ZHdK verabschiedet Thomas Meier

Die ZHdK-Angehörigen haben Thomas D. Meier als Rektor im Beisein von Regierungsrätin und Bildungsdirektorin Silvia Steiner in feierlichem Rahmen mit Musik, Tanz und Grussbotschaften aus der ganzen Welt verabschiedet.

Thomas D. Meier bei seiner Verabschiedung. (Foto: Johannes Dietschi)

Thomas D. Meier, 1958 in Basel geboren und in Wil/SG aufgewachsen, wurde im Dezember 2008 vom Zürcher Fachhochschulrat zum Rektor der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste) gewählt. 2010 wurde er in das Representative Board von ELIA (European League of Institutes of the Arts) gewählt, von 2014 bis 2018 präsidierte er diese grosse Vereinigung der europäischen Kunsthochschulen.

2013 und 2014 war er zudem Präsident der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz und Mitglied des Vorstands von swissuniversities. Zuvor war der promovierte Historiker und Anglist Direktor der Hochschule der Künste Bern. Von 1996 und 2003 leitete er das Museum für Kommunikation in Bern. Aktuell präsidiert Thomas D. Meier unter anderem den Stiftungsrat des Zentrums für Kulturproduktion PROGR in Bern.

Meier verantwortete 2014 den Zusammenzug der ZHdK von 39 Standorten ins Toni-Areal in Zürich West. Eine ebenso grosse Bedeutung hat laut der Mitteilung der ZHdK die aktuell laufende Studienreform zum europaweit einzigartigen Major-Minor-System, die Thomas D. Meier initiiert und vorangetrieben hat. Ab Herbstsemester 2023/24 können Studierende ihr Studium individuell und disziplinenübergreifend zusammenstellen.

Unter Meiers Leitung ging die ZHdK zahlreiche langfristig angelegte Kooperationen mit anderen Zürcher Hochschulen ein, zum Beispiel in der Digitalisierungsinitiative der Zürcher Hochschulen (DIZH), dem Collegium Helveticum und dem Zurich Knowledge Center for Sustainable Development. Auch im Bereich der Internationalisierung stiess Thomas D. Meier wegweisende Projekte an: Er machte die ZHdK international sichtbarer und schärfte ihr Profil, etwa mit dem Aufbau des Zurich Centre for Creative Economies oder der internationalen Kooperationsplattform Shared Campus.

Ein besonderes Anliegen war ihm das eigenständige Promotionsrecht. Mit dem Aufbau von Doktoratsprogrammen in Kooperation mit Partnerhochschulen führte er die ZHdK einen grossen Schritt näher an dieses Ziel heran. Die ZHdK zählt heute mit rund 2100 Studierenden und 650 Dozierenden zu den grössten Kunsthochschulen Europas und ist seit 2021 institutionell akkreditiert.

Musikvermittlung neu gebündelt

Die Schweizer Arbeitstreffen für die unterschiedlichsten Bereiche der Musikvermittlung werden ab nächstem Jahr vom Netzwerk Junge Ohren koordiniert.

Der Verein ging aus dem Prozess rund um den «Kompass Musikvermittlung» hervor. Foto: SMZ-Archiv

Die Präsidentin des Vereins Musikvermittlung Schweiz+, Barbara Balba Weber, gab dazu auf Anfrage der Schweizer Musikzeitung Einblick in Entstehung und Wirken des Vereins:

Auf Initiative von Kulturvermittlung Schweiz und dem Netzwerk Junge Ohren (NJO) wurde 2014 das Projekt «Kompetenznetzwerk Musikvermittlung Schweiz +» ins Leben gerufen (die SMZ hat berichtet). Dieses bildete nicht nur die Grundlage für die Erarbeitung und Veröffentlichung eines analogen und digitalen Leitfadens Kompass Musikvermittlung, sondern mündete auch in der Gründung des Fachverbandes «Musikvermittlung CH+». Im Zentrum stand das Bestreben, ein funktionierendes Netzwerk der führenden Fachpersonen im Bereich der Musikvermittlung in der Schweiz zu initiieren, das als Katalysator für die Szene und das Thema Musikvermittlung im kulturpolitischen Raum wirken und die Sichtbarkeit der Schweizer Musikvermittlung im In- und Ausland fördern sollte.

Im Rahmen dieses Netzwerks sollte darüber hinaus ein Leitfaden zur Musikvermittlung erarbeitet werden, der nützliche Instrumente und Handlungsempfehlungen für die Fachwelt bereitstellen und damit zur Professionalisierung der Musikvermittlungspraxis beitragen würde. Die Ergebnisse der internationalen Arbeitsgruppe wurden in einem modellhaften partizipativen Prozess mit vielen Fachpersonen der Musikvermittlung in der Schweiz diskutiert und weiterentwickelt und flossen laufend in die Erarbeitung des Praxisleitfadens ein. Dieser wurde in einer ersten, analogen Form unter dem Titel Kompass Musikvermittlung im Herbst 2015 im Rahmen einer Veranstaltungsreihe gesamtschweizerisch in der Kultur- und Bildungslandschaft bekannt gemacht und diskutiert (Bericht in der SMZ 6/2015, S. 23, PDF). Der Leitfaden unterstützt professionelle Fachpersonen dabei, ihre Projekte zu konzipieren, zu beschreiben und zu verorten sowie das eigene Handeln zu reflektieren. Musikvermittlung wird dabei verstanden als eine Praxis, die verschiedenste Zielgruppen und alle Musikgenres betrifft.

Aus dem Prozess rund um den Kompass Musikvermittlung ging die Gründung des Vereins Musikvermittlung Schweiz+ hervor, der bis 2022 dreimal pro Jahr ein Arbeitstreffen und einmal pro Jahr einen Arbeitskreis Schweiz mit dem Kooperationspartner NJO durchführte.
Im Mai 2022 hat der Verein Musikvermittlung Schweiz+ seine Auflösung zum Ende des Jahres beschlossen, weil es für die Aufrechterhaltung dieser Arbeitstreffen nicht unbedingt die Struktur eines Vereins braucht. Das NJO wird die Arbeitskreistreffen in der Schweiz in enger Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren in der Schweiz koordinieren, um dieses Forum weiter aufrechtzuerhalten. Zunächst sind zwei Treffen im Jahr (in Präsenz oder online) geplant.
 

Dubois folgt definitiv auf Sutermeister

Der Walliser Staatsrat hat Alain Dubois zum Chef der Dienststelle für Kultur (DK) ernannt. Er ist derzeit Stellvertreter der Dienstchefin Anne-Catherine Sutermeister und seit 2014 Kantonsarchivar. Er wird sein neues Amt am 1. November 2022 antreten.

Alain Dubois (Bild: Olivier Maire)

Der 44-jährige Alain Dubois begann seine Aktivität 2007 beim Staatsarchiv Wallis, bevor er 2014 dessen Leitung übernahm. Zurzeit führt er mehrere Grossprojekte im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung und der nachhaltigen Speicherung von digitalen Informationen innerhalb des Kantons Wallis.

Im kulturellen Bereich war Alain Dubois laut der Medienmitteilung des Kantons von 2011 bis 2015 Präsident der Stiftung des Théâtre du Martolet in Saint-Maurice. In dieser Funktion machte er sich mit der Verwaltung eines Kulturbetriebs und den Herausforderungen der darstellenden Künste und des professionellen künstlerischen Schaffens vertraut und trug dazu bei, ein kantonales Netzwerk mit Künstlern, Theaterleitungen und Kulturdelegierten aufzubauen.

Seit Anfang 2022 ist Dubois auch Stellvertreter Anne-Catherine Sutermeisters, der Chefin der Dienststelle für Kultur. Spannungen innerhalb der Dienststelle haben diese dazu bewogen, ihr Amt nach bloss zwei Jahren wieder abzugeben.

Siehe auch:
https://www.musikzeitung.ch/de/politik/kantone-und-gemeinden/2022/07/ruecktritt-sutermeisters-im-wallis.html#.YzUaqkzP1PY

Internationaler Heinrich-Schütz-Preis 2022

Im Festjahr Schütz22 – «weil ich lebe» anlässlich des 350. Todestages des Komponisten werden die Verlage Bärenreiter (Kassel) und Carus (Stuttgart) mit der silbernen Ehrenmedaille ausgezeichnet, die seit 2018 alljährlich im Rahmen des Heinrich-Schütz Musikfestes verliehen wird.

Internationaler Heinrich-Schütz-Preis 2022
Heinrich-Schütz-Preis. Foto: Mathias Marx

Seit 1955 erscheinen im Bärenreiter-Verlag die Bände der Neuen Ausgabe sämtlicher Werke von Heinrich Schütz als eine quellenkritische Ausgabe für den wissenschaftlichen ebenso wie praktischen Gebrauch. Die seit 1979 bei Bärenreiter erscheinenden Schütz-Jahrbücher wiederum bilden ein wichtiges Forum für die wissenschaftliche Erschliessung des vielschichtigen Œuvres. Und man kann sich im Festjahr Schütz2022 über die Herausgabe von seit Langem schmerzlich empfundenen Desideraten freuen: Walter Werbeck hat vor einigen Monaten das Schütz-Handbuch herausgegeben, und noch bis Ende dieses Jahres erscheint, ebenfalls beim Bärenreiter-Verlag, das von Werner Breig (Heinrich-Schütz-Preisträger 2021) herausgegebene Schütz-Werkverzeichnis.

Ende der 1960er Jahre startete Günter Graulich im Carus-Verlag eine wissenschaftlich-kritische Edition schützscher Werke. Die Stuttgarter Schütz-Ausgabe erscheint seit 1971. Bei grosser Kontinuität im Notenbild ist sie stets Vorreiter bei der Anwendung moderner Editionstechniken. Besonders tauglich für die Praxis waren die vom Carus-Verlag parallel herausgegebenen zweisprachigen Einzelwerkausgaben und das Aufführungsmaterial zu (fast) allen Stücken. Auf Grundlage dieser Ausgabe wurde seit 2009 eine Schütz-Gesamteinspielung durch den Dresdner Kammerchor unter Leitung von Hans-Christoph Rademann (Heinrich-Schütz-Preisträger 2018) realisiert.

Die Preisverleihung findet im Rahmen des Abschlusskonzertes des Heinrich-Schütz-Musikfestes am Sonntag, 16. Oktober 2022, auf Schloss Hartenfels in Torgau statt.

Registrierungspflicht für Blei?

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) schlägt vor, die Verwendung von Blei in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufzunehmen. Das könnte erhebliche Auswirkungen auf die Preise für Orgelpfeifen und Blechblasinstrumente haben.

Foto (Ausschnitt): Michael Jasmund/unsplash.com

Eine Verwendung wäre damit nur noch mit Sondergenehmigung möglich. Seit 2021 muss die Verwendung von Blei bei der ECHA zwar angemeldet werden, bisher aber nicht das aufwendige Verfahren einer Registrierung durchlaufen. Die Entscheidung über eine Aufnahme von Blei in den Anhang der REACH-Verordnung soll voraussichtlich in 2023 fallen.

Laut dem Deutschen Musikrat wird Blei für die Herstellung von Orgelpfeifen benötigt, bei Blechblasinstrumenten wird Blei gemeinsam mit Nickel und Chrom in der Regel für Legierungen verwendet. Aufwendige Entwicklungen von neuen Alternativen würden laut dem Rat zu drastischen Steigerungen der Verkaufspreise der Instrumente führen. Er fordert deshalb eine Ausnahmeregelung für die Verwendung von Blei beim Instrumentenbau

Die REACH-Verordnung («Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals») ist eine Verordnung der Europäischen Union, die erlassen wurde, um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, zu verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie der EU zu erhöhen. Sie schlägt ferner alternative Methoden zur Gefahrenbeurteilung von Stoffen vor, um die Anzahl der Tierversuche zu verringern.

Ausstrahlung über die Region hinaus

Seit 2016 überrascht das Festival für den Komponisten Othmar Schoeck in Brunnen mit Musik, Theater, Ausstellungen, Referaten und Podien.

Das Mondrian Ensemble spielte ein neues Werk von Felix Nussbaumer. Foto: SMZ

 

2016 wurde es ins Leben gerufen, mittlerweile ist es weit über die Region hinaus bekannt. Das «Othmar Schoeck Festival», das hoch über Brunnen, an einmaliger Lage in einer Villa über dem Vierwaldstättersee, stattfindet, ist zum einen der Musik des hier geborenen Komponisten, zum anderen aber auch seinem Geburtshaus und dessen künftigem Potenzial als eigentliches Kulturzentrum, gewidmet.

Das Haus lebt und ist Geschichte. Die Villa wurde von Schoecks Vater Alfred (1841–1931) erbaut und diente dem Kunstmaler als Atelier. Vom terrassierten Garten aus sieht man über den See, das Rütli, die Treib bis in die Urner Alpen. Beides, Villa und Garten, laden und luden zum Nachdenken, Philosophieren, Musizieren oder Diskutieren ein.

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Blick vom Garten der Schoeck-Villa auf den See. Foto: SMZ

 

Das Schoeck-Festival ist speziell und hebt sich von ähnlichen kulturellen Veranstaltungen ab. Was im Haus geboten wird, mag nur auf den ersten Blick elitär wirken. Alvaro Schoeck, selbst Opernregisseur und Grossneffe des Komponisten – zusammen mit Musikwissenschaftler Chris Walton ist er künstlerischer Leiter der Veranstaltung –, sorgt stets aufs Neue für Überraschungen. Diese bleiben lange Zeit in den Köpfen der Besucherinnen und Besucher, wer nicht dabei war, hört immer wieder, etwas verpasst zu haben. Die Events in der Schoeck-Villa sorgen auch in den Dorfrestaurants im Talkessel für Gesprächsstoff. Man habe den berühmten Komponisten wieder aus der Vergangenheit geholt, schrieb die Neue Luzerner Zeitung denn auch 2016 schon zu Recht. Und der Bezirk Schwyz, nicht bekannt für finanzielle Grosszügigkeit, adelte gleich das erste Schoeck-Festival mit einem – nur selten vergebenen – Anerkennungspreis. Der damalige Bezirksammann und heutige Regierungsrat Sandro Patierno lobte dabei den wichtigen Bezug und die grosse regionale Bedeutung des Festivals.

Experimentierlust und Bodenhaftung

Die Kombination von überraschenden Events, 2016 beispielsweise dargeboten vom Hauen-und-Stechen-Musiktheaterkollektiv aus Berlin, das kürzlich für den «Faust», den grössten deutschen Theaterpreis nominiert wurde, von Podien zur Rezeption von Schoecks Musik oder zur Schutzwürdigkeit der Villa mit hervorragenden Konzerten finden ein immer grösser werdendes Stammpublikum. Auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Biografie des Komponisten findet statt: Das diesjährige Festival wurde gestartet mit einem Gespräch zum Thema «Kunst und Politik im 20. Jahrhundert».

Ausgehend von der Kontroverse um die Sammlung Bührle in Zürich diskutierten die Musikwissenschaftlerin Inga Mai Groote, der Historiker und Autor Erich Keller und der online zugeschaltete New Yorker Musikjournalist Alex Ross auch über die Vergangenheit von Othmar Schoeck, dessen Karriere wegen seiner Beziehungen nach Deutschland am Schluss mehr litt als gewann. Seit der Uraufführung seiner letzten Oper Das Schloss Dürande 1943 in Berlin hatte er mit dem Vorwurf zu grosser Nähe zum damaligen Nazi-Deutschland zu kämpfen. Erst in jüngster Zeit wird wieder unverkrampfter über das Thema und sein Werk geredet. Nicht zuletzt auch dank Schoecks Nachfahren, die sich nicht gegen Nachforschungen wehren, sondern diese sogar mit grosser Offenheit anregen.

Die Runde war sich einig, Schoeck hat zwar wie viele Kulturschaffende vom Nationalsozialismus profitiert, aber: «Schoeck war kein Nationalsozialist», brachte es Erich Keller auf den Punkt. Kein Neonazi werde sich je auf Schoeck berufen. Mehr über die professionellen Netzwerke dieser Zeit und die Rezeption von Komponisten ausserhalb der «Avantgarde» zu erfahren, bleibt zudem eine interessante Aufgabe.

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v.l. Erich Keller, Kaspar Surber (Moderation), Alex Ross (online zugeschaltet), Inga Mai Groote
«Schoeck war kein Nationalsozialist», brachte es Erich Keller auf den Punkt. Foto: SMZ

 

Die Experimentierlust der Veranstalter und die Bereitschaft der geladenen Kunstschaffenden, sich darauf einzulassen, machen den Charme des Festivals aus. Dazu kommt die geschickte Einbettung lokaler Vereine und Aufführungsorte – vom Hotelsaal bis zur Pfarrkirche. Von der Blaskapelle bis zum Urschweizer Kammerensemble sind die Leute an Bord und sorgen damit für die Bodenhaftung der Veranstaltungen und den entsprechenden Publikumsaufmarsch. Dass die lokale Buchhandlung am Festival mit einem Büchertisch vertreten ist und bereits im Vorfeld das Schaufenster ganz auf «Schoeck» einstellt, zeigt nochmals eindrücklich, dass das Brunner Festival sich in der Region einen Namen geschaffen und einen Platz im Kulturherbst gefunden hat.

Uraufführung und Nachwuchsförderung

Das diesjährige Festival, das Anfang September über die Bühne ging, war dabei keine Ausnahme. Mit dem Mondrian-Ensemble spielte eine Formation von Weltformat auf. Die vier Frauen – Ivana Pristašová, Tamriko Kordzaia, Petra Ackermann und Karolina Öhman – liessen sich auf das Experiment ein, und statt in Klagenfurt, Zürich oder Wien Säle zu füllen, fuhren sie in die Provinz, wo sie mit viel Lust und Freude in der Werkhalle einer lokalen Holzbau-Firma aufspielten. Sogar eine Uraufführung einer Komposition des erst 22-jährigen Felix Nussbaumer fand Platz neben Werken von Dieter Ammann und wurde vom faszinierten Publikum bejubelt.

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Dieter Ammann und Felix Nussbaumer sprechen über das Auftragswerk. Das Mondrian-Ensemble trug Felix Nussbaumers Werk «between regions of partial shadow and complete illumination» for piano quartet zweimal hintereinander vor. Foto: SMZ

 

Nachwuchsförderung ist in wichtiges Anliegen des Festivals. Es pflegt deshalb schon länger eine Partnerschaft mit der Hochschule Luzern – Musik. Dieses Jahr erarbeitete ein Ensemble weit fortgeschrittener Studierender Othmar Schoecks selten gespielten Liederzyklus Gaselen op. 38. Unter der Leitung von Stefan Wirth begleitete es den Solisten Balduin Schneeberger, Bariton, und gestaltete einen passenden Kontrapunkt zu den Werken Ammanns und Nussbaumers.

Die Schoeck-Villa als Veranstaltungsort

Das vom Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit dem Festival ausgerichtete Symposium «Balzac auf der Opernbühne» (Leitung: Merle Fahrholz, Intendantin beim Aalto-Musiktheater Essen, und Inga Mai Groote, Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Zürich) beschäftigte sich mit Opern-Adaptionen bis ins 21. Jahrhundert von Texten Honoré de Balzacs sowie dessen Schilderungen von Opernszenen als Spiegel der Gesellschaft. Luca Francesconi, der Komponist der Oper Trompe-la-mort aus dem Jahr 2016, nahm online an der Schlussdiskussion teil.

Die Referate von Günther Heeg und Anna Ricke behandelten Massimilla Doni in der Bearbeitung von Schoeck und Armin Rüeger. Die beiden waren sich einig: Das Werk besitzt eine grosse Bühnenwirksamkeit und sollte unbedingt wieder aufgeführt werden.

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v.l. Merle Fahrholz, Günther Heeg, Anna Ricke
Die Fachleute sind sich einig: Schoecks Oper «Massimilla Doni» sollte wieder aufgeführt werden. Foto: SMZ

 

Neben einer gemeinsam mit dem Historischen Museum Bischofszell liebevoll gestalteten Ausstellung zur Freundschaft von Othmar Schoeck und seinem Librettisten Rüeger, der hauptberuflich Apotheker in Bischofszell war, wird auch die von Lutz Grossmann mit seinem Ensemble aufgeführte Performance Oh Du Narr! lange nachhallen. Ausgehend von Artefakten im Atelier Schoeck regte die Truppe mit Spiel und Musik aus Schoeck/Rüegers Don Ranudo an, über das Festhalten an Dingen und Denkmustern nachzudenken.

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v.l. Annina Mosimann (Spiel), Nadja Tseluykina (musikalische Leitung), Lutz Grossmann (Regie/Spiel), Nicola Minssen (Ausstattung), Sarah Mehlfeld (Co-Regie, Dramaturgie), Evgeni Lukyanchyk (Saxofon), Eric Förster (Bariton)
Das Ensemble beim Schlussapplaus nach der Performance «Oh Du Narr!» im Künstleratelier der Schoeck-Villa. Foto: SMZ

 

Das Schoeck-Festival hat sich etabliert und bietet Raum für andere kulturelle Ereignisse. Pedro Lenz, der bekannte Schriftsteller, der kürzlich in der nur zeitweise von den Erben bewohnten Villa Schoeck bei einer Lesung zu hören war, ist jedenfalls des Lobes voll. «Die Villa selbst, die praktisch noch so ist wie zur Anfangszeit, hat mich schon sehr beeindruckt. Was mich allerdings noch mehr beeindruckte, ist die Liebe und Leidenschaft, mit der Alvaro Schoeck und seine Geschwister sich für das Haus und das kulturelle Erbe der Familie engagieren. Sie tun es mit Herz und Gastfreundschaft, ohne jeden Dünkel, ohne Geltungsdrang, dafür mit dem Feuer derer, denen es wirklich um die Sache geht. Chapeau!»

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Blick aus dem Fenster des Künstlerateliers
Die Schoeck-Villa bietet Raum für verschiedenartige kulturelle Ereignisse. Foto: SMZ
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Transparenzhinweis: Die Schweizer Musikzeitung ist Medienpartnerin des Festivals. Der Historiker und Journalist Jürg Auf der Maur ist Redaktor beim Bote der Urschweiz.

Anmutige Vokalmusik und aufwühlende Sinfonien

Vor zehn Jahren starb der Bündner Komponist in Chur. Die Fundaziun Gion Antoni Derungs würdigte sein Wirken mit einem Festival Anfang September.

Komponist, Chorleiter, Organist, Klavier- und Orgellehrer. Alle diese Rollen hat Gion Antoni Derungs, einer der bedeutendsten rätoromanischen Tonschöpfer, in seinem Leben eingenommen. Geboren 1935 in Vella, studierte er in Zürich und war bis zu seinem Tod im Jahr 2012 in seinen verschiedenen Berufen aktiv. Über neunhundert Kompositionen zeugen von seiner immensen Schaffenskraft, die von einer seltenen Gattungs- und Stilvielfalt geprägt ist. Inspiriert von der reichen rätoromanischen Gesangs- und Liedkultur nahm er Volksmelodien in seine Werke auf, beschäftigte sich mit der Avantgarde und suchte trotzdem immer seinen eigenen kompositorischen Weg. Aus Anlass seines zehnten Todestages würdigte ihn die Stiftung Fundaziun Gion Antoni Derungs mit einem Festival.

Komponist der Avantgarde

Am Eröffnungskonzert im Theater Chur präsentiert das Ensemble ö! sechs kammermusikalische Werke, die Derungs in den 1960er- und 1970er-Jahren komponierte und ihn von seiner avantgardistischen Seite zeigen. Teils freitonal, teils inspiriert von Volksmusik sind die Werke beim ersten Hören nicht immer gänzlich fassbar, so vielschichtig und komplex sind seine Kompositionen. Gut also, dass Totentanz gleich zweimal gespielt wird: Die Violine führt zu Beginn mit einer Melodie, welche stets von Clusterakkorden und Einwürfen von den anderen Instrumenten unterbrochen wird. In der zweiten Version bietet das zuweilen etwas zurückhaltend spielende Ensemble ö! mehr Intensität und Variation in der Dynamik. Kalt läuft es einem den Rücken herunter bei den unheimlichen Klängen.

Auch im Orgelkonzert in der Martinskirche mit Tobias Willi ist Derungs Beschäftigung mit der Avantgarde zu spüren. Vereint sind im kontrastreichen Programm Kompositionen von Derungs, Otto Barblan und Duri Sialm. Während Barblans Stücke mit grosser klanglicher Prachtentfaltung arbeiten, sind Derungs Kompositionen viel feingliedriger. Oftmals bestehen sie aus einer einzelnen melodiebezogenen Stimme, die von wechselnden Akkorden begleitet werden.

Freund aller Sänger

Ein besonderes Juwel im Festivalprogramm ist das Concert da Chor Sacral mit dem Ensemble Vocal Origen. Unter der Leitung von Clau Scherrer führt das Ensemble geistliche Vokalwerke auf, welche Derungs zwischen 1974 und 2010 komponierte. Die Cantiones Sacrae, Canzuns Religiusas und Cantica bestechen durch eine besondere Anmut in der Stimmführung. Oft schreitet Derungs über den Rahmen der Tonalität hinaus und schöpft mit Wechseln zwischen lyrischen Passagen und rhythmisch bewegteren Versen die Möglichkeiten des Stimmklangs aus.

Im Zentrum des Konzerts steht die Missa pro defunctis. Ruhige Zufriedenheit, eine Art innere Reflexion durch die Musik bestimmen diese Gedenkmesse. Kein Hang zu Wehklagen oder Trauer geht von der Musik aus, sondern eher ein Gefühl der innigen Kontemplation über das Leben und Sterben. Das letzte «Lux aeterna» der Messe erstrahlt im Kirchenraum, fast so, als ob gleich die Sonne aufginge. In perfektem Zusammenklang und in einer wunderbaren Ausgewogenheit der Stimmen singen die 16 Sänger und Sängerinnen. Die Bezeichnung «Freund aller Sänger», ein Ausspruch von Clau Scherrer, erweist sich an diesem Abend als ungemein zutreffend, scheint Derungs doch ein besonderes Gespür für die Stimme gehabt zu haben.

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Für die Weitergabe von Derungs’ Musik an die nächsten Generationen ist am Festival schon gesorgt. Drei Kinder- und Jugendchöre aus Graubünden und Solothurn singen rätoromanische und deutsche Lieder, die lustig-hüpfend oder nachdenklich-melancholisch bis emotional tief berührend sind. Einen kleinen Einblick in das musiktheatralische Schaffen bietet das Singspiel Salep e la furmicla. Die Kinder des Chors gehen vollkommen im Spiel auf und singen und rezitieren mit absoluter Sicherheit.

Autobiografischer Sinfoniker

Von wieder einer anderen Seite lernt man Derungs im Festkonzert in der Martinskirche kennen: Die 3. Sinfonie Aus meinem Leben und Rogationes sind vielleicht die intensivste und aufwühlendste Musik, die am Festival gespielt wird. Woran mag er gedacht haben, als er diese musikalischen Orkane, Triumphstürme und schalkhaften Episoden in die Sinfonie eingeschrieben hat? Gross angelegte, dichte Klangflächen, bestehend aus einem Flirren in den Streichern, virtuosen Melodiepassagen in den hervorragenden Holzbläsern und einem Fundament aus bedrohlichen Basslinien, bestimmen sie. Wildes Donnern des ganzen Orchesters wird abgelöst von spritziger Freude in Solopassagen in Piccolo und Xylofon. In dieser durchgehenden Intensität von Klängen könnten die einzelnen Elemente schnell ineinander verschwimmen. Nicht so beim Orchestra della Svizzera italiana, dessen Interpretation ein wahrer Genuss ist. Jedes Flirren, jedes Grollen, jeder musikalische Witz ist unter der Leitung von Philippe Bach deutlich wahrnehmbar, die Balance zwischen den Orchestergruppen ist ungemein gut getroffen. Weniger Klangflächen dafür mehr Geräusche kommen bei der Uraufführung von Rogationes zum Zug. Bei dieser Darstellung von katholischen Bittprozessionen wird Luft durch die Blasinstrumente gepfiffen, mit den Bögen über die Saiten gekratzt oder mit der Holzseite des Bogens auf die Saiten getippt. Nach diesen zwei bewegend-aufwühlenden Werken von Derungs werden mit Jean Sibelius’ 3. Sinfonie die seelischen Wogen wieder etwas geglättet.

Die Konzerte am Gion-Antoni-Derungs-Festival zeigten zahlreiche Schätze aus dessen Schaffen und viele weitere gäbe es noch zu entdecken. Derungs Musik kennenzulernen und den Geschichten aus seinem Leben zu lauschen, ist schlichtweg eine Bereicherung.

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Transparenzhinweis: Die Schweizer Musikzeitung ist Medienpartnerin des Gion-Antoni-Derungs-Festivals 2022.

Blasen ist weniger ansteckend als Singen

Ein Team des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat den Partikelausstoss und das damit verbundene maximale Übertragungsrisiko beim Spielen von vielen verschiedenen Blasinstrumenten bestimmt.

Foto: Rosario Janza/unsplash.com (s. unten),SMPV

Relativ viele Viren können aus der Klarinette kommen. Sie setzt deutlich mehr Aerosol frei, das Krankheitserreger wie Sars-CoV-2 enthalten kann, als etwa die Flöte. Generell ist das Übertragungsrisiko, das von einer infizierten Person an einem Blasinstrument ausgeht, jedoch deutlich geringer als bei singenden oder sprechenden Menschen, wenn man sich jeweils gleich lange in ihrer Nähe aufhält.

Zu diesem Schluss kommt ein Göttinger Team in einer umfassenden Studie. Die Forschenden haben den Partikelausstoss und das damit verbundene maximale Übertragungsrisiko beim Spielen von vielen verschiedenen Blasinstrumenten bestimmt. Die Ergebnisse geben Anhaltspunkte, wie kulturelle Veranstaltungen auch während der Pandemie mit möglichst geringem Ansteckungsrisiko organisiert werden können.

Mehr Infos:
https://www.ds.mpg.de/3959178/220922_aerosols_instruments

Kein Geschwafel

In seiner ersten Ausgabe wartete das World Ethic Forum in Pontresina mit einer Besonderheit auf: der Uraufführung von Gérard Zinsstags Ensemblestück «Divagations».

Graubünden scheint der bevorzugte Flecken für Foren zu sein, die ambitioniert das Wort «World» im Namen tragen. Am bekanntesten ist wohl das «World Economic Forum» in Davos, zu dem jährlich pilgert, wer sich der internationalen Wirtschafts- und Politelite zugehörig fühlt. Ein Ort, um in erlauchter Umgebung die Probleme der Welt zu diskutieren – oder viel heisse Luft zu produzieren, wie Kritiker monieren. Weniger bekannt ist das World Ethic Forum in Pontresina. Auch, weil es heuer am letzten August-Wochenende zum ersten Mal stattfand: «Ein Wochenende mit Wanderungen, Tieren, Pflanzen, philosophischen Sitzungen, Economy of Love und Common Goods, einem Parlament der Dinge, einer Nacht der tanzenden Schamanen, einer musikalischen Uraufführung und viel Dialog», wie es in der Einladung hiess. Die programmatischen Differenzen zu Davos könnten grösser nicht sein, wie sich auch am versteckten Hinweis auf die Darbietung eines Musikstücks zeigt.

Denn eigens für das Forum komponierte Gérard Zinsstag das Ensemblestück Divagations, das am 27. August vom Ensemble Proton Bern uraufgeführt wurde. Ein Konzert mit Neuer Musik wäre in Davos wohl undenkbar. Besonders eines mit einem Werk, das bewusst als herausfordernde Hörerfahrung vom Forum gewünscht wurde und das bereits in seiner Titelwahl in reizvoller Ambivalenz schillert. «Divagations» könnte man nämlich als Geschwafel übersetzen, und ein Schelm, wer dahinter einen Kommentar des Komponisten zur Diskussionskultur ebensolcher Foren vermutet. «Divagations» heisst auch Ab- oder Ausschweifung, und als solche interpretiert der Widmungsträger Linard Bardill den Titel. Der Liedermacher und Autor ist Mitgründer und Geschäftsleiter des World Ethic Forums und erlebte das Werk als «Musik voller neuer Wege, Abwege und Traumpfade». Damit hat er sicher nicht unrecht, denn Divagations ist ein Stück, dessen Reichtum einen erst einmal sprachlos zurück-, das Geschwafel verstummen lässt. Stetig wechseln energische, angriffige Klänge mit Stellen berückender Schönheit ab, Dissonanzen mit schwebenden Konsonanzen. Das komplette Tonhöhenspektrum wird ausgenützt, wie sich schon an der Verwendung des Lupofons zeigt, eines neueren Instruments aus der Oboenfamilie, das deren Tonumfang erheblich nach unten erweitert.

Mit wachem Geist zuhören

Wahrscheinlicher aber ist, dass sich Zinsstag im Titel auf Stéphane Mallarmés kurz vor dessen Tod veröffentlichte Sammlung Divagations bezieht, in welcher der Dichter seine Idee von kritischen Gedichten einführte, von «essais poético-critiques», wie er sie nannte. Diese Gattung, konzipiert als Mischung aus Essais, Poesie und Kritiken, ist der Versuch, die Welt der Kunst mit der intellektuellen Betrachtung der Welt zu vermählen – und ist damit eine mögliche Antwort auf die alte Frage, wie Kunst mehr sein kann als blosse Unterhaltung, wie sie «ernste» Themen abhandeln kann. Eine Frage, die in der textlosen Musik umso drängender ist und auf die man sich gerade in einer Komposition für das World Ethic Forum einlassen muss. Gérard Zinsstags Titelwahl ist ein Fingerzeig und ermahnt die Zuhörer, mit wachem Geist zuzuhören.

Überraschend ist das nicht. Der 1941 in Genf geborene Komponist ist sicherlich die perfekte Wahl, um der schwierigen Aufgabe gerecht zu werden. Als Schüler Helmut Lachenmanns gehört die Reflexion der gesellschaftlichen Dimension von Musik, von Klängen, für ihn quasi zum Handwerk. Und als Begründer der Tage für Neue Musik Zürich, 1985 gemeinsam mit Thomas Kessler, bewies Zinsstag, dass er Veränderung anstossen kann und will. Ohne diesen Kraftakt wäre Zürich heute nicht die Musikstadt, die es ist.

Wie aber manifestiert sich diese kritische Dimension in Divagations? Ähnlich wie Lachenmann setzt Zinsstag auf die wahrnehmungsverändernde Wirkung von Musik und vertraut dabei unter anderem auf die Kraft roher Klangtypen und Geräusche. Jedenfalls ist deutlich erkenn- und spürbar, dass er die rohe musikalische Materialität der artifiziellen Klangerzeugung auch in Divagations vorzieht. Auf der anderen Seite sucht Zinsstag aber nach einer beinahe körperlich erfahrbaren Sinnlichkeit, die verzaubert und berückt. Der immense Effekt des Stücks resultiert nun aus der Vermischung oder vielmehr der Gegenüberstellung dieser beiden Ebenen. Überaus sinnbildlich tritt dies in den Überschriften der drei Sätze hervor, die nahtlos ineinander übergehen: Lento/Agitato, Agitato/Comodo, Inquieto/Agitato. Jeder Satz changiert stets zwischen «erregt», «ungestüm» (Agitato) und etwas anderem, mit Lento und Comodo etwas gänzlich Gegenteiligem («langsam/locker» bzw. «gemütlich»). Lediglich gegen das Ende hin tritt ein «unruhig» zu «erregt» hinzu und intensiviert so die Dringlichkeit.

Da ich nicht vor Ort anwesend war und das Konzert in einem Mitschnitt mitverfolgte, kann ich zur Interpretation des Ensembles Proton Bern nichts sagen. Divagations ist auf jeden Fall zu wünschen, dass es seinen Weg aus den Bündner Bergen in die weite Welt hinaus findet.

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Im Vordergrund ist das «Thermofona» zu sehen, eine interaktive thermo-akustische Klangskulptur von Sascha Alexa Martin Müller, nicht Teil der Uraufführung von «divagations», sondern des sonstigen Abendprogramms.

Mehr Geld für Thurgauer Kultur

Der Regierungsrat hat das umfassend überarbeitete Kulturkonzept des Kantons Thurgau für die Jahre 2023 bis 2026 genehmigt und lässt damit der Kultur jährlich über zwei Millionen Franken mehr aus dem Lotteriefonds zufliessen.

Thurgauer Regierungsrat 2022/23. Foto: Kirsten Oertle / Foto Prisma Oertle / fotoprisma.ch

Mit dem Kulturkonzept 2023–2026 werden der Thurgauer Kultur jährlich rund 2.2 Millionen Franken zusätzliche Fördergelder zukommen. Insgesamt erhöhen sich die geplanten Förderbeiträge aus der Staatsrechnung und dem Lotteriefonds für die Jahre 2023 bis 2026 von bisher jährlich 12’672’600 Franken auf 14’874’600 Franken.

Die jährlichen Beiträge aus dem Lotteriefonds nehmen aufgrund neuer Leistungsvereinbarungen, Beitragserhöhungen und Verschiebungen von Beiträgen aus der Staatsrechnung in den Lotteriefonds von bisher 2’931’000 Franken auf neu 4’279’000 Franken zu.

Die jährlichen Entnahmen aus dem Lotteriefonds steigen wegen der geplanten Erhöhung des Beitrags an die Kulturstiftung von 1.1 Millionen Franken auf 1.5 Millionen Franken (vorbehältlich der Genehmigung durch den Grossen Rat) sowie als Folge der Erhöhungen der Entnahmen für humanitäre Hilfsprojekte, für die Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen, für die Projektförderung und für die Umsetzung der Schwerpunkte des Kulturkonzepts von 7’860’000 Franken auf 8’900’000 Franken. Allfällige Beiträge für Infrastrukturprojekte sind im Lotteriefonds-Ausgabendach für Entnahmen und Beiträge von total 13’179’000 Franken nicht enthalten.

Mehr Infos:
https://www.tg.ch/news.html/485/news/59986/l/de

Berner Musikschaffen wird ausgezeichnet

Der Kanton Bern zeichnet dieses Jahr Rico Baumann, Claude Eichenberger, Philippe Krüttli und Steff la Cheffe mit einem Musikpreis in der Höhe von je 15’000 Franken aus. Der mit 3000 Franken dotierte Nachwuchsförderpreis «Coup de cœur» geht an Leoni Leoni.

«Coup de cœur»-Preisträgerin Leoni Leoni. Foto: www.leonileoni.com

Rico Baumann hat 2007 sein Schlagzeugstudium an der Jazzabteilung der Hochschule der Künste Bern abgeschlossen. Darauf folgten unter anderem 2012 die Vertretung der Schweiz im European Jazz Orchestra, 2013 der Förderpreis der Marianne und Curt Dienemann-Stiftung und zwei Jahre später ein Stipendium in New York. Als eine Hälfte des Elektro-Pop-Duos True tourt er mit Daniela Sarda durch ganz Europa, Amerika und Japan.

Die Mezzosopranistin Claude Eichenberger ist seit 2007 Ensemblemitglied bei den Bühnen Bern. Sie hat bei Elisabeth Glauser an der Hochschule der Künste Bern studiert. Nach ihrem Abschluss ergänzte sie ihre Ausbildung am Internationalen Opernstudio Zürich.  Seit 2018 gibt sie zudem ihr Wissen auch an der Hochschule der Künste Bern an die nächste Generation weiter.

Philippe Krüttli zeichnet sich nicht nur durch seine Tätigkeit als Posaunist und Dirigent aus, sondern auch als Leiter der Musikschule des Berner Jura mit Sitz in St-Imier. Bis 2011 war er unter anderem auf der Barockposaune in verschiedenen Ensembles tätig. Seit einigen Jahren hat er die Posaune etwas beiseitegelegt und konzentriert sich hauptsächlich auf die Leitung von Ensembles. So dirigierte er von 1992 bis 2019 das Vokalensemble d’Erguël und leitet bis heute das Grand Eustache, ein Lausanner Orchester, das sich der zeitgenössischen Musik und dem Kombinieren verschiedener Stile widmet.

Steff la Cheffe hat ihre Karriere als Beatboxerin und Rapperin begonnen. 2009 gewann sie an der Beatboxweltmeisterschaft in Berlin den Vizeweltmeistertitel in der «Female Category». Ein Jahr später hat sie ihr erstes Album herausgebracht und sich damit über die Berner Rap-Szene hinaus einen Namen gemacht. Die vielseitige Musikerin hat 2018 nach einer längeren Pause, in der sie sich künstlerisch stark weiterentwickelt hat, ihr Comeback gegeben und ist seither wieder regelmässig auf der Bühne zu sehen.

Die Bernerin Leoni Leoni bringt ihre entrückten Popsongs von ihrem Schlafzimmer auf die Bühne. In den vergangenen drei Jahren hat die Musikerin und Produzentin vier Alben in Eigenregie aufgenommen, produziert und auf Kassette veröffentlicht.

Basler Kulturpreis für Les Reines Prochaines

«Les Reines Prochaines & Friends» erhalten den Basler Kulturpreis. Mit dem Kulturförderpreis zeichnet die Abteilung Kultur Basel-Stadt den Verein «Sondershop» unter Leitung von Sebastian Day und Tabea Wappler aus.

Les Reines Prochaines & Friends (Foto: Christian Knorr)

Die Basler Autorinnen-Band «Les Reines Prochaines», aktuell besetzt mit Muda Mathis, Sus Zwick und Fränzi Madörin, hat eine lange internationale Karriere hinter sich. Inmitten der Jugend- und Frauenbewegung der 1980er gegründet, will sie mit ihren Programmkonzepten traditionelle Kunst- und Geschlechtergrenzen hinterfragen. Das Kollektiv wurde 2019 für ihr Werk bereits mit dem Schweizer Musikpreis des Bundesamtes für Kultur ausgezeichnet.

Gleichzeitig zum traditionsreichen Kulturpreis vergibt die Abteilung Kultur seit 2012 den mit 10‘000 Franken dotierten Kulturförderpreis. Dieses Jahr geht er an das Projekt «Sondershop». 2019 vom Künstler Sebastian Day initiiert, hat sich das Projekt rasch zu einer wichtigen Plattform für junge Modeschaffende aus der Region entwickelt.

Die Kommission für die Verleihung des Kulturpreises 2022 setzte sich zusammen aus Mathias Balzer (Journalist); Brigitte Häring (Radio SRF 2 Kultur); Steffi Klär (Kulturschaffende und Event-Managerin); Iris Müller (Inhaberin Buchhandlung Müller Palermo Buch & Papier in Basel); Silvan Moosmüller (Musik- und Literaturwissenschaftler); Jiri Oplatek (Grafiker); Hannah Weinberger (Künstlerin); Werner Hanak (stellvertretender Leiter Abteilung Kultur, Vorsitz); Jeannette Voirol (Leiterin Kulturinstitutionen Abteilung Kultur).

Seinerzeit populärster Schweizer Tenor

Omanut veranstaltet am 22. September in Zürich einen Spaziergang und ein Konzert unter dem Titel «Auf den Spuren von Max Lichtegg – Hommage zum 30. Todestag».

Max Lichtegg als Paris in Offenbachs «Die schöne Helena». Foto: www.maxlichtegg.ch,SMPV

Nach einem Spaziergang rund um das Zürcher Opernhaus bringt der Abend in der Zürcher Lebewohlfabrik Tonaufnahmen, Filmdokumente und ein Gespräch mit Theodor Lichtmann, Pianist und Max Lichteggs Sohn, sowie Alfred Fassbind, ehemaliger Schüler und Biograf Lichteggs.

Weitere Informationen und Link zum Lichtegg-Podcast von Gabriela Kaegi über:

http://omanut.ch/veranstaltungen/spaziergang-und-konzert-mit-alfred-fassbind-und-theodor-lichtmann

Aus für Luzerner Blue Balls

«Trotz diverser Gespräche in den letzten Wochen und Monaten» habe keine zukunftsfähige Lösung für das Blue Balls Festival gefunden werden können, schreibt die Stadt Luzern. Die Zusammenarbeit mit dem Verein Luzerner Blues Session endet deshalb Ende 2022.

Foto: Dominik Meier/Blue Balls Festival

2020 und 2021 konnte das Blue Balls Festival wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden. 2022 wurde das Festival aus gesundheitlichen Gründen von Urs Leierer abgesagt. Nach der Absage 2022 haben die Stadt Luzern, der Verein Luzerner Blues Session und Urs Leierer diskutiert, wie die Zukunft des Blue Balls Festival in der Stadt Luzern ab 2023 aussehen könnte.

Die Stadt Luzern bedauert, dass dabei auf den bestehenden Strukturen keine zukunftsfähige Lösung gefunden werden konnte. Die jahrelange Zusammenarbeit mit dem Verein Luzerner Blues Session ist deshalb beendet. Per 2023 bestehen keine Ansprüche vom Verein Luzerner Blues Session gegenüber der Stadt Luzern mehr, weder auf Subventionsgelder, noch auf KKL-Nutzungsrechte oder auf die Nutzung des öffentlichen Raums.

Eingegangene sowie neu eingehende Alternativen und Ersatzkonzepte ab 2023 werden von der Stadt Luzern nun geprüft.

Von Händel bis Rihm

Die Academy, die jährlich im September in Zermatt vom Berliner Scharoun-Ensemble geleitet wird, ist begehrt und höchst anspruchsvoll, wie ein Besuch vor Ort zeigt.

Sie gehört zu den renommierten Meisterkursen für junge Musikerinnen und Musiker, die 2005 gegründete und vom neunköpfigen Berliner Scharoun-Ensemble getragene «Zermatt Festival Academy», und sie ist so begehrt wie anstrengend. Bis zu 500 Bewerbungen aus aller Welt treffen jeweils bei der Leitung ein, aus denen die Glücklichen selektioniert werden. Heuer haben es 33 geschafft, darunter elf von Schweizer Hochschulen, vier davon schweizerischer Nationalität.

Der Hornist Marcial Holzer zählt dazu: «Zermatt ist eine Academy mit Festival, wo auf sehr hohem Niveau gearbeitet wird, deshalb habe ich mich gemeldet», umschreibt er seine Motivation, «es ist für mich ein Glück, mit dem Scharoun-Ensemble proben und spielen zu dürfen.» Die Anforderungen sind hoch, es werden sowohl Kammermusik wie auch Orchesterstücke zusammen mit dem Scharoun-Ensemble im Zermatt Festival Orchestra einstudiert, und zwar quer durch alle Stilepochen.

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Holzer schätzt gleichermassen das Coaching des Hornisten Stefan de Leval Jezierski, als auch der Bläsergruppe im Orchester durch den Fagottisten Markus Weidmann: «Es sind nicht nur die intensive Probezeit und die Aufführungen, die mir extrem viel bringen, sondern auch das Zusammensein mit den anderen Akademisten», bilanziert Holzer.

Proben …

In einer Probe der 1. Sinfonie von Mendelssohn konnte man sich ein gutes Bild davon machen. Für einmal gab es keinen Dirigenten, die Probe wurde von Konzertmeister Christophe Horak geleitet sowie von Christian Poltéra, der hier nicht als Solist, sondern als Cello-Stimmführer des Zermatt Festival Orchestras präsent war. Er ersetzte den sich in Vaterschaftsurlaub befindenden Claudio Bohórquez.

Horak und Poltéra harmonierten gut in dieser Probe, kein Wunder, denn «Christophe und ich haben schon mit 14 Jahren zusammen Kammermusik gemacht», erzählte Poltéra nach der Probe lachend. In der Tat war es spannend, wie es die beiden Musiker, ergänzt durch den Fagottisten Markus Weidmann, der die Bläser instruierte, verstanden, aus einem ungebändigten, behäbigen Allegro di molto einen wirbligen, konturierten Mendelssohn-Satz zu formen. Präzise Artikulation und dynamische Differenzierung setzten die Orchestermitglieder mühelos in die Tat um.

«Die jungen Musizierenden sind gut vorbereitet und äussert flexibel», lobte denn auch Horak nach der Probe: «Es macht unglaublich Spass. Die Frische, der Enthusiasmus und die Freude der jungen Menschen sind ansteckend.» Das Scharoun-Ensemble macht im Vorfeld jeweils Vorschläge, was gespielt werden könnte, die Academy-Leitung besorgt dann die Endauswahl der Werke, die einstudiert und vor Publikum gespielt werden.

… und konzertieren

Das Resultat der Probenarbeit konnte man sich etwa am 13. September in der English Church anhören: Es war ein buntes Programm mit Werken von Hindemith, Debussy, Rihm und Blanc, das auch an die Zuhörerschaft hohe Anforderungen stellte. In Hindemiths Sonate für vier Hörner begegnete man auch Marcial Holzer wieder. Der Zusammenklang im langsamen Fugato gelang ebenso gut wie die häufigen Taktwechsel im 2. Satz «Lebhaft».

Besonders gelungen war die Sonate für Flöte, Bratsche und Harfe von Debussy, bei der gleich zwei Schweizer Nachwuchstalente brillierten, der Bratschist Johannes Moehrle und die Harfenistin Tjasha Gafner. Wie der von Micha Afkham betreute Moehrle sich einmal mit der ausgezeichneten Flötistin Alexandra Gouveia, dann wieder mit der Harfenistin klanglich abzustimmen verstand, war eine Ohrenweide. Danach fiel das sowohl programmatisch als auch interpretatorisch höchst diffizile Sextett von Rihm etwas ab.

Von Enthusiasmus getragen war die Interpretation von drei Sätzen aus dem Septett für Klarinette, Fagott, Horn und Streicher von Adolphe Blanc. Das durch den Kontrabass dunkel gefärbte Werk verlangt den Interpretierenden einiges ab. Sophia Eschenburgs Violinspiel mutete wohl auch deshalb etwas spitz exponiert an. Derweil präsentierte sich Rafal Kleszcz an der Klarinette mit seinen brillanten Läufen etwas gar dominant, dabei hatte er mit Alexander Rauch am Fagott und Helene Fleuter am Horn zwei exzellente Partner an seiner Seite.

Der vierte Schweizer im Bunde war Silvan Irniger, ein Geiger, der in Zürich bei Andreas Janke studiert und von diesem auch ein Empfehlungsschreiben für die Academy erhalten hatte, wie der 24-Jährige erzählte. Irniger spielte sowohl im Streichoktett von Enescu und im Nonett von Farrenc als auch in den Orchesterkonzerten mit.

Wir trafen ihn bei einer Probe zu Händels Suite für Trompete, Streicher und Basso continuo in D-Dur. Dirigent war Stanley Dodds, als Solist spielte der Solo-Trompeter der «Berliner», Guillaume Jehl, der Barocktrompete an der Scola Cantorum Basiliensis studiert hatte. Und auch hier verblüffte, wie Händels Musik nach Dodds Anweisungen an Konturen gewann, die Phrasierungen kürzer und prägnanter wurden. Irniger hatte sichtlich Spass am Einstudieren und meinte, «die Stilwechsel gehören an dieser Academy einfach dazu». Sprachs und setzte die Probe mit Prokofiews Symphonie classique fort.

Zermatt Festival

Scharoun-Ensemble

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