Kritiker zeichnen Grand Théâtre de Genève aus

Der Titel Opernhaus des Jahres geht 2020 zu gleichen Teilen an das Grand Théâtre de Genève und die Oper Frankfurt. Beide Häuser wurden in der Umfrage der «Opernwelt» unter 43 Kritikern ausgezeichnet.

Fassaden-Detail dam Grand Théâtre de Genève. Foto (Ausschnitt): Olga Serjantu/unsplash.com

Das Grand Théâtre de Genève wird seit 1962 durch das Orchestre de la Suisse Romande bespielt. Jede Saison werden in der Regel acht Opern (die meisten Eigenproduktionen), zwei bis drei Ballette und ein paar andere Musikstücke aufgeführt. Intendant ist Aviel Cahn.

Opernwelt, eine Berliner Fachzeitschrift für Musiktheater, ermittelt jährlich für die zurückliegende Spielzeit unter anderem die besten Opernhäuser, Produktionen, Sänger, Regisseure, Chöre Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Zur Umfrage, die in der Fachwelt Renommee geniesst, werden jeweils rund 50 Opernkritiker aus verschiedenen Ländern befragt.

Die Auszeichnung wird jährlich im Anfang Herbst zum Abschluss der Spielzeit veröffentlicht. Zuletzt wurde aus der Schweiz das Theater Basel mehrfach ausgezeichnet (2009 und 2010 Opernhaus des Jahres).

Herbstsession im Zeichen der Kultur

Das Parlament hat in der Herbstsession zwei für die Kulturbranche wichtige Geschäfte abgeschlossen. «Erfreuliche Zeichen für die Kulturbranche!» schreibt dazu die Taskforce Culture.

Das Bundeshaus in Bern. Foto: SMZ

Zur Ausgestaltung des Covid-19-Gesetzes schreibt die Taskforce Culture am 25. September: «Die Kulturbranche ist weitgehend erfreut über die Ausgestaltung des Covid-19-Gesetzes durch das Bundesparlament. Die Weiterführung der Unterstützungsmassnahmen für den Kultursektor ist für den Erhalt der kulturellen Vielfalt unverzichtbar. Die Taskforce Culture begrüsst insbesondere folgende Beschlüsse:

Art. 1 Abs. 3 Einbezug der Kantone und Dachverbände der Sozialpartner bei der Erarbeitung von Massnahmen

Art. 11 Abs. 2 Die Erhöhung des Kostendachs auf CHF 100 Mio. für Ausfallentschädigung für Kulturunternehmen
Der Bund sieht weiterhin Ausfallentschädigungen für Kulturunternehmen vor, welche zur Hälfte von den Kantonen mitfinanziert werden sollen. Die Forderung der Kulturbranche, die Veranstalter zusätzlich mit einer Art Risikofonds abzusichern, wurde leider nicht aufgenommen. Umso wichtiger ist nun eine praxisnahe unbürokratische Ausgestaltung der Ausfallentschädigung, die den Veranstaltenden eine möglichst hohe Planungssicherheit gibt. Dass die Kulturschaffenden zukünftig von der Ausfallentschädigung ausgeschlossen sind, bedauern wir. Umso wichtiger ist es, dass die Kantone auch die Gagen und Honorare der Kulturschaffenden in den Ausfallberechnungen der Kulturunternehmen akzeptieren.

Art.11 Ab. 3 Transformationsprojekte
Neue Formate müssen ausprobiert werden. Reine Streaming-Angebote können aber weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich Ersatz für Live-Darbietungen sein. Hier ist eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Förderstellen nötig, damit neue oder angepasste Formate entstehen können. Von dieser Förderung sollen nicht nur Kulturunternehmen profitieren, sondern auch Kooperationsprojekte von Kulturschaffenden selbst.

Art.11 Abs 4 Weiterführung der essenziellen Nothilfe durch Suisseculture Sociale
Sie ist sinnvoll definiert und erfasst nun alle wichtigen Berechtigten-Gruppen. Unklar ist, ob das Budget ausreichen wird, wenn Kulturschaffende keine Ausfallentschädigungen mehr erhalten, es keine Kurzarbeitsentschädigung mehr für befristet Angestellte gibt und die Erwerbsersatzentschädigung für Selbstständigerwerbende nur bis Mitte 2021 weitergeführt werden.

Art. 15 Massnahmen zur Entschädigung des Erwerbsausfalls für Selbständige und Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung
Die Entschädigung nicht nur bei Betriebsunterbruch, sondern auch bei massgeblich eingeschränktem Betrieb, ist für viele entscheidend und zu begrüssen. Bedauerlich ist hingegen, wie das Parlament die «massgebliche Einschränkung» definiert: Berechtigt ist nur, wer weniger als 55% des durchschnittlichen Umsatzes der letzten fünf Jahre erreicht. Auch die Geltungsdauer nur bis Mitte 2021 greift gerade für den Kultursektor zu kurz, da es bis zum Normalbetrieb länger dauern wird.

Art. 17 Dass die Kurzarbeit für temporär Angestellte nicht weitergeführt werden soll, bedauern wir. Im Kulturbereich arbeiten viele Personen in befristeten, projektbezogenen Kurzanstellungen. Sie sind ohnehin schon in prekären Verhältnissen tätig und erfüllen die Bedingungen für ein Arbeitslosentaggeld nicht. Ihnen bleibt nun als einzige Unterstützung innerhalb der Bundesmassnahmen die Nothilfe bei Suisseculture Sociale. Der Vorschlag, die Rahmenfrist in der Arbeitslosenversicherung zu verlängern, um kurzzeitig befristet angestellten Personen den Zugang zur Arbeitslosenversicherung zu ermöglichen, fand im Parlament leider auch kein Gehör.»
 

Kulturbotschaft 2021-2024

Fast unbemerkt ging die Beratung der Kulturbotschaft 2021-2024 über die Bühne. Das Parlament hat das vom Bundesrat vorgeschlagene Budget nicht nur genehmigt, sondern in gewissen Bereichen erhöht. Die Taskforce Culture begrüsst es, «dass die Einhaltung von Mindest- oder Richthonoraren der Berufsverbände für Kulturschaffende als explizite Bedingung für Kulturförderung in die Kulturbotschaft aufgenommen wurde. Dies ist ein positives Signal sowohl für die durch die Covid-19-Krise in ihrer Existenz bedrohten Kulturschaffenden der Schweiz als auch eine Aufforderung an die weiteren Kulturförderinstitutionen – Kantone, Städte und Gemeinden sowie privaten Stiftungen – hier nachzuziehen.»

St. Galler Kulturpreis geht an Max Aeberli

Den diesjährigen Kulturpreis des Kantons St. Gallen erhält der Rapperswiler Musiker, Chorleiter und Dirigent Max Aeberli. Der Preis der Kulturstiftung ist mit 20’000 Franken dotiert.

Max Aeberli (Bild: Webseite Teamchor)

Max Aeberli gründete und leitet diverse Chöre und orchestrale Grossprojekte, laut der Mitteilung des Kantons mit innovativem Zugang zu alter, dramatischer, sakraler, lyrischer, zeitgenössischer und experimenteller Musik, oft an speziellen Aufführungsorten und in stimmiger Atmosphäre. Oft suchte er nach unbekannten Werken, mit denen er für Schweizer Erstaufführungen oder Uraufführungen sorgte.

Max Aeberli absolvierte sein Berufsstudium an der Musikhochschule Luzern. Mit Schwerpunkt Musikpädagogik bei Josef Röösli, Chorleitung bei Hans Zihlmann und Alois Koch, Klavier bei Rene Gerber. Zu seinem Wirkungskreis zählen unter anderem der Chor Cantate, der Sängerbund, Kirchenchöre, Kinderchöre, der Chor cantacanti oder Dilettanti.
 

Erfolgreich durchgeführte Wettbewerbe

Am ersten Septemberwochenende fand in Sirnach der 20. Ostschweizer Solisten- und Ensemblewettbewerb (OSEW) statt, Mitte Monat der 2. Schweizer Schlagzeugwettbewerb (SPC) in Winterthur.

Foto: Swiss Percussion Competition,Foto: OSEW

Im Folgenden werden die von den Teams der beiden Wettbewerbe zur Verfügung gestellten Berichte in gekürzter Form publiziert.

Ostschweizer Solisten- und Ensemble-Wettbewerb

Die 20. Durchführung des Ostschweizer Solisten- und Ensemble-Wettbewerb (5./6. September 2020) hätte mit einer grossen Jubiläumsfeier gekrönt werden sollen. Aber das Corona-Virus hat all diese Pläne zerschlagen. Dank der aktuellen Situation und den grossen Anstrengungen der Organisatoren, die Schutzkonzepte von Gemeinde und Kanton einzuhalten, konnte der Wettbewerb in Sirnach erfolgreich durchgeführt werden. Rund 600 Solisten und Ensembles stellten sich am Wochenende den Juroren. Für die Wettbewerbsteilnehmer lief alles wie immer ab: einspielen, Wettbewerbsauftritt und zum Schluss die Rangverkündigung. Aber das ganze «Drumherum» war ganz anders. Es gab kein Festzelt, keine Festbänke und -tische. In den Vortragssälen waren nur spärlich Stühle aufgestellt, um Abstand zu gewährleisten. Dazu war empfohlen, eine Maske zu tragen. Für Organisatoren und Zuhörer war das ein ganz spezielles Gefühl, denn vor Corona kannte man nur volle Zuschauerränge.

Der OSEW ist sowohl bei Musiklehrern als auch bei Schülern sehr beliebt, was die stets steigenden Anmeldezahlen zeigen. Speziell in diesem Jahr ist es sehr erfreulich, dass sich trotz erschwerter Umstände so viele Jugendliche eingeschrieben haben. Einige sind sogar aus der Innerschweiz oder dem Kanton Bern angereist. Die meisten kamen aber aus den Kantonen Zürich, St.Gallen, Thurgau und Appenzell. Ein Zeichen dafür, dass die Musik ein wichtiges Element im Leben ist und auch in schwierigeren Zeiten Freude und Motivation bringt.
 

Image
Die jüngste OSEW-Teilnehmerin, Julia Christen, holte zwei Podestplätze in der Kategorie Xylofon und Snare-Drum

Die Rangverkündigungen wurden über den Tag verteilt. Das fanden Teilnehmer und Angehörige als angenehm. So musste man nicht bis zum Abend warten, um den ersehnten Pokal zu bekommen. «Das Niveau dieser Mädchen und Jungen ist recht hoch,» meinte einer der Juroren beeindruckt. Dank der zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern klappte alles reibungslos.

Der OSEW 2021 ist beim Vorstand bereits in Arbeit. Es ist den Organisatoren ein grosses Anliegen, den Vorstand und die Musikkommission zu erweitern und zu verjüngen. Viele der aktuellen Mitglieder sind seit der Vereinsgründung mit dabei und möchten gerne die Tätigkeit in jüngere Hände legen.
 

Ranglisten und Bilder auf

www.osew.ch


Swiss Percussion Competition

Trotz der Schulschliessungen auf Grund der Corona-Situation in der Vorbereitungszeit hat sich eine grosse Zahl von Schlagzeugerinnen und Schlagzeugern für den zweiten Schweizerischen Schlagzeugwettbewerb (19./20. September 2020) vorbereitet und daran teilgenommen. Dank einem sehr guten Hygienekonzept und allen vorgeschriebenen Sicherheitsmassnahmen ging der diesjährige Wettbewerb stimmungsvoll und ohne Probleme über die Bühne.

In den Räumlichkeiten der Mehrzweckanlage Teuchelweiher in Winterthur stellten sich Teilnehmende aus allen Landesteilen der Schweiz und aus dem angrenzenden Ausland der hochkarätigen Jury (Gerhard Eberl, Iwan Jenny, Jochen Schorer, Andreas Csok, Marta Klimasara, Christian Hartmann, Emmanuel Séjourné). 270 junge Teilnehmende in den Kategorien Kinder, Fortgeschrittene, Elite und Studenten spielten Drum Set, Pauken, Trommel, alle Stabspielinstrumente und weitere Percussionsinstrumente sowohl solo, als auch in verschiedenen Ensembles.

Für den gesamten Wettbewerb mussten mehrere Tonnen Percussionsinstrumente bereitgestellt werden. Dies war dank vieler Helferinnen und Helfer möglich. Am Tag des Wettbewerbes konnten sich diese dann überzeugen, dass sich der grosse Aufwand ihres Einsatzes für die Jugend und für die angehenden Musiker gelohnt hat. Auch die vielen Besucherinnen und Besucher schätzten den gesamten Aufwand sehr. Die Organisatoren durften durchwegs viel Lob entgegennehmen.

Der grosse Erfolg ist für den Präsidenten der Swiss Percussion Competition, Simon Forster aus Winterthur,  selbst professioneller Schlagzeuger, Ansporn für die Organisation des nächsten Wettbewerbs vom 18./19. September 2021. Dieser findet ebenfalls wieder in Winterthur statt.
 

Ranglisten auf

schlagzeugwettbewerb.ch

Stadt Basel zeichnet Niki Reiser aus

Der Komponist Niki Reiser erhält den mit 20’000 Franken dotierten Kulturpreis der Stadt Basel, die Illustratorin Ziska Bachwas wird mit dem Kulturförderpreis ausgezeichnet.

Niki Reiser (Bild: zVg)

Der 62-jährige, mit zahlreichen renommierten Film- und TV-Preisen ausgezeichnete Basler erzielte seinen internationalen Durchbruch 1996 mit dem Film «Jenseits der Stille» von Caroline Link, der sowohl den Deutschen Filmpreis wie auch eine Oscar-Nomination erhielt. Seither hat er in seinem Tonstudio auf dem Gundeldingerfeld für zahlreiche Publikumslieblinge aus dem deutschen Film die Musik komponiert, darunter das 2002 mit einem Oscar gekrönte Werk «Nirgendwo in Afrika» oder «Die Weisse Massai».

Niki Reiser hat in Basel klassische Musik mit Schwerpunkt Flöte studiert, bevor er sich in Boston an der Berklee School of Music mit Jazz und Filmmusik beschäftigt hat. Seine Filmmusiken spielt er meist unter Beteiligung von Basler Musikerinnen und Musikern sowie mit seinem Tonmeister Daniel Dettwiler im Idee und Klang Studio Basel ein. An der Zürcher Hochschule der Künste unterrichtet er im Masterlehrgang für Film und Theatermusik. Als Jazzflötist war er viele Jahre Mitglied der Basler Klezmer Jazzband Kol Simcha.

Streichquintett «Letzter Gedanke» (Fragment)

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf das Streichquintett C-Dur «Letzter musikalischer Gedanke» (Fragment).

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Letzte, zumal unvollendete Werke tragen stets ein Geheimnis in sich. Wie wäre der Schluss ausgefallen? Was hätte die Musikwelt noch zu erwarten gehabt? Sofort kommt einem Franz Grillparzers Epigramm für Schuberts Grabstein in den Sinn, in dem von «noch viel schöneren Hoffnungen» die Rede ist. Tatsächlich gibt es einige prominente «Fehlstellen» in der Musikgeschichte: Das Ende von Bachs Kunst der Fuge (auch wenn er nicht darüber gestorben ist), Mozarts Requiem, das Finale von Bruckners Neunter oder Mahler Zehnte fast als Ganze. Bei anderen grossen Komponisten hält man hingegen vergebens Ausschau nach derart gewichtigen Worten des Abschieds: Haydn, Mendelssohn, Schumann, Brahms. Und bei Beethoven? Die Skizzen zu einer zehnten Sinfonie datieren aus den Jahren zwischen 1822 und 1825, die letzten Streichquartette wurde alle noch bis August 1826 im Druck veröffentlicht. Schon zuvor hatte Anton Diabelli Beethoven wegen einer Komposition für Streichquintett angefragt – eine kammermusikalische Gattung, bei der mit einer zweiten Viola oder einem zweiten Violoncello ganz andere Klangwirkungen erzielt werden können, eine Gattung aber auch, zu der in der Regel immer nur einzelne Werke vorgelegt wurden (Spohr und Onslow ausgenommen).

Auch Beethoven scheint sich nach seinem frühen Opus 4 (1795/96), dem Quintett op. 29 (1801) und einer Fuge op. 137 (1817) lange geziert zu haben, wieder für diese Besetzung zu schreiben. Am 26. September 1826 allerdings kündigte er Diabelli die Fertigstellung eines Werkes in bereits sechs Wochen an, verlangte dafür ein Honorar von 100 Golddukaten und notierte überdies: «ihre Wünsche werde ich beachten, ohne aber meiner künstlerischen Freiheit Eintracht zu thun.» Mit den sechs Wochen wurde es freilich nichts, überhaupt gelangte das Werk offenbar kaum aus dem Stadium erster Skizzen hinaus. Als im November 1827 der Nachlass versteigert wurde, erwarb Diabelli (wie der Korrespondent der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung zu berichten weiss) durch seinen Compagnon «zu einem verhältnissmässig übertriebenen Preise auch Beethoven’s letzte Arbeit, ein im November 1826 angefangenes Quintett, von welchem jedoch leider kaum zwanzig bis dryssig Tacte im Entwurfe zu Papier gebracht sind». Das Manuskript ist heute verschollen, doch veröffentlichte Diabelli 1838 eigene Arrangements für Klavier zu zwei und vier Händen und erneuerte dabei die Worte, es sei «Beethoven’s letzter musikalischer Gedanke». Es handelt sich um ein Andante maestoso in C-Dur von jeweils zu wiederholenden 10+14 Takten, harmonisch nicht überraschend in die Ferne schweifend und naheliegenderweise als langsame Einleitung zum Kopfsatz gedacht. Vermutlich nahm Diabelli das sicherlich als Particell angelegte Notat aber viel zu wörtlich, liegt doch bei Beethoven zwischen der Skizze (oder dem Entwurf) und dem fertigen Werk eine bedeutende Wegstrecke. Man sollte daher beim Hören nicht zu enttäuscht sein …

Wer aber wirklich nach den letzten Noten Beethovens sucht, der möge in einem Brief an Karl Holz vom 3. Dezember 1826 nachschlagen. Dort findet sich eine auch als Kanon lesbare musikalische Sentenz: «Wir irren allesamt, nur jeder anders» (WoO 198).
 


Hören Sie rein!


Keine Folge verpassen

Sie möchten jeweils daran erinnert werden, wenn ein neuer Blogeintrag veröffentlicht wird? Abonnieren Sie hierzu unsern Newsletter oder den RSS-Feed!


Machen Sie mit!

«Amazonen» in der Künstlervilla

Coronabedingt wurde das von Alvaro Schoeck und Chris Walton kuratierte Festival grösstenteils ohne Publikum vor Ort durchgeführt. Konzert, Performance und Symposium im Atelier von Schoecks Geburtshaus in Brunnen konnten per Livestream verfolgt werden.

Garten und Geburtshaus Othmar Schoecks in Brunnen mit Blick auf den Vierwaldstättersee. Foto: SMZ

 

Brunnen am Vierwaldstättersee hat schon etwas Theatralisches, wie es so dem Wasserspiegel als Bühne und den Bergen als Kulisse gegenüberliegt. Wer möchte, kann im Auf und Ab der Gipfel Tonhöhen erkennen oder im Auf und Ab der Wellen bei Föhnsturm eine rhythmische Form. Unberührt von den dramatischen Veränderungen des Ortsbildes im letzten Jahrhundert liegt die Villa Schoeck auf dem Gütsch leicht erhöht mit Seesicht. Kein Wunder, dass Othmar Schoeck vom Musiktheater fasziniert war, mit derlei Bildern vor Augen.

Mit dieser Ausgabe hat ein neuer Zyklus des Schoeck-Festivals in Brunnen begonnen. Der Trägerverein hat sich die Aufgabe gestellt, mit einem nun jährlich stattfindenden Festival das Werk Othmar Schoecks in grössere Zusammenhänge einzubetten. Diesmal ging es um Frauenbilder bei Schoeck und im Musiktheater des 19. und 20. Jahrhunderts. Der Festivaltitel «Amazonen» verwies mit einem Augenzwinkern auf eine besonders rätselhafte Figur der Weltliteratur und auf eine geradezu avantgardistische Oper des Brunner Komponisten: Penthesilea, 1927 in Dresden uraufgeführt und seither regelmässig im Repertoire namhafter Opernhäuser zu finden. Aber es sollte auch um einen Ausblick auf Frauen in künstlerischen Berufen in Zusammenhang mit der #MeToo-Bewegung gehen. Das Festival hätte noch viele Tage länger dauern können, ehe alle Stichworte ausgebreitet wären.

Dass sich der Vereinsvorstand bei der Festivalvorbereitung und -durchführung von coronabedingten Unwägbarkeiten nicht ausbremsen oder gänzlich stoppen liess, ist ihm hoch anzurechnen. Der Verzicht auf Publikum war eine Anpassung, die sich sehr unmittelbar auf das Budget auswirkt. Die Übertragung per Livestream stellte hohe technische Anforderungen. Und dennoch: Die Künstlerinnen hatten Gelegenheit zum Spielen und der schöne thematische Schwerpunkt geriet auch nicht in den Hintergrund. Im Gegenteil. Ein Bravo für die Festivalmacher vornweg.

Image
Zum Auftakt ein Ständchen: Die Musikgesellschaft Brunnen spielte unter der Leitung von Michael Schlüssel Schoecks «Militärmarsch» aus den Fenstern der Künstlervilla. Foto: SMZ

 

Brunnen und seine Bewohnerinnen und Bewohner waren aktiv einbezogen. Beim Auftakt der Musikgesellschaft und bei Erkundungen des Dorfes auf den Spuren bemerkenswerter Frauen gab es alltagsgeschichtliche Ergänzungen zum Festivalschwerpunkt.

Konfrontation und Vermischung im Konzert

Mit Spannung erwartet war der musikalische Höhepunkt des Festivals am Samstagabend. Werke des zeitgenössischen Komponisten Stefan Keller traten in den Dialog mit Kompositionen von Othmar Schoeck. Es erwies sich als gute Entscheidung der Festivalintendanz, der Gegenwartskunst Raum zu geben. Stefan Kellers Drei Lieder nach Gedichten von Unica Zürn (Uraufführung), Schaukel (2015) und Stück für Klavier (2009) klangen aufregend und wurden mit grosser Eindringlichkeit und Virtuosität dargeboten. Truike van der Poel, am Flügel begleitet von J. Marc Reichow, setzte mit der warmen Klangfarbe ihrer Stimme starke emotionale Akzente, sowohl für die Lieder des Unica-Zürn-Zyklus wie für die drei Schoeck-Lieder nach Gedichten von Keller, Storm und Eichendorff op. 35. Überzeugend auch das Trio mit Rafael Rütti (Klavier) Mateusz Szczepkowski (Violine) und David Schnee (Viola), das die rhythmische Spannung der Musik Stefan Kellers kongenial mit dem Schoeck-Œuvre (Andante Es-Dur, Violinsonate op. 46, Consolation und Toccata op. 29) verband.

Alvaro Schoeck, ein Grossneffe des Komponisten, sorgte mit der Programmzusammenstellung für eine kleine Sensation. Unglaublich, wie die Stücke zueinander und zu ihrem Aufführungsort in Resonanz traten. Sie werden wahrscheinlich nie wieder so klingen wie dort und in diesem Dialog aus Konfrontation und Vermischung.

Die Aufführung im Atelier der Schoeck-Villa war eine Notlösung als Folge der Corona-Einschränkung, wobei die Musik verborgene und exklusive Bezüge zum Raum offenlegte (teilweise ist sie ja auch hier entstanden). Ganz nebenbei zeigte sich die hervorragende Akustik und kammermusikalische Eignung des Ateliers. Bleibt zu hoffen, dass das Konzert via Livestream sein Publikum erreicht hat. Und ebenso, dass dieser geschichtsträchtige Ort und die Villa als Ganzes erhalten bleiben, ein Wunsch, dessen Tragweite ganz am Ende des Festivals in einem Podiumsgespräch weiter skizziert wurde.

Image
Podiumsgespräch zur Zukunft der Villa Schoeck
v.l.: Chris Walton (Musikhistoriker, Schoeck-Biograf), Monika Twerenbold (Kantonale Denkmalpflege), Christoph Dettling (Architekt, Moderation), Roger Aeschbach (Szenograf), Josias Clavadetscher (Kulturkommission Gemeinde Ingenbohl). Foto: SMZ

Witz und Wagemut in der Wunderkammer

Die Performance heimatLOS wurde an zwei Abenden gezeigt und führte zurück zum thematischen Schwerpunkt. Eine Sprecherin (Stephanie Gossger), eine Sängerin (Anna Schors), eine Pianistin (Hélène Favre-Bulle) und Frauen, die auf die eine oder andere Art Musikgeschichte geschrieben haben, standen plötzlich im Raum, darunter Fanny Mendelssohn und Clara Schumann, Pauline Viardot und Ethel Smyth, Cécile Chaminade und Alma Mahler. Wagemutige Kombinationen, eingebettet in Textfragmente von Colette, der vielseitigen Varietékünstlerin, Autorin und leidenschaftlichen Kämpferin für Frauenrechte. HeimatLOS spielt virtuos mit Stimmen von Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts, die mit ihrem Anspruch auf ein Bühnenleben gerungen haben, subjektiv, schmerzvoll, witzig und souverän. Was bei Colette funktionierte und in ihrem gefeierten Lebensabend im Pariser Palais Royal gipfelte, ist für junge Frauen heute trotz Gleichberechtigung herausfordernd.

Image
Performance «heimatLOS» im Künstleratelier. Gemeinsam mit Regisseurin Tamara Heimbrock entwickelten Anna Schors (vorne), Stephanie Gossger (oben) und Hélène Favre-Bulle ein auf den Raum zugeschnittenes Spiel. Foto: SMZ

 

Man darf der Regisseurin Tamara Heimbrock dankbar sein für ihren Mut, ihre Belesenheit und ihre gute Handbibliothek, die den Assoziationsreichtum von heimatLOS grundierten. Die Lyrik- und Liedtexte waren nicht bloss Stimmungsbilder, sondern ein System von Verweisen auf Frauen, die ihrerseits jeweils ein ganzes Universum abbildeten. Neben Colette standen Marlene Dietrich (ihr berühmtes Lied Wenn ich mir was wünschen könnte preist den Verzicht auf Erfüllung als eigentliches Geheimnis des Lebensgenusses), Pauline Viardot, (die gefeierte Diva der Belle Epoque und Muse Turgenjews) und Mascha Kaléko (als Jüdin erfuhr sie eine besonders tragische, aber stoisch ertragene Unbehaustheit, die ihre Lyrik mit nicht enden wollender Wärme und Zärtlichkeit erfüllte). Eine andere Spur führte zur Komponistin Judith Weir, die als Master of the Queen’s Music grösstmögliche professionelle Anerkennung errang. Ein Sammelsurium? Aber ja. Genau das entspricht dem Wunderkammer-Prinzips des Atelierraumes, der von den Künstlerinnen mit Witz und Wagemut bespielt wurde. Hinweise auf die eigene Geschichte der Darstellerinnen waren als Film einmontiert und zeigten deren Leben heute: Berliner U-Bahn statt Palais Royal, Birkenhain im Mauerpark statt aristokratischer Landsitz und die Vibration einer Eisenbahnbrücke statt Walzerrausch im Ballsaal des Savoy.

Zwischen Musiktheorie und Aufführungspraxis

Tagsüber war das Atelier zwei Mal Treffpunkt internationaler Musikwissenschaft, in physischer Präsenz und virtuell. Ein hochkarätig besetztes Symposium in Kooperation mit dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich (Inga Mai Groote, Leitung Podiumsdiskussion) und der Mariann Steegmann Foundation beschäftigte sich unter der Leitung von Merle Tjadina Fahrholz mit Frauenstimmen und Frauenrollen in der Oper des 19. und 20. Jahrhunderts (Programm und CVs der Teilnehmerinnen unter https://schoeckfestival.ch/wp-content/uploads/2020/08/frauen-stimmen.pdf). Sehr gelungen war die Balance zwischen Musiktheorie und Aufführungspraxis.

Image
Internationales Symposium «Frauen:Stimmen – Rollen und Persönlichkeiten»
Untertitel: «Die Oper im Wandel vom 19. und 20. Jahrhundert». Einige Referentinnen und Referenten wurden per Zoom zugeschaltet, Vorträge und Diskussionsrunden live gestreamt. Foto: SMZ

 

Beleuchtet wurde die soziale Situation weiblicher Bühnenkünstler zwischen 1870 und 1930, die Zuschreibung der Unsittlichkeit an Sängerinnen, das Dilemma des Erfolgs, denn weil Erwerbsarbeit für bürgerliche Frauen als verwerflich galt, war es der finanzielle Erfolg umso mehr. Vom Standpunkt der Moral konnte ein Künstlerinnenleben nichts anderes sein als verfehlt. Frauen erprobten individuelle Karrierestrategien, indem sie sich als Diven inszenierten oder an berühmte Namen banden, ein Beispiel ist die Bindung der Altistin Ilona Durigo (1881–1943) an Othmar Schoeck. Sie spielte als Interpretin seiner Lieder seit 1911 eine Rolle in seiner Biografie, die von der Öffentlichkeit als verbindlich wahrgenommen wurde. Die Zürcher Mäzenin Mathilde Schwarzenbach nannte die beiden denn auch ein «Musikerehepaar» (Anna Ricke).

Barbara Beyer, als Dramaturgin und Regisseurin an zahlreichen Opernbühnen im deutschsprachigen Raum praxiserprobt, gab einen Abriss von Bildern des Weiblichen von Claudio Monteverdis L’incoronazione di Poppea über Händels Alcina zu den Frauenrollen des 19. Jahrhunderts. War die Barockoper in ihrem Spiel mit Geschlechterrollen überaus experimentierfreudig – insofern sei die damalige künstlerische Praxis Vorgriff auf feministische Forschung heute –, festigten sich im bürgerlichen Zeitalter die Rollen- und Charakterbilder. Es entstanden Stereotypen, die die Frau häufig zum Opfer ihrer Liebe machten. Das Besondere daran war jedoch, dass die Seele des Mannes gerettet wurde. Im 19. Jahrhundert seien Ehe und Geschlecht wichtige Diskursthemen gewesen, berichtete Musikhistorikerin Melanie Unseld, kaum etwas anderes habe die Gesellschaft im 19. Jahrhundert so stark beschäftigt. Die natürliche Geschlechterdifferenzierung basierte auf strenger Zweiteilung, der Mann war das normale, gesetzte, die Frau das «andere» Geschlecht, schön, schwach, unzureichend.

Und Penthesilea? Schoeck war Ende dreissig, als er sich des Stoffes annahm, und was genau ihn dazu bewogen hatte, wissen wir nicht. Der blutrünstige Mord Penthesileas am arglosen Achill ist Geschlechterkampf pur, bei Kleist jedoch erscheint das Aufbegehren der Amazonenkönigin gegen eine normative gesellschaftliche Ordnung als das eigentliche Drama. Folgte ihm Schoeck darin? Er schrieb eine provozierend expressionistische Musik mit ungewöhnlicher Instrumentierung, die beim Publikum durchfiel.

Konsequent induktiv ging die Dirigentin und Vermittlerin Graziella Contratto bei der Analyse schoeckscher Frauenbilder vor: Sie bewegte sich von der kleinen Struktureinheit zur grösseren Einsicht. Indem sie nicht nur grosse Bühnenwerke, sondern auch Lieder in ihre Überlegungen einbezog, förderte sie Erstaunliches zutage: Othmar Schoeck beschäftigte sich mit Frauenfiguren, die Aussenseiterinnen waren, sei es die rätselhafte Peregrina (op. 17 Nr. 4), Landstreicherin, Heldin eines Gedichtzyklus von Eduard Mörike, sei es die gewaltbereite Venus, eine Rebellin, die ihren Verehrer physisch vernichtet, oder die furchtbare, an ihrem Überschuss an Gefühlen scheiternde Penthesilea. Dann der Wandel:«Mit der Geburt der Tochter Gisela vollzog sich nicht nur ein Wandel in der Persönlichkeit des offenbar glücklich erfüllten Vaters in seinem sozialen Verhalten, auch in der Kompositionsästhetik lässt sich z.B. in der Sternseherin op. 52/7 nachweisen, dass die Textur über mehr innere Resonanz verfügt, über eine noch sorgfältigere Betreuung der polyfonen Stimmengewebe. Ist es eine Schutzgeste, die auch zu einer Verdrängung der vergangenen Katastrophen des 2. Weltkriegs beiträgt oder einfach eine verklärende Altersperspektive, innerlich erwärmt durch die Vaterschaft?»

Das nächste Festival findet vom 10. bis 12. September 2021 statt unter dem Motto «passé composé» – Neoklassizismus in der Schweiz.
https://schoeckfestival.ch
Die Schweizer Musikzeitung war Medienpartnerin des Festivals 2020.

In Biel folgt Pouspourikas auf Zehnder

Der französische Dirigent Yannis Pouspourikas wird mit Beginn der Saison 2022/23 Chefdirigent des Sinfonie Orchesters Biel Solothurn und Direktor Konzerte von Theater Orchester Biel Solothurn. Er folgt in dem Amt auf Kaspar Zehnder.

Yannis Pouspourikas (Foto: Julia Stein)

Yannis Pouspourikas stammt ursprünglich aus Marseille und wohnt heute in Genf. Er studierte am Konservatorium in Genf, bevor er Assistent von Sir Simon Rattle beim Festival Glyndebourne wurde. Er war Gastdirigent an der Opéra National de Paris, dem Opernhaus Zürich, dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Teatro Real und vielen weiteren.

Pouspourikas’ Fünfjahresvertrag bei Theater Orchester Biel Solothurn beginnt mit der Saison 2022/23. Neu beinhaltet die Position von Chefdirigent von Sinfonie Orchester Biel Solothurn und Direktor Konzerte von Theater Orchester Biel Solothurn neben zahlreichen Konzertdirigaten auch die musikalische Leitung jeweils einer Opernproduktion pro Spielzeit.

Kaspar Zehnder steht dem Sinfonie Orchester Biel Solothurn seit 2012 als Chefdirigent vor und ist Direktor Konzerte der 2013 durch die Fusion mit dem Theater neugegründeten Institution Theater Orchester Biel Solothurn. Ab Sommer 2022 wird sich Zehnder neuen Aufgaben widmen, TOBS, dem Orchester und seinem Publikum aber weiterhing eng verbunden bleiben.

Abschlüsse an der Luzerner Musikhochschule

An der Luzerner Musikhochschule (HSLU-M) sind 166 Bachelor- und Master-Diplome vergeben worden. Auf Stufe Weiterbildung gab es 45 Abschlüsse. Zudem wurden drei Bachelor-Absolvierende mit dem Strebi-Gedenkpreis ausgezeichnet.

Die Diplomfeier fand erstmals im Luzerner Neubau statt. (Foto: Priska Ketterer)

Im Studium Bachelor of Arts in Music erhielten 61 Absolventinnen und Absolventen ihre Diplome, davon 43 im Profil Klassik und 18 im Profil Jazz. Im Master of Arts in Music wurden insgesamt 45 Diplome vergeben, die meisten davon im Profil Performance Klassik (16). Im Master of Arts in Musikpädagogik haben 53 Absolventinnen und Absolventen ihre berufliche Qualifikation für das Unterrichten an Musikschulen oder Maturitätsschulen erworben, auch hier gab es die meisten Diplome im Profil Klassik (31).
Weiter schlossen 45 Berufspersonen ihre Weiterbildung mit einem Diploma of Advanced Studies (DAS) oder einem Certificate of Advanced Studies (CAS) ab.

An der Diplomfeier wurden zudem drei, mit je 2000 Franken dotierte Preise der Strebi Stiftung für besonders herausragende Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen verliehen. Gewonnen haben Nils Fischer (Bachelor of Arts/Musik und Bewegung),
Flora Karetka (Bachelor of Arts in Music, Profil Klassik, Hauptfach Querflöte) und Luca Koch (Bachelor of Arts in Music, Profil Jazz, Hauptfach Gesang).

Mehr Infos:
https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/ueber-uns/medien/medienmitteilungen/2020/09/23/diplomvergabe-fuer-die-166-absolventinnen-und-absolventen-der-hochschule-luzern-musik/
 

Kinderchöre bilden weniger Aerosole

Ein Team der Charité und der Technischen Universität Berlin haben eine Studie durchgeführt, die die potenzielle aerogene Virusübertragung beim Singen von Kindern untersucht. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, die Hygienemassnahmen für den Musikunterricht zu spezifizieren.

Symbolbild: highwaystarz / stock.adobe.com (Ausschnitt),SMPV

Die Ergebnisse zeigen laut Dirk Mürbe, Direktor der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité, dass die Aerosolemissionen auch bei Kindern beim Singen signifikant höher sind als beim Sprechen, aber stark variieren und deutlich unter den Emissionen von Erwachsenen liegen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen dazu genutzt werden, die Hygienekonzepte für das Singen im schulischen oder ausserschulischen Bereich zu spezifizieren und so auch das Singen von Kinder- und Jugendchören unter bestimmten Bedingungen wieder zu ermöglichen.

An der Untersuchung nahmen vier Jungen und vier Mädchen des Berliner Staats- und Domchores und des Mädchenchores der Singakademie Berlin teil, die über langjährige Erfahrungen im Kinderchor verfügten. Die Untersuchungen wurden im Forschungs-Reinraum des Hermann-Rietschel-Instituts durchgeführt. Die Kinder absolvierten verschiedene Testaufgaben, wobei mit einem Laserpartikelzähler die Anzahl der gebildeten Aerosole im Grössenbereich von 0,3 bis 25 Mikrometer bestimmt wurde.

Preprint der Studie:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.09.17.20196733v1

 

Zurückhaltung beim Kulturkonsum

Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung will Kulturbesuche erst wieder aufnehmen, wenn die Corona-Krise endgültig vorbei ist. Dies hat eine Befragung ergeben, die im Auftrag des Bundesamts für Kultur (BAK) und der Konferenz der kantonalen Kulturbeauftragten (KBK) Ende August 2020 durchgeführt wurde.

Symbolbild: Petra Schmidt / pixelio.de

Damit habe die Zurückhaltung zugenommen, schreibt das BAK. Anfang Juni wollte lediglich ein Viertel der Bevölkerung mit Kulturbesuchen bis zum Ende der Krise zuwarten. Die Umfrage zeige auch, dass die beschlossenen Schutzmassnahmen sowie die Unterstützung des Kultursektors durch die öffentliche Hand auf breite Zustimmung stossen.

Anfang Juni 2020 waren noch 24 Prozent der Befragten bereit, kulturelle Institutionen oder Veranstaltungen «ohne grosse Bedenken» wieder zu besuchen. Der Anteil sank bis Ende August auf 18 Prozent. 42 Prozent der Befragten geben an, dass sie Kulturbesuche nicht vor 2021 wieder aufnehmen wollen; bei der ersten Befragung waren es 22 Prozent.

Gewisse Unterschiede zeigen sich hierbei hinsichtlich der Art der Kulturangebote: Während 36 Prozent der Befragten angeben, nicht vor 2021 ein Museum oder eine Ausstellung besuchen zu wollen, beträgt der Anteil in Bezug auf die «Vorstellungen wie Konzert, Theater, Oper, Tanz usw.» 43 Prozent.

Originalartikel:
https://www.bak.admin.ch/bak/de/home/aktuelles/nsb-news.msg-id-80461.html

Neue Basler Kulturräume

Diverse Mieter ziehen zurzeit in das neue Kultur- und Gewerbehaus ELYS an der Basler Elsässerstrasse 209/215 ein. Hier befinden sich unter anderem Vereinslokale und Band-Proberäume, Auch die Klingentalkirche ist fertig saniert und bietet Raum für 30 kantonale Förderateliers.

ELYS (Bild: Catherine Gritti)

Der Name ELYS ist eine Wortkreation und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben Elsässerstrasse und Lysbüchelstrasse zusammen. Die zwei Gebäude wurden in den letzten drei Jahren umgebaut und oberirdisch voneinander getrennt. Der entstandene Hof zwischen den Gebäuden, Esplanade genannt, lädt zum Verweilen und Begegnen ein. ELYS ist mit dem ÖV gut erreichbar, bietet aber auch ein unterirdisches Parkhaus mit über 100 öffentlich zugänglichen Parkplätzen.

Nebst dem Kultur- und Gewerbehaus entstehen auf dem mehr als 26’000 Quadratmeter grossen kantonalen Teil des Lysbüchel-Areals zudem Genossenschaftswohnungen, preisgünstige Wohnungen im Rahmen des kommunalen Wohnbauprogramms «1000+», eine Primarschule mit zwei Kindergärten und Tagesstruktur, neue Arbeitsplätze, öffentliche Grünflächen und ein Quartierplatz.

Die Klingentalkirche ist fertig saniert und bietet Raum für 30 kantonale Förderateliers für bildende Künstler. Ausserdem beherbergt sie mit dem Ausstellungsraum Klingental eine Plattform für das zeitgenössische Kulturschaffen.

Die Wiedereröffnung und Inbetriebnahme der Klingentalkirche ist eine wichtige Wegmarke in der Entwicklung des Kasernenareals. Der Umbau des Hauptbaus ist immer noch in vollem Gang. Dort werden ab Herbst 2021 rund 5000 Quadratmeter Fläche für Kultur, Soziokultur, Kreativwirtschaft und quartierbezogene Nutzungen zur Verfügung stehen, ergänzt durch eine innovative Gastronomie.

Der Klang der Bilder

Das Musikkollegium Winterthur präsentierte am Preisträgerkonzert der Rychenberg Competition eine eindrückliche Werkschau. Fotoserien bildeten den Ausgangspunkt für die Kompositionen.

Cecilia Arditto wurde mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Foto: Musikkollegium Winterthur

Vorbei die Zeiten, in denen Kritiker Schmähschriften über Konzerte verfassen konnten, die sie gar nicht mit ihrer Anwesenheit beehrt hatten. Contact Tracing heisst das Zauberwort, eine ungeliebte Gilde in die Schranken zu weisen. So nützte es dem Rezensenten denn auch nichts, dass das Preisträgerkonzert der Rychenberg Competition am 9. September live aus dem Stadthaus Winterthur gestreamt wurde. Seine fehlende physische Präsenz wäre trotz seines Wissens über den Verlauf des Abends aufgefallen.

Ein Glücksfall war das Streaming hingegen für die beiden Komponistinnen Annachiara Gedda und Verena Weinmann, die dem Konzert aus quarantäne-technischen Gründen fernbleiben mussten. Junge Tonsetzer haben zu selten Gelegenheit, ihre im stillen Kämmerlein ausgebrüteten Klangkombinationen und dramaturgischen Abläufe einem Realitätstest auszusetzen, insbesondere bei Orchesterwerken. Digitale Technik erlaubte den beiden nun, die Chance zumindest nicht ganz ungenutzt verstreichen zu lassen, auch wenn das Erlebnis nicht mit dem vergleichbar ist, was man vor Ort mitbekommt.

Gedda und Weinmann sind zwei von fünf Preisträgern, die an der Rychenberg Competition prämiert und am Schlusskonzert aufgeführt wurden. Der internationale Kompositionswettbewerb war 2018 vom Musikkollegium Winterthur gemeinsam mit dem Fotomuseum Winterthur lanciert worden, mit der Besonderheit, dass sich die Teilnehmer mit ihrem Orchesterwerk auf eine von drei Fotoserien beziehen müssen, die das Museum ausgesucht hat. Eine nicht alltägliche Aufgabe, zu der sich 191 Komponistinnen und Komponisten aus über 30 Ländern angemeldet haben. Eingereicht bis Ende März 2019 wurden schliesslich 85 Werke, von denen zehn durch eine Jury um Präsident Alfred Zimmerlin für das Schlusskonzert nominiert wurden. Für diese zehn Stücke leistete das Musikkollegium dann einen Effort, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Innert kürzester Zeit wurden sie einstudiert, unter wechselnder Leitung von Thomas Zehetmair und Pierre-Alain Monot letzten Sommer aufgenommen und für ein Publikums-Voting ins Netz gestellt. (Sie sind noch immer zu hören unter www.rychenbergcompetition.ch.)
 

Erstaunliche Publikumswahl

Gewonnen wurde der Publikumspreis vom Thurgauer Fabian Künzli. Sein Werk Die liegende Sanduhr ist ein Spezialfall, da die am Preisträgerkonzert gespielte Fassung nicht der online präsentierten Version entsprach. Diese wurde nämlich bei gleichbleibenden Tonhöhen um den Faktor 8 beschleunigt. Etwas nachdenklich stimmt einen dieser Umstand schon. Denn die Schnelldurchlauf-Version, die also das Publikum am häufigsten als besten Beitrag ausgewählt hatte, wirkt gegenüber dem live gespielten Stück wie die Karikatur von Musik, flach und blass. Wie diese im Ergebnis doch kalt wirkende Versuchsanordnung das Publikum zu erwärmen vermochte, ist rätselhaft. Eventuell war es das aussergewöhnliche Konzept?

Zum Nachdenken brachte einen auch die Aufgabenstellung selbst. Doch waren es keine Reflexionen über das Verhältnis von visueller und klanglicher Kunst, die sich aufdrängten. Es wollten sich auch keine Exkurse zum Thema «Kunst über Kunst» Luft verschaffen. Aufmerksamkeit erregte schlicht die Tatsache, dass sich acht der zehn Nominierten dieselbe Fotoreihe als Gegenstand ihres Gestaltungswillens ausgesucht hatten. Find a way or make one der in Genf lebenden Fotografin Anastasia Mityukova ist von der Geschichte des Nordpolforschers Robert Peary inspiriert. Der selbsternannte Erstbegeher des Nordpols hatte Route und Erfolg seiner Reise fingiert. Daran angelehnt ist Mityukovas Fotoserie eine fiktive, in der Schweiz entstandene Dokumentation einer Polarexpedition. Bezeichnend war nun, wie die am Schlusskonzert beteiligten Komponisten ihre Wahl begründeten. Bei allen kristallisierte sich als Quintessenz heraus, sie seien vom Gegensatz Bewegung – Statik fasziniert gewesen. Eine Mehrzahl der Teilnehmer näherte sich der Aufgabe also vom allgemeinsten möglichen Punkt her. Bewegung – Statik ist ein Gegensatz, der unsere Existenz (Leben – Tod) durchzieht und jeglicher Kunst sowohl als Problem als auch Antrieb innewohnt. Es wurde demnach kein spezifischer Anknüpfungspunkt gesucht, sondern diejenige Fotoserie gewählt, die dem eigenen Komponieren die grösstmögliche Freiheit gewährt. Das ist nicht grundsätzlich zu kritisieren, stellt aber die Relevanz der Aufgabe in Frage.
 

Von Verletzungen oder Proportionen ausgehen

Wie auch immer, im Endergebnis gewannen die Werke zu Mityukovas Schelmenstück den Publikumspreis und die Plätze zwei und drei. Mit ICE_one_h des italienischen Malers und Komponisten Valerio Rossi schaffte es eine Musik zuunterst aufs Podest, deren zarte Unaufgeregtheit einer weniger aufmerksamen Jury vielleicht entgangen wäre. Rossis feine, durchs Orchester wandernde und sich wandelnde Klangwesen wirkten im Umfeld eines Wettbewerbs dann aber wohl doch zu versponnen, um sich ganz oben durchsetzen zu können. Ganz im Gegensatz zum zweitplatzierten Favoriten des Rezensenten. Chasing Ice der 1986 in Turin geborenen Annachiara Gedda überzeugt durch eine ungemeine Farbigkeit, einen starke Gegensätze vereinenden Reichtum. «Neue» Klänge treffen auf Zirkus, Aggression auf Zärtlichkeit, Schalk auf Pathos. Dass das breite Ausdrucksspektrum dabei nicht auseinanderfällt, ist dem Klangsinn der Komponistin zu verdanken, welche die Möglichkeiten des Orchesters treffsicher einzusetzen weiss.

Es ist am Ende bezeichnend, dass der erste Preis an eine Komponistin ging, die eben gerade nicht Mityukovas Bilder ausgewählt hatte. Adél Koleszárs Fotoserie Wounds of Violence, in der die idyllische Landschaft Mexikos mit den sichtbaren Narben von Missbrauch und Kartellgewalt kontrastiert wird, lässt eine Annäherung in abstrakten Kategorien nicht zu. Die Bilder von Verletzung und Schmerz werden von der in Buenos Aires geborenen Cecilia Arditto in Tissue denn auch unmittelbar in Klang übersetzt. Mikrotonale Schwingungen lassen ihn brüchig erscheinen und öffnen die Ohren für feinste Regungen. Eine kommunikative, den Hörer direkt ansprechende Komposition, der man die höchste Auszeichnung gönnt.

Und zuletzt ging auch der Sonderpreis der Jury an eine der beiden Ausnahmen von der Regel. Die junge, aus Frauenfeld stammende Verena Weinmann widmete sich einem einzelnen Bild aus Koleszárs Serie, den Hills of Torreón. Dabei zeigte sie wiederum einen anderen Ansatz, wie man mit einer Bildvorlage umgehen kann. Sie übertrug die Proportionen der Fotografie auf ein Millimeterpapier, um daraus Vorgaben für die formale Gestaltung zu gewinnen. Offenbar setzte sie dieses Konzept mit angemessenen künstlerischen Freiräumen um, denn konstruiert wirkte ihr Werk nie.
 

Bildnachweis

Standbild aus der Aufnahmeübertragung – Musikkollegium Winterthur

Coriolan-Ouvertüre

Jeden Freitag gibts Beethoven: Zu seinem 250. Geburtstag blicken wir wöchentlich auf eines seiner Werke. Heute auf die Coriolan-Ouvertüre c-Moll.

Ausschnitt aus dem Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler, ca. 1820

Dem Topos vom unwirsch aufbrausenden Beethoven scheint der mächtig dreinfahrende Beginn der Ouvertüre zu Coriolan op. 62 mustergültig zu entsprechen. Allerdings handelt es sich bei dieser Komposition nicht um eine Studie des eigenen Charakters, sondern um ein Werk, das die Dramatik und Tragik des gleichnamigen Trauerspiels von Heinrich Joseph von Collin (1772–1811) widerspiegelt: Der römische Feldherr Coriolan, einst umjubelt und geehrt, fällt bei einem politischen Machtwechsel in Ungnade und wird verbannt. In seinem Stolz verletzt, führt er im Bund mit den einstigen Feinden ein Heer gegen seine Heimatstadt. Vor den Toren angelangt, wird der Abtrünnige von Mutter und Gattin um Schonung der Stadt gebeten, um Umkehr. Ausweglos gefangen im Konflikt zwischen Vaterlandsliebe und Hochmut stürzt sich der gescheiterte Held ins eigene Schwert. Eine archetypische, zeitlose Handlung.

Um sie wirklich als Eröffnung des Schauspiels zu verwenden, entstand die Ouvertüre Anfang 1807 allerdings zu spät: Bei der Premiere am 24. November 1802 behalf man sich mit einer Zwischenaktmusik, die Abbé Stadler aus Mozarts Idomeneo arrangiert hatte. Abgesetzt wurde das erfolgreiche Drama am 3. März 1805. Somit handelt es sich bei Beethovens Coriolan-Ouvertüre von Anfang an um eine (wenn nicht gar die erste) «Konzertouvertüre» – eine Ouvertüre, die zwar auf einen dem Publikum vertrauten literarisch-dramatischen Vorwurf zurückgeht, jedoch vom Theater vollkommen abgelöst im Konzertsaal erklingt. Wenn eine solche Partitur dann auch selbständig bestehen kann, ohne dass die Zuhörer die zugrunde liegende Thematik kennen, dann liegt das in ihrer musikalischen Qualität begründet, in der Art und Weise wie sinfonische Formen und Proportionen verwendet werden. Das Werk wirkt nurmehr «charakteristisch» im Sinne seines Affektgehalts.

Aufgeführt wurde Beethovens Opus 62 erstmals in einem der Privatkonzerte beim Fürsten Lobkowitz, der auch führendes Mitglied der Wiener Theater-Unternehmungs-Gesellschaft war. Es ist naheliegend, dass auf diesem Wege Collins Trauerspiel noch einmal und für eine einzige Vorstellung auf die Bühne gelangte – am 24. April 1807, nun mit Beethovens Ouvertüre.


Hören Sie rein!


Keine Folge verpassen

Sie möchten jeweils daran erinnert werden, wenn ein neuer Blogeintrag veröffentlicht wird? Abonnieren Sie hierzu unsern Newsletter oder den RSS-Feed!


Machen Sie mit!

PGM: Lichterlöschen verhindern

Der Musiksektor befürchtet einen Kahlschlag im Ökosystem Kultur.

Die Parlamentarische Gruppe Musik (PGM) konnte an ihrem zweiten Treffen dieses Jahres gar nicht anders. Sie musste sich wohl oder übel mit den Folgen der Coronakrise beschäftigen. War das Thema im Frühjahr zwar präsent, aber noch nicht wirklich traktandiert gewesen, hiess das Motto nun «5 Monate Covid-19-Sturm: Folgen und Folgerungen für den Musiksektor». Und letztere sind nun wirklich drastisch, wie Stefano Kunz, der Leiter der politischen Arbeit des Schweizer Musikrates, eingangs ausführte. Die Umsätze der Branche dürften – mit Blick auf die heuer um rund zwei Drittel geringer ausfallenden Lizenzeinnahmen aus den Aufführungsrechten (aus Konzerten, Musik im Gastgewerbe oder Unterhaltungsanlässen) der Suisa – dieses Jahr massiv einbrechen. Auch 2021 rechnet die Suisa mit markant tieferen Umsätzen im Vergleich zu 2019.* Das wird empfindliche langfristige Konsequenzen für die Musikschaffenden haben, die in den kommenden Jahren mit deutlich kleineren Ausschüttungen der Urheberrechtsgesellschaft rechnen müssen.

Freischaffende am Abgrund

Damit nicht genug. Ein weiterer wichtiger Teil der Einnahmen bricht ebenfalls weg: Die Musikschulen berichten von einem Rückgang der Schülerzahlen von bis zu 20 Prozent. Vor allem freischaffende Musiklehrpersonen bekommen dies zu spüren. Für den Musikrat war deshalb klar, dass die bisherigen Finanzhilfen durch den Bund weitergeführt werden müssen – was der Nationalrat am selben Tag denn auch beschloss, der Ständerat am Tag darauf vorerst erneut verwarf. Freischaffende und Selbständige sollten überdies endlich Zugang zu Arbeitslosenversicherung (ALV) und Erwerbsausfallentschädigung (EO) erhalten.

Nicht viel Besseres hatte Beat Santschi, der Vertreter des Schweizerischen Musikerverbandes (SMV) mitzuteilen. Die festangestellten Orchestermitglieder sind durch die Gesamtarbeitsverträge zwar nach wie vor geschützt und mussten bislang teilweise «nur» Lohneinbussen von bis zu 20 Prozent hinnehmen. Auch in der Orchesterlandschaft leiden die Freischaffenden am meisten, sind sie doch die ersten, auf welche die Orchester verzichten. Wie sich das Konzertleben und damit die Einnahmen der Orchester entwickeln werden, ist allerdings völlig unklar. Die Veranstalter verlangen deshalb immer dringender, dass sie im Falle von Konzertabsagen von jeglichen Verpflichtungen befreit werden. Nach sieben Monaten Krise stünden viele Freischaffende nun definitiv am finanziellen Abgrund, betonte Santschi.

Christoph Trummer, der Leiter politische Projekte bei Sonart, dem Berufsverband der Freischaffenden, zeigte auf, was das für ihn selber bedeutet: Die meisten seiner Konzerte wurden abgesagt oder auf nächstes Jahr verschoben, für die ab Dezember geplante neue Tour ist seit April ein einziges Booking eingegangen. Auftritte mit Eintrittsbeteiligung seien finanziell unberechenbar geworden. Die geschäftlichen Fixkosten – vornehmlich eine Miete von 650 Franken – werde von 750 Franken EO gerade so gedeckt. Die Planung der Saison 2021 sei, so Trummer, praktisch unmöglich. Querfinanzierungsmodelle würden wegfallen, grössere Festivals werde es kaum geben, damit stünden auch die Agenturen vor dem Nichts. Zu befürchten sei ein Kahlschlag im Ökosystem Kultur.

Umsatzeinbrüche bei den Veranstaltern

Den Vorstellungen vieler Politiker, das Gröbste sei für die Kultur ja nun ausgestanden, weil Veranstaltungen – auch grössere – wieder möglich seien, widersprachen die ebenfalls anwesenden Vertreter der Musikclubs, Festivals und Labels sowie Musikmanager. Ein typischer Musikevent hat einen Vorlauf von rund einem halben Jahr. Bereits in der Programmgestaltung zeigen sich noch immer hohe Hürden: prohibitive Auflagen, Planungsunsicherheit aufgrund wechselnder Einreisebestimmungen und unberechenbarer kurzfristiger Bewilligungsentzüge machen die Organisation zur Lotterie. Die Ticketverkäufe sind ganz und gar nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau. Dies alles führt dazu, dass die meisten Veranstalter nach wie vor mit Umsatzeinbrüchen von 80 bis 100 Prozent konfrontiert sind. Ihre Liquidität reiche durchschnittlich noch für ein halbes Jahr, dann heisse es bei vielen: Lichterlöschen.

Die Taskforce Culture des Schweizer Musikrates hat nach den Ständeratsentscheiden bei den Parlamentariern intensiv lobbyiert. Schliesslich ist eine Woche nach dem Treffen der PGM auch der Ständerat weitgehend auf die Nationalratslinie eingeschwenkt. Die Unterstützungsmassnahmen für Selbständige und Freischaffende werden mit Vertrauen auf die Selbstdeklarationen der Betroffenen weitergeführt, wenn auch nicht bis Ende 2021, wie es die Taskforce Culture gefordert hatte, sondern vorerst bis Mitte Juni nächsten Jahres.

*

Passage zur Suisa am 21. September 2020 geändert aufgrund einer Präzisierung durch die Kommunikationsabteilung der Suisa.

get_footer();