Ein strahlender Sieger aus Israel

Der 29-jährige Pianist Boris Giltburg gewann den diesjährigen Concours Reine Elisabeth. Seine Interpretation von Beethovens Klaviersonate Nr. 27 und Rachmaninows 3. Klavierkonzert begeisterte Jury und Publikum gleichermassen.

Boris Giltburg. Foto: Martin Studer

Im Alter von fünf Jahren wanderte Boris Giltburg mit seiner ganzen Familie aus der damaligen Sowjetunion nach Israel aus. Der sympathische und bescheiden auftretende Gewinner ist kein unbeschriebenes Blatt, hatte er doch bereits 2002 den 2. Preis beim Santander-Wettbewerb in Spanien, 2003 den 1. Preis beim Vendome-Wettbewerb in Lissabon sowie 2011 den 2. Preis beim Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv gewonnen. Er war auch schon mehrere Male in der Schweiz zu hören. Neben seiner begeisternden Musikalität beeindruckt Boris Giltburg durch die Fähigkeit, sich fliessend hebräisch, russisch, englisch, französisch und auch deutsch zu unterhalten. Sein Name deutet auf eine deutsche Herkunft, die Familiengeschichte lässt sich aber, wie er erzählte, nicht über mehr als drei Generationen durch die Wirren der Geschichte zurückverfolgen. Er zeigt neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Pianist und Musiker grosses Interesse an (deutscher) Literatur, Malerei und neuerdings an Fotografie. Diese interdisziplinäre Kunstbetrachtung spielt hörbar in seine musikalische Interpretation hinein. Sein berührendes Spiel ist äusserst differenziert und nuancenreich, sodass die Musik zum agogisch atmenden und sogar die Pausen zum klingenden Erlebnis werden. Dass dabei die Technik nie Selbstzweck ist, sondern immer zu Gunsten der Musik überlegt eingesetzt wird, hob Boris Giltburg weit von zahlreichen der zwölf Finalistinnen und Finalisten aus neun Ländern ab. Man darf gespannt sein, wohin sein Weg noch führen wird.

Rémi Geniet
Der 2. Preis ging an den erst 21-jährigen Franzosen Rémi Geniet, der mit poetischem Spiel und differenzierter Anschlagskultur bei Beethoven (Sonate Nr. 9 op. 14/1) und beim zeitgenössischen Pflichtstück In the Wake of Ea des jungen französischen Komponisten Michel Petrossian faszinierte und überzeugte. Er verstand es sehr schön, zwischen Melodik und Harmonik ein Gleichgewicht herzustellen und auch graduelle Abstufungen bei Dissonanzen hörbar zu realisieren.

Mit Klavierwerken von Aargauer Komponisten gelingt eine Reise durch Zeiten und Stile.

Von einer Wanderung op.17: Nr.1 Ausfahrt,Von einer Wanderung op.17: Nr. 20 Das schöne Hexlein Heiderlau,Elegie – Barcarola: Andante con moto

Die Aargauer Pianistin Beata Wetli hat eine kleine Anthologie mit Aargauer Komponisten aus dem 19. und 20. Jahrhundert unter dem Titel Aargauer Wanderungen eingespielt. Sofort wird hörbar, wie sehr das Klavier prädestiniert ist, seit der frühen Romantik auch für weniger spektakuläre Klanggebilde eine poetische Atmosphäre zu schaffen, zu parlieren, zu träumen, zu erzählen, zu fantasieren und Stimmungen einzufangen. Bildhaft und poetisch sind die passendsten Attribute dieses Tonträgers, der nebst einer grossen stilistischen Vielfalt – von frühromantischer Klangsprache über spätromantisch-impressionistische Anregungen bis zu neoklassizistischem Tongebilde ist alles zu hören – auch Ersteinspielungen bietet.
Im Vordergrund stehen die 22 kleinen Klavierstücken Von einer Wanderung (op.17) von Werner Wehrli. Sein meisterlicher Zyklus steht synonym für den programmatischen Titel der CD. Daneben sind auch Werke von Friedrich Theodor Fröhlich, Ernst Widmer, Emil Frey, Walther Geier, Ernest Bloch, von Busoni-Meisterschüler Robert Blum und glücklicherweise auch von Multitalent Peter Mieg zu hören. Und es ist zugleich klar, dass manche Komponisten nicht berücksichtigt wurden wie Carl Attenhofer, Hermann Suter oder Heinrich Sutermeister.
Das mag man zwar zunächst bedauern. Doch angesichts der Eindringlichkeit von Wetlis impressionistischer Klangverfeinerung, die auch tontechnisch sehr vorteilhaft eingefangen ist, darf man hoffen, dass eine Folge-Edition geplant ist mit weiteren Komponisten. Zu wünschen wäre es. Denn der Aargau bietet eine unerschöpfliche Quelle für Klaviermusik aus 150 Jahren. Jedenfalls macht diese Einspielung Lust auf mehr.

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Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836)
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Aargauer Wanderungen. Klaviermusik von Aargauer Komponisten aus 150 Jahren. Beata Wetli, Klavier. Wiediscon WD 9451

Mitglieder des Tonhalle-Orchesters Zürich (Leitung David Zinman) und die Zürcher Konsi Strings (Leitung Philip A. Draganov) veranstalten am 14. September 2013 zugunsten der Forschungsstiftung «Kind und Krebs» ein Benefizkonzert.

Die Schweizer Forschungsstiftung «Kind und Krebs» unterstützt die Kinderkrebsforschung systematisch und leistet an die durch den medizinischen Fachausschuss ausgewählten, kliniknahen Projekte finanzielle Beiträge.

Die aus den Forschungsprojekten gewonnenen Erkenntnisse sollen es den Spezialisten ermöglichen, präzisere Diagnosen zu stellen und spezifische Therapieformen zu entwickeln. Auf diese Weise trägt «Kind und Krebs» dazu bei, die Heilungschancen der an Krebs erkrankten Kinder weiter zu verbessern.

Die gesamten Einnahmen des Benfizkonzertes gehen zugunsten der Stiftung. Die Musiker, die Dirigenten und die Solisten stellen ihre Gagen vollständig zur Verfügung – ebenso verzichtet die Tonhalle auf Kostenerstattung.

Gespielt werden Beethovens «Egmont»-Ouvertüre und Tripelkonzert sowie Piazzollas «Cuatro Estaciones Porteñas». Karten für das Benefizkonzert sind ab sofort im Vorverkauf der Tonhalle erhältlich.

Mehr Infos: www.tonhalle-orchester.ch

Ein Buch nimmt sich mit dem Themenfeld «Musik und Gehirn» zuviel vor und rutscht auch zuweilen aus.

Auf gerade mal 190 Seiten gelingt es Thomas Richter, die Themen «Musik und Gehirn», «Musik und Menschheitsgeschichte» und sogar «Die Zukunft des Gehirns» unterzubringen. Respekt, sagt man da, zumal es sich ja nicht nur um grosse Problemfelder handelt, sondern auch um weithin Unerforschtes, ja sogar um Prophezeiungen. Richter misst sich nicht an, all das klären zu können, was er anspricht. «Vieles bleibt offen», heisst es am Ende des Buches. Gleich zu Beginn räumt der frühere Pianist und heutige Berater pharmazeutischer Untenehmen zu Recht ein: «Die Hirnforschung wird klar unterscheiden müssen, was sie sagen kann und was ausserhalb ihres Zuständigkeitsbereiches liegt, so wie die Musikwissenschaft (…) zu Bachs Fuge einiges zu sagen hat, zur Erklärung ihrer einzigartigen Schönheit aber schweigen muss.» (S. 8)

Die Relativierung mehr oder weniger wissenschaftlicher Methoden führt Richter zu einem feuilletonistischen Knäuel diverser Argumentationsstränge. Evolutionistische Theorien fristen ein erquickliches Dasein, hinzu gesellen sich strenger schulmedizinische Erörterungen über Funktionsweisen unseres Hirns, subjektive Kommentare zu eigenen Musikvorlieben oder auch Spekulationen über die Frequenz-Variationen unseres Kammertons a. Kurzweilig ist das durchaus; bei der Darstellung ungeheurer Gehirnleistungen beim Hören und Musizieren überzeugen des Autors Kompetenzen. Mit fortschreitender Lektüre aber drängt sich der Eindruck einer gewissen Geschwätzigkeit auf; zu viel scheint einfach so aus dem Ärmel geschüttelt. Und ein ums andere Mal führen Richter seine Subjektivismen aufs Glatteis. Vollends rutscht er aus, wenn er immer wieder auf die «Zwölftonmusik» oder «Neutöner» zu sprechen kommt. Hatte Friedrich Blume einst das «Naturereignis» Musik dazu missbraucht, der Elektronischen Musik ihr Daseinsrecht abzusprechen, so verfährt Richter nicht prinzipiell anders. Bei ihm ist es eben das (naturgegebene) Hirn, das offenbar nicht bereit ist, den Schritt mitzumachen von der Tonalität zur Atonalität, von der schönen Melodie zur zusammenhangslosen Tonansammlung schönbergscher Prägung: «Das Gehirn wehrt sich gegen die atonalen, dissonanten Stücke der Zwölftonmusik, da mag sie noch so sehr die Musiktheorie wie auch die kompositorische Praxis im 20. Jahrhundert beeinflusst haben.» (S. 45)

Auf Dauer wirken solch rückschrittliche Stereotype nicht nur geschwätzig, sondern auch ärgerlich. Zumal dann, wenn die Funktionsweisen des Gehirns nach eigenen Worten ungeklärt sind, zumal dann, wenn in unsäglicher (plötzlich doch unangenehm zeitgemässer) Manier die omnipräsente Quote ins Spiel kommt. Als Beleg für die der menschlichen Aufnahmefähigkeit nicht angepasste Musik nach Schönberg dient der Rausschmiss des Dortmunder Generalmusikdirektors, der gehen musste, weil er sich um die zeitgenössische Musik bemühte und, als Folge, wegen «dramatisch sinkender Auslastungen» (S. 45). Möge also den Klassikern wieder mal ein unendliches Leben beschieden sein! Zumindest bisher sind Konzerte mit Beethoven und Schubert ja immer voll.

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Thomas Richter, Warum man im Auto nicht Wagner hören sollte. Musik und Gehirn, 200 S., € 8.95, Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-020255-5

Ganze sechs Jahre hat das Singer-Songwriter-Duo Princess And The Bear mit seinem Debüt zugewartet. Jetzt überzeugt es mit Liedern voller Anmut.

Princess And The Bear, das klingt nach Märchen. Und nicht so sehr nach Alpen oder Hamburg. Doch das Duo hat ein ordentliches Stück Herz im Hafen der norddeutschen Metropole liegen lassen und sein erstes Album Sleeping In The Bee House in einer Holzhütte auf dem Bürgenstock eingespielt. Wo die beiden während der Aufnahmen auch genächtigt haben, und zwar – der Titel deutet es an – in einem umgebauten Bienenhäuschen. Gut möglich, dass das Werk deshalb so innig wirkt. Wie eine Ballade auf engstem Raum.

Die Aufgabenverteilung bei Princess And The Bear ist klar: Simone Schorro ist die Sirene, die singt und Glockenspiel betreibt, während Gitarrist Michael Tobler als stiller Partner und Stichwortgeber agiert. Obschon sich die beiden bereits vor sechs Jahren zusammengeschlossen haben, ist Sleeping In The Bee House ihr erstes gemeinsames musikalisches Zeugnis. Und was für eins. Die Luzernerin und der Zürcher schaffen luftige Liedkreaturen aus Folk, jazzigem Pop und einer alles umschlingenden Melancholie, die trotz ihrer inhaltlichen Schwere auch sanften Schwung besitzen. Dabei fahren Princess And The Bear ein ausgesprochen tiefes Tempo, aalen sich im wohl Temperierten und widmen sich der Fragilität.

Schorros Gesang steht im Zentrum, kreist, schwankt und bestimmt; ihre Stimme mutet an wie eine Flaschenpost auf hoher, aber stiller See. Passend dazu ächzt auf Stücken wie «100 Years» oder «I Still Miss You» ein Akkordeon, einer sich biegenden Planke gleich. Die ebenso geschmeidigen wie knorrigen Lieder erzählen von Schmetterlingen, Türen oder Ankern, sind eher verträumt denn verspielt und voller Verwerfungen. Aus dem Album spricht die Sehnsucht. Und die Kraft. So sehr, dass sich feststellen lässt: Sleeping In The Bee House ist ein Ereignis.

 

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Princess And The Bear: Sleeping In The Bee House
www.princessandthebear.ch

Ein Buch nimmt sich mit dem Themenfeld «Musik und Gehirn» zuviel vor und rutscht auch zuweilen aus.

Auf gerade mal 190 Seiten gelingt es Thomas Richter, die Themen «Musik und Gehirn», «Musik und Menschheitsgeschichte» und sogar «Die Zukunft des Gehirns» unterzubringen. Respekt, sagt man da, zumal es sich ja nicht nur um grosse Problemfelder handelt, sondern auch um weithin Unerforschtes, ja sogar um Prophezeiungen. Richter misst sich nicht an, all das klären zu können, was er anspricht. «Vieles bleibt offen», heisst es am Ende des Buches. Gleich zu Beginn räumt der frühere Pianist und heutige Berater pharmazeutischer Untenehmen zu Recht ein: «Die Hirnforschung wird klar unterscheiden müssen, was sie sagen kann und was ausserhalb ihres Zuständigkeitsbereiches liegt, so wie die Musikwissenschaft (…) zu Bachs Fuge einiges zu sagen hat, zur Erklärung ihrer einzigartigen Schönheit aber schweigen muss.» (S. 8)

Die Relativierung mehr oder weniger wissenschaftlicher Methoden führt Richter zu einem feuilletonistischen Knäuel diverser Argumentationsstränge. Evolutionistische Theorien fristen ein erquickliches Dasein, hinzu gesellen sich strenger schulmedizinische Erörterungen über Funktionsweisen unseres Hirns, subjektive Kommentare zu eigenen Musikvorlieben oder auch Spekulationen über die Frequenz-Variationen unseres Kammertons a. Kurzweilig ist das durchaus; bei der Darstellung ungeheurer Gehirnleistungen beim Hören und Musizieren überzeugen des Autors Kompetenzen. Mit fortschreitender Lektüre aber drängt sich der Eindruck einer gewissen Geschwätzigkeit auf; zu viel scheint einfach so aus dem Ärmel geschüttelt. Und ein ums andere Mal führen Richter seine Subjektivismen aufs Glatteis. Vollends rutscht er aus, wenn er immer wieder auf die «Zwölftonmusik» oder «Neutöner» zu sprechen kommt. Hatte Friedrich Blume einst das «Naturereignis» Musik dazu missbraucht, der Elektronischen Musik ihr Daseinsrecht abzusprechen, so verfährt Richter nicht prinzipiell anders. Bei ihm ist es eben das (naturgegebene) Hirn, das offenbar nicht bereit ist, den Schritt mitzumachen von der Tonalität zur Atonalität, von der schönen Melodie zur zusammenhangslosen Tonansammlung schönbergscher Prägung: «Das Gehirn wehrt sich gegen die atonalen, dissonanten Stücke der Zwölftonmusik, da mag sie noch so sehr die Musiktheorie wie auch die kompositorische Praxis im 20. Jahrhundert beeinflusst haben.» (S. 45)

Auf Dauer wirken solch rückschrittliche Stereotype nicht nur geschwätzig, sondern auch ärgerlich. Zumal dann, wenn die Funktionsweisen des Gehirns nach eigenen Worten ungeklärt sind, zumal dann, wenn in unsäglicher (plötzlich doch unangenehm zeitgemässer) Manier die omnipräsente Quote ins Spiel kommt. Als Beleg für die der menschlichen Aufnahmefähigkeit nicht angepasste Musik nach Schönberg dient der Rausschmiss des Dortmunder Generalmusikdirektors, der gehen musste, weil er sich um die zeitgenössische Musik bemühte und, als Folge, wegen «dramatisch sinkender Auslastungen» (S. 45). Möge also den Klassikern wieder mal ein unendliches Leben beschieden sein! Zumindest bisher sind Konzerte mit Beethoven und Schubert ja immer voll.

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Thomas Richter, Warum man im Auto nicht Wagner hören sollte. Musik und Gehirn, 200 S., € 8.95, Reclam, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-15-020255-5

Mit Klavierwerken von Aargauer Komponisten gelingt eine Reise durch Zeiten und Stile.

Von einer Wanderung op.17: Nr.1 Ausfahrt,Von einer Wanderung op.17: Nr. 20 Das schöne Hexlein Heiderlau,Elegie – Barcarola: Andante con moto

Die Aargauer Pianistin Beata Wetli hat eine kleine Anthologie mit Aargauer Komponisten aus dem 19. und 20. Jahrhundert unter dem Titel Aargauer Wanderungen eingespielt. Sofort wird hörbar, wie sehr das Klavier prädestiniert ist, seit der frühen Romantik auch für weniger spektakuläre Klanggebilde eine poetische Atmosphäre zu schaffen, zu parlieren, zu träumen, zu erzählen, zu fantasieren und Stimmungen einzufangen. Bildhaft und poetisch sind die passendsten Attribute dieses Tonträgers, der nebst einer grossen stilistischen Vielfalt – von frühromantischer Klangsprache über spätromantisch-impressionistische Anregungen bis zu neoklassizistischem Tongebilde ist alles zu hören – auch Ersteinspielungen bietet.
Im Vordergrund stehen die 22 kleinen Klavierstücken Von einer Wanderung (op.17) von Werner Wehrli. Sein meisterlicher Zyklus steht synonym für den programmatischen Titel der CD. Daneben sind auch Werke von Friedrich Theodor Fröhlich, Ernst Widmer, Emil Frey, Walther Geier, Ernest Bloch, von Busoni-Meisterschüler Robert Blum und glücklicherweise auch von Multitalent Peter Mieg zu hören. Und es ist zugleich klar, dass manche Komponisten nicht berücksichtigt wurden wie Carl Attenhofer, Hermann Suter oder Heinrich Sutermeister.
Das mag man zwar zunächst bedauern. Doch angesichts der Eindringlichkeit von Wetlis impressionistischer Klangverfeinerung, die auch tontechnisch sehr vorteilhaft eingefangen ist, darf man hoffen, dass eine Folge-Edition geplant ist mit weiteren Komponisten. Zu wünschen wäre es. Denn der Aargau bietet eine unerschöpfliche Quelle für Klaviermusik aus 150 Jahren. Jedenfalls macht diese Einspielung Lust auf mehr.

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Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836)
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Aargauer Wanderungen. Klaviermusik von Aargauer Komponisten aus 150 Jahren. Beata Wetli, Klavier. Wiediscon WD 9451

Ganze sechs Jahre hat das Singer-Songwriter-Duo Princess And The Bear mit seinem Debüt zugewartet. Jetzt überzeugt es mit Liedern voller Anmut.

Princess And The Bear, das klingt nach Märchen. Und nicht so sehr nach Alpen oder Hamburg. Doch das Duo hat ein ordentliches Stück Herz im Hafen der norddeutschen Metropole liegen lassen und sein erstes Album Sleeping In The Bee House in einer Holzhütte auf dem Bürgenstock eingespielt. Wo die beiden während der Aufnahmen auch genächtigt haben, und zwar – der Titel deutet es an – in einem umgebauten Bienenhäuschen. Gut möglich, dass das Werk deshalb so innig wirkt. Wie eine Ballade auf engstem Raum.

Die Aufgabenverteilung bei Princess And The Bear ist klar: Simone Schorro ist die Sirene, die singt und Glockenspiel betreibt, während Gitarrist Michael Tobler als stiller Partner und Stichwortgeber agiert. Obschon sich die beiden bereits vor sechs Jahren zusammengeschlossen haben, ist Sleeping In The Bee House ihr erstes gemeinsames musikalisches Zeugnis. Und was für eins. Die Luzernerin und der Zürcher schaffen luftige Liedkreaturen aus Folk, jazzigem Pop und einer alles umschlingenden Melancholie, die trotz ihrer inhaltlichen Schwere auch sanften Schwung besitzen. Dabei fahren Princess And The Bear ein ausgesprochen tiefes Tempo, aalen sich im wohl Temperierten und widmen sich der Fragilität.

Schorros Gesang steht im Zentrum, kreist, schwankt und bestimmt; ihre Stimme mutet an wie eine Flaschenpost auf hoher, aber stiller See. Passend dazu ächzt auf Stücken wie «100 Years» oder «I Still Miss You» ein Akkordeon, einer sich biegenden Planke gleich. Die ebenso geschmeidigen wie knorrigen Lieder erzählen von Schmetterlingen, Türen oder Ankern, sind eher verträumt denn verspielt und voller Verwerfungen. Aus dem Album spricht die Sehnsucht. Und die Kraft. So sehr, dass sich feststellen lässt: Sleeping In The Bee House ist ein Ereignis.

 

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Princess And The Bear: Sleeping In The Bee House
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Das Gehirn von
Pianisten

Sehr gute Pianisten müssen präzise und vor allem sehr schnelle Fingerbewegungen durchführen, um die klassischen Musikstücke zu bewältigen. Das intensive Training verändert auch das Gehirn.


Bei besonders anspruchsvollen Musikstücken (wie zum Beispiel bei einigen Passagen der 6. Paganini-Etüde von Franz Liszt) dürfen die Intervalle zwischen den einzelnen Fingerbewegungen 30 Millisekunden nicht überschreiten. Sie müssen zudem höchst präzise realisiert werden. Im Vergleich dazu sind die schnellsten Intervalle, die nichtgeübte Musiker erreichen, eher bescheiden (ca. 150 Millisekunden). Eine Reihe von Untersuchungen belegen, dass mehr als 10 000 Trainingsstunden aufgewendet werden müssen, um professionelle Spielleistungen zu ermöglichen. So intensive Trainings hinterlassen «Spuren» in den an der Expertise-Kontrolle beteiligten Hirngebieten. Besonders die in die motorischen Gebiete eingebundenen Hirngebiete weisen teilweise erhebliche anatomische und neurophysiologische Veränderungen auf.


Die bislang zu diesem Thema publizierten neuroanatomischen Arbeiten haben gezeigt, dass bei Pianisten vor allem die primären Motorareale, welche die Finger kontrollieren, auf beiden Hemisphären besonders gross geworden sind. Diese Grössenveränderungen äussern sich in grösserem Volumen des neuronalen Gewebes, aber auch in einer grösseren kortikalen Oberfläche im Handmotorkortex. Neben diesen Volumenunterschieden können auch Veränderungen der Kabelsysteme ausgemacht werden, welche die motorischen Hirngebiete mit den Händen und Beinen verbinden.


Diese anatomischen Besonderheiten sind bei den Betroffenen wahrscheinlich im Zuge des motorischen Lernens entstanden. Je früher sie mit dem Musiktraining begonnen hatten, desto stärker sind die anatomischen Veränderungen in der Regel ausgeprägt. Man erkennt auch markante Unterschiede zwischen den Musikern, je nachdem welche Instrumente sie spielen. Bei Pianisten sind vor allem die beiden Handmotorareale auf der rechts- und linksseitigen Hemisphäre besonders gross und stärker vernetzt. Bei Streichern dagegen, die ja vor allem die Finger der linken Hand besonders trainieren müssen, ist nur der rechtsseitige Handmotorkortex anatomisch auffällig bzw. grösser geworden. Besondere anatomische Anpassungen findet man auch im kortikospinalen Trakt, der den Handmotorkortex mit den Händen und Armen verbindet.


Funktionale Kopplungen


Neben diesen spezifischen Anpassungen im motorischen System finden sich auch neurophysiologische Besonderheiten bei der funktionellen Kopplung zwischen den motorischen und sensorischen Arealen – vor allem zwischen Motor- und Hörkortex. Die neurophysiologischen Aktivierungen in den motorischen Hirngebieten bei Pianisten sind wie erwähnt besonders an das Pianospiel angepasst. Man erkennt diese besondere Anpassung auch anhand der Optimierung der neurophysiologischen Erregung in den beteiligten Hirngebieten. Bei Pianisten sind dies geringere neurophysiologische Aktivierungen in den Motorarealen beim Pianospielen als bei ungeübten Personen. Offenbar haben sich in Folge des häufigen Übens die am besten geeigneten neuronalen Schaltkreise etabliert, um die motorischen Abläufe zu ermöglichen.


Beim hoch trainierten Pianisten hat sich als Folge des Übens ein automatisiertes Fehlerkontrollsystem etabliert, dass es ihnen erlaubt, motorische Fehler während des Spiels unbewusst zu erkennen und zu kontrollieren. Die Fehlerkontrolle wirkt sich allerdings nicht auf die gerade fehlerhaft durchgeführte Handlung, sondern vielmehr auf zukünftige Handlungen aus.


Lernfähig bis ins hohe Alter


Bemerkenswert ist, dass sich solche neurophysiologischen und neuroanatomischen Anpassungen nicht nur im frühen Kindes- und Jugendalter einstellen, sondern auch im Erwachsenenalter und – was besonders interessant ist – auch im Seniorenalter. Insofern ist der Erwerb musikalischer Spielkompetenz nicht nur der Jugend vorbehalten, sondern auch im Alter möglich. Möglicherweise ist das menschliche Gehirn ein Leben lang plastisch, so dass man das Musizieren bis ins hohe Alter erwerben kann.


Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke


Universität Zürich/Psychol. Institut


Lehrstuhl für Neuropsychologie


> lutz.jaencke@uzh.ch


Reisen – Musik unterwegs

Um 1700 reist ein cellospielender Graf nach Italien, um «guethe wälsche music» zu hören. 1876 reisen norditalienische Arbeiter für den Tunnelbau nach Airolo. Um dem Heimweh zu begegnen, wird eine Blaskapelle gegründet. 2012 reist das Orchestra d’archi giovanile della Svizzera Italiana nach Wien, um einen Wettbewerb zu gewinnen.

Gisela Peter / pixelio.de
Reisen – Musik unterwegs

Um 1700 reist ein cellospielender Graf nach Italien, um «guethe wälsche music» zu hören. 1876 reisen norditalienische Arbeiter für den Tunnelbau nach Airolo. Um dem Heimweh zu begegnen, wird eine Blaskapelle gegründet. 2012 reist das Orchestra d’archi giovanile della Svizzera Italiana nach Wien, um einen Wettbewerb zu gewinnen.

Focus

«guethe wälsche Music»
Musikreisen um 1700   Hörbeispiele

De l’agogique dans mon tambour…
Apprendre et enseigner les percussions aux origines exotiques   Exemples audio

Die Banda von Airolo
Die Geschichte dieser Blasmusik zeigt die Schweiz als Transitland.

In viaggio dentro e fuori la musica
Come si prepara un’orchestra giovanile per un concorso all’estero?
Ein Jugendorchester bestreitet einen Wettbewerb im Ausland.

« Les musiciens jouent mieux à l’extérieur »
L’organisation d’une tournée implique un lourd travail logistique.

Auf der Weiterreise
Werke des Kanons als Ausgangspunkt für Neues

… und ausserdem

RESONANCE

Widerstand und Kontrapunkt
Marc Kilchenmanns komponiertes Konzert in Berlin

Concours Reine Elisabeth 2013
Ein strahlender Sieger aus Israel

Rezensionen
Neuerscheinungen (Bücher, Noten, CDs)
Buchrezension Klassik: Warum man im Auto nicht Wagner hören sollte
CD-Rezension Rock & Pop: Schwere, Schwung und Schmetterlinge

Carte Blanche mit Roman Brotbeck

CAMPUS

Les aléas d’une nouvelle loi sur l’éducation musicale… au Brésil
Eléments d’un entretien avec Felipe Radicetti

Rezensionen Unterrichtsliteratur
 

FINALE

Rätsel Torsten Möller sucht …

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Auf Reisen: in der Musik und ausserhalb

Wie bereitet man ein Jugendorchester auf einen Wettbewerb im Ausland vor?

Fotos: zvg
Auf Reisen: in der Musik und ausserhalb

Wie bereitet man ein Jugendorchester auf einen Wettbewerb im Ausland vor?

Im letzten Jahr erlebte das Jugend-Streichorchester der italienischen Schweiz (Orchestra d’Archi Giovanile della Svizzera Italiana) eine besondere Reise: Es wurde beim Summa Cum Laude International Youth Music Festival 2012 in Wien mit dem «First place with outstanding success» ausgezeichnet. Ein nicht nur auf musikalischer Ebene langer Weg erreichte mit der Wiener Auszeichnung einen Höhepunkt, diese war auch der Lohn für die während mehrerer Jahre mit viel Weitsicht und Sachverstand seitens der Direktorin Anna Modesti geleistete Arbeit. Sie erzählte in einem Gepräch von diesem unvergesslichen Abenteuer.

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Das Orchestra d’Archi Giovanile della Svizzera Italiana

Der Traum geht in Erfüllung

Der internationale Wettbewerb für Jugendorchester und -ensembles Summa Cum Laude findet alljährlich im Goldenen Saal des Musikvereins in Wien statt, einem der schönsten und traditionsreichsten Konzertsäle der Welt. Der Traum, einmal in diesem Saal spielen zu dürfen, stand am Anfang unserer Entscheidung, am Wettbewerb teilzunehmen. Natürlich hatte niemand Lust, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen und so haben wir alle gemeinsam während zwei Jahren daran gearbeitet, den Wettbewerb vorzubereiten. Auch diese lange Vorbereitungszeit kann deshalb als eine Art «Reise» betrachtet werden.

Auftritt des Orchesters in der Minoritenkirche in Wien am 9. Juli 2012

Der Ablauf des Wettbewerbs sah eine Probe von 20 Minuten in Gegenwart einer Wettbewerbskommission und zwei Konzerte von je einer Stunde Dauer vor, die an diversen Standorten in Wien und Umgebung stattfanden. Das vorgeschriebene Repertoire musste den ersten Satz des Divertimento K 136 von Mozart, ein Stück eines Komponisten aus dem Herkunftsland der Teilnehmer und ein weiteres Werk nach freier Wahl enthalten. Gemeinsam mit den Jugendlichen entschieden wir uns für Policromie von Carlo Florindo Semini und die Serenade für Streicher von Dvořák. Dieses letztere, nicht einfach zu spielende Stück sollte die würdige Abrundung eines Weges sein, in dessen Verlauf wir uns schon mit Werken wie der Holberg-Suite von Grieg, den Serenaden von Elgar und Tschaikowsky und Mahlers Bearbeitung des Schubert-Quartetts Der Tod und das Mädchen beschäftigt hatten.

Dann begann das grosse Abenteuer. Um das sehr knappe Budget einhalten zu können, reisten wir am Vorabend mit dem Autobus in Lugano ab. Zwar waren wir nach der Fahrt ziemlich gerädert, aber wir konnten eine Hotelübernachtung einsparen. In Wien angekommen, hatten die Organisatoren des Wettbewerbs die Aktivitäten aller Gruppen während der gesamten Aufenthaltsdauer von vier Tagen bis ins Detail geplant. Die drei musikalischen Höhepunkte waren natürlich der Wettbewerb selber und die beiden Konzerte, aber es gab auch viele Gelegenheiten, den Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern der 36 teilnehmenden Gruppen aus aller Welt zu pflegen. Der grösste Teil der Mitwirkenden war in der gleichen Einrichtung untergebracht, so dass ein gegenseitiges Zusammentreffen und Kennenlernen einfach war.

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Anna Modesti inmitten ihres Orchesters im Wiener Musikverein

Die Rolle der Orchesterleiterin

Auch ausserhalb unserer Reisen verstehe ich meine Rolle nicht als nur musikalisch Verantwortliche. Das Orchestra d’Archi Giovanile della Svizzera Italiana setzt sich aus Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 18 Jahren zusammen. Die meisten von ihnen verfolgen auf musikalischer Ebene keine professionellen Ziele. Ihre Mitwirkung im Orchester basiert allein auf der eigenen Motivation und der Freude an gemeinsamen, unvergesslichen Erlebnissen. Deshalb beschränke ich mich auch während des Jahres nicht nur auf das, was während der dreistündigen wöchentlichen Proben gespielt wird, sondern versuche, die Aktivitäten zur Förderung des Gruppensinns und der sozialen Zusammengehörigkeit unter den Orchestermitgliedern zu unterstützen. Das schafft ein Klima des Vertrauens und der Anteilnahme, das mir dann unter anderem erlaubt, durch die Welt zu reisen und zu wissen, dass ich auf die Jugendlichen zählen kann: von 2005 bis heute sind wir in den USA, in Schottland, in verschiedenen italienischen Städten (Trento, Verona, Bologna, Ferrara, Genua, Rom, Triest) und in der Schweiz (Winterthur, Basel, Zürich) aufgetreten und – vielleicht habe ich einfach Glück gehabt – nie habe ich mich in Situationen befunden, die schwierig zu meistern gewesen wären.

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Kultur wird für Schweizer Sponsoren immer attraktiver

Der Sport ist nach wie vor der beliebteste Sponsoringbereich, doch setzen Schweizer Unternehmen vermehrt auch auf Kultur. Dies zeigt eine Studie, welche die ZHAW School of Management and Law gemeinsam mit dem Fachverband für Sponsoring (FASPO) durchgeführt hat.

Foto: Nejron Photo – Fotolia.com

Im Sport engagieren sich laut der Meldung des Zentrums für Kulturmanagement der ZHAW annährend drei Viertel der befragten Unternehmen. Den Bereich Corporate Responsibility unterstützen 50 Prozent, die Kultur 48 Prozent und die Medien 24 Prozent.

Durchschnittlich gaben die Unternehmen 2012 rund 1,8 Millionen Franken für Sponsoring aus. Der grösste Teil der Gelder (38 Prozent) floss in den Sport, gefolgt von der Kultur (23 Prozent). Im Vergleich zu Deutschland hat das Kultursponsoring in der Schweiz eine höhere Bedeutung. Im Nachbarland fliessen insgesamt nur rund 10 Prozent der Gelder in die Kultur und satte 65 Prozent in den Sport. Überdurchschnittlich aktiv im Sponsoring-Markt sind die Finanzdienstleister (Banken, Versicherungen).

Die häufigsten Kultur-Sponsorships betreffen Film, klassische Musik sowie Rock-, Pop- und Jazzmusik. Die befragten Experten gehen davon aus, dass das Sponsoring in den Sparten Film sowie Rock- und Popmusik in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnt, während «traditionelle» Bereiche wie Ballett, Oper oder klassische Musik eher an Bedeutung verlieren werden.

Die Studie kann über folgenden Link kostenlos bezogen werden:
www.zhaw.ch/de/management/zkm/forschung-und-entwicklung/studie-sponsor-visions-schweiz.html

«guethe wälsche Music»

Von seiner Italienreise brachte Rudolf Franz Erwein von Schönborn (1677–1754) den Grundstock zu einer Musiksammlung zurück, die er Zeit seines Lebens erweiterte. Sie umfasst gegen 150 Notendrucke und rund 500 Handschriften.

«guethe wälsche Music»

Von seiner Italienreise brachte Rudolf Franz Erwein von Schönborn (1677–1754) den Grundstock zu einer Musiksammlung zurück, die er Zeit seines Lebens erweiterte. Sie umfasst gegen 150 Notendrucke und rund 500 Handschriften.

Eine Auswahl von Violoncello-Sonaten aus dem Notenschrank des Grafen Erwein findet sich auf der kürzlich erschienene CD Viaggio italiano. Sie umfasst Werke von Platti, Abbate del Cinque, Romanelli, Vivaldi, Paganelli und Bassani zumeist in Ersteinspielungen*.

Giovanni Benedetto Platti

Gennaro Romanelli

Ermengildo Abbate del Cinque

Ermengildo Abbate del Cinque

Antonio Vivaldi

Giovanni Benedetto Platti
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Hörbeispiele mit freundlicher Genehmigung von Sony Classical.

Viaggio italiano. Musik für Cello aus der Sammlung Schönborn. Christoph Dangel, Violoncello solo; Sergio Ciomei, Cembalo; Rosario Conte, Theorbe/Barockgitarre; Mara Miribung, Violoncello continuo; Mayumi Hirasaki, Violine; David Sinclair, Violone. deutsche harmonia mundi 88765488332

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Auf der Weiterreise

Schwergewichte des musikalischen Kanons fordern zur Auseinandersetzung und Umgestaltung heraus. Sie halten uns so in Bewegung. Gedankensplitter über geloopte Kanons, eine jazzige Winterreise, Mozart on the road und einen Edlen Wilden auf Schloss Waldeck.

Foto: Bilderküche
Auf der Weiterreise

Schwergewichte des musikalischen Kanons fordern zur Auseinandersetzung und Umgestaltung heraus. Sie halten uns so in Bewegung. Gedankensplitter über geloopte Kanons, eine jazzige Winterreise, Mozart on the road und einen Edlen Wilden auf Schloss Waldeck.

Musik ist Fortschreiten in der Zeit. Das gilt nicht nur für den Ablauf eines Stücks. Auch musikalische Inhalte bewegen sich weiter. Bekanntes, seien es nun ein ganzes Werk oder einzelne Elemente, taucht in einer späteren Epoche wieder auf und wird der musikalischen «Landschaft» entsprechend adaptiert. Ein Prozess, der sich durch die ganze Musikgeschichte zieht: Aus Rückblick und Neugestaltung entsteht ein Beziehungsnetz über die Zeiten hinweg. Hier einige Verbindungslinien aus aktuellen Beispielen, die mit Reisen zu tun haben.

Fussmarsch mit Variationen

1705 reiste der zwanzigjährige Johann Sebastian Bach 400 Kilometer von Arnstadt nach Lübeck, um den berühmten Dieterich Buxtehude an der Orgel zu hören. Ein weiter Weg für einen Fussreisenden. Long Walk nennt mehr als dreihundert Jahre später der Pianist Francesco Tristano sein Konzertprogramm, in dem er Werke von Buxtehude und Bach mit eigenen Schöpfungen zusammenbringt.
Bach verlängerte seinen Aufenthalt eigenmächtig auf ein Vierteljahr und als er schliesslich heimreiste, hatte er Eindrücke im Kopf, die sein Wirken und die europäische Musikgeschichte beeinflussten. Der 32-jährige Luxemburger ist zum Konzert im Berner Kleezentrum wohl per Flugzeug oder sonst fremdbeschleunigt angereist. Er spielt unter anderem Buxtehudes Aria La Capricciosa BUXWV 250 über das Volkslied Kraut und Rüben, das Bach möglicherweise zu seinem einzigen Beitrag zum Variationengenre, den Goldberg-Variationen, animiert hat, und Bachs Partita Nr. 5 in G-Dur BWV 829 – auf dem modernen Konzertflügel. Er finde es schade, dass klassische Musik als eine Art Rollenspiel der Vergangenheit behandelt werde, sagt Tristano und kümmert sich nicht um die Regeln der historischen Aufführungspraxis. Und dann setzt er den langen Marsch aus der Geschichte fort, schreitet mit Bach in die Gegenwart. Tristano spielt auch in Clubs, arbeitet auf dem Flügel teilweise wie ein DJ. Jetzt schickt er Bachs 14 Canons über die ersten acht Fundamental-Noten der Aria der Goldberg-Variationen BWV 1087 auf die Reise. Mit Klavier und Elektronik spielt er sie an, überlässt sie dem Raum. lässt sie aus unterschiedlich weit entfernten Lautsprechern zurückkehren, umgibt sie mit Geräuschen, erwartet die verdichteten Klänge zurück. Ein Dialog über die Zeiten. Und das ausserordentlich gemischte Publikum kommt jetzt richtig in Fahrt.

Long Walk, Francesco Tristano spielt Buxtehude, Bach und Tristano, Konzert vom 5. Mai 2013 im Zentrum Paul Klee in Bern; Deutsche Grammophon 0289 476 5003 4 CD DDD GH

Stolpern im Schnee

Während Bach hin und zurück reiste, dreht sich der Wanderer in Schuberts Winterreise im Kreis. Zwar bewegt er sich immer wieder fluchtartig, bleibt aber ausweglos gefangen. Zugrunde liegt der gleichnamige Gedichtzyklus von Wilhelm Müller, der in der Sammlung Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten veröffentlicht wurde. Auch dieses Schwergewicht des Liedesrepertoires hat in jüngster Zeit wieder einmal die Pferde gewechselt. Mathias Rüegg, der Gründer und langjährige Leiter des Vienna Art Orchestra hat die Hälfte der Lieder für Jazzquintett arrangiert; und die junge Sängerin Lia Pale interpretiert sie ganz erstaunlich unbefangen. Pale hat Müllers Texte ins Englische übertragen, oft gekürzt. Leicht und doch melancholisch klingt das, unterstützt von einem sehr klaren, stark ausgedünnten Instrumentalsound. Ob man da wirklich dem ersten Reflex nachgeben will, der für diese Texte doch eine gewichtigere Stimme einfordert? Es leuchtet schon beim zweiten Hören durchaus ein, diese Lieder, losgelöst von der gewohnten Besetzung, als schmerzhafte Selbsterkundung eines Menschen in einer beliebigen Lebenssituation zu lesen, als stolpernde Schritte nach dem Scheitern einer Liebe, eines bisher gegangenen Wegs. Das letzte Lied hat Pale mit dem titelgebenden Fazit Gone too far überschrieben. Nimmt sie die Kühnheit der Bearbeitung doch noch zurück? Lesen wir es lieber als Feststellung, dass es von einer solchen Seelenreise keine Rückkehr in alte Muster gibt. Denn diese Art des Fortschreibens lyrischer Tradition scheint mir keinesfalls zu weit zu gehen.

Lia Pale: gone too far. Komponist: Franz Schubert alias berT; Bearbeiter: Mathias Rüegg alias shoE. Lia Pale, vocals, piano; Ingrid Oberkanins, percussion; Hans Strasser, bass; Harry Sokal, reeds; shoE, piano. Universal Music 0602537296613

 

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Kalesche zum Erfolg

Eher um (nachreisendes) Gedenken und Erforschen denn um Neufassen von Werken geht es bei der «Wunderkindreise». Am 7. Juni 1763 machte sich Familie Mozart mit dem siebenjährigen Amadé auf, um Fürstenhöfe in Deutschland und Österreich von der Begabung des Kleinen zu überzeugen. Diese Reise wird nun, 250 Jahre später, unter Federführung der Deutschen Mozart-Gesellschaft nachvollzogen – bis hin zur schwer beladenen Kalesche, die sich am 7. Juni 2013 in Salzburg auf den Weg gemacht hat. Für das Pressebild stiegen sogar Schauspieler in das Gefährt und fühlten sich in die Aufregung der Reisenden ein. Entlang der Reiseroute finden in Zusammenarbeit mit 44 lokalen Veranstaltern in 18 Städten jeweils an den historisch korrekten Daten Konzerte, Vorträge, Führungen und Theateraufführungen statt. Beteiligt sind unter anderem das Concerto Köln, l’arte del mondo, das Pleyel Quartett, Michael Quast, Reinhard Goebel und die Bayerische Kammerphilharmonie sowie die Ludwigsburger Schlossfestspiele. Ein umfangreicher Katalog dokumentiert die Nachreise.

250 Jahre Wunderkindreise – Mit den Mozarts durch 18 deutsche Städte. 

Weitgereister Romanheld auf der Opernbühne

Eine Oper hat in der Regel bereits eine Bearbeitungsreise hinter sich, bevor Musik ins Spiel kommt: Die Handlung geht auf eine literarische Vorlage oder eine Volkserzählung zurück und wurde zum Libretto umgearbeitet. Das gilt auch für André-Ernest-Modeste Grétrys Le Huron, uraufgeführt 1768 in Paris. Aussergewöhnlich ist, dass diese Reise erst nach fast 250 Jahren in die Schweiz führt. Der Stoff basiert auf den Roman L’ingénu von Voltaire, in dem die Vorstellung des Edlen Wilden verarbeitet ist. Ein Indianer vom Stamm der Huronen wird aus Kanada, einer ehemals französischen Kolonie, nach Frankreich gebracht, wo er seine entfernten Verwandten wiederfindet und – nach so viel Unbehaustheit – auch die Liebe. Im Gegensatz zu Voltaire nimmt die Geschichte auf der Opernbühne ein glückliches Ende; Grétry hat den Stoff zu einer opéra comique umgearbeitet. Vom 9. bis 17. August ist sie nun auf Schloss Waldeck zu Hause.

André-Ernest-Modeste Grétry: Le Huron. cantus firmus consort auf historischen Instrumenten; Musikalische Leitung Andreas Reize; Regie Georg Rootering. Schweizer Erstaufführung.
 

 

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Eine Broschüre der Vogelwarte Sempach erkundet Vogelstimmen aus biologischer und musikalischer Sicht.

Im 18. Jahrhundert hielt man sich junge Singvögel und spielte ihnen Melodien vor. Sie sollten sich die Tonfolgen einprägen, lateinisch «recordari», und dann nachpfeifen. Für diese Unterweisung benutzte man oft Blockflöten, die dadurch zu ihrem englischen Namen «Recorder» kamen. Es gab sogar Melodiensammlungen, die passende Weisen für verschiedene Vogelarten empfahlen.

Damit sind wir mitten in der Thematik dieser Publikation, die Vogelrufe und -gesang vor allem an den Schnittstellen zur Musik beleuchtet. Der Autor Christian Marti ist selber Amateurmusiker und hat über 20 Jahre Material zum Thema gesammelt. Das spürt man auf den bloss 32 Seiten in jedem Satz. Türen zu weiten ornithologischen Forschungsfeldern und einem reichen musikalischen Repertoire werden aufgestossen, und doch ist der Text angenehm lesbar, fast möchte man sagen: erholsam, was vielleicht daran liegt, dass alles an einem frühen Frühlingsmorgen seinen Anfang nimmt: Wer beginnt da wann zu singen? Und wozu eigentlich? Singen nur Männchen? Warum meint man manchmal im Spätsommer, die Vögel seien alle verschwunden? Vögel haben keine Stimmbänder. Wie singen sie dann? Was sind Rufe, was Gesänge? Wollen uns Stare verspotten, wenn sie Geräusche imitieren? Wird ein junger Kuckuck, der so viele Bettellaute macht wie die vierköpfige Brut seiner Wirtsfamilie, auch vierfach gefüttert? Wie verändert sich der Vogelgesang bei stetem Umgebungslärm? Und wie wird Vogelgesang überhaupt notiert?

Eher biologische Fragestellungen werden abgelöst durch zunehmend musikalische. Es geht um Komponisten, die Vogelstimmen in ihre Werke eingeschrieben haben, um eine Art Hitparade der am häufigsten zitierten Arten und auch um Vogelstimmen ab Tonband im Konzertsaal

Das Beste: All die erwähnten Vogelstimmen und Musikbeispiele sind auf der Website der Vogelwarte zu hören! Eine wirklich lohnende Sache – das pfeifen sogar die Spatzen von den Dächern. 

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Christian Marti mit Beiträgen von Gilberto Pasinelli, Vogelstimmen, (=Themen aus der Vogelwelt, Heft 70),
32 S., Fr. 5.00, Schweizerische Vogelwart Sempach 2013, info@vogelwarte.ch
Das Heft ist auch auf Französisch und Italienisch erhältlich.

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