Die Walzer von Ėmile Waldteufel (1837–1915) gehören zum allerschönsten Tanzmusikrepertoire und stehen denjenigen der Wiener Strauss-Dynastie in nichts nach. Im Gegenteil: Es ist reizvoll, dem Unterschied der beiden Stile nachzuspüren. Dieser ist nicht einfach zu definieren, denn die Klischeevorstellungen, etwa hier pariserisch und dort wienerisch, verfangen überhaupt nicht.
Ėmile Waldteufel-Lévy entstammte einer jüdischen Musikerfamilie aus Strassburg, die nach seiner Geburt nach Paris übersiedelte, wo Ėmile Musik studierte und bald zu einem erfolgreichen Ballorchesterleiter und Komponisten wurde. Sein Walzer Manolo begeisterte den damaligen Prince of Wales und späteren König Edward VII. so sehr, dass dieser zu seinem Förderer wurde und dem Komponisten in Grossbritannien zu grossem Ruhm verhalf.
In der Zentralbibliothek Zürich sind mehrere Walzerzyklen von Ėmile Waldteufel als (heute vergriffenes) Notenmaterial zu finden, meist in Form von Arrangements für Salonorchester des Henry-Litollf’s-Verlags in Braunschweig. Die hier vorliegende Bearbeitung der berühmten Patineurs für Violine, Violoncello und Klavier durch den Hornisten, Dirigenten und Arrangeur Simon Scheiwiller aus Siebnen SZ kommt demgegenüber schlanker daher: Der Klaviersatz ist weniger vollgriffig, die drei Instrumente wechseln in der Hauptstimme ab und unterstreichen in reizvollen Klangmischungen die musikalischen Elementarformen. Scheiwillers Triosatz ist für alle drei Instrumente ab oberer Mittelstufe gut machbar, aber aufgepasst: Walzer sind nie leicht zu spielen! Der Teufel steckt im Detail, wenn es darum geht, die wienerisch-pariserische Noblesse und Eleganz über die Rampe zu bringen.
Ėmile Waldteufel: Les Patineurs (Die Schlittschuhläufer), Arrangement für Klaviertrio von Simon Scheiwiller, GM-1926c, Fr. 21.50, Edition Kunzelmann, Adliswil
Auch für weitere Besetzungen erhältlich
Zart begleitet
Schubert hatte grosse Affinität zur Gitarre, zur Liedbegleitung hat er sie aber nicht eingesetzt. Bei dieser Ausgabe der «Winterreise» steht nun ein Gitarrenduo neben dem Tenor.
Dorothee Labusch
- 07. Sep. 2022
Foto: Andrey Gribov/depositphotos.com
Mit dem Namen Franz Schuberts verbinden sich in der Regel die Assoziationen: Lied, Klavier, Streichquartett. Schuberts Messen, Sinfonien und zahlreiche Bühnenwerke fanden, wenn überhaupt, erst nach seinem Tod Beachtung. Sein Liedschaffen jedoch hatte musikgeschichtlich gesehen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Gattung des Kunstliedes, wie wir es heute kennen, und war schon zu seinen Lebzeiten in der Öffentlichkeit präsent.
Obwohl kein einziges seiner Lieder mit authentischer Gitarrenbegleitung überliefert ist, gibt es doch genügend Quellen, die Schuberts Affinität zur Gitarre belegen und Gitarrenbearbeitungen seiner Klavierlieder rechtfertigen. Im Biedermeier blühte das musikalische Leben nicht auf grossen Bühnen, sondern im Kleinen und Privaten, und seit 1821 ist uns die Tradition der sogenannten Schubertiaden überliefert. Das Lieblingsinstrument des Biedermeiers war im schubertschen Freundes- und Familienkreis omnipräsent, Schubert selbst besass eine Gitarre aus der Werkstatt Staufers.
Schon zu seinen Lebzeiten gab es entsprechende Fassungen des Erlkönigs oder der Jungen Nonne beispielsweise (allerdings nicht von ihm selbst), und es finden sich sogar einige Lieder, die den Gestus des Gitarristischen (oder Harfenistischen) nachzuahmen suchen und sich hervorragend für Gitarrenbearbeitungen eignen. Man denke an Die Nacht D534 oder Nachtstück D672.
Inzwischen gibt es eine Fülle von transkribierten Liedern. Die vorliegende Fassung der Winterreise ist von Christian Fergo und Raoul Morat sogar für Gitarrenduo gesetzt, das sicher der Klangfülle einer Klavierbegleitung näher kommt und dennoch die Zartheit und den Farbenreichtum der Gitarre voll ausschöpft. Eine in meinen Augen beachtenswerte Ausgabe ist entstanden, die das vorhandene Gitarrenrepertoire bereichert und erweitert.
Man stellt sich auf den Standpunkt, ein Arrangement sei immer zugleich eine Interpretation, und so entschied man sich, obwohl Fingersätze immer eine individuelle Entscheidung des jeweiligen Gitarristen sind, einige zu notieren, um den ursprünglichen Charakter der musikalischen Struktur und des Ausdrucks der Klavierstimme beizubehalten. Die Klaviere zu Schuberts Zeiten waren in ihrer Klangfarbe wesentlich zarter, und man weiss, dass Schubert selbst einen eleganten, leichten Anschlag und wenig Pedaleinsatz anstrebte. Umso naheliegender, die farbenfrohen Möglichkeiten einer gitarristischen Bearbeitung dazu zu nutzen, genau jene intime Seite der Klavierbegleitung hervorzuheben, die Schubert möglicherweise vorgeschwebt ist.
Franz Schubert: Winterreise, für Tenor und zwei Gitarren bearb. von Christian Fergo und Raoul Morat, D 08955, € 34.95, Doblinger, Wien
Fabian Chiquet ist «Companion ZHdK»
Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) zeichnet zwei Alumni für ihre Verdienste aus. Der Musiker Fabian Chiquet wird als «Companion ZHdK» ausgezeichnet. Die Künstlerin Zilla Leutenegger erhält den Ehrentitel «Honorary Companion ZHdK».
PM/SMZ_WB
- 07. Sep. 2022
Fabian Chiquet mit The bianca Story 2010 am Zürich Openair. Foto: Belmondo99 (s. unten)
Der 1985 geborene Fabian Chiquet ist ein Multitalent. Der Basler dreht Filme, macht Musik, Theater und Kunstinstallationen. 2010 schloss er mit einem Master in Transdisziplinarität an der ZHdK ab. Chiquet ist Mitbegründer die Popband «The bianca Story», bei der er Songwriter und Keyboarder ist und mit der er durch ganz Europa tourte.
Er inszenierte eigene Theaterstücke, die in der ganzen Schweiz zu sehen waren, und schrieb mit dem «Club Für Melodien» kollaborativ Musik für Theater und Film. Mit «Die Pazifistin» brachte er 2021 seinen ersten Dokumentarfilm ins Kino. In Kooperation mit dem Schweizer Radio und Fernsehen arbeitet er zurzeit am Projekt «I’ll Remember You», einem Dokumentarfilm mit Webserie und Podcast über die Anfänge der Schweizer Popkultur.
Die ZHdK-Ehrentitel werden einmal pro Jahr vergeben und sind mit keiner finanziellen Zuwendung verbunden. Angehörige der ZHdK können Aisgezeichnete vorschlagen. Die Hochschulleitung, beraten von einem Ausschusskomitee, entscheidet über die Vergabe. Die Ehrentitel werden am Hochschultag der ZHdK verliehen. Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.
Wie werden Musikprogramme zusammengestellt? Wer macht das unter welchen Gesichtspunkten? Und aus was für Anregungen entsteht Programmmusik?
SMZ
- 07. Sep. 2022
Titelbild: neidhart-grafik.ch
Wie werden Musikprogramme zusammengestellt? Wer macht das unter welchen Gesichtspunkten? Und aus was für Anregungen entsteht Programmmusik?
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Focus
Programm? Programm! von Peter Hagmann
La musique pour parler d’humain à humain Entretien avec Karine Vouillamoz, cheffe d’antenne d’Option Musique Interview von Jean-Damien Humair
Deutungsräume eröffnen Zeitgenössische Musik programmieren von Sibylle Ehrismann
Das eine durch das andere verständlich machen Ute Stoecklin und die Programme der Maison 44 in Basel von Niklaus Rüegg
Musique évocatrice Quels sont les thèmes abordés par la musique à programme ? von Laurent Mettraux
Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb. Link zur Reihe 9
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Diplomatie durch Musik ist ein sehr wichtiges Thema für die Schweizer Musikhochschulen, die damit die Welt jensits der helvetischen Grenzen positiv beeinflussen können.
Musikzeitung-Redaktion
- 07. Sep. 2022
Antoine Gilliéron — im Gespräch mit Xavier Bouvier, Spezialist für Interkulturalität und Diplomatie sowie Coordinator des Studiengangs Ethnomusikologie an der Haute École de Musique de Genève.
Xavier Bouvier, how do you view the international aid that the HEMs of our country have been able to provide in the past, provide today and could provide in the future?
The internationalization of higher music education in Switzerland is the culmination of a long evolution, which began in the first decades of the 20th century – one thinks of the reception, in our Conservatories, of refugees from the Russian revolution. After the 1970s, the reception of students from other continents – East Asia, but also South America – developed considerably.
L’intégration des HEM dans l’Espace européen de l’éducation supérieure a marqué une étape significative. Initié dès la déclaration de Bologne, cet espace, inauguré en 2010, s’étend largement au-delà des frontières de l’Europe proprement dite puisqu’il comprend des pays comme la Russie, l’Arménie ou encore le Kazakhstan. Les HEM ont largement bénéficié des échanges académiques au sein de cet espace – même si le fait que la Suisse ait quitté la pleine participation aux programmes ERASMUS+ a freiné notre inclusion dans certains programmes : on pense aux réseaux thématiques initiés par nos collègues de grandes institutions musicales européennes.
Dans le domaine de l’aide, l’Association Européenne des Conservatoires (AEC) a soutenu tout au long de cette construction l’intégration des institutions d’Europe de l’Est. Ces efforts ont été remarquablement fructueux, et les échanges se sont multipliés. Mais on peut considérer, rétrospectivement, que l’élargissement et la consolidation de l’Europe a coïncidé avec une relative fermeture avec le reste du monde : une frontière s’est creusée, politique, mais également culturelle.
De fait, les pays d’Europe de l’Est, et cela inclut la Russie, sont loin d’être périphériques dans la grande tradition classique européenne. Ils en ont été, et ils en sont aujourd’hui, des centres vibrants. J’ai eu l’occasion de visiter il y a quelques années la ville de Kharkiv, dramatiquement touchée par la guerre actuelle : ses monuments à l’architecture éclectique restent très Europe-centrale.
Toutes autres sont les situations culturelles du Moyen-Orient, de l’Inde, ou de l’Asie de l’Est et du Sud-Est. On est là face à d’autres traditions musicales, millénaires, qui pourraient bien avoir quelque chose à nous apprendre. Sauf à rester sur une position eurocentrée, la notion d’aide perd son sens : c’est d’un dialogue qu’il doit s’agir. Rares ont été les initiatives prises par les Conservatoires européens dans ce dialogue, même si on compte des réalisations remarquables, tout particulièrement de la part de nos collègues des pays nordiques, comme par exemple la Norwegian Academy of Music à Oslo, ou la Royal Danish Academy à Copenhague.
Est-ce que la solidarité exprimée dans le contexte de la guerre en Ukraine (par exemple, accueil d’étudiant.es et professeur.es ukrainien.nes, concerts de soutien, prises de position, prêt d’instrument) vous semble emblématique de ce qu’elles sont en capacité de faire ou pourraient-elles être éventuellement plus proactive dans leurs actions ?
Bien sûr, il était inenvisageable de ne pas s’engager de manière solidaire avec ceux qui souffrent du conflit, et logique de diriger cette solidarité vers des institutions musicales sœurs, des musiciens et des étudiants en musique. Mais ce qui me semble le plus marquant, c’est que les Hautes écoles de musique suisses ont voulu et ont su créer un espace sanctuarisé pour leurs étudiants, indépendamment de leur provenance – russe ou ukrainienne. Les témoignages de solidarité entre étudiants ont été nombreux – par exemple, l’une de nos étudiantes russes s’est portée volontaire dès le début du conflit pour donner des cours de langues aux réfugiés ukrainiens. Nous avons pu aussi sanctuariser le répertoire – résistant à des pressions très concrètes pour déprogrammer des pièces du grand répertoire russe. Le grand débat est de savoir si la musique, ou l’art en général, échappe à la politique. Les avis divergeront, mais mon expérience est que nos institutions musicales doivent rester des espaces d’écoute et de dialogue, des lieux créateurs de liens.
Plus largement, que pouvez-vous nous dire sur la diplomatie par la musique et ses réalisations dans les HEM helvétiques ?
La Suisse jouit d’une position très particulière, issue de sa neutralité et sa tradition de bons offices. La ville de Genève en est le centre symbolique, lieu de grandes rencontres autour de questions mondiales. Déjà dans les années 1920, au sein de la Commission Internationale de Coopération Intellectuelle de la Société des Nations, un extraordinaire dialogue entre cultures s’était développé. Comme l’a montré la chercheuse Christiane Sibille, la musique n’échappait pas à ce mouvement : Belà Bartók participait aux travaux, et de nombreuses institutions musicales internationales y ont vu le jour.
Selon vous, quelles bonnes pratiques hors de nos frontières quant à ce sujet pourraient être fécondes dans nos institutions ?
Concernant la diplomatie de la musique, des initiatives sont prises par les Hautes écoles de musique en Suisse, et nous sommes au seuil d’une prise de conscience de la richesse que peuvent apporter à nos écoles les échanges avec d’autres musiques. Plus fondamentalement, c’est peut-être simplement une prise de conscience que notre répertoire est déjà le fruit de ces échanges : le siècle dernier n’a cessé d’être le moment de telles rencontres, depuis les gamelans pour Debussy jusqu’aux polyphonies et polyrythmies pygmées pour Ligeti.
Pour nos institutions, un texte de 2006 de l’UNESCO, Guidelines on intercultural education fournit une excellente référence de bonnes pratiques. L’idée de base est assez simple : nos écoles et nos étudiants peuvent bénéficier de savoirs d’autres cultures musicales, anciennes, complexes, raffinées, exigeantes, expressives. D’autres conceptions musicales y sont à l’œuvre, et permettent de décentrer notre point de vue. Mais la mise en œuvre d’un tel programme est ardue : les institutions et les acteurs ne sont pas facilement malléables. Parmi les centaines de milliers de réfugiés syriens en Europe figuraient des maîtres de la grande tradition arabe classique : avons-nous su créer un espace pour pleinement profiter de leur capital culturel ? Les signes d’une évolution sont là cependant, et de grands conservatoires dans le monde prennent le lead sur ces thématiques. Les Hautes écoles de musique suisses ont une carte à jouer dans le domaine ; une opportunité est à saisir.
Wenig bekannte Zürcher Komponistin
Verena Naegele und Sibylle Ehrismann zeichnen in ihrem Buch die Biografie und das künstlerische Schaffen von Martha von Castelberg nach.
Dominik Sackmann
- 07. Sep. 2022
Martha von Castelberg in Alpenblumen stehend. Foto: Annie Abegg (ohne Jahr)
Martha von Castelberg-von Orelli (1892–1971) muss als bislang unbekannte, erst kürzlich wiederentdeckte Zürcher Komponistin bezeichnet werden. Die nach ihr benannte, 2004 gegründete Stiftung, welche sich der Bekanntmachung ihrer Musik verschrieben hat, tritt mit dieser Publikation erstmals an die Öffentlichkeit. Gleichzeitig wird darin auch die Neuedition sämtlicher Kompositionen in Aussicht gestellt.
Verena Naegele und Sibylle Ehrismann folgen den «wenigen Spuren», welche die Künstlerin hinterlassen hat, und versuchen einerseits, ihr Leben nachzuzeichnen, und andererseits, das Werk chronologisch zu ordnen und zu würdigen.
Martha von Castelberg stammte aus einem Zweig der Familie von Orelli, der sich dem Katholizismus zugewandt hatte und nach besonders strengen religiösen Grundsätzen lebte. In der Zürcher Diaspora wuchs sie wohlbehütet in einer schwerreichen Bankiersfamilie auf. Früh wandte sie sich der Musik zu, spielte Violine und Bratsche, brachte sich selbst das Klavierspiel bei und beschäftigte sich intensiv mit Harmonielehre, aber zu einem professionellen Musikstudium kam es nicht. 1920 heiratete sie den Juristen Victor von Castelberg und wurde Mutter zweier Söhne. Seit 1912 hatte sie autodidaktisch komponiert. Ihre religiöse und musikalische Heimat fand sie ab 1939 in der Kirche St. Martin in Fluntern, in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrem Wohnhaus.
Martha von Castelberg komponierte geistliche Lieder (vor allem mit Orgelbegleitung), vierstimmige Motetten, einige weltliche Lieder, eine Messe und eine Klaviersonate, zumeist für bestimmte Anlässe oder namentlich genannte Interpreten ihres Bekanntenkreises wie etwa den Tenor Peter Willi. Nur vereinzelt wurden zu ihren Lebzeiten Lieder und Motetten gedruckt oder Schallplatten-Einspielungen ihrer Kompositionen veröffentlicht. Nach dem Tod ihres Mannes (1957) wurde es noch stiller um sie und nach ihrem Tod (1971) geriet sie allmählich in Vergessenheit.
Die eingehende Würdigung von Leben und Werk in Buchform offenbart vieles über das Umfeld, in dem in der damaligen Schweiz eine Frau sich auf das Komponieren vorwiegend geistlicher Musik verlegte, bezieht aber auch merklich unverstellt die persönlichen Perspektiven der beiden Autorinnen ein. Dabei lassen die musikalischen Werkdarstellungen von Sibylle Ehrismann zusätzliche Notenbeispiele vermissen, welche es ermöglicht hätten, unter die analytische Oberfläche vorzustossen. So wartet man gespannt auf die (Erst-)Editionen der (meisten) Werke, um das nun zu neuem Leben erwachende Œuvre einer ungewöhnlichen Komponistin zur Gänze kennenzulernen.
Verena Naegele und Sibylle Ehrismann: Martha von Castelberg-von Orelli 1892–1971: Komponieren, trotz allem, 168 S., Fr. 34.00, Hier und Jetzt, Zürich 2021, ISBN 978-3-03919-539-8
Trouvez les compositrices !
Das Flötenduo Miriam Terragni und Catherine Sarasin sowie die Pianistin Kathrin Schmidlin auf CDs mit Werken von Komponistinnen.
Sibylle Ehrismann
- 07. Sep. 2022
Kathrin Schmidlin. Foto: Daniele Caminiti
Frauen haben schon immer komponiert, sie konnten ihre Musik meist nur nicht in der Öffentlichkeit präsentieren. Und wenn doch, wie etwa im Barock, dann wurden sie nach ihrem Tod gleich wieder vergessen. Ihre Noten aber gibt es noch, sofern sie Musikarchiven übergeben wurden, dort schlummern sie vor sich hin. Wer danach forscht, wird fündig. Und Musikverlage wie der Furore-Verlag edieren diese Noten systematisch.
Trouvez les femmes! ist auch der Titel eines grösser angelegten CD-Projekts der Flötistin Miriam Terragni und der Pianistin Catherine Sarasin. Ihr Anliegen ist es, das Flötenmusik-Repertoire mit unbekannten Stücken von Komponistinnen zu erweitern. Die erste CD widmen die beiden der Romantik, vertreten sind Emilie Mayer (1812–1883) und Laura Netzel (1839–1927). Emilie Mayer war in Berlin eine sehr anerkannte Künstlerin, ihre Werke, darunter auch Sinfonien und Konzertouvertüren, wurden europaweit aufgeführt. Erst kürzlich hat Barbara Beuys zu dieser interessanten Komponistin ein erhellendes Buch vorgelegt.
Nun präsentieren Terragni und Sarasin Mayers Violin-Sonate in D-Dur, die sie subtil für Flöte arrangiert haben. Diese Sonate ist ein Juwel und klingt auch mit Flöte gut. Terragni meistert virtuoseste Passagen im leidenschaftlichen Agitato con passione und im witzigen Scherzo mit technischer Bravour und weichem Ton. Auch die fantasievolle dreisätzige Suite für Flöte und Klavier op. 33 von Laura Netzel macht hellhörig, das wirblige Allegretto non troppo vivo gelingt dem langjährigen Duo Terragni-Sarasin leicht und präzise.
Miriam Terragni und Catherine Sarasin. Foto: Daniel Miguel Art
Auf Spurensuche ist auch die junge Pianistin Kathrin Schmidlin, sie machte schon mit ihrer Debut-CD Frauenstimmen auf sich aufmerksam (SMZ 4/2021). In Zusammenarbeit mit dem Musikforscher Walter Labhart hat sie nun eine CD mit Klavierstücken von acht Komponistinnen herausgebracht, die selbst Kennerinnen und Kennern der Szene weitgehend unbekannt sind. Und sie konzentriert sich auf deren Opus 1, also auf die Erstlingswerke dieser hochbegabten Musikerinnen.
Schmidlin weiss mit ihrem subtilen Anschlag und ihrem wachen Geist die vielen kurzen Stücke lebhaft auszuspielen. Unter ihren Fingern beginnen die Kobolde in den fabelhaften Neun kleinen Stücken von Hilda Kocher-Klein (1894–1975) zu tanzen. Brillant bringt sie die impressionistischen Farben in Cécile Chaminades (1857–1944) bekannter Étude printanière zum Leuchten, um dann im gewichtigen fünfteiligen Opus 1 von Vítězslava Kaprálová (1915–1940) mächtig aufzutrumpfen. Man hört Schmidlin ihre Freude an diesen pianistischen Entdeckungen an.
Opus 1 feminin. Werke von Alicia Terzian, Hilda Kocher-Klein, Cécile Chaminade, Mathilde Berendsen-Nathan, Luise Adolpha Le Beau, Clara Schumann-Wieck, Maria Parczewska-Mackiewicz, Vítězslava Kaprálová. Kathrin Schmidlin, Klavier. Claves CD 3051
Trouvez les femmes! Vol 1. Female composers of the romantic era. Miriam Terragni, Flöte, Catherine Sarasin, Klavier. Coviello Classics COV 92208
Hörbiografie und Werke von Weggefährten
Auf der Doppel-CD wird einerseits der Lebensweg von Alexander Schaichet nachgezeichnet, andererseits erklingen Werke von Ernest Bloch, Willy Burkhard, Max Ettinger, Walter Lang, Lily Reiff-Sertorius, Hans Schaeuble und Joachim Stutschewsky.
Walter Labhart
- 07. Sep. 2022
Alexander Schaichet mit seiner Gattin, der Pianistin Irma Loewinger auf dem Zürichsee 1918. Foto: zVg
Als erstes Ensemble dieser Art in der Schweiz wurde das Kammerorchester Zürich 1920 von Alexander Schaichet (1887–1964) mit der Absicht gegründet, «Werke aufzuführen, die selten gehört, nie aufgeführt oder besonders wertvoll» waren. Der in Nikolajew (Ukraine) geborene, in Odessa und am Leipziger Konservatorium ausgebildete Violinist, Bratschist, Dirigent und Musikpädagoge gehörte dem Jenaer Streichquartett an, lebte seit 1914 in der Schweiz, heiratete 1919 die ungarische Pianistin Irma Löwinger und leitete bis 1943 das Kammerorchester Zürich. Von 1940 bis zu seinem Tod erteilte er Violinunterricht an der Musikakademie Zürich.
In weniger als zweieinhalb Dezennien setzte er sich mit seinem Orchester in rund 50 Uraufführungen und weit über 200 Erstaufführungen vorwiegend für zeitgenössische Komponisten ein. Schon während des ersten Jahrzehnts gab es neue Werke zu hören von Schweizer Komponisten wie Robert Blum, Emil Frey, Paul Juon, Walter Lang und Werner Wehrli, wenig später solche von Conrad Beck, Ernest Bloch, Willy Burkhard und Arthur Honegger. Mit internationaler Musik von Béla Bartók, Alfredo Casella, Heinrich Kaminski, Ernst Křenek, Bohuslav Martinů, Darius Milhaud, Alexander Mossolow, Bernhard Sekles, Rudi Stephan, Ernst Toch oder Leó Weiner brach dank Schaichets passioniertem Einsatz in den 1930er-Jahren für Zürich gewissermassen das «Goldene Zeitalter der Neuen Musik» an.
Als Neujahrsstück der Zentralbibliothek Zürich herausgegeben, erinnern zwei sehr unterschiedliche CDs und ein reich bebildertes Booklet an die Pionierarbeit, aber auch an die systematische Ausgrenzung und Benachteiligung Schaichets als Jude. Die mit vielen Briefzitaten und Klangbeispielen angereicherten Texte auf der CD 1, Eine musikalische Biografie, werden von Laura Lienhard, Graziella Rossi, Peter Hottinger und Helmut Vogel gesprochen. Auf CD 2 interpretieren die für das Musikkonzept verantwortliche Pianistin und Musikwissenschaftlerin Andrea Wiesli, Mirjam Tschopp (Violine, Viola) und Jonas Kreienbühl (Violoncello) die Musikalischen Werke von Weggefährten Alexander Schaichets.
Von den in Ersteinspielungen durchwegs ausdrucksvoll gestalteten Raritäten sind nebst den besonders einfallsreichen Kleinen Variationen in Etüdenform für Klavier von Lily Reiff-Sertorius die Six Israeli Melodies für Violoncello und Klavier sowie Soliloquia «In Memoriam Alexander Schaichet» für Viola solo von dessen engstem Freund Joachim Stutschewsky hervorzuheben.
Das erste Kammerorchester der Schweiz. Alexander Schaichet 1887–1964.Solo Musica SM 368 (2 CDs)
Sorgenkind Schulmusik?
Die musikalische Bildung ist seit zehn Jahren in der Verfassung verankert und an den Fachhochschulen hat die pädagogische Forschung Einzug gehalten. Wie sieht es in der Praxis aus?
Jürg Zurmühle (links) und Roman Brotbeck. Foto: Tabea Bregger
Anlässlich seines Rücktritts als Präsident des Verbands Fachdidaktik Musik Schweiz vfdm.ch wurden Jürg Zurmühle und – als Vertreter einer Aussenperspektive – Roman Brotbeck zur musikalischen Bildung in der Schweiz befragt.
Steigen wir ganz konkret ein: Was soll aus eurer Sicht ein zehnjähriges Kind in der Primarschule musikalisch erlebt haben bzw. was soll es in diesem Alter können?
Jürg Zurmühle: Pointiert gesagt, wünsche ich mir keine Standardisierung, sondern dass ein Kind selbst musiziert und unterschiedliche Begegnungen mit musikalischer Kultur, mit musikalischen Handlungen, mit Hören und mit live gespielter, realer Musik gehabt hat. Auch wünsche ich mir, dass in der Schule, im Kindergarten und in der Vorschule den Kindern Möglichkeiten zu Zugängen zu ihrer eigenen Musikalität geschaffen werden. Das heisst nicht, dass wir in erster Linie darauf schauen, was ein Kind mitbringen, können und kennengelernt haben muss, sondern uns fragen, was das Kind schon mitbringt, um damit musikalisch auf unterschiedliche Weisen weiter arbeiten zu können.
Roman Brotbeck:Ich habe wenig Erfahrung mit dieser Zielstufe, aber vielleicht sollte ein Kind das erfahren haben, was für mich für die gesamte musikalische Ausbildung zentral ist: Es sollte hören können, nicht nur Musik, sondern auch die Umwelt. Und es sollte seine «Stimme» – das kann auch ein Instrument sein – als Eigenes und als Gemeinsames erleben. Die Musik ist die einzige Kunst, die das Gemeinsame so künstlerisch und ohne Konkurrenzgefühle umsetzen kann.
Es gibt verschiedene Institutionen, unterschiedliche Berufsstände, die sich für diesen gemeinsamen Nenner der Musik, die musikalische Bildung engagieren. Was braucht es, um im produktiven Miteinander der musikdidaktischen Felder (Spezialistinnen, Spezialisten, Generalistinnen, Generalisten schulisch/ausserschulisch) die musikalische Bildung zu stärken?
Jürg Zurmühle: Ich fokussiere jetzt mal auf das Kind: Da sehe ich den grössten Gewinn, wenn es uns gelingt, die Musikschaffenden und die Institutionen, von den Kulturinstitutionen (und zwar aus allen Bereichen von experimenteller über Pop- und Rockmusik) über die Theater bis zu den Musikschulen und Schulen, zusammenzubringen.
Ich glaube, wir könnten uns in Zukunft stärker darum bemühen, dass alle Akteure noch viel mehr zusammenarbeiten. Aus der Perspektive der Lehrerbildung könnte ich mir vorstellen, vermehrt mit Personen anderer Institutionen, z. B. den Musikhochschulen, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Projekte und Kurse zu realisieren. Wir haben an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW ja schon damit begonnen, und ich finde das absolut notwendig.
Roman Brotbeck: Aus meinen Erfahrungen auch in Leitungsfunktionen im Hochschulbereich und anderswo heraus stelle ich fest: Es ist schade, wie viel positive Kreativität verloren geht, indem Institutionen sich gegenseitig voneinander abgrenzen, und wieviel unnötige Energie investiert wird, um ein eigenes Profil zu haben. Ich glaube, dass viel Kreativität verpufft, weil man nicht zusammenarbeiten will. Aber das ist auch innerhalb der Hochschulen so. Das hatte ich auch in Bern an der Hochschule der Künste HKB erlebt, als ich zum Beispiel die Idee einbrachte, unter Hauptfachlehrern vielleicht mal einen Studenten, eine Studentin für eine gewisse Zeit auszutauschen? Nein, das könnte die ganze Ausbildung kaputt machen, wurde mir entgegnet. Mit einem derartigen Isolieren und letztlich einem Misstrauen gegenüber den Kolleginnen und Kollegen innerhalb der Hochschule lernen die jungen Leute schon dort eigentlich das Falsche.
Jürg Zurmühle: Ich bin da aber auch optimistisch: Auf der Ebene der Institutionen ist es genauso, wie du das erläuterst. Auf der Ebene der Personen finde ich das etwas ganz anderes. Ich habe immer den Eindruck gehabt, wenn wir miteinander als Personen in Kontakt sind, dann ist eine Zusammenarbeit auf jeden Fall einfacher möglich.
Verfassungsartikel 67a
Welche Dringlichkeiten seht ihr im Hinblick auf die Musik in der Volksschule, auch bezogen auf den Bildungsartikel 67a? Warum braucht es den Artikel?
Jürg Zurmühle: Ich habe mich persönlich und auch als Präsident des Verbands dafür eingesetzt, dass der im Bildungsartikel erwähnte, sogenannte «hochwertige Musikunterricht» auf der Primarstufe auch wirklich umgesetzt werden kann. Leider wird auf allen Ebenen, von Schulleitungen über die Kantone bis zum Bund, die Zuständigkeit dafür hin und her geschoben, ohne dass wirklich etwas Konkretes geschieht.
Eine weitere Ebene ist die Lehrerbildung, wo ich aus der Perspektive der Musik wirklich unerfreulich finde, dass die Studierenden für die Primarstufe das Fach Musik abwählen können resp. müssen. Das ist etwas, was ich selber so ganz klar nicht vorschlagen würde. Musik muss von allen zukünftigen Lehrpersonen unterrichtet werden können. Eine andere Sache ist, dass an den Pädagogischen Hochschulen grundsätzlich die Fachlichkeit zu kurz kommt. Ich würde mehr Wert und Zeit auf die fachliche Ausbildung legen. Oder – das hatten wir früher – Studierende müssen eine Aufnahmeprüfung machen, um auch ihre fachlichen Fähigkeiten zu zeigen.
Wir haben aber auch sehr viel Kompetenz in den verschiedenen Institutionen. Wir sollten versuchen, diese Kompetenzen, diese Kreativität von vielen Menschen in der Ausbildung der Lehrpersonen zusammenzubringen. Das muss nicht immer nur alles strukturell fixiert sein, sondern ich kann mir gut vorstellen, zum Beispiel in Studien- und Intensivwochen, die ausserhalb des Curriculums sind, Musik zu machen, zu lehren und zu lernen. Mit dem Bologna-System, mit dem Sammeln von Creditpoints, wird das meiner Meinung nach erschwert. Es geht eigentlich darum, Freiräume zu ermöglichen, institutionelle Freiräume, um denjenigen Studierenden, die sich musikalisch «bilden wollen», offene Angebote zur Verfügung zu stellen. Auch was wir mit «Jugend und Musik» anstreben, finde ich wichtig: Dass Leute, die wirklich viel mitbringen, auch die Möglichkeit haben, sich entsprechend weiter zu qualifizieren, um dann eben auch ihren Weg musikalisch gehen zu können.
Roman Brotbeck: Der Bildungsartikel 67a ist sehr wichtig, weil er den Musikunterricht valorisiert und nicht als «nice to have» versteht. Vor allem folgender Satz ist zentral: «Die Kantone setzen sich für einen hochwertigen Musikunterricht ein.» Es ist ein Armutszeugnis für die Kantone, dass sie sich seit zehn Jahren um die Definition eines hochwertigen Unterrichts herumdrücken und sich mit heterogenen Lösungen zufriedengeben. So bleibt der Zugang zur Musikausbildung nach wie vor stark vom sozialen Hintergrund geprägt.
Der Bund droht im Bildungsartikel damit, dass er «die nötigen Vorschriften» selbst erlassen kann, wenn die Kantone keine Einigung in den Zielen erreichen. Das müsste er meiner Meinung nach nun zwingend tun.
Art. 67a Musikalische Bildung
1 Bund und Kantone fördern die musikalische Bildung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.
2 Sie setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für einen hochwertigen Musikunterricht an Schulen ein. Erreichen die Kantone auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung der Ziele des Musikunterrichts an Schulen, so erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften.
3 Der Bund legt unter Mitwirkung der Kantone Grundsätze fest für den Zugang der Jugend zum Musizieren und die Förderung musikalisch Begabter.
Zum zehnjährigen Bestehen des Bundesverfassungsartikels 67a ist festgestellt worden, dass eben mit «Jugend und Musik» der ausserschulische Bereich und auch die Talentförderung sehr zentral angegangen wurden. Gleichzeitig sei aber bezüglich der schulischen Entwicklung noch wenig vorhanden. Wo seht ihr Ansätze, um hier nach zehn Jahren noch ein Accelerando zu bewirken?
Roman Brotbeck: Es gibt einfach eine grosse Dissonanz, wenn ich höre, dass offenbar in der Volksschule Primarlehrerinnen und Primarlehrer Musik unterrichten, die nicht dafür ausgebildet sind. Das crasht mit dem Artikel: «Die Kantone setzen sich für einen hochwertigen Musikunterricht ein». Das geht gar nicht zusammen. Ich kann nicht von einer mathematisch inkompetenten Person verlangen, dass sie hochwertigen Mathematikunterricht gibt, oder von jemandem, Französischunterricht zu geben, ohne selber französisch zu sprechen. Gerade der Fremdsprachenunterricht ist ein sehr gutes Beispiel, weil er der Musik sehr nahe ist. Wenn ein Kind von Anfang an eine Sprache mit einer guten muttersprachlichen Aussprache hört, kann es diese sehr viel besser und leichter aufnehmen, als wenn es in deutscher Sprache in Französisch oder Englisch unterrichtet wird. In der Musik ist es genau gleich! Wir brauchen dort hochprofessionelle Leute. Zum Glück haben wir das beim Instrumentalunterricht bei den Musikhochschulen trotz massiver Widerstände geschafft. Als das moderne Hochschulsystem Anfang der Nullerjahre eingeführt wurde, wollte man die Pädagogische Ausbildung der Musikhochschulen auf drei Jahre kürzen und auf die Bachelorstufe beschränken, mit der Begründung, dass das Unterrichten von Kindern ja auch mit wenig Fachkompetenz möglich sei. Damals hatte die KMHS (Konferenz der Musikhochschulen Schweiz) argumentiert: «Das ist die schwierigste Stufe. Also müssen wir ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker im Instrumentalunterricht einsetzen.» Dies ist nun zum Vorteil der Musikschulen gegenüber den Volksschulen geworden, dass nämlich dort nur musikalisch kompetente Lehrpersonen unterrichten. In einem demokratischen Land wie der Schweiz, das zum Ziel haben sollte, die gesamte Bevölkerung zu bilden, fände ich es aber wichtig, dass auch an der Volksschule fachlich kompetente Lehrpersonen Musik unterrichten. Für mich wäre der Moment gekommen, dass der Bund die nötigen Vorschriften erlässt, um diesen Missstand zu beheben.
Jürg Zurmühle: Ich sehe das ähnlich. Wir haben ja auch schon versucht, in parlamentarischen Kommissionen darauf hinzuweisen. Ich sehe es als eines der grossen Probleme, dass der Bund nicht sagt: «Da steht ein Verfassungsartikel. Wir wollen von den Kantonen wissen, wie ihr den umgesetzt habt.» Aber auch die Verbände müssen sich einschalten. Wir können durch den Verband Fachdidaktik Musik Schweiz und den Schweizer Musikrat Einfluss auf die Diskussion auf der politischen Ebene nehmen. Das ist sehr wichtig, um diesen Artikel jetzt auch in diesem zweiten Punkt umsetzen zu können. Es gibt aber auch mehr pragmatische Möglichkeiten: Im Kanton Basel-Stadt wird ein grosser Teil des Musikunterrichts von Fachpersonen unterrichtet und die machen das sehr gut. Nun besteht aus meiner Perspektive aber die Gefahr, dass – wenn nur noch Fachpersonen Musik unterrichten – Musik, so wie ich das verstehe, als Alltagsgestaltung einfach wegfällt, weil und das haben wir auch schon erfahren, die Primarlehrpersonen sagen: Dieser Bereich wird ja von der Musik- und Bewegungslehrperson abgedeckt. Das heisst, ich möchte eigentlich, dass man im Fach Musik sowohl Fachlehrpersonen als auch gut ausgebildete Lehrpersonen einsetzen kann und dass diese Kooperation, wenn sie gelingt, wunderbare Resultate bringen kann. Damit sind wir wieder beim gleichen Thema: dass es nicht Konkurrenz, sondern Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren gibt.
Jürg Zurmühle hat die Arbeit des Verbands Fachdidaktik Musik Schweiz vfdm.ch als Präsident massgeblich mitgestaltet. Foto: PH FHNW
Es wäre natürlich schön, wenn die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK diese Vision teilen würde, damit in allen Kantonen Fachlehrpersonen auf der Volksschulstufe Musik unterrichten dürfen. Die Direktorinnen und Direktoren Pädagogischer Hochschulen PH sehen das wohl ein wenig anders. Hast du als Präsident Fachdidaktik Musik Schweiz auch konträre Positionen zu den Direktionen der PH und wenn ja, wie gehst du damit um?
Jürg Zurmühle: Das ist eine gute Frage. Diese konträren Haltungen gibt es selbstverständlich. Ich habe vorher erwähnt, dass wir in der Musik und grundsätzlich in der Ausbildung viel zu wenig Fachlichkeit haben. Es ist nicht nur die Direktion, die hier dagegenhält, sondern die ganze Community an der PH, weil natürlich alle Bereiche für ihre Anliegen an ein Studium zu wenig Zeit zur Verfügung haben. Darum wäre auf der bildungspolitischen Ebene der Masterstudiengang eine Lösung, welcher Vertiefungen ermöglichen könnte. Oder wir nehmen uns mehr Ausbildungszeit, um die Kompetenzen der Studierenden in den vielen Bereichen vertiefen zu können. Ein anderes Beispiel: Bei uns an der PH FHNW wird der Instrumentalunterricht der Fachwissenschaft zugeordnet. Wir haben uns da schon von Anfang an dagegen gewehrt, weil dieser Begriff nicht dem entspricht, was wir tun. Auch unsere musikalischen Seminare sind zwar wissenschaftlich fundiert, aber nicht Wissenschaft. Das ist etwas ganz anderes. Das Bekämpfen des Begriffes Fachwissenschaft in der Musik habe ich 14 Jahre lang gemacht. Ich bin immer gescheitert, dieser Begriff lässt sich nicht eliminieren.
Wenn du für die musikalische Ausbildung an deiner Institution mehr Zeit erhieltest, wie würdest du diese konkret in der fachpraktischen Ausbildung nutzen?
Jürg Zurmühle: Ich möchte gerne unterscheiden zwischen der fachpraktischen und der fachdidaktischen Ausbildung, die ich für ebenso wichtig halte. In der fachpraktischen Ausbildung haben wir Studierende, die mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen an unsere Hochschule kommen. Von Leuten, die Panik haben, Musik zu machen, bis zu professionellen Musikerinnen und Musikern, die in den Lehrberuf auf der Volksschule einsteigen wollen. Im hoch individualisierten Instrumentalunterricht können wir diesen heterogenen Niveaus gerecht werden. Hier versuchen wir unterschiedliche Perspektiven zu beleuchten: Einerseits brauche ich das Instrument, um mein eigenes musikalisches Verständnis des Hörens, des Handelns, des Interpretierens und auch des Improvisierens – das ist uns ganz, ganz wichtig – zu vertiefen, aber auch um das individuelle Verständnis und Können weiterzuentwickeln. Zum andern ist das gemeinsame Musikmachen ein grundlegendes zu vermittelndes Erlebnis. Ich nehme da ein Beispiel: Die Studierenden müssen sowohl einen Kanon singen als auch mit Alltagsgegenständen improvisieren können. Das sind unterschiedliche Zugänge zur Musik und beide sind mir persönlich und unterdessen uns allen im Team ein hohes Anliegen. Aber das müssen die Studierenden erfahren können. Von der ersten Stunde an wird Musik gemacht und alles, was man lesen oder sonst noch machen kann, das machen sie ausserhalb. Zusammen Musik zu machen ist grundlegend, wichtig und zentral in der Fachwissenschaft. Und diese Erfahrungen in Musik brauchen Zeit, von der ich gerne mehr hätte.
Das heisst, den Rest, das Diskutieren und Reflektieren, die Fachdidaktik, machen sie ausserhalb des Unterrichts?
Jürg Zurmühle: Nein, das war jetzt die Fachwissenschaft. Die Fachdidaktik wiederum verstehe ich als die bewusste Gestaltung der Ermöglichung von Lernprozessen bei Kindern, und zwar ausgehend von dem, was die Kinder können, aber auch ausgehend von dem, was ich als Lehrperson kann. Der eine Ansatz ist, dass wir mit den Studierenden unterschiedliche Konzepte praktisch kennenlernen, das heisst beispielsweise den aufbauenden Musikunterricht, der mit Patterns arbeitet oder mit dem Prinzip der Solmisation. Oder ein anderes Konzept, wie es beispielsweise Beck-Neckermann für Kindergarten/Unterstufe vorschlägt, das mehr vom Kind her gedacht ist: Was braucht ein Kind, was kann das Kind schon, welche Rolle hat das improvisatorische Element, das Entdecken und Ausprobieren? Und dazu die Reflexion und den Dialog: «Sag mal, was ist jetzt da geschehen, was hast du gehört oder gemacht?» Trotz Offenheit braucht es Ordnungsstrukturen zur Orientierung.
Mir ist ein hohes Anliegen, beide Beispiele als gute Ansätze des Musikunterrichts zu verstehen. Ich will sie nicht gegeneinander ausspielen, sondern eben als Sowohl-als-auch präsentieren. Ich muss jedoch die Vorgehensweisen unterscheiden und auswählen können, ob ich einen Kanon anleite oder ob ich die Kinder mit Alltagsgegenständen improvisieren lasse. In der Fachdidaktik muss es uns gelingen, die Studierenden an den Punkt zu bringen, an dem sie merken, dass es unterschiedliche Arten gibt, Musik zu unterrichten und dass sie zwischen unterschiedlichen Konzepten und Vorgehensweisen differenzieren können. Der Dialog über die Erfahrungen und die Konzepte ist für die Studierenden natürlich enorm wichtig und den machen wir, wann immer möglich, live.
Musikpädagogische Forschung
Welche Bedeutung und Dringlichkeit messt ihr, auch in diesem Kontext, der musikpädagogischen Forschung im Wirkungsfeld der Pädagogischen Hochschulen und der Musikhochschulen zu?
Jürg Zurmühle: Für mich hat die Forschung im musikpädagogischen Bereich enorme Bedeutung, um Glaubenssätze der Musiklehrpersonen auch mal überprüfen zu können. Zum andern weiss man immer noch relativ wenig, wie die vielschichtigen und vielfältigen musikalischen Lernprozesse bei den Kindern förderlich gestaltet werden können und wie Kinder Musik in allen ihren Ausprägungen lernen. Der forschende Blick sensibilisiert, fokussiert und verallgemeinert: Es geht nicht nur um individuelle Erfahrungen, sondern um das Finden von Prinzipien. In meiner eigenen bescheidenen Forschungstätigkeit ging ich solchen Fragen nach: Was passiert wirklich und genau in dem Moment, wo Kinder miteinander Musik machen? Wie beschreiben Kinder ihre Erfahrungen bei einem Konzert, bei dem sie mitwirken? Der Trubel des Unterrichts erlaubt es oft nicht, hier genau hinzuschauen. Deshalb bringen solche Forschungen, die genau und wiederholt hinschauen und zu verstehen versuchen, Erstaunliches zum Vorschein, was vorher nicht bekannt und bewusst ist.
Für die Hochschule ist das Rezipieren von Forschungsergebnissen wichtig, beispielsweise durch das Lesen und gemeinsame Besprechen von Primärtexten im Team und mit den Studierenden. Zum anderen ist es auch die Aufgabe der Hochschule, eigenen Forschungsfragen nachzugehen, um Erkenntnisse zum Musikunterricht in der Schule zu erhalten und zu publizieren.
Roman, was ist deines Erachtens die Aufgabe der Forschung in der Musik?
Roman Brotbeck: In keinem Bereich haben sich die Musik- und Kunsthochschulen so verändert wie in der Forschung. Trotz anfänglicher Widerstände vieler Lehrkräfte hat da eine enorme Entwicklung stattgefunden. Auch in der musikpädagogischen Forschung hat sich vieles getan, aber ihre Themen sind mir manchmal in zu marginalen Feldern angesiedelt. Aus der Distanz scheint mir, dass die Verbindung von Lehre und Forschung verstärkt werden müsste. Zuweilen besteht die Gefahr, dass die Forschung ein Satellit ist, welcher nicht mehr in die Lehre der Hochschulen hineinwirkt. In der Musikpädagogik wäre Forschung wünschenswert, welche aus der Praxis heraus entwickelt wird. Eine spezifisch fachdidaktische Forschung wäre dafür ein ideales Feld. Ich hätte dafür auch eine Idee: ein interinstitutionelles Forschungsprojekt zur Entwicklung eines interaktiven schweizerischen Musik-Lehrmittels für die Volksschule unter Einbezug aller Sprachen und Kulturen. Das Lehrmittel könnte Best Practice-Elemente enthalten, die sich dann auch auf andere Bereiche auswirken könnten.
Gerne nehmen wir den Aspekt Lehrmittel später nochmals auf. Die Forderung nach forschenden Dozierenden kommt stark aus den Institutionen. Was sind in diesem Zusammenhang sinnvolle Qualifizierungen?
Jürg Zurmühle: Ich wünsche mir Personen mit viel Praxis, die also viel praktische Erfahrungen in Musik gemacht und Musik unterrichtet haben. Das sind beispielsweise Personen, die eben von Kind an schon Musikerinnen und Musiker sind und dann eine Ausbildung als Lehrperson gemacht haben, unterrichtet haben, und viele Kontakte in verschiedenen Settings mitbringen, die aber auch eine fachliche und fachdidaktische Ausbildung haben. In der Forschung müsste neben musikpädagogischer auch Forschungsqualifikation vorhanden sein. Die bisherigen, geschätzten Kolleginnen und Kollegen mit Promotion in der Musikpädagogik sind keine Musiklehrpersonen, sondern entweder Psychologinnen oder Soziologen. Sie haben sehr wichtige und grundlegende Arbeit geleistet, das steht ausser Frage, aber es sind eben keine Musiklehrpersonen. Dies beginnt sich nun langsam in dem Sinne zu verändern, dass Forscherinnen und Forscher neben der Perspektive der Forschungsmethodik, der Forschungsdistanz gleichzeitig auch die Perspektive der Praktikerinnen und Praktiker aus dem Feld einbringen können.
Eigene Erfahrungen und persönliche Wirkung
Kommen wir von der Forschung nochmals zu euch persönlich zurück: Wenn ihr zurückschaut, was konntet ihr in euren Rollen und Funktionen bewirken?
Roman Brotbeck: Ich hatte das Glück, dass ich seit Beginn der Ausbildung gewusst habe – ich habe Musikwissenschaft studiert –, dass ich nicht einfach im stillen Kämmerchen irgendwelche Lexikonartikel und Bücher schreiben möchte, die dann im kleinen Kreis der Musikwissenschaft rezipiert werden und vielleicht vier gute oder auch schlechte Kritiken bekommen, sondern ich wollte immer einen breiteren Einfluss haben. Deshalb bin ich über die Medien, das Radio und das Präsidium des Tonkünstlervereins schliesslich in die ganzen Planungen zur Neugründung der Musik- und Kunsthochschulen eingestiegen. Das war eine enorme Chance für mich. In Bern konnte man in ein paar Jahren Dinge verändern, wofür man in normalen Zeiten wahrscheinlich zwei Jahrzehnte bräuchte. Als diese Entwicklungen konsolidiert waren, habe ich mich dann zurückgezogen. Meine Fähigkeit liegt mehr darin, Dinge in Bewegung zu setzen, als sie zu verwalten. Und ja, es war möglich, die Forschung zu initiieren, es war möglich, die musikpädagogische Ausbildung auf Hochschulstufe völlig zu erneuern. Dies war eine ideale Zeit in der Schweizer Musikhochschullandschaft, weil die Direktoren – ob in der Westschweiz, im Tessin oder in der Deutschschweiz – an einem Strick zogen. Wir standen nicht in Konkurrenz zueinander, im Gegenteil: Man telefonierte sich ständig und sprach sich ab, weil das Damoklesschwert über uns schwebte, den Musikhochschulen analog zu den technischen Fachhochschulen nur wenige Masterausbildungen zuzugestehen. Da hätten die Schweizer Musikhochschulen international nicht mehr mithalten können. Dieses gemeinsame Ringen hat sehr viele Veränderungen hervorgerufen. Ich wünsche mir für die Fachdidaktik Musik der Schweiz, sie würde eine ähnliche Solidarität entwickeln. Was mit den Musikhochschulen damals gelang, ist für mich bezüglich Bündelung von Kräften exemplarisch. Ein Resultat davon sind ausgezeichnete Lehrkräfte, welche heute in den Musikschulen wirken – auch dank der Musikhochschulen.
Jürg, wie sieht das bei dir aus? Was konntest du persönlich in deinen Rollen und Funktionen bewirken?
Jürg Zurmühle: Meine Biografie ist ja eine ganz andere. Ich bin ursprünglich Flötist. Ich bin am damaligen Konservatorium in Basel als Orchesterflötist ausgebildet worden und wurde schliesslich auf der Strasse angesprochen, ob ich am Lehrerseminar in Liestal unterrichten könnte. Ich hatte damals noch keine Ahnung von Lehrerbildung. Schliesslich habe ich eine fast 40-jährige Karriere in der Lehrerbildung gemacht, mit Hochs und Tiefs. Wenn ich jetzt auf meine Wirkungszeit der letzten 14 Jahre als Leiter der Professur zurückschaue, ist es erfreulich, was uns gelungen ist. Ich sage ganz bewusst «uns», weil es eine Teamarbeit war, alleine hätte ich das nicht erreichen können. Was wir erreicht haben, ist einerseits, mit den vorgegebenen Rahmenbedingungen – die nicht optimal sind – eine möglichst gute Ausbildung auf die Beine zu stellen. Das andere ist, dass wir die extrem unterschiedlichen Ansichten, was Musikunterricht sein soll und sein kann, die wir am Anfang in der Professur angetroffen haben – wir waren ja aus vielen Institutionen fusioniert, mit vielen Menschen, die ganz unterschiedliche Ansichten von Musikunterricht hatten –, in unserer Professur integrieren und abbilden konnten. Wir haben und leben ein Sowohl-als-auch: Wir versuchen sowohl eine klare normative Setzung zu haben: Was man am Schluss können muss, also quasi eine Kompetenzorientierung. Auf der anderen Seite stellen wir uns die Fragen: Was sind Punkte, wo sehr viel Kreativität und Spiel miteinander möglich sind? Was sind Dinge, welche man können und als individuelle, fachliche Qualität entwickeln «darf»? Eine Lehrperson kann einen Kanon anleiten, eine andere hat entdeckt, dass sie mit den Kindern zusammen im Wald Hörspaziergänge machen kann. Und eine Dritte ist vielleicht Popsängerin und nutzt ihr eigenes Können, um mit den Kindern Lieder zu gestalten, unter Einbezug eines Instrumentariums von Klangspielen über Boomwhackers bis hin zur Elektronik. Dass wir eine Breite von Musikunterricht anbieten können, der aber nicht beliebig ist, darauf bin ich stolz.
Verfolgt ihr die Entwicklung eurer Alumni, werden die beispielsweise zu Praxislehrpersonen?
Jürg Zurmühle: Verfolgen ist etwas zu viel gesagt, aber wir sind mit einzelnen Personen in Kontakt. Beispielsweise haben wir für unsere Homepage www.musikinderschule.ch Lehrpersonen gefragt, ob sie Elemente davon ausprobieren und uns dazu Rückmeldung geben könnten. Auch durch unsere Forschungsprojekte pflegen wir Beziehungen mit ehemaligen Studierenden im Feld. Andere haben einen CAS an der PH FHNW absolviert. Diese können wir als Expertinnen und Experten einbeziehen. Die Kontaktpflege ist weniger institutionalisiert, sondern ist eher persönlich. Diese Kontakte sind für uns enorm wertvoll.
Um nochmals auf eure persönliche musikalische Biografie zurückzukommen: Wo hat diese euer Handeln beeinflusst? Also inwiefern haben eure Erfahrungen euer Wirken beeinflusst?
Jürg Zurmühle: Ich habe ja auch Shakuhachi, eine japanische Bambus-Flöte, gelernt und mich in afrikanischem Trommeln weitergebildet, ganz unterschiedliche Situationen. Als ich meine Stelle in der Professur übernommen hatte, machte ich mir Gedanken darüber, wie Musikunterricht überhaupt funktioniert. Meine persönlichen Erfahrungen waren sehr unterschiedlich: Ich hatte einerseits sehr streng in vorgegebenen Settings, aber auch in offenen Strukturen improvisieren gelernt. So hatte ich mich auf die Suche nach musikpädagogischen Konzepten gemacht und gefragt: «Kann mir jemand sagen, wie es geht? Was ist jetzt das Richtige?» Gottseidank sagt einem dies niemand. Es gibt viele unterschiedliche Wege des Musiklehrens, und für mich folgte eine wertvolle intensive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Konzepten von Musikunterricht. Schon während dem Flötenunterricht hatte mich das fasziniert. So bin ich zum Schluss gekommen: Es gibt nicht ein Konzept, wie Musikunterricht gehen soll und muss, sondern es gibt viele. Das war biografisch für mich ein erster entscheidender Moment. Heute bin ich an einem Punkt, wo ich diese Konzepte in einem grösseren Rahmen darstellen und verstehen kann.
Hochwertiger Musikunterricht
Roman Brotbeck hat uns aufgefordert, vom Verband aus zusammen mit pädagogischen Hochschulen und Musikhochschulen ein schweizerisches Lehrmittel zu gestalten. Ist das aus deiner Sicht sinnvoll, Jürg?
Jürg Zurmühle: Ich verstehe das Anliegen, aber ich bin gegenüber Lehrmitteln skeptisch. Lehrmittel beruhen in den meisten Fällen auf irgendeiner, zum Teil nicht einmal explizit formulierten Voraussetzung, was unter Musikunterricht zu verstehen ist. Das heisst, es gibt eigentlich im Lehrmittel eine festgelegte Ausrichtung nach einem Konzept, einer Vorstellung von Musik oder einer Methode. Deshalb würde ich mich bei einem offiziellen schweizerischen Lehrmittel eingeengt fühlen. Etwas anderes ist, sich zu fragen, was heisst Lehrmittel heute? Diese könnten offener angelegt und immer in Entwicklung gedacht werden. Zum Beispiel als eine Plattform, bei der ganz unterschiedliche Formen des Unterrichtens angeboten, aber auch diskutiert würden, ein dynamisches Lehrmittel sozusagen. Aber ein Lehrmittel im Sinne einer normativen Setzung, da habe ich meine Bedenken. Das ist manchmal ein Wunsch von Studierenden, aber ich persönlich finde das nicht dem Stand der Erkenntnisse und der Heterogenität von Kindern, Musiken, Methoden, Zielen und Wegen adäquat.
So kommen wir wieder in den bildungspolitischen Bereich: Eine Definition des hochwertigen Unterrichts steht nach wie vor aus, um dem Bund auch die Mittel geben zu können, überhaupt zu überprüfen, was dieser denn sein soll. Fändest du analog zum Lehrmittel auch hier eine Setzung unpassend? Braucht es nicht auch hier eine Orientierung?
Jürg Zurmühle: Doch, aber das ist etwas anderes als Definitionen. Es geht um einen gemeinsamen Kurs. Der Verband beziehungsweise der Vorstand hat sich beispielsweise mit dem Projekt «Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität» intensiv auseinandergesetzt und auch kritisch dazu Stellung genommen. Das ist enorm wichtig. Es ist aber schwierig, die Vorstellungen «eines hochwertigen Musikunterrichts» auf den Punkt zu bringen. Im Moment mute ich mir eine solche Definition nicht zu. Ich glaube, die Diskussionen und Suchbewegungen müssten auf einer anderen Ebene stattfinden: Hochwertiger Musikunterricht ist ein dynamischer Prozess. Diese «Definition» ist nicht ein für alle Mal festgelegt, sondern ist etwas, das immer wieder neu diskutiert und reflektiert werden kann.
Wäre diese Dynamik also Teil der Definition?
Jürg Zurmühle: Ja, genau.
Roman Brotbeck: Was Du vorschlägst, entspräche eher einem Best-Practice-Beispiel. Ich könnte mir auch etwas in Analogie zum Französisch-Lehrmittel Mille Feuilles vorstellen. Dieses basiert auf intensiven Forschungen und hat bekanntlich viele Diskussionen ausgelöst. So etwas wünschte ich mir für die musikalische Fachdidaktik: dass musikalische Bildung in der Volksschule ein gesellschaftliches Diskussionsthema wird, um das gestritten wird. Denn mindestens dieser kontroverse Diskurs ist dem Mille Feuilles sehr gut gelungen. Es war ein kreativer Prozess auch für künftige Sprachlehrmittel.
Jürg Zurmühle: Ich persönlich bin skeptisch gegenüber einem dominierenden Lehrmittel, aber dies ist meine persönliche Meinung. Dass die Diskussion angeregt wird durch solche Dinge, fände ich aber natürlich sehr begrüssenswert.
Das heisst also auch, Jürg, dass keines der bisher erschienenen Lehrmittel für dich befriedigend ist?
Jürg Zurmühle: Richtig, keines allein ist für mich umfassend befriedigend, aber man muss sie selbstverständlich kennen, vergleichen und diskutieren. Genau dies tun wir auch mit unseren Studierenden: Sie lernen unterschiedliche Lehrmittel kennen, arbeiten damit, vergleichen sie systematisch und stellen sie in Bezug zu übergeordneten wissenschaftsbasierten Prinzipien und Konzepten. Kennenlernen, damit praktisch arbeiten, darüber kritisch diskutieren sind für mich gute Wege des Umgangs mit Lehrmitteln.
Zukunft der musikalischen Bildung
Wagen wir noch den Blick in die Zukunft: Was wünscht ihr euch für das Musikleben und die musikalische Bildung?
Roman Brotbeck: In der Musik dominiert nach meiner Meinung nach wie vor das Scheitern. Es gibt im Musikleben viel zu viele Abbrüche: Da hat sich jemand zehn Jahre lang mit einem Instrument auseinandergesetzt, und später wird es nicht mehr angerührt. Eine Fremdsprache benützen wir zum Beispiel auch dann, wenn wir keinen Sprachunterricht mehr haben. Das müsste ebenfalls bei Musik viel stärker der Fall sein; deshalb wünsche ich mir offene Türen auf allen Ebenen und ein lebenslanges Musizieren. Man müsste neue Konzepte für eine lebenslange musikalische Praxis entwickeln. Das wäre der grösste Wunsch.
Jürg Zurmühle: Ich kann mich diesem Wunsch zu hundert Prozent anschliessen, insbesondere der Formulierung, dass es nicht nur ums Lernen von Musik, sondern um das Ausüben oder einfach das Musikmachen gehen soll.
Auf der Ebene der Lehrerbildung wünsche ich mir einerseits mehr konkrete Unterstützung durch die Politik, so dass man bei der musikalischen Bildung wirklich hinschaut und konsequent ist bei der Umsetzung von Verfassungsartikeln. Aber noch viel wichtiger ist, dass sich in jeder einzelnen Schule Leitungs- und Praxislehrpersonen dafür interessieren, was im Fach Musik in ihren Klassen geschieht. In meinen vielen Praktikumsbesuchen habe ich noch kein einziges Mal eine Schulleiterin oder eine Praxislehrperson (Generalistin, Generalist) gehört, die gefragt hat: «Sag mal, wie ist es eigentlich mit der Musik in diesem Praktikum gewesen?» Es braucht auf allen Ebenen Verständnis, dass auch im Fach Musik nachgefragt werden muss, in den Schulen und in den Kantonen. Wir haben einen Verfassungsartikel, aber noch werden keine Konsequenzen für die grundlegende Schulbildung daraus gezogen. Für mich ist es etwas vom Schönsten, wenn ich irgendwo in eine Schule komme und es tönt – ganz einfach –, es tönt und ich merke, dass die Musik auf ganz viele Weisen lebendig ist in dieser Schule. Und schliesslich: Für die Schulkinder wünsche ich mir, dass sie Lehrpersonen vor sich haben, die Musik mit Begeisterung und Können unterrichten.
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Tabea Bregger und Beat Hofstetter
… sind Vorstandsmitglieder des Verbands Fachdidaktik Musik Schweiz vfdm.ch (Association Suisse de Didactique de la musique). Der im Jahr 2015 gegründete Verband bezweckt die Profilierung und Stärkung der Fachdidaktik Musik in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen aller Bildungsstufen. An regelmässig durchgeführten Tagungen und Kolloquien sowie durch Publikationen wird die Vernetzung zwischen den Mitgliedern zu aktuellen Themen der Forschung, der Bildungspolitik und der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen gefördert. Der Verband nimmt Stellung bei Vernehmlassungen zu musikdidaktischen Fragen und engagiert sich bildungspolitisch.
Jürg Zurmühle
… ist Flötist und Spezialist für die japanische Bambusflöte Shakuhachi. Er ist seit 40 Jahren in der Lehrerbildung tätig und leitete von September 2008 bis Ende August 2022 die Professur Musikpädagogik im Kindesalter an der PH FHNW.
Roman Brotbeck
… ist heute freiberuflicher Berater, Musikwissenschaftler und Kulturvermittler. Bis 2014 hatte er diverse Leitungsfunktionen an der Hochschule der Künste Bern inne, unter anderem bis 2010 als Leiter des Fachbereichs Musik.
Romantischer Pop auf klassischer Gitarre
Die «Rock-Pop Studies» von Michael Erni strotzen nur so vor guten Ideen und unterschiedlichen Ausdrucksweisen.
Werner Joos
- 07. Sep. 2022
Michael Erni. Foto: zVg
Können Pop und Rock auf der klassischen Gitarre gespielt werden? Ja und nein. Die 9 Rock-Pop Studies des Schweizer Gitarristen, Komponisten und Musikpädagogen Michael Erni bedienen sich zwar stilistischer Elemente aus der sogenannten Populärmusik, verbleiben in ihrem Duktus aber durchaus in der Tradition des klassisch-romantischen Gitarrenklangs. Pentatonische Passagen verweisen auf Rock und Blues, Akkorde mit Sekunden und grossen Septimen erinnern an die Musical-Harmonik zum Beispiel eines Andrew Lloyd Webber. Zusammen ergibt das eine Sammlung attraktiver, farbenreicher Spielstücke unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads für insgesamt eher fortgeschrittene Teenager und Erwachsene.
Die neun Stücke sind in die für die linke Hand wesentlichen Bereiche Legato, Barré und Lagenwechsel gruppiert, mit jeweils entsprechenden Preparation Exercises. Allerdings widerspiegeln die Vorübungen die tatsächlichen Erfordernisse in den einzelnen Stücken nicht. So bleiben in den einfachen Legato-Übungen die zahlreichen Fesselungen, wie sie dann nachher vorkommen, unberücksichtigt. Gar nicht thematisiert werden die vielfältigen Arpeggio-Muster der rechten Hand.
Einige Nummern haben eine klare und transparente Form, während in anderen auf kleinem Raum fast zu viele gute Ideen aufeinandertreffen. Sehr schön klingt Deep River, mit einer schlichten Melodie über kompakten romantischen Barré-Akkorden. Furios kommt das abschliessende Grand Final daher, in dem auch Rasgueados und Zweiunddreissigstel-Arpeggi gefragt sind. Schwer vorstellbar, dass Schülerinnen und Schüler das Werk im selben Tempo spielen wie der Komponist und Maestro auf der entsprechenden Youtube-Aufnahme …
Michael Erni: 9 Rock-Pop Studies with preparation exercises, for classical guitar solo, DZ 3703, € 13.72, Les Productions d’Oz, Lévis (Québec)
Von Mendelssohn zu Brahms
Christoph Croisé, Violoncello, und Oxana Shevchenko, Klavier, haben sämtliche Werke von Joachim Raff für ihre Besetzung eingespielt.
Walter Labhart
- 07. Sep. 2022
Christoph Croisé, Violoncello, und Oxana Shevchenko, Klavier. Foto: zVg
Den 200.Geburtstag des Komponisten, Bearbeiters, Dirigenten, Musikpädagogen und Schriftstellers Joseph Joachim Raff (27. Mai) würdigte die vor 50 Jahren an dessen Geburtsort Lachen SZ gegründete Joachim-Raff-Gesellschaft nicht nur mit Konzerten, Vorträgen und Ausstellungen, sondern auch mit verschiedenen Publikationen. Noch bevor die von ihrem Präsidenten Res Marty verfasste Festschrift der Gesellschaft vorlag, ermöglichte sie die Veröffentlichung der ersten Gesamteinspielung von Raffs Werken für Violoncello und Klavier. Diese führt einmal mehr vor Ohren, dass der einst als Sinfoniker international erfolgreiche Komponist einerseits ein von Mendelssohn Bartholdy, Schumann und Liszt ausgehender Eklektiker, andererseits aber ein auf Brahms vorausweisender Visionär war.
Obschon das schwärmerische Duo op. 59, die Zwei Fantasie-Stücke op. 86, die einen originellen Dialog aus lauter Staccati und Pizzicati enthalten, und die auch in einer Version mit Horn vorliegenden, berückend schlichten Zwei Romanzen op. 182 noch im Bannkreis der Neudeutschen Schule stehen, enthalten sie Vorwegnahmen aus der Tonsprache von Brahms und jüngeren Komponisten. In der eher klassizistisch ausgerichteten als romantischen Sonate D-Dur op. 183, in deren Kopfsatz das Streichinstrument von stürmischen Klavierläufen umbrandet wird, erinnert das spritzige Scherzo – es ist ein Zugabenstück par excellence – stark an Mendelssohn.
Der Schweizer Cellist Christoph Croisé, der schon als Achtzehnjähriger mit Raffs 1. Konzert d-Moll op. 193 in Lachen aufgetreten war, interpretiert diese Raritäten in fein ausbalanciertem Zusammenspiel mit der Pianistin Oxana Shevchenko ausdrucksvoll und mit hinreissender Brillanz.
Joachim Raff: Complete Works for Cello and Piano. Christoph Croisé, Violoncello; Oxana Shevchenko, Klavier. Avie AV 2490
Impulse und Gemeinplätze
Sammelband mit zwölf Aufsätzen zu neuen Impulsen für den Konzertbetrieb.
«Musikvermittlung» ist en vogue, steht aber in Anführungszeichen. Schon in der Schule wird manchen Kindern Klassik nähergebracht, hoffentlich auch mal Beatles gehört, rhythmisch spielerisch gerapt oder gesungen. Im klassischen Konzert gibt es den Einführungsvortrag für Erwachsene, auch das Programmheft, unter Umständen kurze Moderationen der Interpreten. Als «Musikvermittler» sind nebst Musikjournalisten auch Kuratoren tätig. Letztere stellen Programme möglichst sinnvoll zusammen, suchen vielleicht mal ungewöhnliche Konzertformate, neue Orte, neue Rezeptionsformen.
Das Konzertpublikum der Zukunft nennt sich ein Sammelband des Bielefelder Verlags Transcript, der vorwiegend Texte einer 2019 durchgeführten Tagung an der Hochschule der Künste Bern bietet. Im Wesentlichen kreisen die Inhalte um letztgenannten Punkt: Wie können «spannende», neue Formate aussehen, die eben nicht dem Mainstream traditioneller Konzertinstitutionen folgen? Der Ausgangspunkt ist für die meisten Autoren klar. «Künstliche Hüftgelenke» hatte das «klassische Konzert» schon vor Corona, konzediert die Mitherausgeberin Barbara Balba Weber, «Corona hat ihm den Todesstoss verpasst» (S. 219).
Nun ja, das ist nicht mehr als eine steile These, die schon merkwürdig klingt, wenn Abertausende Musiker jährlich die Hochschulen und Akademien verlassen. Dazu kommt: Viele Menschen sehn(t)en sich angesichts überwiegend trauriger Live-Streams nach Live-Aufführungen, nach Begegnungen, auch nach einer Klangqualität, die nicht annähernd mit Kopfhörern oder noch so teuren Surround-Heimanlagen reproduzierbar ist. Zudem gibt es Orte, wo Konzerte weiterhin gut funktionieren, wo Säle gefüllt sind nicht nur mit Menschen jenseits der Siebzig. Kurz: Der forsch-sendungsbewusste Ton Webers und manch anderer Autoren verstört.
Dessen ungeachtet bietet der Sammelband mit zwölf Aufsätzen erhellende Einsichten. Oft von Impulsen aus der Neuen Musik gespeist, geht es auf 229 Seiten um Mitmachkonzerte, um Improvisation, vor allem auch um neue Orte. Anja Wernicke berichtet vom Festival Zeiträume in Basel, wo man seit 2015 Outdoor-Konzerte – in der Tradition ländlicher Konzerte beim Festival Rümlingen – in den städtischen Raum verlagert und so Bezüge schafft zur Architektur und zu bestimmten Sozialmilieus. Catriona Fadke, Hannah Schmidt, Juri de Marco und Viola Schmitzer stellen ihr Stegreiforchester vor. Im ausverkauften Berliner Radialsystem spielte, improvisierte man mit Elementen aus Beethovens IV. Symphonie – offenbar zur Freude des Publikums, das sich frei im Konzertraum bewegen konnte.
Natürlich dürfen Schlagworte der aktuellen Kulturpolitik nicht fehlen: Begriffe wie «Digitalität, Nachhaltigkeit, Diversität, Prozessoffenheit, Partizipation» spielen verschieden gefärbt immer wieder ihre Rollen. Die Soziologin und Musikwissenschaftlerin Susanne Keuchel schreibt von «vielen spannenden didaktischen Musikkonzepten», die erreicht werden könnten, wenn über «Apps zusätzlich zum Klang des Orchesters partizipative digitale Mitspielaktivitäten geschaffen werden» (S. 36). All das mag gut gemeint sein, scheint sich tendenziell jedoch zu entfernen von jenen (nicht nur älteren!) Menschen, die einfach nur eines wollen und dürfen: Konzentriert mit anderen Menschen Kunst erleben. Ohne viel Worte, ohne Fragen nach Sinn und Zweck, letztlich auch ohne Fragen nach einer Zukunft, die per se schwer einschätzbar ist.
Irene Müller-Brozovic, Barbara Balba Weber (Hg.): Das Konzertpublikum der Zukunft – Forschungsperspektiven, Praxisreflexionen und Verortungen im Spannungsfeld einer sich verändernden Gesellschaft, 229 S., € 33.00, Transcript, Bielefeld 2022, ISBN 978-3-8376-5276-5 Open Access
Kulturelle Vielfalt im Mittelland
Vor rund 15 Jahren hat Sebastian Bohren die «Stretta Concerts» gegründet. Die auftretenden Orchester aus der Schweiz und dem benachbarten Ausland konzertieren vorwiegend in der reformierten Stadtkirche Brugg.
PM/SMZ
- 06. Sep. 2022
Gemäss einer Medienmitteilung von Stretta Concerts zum Start der Saison 22/23 am 17. September ist die Konzertreihe im Kulturleben des Kantons Aargau fest verankert und will sich als schweizweite Plattform für Klassik etablieren. Programmiert sind in der neuen Saison unter anderen das Zürcher Kammerorchester mit Daniel Hope oder das Orchestra della Svizzera italiana unter der Leitung von Heinz Holliger mit Sebastian Bohren als Solist im ersten Violinkonzert von Béla Bartók.
Anstelle von Eintrittspreisen wird eine Kollekte eingezogen, um jedes Publikum und alle Klassikfans willkommen zu heissen. Sebastian Bohren, diesen Sommer mit dem «Goldenen Bogen» der Stiftung Schweizer Geigenbauschule ausgezeichnet, meint dazu: «Wir verfügen auch ohne Eintrittspreise und Abonnements über ein treues Stammpublikum, das uns schon fast abonniert hat. Die Stretta Concerts sind zum festen Teil des mittelländischen Konzertlebens geworden und haben sich in der Agenda unseres Publikums fest verankert».
Im Rahmen der Kulturstrategie 2025 hat die Stadt Chur ein neues Fördergefäss lanciert. Gemeinsam mit den Churer Konzertlokalen bietet die Stadt nun drei jungen Musikgruppen Einblicke in das Live-Business.
Musikzeitung-Redaktion
- 06. Sep. 2022
Nesta and the Blondes. Foto: Michelle Früh
Auslöser für das Fördergefäss war die öffentliche Diskussion des städtischen Zielbilds «Kulturräume». Im Rahmen dieser wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass besonders für junge Bands ein grosses Manko an Auftrittsmöglichkeiten bestehe. Deshalb hat der Stadtrat mit dem Pilotprojekt «Newcomer Stages & Live Support» ein neues Fördergefäss für diese jungen Kulturschaffenden eingerichtet.
Den Start macht die Grunge-Pop Band «Nesta and the Blondes». Andrea Corona, Michelle Früh, Benjamin Richner und Lorenzo Corona teilen die Leidenschaft für das Snowboarden und die Musik. Sie spielen am 23. September im Cuadro22. Der junge Artist Lenny Ammann ist auf der Bühne unter dem Namen «AM$» bekannt. Er rappt auf Englisch, Französisch, sowie in Mundart und überzeugt durch melodiöse Hooks. Am 24. September wird er seine Musik in der Loucy Bar & Eventhall präsentieren.
Die Band «The Exploding Trees» wurde vor einem Jahr gegründet und besteht aus Musikern aus der Schweiz, Österreich und Deutschland, welche von dem in Chur beheimateten Künstler Arnaud Pas zusammengehalten werden. Nach unzähligen Strassenkonzerten in Chur ist ihre Mischung aus Rock und Reggae nun am 15. Oktober live auf der Bühne vom Palazzo Chur zu erleben.
Nesta and the Blondes, AM$ und The Exploding Trees haben nun die Möglichkeit ihre Bühnenpräsenz zu steigern und an Sichtbarkeit zu gewinnen. Neben der Auftrittsmöglichkeit auf einer Churer Konzertbühne mit professioneller Infrastruktur, werden sie von einer Fachperson aus der Musikbranche beraten und erhalten Expertenfeedbacks.
Filmmusik im KKL
Grosse Bilder, monumentale Musik: In der neuen Saison im KKL Luzern bringt das 21st Century Orchestra unter der Leitung von Ludwig Wicki monumentale Werke aus Original-Soundtracks auf die Bühne, komponiert von den grössten Hollywood-Komponisten. Das bunte Programm 2022/23 verspricht neben Klassikern auch Premieren der Filmmusik-Konzerte im KKL Luzern. Leserinnen und Leser der Schweizer Musikzeitung können 2×2 Tickets für das Konzert am 6. November gewinnen.
Musikzeitung-Redaktion
- 06. Sep. 2022
Foto: Martin Dominik Zemp,SMPV
Die Segel für die neue Saison sind gesetzt: «… the Jedi will return» – allerdings nicht ans Ende der Welt, sondern ins KKL Luzern, gemeinsam mit einer Meute prominenter Piraten, begabten Zauberern, dem anmutigen Aschenbrödel, der völlig unverfrorenen Eiskönigin sowie Luke, Leia und Darth Vader auf der Grossleinwand. Und im Gepäck hat die wild gemischte Truppe ein buntes Programm der schönsten Filmmusik für die Saison 2022/23. Das 21st Century Orchestra unter der musikalischen Leitung von Ludwig Wicki freut sich, zu den spektakulären Fortsetzungen des Science-Fiction-Klassikers Star Wars, der Fantasy-Saga Harry Potter sowie Pirates of the Caribbean – At World’s End und besonders die KKL-Premiere von Disneys Die Eiskönigin, live spielen zu dürfen. Zur Weihnachtszeit gibt es ein Wiedersehen mit dem Märchen- Klassiker Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, bevor The Sound of Quentin Tarantino das Jahr mit einem musikalischen Best-of des Kult-Regisseurs ausklingen lässt.
Saisonstart mit «Epic – Legendäre Soundtracks»:
Überwältigende Gefühle entstehen im Konzertsaal, wenn die Filmmusik live gespielt wird, wie zu Saisonbeginn beim neuen Gala-Filmkonzert Epic – Legendäre Soundtracks: Am 5. und 6. November 2022 bringen das 21st Century Orchestra und der 21st Century Chorus unter der Leitung von Ludwig Wicki die Musik aus The Lord of the Rings, The Hobbit, Gladiator, Game Of Thrones, The Hunger Games, Braveheart, Ben Hur, Thor: Dark World, King Arthur u. v. a. Das Publikum macht sich auf eine epische Klangreise in die schottischen Highlands, nach Mittelerde und ins Weltall, ins alte Rom, ins Mittelalter und in die Zukunft.
Ticketverlosung
Begleiten Sie die Filmhelden auf ihrer Reise durch die unvergesslichen Soundtracks zu den grössten Blockbustern aller Zeiten! Mit etwas Glück können Sie 2×2 Eintrittskarten gewinnen für das Konzert:
Epic – Legendäre Soundtracks 6. November 19.30 Uhr im KKL Luzern. Konzertante Aufführung ohne Filmausschnitte.
Bitte schreiben Sie eine E-Mail mit genauer Adressangabe bis am 10. Oktober an: contact@musikzeitung.ch
Die Gewinnerinnen und Gewinner werden spätestens in der Woche 42 entsprechend informiert.