«Das Auge komponiert»

Am 27. und 28. Januar 2017 fand das Symposium «Das Auge komponiert – Hermann Meier und das Verhältnis von Bild und Klang in der Musik nach 1945» an der Hochschule der Künste Bern statt. Das Symposium war eine Veranstaltung im Rahmen einer Forschungsarbeit über Hermann Meier an der Graduate School of the Arts in Bern.

Bild: Paul Sacher Stiftung, Basel, Sammlung Hermann Meier

Der Solothurner Komponist Hermann Meier (1906–2002) ist heute einer der wichtigsten Vertreter der frühen Avantgarde der Schweizer Musik. Immer im Hintergrund bleibend, schrieb Meier Werke, die von Kritik und Korrektur «verschont» wurden und deswegen besonders originell sind und eine bestimmte Individualität behalten haben. Auch seine Kompositionstechniken waren äusserst eigenständig, grossformatig und oft farbenreich.

Die wichtige Aufgabe, das Œuvre Hermann Meiers einem breiteren Publikum bekannt zu machen in der Hoffnung, dass seine Werke in Zukunft öfter einen Platz in den Konzerten der Schweizer Orchester und weiterer Musikerinnen und Musiker bekommen, war Motiv dieses Symposiums. Obwohl Meiers Musik selten zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurde, war er sich seiner Zeitgenossenschaft bewusst. In seinem umfänglichen Schaffen befinden sich über zwanzig Orchesterwerke, die noch nie zur Aufführung kamen. Sein Kompositionsstil schien zu radikal für die damalige Schweizer Musiklandschaft. Erst in den 1980er-Jahren erblickten einige seiner Werke das Rampenlicht durch den Einsatz des Komponisten und Pianisten Urs Peter Schneider, der eine enge Zusammenarbeit mit Meier entwickelte. Andere wichtige Figuren in der Promotion von Meiers Musik sind der Pianist Dominik Blum und der Komponist und Verleger Marc Kilchenmann, auf wessen Initiative die Basel Sinfonietta zwei grosse Orchesterwerke Meiers in 2010 zur Aufführung brachte. (Die Schweizer Musikzeitung brachte dazu einen Artikel in SMZ 1/2010, S. 18 f., Anm. der Red.)

Hermann Meiers Nachlass befindet sich seit 2009 in der Paul-Sacher-Stiftung und wird seit 2013 im Forschungsprojekt Das Auge komponiert untersucht. Geplanter Abschluss der Forschung ist 2017, auch eine monografische Ausstellung im Kunstmuseum Solothurn wird dann stattfinden.

Im Rahmen des zweitägigen Symposiums wurden Vorträge von Heidy Zimmermann (Paul-Sacher-Stiftung, Basel), David Magnus (Berlin), Pascal Decroupet (Nizza), Roman Brotbeck (Bern), Michel Roth (Basel), Marc Kilchenmann (Basel), Michelle Ziegler (Bern), Jörg Jewanski (Münster), Doris Lanz (Bern), Christoph Haffter (Basel) und Michael Harenberg (Bern) zur Musik Hermann Meiers und grafische Notation gehalten.

Das vielfältige Programm der Vorträge sorgte für zwei abwechslungsreiche aber kompakte Tage. Im Fokus, natürlich, Hermann Meier, seine Werke, Kompositionstechnik und verschiedene Einblicke in Formen grafischer Notation.

Heidy Zimmermann reflektierte in ihrem Vortrag die Grundlagen von Meiers grafischen Arbeiten. In den meisten Fällen grafischer Notation überhaupt handelt es sich um bereits fertige, abgeschlossene Partituren, die Grafiken enthalten oder deren Notation grafisch ist. Bei Hermann Meier handelt es sich jedoch um die Benutzung der Grafik im Denkprozess selbst, also nicht im fertigen Produkt – der Partitur. Es war interessant, einen Einblick in Meiers kreativen Schaffensprozess zu bekommen und einige seiner grafischen Arbeiten, die sich in der Paul-Sacher-Stiftung befinden, sehen zu können.

An Beispielen von Partituren der Nachkriegsavantgarde erklärte David Magnus verschiedene grafische Notationen, die bei jedem Komponisten unterschiedlich sind und sich oft auch keiner Gattung zuordnen lassen. Im Fokus standen der griechische Komponist Anestis Logothetis und seine Notation, deren Endprodukt – die Partitur – ganz im Gegensatz zu Hermann Meier, ein grafisches System ist, das bei jedem erneuten Lesen ein anderes Klangbild ergeben kann.

Besonders interessant war Pascal Decroupets Vortrag über die Rolle der bildhaften und grafischen Skizzen bei seriellen und postseriellen Komponisten. Nach 1945 gab es wesentliche Neuordnungen in den Bereichen Klang und Zusammenhang. Neue Ideen führten zu neuen Darstellungsformen, der Raum wurde nun zum selbständigen Parameter, elektronische Musik, Aleatorik und erweiterte Spieltechniken brauchten neue visuelle Lösungen. Neben Beispielen aus der Musik von Pierre Boulez, war im Fokus des Vortrags Stockhausens Meisterwerk Gruppen.

Roman Brotbeck befragte das Verhältnis zwischen Wladimir Vogel und seinem Schüler Hermann Meier. Vogel hatte mit Meier einen intensiven Kontakt, der später verblasste; nach fünf Jahren scheiterte der Unterricht. Verglichen wurden Meiers Klavierstück von 1947 und Werke anderer Vogel-Schüler. Es stellte sich heraus, dass Meier seinen eigenen Stil aufrechterhielt. Auch unter dem Einfluss von Wladimir Vogel sieht Meier Dodekafonie nicht als Endziel, sondern als Durchgangsstadium, er komponiert nicht nur mit der Reihe sondern «über die Reihe» – wie eine Überwindung des abstrakten Konstruktivismus, mal strukturiert, mal verspielt im Kontext.

Michel Roth lieferte ein Leseprotokoll sämtlicher Orchesterwerke Hermann Meiers, das wie ein eindeutiges Statement über Meiers enormes Opus schien.

Marc Kilchenmann beschäftigte sich in seinem Referat mit der Rolle der grafischen Pläne im Kompositionsprozess bei Hermann Meier. In Meiers Nachlass befinden sich ca. 150 grafische Pläne und 300 Skizzen in Arbeitsheften. Mit der Zeit wurden Meiers Pläne zunehmend komplexer und vielschichtiger. Der Vortrag erklärte die Relevanz der Entwicklung von Meiers Grafiken im Hinblick auf sein kompositorisches Schaffen.

Michelle Ziegler, deren Dissertation zum Klavierwerk Hermann Meiers im Rahmen des Forschungsprojekts Das Auge komponiert entstand, beschäftigte sich mit Meiers elektronischer Schaffensphase anhand der Komposition Klangflächengefüge oder Wandmusik für Hans Oesch (1970–71) und des zweiten Stücks für zwei Klaviere, zwei Cembali und zwei elektrische Orgeln (1973). Meiers Schaffen ist in verschiedene Phasen eingeteilt: die 195er-Jahre wurden ergänzt durch Orchesterwerke, die 1960er durch Musik für Tasteninstrumente. Meiers Phase für elektronische Musik ist eindeutig den 1970er-Jahren zuzuordnen, obwohl er auch schon früher Interesse dafür zeigte. Nur eine seiner elektronischen Kompositionen wurde bis heute im Studio realisiert.

Jörg Jenawski sprach über Beziehungen von Musik und Malerei im 20. Jahrhundert, ausgehend von Monika Finks acht Möglichkeiten einer Bildvertonung (1988) und öffnete die Frage, ob Hermann Meier eine ähnliche Beziehung in seinem Schaffen hatte: Meiers Interesse zur bildenden Kunst (vor allem seine Vorliebe für Mondrians Werke), Architektur, Besuche prägender Ausstellungen, Meiers Unterricht bei Wladimir Vogel mit Bezügen zur bildenden Kunst (auch das Thema des Vortrags von Doris Lanz) – all das weist darauf hin, dass die Tonbewegungen in seinen Partituren wie malerische Bewegungen und Farbflächen als Instrumentengruppen verstanden werden können.

Die Vorträge von Christoph Haffter und Michael Harenberg beschäftigten sich mit konkreten Werken Hermann Meiers, den Orchesterwerken der 60er-Jahre, den avantgardistischen Bestrebungen die diese Zeit mit sich brachte (Haffter) und dem einzigen elektronischen Werk, das im Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR in Freiburg realisiert wurde (Harenberg). Haffter zeigte am Beispiel des Orchesterstücks von 1986, wie Meier sich mit kompositorischen Problemen auseinandersetzt und wie sich seine Lösungen von Komponisten seiner Zeit unterscheiden. Michael Harenberg sprach über die Voraussetzungen, mit denen Hermann Meier in der Realisation seines elektronischen Stückes konfrontiert war.

Auch ein Gespräch mit den Zeitzeugen Urs Peter Schneider und Dominik Blum, moderiert von Florian Hauser, wurde vom SRF2 Kultur aufgenommen und gab den Zuhörern einen tieferen Einblick in die Persönlichkeit Meiers, seine Zusammenarbeit mit Schneider und Blum, aber auch sein hohes Mass an Selbstkritik.

Bemerkenswert war das Konzert des Pianisten Gilles Grimaître mit Werken von Hermann Meier (davon eine Uraufführung – das Klavierstück aus 1947) und Galina Ustvolskaya. Das Konzertprogramm war eine spannende Mischung verschiedener Extreme: von beispielhafter, fast bescheidener Zwölftontechnik in Meiers Klavierstück aus 1947 und geladener Spannung in Ustvolskayas Sonate Nr. 1, bis hin zum Brodeln und Ticken des Klavierstücks aus 1987 und den gnadenlosen, bebenden Clusterakkorden in Ustvolskayas sechster Sonate, die den Saalboden erzittern liessen.

Das Symposium Das Auge komponiert war sehr erfolgreich und ist dem Ziel, das Werk Hermann Meiers der Öffentlichkeit bekannter zu machen, einen Schritt nähergekommen. Interessant gestaltet, mit Themen, die sowohl Hermann Meier als aussergewöhnlichen Komponisten präsentieren als auch einen guten Einblick in das allgemeine damalige Musikgeschehen und die Tendenzen zu Meiers Leb- und Schaffenszeiten gaben, hatte ich nach zwei Symposiumstagen das Gefühl, den Komponisten Hermann Meier nun ein wenig zu kennen, und bin gespannt, mehr von seiner bemerkenswerten Musik zu hören. Die Hoffnung ist nun, dass es auch in wichtigeren Kreisen genügend offene Ohren gibt, um den Namen Hermann Meier auch im Orchester-Repertoire zu platzieren und ihm, wie auch so vielen vergessenen, unentdeckten Komponisten eine Stimme zu geben und somit etwas Bedeutungsvolles, Nachdenkliches oder Wichtiges über deren (und unsere) Zeit zu sagen. Durch die (Wieder-)Entdeckung wertvoller Nachlässe, die uns unsere Kultur hinterlassen hat, haben wir die Chance, den Kanon, den wir weitergeben, weniger einseitig und oberflächlich zu hinterlassen.
 

Die Symposiumsbeiträge werden anlässlich einer Meier-Ausstellung im Kunstmuseum Solothurn im Herbst veröffentlicht.

Titelbild:
Ausschnitt aus dem Grundplan zum Stück für Werner Heisenberg, 1968.
© Paul Sacher Stiftung, Basel, Sammlung Hermann Meier
 

Mittsommerfestival an den Simmenfällen

Die Schweizer Open-Air-Festival-Landschaft ist um einen Anlass reicher: Vom 23. Bis 25. Juni wird im Berner Oberland an den Simmenfällen zuhinterst an der Lenk erstmals das Mittsommerfestival stattfinden.

Festivalgelände des Mittsommerfestivals (Bild: zvg)

Die Idee zum Festival stammt von Reto Zürcher, Mitbesitzer des Hotel Restaurants Simmenfälle. Zusammen mit den Berner Musikern Nik Rechsteiner und Urs Widmer realisiert er den Musikevent vom 23. bis 25. Juni zum ersten Mal.

Am Freitag eröffnet der Lokalmatador Rumble Jim mit Rockabilly und Musik aus den 1950er-Jahren auf einer Aussenbühne das Festival. Headliner des Abends ist der Berner Multiinstrumentalist Mich Gerber, der musikalische Brücken zwischen Orient und Okzident, zwischen Urban, Klassik und Jazz, zwischen alter und neuer Musik schlägt.

Am Samstag werden unter anderem die Thuner Rockband The Souls, die Berner Rap-Truppe Churchhill und Troubas Kater auftreten. Internationales wird im Saal des Restaurants Simmenfälle zu hören sein, mit dem Isländer Mani Orrason und der Britin Fenne Lily.

Komponistenaufenthalt in der Brunner Schoeck-Villa

Die Auslandschweizer-Organisation bietet diesen Sommer einer Komponistin oder einem Komponisten ein Stipendium für eine vierwöchige Residenz im Geburtshaus von Othmar Schoeck. Bedingung: schweizerische Nationalität, Wohnsitz im Ausland.

Schoeck-Villa über dem Vierwaldstättersee in Brunnen (Foto: SMZ)

Während des Arbeitsaufenthaltes vom 19. August bis 17. September 2017 soll ein Lied mit Klavier- oder Kammerorchesterbegleitung entstehen. Ein bestimmtes Sujet ist nicht vorgegeben, jedoch gemäss Ausschreibung soll «versucht werden in Zusammenarbeit mit der Künstlerin/dem Künstler ein Thema zu finden.»

Alle im Ausland ansässigen Schweizer Komponistinnen und Komponisten sind eingeladen, sich zu bewerben. Das Residenzstipendium umfasst das Logis (Zimmer in der Schoeck-Villa), einen Beitrag an die Lebens- und Reisekosten sowie ein Honorar von 1500 Franken für die Komposition. Die Komposition soll 2018 in Brunnen aufgeführt werden.

Die Eingabe hat bis am 13. April 2017 elektronisch zu erfolgen an info@schoeckfestival.ch

Das Bewerbungsformular und die detaillierte Ausschreibung sind auf der Website der Auslandschweizer-Organisation aufgeschaltet:
http://aso.ch/de/information/news-archiv/auslandschweizer-kuenstler-erneut-ein-ankerplatz-in-brunnen?searchText=schoeck

Die Auslandschweizer-Organisation hat 2016 erstmals das Residenzstipendium «Artist in Residence» in Brunnen vergeben, denn der Auslandschweizerplatz am Vierwaldstättersee in Brunnen soll laut der Organisation «auch ein Ankerplatz für die im Ausland lebenden Schweizer Kunstschaffenden werden».
 

Kanton St.Gallen zeichnet drei Musiker aus

Die St.Gallische Kulturstiftung spricht Goran Kovačević und Willi Valotti je einen mit 15’000 Franken dotierten Anerkennungspreis zu. Den Schriftsteller und Musiker Frédéric Zwicker ehrt er mit einem mit 10’000 Franken dotierten Förderpreis.

Willi Valotti (Bild: zvg)

Der Akkordeonist Goran Kovačević wurde 1971 in Schaffhausen geboren. Er hat am Konservatorium Winterthur und an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen studiert und ist Preisträger verschiedener internationaler Wettbewerbe; 2013 erhielt er vom Kanton St.Gallen das Atelierstipendium in Rom. Er lebt mit seiner Familie in Engelburg bei St.Gallen.

Willi Valotti gehört zu den Erneuerern der Schweizer Volksmusik – von seiner allerersten Kapelle, dem «Echo vom Hemberg», und der einstigen «Kapelle Heirassa» über die «Alderbuebe», die er seit 52 Jahren mitprägt, bis zum «item Quartett» und «Willis Wyberkapelle». Valotti bildete sich in Winterthur zum Akkordeonlehrer aus und in der Harmonielehre bei Max Lang, im Kontrabass in Zürich sowie im Studium für Arrangement und Komposition in Schaffhausen.

Der Förderpreis geht an den 1983 geborenen Schriftsteller, Journalisten und Musiker Frédéric Zwicker, der 2016 mit seinem Debütroman «Hier können Sie im Kreis gehen!» aufgefallen ist. Politisch zeigt er sich als Sänger der Band Knuts Koffer, die einen Song gegen die Durchsetzungsinitiative geschrieben hat, sowie Journalist, der über Sexismus am Openair St.Gallen oder über den latenten Rassismus in der Schwingerszene schreibt.
 

Abschied mit einer Neuentdeckung

Mit Erstaufführungen barocker Trouvaillen beschliesst Mario Schwarz seine langjährige Arbeit mit dem Collegium Musicum Ostschweiz. Pergolesis kürzlich aufgespürte Kantate «Dixit Dominus» bezeichnet er als Sensation.

Manuskriptseite des aufgefundenen «Dixit Dominus». Foto: zVg

Giovanni Battista Pergolesi ist kein Unbekannter, lange Zeit war er sogar Kult. Wie ist es zu erklären, dass ein bedeutendes Werk erst jetzt zum Vorschein kommt?

Mario Schwarz: In den Klosterbibliotheken lagert unendlich viel Material und es gibt wenige, die da herumstöbern. Einer von ihnen ist Friedrich Hägele aus Aalen. Er hat Pergolesis Dixit Dominus in der Bibliothek des Chorherrenstifts Beromünster ausgegraben. Die Missa Solemnis in C con organo concertante von František Xaver Brixi, die wir im selben Konzert aufführen, hat Karlheinz Ostermann aus Silz im Tirol, wie manches andere, in der Bibliothek des Klosters Ottobeuren gefunden. Es ist eine mühevolle Arbeit, die nicht jeder auf sich nimmt. Man findet ja keine Partituren, sondern Einzelstimmen, Abschriften oder auch Abschriften von Abschriften. Im Falle Pergolesis war es besonders miserables Material. Alle, die damit zu tun hatten, haben über den schlechten Schreiber geflucht, der da am Werk war. Selber habe ich mich nicht mit diesem Material beschäftigt. Aber in der daraus hergestellten Partitur gab es tausend Fragen; ich habe stundenlang mit dem Herausgeber telefoniert.

Hat sich denn die Arbeit gelohnt? Obwohl Pergolesi nur 26 Jahre alt wurde, weist sein Werkverzeichnis ja eine beachtliche Zahl von Kirchenkompositionen auf, darunter ein weiteres «Dixit Dominus».

Es ist von der Anlage her ein wunderbares Werk, grösser als das Schwesterwerk, und ich denke auch, dass es Zukunft hat. Es zeigt eine kluge Verteilung der Soli, der solistischen Ensembles und des Chors, da herrscht eine schöne Abwechslung. Zudem ist diese Musik nicht nur sehr sanglich, sondern auch sehr klar textbezogen komponiert. Der Anfang etwa mit dem deklamatorischen «Dixit»-Ruf geht unter die Haut, oder der Schluss mit den langen Notenwerten im Stile antico zum «Sicut erat in principio» (Wie es war zu Anfang) hat wirkliche Grösse. Das alles ist sehr emotional und auch bildhaft – ein Orgelpunkt markiert den Schemel für die Füsse des Herrn, zu dem die Feinde werden sollen.
 

Wie sicher ist die Autorschaft? Gemäss MGG führte der legendäre Ruf des jung verstorbenen Genies zu einem blühenden Handel mit falsch zugeschriebenen oder gefälschten Kompositionen. Das Verhältnis von authentischen zu unechten Werken soll im Falle Pergolesis einen Spitzenwert von 1 zu 10 aufweisen.

Einen Beweis für die Echtheit dieses Werks gibt es nicht, bisher jedenfalls wurde kein originales Notenblatt oder auch nur der Hinweis auf eine Aufführung gefunden. Unbekannt ist auch der Weg, auf dem das Werk ins Stift Beromünster gelangt ist – und übrigens eine stark gekürzte Version auch in die Bibliothek des Klosters Einsiedeln. Es gibt keine historischen Belege, nur die kompositorische Handschrift, wie man sie aus den gesicherten Werken kennt und die man hier wiederfindet, typische Rhythmen, die Behandlung von Fermaten. Ein Beweis fehlt, aber vom Stilistischen her hat man stark das Gefühl, dass da wirklich ein sehr guter Komponist am Werk war und der Verlag es zu Recht unter dem Namen Pergolesi herausgibt.


Mario Schwarz hat das Collegium Musicum Ostschweiz mehr 40 Jahre lang geleitet. Er ist besonders mit Uraufführungen von Schweizer Komponisten hervorgetreten, zum Beispiel 2004 mit der Oper Tredeschin von Gion Antoni Derungs. 2009 konnte er Heinrich von Herzogenbergs Violinkonzert aus der Taufe heben. 2010 dirigierte er zum 100. Todestag Henry Dunants Derungs’ szenisches Musikwerk Henry Dunant – das Libretto stammte von Hans-Rudolf Merz (SMZ 12/2010, Seite 25).

Abschiedskonzert von Mario Schwarz

Erstaufführungen von F. X. Brixi und G. B. Pergolesi

 
So 09. April,17 Uhr, Stiftskirche Bischofszell
Do 13. April,19 Uhr, Kirche St. Fiden, St. Gallen
Fr 14. April,17 Uhr, evangelische Kirche Heiden

Muriel Schwarz, Sopran; Kismara Pessatti,Alt; Nik Kevin Koch, Tenor; Chasper-Curò Mani, Bass; Christian Busslinger, Orgel; Chor und Orchester des Collegium Musicum Ostschweiz
 

Thurgauer Kulturstiftung bleibt eigenständig

Der Thurgauer Regierungsrat hat die Eigentümerstrategie 2017 bis 2020 des Kantons für die Kulturstiftung genehmigt. Die öffentlich-rechtliche Stiftung soll weiterhin eigenständig handeln und die staatliche Kulturförderung ergänzen. Finanziert wird die Stiftung mit Mitteln aus dem Lotteriefonds.

Plakat des Jazzfestivals generations16, das von der Kulturstiftung unterstützt wurde. Visual: zVg

Die Eigentümerstrategie bestimmt mit übergeordneten Leitplanken den Spielraum für die Strategie des Stiftungsrates. Die Eigentümerstrategie, schreibt der Kanton Thurgau, muss alle vier Jahre überprüft und allenfalls an neue Situationen angepasst werden. Die Kulturstiftung soll ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit weiterhin behalten, hält der Regierungsrat in der Eigentümerstrategie 2017 bis 2020 fest.

Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau wurde 1991 durch den Regierungsrat gegründet. Sie ist eine öffentlich-rechtliche Stiftung, welche die Kulturförderung des Kantons ergänzt. Laut Eigentümerstrategie bezweckt die Kulturstiftung ausschliesslich die Förderung des zeitgenössischen professionellen Kulturschaffens. Damit soll sie zu einem vielfältigen kulturellen Leben im Kanton beitragen und mithelfen, ein attraktives Umfeld für professionelle Kulturschaffende zu schaffen. Finanziert wird die Kulturstiftung aus Mitteln des Lotteriefonds.
 

Politisch bedrohte Musikkulturen

Die Kopenhagener Nichtregierungsorganisation Freemuse zählte 2016 in 78 Ländern der Welt 1028 Angriffe auf Musikerinnen und Musiker und zeigt sich besorgt über die zunehmenden Bedrohungen der künstlerischen Freiheit.

Foto: Daniel Lobo/flickr.com

Gegenüber 2015 hätten sich die Meldungen mehr als verdoppelt, von 469 registrierten Attacken im 2015 auf 1028 im 2016. Freemuse zählte 840 Fälle von Zensur und 188 gewalttätige Angriffe auf Musikerinnen und Musiker. Beispiele sind etwa der gewaltsame Tod der Musiker Amjad Sabri in Pakistan oder Pascal Treasury Nshimirimana in Burundi sowie der Tod eines 15-Jährigen im Irak, der vom sogenannten Islamischen Staat hingerichtet wurde, weil er westliche Musik hörte.

Am meisten Zwischenfälle (30) wurden im Iran registriert. Das Land ist seit 2012, als Freemuse begann, Bedrohungen zu dokumentieren, das auffallendste. Gefolgt wird es in der unrühmlichen Liste von der Türkei, Ägypten, Nigeria, China, Russland, Malaysia, Syrien, Tansania und Usbekistan.

Freemuse wurde 1998 auf der World Conference on Music and Censorship in Kopenhagen gegründet. 2009 ist sie vom Musikrat der UNESCO mit dem IMC Musical Rights Award ausgezeichnet worden.

Mehr Infos: freemuse.org
 

Ohne Klischees betrachtet

Der Komponist, Architekt und Ingenieur Iannis Xenakis (1922–2001) stand im Fokus eines internationalen Symposiums an der Zürcher Hochschule der Künste, das flankiert von vier Konzerten für einen klischeefreien Blick auf Xenakisʼ musikalisches Œuvre plädierte.

Iannis Xenakis: Studie für «Metastaseis» – 1954. Foto: flickr.com

Prasselndem Regen gleich durchdringen Schlag zwölf Uhr kraftvolle Trommelwirbel auch die hintersten Ritzen des weitverzweigten Toni-Areals. Sechs junge Perkussionisten, im Halbrund auf der weitläufigen Kaskadentreppe, dem zentralen Durchgangsort der Gebäude platziert, interpretieren mit sichtlicher Spielfreude Xenakis‘ Peaux aus Pléiades (1978) und ziehen auch in ihren Bann, wer nur zufällig vorbeikommt.

Die Rezeption von Xenakisʼ musikalischem Œuvre und seine Positionierung in der Neuen Musik unterlagen lange diversen Stereotypen. Spätestens seit der 1963 publizierten Abhandlung musiques formelles, in der er musikalische Strukturen in mathematischen Formeln zu fassen suchte, wurde es oft vorschnell im Hinblick auf Parallelen zwischen Musik und Mathematik betrachtet. Die Uraufführung von Metastaseis für 61 Instrumente brachte Xenakis 1955 in Donaueschingen den kompositorischen Durchbruch. Ausgangspunkt des Werks waren hyperbolische Kurven, die später auch dem mit Le Corbusier erstellten Philips-Pavillon der Brüsseler Weltausstellung zu Grunde lagen. Damit wurde eine weitere oberflächliche Sicht auf sein Schaffen zementiert, nämlich die Einheit von Architektur und Komposition.
 

Vorausnahme spartenübergreifender Tendenzen

Im Zentrum der Zürcher Tagung vom 23./24. Februar 2017 standen hingegen unterschiedlichste Perspektiven und die visionäre Vielfalt seiner Kompositionen. Diese spiegeln sich nicht zuletzt in sensuellen, visuellen und transmedialen Qualitäten, wie auch in Weltbezügen und assoziationsreichen Werktiteln. Anhand bislang unerforschter Skizzen zeigte in diesem Sinne Benoît Gibson (Evora) auf, wie Xenakis mehrstufig und spielerisch zu kompositorischen Entscheiden fand. Die oft auf formalisierte Aspekte reduzierte Deutung der Partituren steht dieser Prozesshaftigkeit diametral entgegen. Dass bei gängigen Xenakis-Bildern die von ihm selbst geschaffenen Weltbezüge zu wenig Beachtung fänden, betonte Jörn Peter Hiekel. An Metastaseis zeigte er auf, wie Xenakis beispielsweise erstmals den Begriff der Massen in die Musik einführte, indem er eigene biografische Erfahrungen der politischen Erschütterungen des zweiten Weltkriegs musikalisch verarbeitete.

Am legendären IBM 7090 erprobte Xenakis bereits in den Sechzigerjahren wegweisend die Möglichkeiten des Computers für kompositorische Prozesse. Seither gilt er den computerbasierten Komponisten als Vorreiter. Philippe Kocher sieht Xenakisʼ Pionierleistung hingegen nicht in mathematischer Formalisierung oder exakter Wiederholbarkeit, sondern in der frühen Hinwendung zu musikfremden Methoden.

Wie lassen sich dreidimensionale hyperbolische Kurven in traditionelle Notenschrift übertragen? Xenakisʼ grafische Partituren erzeugen durch vielschichtige visuelle Qualitäten einen offenen Deutungsraum. «Die Verknüpfung von räumlicher und musikalischer Vorstellung ist eigentlich ein transdisziplinäres Verfahren», stellte Lars Heusser in seinem Beitrag You have the good fortune of being an architect fest. Dass es bei der Übersetzung der Skizzen ins starre Korsett des klassischen Notensystems zu einer Verschiebung von Mehrdeutigkeit zu Eindeutigkeit komme, veranschaulichte Heusser bildstark an konkreten Partiturdetails.

Auch mit seinen transmedialen Werken nahm Xenakis Tendenzen heutigen spartenübergreifenden Kunstschaffens vorweg. Die Vision der Verschränkung von Klang, Raum und Licht zu kosmischen Dimensionen, ganz im Sinne der Raumfahrtseuphorie der Siebzigerjahre, setzte er in diversen Polytopes um. Als Dirigent am Mischpult leitete er raumfüllende Inszenierungen, die Ton- mit Licht- und Lasereffekten koppelten. Den spektakulären Höhepunkt bildete 1978 Le Diatope, mit der Aufführung von La Légende dʼEer, geste de lumière et de son, zur Eröffnung des Centre Pompidou. «Le Diatope ist nur mehr ein Mythos und lebt in lückenhaften Erzählungen von Gästen der Aufführung weiter», meinte Nicolas Buzzi und unternahm am Nachtkonzert den Versuch einer Annäherung. Die geplante multimediale Umsetzung konnte zwar nicht stattfinden. Umso mehr fesselte das Klangerlebnis: Zwölf Lautsprecher umgaben das frei im Saal verteilte Publikum und kreierten eine derartige Sogwirkung, dass sich fast eine multisensuelle Wahrnehmung einstellte.

Xenakis betonte immer wieder die Idee vom Musikwerk als lebendigem Organismus. Am Solistenkonzert hauchten Martina Schucan (Violoncello) und Ermis Theodorakis (Klavier) Schlüsselwerken wie Kottos für Cello solo (1977) und Herma für Klavier solo (1961) durch ihre virtuose Interpretation buchstäblich Leben ein.

Eine klischeehaft eingeengte Betrachtung von Xenakisʼ facettenreichem musikalischem Werk konnte an der Zürcher Tagung definitiv ad absurdum geführt werden.
 

La Légende dʼEer, geste de lumière et de son wurde 2005 von Mode Records auf DVD herausgebracht. Eine Rezension von Thomas Patteson mit vielen Bildern ist hier zu finden:

http://acousmata.com/post/536583109/the-legend-of-er

Trumpsinn

Seit der Amtseinführung des US-amerikanischen Präsidenten scheint nichts, wie es einmal war. Immer lauter werden die Bedenken, wohin das Verhalten und die Politik von Donald Trump hinführen. Auch der kulturelle Sektor bleibt von diesem Kahlschlag nicht verschont.

Matthias von Orelli — Es begann schon mit den denkwürdigen Absagen von zahlreichen Musikstars, die für die musikalische Umrahmung der Amtseinführung angefragt wurden. Dies zeigte deutlich, dass die Politik Donald Trumps und die Kultur kaum vereinbar sind. In der Zwischenzeit hat der neue US-Präsident auch mit einschneidenden Kürzungen bei der Kulturförderung gedroht, vor allem mit der Androhung der Abschaffung der beiden staatlichen Fördereinrichtungen für Kultur NEA (National Endowment for the Arts, 1965 von Lyndon B. Johnson gegründet) und NEH (National Endowment for the Humanities). Zahlreiche republikanische Politiker des Senats haben zudem durchblicken lassen, dass sie von staatlicher Kulturförderung nichts halten. Sie wollen die Künste dem Markt überlassen, privat organisieren oder am besten ganz abschaffen. Zudem ist es kein Zufall, dass sich der Sparplan eng an einem Budget-Vorschlag der erzkonservativen «Heritage Foundation» orientiert, jene Stiftung, die seit Jahren die Abschaffung der NEA fordert. Der Angriff auf die beiden Organisationen ist sinnbildlich für das neue antiliberale Klima in den USA. Erschreckend ist die Tatsache, dass sich die Ideologie eines Staates auch in anderen, europäischen Ländern, in der Kulturförderung niederschlägt.

Donald Trump setzt seinen Kunstgeschmack ähnlich rigide durch wie die Präsidenten von Polen und der Türkei oder der Ministerpräsident Ungarns. Gefördert wird ausschliesslich «erbauliche» Kunst, die dem nationalistischen Selbstverständnis der Regierung dient. Ein ähnlich begrenztes Kunstverständnis besitzen auch die US-Republikaner. Seit Jahrzehnten führen sie einen erbitterten Krieg gegen die Künste, die in ihren Kreisen als liberal und unsittlich gelten. Grund genug, dass sich drei Stimmen aus dem Umfeld der Schweizer Musikhochschulen zum Thema «Trump – Musikkultur» äussern.

Tragikomödie im Licht der Glühlampen

Sara Horvath — Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten bekommt einen Präsidenten, der keine Grenzen respektiert. Entlang der Landesgrenze will er eine Mauer errichten.

The United States of America, the place to be: Im vergangenen Jahrhundert waren die USA für viele Europäer Zufluchtsort und neue Heimat, die Chance in Freiheit leben und denken zu dürfen. In den letzten Jahrzehnten übernahm Amerika öfters weltpolitische Verantwortung, weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus, und wir Europäer beäugten das argwöhnisch, demonstrierten vielleicht dagegen – aber insgeheim waren wir doch froh, dass da noch ein grosser Bruder war, der helfen könnte, wenn es brenzlig wird. In den vergangenen Jahren war ebendieses Amerika für viele meiner Altersgenossen auch das Land, in dem Träume greifbar sind, wahrer werden als hier bei uns. La La Land lässt grüssen. Gut möglich, dass einiges davon vorläufig der Vergangenheit angehört. Manche Einwohner Amerikas scheinen die Nase davon voll zu haben, sich um alle andern zu kümmern ausser um sich selbst. Zu viele ihrer Männer sind irgendwo auf der Welt stationiert gewesen und als sie zurückkamen waren sie ihrer Menschlichkeit beraubt. Zu viele Fremde kamen und konnten ihre Träume erfüllen, während die eigenen Leute zu kurz kamen. Und dann kommt Trump.

Dieser Mensch irritiert mich. Ich würde gerne an ihm vorbeikommen, ihn ignorieren. Fassungslos starrte eine Bekannte am 8. November auf die Wahlergebnisse und fragte mich entsetzt, ob ich das mitbekommen hatte. Das hatte ich. Obwohl ich mich raushielt bei diesem amerikanischen Zirkus, den ich weder so recht verstand noch wirklich ernst nahm. Aber ich war nicht erstaunt über das Resultat. Wenn wir Schweizer Abstimmungsresultate produzieren können, die anscheinend niemand wollte und für niemanden vorhersehbar waren – warum sollten das die Amerikaner nicht auch können? Können und dürfen? Demokratie funktioniert nun mal so. Die Mehrheit hat Recht. In gewissem Sinne mag Donald Trump ein äusserst amerikanischer Präsident sein. Seine präsidiale Kommunikation per Twitter erinnert an den Pioniergeist der ersten europäischen Einwanderer, um eines der Beispiele für seine unkonventionelle Haltung zu nennen. Und da Amerika nie monarchisch organisiert war passt es auch, dass er nicht allzu staatsmännisch-vornehm auftritt. Auf einen weiteren Aspekt, der mir amerikanisch zu sein scheint, möchte ich ein bisschen näher eingehen.

Der russische Komponist Nikolai K. Medtner war um 1920 auf Konzertreise in Amerika. Dabei «bedrückt(e) ihn der geschäftsmässig nüchterne Lebensalltag, in dem weder Poesie noch geistige Werte einen Platz haben.» Er hatte den Eindruck, dass «Amerikaner sich vor der Nacht und ihren geheimnisvollen Geistern (Tjutschew) fürchten, denn wenn es dunkel wird, schalten sie Millionen und Abermillionen elektrischer Glühlampen an, um nur ja nicht auf das Geheimnisvolle zu treffen und sich die glänzende Oberfläche auch nachts zu bewahren.»1

Ob im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tatsächlich kein Platz ist für Poesie oder geistige Werte sei dahingestellt. Aber die glänzende Oberfläche, die sehe ich auch in Trumps Gesicht. Geputzt und geföhnt steht da ein Mann am Mikrofon, der viel jünger aussieht als er es in Wirklichkeit ist. Ein Mensch, der einen fragwürdigen Umgang mit Fakten an den Tag legt, der auch hier mehr auf die glänzende Oberfläche bedacht ist als auf Wahres oder Vorgefallenes. Ein Politiker, dem das Showbusiness vertrauter zu sein scheint als das aktuelle Weltgeschehen. «Die Welt hat nicht ihren Verstand, sondern ihr Herz verloren!» Auch dieser Satz entstammt der Briefkorrespondenz Medtners und scheint mir heute aktueller denn je. Denn wer nimmt sich in diesen Tagen schon Zeit für Herzensangelegenheiten?

Die Zeit, in der Donald Trump zum mächtigsten Mann der Welt gewählt wird, ist eine Zeit, in der mehr immer besser bedeutet. Eine Zeit, die auf schnelle Gewinne und glänzende Oberflächen aus ist. Eine Zeit, die sich nicht auf langwierige Suchen oder mühsame Prozesse einlassen will. Auch wir Musiker sind Kinder dieser Zeit. Wir können von Donald Trump lernen, indem wir ihn anschauen, die Zeichen der Zeit erkennen und uns nicht mit glänzenden Oberflächen begnügen, sondern uns stattdessen auch mit dem Dunkeln in uns und um uns auseinandersetzen. Ohne elektrische Glühlampen. Auf diesem Weg würden wir vielleicht auch unser verloren geglaubtes Herz wieder finden.

Trumpsinn

James Alexander — When asked to contribute a column to this journal, I reminded the editor that I‘m not American (I have Canadian and Swiss citizenship). However, since Canada and the US share the longest undefended border in the world – at least at the time of my writing these lines – the economic and social life of Canada have always been heavily influenced by its powerful neighbour to the south. In this regard, I was impressed by recent statements from Canada‘s Prime Minister, Justin Trudeau, defending the open and humanitarian values on which Canadian society is based and until recently, the US was always proud to proclaim as well. So, as a Canadian who studied in Santa Barbara, Chicago and New York I‘ll add a few thoughts here, albeit from a Swiss perspective!

In the short time since Donald J. Trump took office (I am relieved to learn that the «J» stands for John, and not James), the world has lost no time in responding, for the most part critically, to his actions as President. As shocking as his election is to me personally, he nevertheless was elected democratically: what I find more disturbing is to consider why America chose him, and to ask in what direction our society as a whole is heading. After all, one doesn‘t need to look very far from home: why did no-one predict Brexit, and why was a beautiful young British politician, wife and mother murdered for her belief in a tolerant and integrated society? What is happening in Hungary, and what will happen in Holland and France? Politics aside, these European countries also share a rich culture and long tradition of «classical» music. To take a horribly cynical view, one could argue that there is little to fear from the effects of a Trump presidency upon musical life, since I assume that the names of many important performers and composers are probably unknown to him: unlike Mexicans or Muslims, how can he block or ban people he‘s never heard of?

If we continue in this light, what, if anything, can artists/musicians do in the current political climate, and what should we as a community be saying to the societies in which we live and work? To stand in front of the American embassy in Berne or even the White House in Washington with angry posters probably wouldn‘t attract much attention, even if one is a star: look at Trump‘s sad denouncement of Meryl Streep, one of the greatest actresses of our time. Many of us teach, as well as perform, and to teach music is in my opinion directly related to teaching human values. To excel as a chamber musician, it is essential to learn to listen to your partners, respect other points of view, and to speak with a unified voice. Without this, the result is empty noise – as in politics. The qualities that make a great work of art or a strong society are universal. Listening recently to a moving performance of Bach reminded me that sooner or later (and I suspect the former) Trump will be gone, but Bach is here to stay.

Wenn Trump singt geht die Welt nicht unter

Ranko Marković — Nun hat es Donald Trump also auch noch in die Schweizer Musikzeitung geschafft… Während auf nmz-Online allein seit Jahresbeginn bereits 14 Trump-erwähnende Artikel erschienen sind, haben wir uns an der ZHdK dazu bisher wenig Gedanken gemacht. Wie sollte denn Trump die Musik betreffen wenn es bisher überhaupt keine Hinweise darauf gibt, dass er selbst von der Musik betroffen sein könnte? Nirgendwo ist bislang erwähnt worden, dass der 45. US-Präsident Saxophon, Klavier oder Gitarre gespielt, im Chor Beethovens Neunte oder bei einem Betriebsausflug Karaoke gesungen hätte. Seine Sprache ist vulgär, seine Diktion abgehackt, seine Stimme heiser – Trump klingt schlecht, und als Ursache dafür – das weiss jede gute Pädagogin und auch jeder gute Pädagoge – kommt nur das Fehlen von qualifiziertem Musikunterricht im Rahmen seiner Bildung in Frage.

Es ist also kein Wunder, dass Donald the president unter Musikerinnen, Musikern, Schauspielerinnen und auch Schauspielern ein ausgesprochen schlechtes Image hat: Elton John lehnte es ab, bei Trumps Vereidigungszeremonie zu singen, DJ Moby ist für den Wirtschaftstycoon und Hobbypolitiker nicht buchbar und Robert de Niro möchte ihm «in die Fresse hauen». Noch bis Ende April läuft unter ourfirst100days.us eine musikalische Kampagne, im Zuge derer engagierte Sängerinnen und Sänger täglich einen neuen Anti-Trump-Song lancieren. Den Reigen eröffnete Angel Osten, gefolgt von Mitski und anderen, der alternativen Szene angehörenden Künstlerinnen und Künstlern. Nicht zu vergessen Meryl Streep, die anlässlich der Golden Globe-Verleihung ebenso sensible wie artikulierte Worte fand, um Trumps menschenverachtendes Gehabe zu kritisieren. Ohne den Mann persönlich getestet zu haben berufe ich mich auf meine langjährige musikpädagogische Erfahrung und behaupte, dass Donald Trump unmusikalisch ist. Den Beweis für diese Behauptung leite ich last but not least aus der Anwendung eines von Johann Gottfried Seume 1804 gedichteten Verses ab, der da lautet:

Wo man singet, lass dich ruhig nieder,

Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;

Wo man singet, wird kein Mensch beraubt;

Bösewichter haben keine Lieder.

Quod erat demonstrandum.

Nun hat es der Bösewicht Trump also nicht nur ins Weisse Haus, sondern sogar bis in die Schweizer Musikzeitung geschafft. In Wien würde man dazu sagen: «Die Welt steht nimmer lang…». Das ist aber alles halb so schlimm: Ein gelernter Österreicher (wie auch die Österreicherin) weiss, dass Weltuntergänge vorübergehende Zeiterscheinungen sind. Bis man sich an der ZHdK auf eine umfassend begründete Position zu Trump verständigt hat und bis sich auch die klassischen Musikerinnen und Musiker ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst geworden sind, ist der Mann vielleicht gar nicht mehr Präsident. Oder er hat singen gelernt. Mein Repertoirevorschlag für seine Verabschiedung wäre jedenfalls ein altes Wienerlied, das vermutlich 1679 vom Bänkelsänger, Sackpfeifer und Stegreifdichter Markus Augustin komponiert wurde:

O, du lieber Augustin, Augustin, Augustin,

O, du lieber Augustin, alles ist hin.

Note

1. Aus Daniel Shitomirski: «Über Nikolai Medtner und seine Musik», in: Einführung in die Klaviermusik von Nikolai Medtner. Berlin, Verlag Ernst Kuhn, S.8.

Sara Horvath

… ist Studierende an der Hochschule der Künste Bern mit Hauptfach Klavier Klassik bei Tomasz Herbut sowie Collaborative Piano bei James Alexander.

James Alexander

… ist Dozent für Kammermusik an der Haute Ecole de Musique de Genève.

Ranko Marković

… ist seit 2014 Studiengangsleiter BA Klassik und Head International Relations Musik an der ZHdK.

Jodler treffen sich 2020 in Basel

Die Stadt Basel hat den Zuschlag für die Durchführung des Eidgenössischen Jodlerfestes im Jahr 2020 erhalten. So werden sich vom 26. bis 28. Juni 2020 in Basel rund 12‘000 aktive Jodler, Alphornbläser und Fahnenschwinger treffen.

Bild: Jodlerfest 2017 Brig

Ein Eidgenössisches Jodlerfest wird gemäss Turnus alle drei Jahre einem Ort innerhalb eines der fünf Unterverbände zugesprochen. 2017 findet es in Brig statt. 2020 ist der Turnus am Nordwestschweizerischen Jodlerverband NWSJV, welcher zuvor Basel für die Austragung nominiert hatte.

Damit wird Basel erstmals nach 1924 wieder Austragungsort dieser traditionellen Grossveranstaltung für Schweizerisches Brauchtum sein. Damals war es der erste gesamtschweizerische Anlass der Jodler überhaupt. Die Bewerbung aus Basel wird gemeinsam von verschiedenen Jodlerklubs der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie von den Nordwestschweizer Vereinigungen der Alphornbläser und Fahnenschwinger getragen.

Am dreitägigen Fest in Basel lassen sich die Aktiven von einer Jury in verschiedenen Lokalen und an Plätzen in der Stadt bewerten. Zudem gibt es einen Festakt sowie einen grossen Festumzug am Sonntagnachmittag. Erwartet werden über 150‘000 Besucherinnen und Besucher, welche für einmal traditionelles Schweizer Brauchtum im urbanen Umfeld der Kulturstadt Basel erleben können.

Die Initianten des Jodlerfestes stehen zudem bereits mit den Veranstaltern des Festivals «Summerblues Basel» in Kontakt, welches gleichzeitig am Freitag des Eidgenössischen im Kleinbasel stattfinden wird. Mögliche Synergien werden von beiden Seiten wohlwollend geprüft und gesucht.

Hände weg von den Spartenradios

Würden die Spartensender der SRG abgeschafft, wie das die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen verlangt, verminderte sich das Einkommen von Schweizer Musikschaffenden um rund 1.5 Millionen Franken. Eine Online-Petition sammelt Unterschriften gegen diesen Vorschlag.

Foto: Erwin Lorenzen / pixelio.de

Mitte Februar hat die Medienkommission des Nationalrates unter der Leitung der Präsidentin Nathalie Rickli in einer Motion vorgeschlagen, die Spartenradios der SRG (Radio Swiss Jazz, Radio Swiss Classic, Radio Swiss Pop, Virus, Musikwelle und Option Music) abzuschaffen.

Musikverbände wehren sich dagegen. So hat das Schweizer Musiksyndikat zusammen mit den Musikschaffenden Schweiz anfangs März eine Medienmitteilung veröffentlicht unter dem Titel Schliessung von Spartensendern: Grosser Schaden, keine Einsparungen. Denn die Spartenradios trügen, wie es in der Mitteilung heisst, «massgeblich zum Erfolg der Schweizer Musik bei», indem die Spartenradios der SRG im Vergleich zu kommerziellen Privatradios viel mehr Schweizer Musik spielten. So flössen über 1.5 Millionen Franken an Urheberrechtsvergütungen an einheimische Künstlerinnen und Künstler. Mitunterzeichnet haben der Schweizerische Tonkünstlerverein, der Schweizerische Musikerverband, Helvetiarockt, IndieSuisse, IFPI, die Schweizer Interpretengenossenschaft sowie der Schweizer Musikrat.

Nun haben Urs Wäckerli (Lebewohlfabrik Zürich), Adrian Keller (Jazztime), Christian Rentsch (Verfasser der Petition und Journalist), Anders Stokholm (Initiant) und Peewee Windmüller (Jazz’n’more) die Online-Petition Hände weg von den Spartenradios! gestartet, mit der laut Website «die zuständigen Gremien im Bundeshaus gebeten werden, von einer Schliessung dieser Spartensender abzusehen.»

Informationen zur Petition und Weiterleitung zur Unterschrift gibt es hier:
https://prospartenradio.jimdo.com

Die Petition kann auch direkt hier unterzeichnet werden:
https://www.petitionen24.com/hande_weg_von_den_spartenradios

 

Saisonbilanz 2015/16 des Zürcher Kammerorchesters

Beim Zürcher Kammerorchester (ZKO) laufen die Konzerte so gut wie nie zuvor. Der Geschäftsbericht zur Saison 2015/16 verzeichnet mehr Besucher, bessere Auslastung und höhere Eigenwirtschaftlichkeit.

Foto: Thomas Enzeroth

In der Saison 2015/16 verzeichnete das ZKO eine Rekordauslastung von durchschnittlich 82 Prozent. Seit der Saison 2013/14 habe dieser Wert um fast 30 Prozent gesteigert werden können, schreibt das ZKO. Auch die absoluten Besucherzahlen seien gestiegen: Besuchten in der Vorjahressaison noch 54‘335 Personen ein ZKO-Konzert, waren es in der letzten Saison 61‘994.

Eine führende Rolle nimmt das ZKO bei den Familienkonzerten für sich in Anspruch: Es beruft sich dabei auf den Dachverband der Schweizer Berufsorchester in seiner Jahresstatistik 2014/15. Diesem zufolge veranstaltet das ZKO im Vergleich zu den anderen Schweizer Orchestern die meisten Konzerte für Kinder. In der Saison 2015/16 fanden insgesamt 37 Nuggi-, Krabbel-, Purzel- und abc-Konzerte für junge Familien mit ihrem Nachwuchs ab 0 Jahren im ZKO-Haus statt. Die Auslastung lag dabei bei 87 Prozent.

Das ZKO erwirtschaftet seine Erträge zunehmend selber. Die Ticketerträge und die akquirierten nichtstaatlichen Partnerbeiträge machen einen immer grösseren Anteil des Gesamtertrags aus. In der Saison 2014/15 betrug die Eigenwirtschaftlichkeit 52,4 Prozent. Diese konnte in der Saison 2015/16 weiter gesteigert werden, und zwar auf 56,5 Prozent.

Schweizer Musikhochschulen verlieren Spitzenrankings

Das Genfer Konservatorium belegte letztes Jahr im weltweiten Ranking der besten Kunst-Universitäten den Rang 19, die Zürcher Hochschule der Künste den Rang 35. Beide sind dieses Jahr aus den Top 50 gefallen. Den Spitzenplatz belegt unverändert die Juilliard School.

Zürcher Hochschule der Künste, Toni-Areal. Foto: Micha L. Rieser/wikimedia

Gewertet werden die Hochschulen sowohl nach akademischer Reputation als auch nach den Berufschancen der Absolventen. Zürich und Genf erreichen denselben Wert bei letzteren, Genf die etwas höhere Wertung in Sachen akademischer Reputation. Gründe für die massiven Veränderungen werden keine angegeben.

Die Zuverlässigkeit des Rankings dürfte mit Vorsicht zu geniessen sein, allerdings spielt es weltweit in der Einschätzung von Hochschulen eine gewisse Rolle.

Die ganze Liste:
https://www.topuniversities.com/university-rankings/university-subject-rankings/2017/performing-arts

Allerneueste Musik auf dem Prüfstand

Vom 16. bis 19. Februar 2017 fand die erste Ausgabe der hochdotierten Basel Composition Competition statt. Das Kammerorchester Basel und das Sinfonieorchester Basel führten die zehn Werke auf, die es ins Finale geschafft hatten. Prämiert wurden Kompositionen aus Mexiko, Italien und Südkorea.

Erster Preis 2017 für Victor Ibarra. Foto: Benno Hunziker

 

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, herausragende zeitgenössische Kompositionen zu prämieren: In den USA zeichnet etwa der Grawemeyer Award for Music Composition jährlich ein Werk, das bereits existiert und schon aufgeführt oder aufgenommen wurde, mit 100 000 Dollar aus. Naheliegend ist es aber auch, einen Kompositionswettbewerb zu veranstalten, der den Teilnehmern Besetzung und Werkdauer vorschreibt und etwa einer Nationalität oder bestimmten Altersgruppen oder Geschlechtern vorbehalten ist.

Es war die Idee von Christoph Müller, einem der rührigsten Schweizer Konzertmanager, mit der Basel Composition Competition (BCC) einen Wettbewerb für höchstens 20-minütige, noch nicht aufgeführte Werke für Kammer- oder Sinfonieorchester ins Leben zu rufen. Organisiert wurde die BCC von Müllers Agentur Artistic Management GmbH. Die Basler Paul-Sacher-Stiftung stellte ihr Know-how zur Verfügung, ohne den Wettbewerb allerdings finanziell zu unterstützen, was mit ihrem Stiftungszweck nicht zu vereinbaren gewesen wäre. Auch von der öffentlichen Hand wurde die Competition nicht subventioniert, vielmehr wurde die Finanzierung von Privatpersonen und Stiftungen übernommen. Das hohe Preisgeld von 100 000 Franken – aufgeteilt auf 60 000 Franken für das erstplatzierte, 25 000 Franken für das zweitplatzierte und 15 000 Franken für das drittplatzierte Werk – war bestimmt mit ein Grund, dass rund 450 Werke eingereicht wurden, eine Zahl, von der auch der Veranstalter überrascht war.

150 aus 450

Christoph Müller und seinen Mitstreitern gelang es, eine Wettbewerbsjury mit einigen klingenden Namen zusammenzustellen. Als Mitglieder waren Wolfgang Rihm (Präsident), Felix Meyer, Direktor der Paul-Sacher-Stiftung, Oliver Knussen, einer der führenden englischen Komponisten und Dirigenten, der Schweizer Komponist Michael Jarrell, Professor in Wien, Matthias Arter, Solo-Oboist im Kammerorchester Basel, und Soyoung Yoon, 1. Konzertmeisterin des Sinfonieorchesters Basel, vorgesehen. Rihm und Knussen konnten leider aus Krankheitsgründen nicht teilnehmen. In letzter Minute konnte mit dem Österreicher Georg Friedrich Haas, der heute in New York tätig ist, ein weiterer wichtiger zeitgenössischer Komponist als Jurymitglied gewonnen werden, während Michael Jarrell den Vorsitz übernahm.

Nicht unproblematisch ist die Tatsache, dass ein einzelner Komponist, der Basler Andrea Scartazzini, kein eigentliches Jurymitglied, die 450 Einsendungen auf 150 reduzierte, die der Jury vorgelegt wurden. Obwohl Christoph Müller kein Hehl daraus macht, dass der Jurypräsident die Ästhetik der ausgewählten und prämierten Werke definiert, ist es erstaunlich, dass von den in den drei Wettbewerbskonzerten aufgeführten Werken keines aus den USA, Grossbritannien, Frankreich, Finnland oder einem osteuropäischen Staat stammte, obwohl Kompositionen aus diesen Ländern weltweit einen sehr bedeutenden Anteil an aufgeführter zeitgenössischer Musik ausmachen.

10 aus 150

Für den Zuhörer oder die Zuhörerin war es in jedem Fall ein lohnendes, wenn auch anstrengendes Unterfangen, die Konzerte im grossen Foyer des Theaters Basel zu verfolgen. Die Musikstadt Basel kann stolz darauf sein, dass es hier mit dem Kammerorchester Basel (KOB) und dem Sinfonieorchester Basel (SOB) zwei Ensembles gibt, die auch die kompliziertesten modernen Partituren zum Klingen bringen können. Einen bedeutenden Anteil an der wohlvorbereiteten Interpretation der zehn ausgewählten Stücke hatten die beiden Dirigenten Franck Ollu, der sieben Werke mit dem KOB, und Francesc Prat, der drei Werke mit dem SOB einstudiert hatte.

Die BCC wünschte, dass die Komponistin und die Komponisten jeweils eine kurze Einführung in ihr Werk gaben, ausserdem wurden im informativen Programmheft Werkbeschreibungen abgedruckt. Einmal mehr stellte sich aber heraus, dass es den meisten Autoren nicht gegeben ist, sich verständlich über ihr Werk zu äussern, und die publizierten Texte oft nicht frei von unbeabsichtigter Komik sind. Eine hervorragende Idee der Veranstalter war es hingegen, dass die Komponistin und die Komponisten im Vorfeld Schulklassen in ihr Werk einführten und so vermutlich den Jugendlichen einen besonders authentischen Zugang vermitteln konnten.

3 aus 10

An der letzten Wettbewerbsveranstaltung am Sonntagmorgen spielten beide Orchester vor nun etwas grösserem Publikum die drei preisgekrönten Stücke. Wie immer war es interessant, den Werken ein zweites Mal zu begegnen, wenn es auch nicht unbedingt diejenigen Kompositionen waren, denen ich die grössten Chancen eingeräumt hatte. Michael Jarrell meinte bei der Preisverleihung, es sei für ein Mal nicht schwierig gewesen, die Reihenfolge unter den ersten drei festzulegen. Den 1. Preis der Basel Composition Competition gewann der 1978 geborene Mexikaner Víctor Ibarra mit In Memoriam, inspiriert durch ein Werk des katalanischen Malers Antoni Tàpies sowie den Tod seiner Mutter und die Geburt seines ersten Sohns. Das expressive Werk, in dem der Komponist «die Gegensätze, die unser Leben prägen: Anfang und Ende, Freude und Leid, Fülle und Leere, Leben und Tod …» thematisiert, scheint mir mit seinen Holzbläser-Mehrklängen, dem ausgiebig eingesetzten Schlagzeug und kräftigen Blech eher ein Beispiel der Mainstream-Moderne zu sein, das mit seiner relativ aufwendigen Besetzung geringe Chancen haben wird, in Zukunft häufig aufgeführt zu werden. Ähnliches muss man über After Last October sagen, das den 2. Preis erhielt. Geschrieben hat es Pasquale Corrado, 1979 in Süditalien geboren, der wie Ibarra von einem Kunstwerk (der Estasi di santa Cecilia von Raffael) und ebenfalls von der Geburt seines Kindes zu seiner Komposition angeregt wurde. Das Stück ist ein eher formloses Klangkontinuum mit interessanten Schlagzeugklängen, das man sich gerne anhört, ohne davon wirklich fasziniert zu sein. Hannah Hanbiel Choi, eine 1982 in Seoul in Südkorea geborene Komponistin, die heute in Berlin lebt, gewann den 3. Preis. Ihr Hide and Seek war das einzige der drei Stücke, das in der Wiederholung sogar noch besser wirkte als bei der ersten Aufführung. Die relativ schlichte Konzeption, zwei deutlich unterscheidbare musikalische Materialien erscheinen und verschwinden zu lassen und sie permanent zu verändern, wird durch eine originelle Instrumentation, die alle Instrumentengruppen berücksichtigt, zu einem wirklichen Hörvergnügen.

Unter den sieben Werken, die es nicht in das Finale schafften, waren neben naiven, braven, ermüdenden oder effekthascherischen Stücken zwei Kompositionen, die weitere Aufführungen verdienen würden. Zum einen Die Bewegung der Zeit des Mexikaners Juan de Dios Magdaleno (*1984), das durch seinen Fragmentcharakter, seinen schönen Orchesterklang und sphärische Klänge am Schluss auffiel, sowie Simulacrum von Henrik Denerin aus Schweden (*1978), dessen artifizielle und gläserne Klänge, Transparenz und aufgefächerte Instrumentation aufhorchen liessen.

Insgesamt kann von einem gelungenen ersten Jahrgang der Basel Composition Competition gesprochen werden. Sofern die Finanzierung zustande kommt, ist es geplant, den Wettbewerb alle zwei Jahre stattfinden zu lassen. Wenn er dazu beitragen kann, die Akzeptanz für allerneuste Musik zu vergrössern, hat er sein Ziel auf jeden Fall erreicht.

Stadt Luzern fördert Kreativwirtschaft

Die Stadt Luzern fördert Projekte und Initiativen der Kreativwirtschaft mit insgesamt 100‘000 Franken pro Jahr. Bewerbungen für einen Förderbeitrag können bis am 18. Mai 2017 eingereicht werden.

Ort der Luzerner Kreativwirtschaft: das Netzwerk Neubad (Bild: Webseite Neubad)

Im Rahmen der Umsetzung der Kultur-Agenda 2020 will die Stadt Luzern die Stadtluzerner Kreativwirtschaft fördern und unterstützen. Es geht laut der Mitteilung der Stadt um Unternehmen, die «marktorientiert Produkte herstellen oder Projekte realisieren, die einen kreativ-künstlerischen Hintergrund haben oder in einem solchen Zusammenhang stehen».

Mit dem Kredit von 100‘000 Franken pro Jahr sollen Projekte und Initiativen unterstützt werden, welche «die Entwicklung einer lebendigen Kreativwirtschaft in der Stadt Luzern begünstigen». Es handle sich, schreibt die Stadt weiter, nicht um eine zusätzliche Produktions- oder Veranstaltungsförderung für Kulturprojekte. Die Unterlagen zur Ausschreibung sind auf der Webseite www.kultur.stadtluzern.ch zugänglich. Termin für die Eingabe ist der 18. Mai 2017.

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