Reto Bieri unterrichtet in München

Der Schweizer Klarinettist Reto Bieri, der bereits an der Hochschule für Musik in Würzburg unterrichtet, übernimmt ab Sommersemester 2022 eine Professur für Holzbläserkammermusik an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM).

Reto Bieri (Bild: Marco Borggreve)

Nach der Berufung des Cellisten Raphaël Merlin zum Professor für Streicherkammermusik, der Verpflichtung des Quatuor Ébène und Eberhard Feltz als Visiting Professor erhielten damit auch die Studierenden der Holzblasinstrumente zusätzliche Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten im Bereich Kammermusik zu vertiefen, schreibt die Münchner Musik-Hochschule.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde Reto Bieri durch seine inszenierten Konzerte und  Bühnenprogramme  bekannt, zuletzt mit seinem Projekt Out of the Box für das Lucerne Festival 2021. Eine enge künstlerische Zusammenarbeit verbindet ihn seit vielen Jahren mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja.

Beim Münchener Label ECM erscheinen seine CD-Aufnahmen, zuletzt das Album quasi morendo zusammen mit dem Streichquartett Meta4 aus Finnland. Von 2013 bis 2018 war Reto Bieri Intendant des Davos Festivals. Künftige Projekte führen ihn unter anderem als Artist in Residence zur BASF nach Ludwigshafen, zum Münchener Kammerorchester, der Camerata Bern und an das Theater Basel.

 

Leitfaden zur Förderung kultureller Teilhabe

Der Nationale Kulturdialog hat einen Leitfaden herausgegeben. Dieser richtet sich an private und öffentliche Kulturförderstellen und bietet konkrete Empfehlungen und Instrumente für eine effektive und nachhaltige Förderung der kulturellen Teilhabe.

Foto: Kristina Paparo/unsplash.com (s. unten)

Der Leitfaden fasst grundsätzliche Merkmale von Teilhabeprozessen zusammen und gibt konkrete Anregungen, wie die Kompetenzen einer Förderstelle erweitert und die Teilhabeorientierung von Kulturinstitutionen und Projekten unterstützt, gefördert und begleitet werden können. Er ergänzt das Handbuch Kulturelle Teilhabe als umsetzungsorientierte Handreichung für private und öffentliche Stellen und Organisationen, die sich vermehrt der Förderung kultureller Teilhabe widmen möchten.

Der Nationale Kulturdialog wurde 2011 ins Leben gerufen und vereinigt Vertreter und Vertreterinnen der politischen Instanzen und der Kulturförderung der Kantone, Städte, Gemeinden und des Bundes. Seine Arbeit basiert auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2011 und dem für die jeweilige Periode verabschiedeten Arbeitsprogramm. Die politischen Instanzen bilden das strategische Steuerungsorgan des Nationalen Kulturdialogs mit dem Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), Vertretern und Vertreterinnen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), des Schweizerischen Städteverbands (SSV) und des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV).

Link zum Download:
https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/68162.pdf

Frauen- und Männerchorwerke bewertet

Die Resultate des ersten Teils (Frauen- und Männerchöre) des Internationalen Kompositionswettbewerbs für neue Chormusik der ISCM (International Society for Comtemporary Music), sind bekannt.

v. li: Luc Goedert, Cyrill Schürch, Thomas Kientz (Foto: zVg),SMPV

Der 1. Preis geht ex aequo an den Luxemburger Luc Goedert (*1994) für La rivière für Frauenchor und an den Schweizer Cyrill Schürch (*1974) für Roses für Männerchor. Ein 3. Preis geht an den Franzosen Thomas Kientz (*1991, Titularorganist der Abtei von Saint-Maurice im Wallis) für die Komposition O virgo splendens für Frauenchor.

Ferner wurden folgende Komponistinnen und Komponisten mit einer Special Mention bedacht (in alphabetischer Reihenfolge): Paul Ayres, Mathieu Constantin, Olivier Costa, Claudio Ferrara, Hans-Eugen Frischknecht, Florian Gougne, Gaetano Lorandi, Fabio Luppi, Luca Martin, Grégoire May, Manuel Rigamonti, Christoph Schiller, Sabina Schmuki, Branko Stark und Bernardino Zanetti.

Die beiden erstplatzierten Werke werden von den Männerstimmen Basel unter der Leitung von Eric Whitacre am 12. Februar 2022 im Stadtcasino Basel respektive vom Jugendchor Zürich unter der Leitung von Marco Amherd am 20. Februar 2022 in Andelfingen uraufgeführt. Darüber hinaus ist geplant, sämtliche in allen Wettbewerbskategorien gekürten Werke in einer Edition auch in Druckform herauszugeben.

Der ISCM International New Choral Music Composition Contest findet zum hundertjährigen Bestehen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik ISCM statt und wird in vier Kategorien geführt: Frauen- und Männerchöre, Kinderchöre und gemischte Chöre getrennt nach Laien und Profis.

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Schweizer Erfolg beim ARD-Musikwettbewerb

Beim diesjährigen ARD-Musikwettbewerb gewann im Fach Horn der 28-jährige Schweizer Pascal Deuber einen ersten Preis sowie den Publikumspreis. Einen zweiten Preis erspielte sich der erst 21-jährige Chinese Yun Zeng. Der dritte Preis wurde an den 27-jährigen Ivo Dudler aus der Schweiz vergeben.

Pascal Deuber (Bild: BR/Musikwettbewerb der ARD)

Beim Finale im Fach Violine im Münchner Herkulessaal wurden drei Preise vergeben: Seiji Okamoto (27) aus Japan wurde mit einem ersten Preis ausgezeichnet. Dmitry Smirnov (28) aus Russland konnte sich über einen zweiten Preis freuen. Einen dritten Preis und den Publikumspreis erspielte sich Alexandra Tirsu (29) aus Moldawien/Rumänien. Insgesamt wurden beim diesjährigen Wettbewerb vier erste, fünf zweite sowie sechs dritte Preise verliehen.

Im Fach Klavierduo ging ein erster Preis an das Geister-Duo aus Frankreich, einen zweiten Preis erhielten jeweils das kanadische Duo La Fiammata und das Melnikova-Morozova Duo aus Russland. Einen dritten Preis sowie den Publikumspreis erspielte sich das japanische Duo Sakamoto.

Im Fach Gesang konnte sich die 27-jährige Anastasiya Taratorkina (Deutschland/Russland) über einen ersten Preis freuen, ausserdem wurde ihr der Publikumspreis zuerkannt. Drei weitere der fünf Finalisten erhielten einen dritten Preis: der 29-jährige Südkoreaner Jeongmeen Ahn sowie die 31-jährige Julia Grüter und die 25-jährige Valerie Eickhoff aus Deutschland.

Kanton Luzern ehrt Niklaus Troxler

Die Anerkennungspreise des Kantons Luzern gehen dieses Jahr an den Grafiker und Vater des Jazz Festivals Willisau, Niklaus Troxler, und die Universitätsprofessorin Mira Burri, die im Bereich des digitalen Wandels forscht.

Niklaus Troxler (Foto: Ems Troxler)

Niklaus Troxler sei ein Grafiker von internationalem Renommée, in seinem Heimatkanton Luzern jedoch vor allem bekannt als der Vater des Jazz Festivals Willisau, schreibt der Kanton. Seit 1966 organisiert er Jazzkonzerte, und er gründete 1975 das Jazz Festival in Willisau. 1982 wurde ihm der Innerschweizer Kulturpreis zuerkannt.

Der Regierungsrat würdigt mit der Wahl Niklaus Troxlers Lebenswerk als Grafiker von internationalem Rang: In dieser Funktion hat er Generationen von Kunstinteressierten fasziniert und inspiriert. Die Auszeichnung gilt ebenso seinen Verdiensten um die kulturelle Identität des Kantons Luzern, die er als Vater des Jazz Festivals Willisau wesentlich mitgeprägt hat. Mit seinem enormen Engagement habe er den Ruf des Kantons Luzern in die ganze Welt getragen.

Die Verleihung des Luzerner Anerkennungspreises wird am Montag, 13. September 2021, ab 19.00 Uhr live auf www.lu.ch übertragen.

St. Gallen muss länger aufs Theater warten

Der Abschluss der Sanierungsarbeiten am Theater St.Gallen verzögert sich. Gründe dafür sind unvorhergesehene Zusatzarbeiten bei der Schadstoffsanierung und wetterbedingte Arbeitsunterbrüche. Voraussichtlich bis April 2023 werden die Arbeiten abgeschlossen.

Theater St. Gallen. Foto: Tine Edel

Der ursprüngliche Terminplan sah laut der Medienmitteilung des Kantons St. Gallen vor, die Sanierung des Theatergebäudes bis Herbst 2022 abzuschliessen. Somit hätte der Theaterbetrieb ab Februar 2023 im erneuerten und leicht erweiterten Gebäude stattfinden sollen.

Gemäss neuem Terminplan können die Arbeiten am Theatergebäude voraussichtlich im April 2023 abgeschlossen werden. Jedoch ist ein Umzug kurz vor Ende einer laufenden Saison aus wirtschaftlicher und künstlerischer Sicht für die Genossenschaft Konzert und Theater St.Gallen nicht zweckmässig. Dies wäre mit einem Unterbruch der Spielzeit und Vorstellungsausfall verbunden. Die Saison 2022/2023 wird daher bis Anfang Juni 2023 im Provisorium fortgeführt. Konzert und Theater St.Gallen prüft nun die neue Ausgangslage. Das Programm wird den neuen zeitlichen Vorgaben angepasst.

Für die Terminverzögerung bei den Bauarbeiten gibt es mehrere Gründe. Zum einen mussten die Bauunternehmen beim Abbruch und bei der Schadstoffsanierung unvorhergesehene Zusatzarbeiten durchführen. So wurden beim Abbruch deutlich mehr Schadstoffe gefunden als erwartet. Zum anderen hinderte das Wetter im Winter 2020/2021 die Bauunternehmen daran, die Arbeiten schneller auszuführen.

Ins Schwärmen geraten

Das diesjährige Musikfestival Bern widmete sich am verlängerten ersten Septemberwochenende dem Thema «schwärme». Es wurden etwa 2500 Eintritte registriert. Kurzbericht.

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In der Bilanz heben die Veranstalter die vielen internationalen Gäste und die zahlreichen Uraufführungen im Rahmen der knapp vierzig Konzerte hervor. Damit sei die Absicht des Musikfestivals Bern, die Zusammenarbeit zwischen Berner Musikschaffenden und internationalen Gästen zu fördern, dieses Jahr «auf einzigartige Weise gelungen». Composer in Residence war Michael Pelzel. Laut Geschäftsführer Andri Probst wurden insgesamt etwas mehr als 2500 Eintritte gezählt. Das seien zwar etwa 500 weniger als letztes Jahr, entspreche aber den Erwartungen angesichts der durch die Corona-Krise erschwerten Bedingungen.

Ein Besuch am 2. September machte klar, wie vielfältig sich das Thema fruchtbar ausloten liess. Die Installation «swarm-like von Fabrizio Di Salvo in der Aula Progr provozierte in ihrer gegensätzlichen Anlage Fragen zum Wesen des Schwärmens.

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«Schwarmintelligenz I: Tierschwärme»
Thomas Meyer moderierte, Gabriela Hauswirth übersetzte in Gebärdensprache, auch die gesungenen Improvisationen von La Cetra Vokalensemble Basel.

Konkrete Parallelen zwischen den Eigenschaften von Vogelschwärmen und Improvisationen nach Satzmodellen der Renaissance wurden von der Vogelzugforscherin Silke Bauer und dem La Cetra Vokalensemble Basel in der Veranstaltung Schwarmintelligenz I: Tierschwärme demonstriert.

Zu zeigen, wie Mückenschwärme mit Celloklängen interagieren, war das Ziel von Insect songs (2018), einem Improvisationskonzert mit Mücken und Cello von Ursula Damm, Teresa Carrasco und Christina Meissner.

Und ins Schwärmen geraten über fantastische Instrumental- und Stimmenklänge liess die Uraufführung von Thomas Kesslers Oratorium (2020) im Berner Münster. Dieses Werk ist am 18. September auch in Basel am Festival Zeiträume zu hören.

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«Oratorium» im Berner Münster
Die Musikerinnen und Musiker des Ensembles Nikel und von Cantando Admont sind im Raum verteilt, steuern über I-Pads ihren «Sound» mit und werden von der Mitte aus geleitet von Jonathan Stockhammer. Orgel: Daniel Glaus, Sprecher und Text: Lukas Bärfuss, Klangregie: Thomas Kessler, Produktion: Daniel A. Meyer.

2022 findet das Musikfestival Bern zum Thema «unvermittelt» vom 7. bis 11. September statt.

Tod des Waadtländer Dirigenten Michel Corboz

Der Waadtländer Dirigent und Komponist Michel Corboz ist mit 87 Jahren nach einer Operation einem Herzversagen erlegen.

Michel Corboz 2009 am Festival «La Folle Journée» in Nantes. Foto: Nachweis s. unten

Laut der Mitteilung des Kantons Waadt studierte Corboz Gesang und Komposition in Fribourg und vervollständigte seine Ausbildung in Genf und Lissabon. Er gründete in jungen Jahren das Ensemble vocal de Lausanne und das Ensemble instrumental de Lausanne. Einen Namen machte er sich vor allem mit Aufführungen von Vokalwerken von Komponisten wie Brahms, Mendelssohn, Rossini oder Schubert.

International beachtet wurden in den 1960er-Jahren unter anderen seine Einspielungen von Monteverdis  Oper L ‚Orfeo und des Magnificat von Johann Sebastian Bach. Corboz gewann 1990 den Grand Prix de la Fondation vaudoise pour la promotion et la création artistiques, 2001 den Prix de la Fondation Pierre et Louisa Meylan und 2003 den Prix de la Ville de Lausanne.

Maria Ioudenitch gewinnt in Sitten

Am 4. September ging der Internationale Violinwettbewerb Tibor Varga 2021 zu Ende. Die 25-jährige Amerikanerin Maria Ioudenitch setzte sich gegen Tassilo Probst (19 Jahre, Deutschland) und Lorenz Karls (20 Jahre, Schweden) durch, die den zweiten bzw. dritten Preis gewannen. Auch die neue Jugendjury sprach ihr einen Preis zu.

Maria Ioudenitch begleitet vom Litauischen Kammerorchester unter Sergej Krylov. Foto: zVg

Insgesamt nahmen 25 junge Geigerinnen und Geiger unter 26 Jahren am Wettbewerb teil, der in diesem Jahr mit einem Anstieg von 32 % gegenüber der Ausgabe 2019 eine Rekordbeteiligung (124 Anmeldungen) verzeichnete. «Es war schwierig für uns, eine Auswahl zu treffen, da das Niveau aller Kandidatinnen und Kandidaten sehr hoch war», kommentierte der Juryvorsitzende Salvatore Accardo (Italien). «Nach den Covid-bedingten Einschränkungen hatten diese jungen Leute alle ein grosses Verlangen und Bedürfnis, vor einem Publikum zu spielen, und das konnte man in ihrem Spiel spüren».

Infolge dieses aussergewöhnlichen Niveaus gab die Direktion des Wettbewerbs der Jury die Möglichkeit, am Ende der zweiten Runde ausnahmsweise drei Vierte Preise zu vergeben: Sie gingen an Ava Bahari (24 Jahre, Schweden), Seira Horiuchi (25 Jahre, Japan) und Arthur Traelnes (18 Jahre, Schweiz).

Maria Ioudenitch erhielt sowohl den Publikumspreis wie auch den Preis der Jugendjury, während Lorenz Karls ebenfalls für seine Interpretation des Pflichtstücks Stilleven ausgezeichnet wurde, einem Auftragswerk für Solo-Violine des Internationalen Violinwettbewerbs Tibor Varga an Michel Petrossian, das von allen Kandidatinnen und Kandidaten des ersten Durchgangs uraufgeführt wurde.

Auch die jüngere Musikergeneration kam zu Wort: Eine Jugendjury, bestehend aus fünf Schülerinnen und Schülern des Konservatoriums des Kantons Wallis, stieg beim Finale des Wettbewerbs ein, um ihren Preis zu vergeben. Begleitet wurde sie von Ewa Demaugé-Bost, Geigenlehrerin am Konservatorium.
 

Violinkonzert von Adès für Mutter

Den elften Kompositionsauftrag der «Roche Commissions» erhält der britische Komponist Thomas Adès, sein Werk soll im Sommer 2022 im Rahmen von Lucerne Festival uraufgeführt werden. Adès hat angekündigt, ein Violinkonzert für Anne-Sophie Mutter zu schreiben.

Thomas Adès dirigiert das National Youth Orchestra of Great Britain. Nachweis s. unten

Seit 2003 wird im Rahmen der «Roche Commissions» alle zwei Jahre ein Werk an eine weltweit renommierte Persönlichkeit in Auftrag gegeben. Die Wahl erfolgte durch Roche auf Vorschlag der künstlerischen Leitung von Lucerne Festival. Thomas Adès folgt auf Rebecca Saunders und Sir Harrison Birtwistle, Chen Yi, Hanspeter Kyburz, George Benjamin, Toshio Hosokawa, Matthias Pintscher, Unsuk Chin, Olga Neuwirth und Peter Eötvös.

Ebenfalls in diesem Sommer werden die Kompositionsaufträge der «Roche Young Commissions» vergeben, diese gehen traditionell an zwei junge Komponistentalente. Hovik Sardaryan und David Moliner wurden ausgewählt, ihre Werke gemeinsam mit dem Künstlerischen Leiter der Akademie, Wolfgang Rihm, und Musikern des Academy-Netzwerks 2022 zu erarbeiten, zu proben und dann im Rahmen des Sommer-Festivals 2023 zur Uraufführung bringen.

Kreativwirtschaft hat signifikante Grösse erreicht

Zwischen 2018 und 2020 arbeiteten in der Schweiz durchschnittlich 548‘000 Personen in der Kreativwirtschaft. Dies entspricht zwölf Prozent aller in der Schweiz erwerbstätigen Personen. Der Wirtschaftszweig hat eine signifikante Grösse erreicht.

Foto: Amelie Mourichon/unsplash.com (s. unten)

Rund die Hälfte arbeitet direkt in der Kreativindustrie. Die andere Hälfte nimmt eine kreative Tätigkeit in anderen Branchen wahr. Mit 150’000 Erwerbstätigen in der Kreativwirtschaft macht der Kanton Zürich einen Viertel (27 Prozent) der Schweizer Kreativwirtschaft aus, gefolgt vom Kanton Bern (64’000, 12 Prozent) und dem Kanton Waadt (47’000, 9 Prozent).

Die grösste Arbeitgeberin ist nicht die Werbe- und Marketingbranche (116‘000 Personen), sondern der IT- und Software-Sektor (166‘000 Personen). Die Zahlen beruhen auf einem statistischen Monitoring des Zurich Centre for Creative Economies (ZCCE) der ZHdK, welches die aktuellsten Arbeitsmarktdaten des Bundesamtes für Statistik analysiert. 

Am schweizweit ersten Creative Economies Forum vom 8./9. September im Toni-Areal organisiert vom ZCCE tauschen sich Fachkräfte aus Kultur, Wirtschaft, Bildung und Politik zusammen mit Studierenden und weiteren Interessierten in interaktiven Settings über die künftige Entwicklung und Herausforderungen der Kreativwirtschaft aus.
 

Nachwuchsförderung in der Industriehalle

Man nehme zwei Flügel, miete einen Raum und bastle ein Festival. So einfach schien «Beflügelt – Ein Festival für zwei Klaviere», das vom 26. bis zum 29. August in Basel stattfand, auf den ersten Blick gestrickt.

Ein einfaches Rezept, aber trotzdem überaus ergiebig. Zu hören waren spannende Konzerte in einer ausrangierten kleinen Industriehalle, die von jungen, meist noch in Ausbildung befindlichen Pianistinnen und Pianisten gespielt wurden. Doch damit nicht genug: Statt Steinways, wie sie auf den Konzertpodien mittlerweile Standard sind, kamen zwei Grotrian-Steinweg-Flügel zum Einsatz.

Initiantin dieses Festivals war die Swiss Foundation for Young Musicians mit ihrer künstlerischen Leiterin Isabel Heusser. Seit zehn Jahren setzt sie sich für junge Musikerinnen und Musiker ein, denen sie eine Plattform für Konzerte in kleinem Rahmen bietet, so etwa im 14-tägigen Turnus halbstündige Mittagskonzerte in den eigenen Geschäftsräumen. Im Januar 2021 wurde Isabel Heusser dann angetragen, ob die Stiftung nicht einen alten Grotrian-Steinweg-Flügel als Leihgabe an Studenten der Musikhochschule Basel vermitteln könnte.

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Der historische Flügel …
… wirkt im Zusammenspiel mit dem neuen Instrument orchestral.

Der Flügel mit Baujahr 1895 hat eine bewegte Geschichte hinter sich, denn er gehörte einem jüdischen Ehepaar in Frankfurt, das 1933 vor den Nazis flüchten musste, wobei das Instrument nach Cambridge gerettet werden konnte. Vor zehn Jahren wurde es von Raphael Carnal in Bern generalüberholt, es bekam neue Hammerköpfe und der Resonanzboden wurde repariert, wie Heusser ausführt: «So kam ich auf die Idee, damit ein Festival zu gestalten und dem alten Instrument einen modernen Grotrian-Steinweg von 2014 gegenüberzustellen.»

Heusser schrieb Pianistinnen und Pianisten an, die sie in ihrer Stiftungstätigkeit kennengelernt hatte, und wurde überrannt von positiven Rückmeldungen und Programmvorschlägen: «85 Prozent davon betrafen russische Komponisten, was ich natürlich nicht akzeptieren konnte.» Und so begann sie selbst, zusammen mit den ausgewählten Interpretinnen und Interpreten sinnvolle Programme zusammenzustellen.

Jedes Duo bekam einen Zeitrahmen von rund 90 Minuten, in denen es sich an die Instrumente gewöhnen konnte, plus 20 Minuten Einspielzeit vor jedem Konzert. Der Klavierstimmer war immer vor Ort. In dieser Zeit galt es, das Instrument zu wählen und die verschiedenen Klangwelten aufeinander abzustimmen.

Entstanden ist daraus ein Festival mit zehn Konzerten, in denen ein breites Spektrum an Werken vorgestellt wurde, von den Klassikern im Konzert «Götter auf dem Olymp» mit Mozarts Sonate für zwei Klaviere D-Dur KV 488 und Brahmsʼ Sonate für zwei Klaviere f-Moll op. 34b bis hin zu «Die Kraft der Kreativität» mit einer Uraufführung von Amador Buda Fuentes Manzor (*1991).

Ein Schwerpunkt galt der französischen Musik mit der Sonate pour deux pianos von Francis Poulenc und Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune in der Klavierbearbeitung des Komponisten. Als besondere Spezialität spielten Marco Scilironi und Florian Noack die Symphonie Nr. 3 Liturgique von Arthur Honegger in einer Klavierbearbeitung von Dmitri Schostakowitsch.

Unterschiedlicher Umgang mit den beiden Flügeln

Ganz der russischen Musik gewidmet war das Konzert «Cuir de Russie, 1920», das einen Querschnitt an Werken, Charakteristika der Instrumente und pianistischem Können der Interpretierenden bot. Der historische Flügel präsentierte sich in guter Stimmung, mit weich und sonor klingendem Bassregister, breit schwingender Mittellage und «glockigem» Diskant. Das neue Instrument war agiler, klanglich klarer fokussiert, ausgeglichener in den Registern und mit anderer Obertönigkeit als der alte «Kollege».

Mit Rachmaninows Frühwerk Fantaisie-Tableaux op. 5 von 1893, also fast dem Entstehungsjahr des alten Flügels, spielten Zofia Grzelak und Martin Jollet, Studierende der Musikhochschule Basel, ein ihrem pianistischen Niveau gut entsprechendes Stück und setzten die beiden Instrumente ideal ein: Grzelak am neuen Grotrian angriffig und mit virtuosen Läufen, Jollet mit Inbrunst die besondere Klanglichkeit des Oldtimers zelebrierend und die romanzenhafte Sehnsuchtsmusik mit viel Pedal voll auskostend.

Die aus Belarus stammenden Hanna Syrneva und Alik Balagozyan hatten ein happiges Programm zu absolvieren. Zuerst die Fantasie a-Moll op. posth. von Alexander Skrjabin, danach von Nikolaj Methner Russian Round Dance und Knight Errant op. 58. Alle Werke sind klavieristisch virtuos, leben von Stimmungs- und Rhythmuswechseln und sind bei Methner gar kontrapunktisch vertrackt. Die beiden jungen Künstler fegten allerdings durch die Partitur, als gelte es ein Wettrennen zu gewinnen, von Differenzierung war leider wenig zu hören.

Ganz anders dann der Abschluss nach der Pause mit Rachmaninows Symphonic Dances op. 45, die der Komponist selbst für zwei Klaviere arrangiert hat. Das Duo Fuko Ishii und Denis Linnik konzertierte auf hohem Niveau, hörbar gut aufeinander eingespielt, wobei Fuko Ishii dem alten Flügel ungewohnte Klänge entlockte. Bei schnellen Läufen und Trillern war er nicht so agil, dafür staunte man über das Differenzierungsvermögen in Lautstärke und Anschlag. Im Gespräch danach meinte Duopartner Linnik zudem, mit diesen unterschiedlichen Flügeln sei es einfacher, einen orchestralen Gesamtklang zu erzielen, weil sie sich durch die Obertönigkeit gut voneinander unterschieden.

Die schlichte Halle namens «Metallbau» passte gut zur Frische des Gebotenen, sie zu finden ist im Kleinbasler Wohnquartier aber ohne Beschilderung nicht ganz einfach.

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Duo Fuko Ishii und Denis Linnik …
… im «Metallbau»

Kanton Wallis stützt den Kultur-Nachwuchs

Der Kanton Wallis möchte junge professionelle Kulturschaffende gezielt fördern, indem er ihnen die Möglichkeit gibt, mit Unterstützung von professionellen Persönlichkeiten oder Kultureinrichtungen, ein Projekt zu entwickeln.

Foto: lunamarina/depositphotos.com

Die ausgewählten Projekte werden laut der Medienmitteilung des Kantons zwischen einem und sechs Monaten dauern und bis Ende 2023 stattfinden. Sie sollen den Kunstschaffenden ermöglichen, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ihre Integration in die Berufswelt fördern. Für dieses Programm sind insgesamt 400’000 Franken vorgesehen. Alle Bereiche, die von der Dienststelle für Kultur unterstützt werden, sind darin einbezogen.

Mit «Generationenwechsel 2019-2021» können junge Kulturschaffende ein Projekt mit Unterstützung einer professionellen Kultureinrichtung oder eines Unternehmens, eines anerkannten professionellen Künstlers oder eines ausgewiesenen Kulturschaffenden erarbeiten. Die ausgewählten Partner und Partnerinnen verpflichten sich, die jungen Kulturschaffenden zu begleiten, um eine Wissensvermittlung zu ermöglichen.

Um vom Unterstützungsprogramm zu profitieren, müssen die Kulturschaffenden ein Projekt vorlegen, das ihre Eingliederung in die Berufswelt begünstigt oder ihnen ermöglicht, im Rahmen praktischer Erfahrungen zusätzliche Kompetenzen (Kommunikation, Fundraising, Technik oder Ähnliches) sowie ein Verständnis für den Kulturmarkt und seine Herausforderungen zu entwickeln.

Die Gesuche für die Unterstützung «Generationenwechsel 2019-2021» müssen bis zum 15. Oktober 2021 auf der Plattform www.vs-myculture.ch eingereicht werden.

Originalartikel:
https://www.vs.ch/de/web/communication/detail?groupId=529400&articleId=12883951

 

Ein Arbeitsbuch setzt auf die Magie der Musik

Das «Saxophone Workbook» von Nicole Johänntgen bietet farbenreiche Stücke und hält sich bei methodischen Anweisungen eher zurück.

Nicole Johänntgen. Foto: Daniel Bernet

Dass man Bühne, Studio, Kompositionsatelier, Radiomoderation, Lehrtätigkeit usw. mit Leichtigkeit verbinden kann, illustriert die saarländische Saxofonistin Nicole Johänntgen mit Wohnsitz in Zürich auf eindrückliche Weise auf ihrer Website. Ihre authentische, unbefangene und inspirierte Musikerpersönlichkeit zeigt sich auch im ersten Band ihres Saxophone Workbooks. Mit 39 Songs mäandriert sie in moderater Weise durch verschiedene musikalische Landschaften des Jazz und Pop, in Anlehnung an weitere Stilrichtungen.

Das farbenreiche Arbeitspaket beginnt langsamen Schrittes, nimmt jedoch schon nach dem dritten Stück Sound of a Dream in geraden, flotten Achteln ziemlich Fahrt auf: Dickmaulrüssler wird Staccato gespielt und bringt mit Sechzehntelfiguren und grossen Intervallsprüngen durchaus reizvolle, aber auch anspruchsvolle Hürden ins Spiel, die über drei Seiten in variierten Abschnitten vertieft gemeistert werden können. Für Fortgeschrittene ist das leichte Kost – Anfängerinnen und Anfänger müssen vielleicht eher mit dem nachfolgenden Backfisch Song Vorlieb nehmen. Dieser wurde in gemütlichem Tempo auf der Basis eines Shuffle-Beats zubereitet, mit einem knusprigen «Bluesteig» ummantelt und mit ein paar pikanten Vorschlägen verfeinert. Vielen Schülerinnen und Schülern dürfte das – wie auch weitere Songs der Sammlung – ein Ohrenschmaus sein!

Für alle Stücke gibt es eine Play-along-Version, die das Lernen zu Hause unterstützt. Dabei spielt das Akkordeon die Melodie über eine subtile rhythmische Begleitung. Auch die eingefügten kurzen Übungshinweise und Tipps für tiefe Töne, Intonation, Sound und Haltung sind für den Hausgebrauch von Nutzen. An dieser Stelle wird sich vielleicht der eine oder andere Leser etwas mehr Vertiefung der methodischen Schritte in Wort, Notation und Bild wünschen. Der Schwerpunkt dieses Arbeitsbuchs scheint jedoch im abschliessenden Motto verankert: «Music is magic!» So lautet jedenfalls der Titel zur letzten «Hausaufgabe», die zur Komposition eines eigenen Lieds auf einer leeren Seite ermuntert. Ob dieses Zauberhafte dem Lernenden auch so leicht zugänglich ist wie der Autorin, bleibt offen. Vielleicht ist es eben tatsächlich so, dass detaillierte Anweisungen in gedrucktem Wort und letztlich auch die gesprochene Sprache – sei sie auch noch so reich an Bildern – die Neugier und die sprudelnde Kreativität eher dämpfen. Stattdessen können Tonschöpfungen aus der Feder eines Lehrenden möglicherweise viel eher unmittelbar Gefühle wecken, die ein ausdrucksvolles Instrumentalspiel fördern und die Wirkung des Geheimnisvollen entfalten – erst recht, wenn diese humorvoll, groovig und warmherzig daherkommen.

Ein Arbeitsheft ist eine Begleitung für die «unterrichtsferne» Zeit. Mit dem vorliegende Workbook geht man ohne Zweifel mit Freude in den nächsten Unterricht, und manch ein junger Schüler wird stolz sein, dass seine Saxofonlehrerin die Songs selber komponiert hat und noch dazu eine erfolgreiche, «coole» Konzertmusikerin ist.

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Nicole Johänntgen: Saxophone Workbook Vol. 1,
39 songs with playbacks for Eb, Bb and C instruments,
PDF- und MP3-Dateien, Fr. 42.00, Zürich 2020, https://www.nicolejohaenntgen.com/blog/

Abschied

Mit zwei «Zukurzgeschichten» verabschiedet sich Frank-Thomas Mitschke in den Ruhestand.

Frank-Thomas Mitschke — Das Ensemble «Après-Avantgarde» war zu Gast in H., und die sechs Musikerinnen und Musiker – engagiert in einer konzertierten wie gleichermassen konzertierenden Aktion vom städtischen Kulturamt und der Volkshochschule – brachte dem Publikum die Musik der Ultramoderne nahe. So z. B. das dreizehnminütige Epos «Niemaczegośtakiegojakprzypadek» des in der Umgebung von Opole sehr geschätzten Komponisten Zbigniew David Owidzenia. Dieser Meister moderner Töne vermied es sorgfältigst, auch nur eine Stelle in seinem Meisterwerk so zu gestalten, dass sie irgendjemand hätte nachsingen können. Stattdessen spielten sie ohne Partitur das, was ihnen der liebe Gott oder ihre Schwiegermutter eingeflüstert hatte. Wortreich erklärte der extra zu diesem Zweck aus Polen angereiste Maestro – es war schliesslich die Uraufführung des Werks, und Berichten zufolge soll es auch die einzige geblieben sein – die Bedeutung der 17 einzelnen Abschnitte aus seinem Epos. Leider auf Polnisch, was in H. so gut wie niemand verstand.

Die Einführung in das Opus Kakophonisticum des deutschen Tonsatzmeisters Johannes S. C. Heuslich übernahm der Alphornspieler des Ensembles. Er erklärte wortreich die Beziehungen zwischen den vom Alphorn zu erzeugenden Tönen und der Relativitätstheorie von Einstein – und das sogar auf Deutsch! Da er aber aus Bern stammte, hielten die Konzertbesucher dies ebenfalls für Polnisch und verstanden nichts, was sie umso heftiger applaudieren liess.

Leider brach der städtische Flügel der Firma Schiedmayer & Söhne unter dem geforderten siebenfachen forte im Opus Kakophonisticum zusammen, so dass Fräulein Schimmelpfennig, die als Vertreterin der Stadt beim Konzert zugegen war (sie hatte beim Streichholzziehen verloren) den Klavierstimmer Markus W. anrief. Dieser war glücklicherweise zuhause beim Abendessen, das er stehen liess und sofort in die Konzerthalle eilte, wo Besucher und Mitwirkende aufgrund dieser Panne eine Zwangspause machten und die einen mit ein paar Flaschen warmen Bier die Erinnerung an die erste Hälfte hinunterzuspülen versuchten, während die anderen sich mit warmen Wodka in die Stimmung für die anspruchsvolle zweite Konzerthälfte brachten.

Markus W. begab sich an die Arbeit, versuchte alles, um den alten Schiedmayer nebst Söhnen wieder spielbar zu machen und stimmte dann das Instrument. Dabei spielte er – wie das alle Stimmer zu tun pflegen – Akkorde, Tonleitern, Bruchstücke aus Mozart-Sonaten, Bach Präludien und Schubert Impromptus.

Bereits bei den ersten Klängen der Skalen kamen die ersten Besucher wieder in den Saal hinein, und bei Mozärtlichen Bruchstücken, gepaart mit Takten von Schubert, strömten alle Besucher, die schon mit dem Gedanken gespielt hatten, ein plötzliches Problem mit dem Babysitter vorzutäuschen, wieder in den Saal auf ihre Plätze.

Als Markus W. mit seiner Arbeit fertig war und seinen Stimmhammer wieder in seine Werkzeugtasche packte, brach ein frenetischer Beifall aus, er erhielt standing ovations und etliche «Zugabe»-Rufe, so dass er die gesamte eingestrichene Oktave noch einmal stimmte.

Als er die Bühne – immer noch unter tosendem Beifall – verliess und das Ensemble wieder die Bühne betrat, leerte sich der Saal mit rasender Geschwindigkeit – bis auf Fräulein Schimmelpfennig, die den Türschlüssel hatte und bis zum Schluss ausharren musste.

Die Kritik in der H´schen Zeitung überschlug sich vor Begeisterung und testierte Markus W. einen wunderbar-sensiblen Anschlag sowie ein beeindruckend grosses Repertoire.

Für alle künftigen Konzerte hat der Rat der Stadt H. beschlossen, den Namen des Stimmers in grossen Lettern mit Foto auf dem Plakat zu veröffentlichen, während die Namen der eigentlich engagierten Musiker neben den Vorverkaufsbedingungen im Kleingedruckten zu finden sind.

Mitschkipedia – MODERNE MUSIK: Wenn du in Konkurrenz zu Mozart oder Schubert trittst, hast du verloren.

Der Tenor

Ronald wollte Tenor werden. Mit jeder Faser seines Regenwurmkörpers fühlte er sich als Opernsänger, nichts lag ihm mehr am Herzen als die Meisterwerke des belcanto, und nichts konnte ihn davon abbringen, durch ständiges Üben zu versuchen, diesem Ziel näher zu kommen.

Leider war seine Stimme – vielleicht auch aufgrund seines naturgemäss sehr beschränkten Körperumfangs – sehr klein, und zudem hatte er hatte Mühe, die tenoralen Kapriolen erschallen zu lassen, die beispielweise der grosse Gioacchino Rossini dem Grafen Almaviva in die Gurgel gelegt hat. So beschloss er, bei Madame Grazielle Gazelle in Paris Unterricht zu nehmen. Sie war bekannt für ihre unglaubliche Leichtigkeit bei schwersten Koloraturen – die Königin der Nacht klang bei ihr, als habe Mozart ein harmloses Kinderlied komponiert. «Bonjour» begrüsste Ronald Regenwurm Mme Gazelle, «ich möchte meine Stimme bei Ihnen ausbilden lassen, besonders liegen mir Ihre wunderbaren Koloraturen am Herzen, die ich mit der gleichen Leichtigkeit, der gleichen Grandezza…..» «Merci, merci» unterbrach ihn die berühmte Sängerin und schaute ihm in die Augen – was nicht ganz leicht war, da sie sich dazu sehr tief bücken musste. «Alors, mon cher – singen Sie, singen Sie!» Ronald sang die Arie des Grafen Almaviva und stolperte durch die Koloraturen. «Oui, eh – wissen Sie» sagte Mme, «was Sie brauchen, ist zunächst einmal Volumen, Volumen, Volumen – ohne das können Sie nicht beste‘en in der Opéra! Mein Rat: ge‘en Sie zu Leopold Löwe, dem grossen Bariton – er singt alles an die Wand, das sich ausser ihm auf der Bühne auf‘ält, und von ihm werden Sie die Technik lernen, mit Ihrer Stimme ein ganzes Opern‘aus zu füllen!»

Ronald reiste nach Milano, wo der grosse Leopold Löwe als Stargast an der Scala sang. Er hatte die Arie des Herzogs von Mantua aus Verdis Rigoletto vorbereitet, aber ehe er dem grossen Bariton stimmlich unter Beweis stellen konnte, dass ihm alle Frauen gleichermassen lieb seien, unterbrach ihn der Sänger und dröhnte mit seiner berühmten Donnerstimme «Carissimo, bene, bene – aber ich kanne Sie nichte unterrichtene! La voce – äh, Stimme viel zu klein, troppo piccola, fehlte Fundamente…..Sie brauchene Basisunterrichte bei grosse Martin Maulwurf, grösster Basso der Gegenwarte! Seine voce so tief wie seine Wohnunge unter Erde, huahuahua, der machen mit dir Basisarbeite und dann du komme wieder bei mir und wir arbeitene zusammene!»

Ronald Regenwurm nahm dankbar den Ratschlag an und reiste nach München, wo der Bass Martin Maulwurf an der Staatsoper sang. Seine Wohnung befand sich in der Tat tief unter dem Erdgeschoss, im 5. Untergeschoss, weil er es dort so angenehm und ruhig fand und weil er glaubte, dass seine berühmten tiefen Töne sich weit unter der Erde besser entwickelten. Ronald sang «Nessun dorma» aus Puccinis Turandot, und er sang mit einer nie gekannten Inbrunst und Leidenschaft.

Maulwurfs Nachbar, Werner Wühlmaus, erzählte später, dass gerade in dem Moment, in dem er auf das hohe «b» als Schlusston der Arie wartete und er schon wegen Ruhestörung an die Wand klopfen wollte – es war schliesslich Mittagszeit – der Gesang plötzlich abbrach und er ein lautes Schlürfen und Schmatzen aus der Nachbarwohnung hörte. Die Bretter, die die Welt bedeuten, mussten auf Ronald Regenwurm verzichten.

Und die Moral von der Geschicht: Auch für einen Tenor reicht es nicht aus, zu singen wie ein Wurm!

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