SoundTrack_Zurich – im Herzen des Zurich Film Festival

Gerade mal ein paar Wochen ist es her seit der Fusion von SONART und SMECA, dem Berufsverband der Schweizer Medien-Komponist:innen. Eine der wichtigsten Aktivitäten der SMECA war die SoundTrack_Zurich (STZ), die dieses Jahr zum dritten Mal im Rahmen des Zurich Film Festival (ZFF) stattfindet.

Nach dem grossen Erfolg der ersten beiden Ausgaben der STZ übernimmt die Vernetzungsplattform der Schweizer Medien-Komponist:innen Forum Filmmusik, mit Präsident Pierre Funck, 2022 die Trägerschaft für die dritte Ausgabe der STZ beim Zurich Film Festival (ZFF). Der bisherige Träger SMECA bleibt über SONART Kooperationspartner und Sponsor der STZ.

Im Herzen des ZFF

In enger Kooperation mit ZFF, Tonhalle Zürich, ZHdK und SoundTrack_Cologne, der führenden europäischen Veranstaltung zu Film- und Medienmusik, soll auch in 2022 ein zweieinhalbtägiges Branchentreffen zu Film- und Medienmusik als zentrale europäische Business-Plattform der Film- und Medienmusikbranche am Standort Schweiz beim ZFF 2022 stattfinden. Das ZFF stellt dafür u.a. Räume im Festivalzentrum und die NZZ-Lounge zur Verfügung – STZ ist damit direkt im Herzen des Festivals angekommen.

Ziel: Vernetzung und neue Aufträge

«Schwerpunkt ist die Vernetzung der Schweizer und europäischen Filmkomponist:innen mit den Filmgästen des ZFF und der internationalen Filmbranche sowie die Anbahnung von neuen Aufträgen für die Schweizer und europäischen Filmkomponist:innen», sagt Michael P. Aust, Leiter der SoundTrack_Zurich. STZ setzt so einen klaren Fokus auf Vernetzung, Auftragsanbahnung, Kontaktvermittlung und Professionalisierung sowohl der Filmmusikkomponist:innen als auch der Film- und Medienproduzent:innen bzw. Medienmusiknutzer:innen bzw. -auftraggeber:innen.

Einer der zentralen Networking-Events ist der von Swiss Music Export und SONART präsentierte Business Mixer Lunch am Donnerstag, wo die STZ-Teilnehmer:innen auf die Filmgäste des ZFF und die Regisseur:innen und Produzent:innen der ZFF Academy treffen. Ein Matchmaking Event steht nur Frauen in der Medienmusik offen – er wird in Kooperation mit SWAN, WIFT und der amerikanischen AWFC organisiert.

Die erfolgreichen Kolleg:innen: Best practice

STZ präsentiert am ZFF an zwei Tagen in jeweils zwei parallelen Strängen und 30 Einzelveranstaltungen wichtige Filmkomponist:innen aus der Schweiz und aus dem Ausland; zudem greift es in Workshops, Diskussionsrunden, Vorträgen und Case Studies aktuelle Themen auf, die die Filmmusikszene beschäftigen. Ein weiterer Workshop sowie eine IMMSANE Treffen der Hochschulszene findet am dritten Tag an der ZHdK statt. Die Schweizer Komponist:innen sind ganz vorne dabei.

Eine Branche im Umbruch

STZ stellt und beantwortet grundsätzliche Fragen nach dem aktuellen Status Quo und sucht nach Marktzugängen und neuen Wegen der (Eigen-) Vermarktung und des Networking, die u.a. abseits der altbekannten Pfade zu finden sind, deren Seriosität und Tragfähigkeit aber ohne eingehende Kenntnisse des Markts und des diesen regulierenden Rechts für den Einzelnen schwer abzuschätzen sind. Eine Reihe von Veranstaltungen findet daher in enger Kooperation mit SUISA und Swissperform statt.

Auch bereits etablierte Künstler:innen und Dienstleister:innen sind von den derzeitigen Umbrüchen im Medienbereich betroffen. Hier setzt die STZ an und hilft, neue Auftraggeber:innen bzw. Kund:innen zu finden bzw. alternative Marktzugänge zu erschliessen.

 

Zart begleitet

Schubert hatte grosse Affinität zur Gitarre, zur Liedbegleitung hat er sie aber nicht eingesetzt. Bei dieser Ausgabe der «Winterreise» steht nun ein Gitarrenduo neben dem Tenor.

Mit dem Namen Franz Schuberts verbinden sich in der Regel die Assoziationen: Lied, Klavier, Streichquartett. Schuberts Messen, Sinfonien und zahlreiche Bühnenwerke fanden, wenn überhaupt, erst nach seinem Tod Beachtung. Sein Liedschaffen jedoch hatte musikgeschichtlich gesehen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Gattung des Kunstliedes, wie wir es heute kennen, und war schon zu seinen Lebzeiten in der Öffentlichkeit präsent.

Obwohl kein einziges seiner Lieder mit authentischer Gitarrenbegleitung überliefert ist, gibt es doch genügend Quellen, die Schuberts Affinität zur Gitarre belegen und Gitarrenbearbeitungen seiner Klavierlieder rechtfertigen. Im Biedermeier blühte das musikalische Leben nicht auf grossen Bühnen, sondern im Kleinen und Privaten, und seit 1821 ist uns die Tradition der sogenannten Schubertiaden überliefert. Das Lieblingsinstrument des Biedermeiers war im schubertschen Freundes- und Familienkreis omnipräsent, Schubert selbst besass eine Gitarre aus der Werkstatt Staufers.

Schon zu seinen Lebzeiten gab es entsprechende Fassungen des Erlkönigs oder der Jungen Nonne beispielsweise (allerdings nicht von ihm selbst), und es finden sich sogar einige Lieder, die den Gestus des Gitarristischen (oder Harfenistischen) nachzuahmen suchen und sich hervorragend für Gitarrenbearbeitungen eignen. Man denke an Die Nacht D534 oder Nachtstück D672.

Inzwischen gibt es eine Fülle von transkribierten Liedern. Die vorliegende Fassung der Winterreise ist von Christian Fergo und Raoul Morat sogar für Gitarrenduo gesetzt, das sicher der Klangfülle einer Klavierbegleitung näher kommt und dennoch die Zartheit und den Farbenreichtum der Gitarre voll ausschöpft. Eine in meinen Augen beachtenswerte Ausgabe ist entstanden, die das vorhandene Gitarrenrepertoire bereichert und erweitert.

Man stellt sich auf den Standpunkt, ein Arrangement sei immer zugleich eine Interpretation, und so entschied man sich, obwohl Fingersätze immer eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Gitarristen sind, einige zu notieren, um den ursprünglichen Charakter der musikalischen Struktur und des Ausdrucks der Klavierstimme beizubehalten. Die Klaviere zu Schuberts Zeiten waren in ihrer Klangfarbe wesentlich zarter, und man weiss, dass Schubert selbst einen eleganten, leichten Anschlag und wenig Pedaleinsatz anstrebte. Umso naheliegender, die farbenfrohen Möglichkeiten einer gitarristischen Bearbeitung dazu zu nutzen, genau jene intime Seite der Klavierbegleitung hervorzuheben, die Schubert möglicherweise vorgeschwebt ist.

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Franz Schubert: Winterreise, für Tenor und zwei Gitarren bearb. von Christian Fergo und Raoul Morat, D 08955, € 34.95, Doblinger, Wien

Eine tiefgehende und kluge Klaviermethodik

Christian A. Pohl betrachtet nicht nur detailliert den Übeprozess, er schildert ihn auch als Arbeit an der eigenen Persönlichkeit.

Ausgehend von seiner eigenen Übebiografie und den damit verbundenen Höhen und Tiefen hat der Pianist und Pädagoge Christian A. Pohl mit seiner Klaviermethodik ein umfassendes Werk verfasst, das in seiner Art einzigartig ist. Pohl unterrichtet an der Hochschule für Musik «Felix Mendelssohn» in Leipzig.

In seinem 400 Seiten starken Buch gelingt es ihm, den Übeprozess in seine wesentlichen Aspekte aufzufächern und diese in einen sich ergänzenden und befruchtenden Kreislauf zu bringen.
Musikalisch-technische Durchdringung, die konkrete Planung des Übens (Metaebene), die Arbeit an seiner eigenen Persönlichkeit (Selbstreflexion und Wahrnehmung), all diese Elemente werden beispielhaft beschrieben und verständlich dargestellt. Sein Credo: «Das systematische Üben ist mehr als blosses Werkzeug. Es ist immer auch stete Arbeit an seiner eigenen Person.»

Den Kern des Buches bilden die 27 detailliert beschriebenen Methoden, die dazu anleiten, die Arbeit am Instrument abwechslungsreich und zielorientiert zu gestalten. Pohl schafft es auf überzeugende Weise, das Ganze und seine Teile in eine Balance zu bringen. Die einzelnen Methoden sind eingebettet in die vier übergeordneten Lerngebiete Dekodieren, Automatisieren, Balancieren und Kolorieren.

Dabei fliessen immer wieder lernpsychologische Gedanken ein, die sich mit Wahrnehmung, Emotion, Wiederholung, Vereinfachung, Erschwerung und genauer Analyse befassen. Grössten Wert legt er darauf, die Aufmerksamkeit stets auch nach innen zu lenken und jegliche Überforderungen im Prozess zu verhindern.

Gerade auch für Pädagoginnen und Pädagogen ist dieses Buch eine unerschöpfliche Fundgrube. Vieles, was oft im Unterricht nur implizit angesprochen wird, kann mit Hilfe von Pohls Buch explizit zum Lerninhalt werden und anhand seiner Konzepte und Methoden bewusst erarbeitet werden. Die über 300 Lernkarten, die beim Peters-Verlag ergänzend zum Buch zum Download erhältlich sind, dienen als didaktisches Hilfsmittel, um einzelne Lernschritte des Übeprozesses leicht zu visualisieren.

Leidenschaft, Sorgfalt, Verständnis und Weisheit zeichnen dieses Werk aus. Ich kann es allen empfehlen, die sich vertieft mit dem Thema beschäftigen wollen.

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Christian A. Pohl, Klaviermethodik, 400 S., € 89.00, Edition Peters, Leipzig 2022, ISBN 978-3-87626-182-9

Impulse und Gemeinplätze

Sammelband mit zwölf Aufsätzen zu neuen Impulsen für den Konzertbetrieb.

«Musikvermittlung» ist en vogue, steht aber in Anführungszeichen. Schon in der Schule wird manchen Kindern Klassik nähergebracht, hoffentlich auch mal Beatles gehört, rhythmisch spielerisch gerapt oder gesungen. Im klassischen Konzert gibt es den Einführungsvortrag für Erwachsene, auch das Programmheft, unter Umständen kurze Moderationen der Interpreten. Als «Musikvermittler» sind nebst Musikjournalisten auch Kuratoren tätig. Letztere stellen Programme möglichst sinnvoll zusammen, suchen vielleicht mal ungewöhnliche Konzertformate, neue Orte, neue Rezeptionsformen.

Das Konzertpublikum der Zukunft nennt sich ein Sammelband des Bielefelder Verlags Transcript, der vorwiegend Texte einer 2019 durchgeführten Tagung an der Hochschule der Künste Bern bietet. Im Wesentlichen kreisen die Inhalte um letztgenannten Punkt: Wie können «spannende», neue Formate aussehen, die eben nicht dem Mainstream traditioneller Konzertinstitutionen folgen? Der Ausgangspunkt ist für die meisten Autoren klar. «Künstliche Hüftgelenke» hatte das «klassische Konzert» schon vor Corona, konzediert die Mitherausgeberin Barbara Balba Weber, «Corona hat ihm den Todesstoss verpasst» (S. 219).

Nun ja, das ist nicht mehr als eine steile These, die schon merkwürdig klingt, wenn Abertausende Musiker jährlich die Hochschulen und Akademien verlassen. Dazu kommt: Viele Menschen sehn(t)en sich angesichts überwiegend trauriger Live-Streams nach Live-Aufführungen, nach Begegnungen, auch nach einer Klangqualität, die nicht annähernd mit Kopfhörern oder noch so teuren Surround-Heimanlagen reproduzierbar ist. Zudem gibt es Orte, wo Konzerte weiterhin gut funktionieren, wo Säle gefüllt sind nicht nur mit Menschen jenseits der Siebzig. Kurz: Der forsch-sendungsbewusste Ton Webers und manch anderer Autoren verstört.

Dessen ungeachtet bietet der Sammelband mit zwölf Aufsätzen erhellende Einsichten. Oft von Impulsen aus der Neuen Musik gespeist, geht es auf 229 Seiten um Mitmachkonzerte, um Improvisation, vor allem auch um neue Orte. Anja Wernicke berichtet vom Festival Zeiträume in Basel, wo man seit 2015 Outdoor-Konzerte – in der Tradition ländlicher Konzerte beim Festival Rümlingen – in den städtischen Raum verlagert und so Bezüge schafft zur Architektur und zu bestimmten Sozialmilieus. Catriona Fadke, Hannah Schmidt, Juri de Marco und Viola Schmitzer stellen ihr Stegreiforchester vor. Im ausverkauften Berliner Radialsystem spielte, improvisierte man mit Elementen aus Beethovens IV. Symphonie – offenbar zur Freude des Publikums, das sich frei im Konzertraum bewegen konnte.

Natürlich dürfen Schlagworte der aktuellen Kulturpolitik nicht fehlen: Begriffe wie «Digitalität, Nachhaltigkeit, Diversität, Prozessoffenheit, Partizipation» spielen verschieden gefärbt immer wieder ihre Rollen. Die Soziologin und Musikwissenschaftlerin Susanne Keuchel schreibt von «vielen spannenden didaktischen Musikkonzepten», die erreicht werden könnten, wenn über «Apps zusätzlich zum Klang des Orchesters partizipative digitale Mitspielaktivitäten geschaffen werden» (S. 36). All das mag gut gemeint sein, scheint sich tendenziell jedoch zu entfernen von jenen (nicht nur älteren!) Menschen, die einfach nur eines wollen und dürfen: Konzentriert mit anderen Menschen Kunst erleben. Ohne viel Worte, ohne Fragen nach Sinn und Zweck, letztlich auch ohne Fragen nach einer Zukunft, die per se schwer einschätzbar ist.

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Irene Müller-Brozovic, Barbara Balba Weber (Hg.): Das Konzertpublikum der Zukunft – Forschungsperspektiven, Praxisreflexionen und Verortungen im Spannungsfeld einer sich verändernden Gesellschaft, 229 S., € 33.00, Transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-5276-5
Open Access

 

Eine Freundschaft und ihr Umfeld

Meinhard Saremba zeigt auf, wie sich die Aufspaltung im Musikleben des 19. Jahrhunderts in eine Liszt-Wagner- und eine Schumann-Brahms-Partei im Leben von Clara Schumann und Johannes Brahms spiegelt.

Die Freundschaft des bärbeissigen Johannes Brahms und der weltgewandten Clara Schumann ist schon ausgiebig besprochen und bis in die intimen Details ausgeleuchtet worden. Unter dem Aspekt der Entwicklung des Musiklebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist diese Beziehung meines Erachtens aber noch nie betrachtet worden. Dass die Aufspaltung in eine Liszt-Wagner- und eine Schumann-Brahms-Partei da hineinspielt, war zu erwarten. Dass diese Freundschaft sich aber in dieser Hinsicht als derart aussagekräftig erweist, ist eine wirkliche Überraschung.

Manche Äusserungen würden heutzutage dutzendweise auf Social Media ausgetauscht und als völlig «normal» bezeichnet; wenn aber Johannes Brahms seinem Freund Joseph Joachim am 7. August 1859 schreibt: «… es wäre herrlich, wenn Du im Sommer in Deutschland sässest, wunderschön komponiertest und nebenbei mit einigen fliegenden Bögen diese Leute totschlügest, und ich sässe dabei, freute mich und hülfe Noten schreiben», ist man doch erstaunt. Anderseits kennt man die beschämenden Frotzeleien aus Cosima Wagners Tagebüchern, etwa vom «schädlichen muckerischen Einfluss auf den gebildeten Bürgerstand» des Herrn Brahms oder «diese Vortragslosigkeit der Mme Schumann».

Dieser «Parteienstreit» allein macht aber den Reiz des Buches nicht aus; vielmehr sind es der Verlauf der kulturpolitischen Geschichte, neue Vermittlungsformen und das Aufkommen einer «neuen Moderne», welche wirkungsvoll thematisiert werden. Die einzelnen Werke der beiden werden zwar in diese Entwicklung hineingestellt, aber im Detail nicht besprochen; auch die problematische Seite der persönlichen Beziehung Clara/Johannes, die es ja auch gegeben hat, wird bloss gestreift. In den beiden letzten Kapiteln fallen ein paar plakative Sätze über die spaltende Wirkung der Musik von Wagner und Liszt im Gegensatz zur versöhnenden Musik von Brahms. Versöhnlich wirkt Brahms als Person in der Beschreibung des Autors, wie er im Oktober 1895 an der Feier zur Eröffnung der Tonhalle in Zürich teilnahm, im Deckengemälde sein eigenes Konterfei hinter Beethoven entdeckt und gesagt haben soll: «Ich bin doch noch unter den Lebenden.»

Personenregister, eine umfangreiche Zeittafel und die mehr als tausend durchnummerierten Anmerkungen komplettieren den hohen Informationswert dieser Doppelbiografie.

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Meinhard Saremba: «… es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!». Clara Schumann, Johannes Brahms und das moderne Musikleben, 446 S., 20 Ill., € 28.00, Osburg, Hamburg 2021, ISBN 978-3-95510-259-3

Bilder oben: Clara Wieck 1840, Zeichnung von Johann Heinrich Schramm, wikimedia commons

Johannes Brahms um 1855, Tabotypie, wikimedia commons

Junge Talente aus dem Tessin musizieren in Arosa

Neben dem «Hans-Schaeuble-Award» hat Arosa Kultur auch das Format «Junge Talente im Konzert» seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt.

Andri Probst — Anfang Juli fand die erste Durchführung der «Jungen Talente» mit dem neuen Konzept unter der Leitung von Roberto Kowalski mit dem neuen Konzept durchgeführt.

Junge Talente im Konzert

Das Projekt «Junge Talente im Konzert» hat nach zwei Jahren Unterbruch diesen Juli einen Neustart mit einem neuen Konzept. In Zusammenarbeit mit den beiden Tessiner Kulturinstitutionen Conservatorio della Svizzera italiana (CSI) und dem Orchestra della Svizzera italiana (OSI) hat Arosa Kultur sieben junge Student*innen des Pre-College des CSI nach Arosa zu einer Probewoche eingeladen. Unter der Leitung des 1. Konzertmeisters des OSI, Robert Kowalski, probten die Student*innen im Kongresszentrum Arosa und gaben zum Abschluss in Arosa und Lugano je ein Konzert. Im Vordergrund stand die intensive und tägliche musikalische Arbeit mit Robert Kowalski. Die begeisterten Rückmeldungen der Teilnehmenden haben die Verantwortlichen bewogen, im nächsten Jahr Pre-College-Student*innen auch aus anderen Musikhochschulen der Schweiz einzuladen. Entsprechende Gespräche sind bereits aufgenommen worden.

«Hans-Schaeuble-Award» und das Arosa Klassik Festival

Seit 2015 wird jedes Jahr an mehrere Teilnehmende der Arosa Music Academy der «Hans-Schaeuble-Award» vergeben. Die Arosa Music Academy ist ein internationaler Meisterkurs der Musik-Kurswochen Arosa für die Instrumente Violine, Viola, Violoncello, Saxophon und Akkordeon. Dieses Jahr werden mindestens acht Teilnehmende mit einem «Hans-Schaeuble-Award» ausgezeichnet. Die Auszeichnung beinhaltet auch eine Einladung zur aktiven Teilnahme am Arosa Klassik Festival im darauffolgenden Winter. Unter der Leitung von Markus Fleck (Violine) und Lars Mlekusch (Saxophon) werden verschiedene Kammermusikprogramme erarbeitet und aufgeführt.

Das Arosa Klassik Festival 2023 findet vom 19. März – 2. April in verschiedenen Konzertlokalen in Arosa statt. Neben den Kammermusikkonzerten wird ein Ensemble des Conservatorio della Svizzera italiana sowie das Ensemble «obsigänt» auftreten. Zum Gedenken an den Bündner Organisten Hannes Meyer, dessen 10. Todestag im 2023 gefeiert werden darf, werden Originalwerke und Bearbeitungen von Hannes Meyer zur Aufführung gelangen. So sind auch zwei Gedenkkonzerte geplant, eines mit dem Hornisten Pascal Deuber und das Abschlusskonzert mit Mathias Gubler, Domenic Jannett, Lisette Stoffel.

Informationen zum Festival werden auf www.arosaklassik.ch aufgeschaltet.

Sämtliche Informationen gibt es auch unter www.arosakultur.ch.

Kontakt: AROSA KULTUR, Andri Probst, 076 403 04 03, aprobst@arosakultur.ch

Romantischer Pop auf klassischer Gitarre

Die «Rock-Pop Studies» von Michael Erni strotzen nur so vor guten Ideen und unterschiedlichen Ausdrucksweisen.

Können Pop und Rock auf der klassischen Gitarre gespielt werden? Ja und nein. Die 9 Rock-Pop Studies des Schweizer Gitarristen, Komponisten und Musikpädagogen Michael Erni bedienen sich zwar stilistischer Elemente aus der sogenannten Populärmusik, verbleiben in ihrem Duktus aber durchaus in der Tradition des klassisch-romantischen Gitarrenklangs. Pentatonische Passagen verweisen auf Rock und Blues, Akkorde mit Sekunden und grossen Septimen erinnern an die Musical-Harmonik zum Beispiel eines Andrew Lloyd Webber. Zusammen ergibt das eine Sammlung attraktiver, farbenreicher Spielstücke unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads für insgesamt eher fortgeschrittene Teenager und Erwachsene.

Die neun Stücke sind in die für die linke Hand wesentlichen Bereiche Legato, Barré und Lagenwechsel gruppiert, mit jeweils entsprechenden Preparation Exercises. Allerdings widerspiegeln die Vorübungen die tatsächlichen Erfordernisse in den einzelnen Stücken nicht. So bleiben in den einfachen Legato-Übungen die zahlreichen Fesselungen, wie sie dann nachher vorkommen, unberücksichtigt. Gar nicht thematisiert werden die vielfältigen Arpeggio-Muster der rechten Hand.

Einige Nummern haben eine klare und transparente Form, während in anderen auf kleinem Raum fast zu viele gute Ideen aufeinandertreffen. Sehr schön klingt Deep River, mit einer schlichten Melodie über kompakten romantischen Barré-Akkorden. Furios kommt das abschliessende Grand Final daher, in dem auch Rasgueados und Zweiunddreissigstel-Arpeggi gefragt sind. Schwer vorstellbar, dass Schülerinnen und Schüler das Werk im selben Tempo spielen wie der Komponist und Maestro auf der entsprechenden Youtube-Aufnahme …

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Michael Erni: 9 Rock-Pop Studies with preparation exercises, for classical guitar solo, DZ 3703, € 13.72, Les Productions d’Oz, Lévis (Québec)

Programm

Wie werden Musikprogramme zusammengestellt? Wer macht das unter welchen Gesichtspunkten? Und aus was für Anregungen entsteht Programmmusik?

Titelbild: neidhart-grafik.ch
Programm

Wie werden Musikprogramme zusammengestellt? Wer macht das unter welchen Gesichtspunkten? Und aus was für Anregungen entsteht Programmmusik?

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Focus

Programm? Programm!
von Peter Hagmann

La musique pour parler d’humain à humain
Entretien avec Karine Vouillamoz, cheffe d’antenne d’Option Musique
Interview von Jean-Damien Humair

Deutungsräume eröffnen
Zeitgenössische Musik programmieren
von Sibylle Ehrismann

Das eine durch das andere verständlich machen
Ute Stoecklin und die Programme der Maison 44 in Basel
von Niklaus Rüegg

Musique évocatrice
Quels sont les thèmes abordés par la musique à programme ?
von Laurent Mettraux

Jean-Damien Humair über die neuste Ausgabe auf RTS (ab 1:21):
https://www.rts.ch/audio-podcast/2022/audio/la-schubertiade-d-espace-2-25850582.html

 

… und ausserdem

RESONANCE

Orgelgewitter über Luzern — Stéphane Mottoul

Elektrisiert vom aufmerksamsten Lauschen — Daniel Glaus

Chatten über … — Nicole Johänntgen und Jasmin Albash

Ticino Musica e le masterclass nel presente — Gabor Meszaros

Flunkern im Kurort — Davos-Festival «Young Artists in Concert»

Energiegeladen durch den Aargau — «Karma» von JSAG und Otrava

Radio Francesco — le temps/die Zeit
 

CAMPUS

Sorgenkind Schulmusik? — Jürg Zurmühle und Roman Brotbeck im Gespräch
Ausführliche Version des Interviews

A la rencontre du vibrato d’Alfred Brendel

Jubilé d’argent — à l’école « Un, Deux, Trois, Musiques… »

Carte blanche für Alfred Brendel

 

FINALE


Rätsel
— Chris Walton sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Sorgenkind Schulmusik?

Die musikalische Bildung ist seit zehn Jahren in der Verfassung verankert und an den Fachhochschulen hat die pädagogische Forschung Einzug gehalten. Wie sieht es in der Praxis aus?

Jürg Zurmühle (links) und Roman Brotbeck. Foto: Tabea Bregger
Sorgenkind Schulmusik?

Die musikalische Bildung ist seit zehn Jahren in der Verfassung verankert und an den Fachhochschulen hat die pädagogische Forschung Einzug gehalten. Wie sieht es in der Praxis aus?

Anlässlich seines Rücktritts als Präsident des Verbands Fachdidaktik Musik Schweiz vfdm.ch wurden Jürg Zurmühle und – als Vertreter einer Aussenperspektive – Roman Brotbeck zur musikalischen Bildung in der Schweiz befragt.

Steigen wir ganz konkret ein: Was soll aus eurer Sicht ein zehnjähriges Kind in der Primarschule musikalisch erlebt haben bzw. was soll es in diesem Alter können?

Jürg Zurmühle: Pointiert gesagt, wünsche ich mir keine Standardisierung, sondern dass ein Kind selbst musiziert und unterschiedliche Begegnungen mit musikalischer Kultur, mit musikalischen Handlungen, mit Hören und mit live gespielter, realer Musik gehabt hat. Auch wünsche ich mir, dass in der Schule, im Kindergarten und in der Vorschule den Kindern Möglichkeiten zu Zugängen zu ihrer eigenen Musikalität geschaffen werden. Das heisst nicht, dass wir in erster Linie darauf schauen, was ein Kind mitbringen, können und kennengelernt haben muss, sondern uns fragen, was das Kind schon mitbringt, um damit musikalisch auf unterschiedliche Weisen weiter arbeiten zu können.

Roman Brotbeck: Ich habe wenig Erfahrung mit dieser Zielstufe, aber vielleicht sollte ein Kind das erfahren haben, was für mich für die gesamte musikalische Ausbildung zentral ist: Es sollte hören können, nicht nur Musik, sondern auch die Umwelt. Und es sollte seine «Stimme» – das kann auch ein Instrument sein – als Eigenes und als Gemeinsames erleben. Die Musik ist die einzige Kunst, die das Gemeinsame so künstlerisch und ohne Konkurrenzgefühle umsetzen kann.
 

Es gibt verschiedene Institutionen, unterschiedliche Berufsstände, die sich für diesen gemeinsamen Nenner der Musik, die musikalische Bildung engagieren.
Was braucht es, um im produktiven Miteinander der musikdidaktischen Felder (Spezialistinnen, Spezialisten, Generalistinnen, Generalisten schulisch/ausserschulisch) die musikalische Bildung zu stärken?

Jürg Zurmühle: Ich fokussiere jetzt mal auf das Kind: Da sehe ich den grössten Gewinn, wenn es uns gelingt, die Musikschaffenden und die Institutionen, von den Kulturinstitutionen (und zwar aus allen Bereichen von experimenteller über Pop- und Rockmusik) über die Theater bis zu den Musikschulen und Schulen, zusammenzubringen.
Ich glaube, wir könnten uns in Zukunft stärker darum bemühen, dass alle Akteure noch viel mehr zusammenarbeiten. Aus der Perspektive der Lehrerbildung könnte ich mir vorstellen, vermehrt mit Personen anderer Institutionen, z. B. den Musikhochschulen, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Projekte und Kurse zu realisieren. Wir haben an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW ja schon damit begonnen, und ich finde das absolut notwendig.

Roman Brotbeck: Aus meinen Erfahrungen auch in Leitungsfunktionen im Hochschulbereich und anderswo heraus stelle ich fest: Es ist schade, wie viel positive Kreativität verloren geht, indem Institutionen sich gegenseitig voneinander abgrenzen, und wieviel unnötige Energie investiert wird, um ein eigenes Profil zu haben. Ich glaube, dass viel Kreativität verpufft, weil man nicht zusammenarbeiten will. Aber das ist auch innerhalb der Hochschulen so. Das hatte ich auch in Bern an der Hochschule der Künste HKB erlebt, als ich zum Beispiel die Idee einbrachte, unter Hauptfachlehrern vielleicht mal einen Studenten, eine Studentin für eine gewisse Zeit auszutauschen? Nein, das könnte die ganze Ausbildung kaputt machen, wurde mir entgegnet. Mit einem derartigen Isolieren und letztlich einem Misstrauen gegenüber den Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Hochschule lernen die jungen Leute schon dort eigentlich das Falsche.

Jürg Zurmühle: Ich bin da aber auch optimistisch: Auf der Ebene der Institutionen ist es genauso, wie du das erläuterst. Auf der Ebene der Personen finde ich das etwas ganz anderes. Ich habe immer den Eindruck gehabt, wenn wir miteinander als Personen in Kontakt sind, dann ist eine Zusammenarbeit auf jeden Fall einfacher möglich.
 

Verfassungsartikel 67a

Welche Dringlichkeiten seht ihr im Hinblick auf die Musik in der Volksschule, auch bezogen auf den Bildungsartikel 67a? Warum braucht es den Artikel?

Jürg Zurmühle: Ich habe mich persönlich und auch als Präsident des Verbands dafür eingesetzt, dass der im Bildungsartikel erwähnte, sogenannte «hochwertige Musikunterricht» auf der Primarstufe auch wirklich umgesetzt werden kann. Leider wird auf allen Ebenen, von Schulleitungen über die Kantone bis zum Bund, die Zuständigkeit dafür hin und her geschoben, ohne dass wirklich etwas Konkretes geschieht.

Eine weitere Ebene ist die Lehrerbildung, wo ich aus der Perspektive der Musik wirklich unerfreulich finde, dass die Studierenden für die Primarstufe das Fach Musik abwählen können resp. müssen. Das ist etwas, was ich selber so ganz klar nicht vorschlagen würde. Musik muss von allen zukünftigen Lehrpersonen unterrichtet werden können. Eine andere Sache ist, dass an den Pädagogischen Hochschulen grundsätzlich die Fachlichkeit zu kurz kommt. Ich würde mehr Wert und Zeit auf die fachliche Ausbildung legen. Oder – das hatten wir früher – Studierende müssen eine Aufnahmeprüfung machen, um auch ihre fachlichen Fähigkeiten zu zeigen.

Wir haben aber auch sehr viel Kompetenz in den verschiedenen Institutionen. Wir sollten versuchen, diese Kompetenzen, diese Kreativität von vielen Menschen in der Ausbildung der Lehrpersonen zusammenzubringen. Das muss nicht immer nur alles strukturell fixiert sein, sondern ich kann mir gut vorstellen, zum Beispiel in Studien- und Intensivwochen, die ausserhalb des Curriculums sind, Musik zu machen, zu lehren und zu lernen. Mit dem Bologna-System, mit dem Sammeln von Creditpoints, wird das meiner Meinung nach erschwert. Es geht eigentlich darum, Freiräume zu ermöglichen, institutionelle Freiräume, um denjenigen Studierenden, die sich musikalisch «bilden wollen», offene Angebote zur Verfügung zu stellen. Auch was wir mit «Jugend und Musik» anstreben, finde ich wichtig: Dass Leute, die wirklich viel mitbringen, auch die Möglichkeit haben, sich entsprechend weiter zu qualifizieren, um dann eben auch ihren Weg musikalisch gehen zu können.

Roman Brotbeck: Der Bildungsartikel 67a ist sehr wichtig, weil er den Musikunterricht valorisiert und nicht als «nice to have» versteht. Vor allem folgender Satz ist zentral: «Die Kantone setzen sich für einen hochwertigen Musikunterricht ein.» Es ist ein Armutszeugnis für die Kantone, dass sie sich seit zehn Jahren um die Definition eines hochwertigen Unterrichts herumdrücken und sich mit heterogenen Lösungen zufriedengeben. So bleibt der Zugang zur Musikausbildung nach wie vor stark vom sozialen Hintergrund geprägt.

Der Bund droht im Bildungsartikel damit, dass er «die nötigen Vorschriften» selbst erlassen kann, wenn die Kantone keine Einigung in den Zielen erreichen. Das müsste er meiner Meinung nach nun zwingend tun.
 

Art. 67a Musikalische Bildung

1 Bund und Kantone fördern die musikalische Bildung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.

2 Sie setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für einen hochwertigen Musik­unterricht an Schulen ein. Erreichen die Kantone auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung der Ziele des Musikunterrichts an Schulen, so erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften.

3 Der Bund legt unter Mitwirkung der Kantone Grundsätze fest für den Zugang der Jugend zum Musizieren und die Förderung musikalisch Begabter.

Quelle: fedlex.admin.ch

Zum zehnjährigen Bestehen des Bundesverfassungsartikels 67a ist festgestellt worden, dass eben mit «Jugend und Musik» der ausserschulische Bereich und auch die Talentförderung sehr zentral angegangen wurden. Gleichzeitig sei aber bezüglich der schulischen Entwicklung noch wenig vorhanden. Wo seht ihr Ansätze, um hier nach zehn Jahren noch ein Accelerando zu bewirken?

Roman Brotbeck: Es gibt einfach eine grosse Dissonanz, wenn ich höre, dass offenbar in der Volksschule Primarlehrerinnen und Primarlehrer Musik unterrichten, die nicht dafür ausgebildet sind. Das crasht mit dem Artikel: «Die Kantone setzen sich für einen hochwertigen Musikunterricht ein». Das geht gar nicht zusammen. Ich kann nicht von einer mathematisch inkompetenten Person verlangen, dass sie hochwertigen Mathematikunterricht gibt, oder von jemandem, Französischunterricht zu geben, ohne selber französisch zu sprechen. Gerade der Fremdsprachenunterricht ist ein sehr gutes Beispiel, weil er der Musik sehr nahe ist. Wenn ein Kind von Anfang an eine Sprache mit einer guten muttersprachlichen Aussprache hört, kann es diese sehr viel besser und leichter aufnehmen, als wenn es in deutscher Sprache in Französisch oder Englisch unterrichtet wird. In der Musik ist es genau gleich! Wir brauchen dort hochprofessionelle Leute. Zum Glück haben wir das beim Instrumentalunterricht bei den Musikhochschulen trotz massiver Widerstände geschafft. Als das moderne Hochschulsystem Anfang der Nullerjahre eingeführt wurde, wollte man die Pädagogische Ausbildung der Musikhochschulen auf drei Jahre kürzen und auf die Bachelorstufe beschränken, mit der Begründung, dass das Unterrichten von Kindern ja auch mit wenig Fachkompetenz möglich sei. Damals hatte die KMHS (Konferenz der Musikhochschulen Schweiz) argumentiert: «Das ist die schwierigste Stufe. Also müssen wir ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker im Instrumentalunterricht einsetzen.» Dies ist nun zum Vorteil der Musikschulen gegenüber den Volksschulen geworden, dass nämlich dort nur musikalisch kompetente Lehrpersonen unterrichten. In einem demokratischen Land wie der Schweiz, das zum Ziel haben sollte, die gesamte Bevölkerung zu bilden, fände ich es aber wichtig, dass auch an der Volksschule fachlich kompetente Lehrpersonen Musik unterrichten. Für mich wäre der Moment gekommen, dass der Bund die nötigen Vorschriften erlässt, um diesen Missstand zu beheben.

Jürg Zurmühle: Ich sehe das ähnlich. Wir haben ja auch schon versucht, in parlamentarischen Kommissionen darauf hinzuweisen. Ich sehe es als eines der grossen Probleme, dass der Bund nicht sagt: «Da steht ein Verfassungsartikel. Wir wollen von den Kantonen wissen, wie ihr den umgesetzt habt.» Aber auch die Verbände müssen sich einschalten. Wir können durch den Verband Fachdidaktik Musik Schweiz und den Schweizer Musikrat Einfluss auf die Diskussion auf der politischen Ebene nehmen. Das ist sehr wichtig, um diesen Artikel jetzt auch in diesem zweiten Punkt umsetzen zu können. Es gibt aber auch mehr pragmatische Möglichkeiten: Im Kanton Basel-Stadt wird ein grosser Teil des Musikunterrichts von Fachpersonen unterrichtet und die machen das sehr gut. Nun besteht aus meiner Perspektive aber die Gefahr, dass – wenn nur noch Fachpersonen Musik unterrichten – Musik, so wie ich das verstehe, als Alltagsgestaltung einfach wegfällt, weil und das haben wir auch schon erfahren, die Primarlehrpersonen sagen: Dieser Bereich wird ja von der Musik- und Bewegungslehrperson abgedeckt. Das heisst, ich möchte eigentlich, dass man im Fach Musik sowohl Fachlehrpersonen als auch gut ausgebildete Lehrpersonen einsetzen kann und dass diese Kooperation, wenn sie gelingt, wunderbare Resultate bringen kann. Damit sind wir wieder beim gleichen Thema: dass es nicht Konkurrenz, sondern Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren gibt.

 

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Jürg Zurmühle
… hat die Arbeit des Verbands Fachdidaktik Musik Schweiz vfdm.ch als Präsident massgeblich mitgestaltet.

Es wäre natürlich schön, wenn die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK diese Vision teilen würde, damit in allen Kantonen Fachlehrpersonen auf der Volksschulstufe Musik unterrichten dürfen. Die Direktorinnen und Direktoren Pädagogischer Hochschulen PH sehen das wohl ein wenig anders. Hast du als Präsident Fachdidaktik Musik Schweiz auch konträre Positionen zu den Direktionen der PH und wenn ja, wie gehst du damit um?

Jürg Zurmühle: Das ist eine gute Frage. Diese konträren Haltungen gibt es selbstverständlich. Ich habe vorher erwähnt, dass wir in der Musik und grundsätzlich in der Ausbildung viel zu wenig Fachlichkeit haben. Es ist nicht nur die Direktion, die hier dagegenhält, sondern die ganze Community an der PH, weil natürlich alle Bereiche für ihre Anliegen an ein Studium zu wenig Zeit zur Verfügung haben. Darum wäre auf der bildungspolitischen Ebene der Masterstudiengang eine Lösung, welcher Vertiefungen ermöglichen könnte. Oder wir nehmen uns mehr Ausbildungszeit, um die Kompetenzen der Studierenden in den vielen Bereichen vertiefen zu können. Ein anderes Beispiel: Bei uns an der PH FHNW wird der Instrumentalunterricht der Fachwissenschaft zugeordnet. Wir haben uns da schon von Anfang an dagegen gewehrt, weil dieser Begriff nicht dem entspricht, was wir tun. Auch unsere musikalischen Seminare sind zwar wissenschaftlich fundiert, aber nicht Wissenschaft. Das ist etwas ganz anderes. Das Bekämpfen des Begriffes Fachwissenschaft in der Musik habe ich 14 Jahre lang gemacht. Ich bin immer gescheitert, dieser Begriff lässt sich nicht eliminieren.
 

Wenn du für die musikalische Ausbildung an deiner Institution mehr Zeit erhieltest, wie würdest du diese konkret in der fachpraktischen Ausbildung nutzen?

Jürg Zurmühle: Ich möchte gerne unterscheiden zwischen der fachpraktischen und der fachdidaktischen Ausbildung, die ich für ebenso wichtig halte. In der fachpraktischen Ausbildung haben wir Studierende, die mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen an unsere Hochschule kommen. Von Leuten, die Panik haben, Musik zu machen, bis zu professionellen Musikerinnen und Musikern, die in den Lehrberuf auf der Volksschule einsteigen wollen. Im hoch individualisierten Instrumentalunterricht können wir diesen heterogenen Niveaus gerecht werden. Hier versuchen wir unterschiedliche Perspektiven zu beleuchten: Einerseits brauche ich das Instrument, um mein eigenes musikalisches Verständnis des Hörens, des Handelns, des Interpretierens und auch des Improvisierens – das ist uns ganz, ganz wichtig – zu vertiefen, aber auch um das individuelle Verständnis und Können weiterzuentwickeln. Zum andern ist das gemeinsame Musikmachen ein grundlegendes zu vermittelndes Erlebnis. Ich nehme da ein Beispiel: Die Studierenden müssen sowohl einen Kanon singen als auch mit Alltagsgegenständen improvisieren können. Das sind unterschiedliche Zugänge zur Musik und beide sind mir persönlich und unterdessen uns allen im Team ein hohes Anliegen. Aber das müssen die Studierenden erfahren können. Von der ersten Stunde an wird Musik gemacht und alles, was man lesen oder sonst noch machen kann, das machen sie ausserhalb. Zusammen Musik zu machen ist grundlegend, wichtig und zentral in der Fachwissenschaft. Und diese Erfahrungen in Musik brauchen Zeit, von der ich gerne mehr hätte.
 

Das heisst, den Rest, das Diskutieren und Reflektieren, die Fachdidaktik, machen sie ausserhalb des Unterrichts?

Jürg Zurmühle: Nein, das war jetzt die Fachwissenschaft. Die Fachdidaktik wiederum verstehe ich als die bewusste Gestaltung der Ermöglichung von Lernprozessen bei Kindern, und zwar ausgehend von dem, was die Kinder können, aber auch ausgehend von dem, was ich als Lehrperson kann. Der eine Ansatz ist, dass wir mit den Studierenden unterschiedliche Konzepte praktisch kennenlernen, das heisst beispielsweise den aufbauenden Musikunterricht, der mit Patterns arbeitet oder mit dem Prinzip der Solmisation. Oder ein anderes Konzept, wie es beispielsweise Beck-Neckermann für Kindergarten/Unterstufe vorschlägt, das mehr vom Kind her gedacht ist: Was braucht ein Kind, was kann das Kind schon, welche Rolle hat das improvisatorische Element, das Entdecken und Ausprobieren? Und dazu die Reflexion und den Dialog: «Sag mal, was ist jetzt da geschehen, was hast du gehört oder gemacht?» Trotz Offenheit braucht es Ordnungsstrukturen zur Orientierung.

Mir ist ein hohes Anliegen, beide Beispiele als gute Ansätze des Musikunterrichts zu verstehen. Ich will sie nicht gegeneinander ausspielen, sondern eben als Sowohl-als-auch präsentieren. Ich muss jedoch die Vorgehensweisen unterscheiden und auswählen können, ob ich einen Kanon anleite oder ob ich die Kinder mit Alltagsgegenständen improvisieren lasse. In der Fachdidaktik muss es uns gelingen, die Studierenden an den Punkt zu bringen, an dem sie merken, dass es unterschiedliche Arten gibt, Musik zu unterrichten und dass sie zwischen unterschiedlichen Konzepten und Vorgehensweisen differenzieren können. Der Dialog über die Erfahrungen und die Konzepte ist für die Studierenden natürlich enorm wichtig und den machen wir, wann immer möglich, live.
 

Musikpädagogische Forschung

Welche Bedeutung und Dringlichkeit messt ihr, auch in diesem Kontext, der musikpädagogischen Forschung im Wirkungsfeld der Pädagogischen Hochschulen und der Musikhochschulen zu?

Jürg Zurmühle: Für mich hat die Forschung im musikpädagogischen Bereich enorme Bedeutung, um Glaubenssätze der Musiklehrpersonen auch mal überprüfen zu können. Zum andern weiss man immer noch relativ wenig, wie die vielschichtigen und vielfältigen musikalischen Lernprozesse bei den Kindern förderlich gestaltet werden können und wie Kinder Musik in allen ihren Ausprägungen lernen. Der forschende Blick sensibilisiert, fokussiert und verallgemeinert: Es geht nicht nur um individuelle Erfahrungen, sondern um das Finden von Prinzipien. In meiner eigenen bescheidenen Forschungstätigkeit ging ich solchen Fragen nach: Was passiert wirklich und genau in dem Moment, wo Kinder miteinander Musik machen? Wie beschreiben Kinder ihre Erfahrungen bei einem Konzert, bei dem sie mitwirken? Der Trubel des Unterrichts erlaubt es oft nicht, hier genau hinzuschauen. Deshalb bringen solche Forschungen, die genau und wiederholt hinschauen und zu verstehen versuchen, Erstaunliches zum Vorschein, was vorher nicht bekannt und bewusst ist.

Für die Hochschule ist das Rezipieren von Forschungsergebnissen wichtig, beispielsweise durch das Lesen und gemeinsame Besprechen von Primärtexten im Team und mit den Studierenden. Zum anderen ist es auch die Aufgabe der Hochschule, eigenen Forschungsfragen nachzugehen, um Erkenntnisse zum Musikunterricht in der Schule zu erhalten und zu publizieren.
 

Roman, was ist deines Erachtens die Aufgabe der Forschung in der Musik?

Roman Brotbeck: In keinem Bereich haben sich die Musik- und Kunsthochschulen so verändert wie in der Forschung. Trotz anfänglicher Widerstände vieler Lehrkräfte hat da eine enorme Entwicklung stattgefunden. Auch in der musikpädagogischen Forschung hat sich vieles getan, aber ihre Themen sind mir manchmal in zu marginalen Feldern angesiedelt. Aus der Distanz scheint mir, dass die Verbindung von Lehre und Forschung verstärkt werden müsste. Zuweilen besteht die Gefahr, dass die Forschung ein Satellit ist, welcher nicht mehr in die Lehre der Hochschulen hineinwirkt. In der Musikpädagogik wäre Forschung wünschenswert, welche aus der Praxis heraus entwickelt wird. Eine spezifisch fachdidaktische Forschung wäre dafür ein ideales Feld. Ich hätte dafür auch eine Idee: ein interinstitutionelles Forschungsprojekt zur Entwicklung eines interaktiven schweizerischen Musik-Lehrmittels für die Volksschule unter Einbezug aller Sprachen und Kulturen. Das Lehrmittel könnte Best Practice-Elemente enthalten, die sich dann auch auf andere Bereiche auswirken könnten.
 

Gerne nehmen wir den Aspekt Lehrmittel später nochmals auf. Die Forderung nach forschenden Dozierenden kommt stark aus den Institutionen. Was sind in diesem Zusammenhang sinnvolle Qualifizierungen?

Jürg Zurmühle: Ich wünsche mir Personen mit viel Praxis, die also viel praktische Erfahrungen in Musik gemacht und Musik unterrichtet haben. Das sind beispielsweise Personen, die eben von Kind an schon Musikerinnen und Musiker sind und dann eine Ausbildung als Lehrperson gemacht haben, unterrichtet haben, und viele Kontakte in verschiedenen Settings mitbringen, die aber auch eine fachliche und fachdidaktische Ausbildung haben. In der Forschung müsste neben musikpädagogischer auch Forschungsqualifikation vorhanden sein. Die bisherigen, geschätzten Kolleginnen und Kollegen mit Promotion in der Musikpädagogik sind keine Musiklehrpersonen, sondern entweder Psychologinnen oder Soziologen. Sie haben sehr wichtige und grundlegende Arbeit geleistet, das steht ausser Frage, aber es sind eben keine Musiklehrpersonen. Dies beginnt sich nun langsam in dem Sinne zu verändern, dass Forscherinnen und Forscher neben der Perspektive der Forschungsmethodik, der Forschungsdistanz gleichzeitig auch die Perspektive der Praktikerinnen und Praktiker aus dem Feld einbringen können.
 

Eigene Erfahrungen und persönliche Wirkung

Kommen wir von der Forschung nochmals zu euch persönlich zurück: Wenn ihr zurückschaut, was konntet ihr in euren Rollen und Funktionen bewirken?

Roman Brotbeck: Ich hatte das Glück, dass ich seit Beginn der Ausbildung gewusst habe – ich habe Musikwissenschaft studiert –, dass ich nicht einfach im stillen Kämmerchen irgendwelche Lexikonartikel und Bücher schreiben möchte, die dann im kleinen Kreis der Musikwissenschaft rezipiert werden und vielleicht vier gute oder auch schlechte Kritiken bekommen, sondern ich wollte immer einen breiteren Einfluss haben. Deshalb bin ich über die Medien, das Radio und das Präsidium des Tonkünstlervereins schliesslich in die ganzen Planungen zur Neugründung der Musik- und Kunsthochschulen eingestiegen. Das war eine enorme Chance für mich. In Bern konnte man in ein paar Jahren Dinge verändern, wofür man in normalen Zeiten wahrscheinlich zwei Jahrzehnte bräuchte. Als diese Entwicklungen konsolidiert waren, habe ich mich dann zurückgezogen. Meine Fähigkeit liegt mehr darin, Dinge in Bewegung zu setzen, als sie zu verwalten. Und ja, es war möglich, die Forschung zu initiieren, es war möglich, die musikpädagogische Ausbildung auf Hochschulstufe völlig zu erneuern. Dies war eine ideale Zeit in der Schweizer Musikhochschullandschaft, weil die Direktoren – ob in der Westschweiz, im Tessin oder in der Deutschschweiz – an einem Strick zogen. Wir standen nicht in Konkurrenz zueinander, im Gegenteil: Man telefonierte sich ständig und sprach sich ab, weil das Damoklesschwert über uns schwebte, den Musikhochschulen analog zu den technischen Fachhochschulen nur wenige Masterausbildungen zuzugestehen. Da hätten die Schweizer Musikhochschulen international nicht mehr mithalten können. Dieses gemeinsame Ringen hat sehr viele Veränderungen hervorgerufen. Ich wünsche mir für die Fachdidaktik Musik der Schweiz, sie würde eine ähnliche Solidarität entwickeln. Was mit den Musikhochschulen damals gelang, ist für mich bezüglich Bündelung von Kräften exemplarisch. Ein Resultat davon sind ausgezeichnete Lehrkräfte, welche heute in den Musikschulen wirken – auch dank der Musikhochschulen.
 

Jürg, wie sieht das bei dir aus? Was konntest du persönlich in deinen Rollen und Funktionen bewirken?

Jürg Zurmühle: Meine Biografie ist ja eine ganz andere. Ich bin ursprünglich Flötist. Ich bin am damaligen Konservatorium in Basel als Orchesterflötist ausgebildet worden und wurde schliesslich auf der Strasse angesprochen, ob ich am Lehrerseminar in Liestal unterrichten könnte. Ich hatte damals noch keine Ahnung von Lehrerbildung. Schliesslich habe ich eine fast 40-jährige Karriere in der Lehrerbildung gemacht, mit Hochs und Tiefs. Wenn ich jetzt auf meine Wirkungszeit der letzten 14 Jahre als Leiter der Professur zurückschaue, ist es erfreulich, was uns gelungen ist. Ich sage ganz bewusst «uns», weil es eine Teamarbeit war, alleine hätte ich das nicht erreichen können. Was wir erreicht haben, ist einerseits, mit den vorgegebenen Rahmenbedingungen – die nicht optimal sind – eine möglichst gute Ausbildung auf die Beine zu stellen. Das andere ist, dass wir die extrem unterschiedlichen Ansichten, was Musikunterricht sein soll und sein kann, die wir am Anfang in der Professur angetroffen haben – wir waren ja aus vielen Institutionen fusioniert, mit vielen Menschen, die ganz unterschiedliche Ansichten von Musikunterricht hatten –, in unserer Professur integrieren und abbilden konnten. Wir haben und leben ein Sowohl-als-auch: Wir versuchen sowohl eine klare normative Setzung zu haben: Was man am Schluss können muss, also quasi eine Kompetenzorientierung. Auf der anderen Seite stellen wir uns die Fragen: Was sind Punkte, wo sehr viel Kreativität und Spiel miteinander möglich sind? Was sind Dinge, welche man können und als individuelle, fachliche Qualität entwickeln «darf»? Eine Lehrperson kann einen Kanon anleiten, eine andere hat entdeckt, dass sie mit den Kindern zusammen im Wald Hörspaziergänge machen kann. Und eine Dritte ist vielleicht Popsängerin und nutzt ihr eigenes Können, um mit den Kindern Lieder zu gestalten, unter Einbezug eines Instrumentariums von Klangspielen über Boomwhackers bis hin zur Elektronik. Dass wir eine Breite von Musikunterricht anbieten können, der aber nicht beliebig ist, darauf bin ich stolz.
 

Verfolgt ihr die Entwicklung eurer Alumni, werden die beispielsweise zu Praxislehrpersonen?

Jürg Zurmühle: Verfolgen ist etwas zu viel gesagt, aber wir sind mit einzelnen Personen in Kontakt. Beispielsweise haben wir für unsere Homepage www.musikinderschule.ch Lehrpersonen gefragt, ob sie Elemente davon ausprobieren und uns dazu Rückmeldung geben könnten. Auch durch unsere Forschungsprojekte pflegen wir Beziehungen mit ehemaligen Studierenden im Feld. Andere haben einen CAS an der PH FHNW absolviert. Diese können wir als Expertinnen und Experten einbeziehen. Die Kontaktpflege ist weniger institutionalisiert, sondern ist eher persönlich. Diese Kontakte sind für uns enorm wertvoll.
 

Um nochmals auf eure persönliche musikalische Biografie zurückzukommen: Wo hat diese euer Handeln beeinflusst? Also inwiefern haben eure Erfahrungen euer Wirken beeinflusst?

Jürg Zurmühle: Ich habe ja auch Shakuhachi, eine japanische Bambus-Flöte, gelernt und mich in afrikanischem Trommeln weitergebildet, ganz unterschiedliche Situationen. Als ich meine Stelle in der Professur übernommen hatte, machte ich mir Gedanken darüber, wie Musikunterricht überhaupt funktioniert. Meine persönlichen Erfahrungen waren sehr unterschiedlich: Ich hatte einerseits sehr streng in vorgegebenen Settings, aber auch in offenen Strukturen improvisieren gelernt. So hatte ich mich auf die Suche nach musikpädagogischen Konzepten gemacht und gefragt: «Kann mir jemand sagen, wie es geht? Was ist jetzt das Richtige?» Gottseidank sagt einem dies niemand. Es gibt viele unterschiedliche Wege des Musiklehrens, und für mich folgte eine wertvolle intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Konzepten von Musikunterricht. Schon während dem Flötenunterricht hatte mich das fasziniert. So bin ich zum Schluss gekommen: Es gibt nicht ein Konzept, wie Musikunterricht gehen soll und muss, sondern es gibt viele. Das war biografisch für mich ein erster entscheidender Moment. Heute bin ich an einem Punkt, wo ich diese Konzepte in einem grösseren Rahmen darstellen und verstehen kann.
 

Hochwertiger Musikunterricht

Roman Brotbeck hat uns aufgefordert, vom Verband aus zusammen mit pädagogischen Hochschulen und Musikhochschulen ein schweizerisches Lehrmittel zu gestalten. Ist das aus deiner Sicht sinnvoll, Jürg?

Jürg Zurmühle: Ich verstehe das Anliegen, aber ich bin gegenüber Lehrmitteln skeptisch. Lehrmittel beruhen in den meisten Fällen auf irgendeiner, zum Teil nicht einmal explizit formulierten Voraussetzung, was unter Musikunterricht zu verstehen ist. Das heisst, es gibt eigentlich im Lehrmittel eine festgelegte Ausrichtung nach einem Konzept, einer Vorstellung von Musik oder einer Methode. Deshalb würde ich mich bei einem offiziellen schweizerischen Lehrmittel eingeengt fühlen. Etwas anderes ist, sich zu fragen, was heisst Lehrmittel heute? Diese könnten offener angelegt und immer in Entwicklung gedacht werden. Zum Beispiel als eine Plattform, bei der ganz unterschiedliche Formen des Unterrichtens angeboten, aber auch diskutiert würden, ein dynamisches Lehrmittel sozusagen. Aber ein Lehrmittel im Sinne einer normativen Setzung, da habe ich meine Bedenken. Das ist manchmal ein Wunsch von Studierenden, aber ich persönlich finde das nicht dem Stand der Erkenntnisse und der Heterogenität von Kindern, Musiken, Methoden, Zielen und Wegen adäquat.

So kommen wir wieder in den bildungspolitischen Bereich: Eine Definition des hochwertigen Unterrichts steht nach wie vor aus, um dem Bund auch die Mittel geben zu können, überhaupt zu überprüfen, was dieser denn sein soll. Fändest du analog zum Lehrmittel auch hier eine Setzung unpassend? Braucht es nicht auch hier eine Orientierung?

Jürg Zurmühle: Doch, aber das ist etwas anderes als Definitionen. Es geht um einen gemeinsamen Kurs. Der Verband beziehungsweise der Vorstand hat sich beispielsweise mit dem Projekt «Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität» (www.matu2023.c 5,Inseln“

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Titelbild: neidhart-grafik.ch

smz

SMZ

29.06.2022

Mit Geschichten über Inselmusik, komponierte Inseln, eine Insel für konzentriertes Hören und das Hang, das wie eine ufoartige Insel aussieht, verabschiedet sich die Redaktion auf die Sommerinsel.

Inseln

Mit Geschichten über Inselmusik, komponierte Inseln, eine Insel für konzentriertes Hören und das Hang, das wie eine ufoartige Insel aussieht, verabschiedet sich die Redaktion auf die Sommerinsel.

Focus

Inseln im Klangfluss
Eine Betrachtung quer durch die Jahrhunderte

Das musikalische Treibhaus
Inseln als Biotop fur inspiriertes Schaffen

Riddim, dub et rubadub
Interview avec Marc-Olivier Savoy au sujet du reggae

Une sculpture sonore hautement non linéaire
Le hang

Ruhe im Schallwellenmeer
Das SE-Musiclab in Wabern 
 

… und ausserdem

SERVICE


Hanns In der Gands Liedersammlung

Nachrichten, Linkempfehlungen — brèves, liens recommandés
 

FINALE


Rätsel
— Chris Walton sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Kategorien

Das Handy auch einmal weglegen hilft

Elisabeth Kulmer wurde mit 13 Jahren als Jungstudentin an die Musik-Akademie Basel aufgenommen und hat mit ihren nun 22 Jahren bereits internationale Wettbewerbe wie den Karl Adler-Wettbewerb gewonnen. Sie studiert im Master Performance an der Kalaidos Musikhochschule und möchte danach einen Master Musikpädagogik anschliessen.

Annette Kappeler und Xavier Pfarrer — Ihr Ziel ist es, sowohl mit Orchestern zu arbeiten, als auch an grossen Wettbewerben teilzunehmen und solistisch durchzustarten. Als Lehrerin möchte sie zudem der neuen Generation ihr erarbeitetes Wissen weitergeben.

Elisabeth Kulmer, liest man Ihre Biographie, erfährt man, dass Sie bereits viele Auftritte in verschie-denen Ländern hatten. Wie erleben Sie das Musikbusiness?

Ich bin noch nicht so tief im Musikbusiness drinnen, aber ich arbeite darauf hin. Bis jetzt wurde ich mehrheitlich für Konzerte in privaten Veranstaltungen gebucht. Eines kann ich aber sagen, dass die Musikszene eine harte Branche ist, die sehr viel Engagement verlangt. Man muss jederzeit daran arbeiten, positiv herauszustechen.

Nach dem Bachelorabschluss in Basel haben Sie sich für ein Performance-Studium an der Kalaidos Musikhochschule entschieden. Wieso?

Ich wollte in der Klasse von Alexander Gilman studieren, der an der Kalaidos Musikhochschule unterrichtet. Herr Gilman arbeitet auch am Royal College in London, wo ich nun bis zu drei Mal die Woche Unterricht erhalte, um an meiner Musikalität und Technik intensiv zu arbeiten. Das Besondere an der Kalaidos ist, dass man das Studium unabhängig vom Ort auf einem unglaublichen Niveau absolvieren kann.

Sie wohnen also in London, sind aber auch oft in der Schweiz. Wie sind Sie während der Lockdowns und Reisesperren mit dieser Stuation umgegangen?

Dadurch, dass mein Dozent sehr kompetent ist, gab es eigentlich keinen Unterschied zwischen Online- und Face-to-face-Unterricht. Natürlich ist persönlicher Unterricht vor Ort aus vielen Aspekten von Vorteil, jedoch ist die Alternative für solche Situationen angemessen.

Haben Sie während dieser Zeit neue Handlungsspielräume entdeckt? Welchen Stellenwert nimmt die digitale Welt in Ihrem musikalischen Wirken ein?

Durch die Corona-Situation ist man nun darauf vorbereitet, Videos bereit zu haben, um sie für Wettbewerbe, Stiftungen und Probespiele zu verwenden. Somit öffnete sich in der Branche eine neue Tür, die vorher im Alltag nicht so präsent war. Um sich auf die neue Situation einzustellen und die Musik weiterzuvermitteln, hat man sich angepasst, was auch zeigt, wie grenzenlos die Musik sein kann, und dass man immer einen Weg finden kann, um sie zu vermitteln.

Wie können wir uns Ihren Alltag heute vorstellen?

Ich starte meinen Tag immer mit einem liebevollen Kaffee. Wäh-rendessen organisiere ich meinen Übeplan. Um mit klarem Kopf an das Üben heranzugehen und konzentriert zu bleiben, lege ich mein Handy weg, auch in den Übepausen. Denn man darf nicht vergessen dass man das neu Erlernte kognitiv verarbeitet, auch wenn man gerade nicht spielt. Ich teile mir das Üben über die Tageshälften ein und plane darumherum den Rest meines Alltags, um eine gesunde Balance zwischen meinem Instrument und meinem Privatleben zu haben.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit gerne?

Ich höre ganz verschiedene Musikstile wie Klassik, Rock, Soul und Jazz, treibe viel Sport und verbringe Zeit mit Freund*innen und Fa-milie. Ein guter Ausgleich zwischen Privat- und Berufsleben ist mir sehr wichtig.

Diplomacy durch Musik

Diplomatie durch Musik ist ein sehr wichtiges Thema für die Schweizer Musikhochschulen, die damit die Welt jensits der helvetischen Grenzen positiv beeinflussen können.

Antoine Gilliéron — im Gespräch mit Xavier Bouvier, Spezialist für Interkulturalität und Diplomatie sowie Coordinator des Studiengangs Ethnomusikologie an der Haute École de Musique de Genève.

Xavier Bouvier, how do you view the international aid that the HEMs of our country have been able to provide in the past, provide today and could provide in the future?

The internationalization of higher music education in Switzerland is the culmination of a long evolution, which began in the first decades of the 20th century – one thinks of the reception, in our Conservatories, of refugees from the Russian revolution. After the 1970s, the reception of students from other continents – East Asia, but also South America – developed considerably.

L’intégration des HEM dans l’Espace européen de l’éducation supérieure a marqué une étape significative. Initié dès la déclaration de Bologne, cet espace, inauguré en 2010, s’étend largement au-delà des frontières de l’Europe proprement dite puisqu’il comprend des pays comme la Russie, l’Arménie ou encore le Kazakhstan. Les HEM ont largement bénéficié des échanges académiques au sein de cet espace – même si le fait que la Suisse ait quitté la pleine participation aux programmes ERASMUS+ a freiné notre inclusion dans certains programmes : on pense aux réseaux thématiques initiés par nos collègues de grandes institutions musicales européennes.

Dans le domaine de l’aide, l’Association Européenne des Conservatoires (AEC) a soutenu tout au long de cette construction l’intégration des institutions d’Europe de l’Est. Ces efforts ont été remarquablement fructueux, et les échanges se sont multipliés. Mais on peut considérer, rétrospectivement, que l’élargissement et la consolidation de l’Europe a coïncidé avec une relative fermeture avec le reste du monde : une frontière s’est creusée, politique, mais également culturelle.

De fait, les pays d’Europe de l’Est, et cela inclut la Russie, sont loin d’être périphériques dans la grande tradition classique européenne. Ils en ont été, et ils en sont aujourd’hui, des centres vibrants. J’ai eu l’occasion de visiter il y a quelques années la ville de Kharkiv, dramatiquement touchée par la guerre actuelle : ses monuments à l’architecture éclectique restent très Europe-centrale.

Toutes autres sont les situations culturelles du Moyen-Orient, de l’Inde, ou de l’Asie de l’Est et du Sud-Est. On est là face à d’autres traditions musicales, millénaires, qui pourraient bien avoir quelque chose à nous apprendre. Sauf à rester sur une position eurocentrée, la notion d’aide perd son sens : c’est d’un dialogue qu’il doit s’agir. Rares ont été les initiatives prises par les Conservatoires européens dans ce dialogue, même si on compte des réalisations remarquables, tout particulièrement de la part de nos collègues des pays nordiques, comme par exemple la Norwegian Academy of Music à Oslo, ou la Royal Danish Academy à Copenhague.

Est-ce que la solidarité exprimée dans le contexte de la guerre en Ukraine (par exemple, accueil d’étudiant.es et professeur.es ukrainien.nes, concerts de soutien, prises de position, prêt d’instrument) vous semble emblématique de ce qu’elles sont en capacité de faire ou pourraient-elles être éventuellement plus proactive dans leurs actions ?

Bien sûr, il était inenvisageable de ne pas s’engager de manière solidaire avec ceux qui souffrent du conflit, et logique de diriger cette solidarité vers des institutions musicales sœurs, des musiciens et des étudiants en musique. Mais ce qui me semble le plus marquant, c’est que les Hautes écoles de musique suisses ont voulu et ont su créer un espace sanctuarisé pour leurs étudiants, indépendamment de leur provenance – russe ou ukrainienne. Les témoignages de solidarité entre étudiants ont été nombreux – par exemple, l’une de nos étudiantes russes s’est portée volontaire dès le début du conflit pour donner des cours de langues aux réfugiés ukrainiens. Nous avons pu aussi sanctuariser le répertoire – résistant à des pressions très concrètes pour déprogrammer des pièces du grand répertoire russe. Le grand débat est de savoir si la musique, ou l’art en général, échappe à la politique. Les avis divergeront, mais mon expérience est que nos institutions musicales doivent rester des espaces d’écoute et de dialogue, des lieux créateurs de liens.

Plus largement, que pouvez-vous nous dire sur la diplomatie par la musique et ses réalisations dans les HEM helvétiques ?

La Suisse jouit d’une position très particulière, issue de sa neutralité et sa tradition de bons offices. La ville de Genève en est le centre symbolique, lieu de grandes rencontres autour de questions mondiales. Déjà dans les années 1920, au sein de la Commission Internationale de Coopération Intellectuelle de la Société des Nations, un extraordinaire dialogue entre cultures s’était développé. Comme l’a montré la chercheuse Christiane Sibille, la musique n’échappait pas à ce mouvement : Belà Bartók participait aux travaux, et de nombreuses institutions musicales internationales y ont vu le jour.

Selon vous, quelles bonnes pratiques hors de nos frontières quant à ce sujet pourraient être fécondes dans nos institutions ?

Concernant la diplomatie de la musique, des initiatives sont prises par les Hautes écoles de musique en Suisse, et nous sommes au seuil d’une prise de conscience de la richesse que peuvent apporter à nos écoles les échanges avec d’autres musiques. Plus fondamentalement, c’est peut-être simplement une prise de conscience que notre répertoire est déjà le fruit de ces échanges : le siècle dernier n’a cessé d’être le moment de telles rencontres, depuis les gamelans pour Debussy jusqu’aux polyphonies et polyrythmies pygmées pour Ligeti.

Pour nos institutions, un texte de 2006 de l’UNESCO, Guidelines on intercultural education fournit une excellente référence de bonnes pratiques. L’idée de base est assez simple : nos écoles et nos étudiants peuvent bénéficier de savoirs d’autres cultures musicales, anciennes, complexes, raffinées, exigeantes, expressives. D’autres conceptions musicales y sont à l’œuvre, et permettent de décentrer notre point de vue. Mais la mise en œuvre d’un tel programme est ardue : les institutions et les acteurs ne sont pas facilement malléables. Parmi les centaines de milliers de réfugiés syriens en Europe figuraient des maîtres de la grande tradition arabe classique : avons-nous su créer un espace pour pleinement profiter de leur capital culturel ? Les signes d’une évolution sont là cependant, et de grands conservatoires dans le monde prennent le lead sur ces thématiques. Les Hautes écoles de musique suisses ont une carte à jouer dans le domaine ; une opportunité est à saisir.

Berühmter Walzer

Eine schwungvolle, nicht zu unterschätzende Aufgabe für Klaviertrio bietet diese Bearbeitung von Simon Scheiwiller.

Die Walzer von Ėmile Waldteufel (1837–1915) gehören zum allerschönsten Tanzmusikrepertoire und stehen denjenigen der Wiener Strauss-Dynastie in nichts nach. Im Gegenteil: Es ist reizvoll, dem Unterschied der beiden Stile nachzuspüren. Dieser ist nicht einfach zu definieren, denn die Klischeevorstellungen, etwa hier pariserisch und dort wienerisch, verfangen überhaupt nicht.

Ėmile Waldteufel-Lévy entstammte einer jüdischen Musikerfamilie aus Strassburg, die nach seiner Geburt nach Paris übersiedelte, wo Ėmile Musik studierte und bald zu einem erfolgreichen Ballorchesterleiter und Komponisten wurde. Sein Walzer Manolo begeisterte den damaligen Prince of Wales und späteren König Edward VII. so sehr, dass dieser zu seinem Förderer wurde und dem Komponisten in Grossbritannien zu grossem Ruhm verhalf.

In der Zentralbibliothek Zürich sind mehrere Walzerzyklen von Ėmile Waldteufel als (heute vergriffenes) Notenmaterial zu finden, meist in Form von Arrangements für Salonorchester des Henry-Litollf’s-Verlags in Braunschweig. Die hier vorliegende Bearbeitung der berühmten Patineurs für Violine, Violoncello und Klavier durch den Hornisten, Dirigenten und Arrangeur Simon Scheiwiller aus Siebnen SZ kommt demgegenüber schlanker daher: Der Klaviersatz ist weniger vollgriffig, die drei Instrumente wechseln in der Hauptstimme ab und unterstreichen in reizvollen Klangmischungen die musikalischen Elementarformen. Scheiwillers Triosatz ist für alle drei Instrumente ab oberer Mittelstufe gut machbar, aber aufgepasst: Walzer sind nie leicht zu spielen! Der Teufel steckt im Detail, wenn es darum geht, die wienerisch-pariserische Noblesse und Eleganz über die Rampe zu bringen.

Image

Ėmile Waldteufel: Les Patineurs (Die Schlittschuhläufer), Arrangement für Klaviertrio von Simon Scheiwiller, GM-1926c, Fr. 21.50, Edition Kunzelmann, Adliswil

Auch für weitere Besetzungen erhältlich

Wechsel bei der Redaktion der SMPV-Seiten

Mit der vorliegenden September-Ausgabe verabschiedet sich Lucas Bennett als Redaktor der SMPV-Seiten.

Lucas Bennett — Liebe Leserinnen und Leser, nach nunmehr 14 für mich stets interessanten und in-haltlich reichen Jahren werde ich mich verstärkt meinem Hauptbe-ruf als Musikwissenschaftler zu-wenden.

Als Nachfolgerin hat der Zentral-vorstand Marianne Wälchli, Mit-glied des Zentralvorstandes und Prä-sidentin der SMPV-Sektion Bern, gewählt. Sie wird ab der November-Nummer für die Redaktion unse-rer Verbandsseiten verantwortlich zeichnen.

Ebenso wird sie den SMPV in der Redaktionskommission der SMZ vertreten. Schon heute wünsche ich Marianne viel Erfolg und Freude an der neuen Tätigkeit!

Gerne möchten wir unsere Sektionen und Mitglieder bitten, Texteingaben sowie andere Anliegen zum SMPV-Fenster der SMZ ab sofort an marianne.waelchli@smpv.ch zu senden. Bitte beachten Sie untenstehend auch die aktuellen Termine für den Redaktionsschluss. Vielen Dank!

Bei den Mitgliedern, den Sektionen, dem Zentralvorstand sowie dem Zentralsekretariat des SMPV bedanke ich mich für die gute und oft anregende Zusammenarbeit und bei allen Leserinnen und Lesern für das Interesse, welches Sie unseren Seiten über all die Jahre entgegengebracht haben.

«Ein Ziel – viele Wege». KörperorientierteAnsätze in der Musik

Das 18. Symposium der SMM bietet am 22. Oktober in Bern Orientierung im Therapiendschungel und Gelegenheit zum Austausch zwischen Musizierenden und Gesundheitsfachleuten.

SMM –– Die Schweizerische Gesellschaft für Musik-Medizin (SMM) vereint unter einem Dach Fachleute aus Medizin und unterschiedlichsten Therapieansätzen, aber auch Wissenschaftler und Berufmusikerinnen. Ein zentrales Anliegen der SMM ist es, den konstruktiven Dialog zwischen die-sen Gruppen anzuregen. Sie will aber auch Musikerinnen und Musikern helfen, die mit spezifischen gesundheitlichen Einschränkungen kämpfen oder einfach interessiert sind, ihr Musizieren auf nachhaltig gesunde Basis zu stellen.

Wir sind stolz darauf, dass sich in unserem Kreis Ärzte und Ärztinnen finden, die auf höchstem Niveau medizinische Lösungen für Musikerkrankungen anbieten können. Hilfesuchenden aus der Musikwelt weist die SMM auch Wege zu niederschwelligen Therapieangeboten. Die Vielfalt an Methoden, Schulen und Techniken des Therapiedschungels kann verwirren. Der Entscheid für eine Technik bleibt dann nicht selten Zufall – meist aufgrund persönlicher Begegnungen oder Empfehlungen. Voraussetzung für eine Therapie sollte immer die ärztliche Diagnose sein. Die richtige Wahl entscheidet dann, ob Erfolge verzeichnet, aber auch, ob Schäden aufgrund falscher Wahl vermieden werden können

Mit dem 18. Symposium möchte die SMM Hilfesuchenden Gelegenheit bieten, einige der wichtigsten körperorientierten Ansätze in der Musik an einem Ort kennenzulernen und zugleich die Möglichkeit wahrzunehmen, mit ihren Vertretern unverbindlich ins Gespräch zu kommen. Auch die Therapeuten und Therapeutinnen sollen an diesem Tag aufeinander zugehen können. Voraussichtlich werden folgende Formen körperorientierter Ansätze in der Musik thematisiert: Feldenkrais, Alexandertechnik, Dispokinesis, Functional Kinetics FBL, Klein-Vogelbach, Yoga, Pilates, Spiraldynamik und die Atemtherapie Schlaffhorst Andersen.

Eine Uraufführung zum Auftakt

Das Symposium wird mit einer ungewöhnlichen Uraufführung eröffnet. Es handelt sich um ein Werk des Saxofonisten Fabio da Silva, der für seine herausragende Master-Arbeit an der Hochschule der Künste Bern (HKB) mit einem Ober-Gerwern-Masterpreis ausgezeichnet worden ist. «Rugueux 10» für Baritonsaxophon, Altflöte und vorproduzierte Klänge ist eine Tieftonperformance bei der sich Baritonsaxophon und Altoflöte mikrotonal an ganz spezielle Frequenzen annähern. Zusammen mit der Tonspur entsteht ein Spiel zwischen Spannung und Entspannung, Konzentration und Ablenkung. Durch die Verwendung von verschiedenen Mehrklängen entstehen stärkere und schwächere Reibungen.

Auf der Bühne und an Tischen werden am 18. Symposium der SMM verschiedene anerkannte und bewährte Formen körperorientierter Ansätze in der Musik vorgestellt. Keynotesprecher sind Klaus Scherer (Musikpsychologe und Gründer des Genfer Centre Interfacultaire en Sciences Affectives) und Eberhard Seifert (ärztlicher Leiter der Abteilung Phoniatrie an der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie am Inselspital Bern).

Musik in Krisenzeiten

Mit dem Titel «Musik in Krisenzeiten: Pandemien» ist ein neuer Band des Schweizer Jahrbuchs für Musikwissenschaft erschienen. 16 vielfältige Artikel, ein neues Konzept und neu ge-staltetes Layout markieren das neue Kapitel in der Geschichte des Jahrbuchs.

Helen Gebhart — Die verschiedenen Weltgeschehnisse der letzten Jahre wie die Klima- und Flüchtlingskrisen, Kriege und die Covid-19 Pandemie veranlassten die vier Herausgeberinnen dazu, als Oberthema der neuen Ausgabe Musik in Krisenzeiten zu wählen. Im Zentrum dieses Themas steht die These, dass sich Musik und Krisen in einem komplexen, wechselseitigen Verhältnis befinden. Auf den Call for Papers folgten über 40 Beitragsvorschläge, nicht nur aus der Schweiz und Europa, sondern auch aus den USA, Nigeria und Hong Kong. Aufgrund dieser Fülle an eingereichten Vorschlägen entschieden sich die Herausgeberinnen Lea Hagmann, Laura Möckli, Vincenzina Ottomano und Margret Scharrer, gleich drei Bände zu verschiedenen Unterthemen zu publizieren. Der erste vorliegende Band beschäftigt sich mit Pandemien, während der zweite und dritte Band sich um Konflikte und Kriege sowie Schaffenskrisen drehen.

Musik in Krisenzeiten: Pandemien enthält 16 Artikel in vier verschiedenen Sprachen: deutsch, französisch, italienisch und englisch. Dabei sind die Hauptartikel im ersten Teil der Zeitschrift nicht nur auf die Covid-19 Pandemie beschränkt, sondern behandeln auch weitere Gesundheits- und Gesellschaftskrisen wie die AIDS-Pandemie oder die Klimakrise. Wie gehen Musiker und Musikerinnen in Griechenland, deren Situation sich schon mit der Finanzkrise verschlechtert hatte, mit der Covid-19 Pandemie um? Wie kann Live-Musik als Krisenprävention fungieren und in welchem Verhältnis stehen Sound und Umweltverschmutzung, Umweltkatastrophen und Musikwissenschaft? Diese und viele Fragen mehr werden in den Artikeln von Ioannis Tsioulakis, Michael Huber et al., und Lisa Herrmann-Fertig diskutiert.

Weitere facettenreiche Zeugnisse zu Pandemien sind unter anderem in den Beiträgen von Cathrine E. Struse Springer, Lea Hagmann und Sharonne Specker in der Rubrik «Zeitzeugen» des Jahrbuchs zu lesen. Das Plakat mit dem Titel «Uneven Bulgarian Rhythms Explained by Covid-19 Related Vocabulary» entschlüsselt komplexe bulgarische Rhythmen mittels einem im Jahr 2020 alltäglichen Vokabular wie «lockdown» oder «quarantine», während in den zwei verschiedenen Interviews die Situation von dem Schweizer Musikfestival Alpentöne in der Pandemie und die Entstehung von dem YouTube Mitsingprojekt «Einsingen um 9» während des Lockdowns besprochen werden. Einen Einblick in die aktuellste Forschung mit Bezug zur Schweiz geben die Texte in der Rubrik «Werkstatt-CH», wie «EVENTI: un’indagine sulla resilienza delle istituzioni musicali della Svizzera italiana in tempi di pandemia», «Musikkognitive Erkenntnisse zum Jodeln im Appenzell und Toggenburg» sowie «Die Sweelinck-Tradition im schweizerischen Engadin». Die Nachwuchsförderung ist ein grosses Anliegen des SJM Teams. Aus diesem Grund runden Beiträge von Nachwuchs-Forschenden, wie « ‹Brincar Musical› : origines étymologiques et observations sur le terrain au Brésil » von Emma Charlotte Dickson Band 38 ab.

Rundum neu

Diese Publikation ist das Ergebnis der intensiven Arbeit der vier Herausgeberinnen und der Journal-Managerin Helen Gebhart, welche das Jahrbuch von Grund auf neu gestaltet haben. Im Jahr 2020 haben sie die Herausgeberschaft des Jahrbuchs von Luca Zoppelli und Andrea Garavaglia übernommen, welche die Geschicke dieser Publikation über Jahre geführt haben. Die in Bern und Venedig tätigen Forscherinnen bringen alle unterschiedliche Spezialgebiete in Bereichen der historischen Musikwissenschaft, der Musiktheaterwissenschaft und der Ethnomusikologie mit, sodass diese Expertisen für ein vielfältiges Jahrbuch eingesetzt werden können. Die mehrsprachige Publikation ist interdisziplinär ausgerichtet und beinhaltet neben den traditionellen Bereichen der historischen Musikwissenschaft auch künstlerisch angewandte Forschung, Anthropologie und Systematik. Auch der Beitragsform sind keine Grenzen gesetzt. Neben den herkömmlichen Artikelformaten besteht auch die Möglichkeit, Beiträge als Poster, in einem Interview oder in Zukunft auch als Podcast zu veröffentlichen. Neu ist das Jahrbuch in drei Rubriken aufgeteilt. In der Rubrik «Hauptartikel» sind längere Texte zum jeweiligen Oberthema enthalten, während in «Zeitzeugen» kürzere Beiträge zum Thema zu finden sind. Die Rubrik «Werkstatt-CH» ist ein Schaufenster für Musikforschung in der Schweiz, in welcher kürzere Beiträge zu aktuellen Forschungsthemen publiziert werden können.

Open Access

Um das neue Kapitel in der Geschichte des Jahrbuchs auch visuell zu markieren, wurde das Layout inklusive des Umschlags komplett neu gestaltet. Das Titelbild ziert nun ein sogenanntes Wasserklangbild von Alexander Lauterwasser. Dieses weist auf die editorische Vision der vier Herausgeberinnen hin: Klänge aller Arten und deren Nachwirkungen, wie sie in einem Wasserbild dargestellt werden, sollen im Schweizer Jahrbuch für Musikwissenschaft berücksichtigt werden. Neben den neuen Rubriken und dem Layout gibt es auch in der Publikationsart eine grosse Veränderung: Das Schweizer Jahrbuch für Musikwissenschaft wird ab Band 38 nicht mehr von einem Verlag im Druck publiziert, sondern ist auf einer eigenen Publikationsplattform im Full Open Access verfügbar. Diese Website zur Verwaltung und Publikation von Zeitschriften wird von Bern Open Publishing der Universitätsbibliothek Bern zur Verfügung gestellt und für das SJM benutzt. Durch dieses Publikationssystem ergeben sich eine Reihe von Vorteilen, allen voran der kostenfreie Zugang für alle interessierte Personen, wie auch die Möglichkeit, die Artikel in verschiedenen Dateiformaten bereit zu stellen. Während das Jahrbuch vorher gedruckt wurde und später als Digitalisat verfügbar war, ist das neue SJM von Anfang an online lesbar und auch per print on demand bestellbar.

bop.unibe.ch/SJM

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