem Südpol, der Musikschule der Stadt Luzern, der Hochschule Luzern und dem Orchesterhaus des Luzerner Sinfonieorchesters zusammen.

Wie der SJMW mitteilt, finden die Vorspiele ohne Publikum statt, werden jedoch in Ton und Bild aufgenommen. Das Schlusskonzert wird später von SRF2 und auf der SJMW-Website ausgestrahlt.

Gemäss Maurice Steger, Präsident der Fachkommission Klassik, sei das musikalische Niveau der Teilnehmenden erfreulich hoch.
 

Mozart-Manuskript in Berlin versteigert

Ein Mozart-Manuskript ist vom Berliner Auktionshaus J.A. Stargardt für 130 000 Euro an einen privaten Bieter aus den USA versteigert worden. Es enthält Violinstimmen für Orchestertänze und Entwürfe für ein Konzert.

(Bild: zVg)

Das Manuskript enthält die vollständige erste Violinstimme für zwei Orchestertänze, Nr. 4 der Fünf Kontretänze KV 609, und Nr. 1 der Zwei Quadrillen (Menuette mit Kontretänzen) KV 463 (448c) sowie drei Entwürfe für das Programm seines berühmten Konzerts im alten Wiener Burgtheater vom 23. März 1783. Das Manuskript scheint der Mozart-Forschung unbekannt und in der Literatur nicht verzeichnet zu sein.

Das Dokument stammt laut dem Auktionshaus aus einer deutschen Privatsammlung des 19. Jahrhunderts. Aufgearbeitet wurde es von John Arthur, Perranwell Station, Grossbritannien.

Baugesuch für das Klanghaus

Der Kanton St. Gallen reicht in diesen Tagen bei der Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann das Baugesuch für den Holzbau des seit längerem geplanten Klanghauses ein. Voraussichtlich Ende 2024 soll es fertiggestellt sein.

Simulation: nightnurse images, Zürich

Das Klanghaus entsteht am heutigen Standort des Hotels Seegüetli am Schwendisee oberhalb von Unterwasser. Im Vergleich zum Hotel wird es weiter entfernt vom See erstellt. Deshalb müssen in einem ersten Schritt die heutige Strasse verlegt und das Hotel Seegüetli abgerissen werden. Die Strassenbauarbeiten starten im Sommer 2021.

Mit dem neuen Klanghaus entsteht ein musikalisches und architektonisches Zentrum für Naturtonmusik. Es soll mit einzigartiger Akustik sowohl professionelle Musikerinnen und Musiker als auch Laien für Proben, Kurse und Experimente anziehen.

Mehr Infos:
https://www.sg.ch/news/sgch_allgemein/2021/04/kanton-reicht-baugesuch-fuer-das-klanghaus-ein.html

Chur fördert Luca Sisera

Der literarische Werkbeitrag 2021 der Stadt Chur in der Höhe von 10’000 Franken geht an den Churer Jazzmusiker Luca Sisera für die Komposition des Projekts Clutch Company.

Foto: Martin Baumgartner / zVg

Die genreübergreifende Komposition, in der Siseras Jazzquintett Roofer auf ein klassisches Orchester trifft, soll «festgefahrene Grenzen überschreiten und Musikerinnen und Musiker verschiedener Stilistiken in einem Grossprojekt vereinen». Die Uraufführung der Komposition in Zusammenarbeit mit der Kammerphilharmonie Graubünden und dem Verein JazzChur ist auf September 2022 angesetzt.

Der 1975 in Chur geborene Luca Sisera ist in der Schweizer Jazz- und Improszene als Bassist bekannt. Mit dem 2013 gegründeten Quintett Luca Sisera Roofer konnte er auch als Komponist international auf sich aufmerksam machen. Tourneen und Konzerte führten ihn schon nach China, Indien, Russland, Guatemala, Jordanien, Ägypten, in die USA und quer durch Europa. Siseras Schaffen wurde darüber hinaus auf bisher über vierzig Tonträgern dokumentiert. Seine künstlerische Arbeit wurde mehrfach mit Stipendien und Auszeichnungen unterstützt und gewürdigt.

Die Stadt Chur vergibt jedes Jahr einen literarischen Werkbeitrag in der Höhe von 10’000 Franken, um ein konzentriertes Arbeiten an einem längerfristigen kulturellen Projekt zu ermöglichen. Der Werkbeitrag ist in erster Linie zur finanziellen Unterstützung von Autorinnen und Autoren, Komponistinnen und Komponisten oder Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren gedacht. Für den Werkbeitrag 2021 wurden insgesamt sechs Gesuche eingereicht.

Musikrat erfreut über Lockerungen

Der Scbweizer Musikrat begrüsst es grundsätzlich, dass der Bundesrat Kulturveranstaltungen prinzipiell wieder ermöglicht. Kulturveranstaltende, Kulturschaffende oder Agenturen könnten allerdings nach wie vor nicht normal arbeiten

Foto: Dima Pechurin / unsplash.com (s.unten)

Der Bundesrat habe an seiner heutigen Sitzung dem dringenden Bedürfnis der Menschen nach Live-Kultur Rechnung getragen, heisst es im Communiqué des Musikrates. Dies sei  erfreulich und wichtig. Wir alle bräuchten Begegnungen, soziale Treffpunkte wie Kulturanlässe, Restaurants oder Bars. Daher seien Anlässe mit 50 Personen im Innen- und 100 Personen im Aussenbereich ein wichtiger erster Schritt.

Allerdings bedeuten die konkreten Auflagen für viele Kulturveranstaltende, Kulturschaffende oder Agenturen, dass sie nach wie vor nicht normal arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen können:

● Für grössere Anlässe gibt es nach wie vor keine Perspektive (z.B. Festivals);
● Für viele mittlere und kleine Veranstaltungsorte macht es die Vorgabe von maximal halber Belegung faktisch unmöglich, zu veranstalten;

Auch im nicht professionellen Bereich bestehen weiterhin starke Einschränkungen:
● Aufführungen vor Publikum sind weiterhin verboten, viele Blasmusiken können faktisch nicht proben (25 m2/Person).

Daher sind die Weiterführung und rasche Auszahlung der Entschädigungen im Kulturbereich unabdingbar. Für grössere Anlässe braucht es einen Schutzschirm, der rasch und schweizweit einheitlich umgesetzt wird.

Mit der schrittweisen Öffnung wird der Kultursektor beweisen können, dass er taugliche Schutzkonzepte hat, bei denen die Sicherheit der Besuchenden, der Auftretenden und der ganzen Crew im Vordergrund stehen. Dies wiederum wird dem Bundesrat die Möglichkeit geben, rasch weitere Öffnungsschritte zu beschliessen.

Medienmitteilung des Bundesrates:
https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83106.html

Appenzeller Kantone unterstützen Vorsorgeportal

Das neue Vorsorgeportal #seinodernichtsein bietet Beratung durch Ambassadors, welche die Situation der Kulturschaffenden aus eigener Erfahrung kennen. Die beiden Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden unterstützen das Projekt gemeinsam.

Foto: John Schnobrich / unsplash.com (s. unten)

Mit pointierten Fragen lädt das im März 2021 lancierte Online-Portal #seinodernichtsein unter www.sein-oder-nichtsein.ch der Schweizerischen Interpretenstiftung SIS und der Gesellschaft für Leistungsschutzrechte Swissperform dazu ein, sich aktiv mit ihrer Vorsorge zu befassen. Zu jeder Frage finden sich Informationen, welche die relevanten Aspekte der sozialen Sicherheit umfassen: Altersvorsorge, Arbeitslosigkeit, Steuern, Sozialversicherungen, Selbständigkeit, Budgetierung, Familienrecht und vieles mehr. Die Informationen werden laufend geprüft und aktualisiert.

Wer nach einer ersten Übersicht auf dem Portal vertieften Rat benötigt, findet neben weiterführenden Links auch ein Netzwerk von erfahrenen Ambassadors, die eine kostenlose Besprechung anbieten. Diese Ansprechpersonen wurden in Zusammenarbeit mit den Kulturabteilungen verschiedener Kantone ausgesucht und werden für ihr Engagement entschädigt. Um die Beratungsqualität sicherzustellen, nehmen sie regelmässig an Weiterbildungen teil. Die beiden Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden teilen sich die Kosten für eine Ambassadorin.

Link zum Vorsorgeportal: #seinodernichtsein

Irritierend dicht

Die zweite Ausgabe der «Tuns Contemporans» wurde aus dem Theater Chur live gestreamt. Das Programm war äusserst ambitioniert – und enttäuschte nicht.

Ein wenig gespenstisch wirkte es ja schon, als einzig die Musiker der Kammerphilharmonie Graubünden applaudierten. Zumal sie beim Eröffnungsstück der Tuns Contemporans ja ebenfalls auf der Bühne gestanden hatten. Doch ohne Publikum im Saal standen sie nun mal am Ende der Beifallsbekundungskette. Und was die Sopranistin Irina Ungureanu kurz zuvor während der Uraufführung von David Sontòn Caflischs Isopor Oss geleistet hatte, verlangte einfach nach Ovationen.

Man lernt, mit solch befremdlichen Momenten zu leben, sind sie doch nur Begleiterscheinungen der Bemühungen, das Beste aus der gegenwärtigen Situation zu machen. Und darüber, ob das Streamen von Konzerten vor leeren Rängen eine Lösung ist, lässt sich zwar streiten angesichts von Werken, die für den mit Publikum ausgestatteten Konzertsaal geschrieben worden sind. Doch für ein Festival, das erst vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben wurde und nun seine zweite Ausgabe erlebt, ist es essenziell. Junge Pflänzchen müssen gepflegt werden, zumal solche, die mit einem gewissen Anspruch antreten. Nicht stattzufinden, ist da keine Option.

Die von den beiden professionellen Klangkörpern des Kantons Graubünden, dem Ensemble ö! und der Kammerphilharmonie Graubünden, gemeinsam initiierte Biennale formuliert nämlich gleich mehrere hochgesteckte Ziele. Die künstlerischen Leiter Philippe Bach und David Sontòn Caflisch wollten mit einem nur an Komponistinnen gerichteten Call for Scores ein Zeichen setzen für mehr Diversität in der noch immer stark männerdominierten Musikszene. Zudem ergingen Kompositionsaufträge an drei Generationen Bündner Komponisten, deren Werke Stücken von schweizerischen und internationalen Grössen gegenübergestellt wurden, darunter des Engländers Thomas Adès, der Südkoreanerin Unsuk Chin oder des Finnen Magnus Lindberg. Und nicht zuletzt sollte die zeitgenössische Musik ganz selbstverständlich in den Konzertalltag reintegriert werden.

Eindrückliche Werke überzeugend interpretiert

Es ist schon richtig, sich hohe Ziele zu setzen. Und dass mit Magnus Lindberg ein Star der Szene als Composer in Residence gewonnen werden konnte, bestätigt die Veranstalter in ihren höchsten Ansprüchen . Einzig die Menge an Themen irritierte, gab es über ein Wochenende verteilt doch lediglich vier Konzerte. So mussten quasi in jedem Konzert alle Themen abgehandelt respektive abgehakt werden, was etwas gezwungen wirkte. Doch Programme, egal wie schlüssig sie auch daherkommen, verlieren angesichts der klingenden Realität der Musik sowieso ihre Bedeutung. Was zählt sind die Werke und ihre Interpretation, und hier hatte Tuns Contemporans viel zu bieten.

Das war bereits nach dem schon erwähnten ersten Stück zu erahnen und erst recht nach dem ganzen Eröffnungskonzert. Da folgte auf das extrem expressive Isopor Oss mit Thomas Adès’ Lieux retrouvés für Violoncello und Orchester ein Stück von ganz anderer Machart. Adès zählt dank seinen verhältnismässig eingängigen Werken zu den erfolgreichsten Protagonisten der Zunft. Dass es sich dabei aber nicht einfach um weichgespülte Neue Musik handelt, wie man vermuten könnte, bewies die Cellistin Karolina Öhmann mit Ihrer Interpretation. Gerade der dritte Satz mag exemplarisch dafür sein: Das Solo-Cello spielt durchgehend ein stets variiertes Vierton-Motiv, zwei Töne auf / zwei Töne ab, und entwickelt dabei eine vibrierende Eindringlichkeit. Beeindruckend in seiner ausdrucksstarken Ökonomie.

Wie gross der Bogen war, der von Chur aus aufgespannt wurde, kann man am Konzert vom Samstag ersehen. Auf der einen Seite Gougalōn der in Berlin lebenden Südkoreanerin Unsuk Chin. In dem ungemein farbigen, humorvollen und manchmal auch derb wilden Stück wird die Atmosphäre der Märkte aus ihrer Kindheit heraufbeschworen. Das bunte Treiben mit Strassenmusikern und Gauklern findet seine Entsprechung unter anderem in einem Duo für Flaschen und Dosen. Doch bei aller Hektik hat auch das geheimnisvoll Romantische seinen Platz: Der zweite Satz kommt als Barkarole daher, fernöstlich angehaucht, beinahe kitschig, wären da nicht die wiederkehrenden dissonanten Akkordschläge des Ensembles.

Dieser klanglichen Wundertüte gegenüber stand die Uraufführung von Martin Derungs’ Changements. Der Komponist beeindruckte darin einmal mehr als Zauberkünstler, der aus kurzen Gestalten grössere Formen zu entwickeln weiss. Der Titel erwies sich dabei als Programm, ganz fein befinden sich die Gedanken in stetem Fluss, ohne je zum viel beschworenen Strom anzuschwellen. Vielmehr behandelt Derungs sein Material mit äusserster Vorsicht und Zurückhaltung. Als einer, der weiss, dass die von ihm ersonnenen Klanggestalten von selbst wirken, wenn man ihnen nur den Raum zur Entfaltung gibt.

Schade war, dass die Werke der drei Gewinnerinnen des Call for Scores im dicht strukturierten Programm etwas untergingen. Vera Ivanovas Still Images etwa mussten sich zwischen Chin und Derungs behaupten, was keine leichte Aufgabe ist. Sie wurden quasi zum Opfer des hohen Niveaus des ganzen Festivals. Eine leise Kritik, die man eigentlich jeder Veranstaltung wünscht.

Das vollständige Programm und Links zu den aufgezeichneten Konzerten:

https://www.tunscontemporans.ch/programm

Alle Livestreams sind noch bis am 9. Mai 2021 online.

Zerstörung des Digitalmarktes?

Vor einer Anhörung des Rechtsausschusses im Bundestag unterstreicht der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) noch einmal seine Kritik und seine Besorgnis mit Blick auf den nationalen Ansatz zur Umsetzung der DSM-Richtlinie in Deutschland.

Sigmund / unsplash.com

Der Gesetzentwurf sieht laut BVMI für Deutschland ein eigenes Regelungskonstrukt vor, das die Rechtsposition von Künstlern und den mit ihnen partnerschaftlich zusammenarbeitenden Musikfirmen schwächt, die Online-Plattformen hingegen teilweise weiter stärkt. Zudem widersprächen Sonderregelungen in einzelnen Ländern per se dem Anliegen der DSM-Richtlinie, ein harmonisiertes Urheberrecht im europäischen digitalen Binnenmarkt zu schaffen.

Durch das System der sogenannten mutmasslich erlaubten Nutzungen würden Kreative und ihre Partnerfirmen quasi teilentmündigt, weil sie nicht mehr bestimmen könnten, wofür, wie und vom wem essentielle und wertvolle Teile ihrer Inhalte genutzt werden können.

Künftig könnten in Deutschland bis zu 15 Sekunden aus einem Musikstück, Filmwerk oder Laufbild, bis zu 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte für Fotos und Grafiken gegen eine (geringe) kollektivierte Pauschalvergütung erlaubnis- und haftungsfrei öffentlich verwendet werden.

Originalartikel:
https://www.musikindustrie.de/presse/presseinformationen/umsetzung-der-urheberrechtsrichtlinie-in-deutschland

«New Generation #JazzLab»

Das Festival da Jazz St. Moritz unterstützt den professionellen Berufseinstieg von jungen Jazzerinnen und Jazzern mit einem Wettbewerb. Anmeldeschluss: 9. Mai 2021.

Foto: Miti/unsplash.com

Mit diesem neuen Format zwischen Masterclass und Förderpreis will das Festival da Jazz Nachwuchstalenten beim Schritt ins professionelle Musikleben unterstützen. Zwei Bands oder Solo-Acts winkt eine Einladung nach St. Moritz. Damit verbunden ist eine Masterclass, ein Konzert mit Videoaufnahme sowie ein Preisgeld von 5000 Franken. Am Festival können Kontakte mit internationalen Agenturen und Managern geknüpft und Konzerte frei besucht werden.

Bewerbungen sind bis am 9. Mai 2021 möglich.

Weitere Informationen und Anmeldung:
www.jazzlab.ch
 

Rudolf Kelterborn

Der Komponist, Dirigent und Publizist Rudolf Kelterborn amtete von 1969 bis 1975 als Chefredakteur der ehemaligen «Schweizerischen Musikzeitung».

Der 1931 in Basel geborene Rudolf Kelterborn gehörte laut einer Laudatio des Bundesamtes für Kultur zu den einflussreichsten Komponisten, Pädagogen und Musikpublizisten der Gegenwart. Er studierte in Basel und Salzburg und nahm an den Darmstätter Ferienkursen für Neue Musik teil.

Mit Heinz Holliger und Jürg Wyttenbach lanciert er 1987 das Basler Musik Forum. Er unterrichtete an mehreren internationalen Musikhochschulen und war auch als Publizist tätig. In den 1970er-Jahren leitet er neben der Schweizer Musikzeitung die Musikabteilung von Radio DRS (heute SRF).

Sein kompositorisches Schaffen umfasst laut der nationalen Datenbank Musinfo alle musikalischen Gattungen und wurde durch zahlreiche Preise ausgezeichnet (unter anderem Komponistenpreis des Schweiz. Tonkünstlervereins, Kunstpreis der Stadt Basel, Bernhard Sprengel Preis der deutschen Industrie, Conrad Ferdinand Meyer Preis, Zürcher Radiopreis). Seine kompositorischen Arbeiten wurden auch in zahlreichen Aufsätzen gewürdigt.

Er ist am 24. März 2021 im Alter von 89 Jahren in Basel verstorben.

Nachruf von Thomas Meyer in der Ausgabe 5/2021 (PDF)

Weiterführende Links

Die «Schweizerische Musikzeitung» existierte bis 1983. Sie ist in grossen Bibliotheken greifbar, zum Beispiel über diesen Link in der Schweizerischen Nationalbibliothek.
Einige Texte aus der seit 1998 existierenden «Schweizer Musikzeitung» von und mit Rudolf Kelterborn zum Download:

Texte von Rudolf Kelterborn in der Schweizer Musikzeitung

Hinter der klassischen Fassade
Untergründiger Avantgardismus in langsamen Sätzen von Mozarts Klaviersonaten
Schweizer Musikzeitung 2/2008, Seite 19

10 andere Prüfsteine – für den Umgang mit Musik (und Kunst) unserer Zeit
Replik zu 10 Prüfsteine für die Kulturförderung von Pius Knüsel in SMZ 2/2006
Schweizer Musikzeitung 4/2006, Seite 27

Interviews mit Rudolf Kelterborn in der Schweizer Musikzeitung

Man geht durch die Nacht
Interview: Lucas Bennett
Schweizer Musikzeitung 11/2013, Seite 6 ff.


Rudolf Kelterborn im Gespräch

Interview: Sara Imobersteg
Schweizer Musikzeitung 3/2007, Seite 15 f.

«Meine Texte suche ich erst, wenn die Musik schon da ist»
Interview: Sibylle Ehrismann
Schweizer Musikzeitung 9/2001, Seite 3 ff.

Rudolf Kelterborn auf neo.mx3

Rudolf Kelterborn auf musinfo

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