Mozart auf Wiener Gitarren

Raoul Morat und Christian Fergo spielen auf neunsaitigen Instrumenten und entlocken den Klaviersonaten neue Seiten.

Christian Fergo (li) und Raoul Morat mit den Wiener Gitarren. Foto: zVg,Wolfgang Amadeus Mozart

Die Gitarrenszene ist ja eine sonderliche. Im «Paralleluniversum» der Musikgeschichte gibt es viel von Johann Sebastian Bach, aber halt auch viele Kleinmeister, die sicher gut spielen, aber nicht immer gut komponieren konnten. Raoul Morat aus Luzern und sein dänischer Duo-Partner Christian Fergo kennen die Problematik, und sie beantworten sie ausgesprochen klug mit Bearbeitungen grosser Meister. Nach Franz Schubert nahmen sie sich nun Wolfgang Amadeus Mozart vor. Die vier Klaviersonaten Nr. 4, 5, 10 und 11 transkribierten sie für ihre Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlichen «Wiener Gitarren» mit jeweils neun Saiten. – Und heraus kommt Besonderes.

Sehr fein kommt Mozart daher. Die Verzierungen klingen wunderbar und die – so manchen Pianisten zu Recht verschreckenden – Läufe ergeben sich völlig mühelos. Ja es hat sogar den Anschein, als bekämen die Klaviersonaten im Duo eine Spur mehr Dynamik und Vitalität als auf dem Solo-Klavier. Es hört sich einfach natürlich an und nach einem schön geradlinigen musikalischen Fluss. Dazu trägt auch bei, dass die beiden sich mit gitarristischen Manierismen zurückhalten. Flageoletts streuen sie nur selten ein, nur sehr dezent färben sie den Klang mit der rechten Zupfhand, ohne zu nah am Steg zu spielen. Kurz: Es klingt erfrischend «ungitarristisch».

Mozart-Kennern dürfte so eine Bearbeitung ein Stirnrunzeln hervorrufen, schreiben die Gitarristen in ihrem gelungenen Booklet-Text. Doch sie haben gute Argumente parat. Der Steinway sei ja von Tasteninstrumenten des 18. Jahrhunderts mindestens ebenso weit entfernt wie von Wiener Gitarren. Recht haben sie! Nach dieser CD will man Mozart erstmal gar nicht mehr auf dem Konzertflügel hören.

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Sonata No. 5 in C-Dur KV 283 III. Presto
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Sonata No. 4 in G-Dur KV 282 I. Adagio
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Sonata No. 10 in G-Dur KV 330 I. Allegro moderato
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Klassik ist in der Stadt zu Hause

Wer in einer Grossstadt wohnt, nutzt kulturelle Angebote stärker als die Bevölkerung im ländlichen Raum. Das gilt für fast alle Sparten, besonders aber für klassische Konzerte und Kunstausstellungen.

Ein Ausnahmefall: das Glyndebourn-Opernhaus im ländlichen Raum. Foto: Charlie Dave (s. unten),SMPV

Im Vergleich mit Bewohnerinnen und Bewohnern ländlicher Gebiete gehen Grossstädter mehr als doppelt so häufig in klassische Konzerte und Kunstausstellungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die im Rahmen des Projekts «Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland» erstellt wurde.

Dazu wurde im Jahr 2018 eine Basisstudie durchgeführt, in der 2592 Personen ab 15 Jahren in Face-to-Face-Interviews befragt wurden. Gleichzeitig wurde die Versorgung der Gemeinden mit Kultureinrichtungen wie Opernhäusern und Kinos anhand offizieller Statistiken ermittelt. In Orten unter 50 000 Einwohnern liegt die Chance, ein Theater oder Orchester anzutreffen, bei nahezu null.

Insgesamt sind Kulturbesuche ziemlich selten: Nur ein Teil der Bevölkerung nimmt die untersuchten Kulturangebote überhaupt wahr, sodass im Durchschnitt ein einziger Besuch pro Jahr der Normalfall ist. Am häufigsten gehen die Menschen ins Kino: die grossstädtische Bevölkerung 4,2 Mal im Jahr, die ländliche Bevölkerung 2,7 Mal im Jahr. Bei Klassikkonzerten und Opern liegen die jeweiligen Durchschnittszahlen bei 1,4 für die grossstädtischen Ballungsräume und 0,6 für weniger besiedelte Regionen.

Mehr Infos: https://kulturpartizipation.uni-mainz.de

Autodidaktik

Talente zu erkennen und zu entfalten, braucht mehr oder weniger äussere Unterstützung. Eigeninitiative spielt in jedem Fall eine zentrale Rolle.

 

Talente zu erkennen und zu entfalten, braucht mehr oder weniger äussere Unterstützung. Eigeninitiative spielt in jedem Fall eine zentrale Rolle.

Alle blau markierten Artikel können durch Anklicken direkt auf der Website gelesen werden. Alle andern Inhalte finden sich ausschliesslich in der gedruckten Ausgabe oder im E-Paper.

Focus

Jedes Lernen ist ein Selbst-Lernen
Interview mit Natalia Ardila-Mantilla, Professorin für Musikpädagogik

Enseigner la musique lorsqu’on est autodidacte
Que peut apporter de différent l’enseignant qui a appris par lui-même ?

Learning by Doing: Musik-Administration

Auto-apprentissages
Certains compositeurs ont été plus ou moins autodidactes

Alle sind wir Autodidakten
Wie vertragen sich systematischer Unterricht und das künstlerische Verlangen, den Konventionen zu entrinnen?
Ausführliche Antworten von vielen Musikerinnen und Musikern

La RMS parle du thème de ce numéro à la radio : Espace 2,
Pavillon Suisse, 22 février, de 20h à 22h30 (à environ 21h50/2:13:30)

… und ausserdem

RESONANCE

Vita brevis – oder: Ein Schlag ist ein Schlag
Replik auf Ich liebe es, langsam zu spielen in Schweizer Musikzeitung 1_2/2022

Letztlich geht es um die künstlerische Freiheit — Was wir aus der Pandemie lernen können

Radio Francesco — les rêves / die Träume

Le Montreux Jazz accompagne 20 jeunes talents

Carte blanche für Thomas Meyer

CAMPUS

Chatten über … Volksmusik und wie man sie lernt — Fränggi Gehrig und Markus Brülisauer

Mehr Konkurrenz auf dem Unterrichtsmarkt

Spielwiese für den Jazznachwuchs — Jugendjazzorchester.ch

Musik wie die Muttersprache lernen

FINALE


Rätsel
— Thomas Meyer sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Kategorien

Raum und Musse

Anlässlich ihrer dritten Begegnung auf Platte widmen sich der Schlagzeuger Gilbert Paeffgen und die Akkordeonistin Susanna Dill der musikalischen Reduktion und beweisen, dass weniger tatsächlich oftmals mehr ist.

Foto: zVg

Auf die Frage nach seinen Einflüssen erklärte der deutsche Jazzmusiker Gilbert Paeffgen (geboren 1958) einst in einem Interview: «Was mich anspricht, sind Menschen, Musiker und Schlagzeuger mit Ausstrahlung, Eigenständigkeit und Profil, die etwas zu erzählen haben.» Und genau so jemanden hat der seit Ende der Siebzigerjahre in der Schweiz ansässige Paeffgen in seiner Duopartnerin Susanna Dill gefunden.

Nach Legendes d’Hiver (2010) und 13 Épisodes lumineux et enjoués (2015) haben die beiden unter dem Titel Zwischen den Zügen nun ihre dritte Zusammenarbeit veröffentlicht. Geworden ist es eine Aufforderung, frank und frei durch die eigenen Erinnerungen, Gedanken und Realitäten zu streifen. Grundlage dafür bildet der asketische und schier ausgezehrte Sound, den die beiden kreieren. Dieser stützt sich einzig auf Dills Akkordeon und Paeffgens Hackbrett ab. Die elf Stücke nehmen sich Zeit, um sich zu entfalten und um gezielt Klänge zu setzen. Im Gegenzug bieten sie Raum und Musse.

Das Album zeichnet sich eher durch Strenge als durch Verspieltheit aus, dennoch wirken die zumeist getragenen Kompositionen durchwegs sensibel und sinnlich. Während das Titellied sowohl Kommen als auch Gehen zu verheissen scheint, fliegen Tracks wie das ätherisch anmutende Dichtes Huschen oder das versonnene Märchen von Station zu Station und von Stil zu Stil. Die von Musette, Tango, keltischem Folk und moderner Klassik inspirierten Motive zeugen dabei nicht nur von der Improvisationsfreude der beiden Musiker, sondern insbesondere auch von ihrer lyrischen Schaffenskraft.

Mit Zwischen den Zügen ist Dill und Paeffgen eine Art Soundtrack gelungen, welcher – ähnlich wie Ry Cooders Paris, Texas – Geschichten voller Sehnsucht formuliert, die entrückt, handfest und grazil zugleich sind. Das Resultat ist ein eindrucksvolles Werk zweier eindrucksvoller Künstler, die zu einem gemeinsamen Ausdruck gefunden haben.
 

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Susanna Dill und Gilbert Paeffgen: Zwischen den Zügen. Everest Records er_096

Alle sind wir Autodidakten

In der Rock- und Jazzgeschichte wimmelt es von pionierhaften Autodidakten. Inzwischen aber wimmelt es auch von Rock-, Pop- und Jazzschulen. Wie vertragen sich systematischer Unterricht und das künstlerische Verlangen, den Konventionen zu entrinnen?

Foto: Warren Wong / unsplash.com

Auf meine Umfrage auf Facebook sind so viele Reaktionen zurückgekommen, dass ich unmöglich alle im gedruckten Artikel zitieren konnte – erst recht nicht in der Länge, in der sie bei mir eingetrudelt sind. Natürlich hatte ich auch ein schlechtes Gewissen: So viel Gedankenarbeit und Mühe darf nicht unbeachtet bleiben! Darum hier eine ausführliche Auswahl der Beiträge. Allen Beteiligten: tausend Dank!

Anmerkung der Redaktion: Die Beiträge werden in alphabetischer Reihenfolge der Vornamen veröffentlicht. Der O-Ton wurde beibehalten. Hinsichtlich Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden meist die Editionsstandards der Schweizer Musikzeitung angewendet. Einige Emojis aus diesen Texten können hier leider nicht als Bilder angezeigt werden.

Andi Gisler

Ich halte es mit meinem Gitarren-Idol James Burton: «Dou you know music theory?»
«Yes but not enough so that it would hurt my playing.»

Die Diskussion um Autodidakt vs. Studium oder Notenlesen vs. «nach Gehör spielen» greift meist zu kurz, ausserhalb von klassischer Musik sind es ja meist bis immer «Mischformen» – ich hatte z.B einige Jahre Klassikgitarrenunterricht, alles andere aber «autodidaktisch» gelernt bzw. bin immer noch täglich dran. Notenlesen kann ich, habe es aber in der Praxis kaum bis nie gebraucht.

Aber viel wichtiger noch ist die Inspiration und der Einfluss von allen Gebieten ausserhalb der Musik. Nebst dem Leben und der persönlichen Erfahrung sind dies Bücher, Filme, Politik, etc. etc. In England z. B. war die Existenz von Art Schools absolut entscheidend für die Entwicklung der Popmusik. Und Pop/Rockmusik kann auch nicht getrennt von Mode, Politik, Gesellschaft betrachtet werden. Meines Wissens hat z. B. niemand bei Pink Floyd Musik studiert. Die Band entstand aber im Umfeld einer «akademischen» Umgebung – 2 oder 3 Mitglieder waren Architekturstudenten. Und dies hatte natürlich enormen Einfluss auf die Musik, die Präsentation, das Artwork, etc.

Vielleicht läuft Jazz Gefahr, durch die Akademisierung zum Elfenbeinturm zu werden. Wenn man aber die Entwicklung sieht, wie viele jüngere «Jazzers» z. B. Elektronik oder Hip-Hop verarbeiten, sehe ich eigentlich keine Gefahr.
Ich habe grad begonnen, die Doku über Keith Jarrett The Art of Improvisation auf YouTube zu schauen. Und als Erstes spricht er genau über dies: «Der Fehler ist zu meinen, Musik komme von der Musik her». Und ich glaube dies stimmt 100%. Als Musiker kommt man nicht drum, intensiv und gnadenlos zu üben. Aber das Befassen mit anderen Sparten kann kreativ äusserst inspirierend sein.

Betty Groovelle

Ja, ich bin auch Autodidaktin. Heisst aber auch vor allem, dass man eine eigene Sprache für Musik entwickelt, man entdeckt alles selber. So Sachen wie Dissonanz Harmonie, Form. Habe zum Glück ausserordentliche analytische Fähigkeiten, ein Engineering-Köpfchen. Was mich immer wieder gewundert hatte ist, dass immer wieder studierte Musiker nicht in der Lage waren, mir meine forschenden Fragen zu beantworten, warum etwas so oder so ist. Mir erschliesst sich auch nicht, warum man Improvisation üben muss, man hört doch, was für Töne passen und wo die Musik hinwill, dann sucht man sich aus, wie extreme und wie lange Umwege man dazu singt. So gibt es einige Sachen, wo ich viel Freiheit habe.

Denn diese wilde Musik mit orchestergrossem Ausmass war schon immer in meinem Kopf. In der Primarschule schon immer gelitten mit diesen Horrorliedern mit den immer gleichen Akkorden wie Hänschen klein, erst spät Jazz entdeckt … endlich etwas, das der Musik im Kopf eher entspricht. Ich bin Jazz, habe es aber nie gelernt. Nun mit dem Computer mit DAW lerne ich Schritt für Schritt, dass meine Musik aus dem Kopf raus kann und ich sie hören kann.

Bruno Spoerri

Ich habe – glaube ich – bis zum 30. Lebensjahr eine ziemlich typische Entwicklung durchgemacht wie fast alle meine Kollegen im Schweizer Jazz. Es gab ja keinerlei Jazzausbildung, und Jazz war verpönt – in Konservatorien war es zum Teil verboten, Jazz zu spielen. Es gab ein paar wenige Leute, die den Spagat wagten z. B. der Pianist Robert Suter, Pianist der Darktown Strutters und Klavier- und Theorielehrer am Konsi Basel.

Ich lernte als Kind Klavier, zuerst beim Pianisten des Trios meiner Mutter (sie war Geigerin und hatte ein Trio, mit dem sie im Cafe spielte – und gelegentlich trat sie als Solistin im Sinfonieorchester auf), dann beim Oberguru der Basler Klavierlehrer, der mir das Klavierspielen völlig verleidete. Immerhin lernte ich einigermassen Noten lesen. Dann begannen Freunde, Jazz zu spielen, und ich wollte mitmachen. Der einzige Platz, der frei war in der Band, war der des Gitarristen, und ich fragte einen Gitarrenlehrer, wie man das am schnellsten lernt. Er empfahl mir die Hawaiigitarre, und ich machte das eine Zeitlang, bis ich merkte, dass das wohl das falsche Instrument war.

Der Lehrer hatte noch ein altes Saxofon, und das verkaufte er mir. Ich kam dann zwei Jahre in ein Internat nach Davos, und dort gab mir der Saxofonist eines Tanzorchesters, Pitt Linder, die ersten richtigen Sax-Stunden, und er liess mich ein paar Swingstücke so lange spielen, bis ich begriffen hatte, wie man im Swingstil phrasiert. Wir hatten in der Schule auch ein Trio, mit dem ich viel übte. Zurück in Basel (1949) hörte ich jede Nacht AFN im Radio,Charlie Parker, George Shearing etc.

Erste Auftritte kamen im Tanzkurs, Jams im Atlantis mit den dortigen Pianisten (Elsie Bianchi, Gruntz, Joe Turner), dann die ersten Jazz Festivals. Der Pianist Don Gais lieh mir sein Book aus und ich schrieb etwa 100 Stücke von Hand ab. In Basel gab es Old style Bands (Darktown Strutters, Peter Fürst) und die Modernisten um George Gruntz. Ich spielte überall mit, machte 1954 die Matur und begann, Psychologie zu studieren. Dann kamen erste Preise im Festival, eigene Bands (Bigband), dann in Zürich beim Weiterstudium das Metronome Quintet. Und ich begann zu arrangieren, zu komponieren etc. – klare Idee war, als Psychologe zu arbeiten und nebenbei so viel wie möglich Musik zu machen. Dann hatte ich zwei Jahre lang Unterricht bei Robert Suter, und er brachte mir Harmonielehre und Kontrapunkt bei.

Dann heiratete ich 1960, lebte weiter das Doppelleben, und begann im Africana zu spielen. Dann kam ich durch Zufall zu einem kleinen Filmmusikauftrag für die Expo 64. Dadurch kam ich in Kontakt mit einer Werbeagentur, hatte noch ein paar Aufträge – und Ende 64 fragte man mich plötzlich, ob ich in eine neue Werbespot-Filmfirma eintreten wolle als Hauskomponist und Tontechniker. Ich machte den Sprung, obwohl ich eigentlich keine Vorbildung dazu hatte, und lernte dann in der Praxis, wie man das macht. Und dann kam ich in Berührung mit elektronischer Musik und mit sog. Beatmusikern (The Savages), Es war alles Learning by doing – bei jedem neuen Auftrag musste ich etwas lernen – dann auch technisch – u. a. weil ich mit den Tonstudios damals Probleme hatte, machte ich mein eigenes Studio auf, bis ich mit Eigenproduktionen auf die Nase fiel (Hardy Hepp, Steff Signer, etc.) etc. etc.

Ich meine, alle meine Kollegen hatten ähnliche Voraussetzungen: Unterricht bei Klavierlehrer, oder auch in einer Blasmusik – klassisch orientiert, dann selbst lernen vor allem zusammen mit Freunden, viel Spielen und alles ausprobieren. Gruntz war praktisch der Einzige, der vom Autoverkäufer zum Profi wurde – Ambrosetti und Kennel leiteten Firmen. Viele waren auch Studenten – von diesen gaben allerdings viele das Spielen nach dem Abschluss auf. Ich machte 1958 eine Umfrage (das war meine Diplomarbeit als Psychologe).

Noch ein Gedanke zur Jazzgeschichte: Schon früh gab es die Mär vom selftaught genius – die Original Dixieland Band warb damit, obwohl alle Musiker dort effektiv Musikunterricht hatten – man gab sich als Naturgenie, das war eine gute Werbung. Bluesmusiker waren allerdings öfter ohne Ausbildung – aber auch sie lernten vor allem durch den Kontakt mit älteren Musikern. Und im Rock wurde es auch zu einem Markenzeichen, dass man alles selber gelernt habe – was meistens auch nicht genau stimmt. Auf jeden Fall: zu dem Thema gibt es sehr viel idealisierte Lebensläufe …

Bujar Berisha

Es ist ähnlich wie ein Ausländer zu sein. Du lebst dasselbe Leben, isst dasselbe und machst auch etwa dasselbe nur ist die Sprache anders. Das schliesst aus oder weckt Neugierde. Und so wie alles, hat alles Vor- und Nachteile. Vorteil, du hast von Anfang an eine eigene Handschrift, die andere erst später sich erarbeiten müssen/wollen. Dafür erkennen Autodidakten am Anfang gar nicht ihre Handschrift, sondern sehen diese als Manko … Beispiel, manche hören sofort, dass die Geige schlecht gestrichen wird, obwohl sie keinen Ton in einer Tonskala orten können. Gelernte Violinistinnen und Violonisten brauchen unter Umständen Jahre, um dies zu hören, wie der Bogen die Saiten zum Schwingen bringt.

Christoph Gallio (DAY & TAXI)

Ich hab mir mit 19 Jahren ein Saxofon gekauft und mich autodidaktisch 2 Jahre durchgewurstelt (free Improv und Freejazz in Bands) … danach in 2 Jahren Notenlesen gelernt (Musikschule Basel bei Ivan Rot) und dann ein Jahr Konsi Basel (auch bei Iwan Roth). Und als ich 29 Jahre alt war dann 2 Nachmittage „Unterricht‘ bei Steve Lacy in Paris. Das wars dann mit Instrumentalunterricht. Als Komponist bin ich total autodidaktisch unterwegs.

In Basel war ich mit Philippe Racine (Flöte – heute Professor an der ZHdK, komponiert mehrheitlich, da er wegen einer Dystonie nicht mehr spielen kann) in ner WG. Er war vor mir am Konsi. Super begabt und wurde im Duo mit Ernesto Molinari als Neue Musik-Interpreten rumgereicht und gefeiert. Das ist ja schön und gut. Nur wurde man da als Freejazzer belächelt und auch nicht ernst genommen – das war so ne unausgesprochene Grundstimmung. Ein Mitstudent (auch Saxofonist!) am Konsi nannte mich damals Seelenverkäufer.

Ich hatte in der Freeszene (in Basel und Zürich) zu tun … danach dann sehr schnell mit der Jazzszene sympathisiert (was in der Freeszene wiederum nicht goutiert wurde – man war damals schnell ein Verräter. Kompliziert alles!). Die Freeszene wollte auch an den Topf der Neuen Musik, wollte genauso ernst genommen werden wie die diplomierten Neuetöner. Da gabs ja noch E und U Musik. Und «wir» wurden lange Zeit als U-Musiker (innen gabs wenige – ausser Irene) deklassiert. Warum? Weil wir halt nicht die Konsi-Mühlen durchlaufen haben. Kurz: Wenn man am Konsi war konnte man spielen. Wusste man wie Musik funktioniert.

Wir Freejazzer etc (wir verstanden uns als E-Menschen und waren alle Autodidakten – kann man ja nicht an ner Hochschule studieren) … zogs natürlich auch zu den gleichen Spielorten und Fördertöpfen. Diese mussten verteidigt werden. Es gab die MKS (Musikerkooperative – heute Sonart) und die war bemüht um die Akzeptanz der frei Improvisierenden. Damit auch wir an die Töpfe (auch die waren nie prallvoll!) rankamen. Diese Töpfe wurden aber sehr verteidigt und es brauchte Jahrzehnte, bis sich das ein wenig änderte. Und wenn Geld im Spiel ist, gehts auch schnell um Macht. Wer bekommt es, wer verteilt es. Wer ist Freund, wer nicht.

DAY & TAXI: Drummer Gerry Hemingway (67) ist totaler Autodidakt, ich (65) ja mehrheitlich auch und Bassist Silvan Jeger (37) hat natürlich einen Master im Bassspielen. Es gibt ja heute eigentlich gar keine Autodidakten mehr. Ohne Diplom kann man heutzutage nicht mehr an einer Musikschule unterrichten. Silvan hatte mal ne eigene Band, die ich ganz toll fand …war noch nicht ausgereift, aber auf dem Weg. Leider konnte er sie schlecht verkaufen, und die Mitglieder verhielten sich passiv (sehr normal – halfen nicht mit mit der Gigssuche etc), was ihn enttäuschte und nach nem Jahr gab er die Band auf. Leider null Durchhaltevermögen. Oder die Motivation war zu klein … es ging ihm zu langsam … keine Ahnung…

Anekdote: Unseren letzten Gig in Baden liessen wir aufnehmen. Der Techniker ist masterierter Jazz-Drummer und ca. 25 Jahre jung. Nach dem Gig – der ihm gefiel – fragte er mich nach meiner Ausbildung. Die Antwort kennst du. Und ich sagte ihm, dass Gerry (berühmt und ex Dozent Jazzhochschule Luzern) sogar ein totaler Autodidakt sei. Danach sagte er: OK, ich verstehs nun. Da ist was, dass ich so zum ersten Male höre oder das mich verunsichert. Es irritiert mich. Und er sprach von einer Energie. Ich glaube er spürte das Commitment, das innere Feuer oder so – na, das tönt jetzt doch sehr esoterisch …;-) … Auf jeden Fall hatte mich diese Episode erfreut. Zu merken, dass da ein junger Musiker was mitbekommt, das ihn verunsicherte, zum Nachdenken motivierte. Ich glaube er hat über Musik nachgedacht, was sie kann, was sie soll – oder ganz einfach übers Wie …

Daniel Gfeller

Musik ist die Krankheit, die man mit Musik zu heilen versucht. «War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff?» (F. Kafka/Die Verwandlung). Man ist zur lebenslangen «Selbstverwirklichung» verdammt – mit oder ohne formale Bildung. Sogar die Dekonstruktion qua Punkrock ist gescheitert … hopeless. Wir sind stolz darauf, den eigenen Seelenklang zu finden, bis ein Lehrer, oder das Liebes(un)glück oder das Leben die zarten Triebe stutzt … Musik ist auch «Reviermarkieren» – wo ich klinge, bin ich. Formale Ausbildung nimmt einem die Last, dauernd selber absolute Instanz sein zu müssen (meine ich).

Daniel Schnyder

Jeder muss für sich selbst lernen, niemand kann etwas für jemand anderen lernen, deshalb ist per definitionem jeder kreative Geist ein lebenslanger Autodidakt.

Dieter Ammann und Bo Wiget (Dialog)

DA: Einer der Vorteile als Autodidakt ist, dass man Musik beurteilen darf nach dem Motto: Das gefällt mir … das gefällt mir nicht. Allerdings ist dies gleichzeitig auch ein Nachteil, denn tiefergehende Beurteilungskompetenz bleibt einem so verwehrt.

BW: Autodidakt sein heisst so wie ich das verstehe eigentlich nicht, dass man nichts weiss.

DA: Als jemand, der in Teilen kompletter Autodidakt war (Trompete, E-Bass), würde ich so etwas auch nie behaupten.

Emanuela Hutter, Hillbilly Moon Explosion

Ich lernte seit der Primarschule Klavierspielen. Nahm klassischen Gesangsunterricht in Zürich und New York. Das Gitarrenspielen eignete ich mir alleine an.

Dazu habe ich diverse unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Im Gesang musste ich früher, als ich noch klassisch sang, immer umschalten. Oliver von den Hillbillies ging jeweils fast die Wände hoch, wenn meine Stimme jeweils wegen Auftritten mit dem Klassischen Ensemble zu sehr in der Klassik feststeckte. Dort ist das Augenmerk immer auf der Resonanz. Und es wird intensiv am Klang der Vokale gearbeitet. Groove und Verständlichkeit kommen da zuweilen ins Hintertreffen. Der Vorteil: Ich kann 3 Wochen am Stück jeden Abend mit den Hillbillies auftreten ohne heiser zu werden und nach wie vor ohne Mic in einen Raum hinaus singen und viel Resonanz erzeugen, was die Zuschauer jeweils verblüfft.

Ich habe irgendwann gehört und beobachtet, dass meine Lieblingssängerinnen aus Blues und Jazz die Gestaltung ihres Klangs über die Konsonanten «abwickeln». Ich mache das jetzt auch so, was teils den aussergewöhnlichen Mix ausmacht bei den Hillbillies: meine klassisch geschulte Stimme und der Sound der Instrumente.

Was das Klavier betrifft, fällt mir jeweils auf, dass meine Art am Klavier Songs zu schreiben immer noch von den Stücken von Chopin, Grieg und Bartok beeinflusst und begrenzt werden, die ich vor langer Zeit mal intus hatte. Darum dieses altbackene Filmmusik Ambiente bei jenen Songs. Siehe oder höre hier:
https://www.youtube.com/watch?v=nF75w7yTY8c

Das Gitarrenspiel habe ich mir selbst angeeignet. Zum Songs schreiben. Und ab und wann mir Techniken von Gitarristen zeigen lassen, wie z.B. finger-picking. Ich nahm jedoch nie regelmässig Lektionen. Ich bin limitiert und spiele eine urchige Rhythmusgitarre, wobei ich mich freue, dass mein holziger Stil mittlerweile auch im Studio geschätzt und eingesetzt wird. Ja teils gar vorgezogen, und das obwohl ich mit Gitarrencracks zu tun habe, wie Joel Patterson oder Duncan James.

Beides, das seriöse Erlernen eines Instrumentes, wie das autodidaktische Aneignen hat Vor-und Nachteile.

Ernst Eggenberger

Ich bin Songwriter man findet mich auf Youtube. Ich hab in den 80ern mit einer Jazzrockformation Andromeda Konzerte und Platten gemacht. Die letzten 7 Jahre hatte ich das Glück, mit Felix Rüedi am Bass Konzerte und CDs aufzunehmen. Er hat die Jazz-Schule gemacht, ist ein versierter Fret und fretless bassist. Für die CD-Aufnahmen hat er mit meiner Vorlage jeweils die Charts für die Studiomusiker herausgeschrieben. Er sagte immer, es sei ein Glück, dass ich nicht geschult sei, denn sonst könnte ich nicht so freie Songs schreiben, ich kenne keine Regeln, also muss ich mich auch nicht daran halten. Er meinte immer in meinen Songs hätte es immer irgendwo eine Falle bei der Stelle er aufpassen müsse.

Ich hab auch mal einen TV-Auftritt mit der Kapelle Oberalp gehabt, die haben zwei Klarinettisten, einer hat das Konsi gemacht, der andere kann keine Noten lesen, und die spielen seit über 30 Jahren zusammen. Es kann immer alles Vor und Nachteile haben.

Ernst Hofacker

Als alter Wald-und Wiesen-Rock’n’Roll-Gitarrist sage ich: Als Autodidakt hab ich mir immer die nötige Unvoreingenommenheit der Musik und dem Instrument gegenüber bewahrt. Aber ein bisschen Unterricht, hier und da abgucken und der Wille zum vierten Akkord haben nicht geschadet! (Anm. Red. drei Gitarren-Emojis sowie 🙂 )

Hotcha Means Hotcha

In den 60ern waren wir alles Autodidakten, haben abgeguckt, wo wir konnten, Legenden erzählen von Gitarristen, die absichtlich mit dem Rücken zum Publikum spielten, damit man nicht sah, was sie machten, manchmal wurde uns auch von befreundeten Gitarristen etwas beigebracht, ich habe The Last Time vom Vater von Jessi Brustolin gelernt, auch Gloria und die Barrégriffe … das erklärt nämlich auch, warum aus Beat dann Krautrock und später Progrock entstand, ersteres unverkennbar immer wieder erstaunt über die geniale Pentatonik, die man rauf und runternudeln konnte, letztere unverkennbar mit einem verschrobenen Ehrgeiz unterwegs zu Augenhöhe mit den Klassikern.

Schon 1967 meinte unser Bassist aus gutem Hause zu mir, «Bach ist nur für intelligente Leute», war klar, was er damit sagen wollte … aber eben, das war die Saat. Danach, um Sax spielen zu können, musste ich Harmonien kennen und verstehen, darob bin ich heute froh, wo ich Youtube-Videos für Soundbytes-Schieber mit einem Fetisch für Vintage Elektronik sehe, wo man ihnen II-V-I erklärt

Jessi Brustolin

Mir hat mein Vater House of the Rising Sun beigebracht 🙂 Danach war das Buch von Peter Bursch angesagt, anstelle von Noten haben Zahlen Griffe erklärt. Dann tatsächlich ein paar Jahre Jazz-Unterricht, wobei der arme Lehrer an mir verzweifelt ist, ich wollte immer Punk- und Metal-Songs spielen anstelle von Robben Ford. Das ist bis heute so :-))

John C Wheeler (Hayseed Dixie)

Guitarre ja. Klavier nein. Ich wurde klassisch ausgebildet, allerdings kommt das mit Vorteilen und Nachteilen – hauptsächlich heisst das gut für die Technik, schlecht für den Groove.

John C Wheeler und Stephen Yerkey (Dialog)

SY: I’m self-educated… I want to write a memoir on what it’s like to play music for fifty-five years with your head up your ass.

JCW: In 3 years, I’ll be able to help you write it.

Jonathan Winkler

Hatte ein wenig Unterricht aber schliesslich das meiste durch Hören und Nachspielen gelernt – entsprechend limitiert bin ich … Bedaure manchmal schon, nie richtig gelernt zu haben, wie man Gitarre spielt.

Käthi Gohl Moser

Auch nach bald 50 Jahren unterrichten und Aufbau der musikpäd. Masterstudiengänge in BS: Es gibt kein Lernen, das nicht ausschliesslich im/in der Lernenden selbst passiert. Wir sind unter anderem Gärtner, können also für bessere (und leider auch schlechtere) Bedingungen sorgen, wir sind Spiegel für das Fördern der Eigenwahrnehmung, aber vor allem können wir anstecken und Musik/Feuer legen, aber brennen tun die Schüler selber … Fazit: Für fantastische Musik ist Ausbildung nie die einzige Voraussetzung. (Sternen-Emoji)

Kno Pilot

Ich bin weitgehend Autodidakt und halte das bei Indie-Liedermacher-Zeugs (was ich mache) für einen Vorteil. Letzte Woche spielten wir einen neuen Song (ich Bass und Gesang) und ich hörte in meinem Kopf einen «interessanten» Ton, den ich in die Basslinie einbauen wollte. Als ich ihn auf dem Griffbrett gefunden hatte wurde mir klar, dass es sich um die Oktave des Grundtons handelt :-)) . Ausgebildete Musiker würden das nie im Leben als interessanten Ton bezeichnen und ihn vielleicht nicht mal spielen, weil es zu simpel ist

Lukas Schweizer

Ich habe viele Jahre klassischen Gitarrenunterricht gehabt, streng nach Noten. Als ich mit meiner eigenen Musik begonnen habe, musste ich mich zuerst von den «starren» Nöten lösen lernen. Und ich habe erst beim freieren Spielen das System Gitarre richtig begriffen. Zuvor bin ich viel zu fest an den Noten gehangen. Weiter habe ich lange Zeit in Chören (vorwiegend klassische Chormusik) gesungen. Für meine eigene Musik musste ich meine Stimme neu entdecken, herausfinden, was mit ihr möglich ist und was mir gefällt. Auch hier ging es um einen freieren Umgang mit dem Instrument Stimme. Auch mir ist aber die recht fundierte musikalische Grundausbildung, die ich genossen habe, wichtig und die Basis für vieles. Beispielsweise bringe ich mir gerade selbst etwas Klavierspielen bei und da hilft mein musiktheoretisches Wissen schon.

Marc Unternährer

Ich habe klassisch studiert, während dem Studium schon improvisiert und (im weitesten Sinne) Jazz gespielt und brauchte Jahre nach der Ausbildung, um von gewissen Dingen frei zu werden und mich von Vorstellungen zu lösen, wie ich klingen soll und darf. Im Jazz lernte ich durch oftmalige Überforderung mehr und mehr dazu, da bin ich Autodidakt. Das Studium möchte ich nicht missen, heute spiele ich nicht mehr im streng klassischen Bereich.

Martin Söhnlein und Dieter Ammann (Dialog)

MS: Mit Profis hat man zwölf Töne – mit Amateuren alle.
DA: Das ist nicht ganz richtig – Mikrotonalität birgt viel mehr Töne …;))
MS: Da hast du natürlich recht.
DA: Und dann kommt in der zeitgenössischen Musik (was genremässig seit über hundert Jahren, seit dem Zusammenbruch der «Tonalität» als «Neue Musik» bezeichnet wird) noch die ganze Geräuschpalette dazu … Kunstausdruck kennt per se fast keine Grenzen.
MS: Total einverstanden. Der Weg – obwohl das Ziel – spielt da gar nicht mal so eine grosse Rolle.

Matthias Penzel

Meine Erfahrung, nicht anders als beim Auf-Den-Händen-Laufen: Wenn man sich was selbst beibringt, dauert es länger, z.B. auch das Trainieren des Gehörs – und es ist, so scheint mir, es ist dann auch immer viiiiel tiefer in Mark und Bein eingefräst. Denn man spielt dann, bspw. was so Läppisches wie einen 4/4 Takt, so, als hätte man den gerade erfunden. Das ist schwer zu lehren und auch anderen schwer zu vermitteln. Wenn du bei AC/DC (nicht mein Geschmack, sondern sachlich beobachtet) in der Konzerthalle siehst, wie die Leute bis in die echt allerletzte Reihe mitwippen, dann kannst du auch davon ausgehen, dass keiner weiss warum, wenn du mit Drummern darüber sprichst, stösst du sofort auf eine Menge Drummer, die das ganz genau erklären können. Das Wie ist nicht so leicht zu unterrichten … bzw. konventionell unüblich; vielleicht gibt’s auch äh, ‘spirituellere’ Didaktik. Aber kaum am Konservatorium, nehme ich an.

DANN gehört zu den Qualitäten eines Musikers im Pop ja keineswegs nur das Handwerk. The Edge kann oder konnte keine Akkorde, Eddie van Halen keine Melodien, Ozzy konnte nie singen, dito Anthony Kiedis und eigentlich die allermeisten Hardrocksänger, daher mussten sie … wie Pete Towshend mit seiner hässlich grossen Nase: kompensieren. Und das ist im Grund die Story des Rock.

Kompensieren mit Kompositionen, die anders funktionieren, oder mit irrem Spiel (was ganz anderes, schaffen sich tausende Leser von Tabulaturen jeden Monat drauf … die schaffen dann sogar Sachen, bspw. Van Halen’s Beat-It-Solo, das hatte der selbst nie so gespielt, sondern Quincey Jones zusammengeklebt aus mehreren Aufnahmen …). Also, das sind sehr unterschiedliche Qualitäten, die Musiker/Bands letzten Endes zu etwas machen, das nachhaltig bei den Leuten im Kopf bleibt.

In dem Zusammenhang finde ich, müsstest du eigentlich auch mit den Musikern von Celtic Frost sprechen. Bzgl. Langzeitwirkung schon ziemlich fuckin phenomenal.

 

Matthias Wilde

Ich bin Autodidakt, und dies ist irgendwie befreiend, kann aber auch ein Hindernis sein. Gutes theoretisches Wissen erleichtert sicher das Lernen von weiteren Instrumenten und neuer Stile. Als Autodidakt besteht die Gefahr, dass man sich etwas im Kreis bewegt. Das ist natürlich auch bei gut ausgebildeten Musikern möglich und hängt auch von der Person ab, doch mit theoretischem Wissen kann man sich schneller in neue Situationen hereindenken, denke ich. Ach, was weiss ich! Alles hat seine Berechtigung, solange es Erfüllung gibt!

Micha Jung

Bei mir sind die Spielarten mit Menschen verknüpft, von denen ich sie lernte: Div.Flamenco-Stile von Maestro Ricardo Salinas, American Folkpicking von Martin Diem (Schmetterbänd), div. Fingerpickings (Leonard Cohen), E-Git (Schöre Müller), Rhythm. Guitar (Tucker Zimmermann, Joel Zoss) usw.

Michael Bucher

Ich habe vor meinem Studium autodidaktisch Gitarre gelernt, ich war zwar mal da und dort bei einem Lehrer, aber nie regelmässig und vermutlich hatte ich bis zum Studium 5 Lektionen. Ich bin wohl ein Antischulkind gewesen und habe noch heute Mühe zu verstehen, dass das, was man können möchte, in einer Schule zu holen sein soll. Ich bin auch Multiinstrumentalist, mische meine Aufnahmen oft selber, ebenso mache ich die Aufnahmen, mein Umfeld ist gross und willig bei Fragen Tipps zu geben, das Internet mit Wissen gestopft voll, so habe ich die meisten meiner Skills gelernt. Dafür gibts natürlich kein Diplom, gell. 😉

Trotzdem unterrichte ich dann und wann an der ZHDK, habe auch immer wieder Studenten, die zu mir in den Unterricht wollen. Das finde ich grossartig, die Auseinandersetzung mit den «Kids». Das Universum ist voller Äpfel, man muss sie nur pflücken.

Nick Werren

Auch ich: Kompletter Autodidakt. Dies kann hin und wieder, in Zusammenarbeit bzw. Zusammensein mit jazzgeschulten Freundinnen oder Mitmusikern, Komplexe auslösen und ich bezeichne mich in der Szene deshalb ungern als Musiker, obschon ich mich mein halbes Leben durch Musizieren ernährt habe.

Beim Musikunterricht und den Hausaufgaben meiner Kinder versuchte ich in den letzten Jahren möglichst viel nachzuholen. Inzwischen weiss ich, auf welcher Linie das C liegt, das hat mir aber irgendwie nicht viel gebracht.

Nikko Weidemann (ua. Moka Efti Orchestra in der Serie «Babylon Berlin»)

Ich habe am meisten von meinen Studenten (Studierenden) gelernt, als ich 10 Jahre lang Dozent war. Ohne je studiert zu haben. Vorher bin ich 4 Jahrzehnte immer mit der Wünschelrute dorthin, wo ich eine kreative Goldader vermutete. Ich glaube, dass das Sich-Neu-Erfinden-Müssen die wichtigste Quelle ist. Sich in eine Position zu begeben, aus der man nicht so einfach wieder rauskommt, das fordert einem das Beste ab.

Das Problem und das Siechtum des Jazz ist seine Verschulung, seine Akademisierung. Giant Steps als Einbahnstrasse, aus der es kein Entkommen gibt. Natürlich gibt es tradiertes Wissen, auch Keith Richards hat viel davon, aber er entzieht sich der Analyse. Bzw. sagt er in seinem tollen Buch ganz genau, wie seine open tunings sind, er deckt den «code» auf, macht ihn publik. Kann jeder haben und doch hat keiner Keef oder, for that matter, sich selbst, bis er oder sie bereit ist, den Preis zu zahlen.

Richard Koechli

Das hängt wohl vor allem auch mit dem Lerntyp zusammen (ich bin tendenziell mehr Autodidakt). Theorie zum Beispiel als grundsätzlich «hurting» für authentische Musik zu bezeichnen, wird dem Ganzen nicht gerecht. Ich hab mir genau so viel Theorie draufgeschafft, wie ich für meine Arbeit (ziemlich dringend) nötig hatte – Feeling, Leidenschaft, feines Gehör usw. reichten bei mir nicht, um das Potenzial verwirklichen zu können. Die Theorie ist ein relativ kleiner, aber sehr wertvoller Teil für mich, um mich orientieren zu können in der Musik, um Dinge reproduz 13,Tempo“

 

Erlass einer neuen Kulturförderungsverordnung

Der Winterthurer Stadtrat hat die Weisung zur neuen Kulturförderungsverordnung an das Stadtparlament überwiesen. Anpassungen betreffen die Finanzierung, die Sichtbarmachung der kulturellen Vielfalt sowie die Klärung, was unter Kultur und Kulturförderung zu verstehen ist.

Winterthurer Stadtrat. Foto: Stadt Winterthur

In der Vernehmlassung haben laut der Medienmitteilung der Stadt die Mehrzahl der kulturellen Organisationen und die SP die unbestimmte Formulierung bezüglich «einer angemessenen Finanzierung der Kulturförderung» im Verordnungsentwurf beanstandet. Der Stadtrat hat dem Bedürfnis nach mehr Planungssicherheit Rechnung getragen, indem er die Kürzungsklausel in den Subventionsverträgen entschärft hat.

Eine grosse Mehrheit der Stellungnahmen wies auf die hohe Bedeutung der Sichtbarmachung des Kulturlebens in der Stadt hin und wünschte sich eine explizite Verankerung in der Verordnung. Die Sichtbarmachung der kulturellen Vielfalt durch das Kulturmarketing wird deshalb im Verordnungsentwurf ausdrücklich aufgenommen.

Weiter wurde die verschiedentlich geübte Kritik an den «Kann-Formulierungen» zu den Förderungsmassnahmen berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wurde auch das mehrfach geäusserte Anliegen, den Förderpreis in der Verordnung zu verankern, aufgenommen.

Der Stadtrat hat die Weisung zur neuen Kulturverordnung nun an das Stadtparlament zur Verabschiedung überwiesen. Heisst das Parlament die Verordnung gut, wird diese voraussichtlich auf Anfang 2023 in Kraft treten.

Mehr Infos:
https://stadt.winterthur.ch/gemeinde/verwaltung/stadtkanzlei/kommunikation-stadt-winterthur/medienmitteilungen-stadt-winterthur/erlass-einer-neuen-kulturfoerderungsverordnung

Rührendes Wiegenlied

Schlichter Klang und hindernisfreie Ausführung prägen dieses typisch pärtsche Stück.

Arvo Pärt hat wohl ein zartes Verhältnis zu einem Enkelkind. In die einfache Melodie seines Estonian Lullaby wird ein feines Staccato-«Gut-Nacht!»-Motiv erst im Klavier eingeflochten, dann in der Geige mit Pizzicato oder Flageolett zum Einschlaf-Ausklang geführt.

Das ursprünglich für eine Frauenstimme komponierte Stück basiert auf einem Volkslied. Es dauert zwei Minuten und ist für beide Instrumente leicht zu spielen.

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Arvo Pärt: Estonian Lullaby, für Violine und Klavier, UE 38100, € 14.95, Universal Edition, Wien

Von der Angst und der menschlichen Wärme – Poulencs «Dialogues des Carmélites»

Nach achtzehn Jahren kehrt Francis Poulencs bewegende und auch befremdende Oper ans Zürcher Opernhaus zurück. Die Aufführung unterstreicht die im Titel stehenden «Dialoge» und zeigt Erbarmen mit Bühnenfiguren und Publikum.

Von den vielen grossen Opern des 20. Jahrhunderts ist sie eine der exzeptionellsten, eine, die beim Erlebnis, zumindest bei mir, höchst widersprüchliche Gefühle hervorruft: So anziehend ist sie wie abstossend und befremdlich. Francis Poulencs Dialogues des Carmélites, uraufgeführt 1957, also mitten in der Hochblüte der Darmstädter Avantgarde, steht musikalisch ausserhalb ihrer Epoche. Sie ist tonal, kantabel, klar gebaut, zauberhaft orchestriert, ja sogar einschmeichelnd und eingängig, sie ist leicht und auf mozartsche Weise beweglich – und doch kann sie sich momentweise sehr abrupt verhärten. Sie stammt von einem Filou, einem Causeur und Charmeur, der gleichzeitig zum Mönchischen neigte und tiefreligiös war.

Dieses Werk ist nicht nur eine Oper ohne Liebes- und Kampfszenen, also ohne die grossen Theatergefühle, sondern tatsächlich, wie der Titel andeutet, eine Dialogoper. Der Text von Georges Bernanos ist geschliffen scharf wie ein Messer und dabei ideologisch gefärbt: «Schwärzester Katholizismus», wie ein Kollege einmal sagte, aus einer Zeit des militanten Antikommunismus. Er verherrlicht die katholische Kirche und restituiert sie durch das Martyrium, es macht Aufklärung rückgängig. Man bedenkt das die ganze Oper hindurch mit und wird doch zutiefst in den Konflikt, ja den Abgrund hineingezogen.

Das Publikum leidet mit

Das liegt nicht nur an der historisch verbürgten Geschichte, dass die Karmeliterinnen von Compiègne von den Jakobinern unterdrückt, gefangengenommen, verurteilt und hingerichtet wurden. Dahinter leuchtet in dieser Version eine sehr menschliche Seite auf: das Mitleiden, das sich auf den Zuhörer überträgt. Ausgehend von der wahren Begebenheit von 1794 hatte die deutsche Schriftstellerin Gertrud von Le Fort 1931 ihre Novelle Die Letzte am Schafott geschrieben und dabei eine fiktive Person hinzugefügt: die junge Adlige Blanche de la Force, die als Sœur Blanche de l’Agonie du Christ in den Karmel eintritt und in diese Ereignisse hineingezogen wird. Force und Agonie (die Namen sprechen!), Kraft und Todesangst, sind bestimmend für die Handlung. Blanche ist auf der Flucht, auf Weltflucht, sie ist von panischer Angst getrieben und findet eine Sicherheit in der Strenge des Ordens.

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Ensemble, Tänzerinnen und Tänzer

Darum geht es in dieser Oper zunächst, dafür fand Poulenc eine ebenso einfache und wie unmittelbar aufwühlende Tonsprache. Und hier steckt auch die Stärke der neuen Zürcher Inszenierung, achtzehn Jahre nach der starken Aufführung in der Regie von Reto Nickler. Die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen setzt genau da an. Sie aktualisiert nichts äusserlich, belässt die Kostüme (Gideon Davey) im späten 18. Jahrhundert, setzt alles in ein hohes, meist karges, für die jeweiligen Szenen wandelbares Bühnenbild (Ben Baur) und fügt, abgesehen von einer erzählerischen Tanzeinlage zu Beginn, keinen Zierrat bei. Wichtiger sind die langen, distanzierenden Tische, an denen Gespräche stattfinden, und die vielen Stühle, mal unordentlich, mal geordnet im Raum postiert, schliesslich umgestossen. Es schafft eine beklemmende Atmosphäre, und darin versteht Mijnssen die Personen überzeugend zu führen, allen voran die in ihrer gesanglichen und darstellerischen Expressivität subtile Blanche von Olga Kulchynska.

Die Nonnen bleiben Individuen

Darum herum findet sich der heterogene Kreis der Nonnen, die allesamt starke Individualitäten (und Sängerinnen) sind: die mütterliche, etwas pathetische Priorin (Inga Kalna), die strenge, zum Äussersten entschlossene Mère Marie (Alice Coote), die junge, liebliche, zu Visionen neigende Constance (Sandra Hamaoui) und die ängstliche Jeanne (Liliana Nikiteanu). Und da ist die erste Priorin, die im ersten Akt stirbt, auf geradezu unwürdige Weise voller Todesangst und Verzweiflung, eindringlich dargestellt von Evelyn Herlitzius. Es sind keine Glaubensmaschinen, die uns da entgegentreten, sondern verletzliche, verunsicherte und unterschiedlich reagierende Menschen. Und das ist es schliesslich, was der Aufführung eine einnehmende menschliche Wärme verleiht, etwas, das auch das Orchester, die Philharmonia Zürich unter der Leitung von Tito Ceccherini, ausstrahlt: Kompaktheit und Klarheit, farbenreich, nie ins Extrem gehend. Diese Wärme, die die Frauen bei aller klösterlichen Strenge untereinander finden, lässt die Angst umso deutlicher hervortreten. Mijnssen arbeitet hier auf eindrückliche Weise mit der Körpersprache.

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Ensemble und Chor

Gnädige Inszenierung

Bleibt die berühmte Schlussszene, die weit mehr als ein Opernfinale ist. Ähnlich wie das letzte Bild in Bernd Alois Zimmermanns Die Soldaten, wo sich die Zeiten übereinanderblenden und zu einem Gesamtbild des Kriegs zusammenschiessen, übersteigert sich hier das persönliche Schicksal der Frauen in einem Massaker, und es stellt eigentlich jede Regie vor ein unlösbares Problem. Wie den Tod zeigen? Die Nonnen sterben nacheinander auf dem Schafott. Untermalt von einem unruhigen Puls, der bei Poulenc häufig erscheint, wenn es um den Tod geht, singen sie das Salve Regina. Mit jedem hörbaren Heruntersausen der Guillotine verstummt eine Stimme, bis nur noch eine einzige übrig bleibt, jene der Blanche, die sich zum Martyrium entschieden hat.

Dieser Schluss ist eine Stärke, aber auch eine Schwäche des Stücks, weil er theatral so extrem eindrucksvoll ist und dabei den Rest der Oper auszulöschen droht. Das menschliche Miteinander, das Dialogisieren in einem weiteren Sinn, das das Werk bis dorthin prägt, geht in ein Tötungsritual, in ein kollektives Sterben über. Man kann sich vorstellen, wie schmerzhaft es für den Komponisten gewesen sein mag, seine Geschöpfe sterben zu lassen und die harten Schneidgeräusche des Fallbeils in den sanften und doch starken Frauengesang hineinzusetzen: unerbittlich, realistisch unregelmässig und musikalisch «sinnvoll». Da erreichen Kunst und Können die Grenze zur Grausamkeit.

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Blanche – Olga Kulchynska / Sœur Constance – Sandra Hamaoui

In der Zürcher Inszenierung nun wird gerade das abgemildert. Die Schlussszene löscht nichts aus, sondern fügt sich sogar folgerichtig in den Abend ein, wenn er dabei auch an Härte verliert, so als habe man Mitleid mit dem Komponisten und seinen Geschöpfen. Die Guillotine ist akustisch nicht vordringlich, sondern bleibt fast im Hintergrund. Als Zeichen des Sterbens senken die Frauen nur den Kopf. Die Szene verliert so ihren Schrecken. Mijnssen beharrt auf der Individualität der Nonnen, im Tod streicht jede noch ihren Namen von einer Wand und verlässt die Bühne gesenkten Haupts. Das ist gnädig, mit den Figuren und mit uns, und verschleiert doch ein wenig die Inkommensurabilität dieser ungeheuerlichen Oper.

Opernhaus Zürich

noch bis 5. März 2022

Berns Musikkommission mit Neuzugängen

Die Stadtberner Exekutive hat neue Mitglieder in die Musikkommission, die Literaturkommission und die Theater- und Tanzkommission gewählt.

Gemeinderat der Stadt Bern 2021–2024. Foto: Stadt Bern

In der Musikkommission wurden laut der Mitteilung der Stadt Arnaud Di Clemente und Katharina P. Langstrumpf gewählt. Arnaud Di Clemente war sechs Jahre lang künstlerischer Leiter der Berner Konzertveranstalterin «bee-flat», lebt mittlerweile in Lausanne und arbeitet dort an der Eröffnung eines neuen Jazz-Clubs sowie als Booker des Festivals «Cully Jazz».

Katharina P. Langstrumpf bewegt sich seit vielen Jahren im Pop- und Rockbereich, betreut mit der eigenen Booking-Agentur zahlreiche Schweizer Künstler und ist Crew-Mitglied der Band «Patent Ochsner». Die beiden neuen Mitglieder treten die Nachfolge des bisherigen Präsidenten Fabio Baechtold sowie von Sabine Ruch an. Das bisherige Kommissionsmitglied Nils Kohler hat das Präsidium per Anfangs 2022 übernommen.

Neu in der Literaturkommission sind Susanne Schenzle, Céline Tapis und Johannes R. Millius. Neu gewählt als Mitglieder der Theater- und Tanzkommission sind Melanie Grütter, Emily Magorrian und Jonas Junker.

Nicht alle Musik gefällt

In einer aktuellen Studie zeigt ein Team des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main, welche Gründe hinter der Ablehnung bestimmter Arten von Musik stecken können.

Foto (Symbolbild): Teerapun/depositophotos.com,SMPV

Bis auf wenige Ausnahmen standen bei den bisherigen Forschungen zum Musikgeschmack die Vorlieben für bestimmte Musik im Fokus. Das Forschungsteam konzentrierte sich bei seinen Untersuchungen nun erstmals explizit auf die Ablehnung von Musik. In ausführlichen Interviews mit 21 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus fünf Altersgruppen erfragten sie die spezifischen Gründe, die hinter deren individuellen musikalischen Ablehnungen steckten.

Die Forscherinnen ordneten die Gründe für die Ablehnung drei Kategorien zu: erstens objektbezogene Gründe, wie Komposition oder Text, zweitens subjektbezogene Gründe, wie emotionale Wirkungen oder Diskrepanzen zum Selbstbild, und drittens soziale Gründe, die sich auf das eigene soziale Umfeld und die dort üblichen Geschmacksurteile beziehen (in-group) oder auf andere Gruppen, denen sich die Teilnehmer nicht zugehörig fühlen (out-group).

Abgesehen von den Gründen für die Ablehnung gegen bestimmte Arten von Musik beschrieben die Befragten auch persönliche Reaktionen, die eintreten, wenn sie mit der von ihnen abgelehnten Musik konfrontiert werden. Dazu zählten unter anderem emotionale, körperliche und soziale Reaktionen, die vom Verlassen des Raumes bis zum Abbruch sozialer Kontakte reichten.

Während frühere Forschungsergebnisse bereits zeigen, dass musikalische Ablehnungen wichtige soziale Funktionen erfüllen, erweitert die aktuelle Studie die Begründungen um musikbezogene und persönliche Aspekte. So dienen musikalische Ablehnungen beispielsweise auch dem Erhalt guter Laune, sind Teil des Identitätsausdrucks oder helfen bei der sozialen Abgrenzung. Damit erfüllen sie ähnliche Funktionen wie musikalische Vorlieben, allerdings werden sie weniger offen und eher indirekt geäussert.

Originalartikel:
https://www.aesthetics.mpg.de/newsroom/pressemitteilungen/pressemitteilungen-detail/article/ungeliebte-musik-was-steckt-dahinter.html

Tonhalle hält an Maskenpflicht fest

Gemäss heutigem Beschluss des Bundesrats werden auch in der Tonhalle Zürich ab morgen keine Zertifikatskontrollen mehr durchgeführt. Weiterhin gilt in der Kleinen wie in der Grossen Tonhalle dennoch Maskenpflicht.

Deckengemälde im Grossen Saal der Tonhalle Zürich. Foto:SMZ/ks

Die Schutzmassnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 werden schweizweit weitgehend aufgehoben. Die neuen Entscheide der Regierung treten am Donnerstag, 17. Februar 2022 in Kraft.

Die Tonhalle-Gesellschaft Zürich AG respektiert laut ihrer Mitteilung «die individuellen Bedürfnisse der Gäste nach Schutz» und ist daher in Absprache mit dem Opernhaus Zürich, dem Schauspielhaus Zürich und weiteren Theatern zum Schluss gekommen, dass die Maske bis auf Weiteres auch in beiden Sälen der Tonhalle Zürich Pflicht bleibt.

Aufgehoben werden die Zertifikatskontrollen. Der Barbetrieb wird ab 17.02.2022 wieder aufgenommen. Das Tonhalle-Bistro wird ab dem 25.02.2022 jeweils vor den Konzerten geöffnet sein.

Susanne Abbuehl ab September in Basel

Susanne Abbuehl wird neue Leiterin des Instituts Jazz der Hochschule für Musik FHNW am Jazzcampus der Musik-Akademie Basel. Sie wird ihr Amt am 1. September 2022 antreten.

Susanne Abbuehl. Foto: zVg

Gemäss einer Mitteilung der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW übernimmt Abbuehl die Nachfolge des Gründers und langjährigen Leiters des Instituts, Bernhard Ley, der zum 31. August 2022 in Pension geht.

Susanne Abbuehl studierte am Königlichen Konservatorium Den Haag Jazzgesang bei Jeanne Lee und schloss mit einem Master Degree in Jazz Performance und Musikpädagogik cum laude ab. Daneben wurde sie von Diderik Wagenaar in Komposition unterrichtet und verbrachte mehrere Studienaufenthalte in Indien, wo sie klassischen indischen Gesang erlernte. Für ihre internationale Tätigkeit als Jazzmusikerin und Komponistin wurde sie vielfach ausgezeichnet. Zurzeit ist sie Professorin und Leiterin der Jazzabteilung am Königlichen Konservatorium Den Haag, zuvor war sie Leiterin des Instituts Jazz & Volksmusik an der Hochschule Luzern.
 

Kurze Wege fördern musikalische Bildung

Wo die Wege zu einer öffentlichen Musikschule kurz sind, nehmen häufig besonders viele Menschen Unterricht. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie des Deutschen Musikinformationszentrums MIZ, einer Einrichtung des Deutschen Musikrats.

Foto: llcv/depositphotos.com

Hohe Anteile von Musikschülerinnen und -schülern korrespondieren oft mit kurzen Wegen zur nächsten Unterrichtsstätte. Dazu hat das MIZ berechnet, wie gross die durchschnittlichen Entfernungen zwischen den Unterrichtsstätten sind, ausgewiesen nach Regionen mit niedriger, mittlerer und hoher Besiedlungsdichte. Bundesweit betragen sie in Regionen mit dichter und mittlerer Besiedlung durchschnittlich 2 bzw. 4 Kilometer. Hier werden doppelt so viele Menschen erreicht wie in gering besiedelten Gebieten, wo es 9 Kilometer sind.

Deutschlandweit gibt es 933 öffentliche Musikschulen mit rund 21’000 Unterrichtsstätten, die von 1,5 Millionen Menschen besucht werden. In Hamburg und Nordrhein-Westfalen besuchen beispielsweise rund 24 Prozent der Kinder im Grundschulalter eine Musikschule, während es in Bremen 5 Prozent sind. Ausgeglichener stellt sich die Lage bei den 10- bis 14-Jährigen dar. Dort liegt der Musikschüleranteil in den meisten Ländern zwischen 8 und 10 Prozent. Baden-Württemberg liegt mit 16 Prozent vorn.

Originalartikal:
http://miz.org/news-deutsches-musikinformationszentrum-veroeffentlicht-studie-zu-infrastruktur-und-nutzergruppen-oeffentlicher-musikschulen-n21963
 

Pandemie vernichtet zehn Millionen Arbeitsplätze

Schätzungen der Unesco zufolge fielen weltweit allein 2020 rund zehn Millionen Arbeitsplätze in der Kultur- und Kreativwirtschaft der Pandemie zum Opfer. Der Bericht «Re|Shaping policies for creativity» analysiert die globalen kulturpolitischen Trends der letzten Jahre.

Foto (Symbolbild): kyrien/depositophotos.com

Nach Zahlen der Weltkulturorganisation hatte die Branche in den untersuchten Ländern 2020 Einnahmenverluste zwischen 20 und 40 Prozent zu verkraften. Die Pandemie habe zudem deutlich gemacht, wie unzureichend Kulturschaffende abgesichert sind. Ihre Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden. Neben einem Mindestlohn schlagen die Autorinnen und Autoren der Studie die Einführung von Renten- und Krankenversicherungssystemen für Freischaffende vor.

Auch in Sachen Geschlechtergerechtigkeit sieht die Unesco Handlungsbedarf. So wird aktuellen Zahlen zufolge weltweit nur etwa ein Drittel aller nationalen Kunstpreise an Frauen verliehen. Besonders in Führungspositionen seien sie weiter unterrepräsentiert. Um diesem Missstand zu begegnen, schlagen die Autorinnen und Autoren der Studie vor, die öffentliche Finanzierung von Kunst und Kultur an Massnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter zu knüpfen.

Mehr Infos:
https://www.unesco.de/kultur-und-natur/kulturelle-vielfalt/weltbericht-zur-kulturpolitik-veroeffentlicht

 

Cereghetti in Basel Dozent für Gehörbildung

Der Tessiner Posaunist, Blasmusikdirigent und Musiktheoretiker Roberto Cereghetti wird Dozent für Gehörbildung an der Basler Hochschule für Musik, Klassik.

Roberto Cereghetti studierte Posaune an der Musikhochschule Lugano und an der Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau Gehörbildung. Seine Ausbildung zum Dirigenten absolvierte er in der Schweizer Militärmusik und an der Musikhochschule Lugano.

Roberto Cereghetti ist heute als Musikdozent und Dirigent tätig. Seit 2013 ist er Lehrer für Musiktheorie und Gehörbildung an der FeBaTi (Tessiner Blasmusikverband). Von 2016 bis 2018 erhielt er einen Lehrauftrag in den Fächern Solfège und Gehörbildung an der Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau. Seit 2018 unterrichtet er Gehörbildung an der Hochschule für Musik FHNW in Basel und seit 2019 als Dozent für Musiktheorie an der Bundesakademie in Trossingen (DE).

Derzeit ist Roberto Cereghetti Musikalischer Leiter von vier Musikvereinen: Im Jahr 2015 übernahm er die musikalische Leitung des Musikverein Concordia Dornach und im 2018 der Harmoniemusik Stans. 2020 übernahm er zudem die Leitung der Musikgesellschaft Niederhasli und der Filarmonica Comunale Riva San Vitale.

Weiter amtet Roberto Cereghetti als Experte bei Blasinstrument-Prüfungen an Musikschulen und Blasmusikverbänden und wird regelmässig als Fachexperte für Gehörbildung an Musikhochschulen angefragt.

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