Hindemith-Preis an Anne Luisa Kramb

Neben weiteren Preisen erhielt die 22-jährige Geigerin Anne Luisa Kramb auch eine Auszeichnung der Hindemith-Stiftung.

Anne Luisa Kramb. Foto: Deniz Staples-Tunçer

Die Hindemith-Stiftung in Blonay/Vaud hat gemäss einer Medienmitteilung erstmals einen «Preis für die überzeugendste Interpretation eines Werkes von Paul Hindemith» im Rahmen des Deutschen Musikwettbewerbs vergeben. Der Preis ist mit 3000 Euro dotiert. Verbunden ist er mit einem Konzertauftritt im Kuhhirtenturm, dem Frankfurter Wohnsitz von Hindemith in den 1920er-Jahren. Die Stiftung würdigt damit die Geigerin Anne Luisa Kramb, die im Rahmen des Deutschen Musikwettbewerbs die Solosonate op. 31 Nr.2 von Hindemith gespielt hat. Laut Stiftungspräsident Andreas Eckhardt habe die Geigerin das Werk sowohl mit ausdrucksstarker Emphase als auch mit spielerischer Leichtigkeit interpretiert und eine starke emotionale Ausstrahlung auf das Publikum ausgeübt. Anne Luisa Kramb ist 22 Jahre alt und studiert an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin bei Antje Weithaas. Neben dem Hindemith-Preis hat sie im Rahmen des Wettbewerbs im August 2022 auch den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs sowie den Bonner Rotary Musikpreis gewonnen.

Anerkennungspreis für Silvio Signer

Für sein vielseitiges Schaffen zugunsten der Innerrhoder Kultur, unter anderem der A-Cappella-Tage, ist Silvio Signer der Anerkennungspreis der Stiftung Pro Innerrhoden überreicht worden.

Silvio Signer erhält den Anerkennungspreis (Foto: zVg)

Der Preis wurde Silvio Signer laut der Medienmitteilung des Kantons «in Würdigung und Anerkennung seiner grossen Verdienste für die Vermittlung der Kleinkunst im Kanton Appenzell I.Rh. überreicht». Seit vielen Jahren engagiere er sich in der Kulturgruppe Appenzell – rund 20 Jahre davon als Präsident. Er bilde mit seinem «äusserst umsichtigen und professionellen Schaffen den Dreh- und Angelpunkt der Kulturgruppe».

Auch als Programmleiter und -gestalter der A-Cappella-Tage habe Silvio Signer von Beginn weg, das heisst ab 2004, einen wesentlichen Beitrag zum grossen Erfolg des Musikfestivals und damit für das kulturelle Leben im Kanton geleistet.

Die Stiftung Pro Innerrhoden bezweckt die Förderung der einheimischen Kultur. Sie pflegt das kulturelle Erbe im Kanton und unterstützt als Trägerin des Museums Appenzell die Erhaltung des geschichtlichen Kulturguts. Sie verleiht den Kulturpreis und den Anerkennungspreis. Mit dem Anerkennungspreis werden besondere Leistungen für das einheimische Kulturschaffen gewürdigt.

Sprachmelodie in Gedichten

Ein Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main hat sich der Schnittstelle zwischen Musik und Sprache in drei aufeinander aufbauenden Studien gewidmet.

Vortrag vertonter Gedichte im ArtLab des MPIEA. (Foto: Felix Bernoully / MPIEA),SMPV

Gedichte haben je eine eigene Sprachmelodie, die auch als solche wahrgenommen wird. Diese lässt sich mittels statistischer Messgrössen beschreiben, wie dem sogenannten Wiederholungsmass, das auf Reim, Metrum- und Strophenstruktur basiert. In ihrer ersten Studie analysierten das MPI-Team mithilfe des Wiederholungsmasses Rezitationen von 40 relativ unbekannten deutschen Gedichten.

Sie fanden heraus, dass einzelne Gedichte beziehungsweise Strophen deutliche textgesteuerte Tonhöhen- und Tondauer-Konturen aufweisen, genau wie gesungene Lieder und andere Musikstücke. Dabei stellten sie fest, dass Gedichte mit höheren Wiederholungsmassen eher vertont worden waren als solche mit niedrigen Wiederholungsmassen. Je stärker die Sprachmelodie ausgeprägt ist, desto höher ist also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gedicht vertont wird.

Originalartikel:
https://www.aesthetics.mpg.de/institut/news/news-artikel/article/sprachmelodie-in-gedichten.html

Davos-Festival: Flunkern im Kurort

Das Davos-Festival Young Artists in Concert vom 6. bis 20. August 2022 nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, lässt aber wahrhaft seltene Kammermusik hören.

Offenes Zäuerli-Singen an der Festival-Wanderung mit Onna Stähli. Foto: Yannick Andrea

Im Kirchner-Museum glosen die Berge in Purpur-, Violett- und Blautönen, wo sie doch, wenn man aus dem Fenster schaut, grasgrün und felsgrau sind. Aber nicht aus diesem Grund überspannen Schriftbanderolen mit dem Begriff «flunkern» die Strassen. In Davos übt sich das Festival Young Artists in Concert im Flunkern, Schummeln, Lügen und Wahrheit-Sagen. Dieses Festival ist wahrlich etwas anders als die meisten. Es geht nicht um eine Bündelung von Prominenz, die anreist, ihr Programm abliefert und wieder weg ist. Nach Davos werden junge Musikerinnen und Musiker eingeladen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen. Und sie sollen hier nicht «abliefern», sondern sammeln: Auftrittserfahrung, neue Spielpartner, unbekanntes Repertoire, Eindrücke. Festivalleiter Marco Amherd findet es wichtig, dass sie auch mal einen Ausflug machen können, dass sie die Konzerte der anderen besuchen, dass sie sich austauschen. Kurz: dass sie ein bisschen Zeit haben. (Vielleicht als positiver Nachklang auf all die Zeit, die Kurgäste hier vor hundert Jahren auf sehr viel freudlosere Weise verbringen mussten.)

Frischzellen fürs Repertoire

Amherd sucht die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sorgfältig aus. Einige haben sich bei ihm beworben, andere sind ihm bei einem Wettbewerb oder anderer Gelegenheit aufgefallen. Er überlegt sich, ob ihnen das Konzept entsprechen und ob sie sich mit den anderen verstehen könnten. Wenn die jungen Leute dann anreisen, haben sie ihre Stimmen eingeübt, geprobt wird aber vor Ort – mit den Kammermusikpartnern, die sie in der Regel dort kennenlernen. Stunde der Wahrheit in gewisser Weise. Das Festival schenke ihnen enorm viel Vertrauen, findet ein Teilnehmer, denn Marco Amherd höre sich zwar die Generalprobe an, die Interpretation erarbeiteten sie jedoch unter sich.

Diese Festivalrezeptur löst jegliche Programmierkrämpfe. Amherd nutzt die Freiheit mit Vergnügen: «In der Regel programmiere ich alles selbst, zuerst das übergeordnete Thema, dann die einzelnen Konzerte. Manchmal machen mir Teilnehmende oder bestehende Ensembles Vorschläge. Aber ich staune oft, wie wenig innovativ diese sind.» Da leistet der 34-Jährige Abhilfe. Zum (weit gefassten) Begriffsfeld «flunkern» kreist ein Abend beispielsweise um Werke, die von einem totalitären Regime als Lüge diffamiert und verboten wurden. Da trifft die Klaviersonate Nr. 2 «From Old Notebooks» von Aleksandr Mosolow auf das Klaviertrio in C-Dur von Bohuslav Martinů und die Klarinettensonate von Edison Denisow. Ein Nachmittag verschreibt sich dem Flunkern, wie es in Kinderbüchern die tollsten Welten herzaubert: Thierry Escaichs Scènes d’enfant au crépuscule, Francis Poulencs Oboensonate und Histore de Babar werden am Ende eingefangen von Thomas Adès’ Catch. Am Barockabend geht es um «lügenhafte» Autorschaft und die vorgetäuschte Darstellung von Tieren oder Instrumenten. An einem Abend mit gruseligen Sagen erklingt neben Camille Saint-Saëns’ Danse macabre in einer Kammerversion auch die Conte fantastique von André Caplet. Er ist im Konzert im ehemaligen Sanatorium auf der Schatzalp ganz besonders an seinem Platz, erlitt er doch in den Schützengräben des ersten Weltkriegs eine Gasvergiftung, von der sich seine Lunge nie mehr ganz erholte.

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Das Trio Incendio am Sagenabend auf der Schatzalp. Foto: Yannick Andrea

 

Die jungen Musikerinnen und Musiker spielen die oftmals schwierigen Werke mit grossem Können, mit Frische und Begeisterung, die sich aufs Publikum überträgt. (Die Reihen sind allerdings, wie bei so vielen Veranstaltungen derzeit, spärlicher besetzt als vor Corona.) Am heftigsten fiebern jeweils die Kolleginnen und Kollegen mit. Vielleicht lässt sich der eine oder die andere ja vom Entdeckervirus anstecken.

Ganzkörper-Behandlung

Am Barockabend sitze ich neben Einheimischen, die sich erzählen, was sie dieses Jahr schon gehört haben. Auch regelmässige Davoser Sommergäste gehören zu den Habitués. Das Festival pflegt sein Publikum neben den regulären Konzerten durch tägliche, kostenlos zugängliche Orgelmomente in der Kirche St. Theodul, offene Singen in der Pauluskirche und kleine Pop-up-Ständchen am Bahnhof. In diesem Jahr wird es sogar eine Ballett-Mitmachstunde geben, denn im Schlusskonzert wird getanzt. «Wenn schon zwei Tänzer hier sind, sollen doch gleich alle ausprobieren können, wie das so ist», findet Marco Amherd. Eine durchaus körperliche Erfahrung ist auch die alljährliche Festival-Wanderung, diesmal als «Pfad der Wahrheit» betitelt. Beim steilen Anstieg nach der Kaffeepause dämmert einem tatsächlich die Wahrheit über die eigene Fitness. Als musikalische Wegzehrung gibt es gleich zu Beginn Harfenklänge vor Postkartenaussicht, später Znüni mit Bläsertrio. Vor dem Mittagessen lässt Onna Stäheli, die Leiterin der offenen Singen, die Wanderer auf einer Wiese Aufstellung nehmen und nach kurzem Einstudieren ein Zäuerli durchs Tal schicken. Und beim Abschluss in der winzigen Kirche von Sertig-Dörfli ist man mit müden Beinen und ausgelüftetem Kopf besonders empfänglich für aussergewöhnliche Klänge: Maurice Ravel, Kaija Saariaho und Philippe Hersant vermögen die umgebenden Berghänge ungelogen purpur, violett und blau zu beleuchten.

Weitere Veranstaltungen bis am 20. August

Forschungspreis für Musik-Medizin

Urs Markus Nater wird mit dem Thurgauer Forschungspreis Walter Enggist 2022 ausgezeichnet. Er ist der Frage nachgegangen, inwiefern Symptome wie Schmerzen oder Erschöpfung durch Musikhören gelindert werden können.

Urs Markus Nater. Foto: zvg,SMPV

Die mit dem Thurgauer Forschungspreis ausgezeichnete Arbeit mit dem Titel «The effects of music listening on somatic symptoms and stress markers in the everyday life of women with somatic complaints and depression» ist 2021 im Fachjournal Scientific Reports veröffentlicht worden. Sie geht der Frage nach, inwiefern Musikhören im Alltag körperliche Beschwerden von Patientinnen, von denen die meisten bereits seit mehreren Jahren unter körperlichen Symptomen wie Schmerzen, Erschöpfung oder Übelkeit leiden, lindern kann.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Musikhören eine indirekte Wirkung auf den Körper hat: Musikhören im Alltag hat einen stressreduzierenden Effekt, und diese Stressreduktion zieht eine Besserung körperlicher Symptome nach sich. Somit konnte die Studie einen wichtigen Mechanismus für die Wirkung von Musikhören identifizieren.

Mehr Info: https://www.tg.ch/news.html/485/news/59346/l/de

Energiegeladen durch den Aargau

Das Jugend-Sinfonieorchester Aargau (JSAG) und die Klezmer-Band Otrava sind mit dem Konzertprogramm «Karma» unterwegs. Sie eröffnen damit auch die Musikalischen Begegnungen Lenzburg.

Otrava und das Jugend-Sinfonieorchester Aargau beim Openclassics am Rhein. Foto: Benno Hunziker

Mal lockt es mit «Treibstoff», mal mit «Nacht» oder wie in diesem Jahr mit «Karma». Welches Motto das Jugend-Sinfonieorchester Aargau (JSAG) auch immer wählt für seine Tournee-Programme, es mutet stets etwas verwegen an, verheisst Ungewöhnliches. Unter der künstlerischen Co-Leitung von Dirigent Hugo Bollschweiler und Projektleiterin Stefanie Braun befindet sich dieser Klangkörper mit seinen 70 Musikerinnen und Musikern im Alter von 16 bis 26 Jahren auf einem Höhenflug. Beide setzen die Ziele hoch; beide haben in der jüngeren Vergangenheit durch eine kluge, motivierende Programmdramaturgie Zeichen gesetzt, die auch im Ausland wahrgenommen werden und die den Kulturkanton Aargau aufs Schönste bestätigen. Jahr um Jahr zu erleben, wie sehr die jungen Orchestermitglieder am klassisch-romantischen Konzertrepertoire sowie an neuerer und aargauischer Musik wachsen, ist deshalb eine Freude.

Doch von nichts kommt nichts. Gehegt und gepflegt im Rahmen eines einzigartigen Vermittlungs- und Bildungsprojekts werden das JSAG sowie das Jugendorchester Freiamt (JOF) unter Anne-Cécile Gross vom Künstlerhaus Boswil, dem «Ort der Musik», von dem auch ein weiteres, renommiertes Eigengewächs ausgeht: der von Andreas Fleck initiierte Boswiler Sommer. Zieht man den Kreis von Boswil weiter nach Brugg, landet man unweigerlich beim Siggenthaler Jugendorchester (SJO) und dessen unermüdlichem Leiter Marc Urech. Weshalb ist das wichtig? Ohne Urechs Ansporn gäbe es die sechsköpfige Klezmer-Band Otrava – von der einige Mitglieder auch im JSAG spielen – vermutlich nicht. Und 2022 trägt diese Verbindung besondere Früchte: Das JSAG hat Otrava eine Uraufführung anvertraut – ein Konzert für Klezmer-Band und Orchester.

Ein zukunftstaugliches Markenzeichen?

Selbst für ein gewieftes Ensemble wie Otrava, das nach eigenen Worten einen «balkanösen Eintopf mit einer Prise Pavarotti» spielt, ist das keine leichte Sache. Doch es stemmt sie bravourös, lässt – umrahmt von Franz Schuberts Ouvertüre zur Zauberharfe und Igor Strawinskys selten aufgeführter Sinfonie in Es-Dur op. 1 – diese besondere Musik in vielen Schattierungen erklingen. Mischa Tapernoux, Komposition/Violine, Salome Etter, Klarinette, Lukas Eugster, Gitarre, Romain Nussbaumer, Posaune, Yves Ehrsam, Perkussion, und Caspar Streich, Kontrabass, stellen sich mitten ins Orchester und führen dieses zu den jüdischen Gemeinden Osteuropas, für die Klezmer der musikalische Ausdruck ihrer Sehnsucht nach Identität, nach einer emotionalen, spirituellen und geografischen Heimat war, ihre Hoffnung auf «Good Karma». Exemplarisch mischen sich Klage, Freude, Ekstase, Tanz und Liebe etwa in A Glezele Vayn, Misirlou oder in Geamparalele lui Miša, einem rumänischen Tanz im 7/8-tel Takt, der auf der Tanzabfolge kurz-kurz-lang oder 2-2-3 basiert. Schnell und immer schneller, vor allem aber virtuos soll die Musik sein, ganz nach der Devise «mehr ist mehr». Genauso wird sie vom Solistensextett sowie vom Orchester gespielt: Der peitschende Rhythmus wird mit überschäumender, dank Hugo Bollschweilers umsichtiger Leitung jedoch nie ausser Kontrolle geratender Spiellust vorangetrieben.

Das reisst mit und lässt flugs den Gedanken aufkommen: Könnte dieses Konzert für Klezmer-Band und Orchester nicht zu einem Markenzeichen des JSAG werden? Allerdings: Die derzeitigen Mitglieder von Otrava setzen ihre Studien teils in der Schweiz, teils im Ausland fort. Ob sie da noch Zeit für gemeinsame Auftritte haben? Falls nicht: Wer könnte ihnen nachfolgen? Jedenfalls wäre es schade, wenn das fesselnde Werk ausser in Boswil, Lindau, Rheinfelden und Lenzburg, den Stationen der Karma-Tournee, nicht mehr zu hören sein würde.

Vernetzte Anlässe

Eine weitere musikalische Erfolgsgeschichte in der Gegend sind die 1984 gegründeten Musikalischen Begegnungen Lenzburg, MBL. Ob auf dem Schloss Lenzburg, im Alten Gemeindesaal, in der Alten Bleiche, der Stadtkirche oder dem Kraftreaktor: Dieses Festival setzt während zweier Wochen auf einen Mix aus Orchesterkonzert, Kammer- und Vokalmusik, elektronischer Musik (mit Ondes Martenot) sowie Orgel- und Brasskonzert. Wie das JSAG mit «Karma» locken die MBL mit einem spannenden Motto: «Klangstrom – Stromklang». Inspiriert wurden sie von den Städtischen Werken, die dieses Jahr ihr 100-Jahr-Jubiläum mit dem Slogan «Erleben Sie ein Jahr voller Energie» feiern. «Unser Festival», erklären Andrea Hofstetter und Daniel Schaerer, die die künstlerische Leitung innehaben, «will eine Brücke von der elektrischen Energie aus der Steckdose zur Musik schlagen.» Jedes der Konzerte steht deshalb für eine bestimmte Form von Energie. Darüber verfügt das JSAG in verschwenderischer Fülle, weshalb es auch bei der Eröffnung am 19. August in Lenzburg spielen und bestimmt punkten wird mit der für dieses Ensemble so typischen Verbindung von Emotion, Leidenschaft und Dynamik.


Die Autorin besuchte das Konzert vom 7. August in Boswil.
«Karma» ist nochmals zu hören am 19. August 2022, 19.15 Uhr, auf Schloss Lenzburg:
https://www.kuenstlerhausboswil.ch/show-item/karma/

Bewahrung des immateriellen Kulturerbes

Das Bundesamt für Kultur (BAK) fördert neu Vorhaben zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes und hebt damit die wichtige Rolle der lebendigen Traditionen für die nachhaltige Entwicklung hervor. Es können jährlich Gesuche eingereicht werden.

Lebendige Tradition im Kanton Schwyz: Schulkinder beim «Chlefele». Foto: Pakeha (s.unten)

Ziel der Massnahme ist es, Vorhaben zu Sensibilisierung, Vernetzung, Wissensausbau und Kompetenzgewinn in Bezug auf das immaterielle Kulturerbe zu fördern. Für die Jahre 2022 bis 2024 wurden zwei Schwerpunkte festgelegt: Bewahrung und Nachhaltigkeit.

Vorhaben im Bereich der Bewahrung zielen darauf ab, das Weiterbestehen des immateriellen Kulturerbes insbesondere durch die Weitergabe und die Dokumentation sicherzustellen. Dazu gehören beispielsweise Workshops, in denen handwerkliche Fertigkeiten vermittelt werden, oder Bildungsprojekte, die Jugendliche zur Mitwirkung an traditionellen Praktiken anregen.

Vorhaben mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit heben den Beitrag des lebendigen Kulturerbes zur nachhaltigen Entwicklung hervor. Dies gilt zum Beispiel für die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen durch traditionelles Wissen, die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch Volksfeste oder die Kreislaufwirtschaft durch Handwerkstechniken.

Mehr Infos:
https://www.bak.admin.ch/bak/de/home/aktuelles/nsb-news.msg-id-89943.html

Drama und Oper

Beim diesjährigen Othmar Schoeck Festival (OSF) dreht sich vieles um den Librettisten Armin Rüeger.

Herzstück des Festivals vom 9. bis 11. September ist die Puppenspiel-Performance Oh
Du Narr!
von Lutz Grossmann
im Atelier des Geburtshauses von Othmar Schoeck in Brunnen. Rückwärts gelesen versteckt sich hinter diesem Titel Don Ranudo, der Protagonist von Schoecks gleichnamiger Oper, deren Libretto von Armin Rüeger stammt. Grossmanns Ensemble nähert sich dem Menschen Othmar Schoeck in seinem Spiel mit Artefakten und Kuriositäten des Künstlerhauses und Musik aus den Schoeck-Rüeger-Opern.

Armin Rüeger (1886–1957) war weit mehr als Apotheker und Textdichter. Er zeichnete, malte, entwarf Plakate und Handzettel, engagierte sich fürs Marionettentheater und ganz allgemein für die Ostschweizer Kulturszene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auf der Grundlage von bisher unveröffentlichtem Material kuratiert das OSF zusammen mit dem Historischen Museum Bischofszell eine Ausstellung, die ihn aus dem Schatten Othmar Schoecks herauslösen will. Denn Rüeger vermochte als Autor mehrerer Festspiele und Marionettenstücke mit seinen Libretti den ausufernden Bild- und Klangfantasien Schoecks einen dramaturgischen Rahmen zu geben, der diese überhaupt erst für die Bühne adaptierbar machte.

Im Symposium Balzac auf der Opernbühne, das in Zusammenarbeit mit dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich im Künstleratelier stattfinden wird, kommt Schoecks/Rüegers Massimilla Doni im Umfeld anderer Balzac-Opern des 20. und 21. Jahrhunderts zur Sprache.

Inga Mai Groote, Erich Keller und Alex Ross, live zugeschaltet aus Los Angeles, erörtern im Podium Kunst und Politik im 20. Jahrhundert den historischen und politischen Kontext von Schoecks Wirken, ein Thema, das für das OSF auch in Zukunft wichtig bleiben wird.

Jedes Jahr bringt das OSF eine Uraufführung. Das Mondrian Ensemble interpretiert neben
Dieter Ammanns Après le silence und Gehörte Form ein neues Werk von Felix Nussbaumer, der am OSF 2021 im Rahmen von Ammanns Podium futur composé bereits eine Streichquartett-Skizze vorgestellt hat. Als Kontrast dazu erklingt im gleichen Konzert Schoecks Liederzyklus Gaselen. Wegen der aussergewöhnlichen Besetzung ist er selten live zu hören. Weit fortgeschrittene Studierende der Hochschule Luzern – Musik erarbeiten den Zyklus in einem Kammermusikmodul bis zur Konzertreife.

In den ehemaligen Telefonzellen des Bahnhofs Brunnen schliesslich werden Reisende ab dem 2. September mit einer Installation von Mali Lazell begrüsst: Geister | Fallend in die Höhe kombiniert Fotos vom OSF 2016 mit einer Soundcollage von Rolf Simmen.

Wie schon letztes Jahr wird auch wieder ein Begleitbuch zum Festival erscheinen.

 

Deutsche Musikindustrie legt weiter zu

Die Musikindustrie in Deutschland hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres insgesamt 967 Millionen Euro umgesetzt, das ist ein Plus von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Foto: Anne Nygard/unsplash.com (s.unten)

Marktstärkstes Format bleibt laut Bundesverband Musikindustrie (BVMI) das Audio-Streaming, das nach weiteren Zuwächsen (9,1 Prozent) einen Anteil von 73,3 Prozent am Gesamtumsatz erreicht. Damit werden in Deutschland nun 80,2 Prozent der Erlöse aus Musikverkäufen digital erwirtschaftet, wobei Downloads nach einem erneuten Umsatzrückgang nur noch 2,4 Prozent zum Gesamtmarkt beitragen.

Im physischen Bereich ist die CD zwar weiter rückläufig (-6,5 Prozent), das Tempo hat sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum (-16,4 Ptozent) aber deutlich verlangsamt. Die Umsatzkurve der Vinyl-Schallplatte zeigt unterdessen weiter nach oben (12,3 Prozent). Mit einem Marktanteil von 6,2 Prozent bleibt sie drittstärkstes Marktsegment und erlöst damit fast halb so viel wie die CD (12,8 Prozent). Insgesamt wird mit dem physischen Geschäft derzeit noch knapp ein Fünftel des Gesamtumsatzes (19,8 Prozent) erzielt.

Li Tavor erhält Werkstipendium

Li Tavor, Master-Absolventin Elektroakustische Komposition der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) erhält ein Werkstipendium der Landis & Gyr Stiftung.

Li Travor. (Foto: Saturne Camus-Govoroff)

Das Werkstipendium der Landis & Gyr Stiftung richtet sich an Schweizer Kunstschaffende, die ein bestimmtes Vorhaben planen und gibt ihnen die Möglichkeit eines Arbeitsaufenthaltes. Sie werden mit einem Betrag von je 30’000 Franken ausgezeichnet.

Li Tavors künstlerische Praxis umfasst Komposition, Installation und Architektur. Im Studienjahr 2021/22 absolvierte Tavor an der ZHdK den Master Elektroakustische Komposition. Im Zentrum dieses Hauptfachs stehen elektronische Kompositionen, Werke für Instrumente und Elektronik, Klanginstallationen, generative und interaktive Arbeiten, performativ-improvisatorische Arbeiten sowie Werke, die visuelle, szenische und andere Mittel verwenden.

Freiräume schaffen für innovative Projekte

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat die Namen der Orchester und Ensembles bekanntgegeben, die durch das Programm «Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland» gefördert werden.

Eines der geförderten Orchester: la festa musicale. Foto: Jérome Gerull

Darunter sind unter anderem die Dresdner Philharmonie, das Ensemble Resonanz, das Mahler Chamber Orchestra und das Jewish Chamber Orchestra. Mit dem Programm werden Orchester und Ensembles darin unterstützt, innovative Arbeitsweisen und Programme sowie Projekte der kulturellen Bildung und der Diversität zu realisieren. Dafür erhalten die Klangkörper jeweils bis zu 400’000 Euro, insgesamt stehen für das Förderprogramm 4,8 Millionen Euro aus dem Bundeskulturhaushalt zur Verfügung.

Folgende Ensembles und Orchester haben sich erfolgreich um eine Förderung beworben: Concerto Köln, Dresdner Philharmonie, Ensemble Resonanz, Freiburger Barockorchester, Jewish Chamber Orchestra, la festa musicale, Mahler Chamber Orchester, Orchester des Nationaltheaters Mannheim, lautten compagney Berlin, Philharmonisches Orchester Altenburg Gera, Philharmonisches Orchester Hagen, Philharmonisches Orchester Freiburg, Saarländisches Staatsorchester, Stegreif Orchester, Stuttgarter Kammerorchester und die Württembergische Philharmonie Reutlingen.

Ein musikalischer Dachbodenfund

Notenhefte mit Volks- und Militärmusik von Franz Josef Jenni (1876-1959) gaben den Anstoss zu einer Biografie und CD-Aufnahmen.

Handschriftliche Notenbüchlein von Jenni. Foto: zvg,SMPV

Franz Josef Jenni verbrachte sein ganzes Leben im Entlebuch. 40 Jahre war er Postbote in Wiggen, 51 Jahre Dirigent der Kirchenmusik Escholzmatt und 50 Jahre Aufsichtsrat der Darlehenskasse Escholzmatt-Marbach, daneben ein virtuoser Musiker und Leiter verschiedener Kapellen, Spielführer eines Armeespiels und während Jahrzehnten Klarinettist im Orchesterverein Langnau. Zudem gehörte der Vater von zwei Söhnen und zehn Töchtern ein Leben lang der Konservativen Partei an und war als Kleinbauer tätig.

Jahre nach seinem Tod schenkten einige seiner Töchter dem damaligen Dirigenten der Kirchenmusik Escholzmatt, Hermann Jenny, eine Kiste mit handgeschriebenen Noten. Dieser brachte die Truhe nach einer kurzen Sichtung auf den Dachboden, mit der Absicht, den Inhalt nach seiner Pensionierung genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor drei Jahren dann die grosse Überraschung: Franz Josef Jenni hinterliess sechs um 1900 bis 1922 handgeschriebene Notenbüchlein-Serien mit Volksmusik, total 350 Stücke für verschiedene Instrumentalbesetzungen (Klarinette in Es/B, Trompete in B, Horn in Es/F/B, Posaune in C und Tuba in Es sowie Flöte in C, Violine, Akkordeon und Kontrabass). Zudem drei ebenso handgeschriebene Alben mit Militärmusik.

Hermann Jenny begann, diese Noten digital zu erfassen. Professionelle Musikerinnen und Musiker haben nun einige der Volksmusik-Kompositionen aufgenommen; die Bürgermusik Luzern unter der Leitung von Michael Bach hat die Militärmusik eingespielt, welche Spielführer-Korporal Franz Josef Jenni 1902 jedem einzelnen Musiker seines Bataillon-Spiels Füs Bat 41 ins persönliche Notenbüchlein geschrieben hatte. Der Journalist und Buchautor Beat Straubhaar verfasste aufgrund fast zweijähriger Recherchen die Biografie Der Notenschatz vom Dachboden.
 

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Beat Straubhaar: Der Notenschatz vom Dachboden. Biografie von Franz Josef Jenni (1876–1959), 204 S., incl. 2 CDs mit Volks- und Militärmusik, Fr. 49.00 + Versandkosten, Verlag Entlebucher Medienhaus, Schüpfheim 2022, ISBN 978-3-906832-27-2

Bestellung und weitere Informationen: 
https://jenni-musik.ch/
 

Dramatische Auswirkungen der Pandemie

Die 74. Ausgabe der Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins für die Spielzeit 2020/21 spiegelt deutlich die Folgen der Corona-Pandemie wider.

«Extrawurst» am Theater an der Effingerstrasse in Bern, Juni 2022. (Personen und Nachweis s. unten)

Bedingt durch die Lockdowns im Berichtsjahr sind die Aufführungszahlen gegenüber der Saison 2018/19, der letzten Saison vor der Corona-Pandemie, um 70 Prozent gesunken. Die Zahl der Zuschauer ist um 86 Prozent zurückgegangen. Deutschlandweit wurden 2’541’142 Theaterbesuche in der Saison 2020/21 gemeldet.

Die digitalen Angebote der Bühnen wurden stark ausgeweitet: Bei der Zahl der Inszenierungen machen die digitalen Formate fast 20 Prozent aller Produktionen aus, in der Vorsaison waren es noch 10 Prozent. Aufführungszahlen digitaler Angebote wurden in der aktuellen Werkstatistik nicht erfasst. Auch wurden Nutzungen digitaler Formate nur erfasst, wenn Tickets verkauft wurden oder Online-Registrierungen erfolgten.

In Deutschland ist der Anteil zeitgenössischer Werke deutlich gestiegen. Unter den meistinszenierten Werken sind neben den Klassikern wie der «Zauberflöte» oder «Faust» auch zahlreiche, ganz unterschiedliche zeitgenössische Werke; ganz vorne dabei ist die Komödie «Extrawurst» über Integration und strukturellen Rassismus, gefolgt von Ferdinand von Schirachs «Gott», einem Diskursdrama über die Legitimität von Sterbehilfe.

427 Theater aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben ihre Daten der Redaktion der «Deutschen Bühne» gemeldet, die sie gesammelt und in Aufführungslisten, Diagrammen und Tabellen mit den meistgespielten Werken, Inszenierungen und Autoren und Autorinnen aufgearbeitet hat.

Mehr Infos:
https://www.buehnenverein.de/de/presse/pressemeldungen.html?det=645

Bild oben (vlnr): Marlies Untersteiner, Markus Weitschacher, Mirko Roggenbock, Gerhard Goebel und Josef Mohamed. Foto: silbersalz

Langzeit-Onlineprojekt zur Gregorianik

Über drei Jahre ist ein vollständiger Zyklus gregorianischer Choräle, gesungen von Benediktinerinnen der Abtei von Notre-Dame de Fidélité de Jouques, aufgenommen worden. Die rund 10’000 Teile können nun im Internet abgehört werden.

Initiant der Projektes Neumz ist der Amerikaner John Anderson, Gründer des Labels Odradek Records, in langfristiger Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft der Benediktinerinnen der Abtei Notre-Dame de Fidélité von Jouques in der französischen Provence, wo John Andersons Tante lebte. Die Gemeinde in Jouques besteht seit 2017 aus 45 Schwestern im Alter von 26 bis 85 Jahren.

Das Aufnahmeprojekt beinhaltet das gesamte gregorianische Repertoire mit Tausenden von unterschiedlichen Gesängen, was einem Volumen von mehr als 7000 CDs entspricht. Jeder Gesang wird mit der von Franco von Köln (Musiktheoretiker des 13. Jahrhunderts) entwickelten Partitur in Quadriquartas, dem lateinischen Text und seiner Übersetzung in die Sprache des Lesers synchronisiert.

Die Inhalte des Psalters, Lektionars, Collectariums, Antiphonariums, des Responsoriums und des Graduale werden zu einem multimedialen Liber Digitalis des 21. Jahrhunderts zusammengefasst. Der Name Neumz ist vom lateinischen Neuma abgeleitet: Zeichen, die einen oder mehrere Laute in Notation darstellen.

Webseite des Projekts: https://neumz.com/

Langzeit-Onlineprojekt zur Gregorianik

Über drei Jahre ist ein vollständiger Zyklus gregorianischer Choräle, gesungen von Benediktinerinnen der Abtei von Notre-Dame de Fidélité de Jouques, aufgenommen worden. Die rund 10’000 Teile können nun im Internet abgehört werden.

Abbaye Notre-Dame-de-Fidélité de Jouques (Bouches-du-Rhône). Foto: Mathieu Brossais (s.unten)

Initiant der Projektes Neumz ist der Amerikaner John Anderson, Gründer des Labels Odradek Records, in langfristiger Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft der Benediktinerinnen der Abtei Notre-Dame de Fidélité von Jouques in der französischen Provence, wo John Andersons Tante lebte. Die Gemeinde in Jouques besteht seit 2017 aus 45 Schwestern im Alter von 26 bis 85 Jahren.

Das Aufnahmeprojekt beinhaltet das gesamte gregorianische Repertoire mit Tausenden von unterschiedlichen Gesängen, was einem Volumen von mehr als 7000 CDs entspricht. Jeder Gesang wird mit der von Franco von Köln (Musiktheoretiker des 13. Jahrhunderts) entwickelten Partitur in Quadriquartas, dem lateinischen Text und seiner Übersetzung in die Sprache des Lesers synchronisiert.

Die Inhalte des Psalters, Lektionars, Collectariums, Antiphonariums, des Responsoriums und des Graduale werden zu einem multimedialen Liber Digitalis des 21. Jahrhunderts zusammengefasst. Der Name Neumz ist vom lateinischen Neuma abgeleitet: Zeichen, die einen oder mehrere Laute in Notation darstellen.

Webseite des Projekts: https://neumz.com/

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