Wissensportal zum Musikleben

Das Deutsche Musikinformationszentrum (miz), eine Einrichtung des Deutschen Musikrates, hat seine Webportal grundlegend neu gestaltet und zu einem umfassenden Informationsportal ausgebaut.

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Zugegriffen werden kann auf über 10’000 Musikinstitutionen, statistische Daten, interaktive Karten, Beiträge und vertiefende Analysen zum Musikleben. Thematisch deckt das miz alle zentralen Bereiche ab – von der musikalischen Bildung und Ausbildung über das Amateurmusizieren und die professionelle Musikausübung bis zur Musikwirtschaft.

Tutorials zur Musikrecherche und zum Urheberrecht unterstützen Informationssuchende bei konkreten Fragestellungen in der musikalischen Praxis. Kalendarien zu Fortbildungen, Tagungen und ausgeschriebenen Fördermassnahmen bündeln deutschlandweit Angebote.

Unterstützt wurde das Projekt mit einer Sonderförderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) sowie dem Musikverlag Hal Leonard Europe.

Link: www.miz.org

 

Ecole classique

Paolo Crivellaro legt mit seinem Buch die Grundlage für eine stilistisch adäquate Auseinandersetzung mit der französischen Orgelschule von Beginn des 17. bis Mitte 18. Jahrhunderts.

Bereits 2015 hatte Paolo Crivellaro, Professor für Orgel an der Universität der Künste Berlin, mit seinem Buch Die Norddeutsche Orgelschule (Carus) ein Standardwerk vorgelegt, das eine umfassende Sammlung kommentierter Quellen zu Aufführungspraxis und Instrumentarium dieser Orgellandschaft bietet. Nun erscheint ein vergleichbares Werk, in dessen Zentrum die französische Ecole classique steht.

Nach einem ersten Überblick über das Repertoire, die Quellen und den liturgischen Kontext der Musik von Beginn des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wird das spezifische Instrument im Detail beschrieben, bevor anhand von Registrierungshinweisen die charakteristischen Mélanges der französischen Schule besprochen und mit zahlreichen Zitaten und Notenbeispielen illustriert werden. Kapitel über die schwierige Frage der Inégalité, zu Tempo, Ornamentik und Fingersetzung ergänzen die Fülle von Informationen um jene Aspekte der historisch informierten Aufführungspraxis, die gerade in dieser extrem «kodifizierten» und ein grosses Hintergrundwissen voraussetzenden Musik zentral sind. Crivellaro gelingt es, diese Themenbereiche in übersichtlicher Darstellung anhand kommentierter, im Originalwortlaut und in deutscher Übersetzung vorliegender Quellen zu beleuchten und den aktuellen Forschungsstand knapp zusammenzufassen; die umfangreiche Bibliografie gibt darüber Auskunft und liefert Hinweise auf vertiefende Lektüre. Kurzporträts der 25 wichtigsten Komponisten (von Eustache du Caurroy bis Claude-Bénigne Balbastre) und ihrer Werke runden das Buch ab.

Da Crivellaro weitgehend auf «Wertung» der Quellen oder auf konkrete interpretatorische Hinweise zu einzelnen Werken verzichtet, entbindet sein Handbuch nicht davon, sich am Instrument in die Musik einzulesen, Dinge auszuprobieren und sich an diese Klangsprache buchstäblich «heranzutasten», legt aber für die stilistisch adäquate Auseinandersetzung mit diesem Repertoire ein hervorragendes Fundament, das sicher Massstäbe setzen und besonders nicht-französischsprachigen Lesenden – das Buch ist auch in einer englischen und einer italienischen Übersetzung erhältlich – von grösstem Nutzen sein wird.

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Paolo Crivellaro: Orgel & Interpretation – die französische Ecole classique, 358 S., € 45.95, Blockwerk Editiones, 2021, ISBN 978-3-9821872-0-4

Konstanz am Opernhaus Zürich

Matthias Schulz, der designierte Intendant der Oper Zürich verlängert die Verträge der künftigen Ballettdirektorin Cathy Marston und der amtierenden Operndirektorin Annette Weber über 2025 hinaus.

Opernhaus Zürich, Hauptbühne. Foto: Dominic Büttner

Anette Weber leitet seit Beginn der laufenden Spielzeit die Opernsparte des  Zürcher Opernhausus. Zuvor war sie als Casting-Direktorin der Staatsoper Hamburg und an der Semperoper Dresden tätig.

Beim Ballett Zürich steht die Spielzeit 22/23 für eine künstlerische Zäsur: Ballettdirektor Christian Spuck geht in seine letzte Spielzeit. Nachfolgerin Cathy Marston zeigt bereits eine erste Neuproduktion. In den vier Premieren und vier Wiederaufnahmen werden insgesamt 14 Choreografien — darunter fünf Uraufführungen — präsentiert.

Schulz wechselt von der Berliner Staatsoper Unter den Linden nach Zürich. Zuvor war er bei den Salzburger Festspielen und als Künstlerischer Leiter und Kaufmännischer Geschäftsführer der Stiftung Mozarteum Salzburg tätig. 2015 wurde er zum designierten Intendanten der Berliner Staatsoper ernannt. Am Opernhaus Zürich folgt er 2025 auf Intendant Homoki, der den Posten auf eigenen Wunsch abgibt.

Erinnerung

Von Bibliotheken als Toren zu früheren Zeiten über musikalische «Souvenirs» bis hin zum Zusammenspiel zwischen Gedächtnis und Musik

Titelbild: neidhart-grafik.ch
Erinnerung

Von Bibliotheken als Toren zu früheren Zeiten über musikalische «Souvenirs» bis hin zum Zusammenspiel zwischen Gedächtnis und Musik

Alle blau markierten Artikel können durch Anklicken direkt auf der Website gelesen werden. Alle andern Inhalte finden sich ausschliesslich in der gedruckten Ausgabe oder im E-Paper.

Focus

 

De mémoire morte à mémoire vive
Muriel Brandt et Nicolas Ducimetière à la Fondation Martin Bodmer. Interview

Souvenir de …
Musikalische Erinnerungsstücke

Erinnern in 4½ Kapiteln
Die Vergangenheit ist überall

Quand la mémoire fige de nouveaux classicismes
Massimo Lonardi et François Court ravivent la mémoire de musiques dʼautrefois

Der Soundtrack unseres Lebens
Über das Zusammenspiel von Musik und Erinnerungen
Englischer Originalartikel:
The soundtracks of our lives
The partnership between music and our memories

La RMS parle du thème de ce numéro à la radio : Espace 2,
Pavillon Suisse, 29 mars, de 20h à 22h30 (à environ 22h; 2:17)

 

… und ausserdem

RESONANCE

 

Un ambassadeur du cor des Alpes nous quitte — Jozsef Molnar

O Herr, schläfst Du? — «Musik in finsteren Zeiten 1914–1943», Konzert des Männerchors Zürich

Von der Jazzszene, für die Jazzszene — Swiss Jazz Days 2022

Von der Angst und der menschlichen Wärme — Dialogues des Carmélites

Nägelis Protegé, von Webers Bergkamerad — Anton Liste

Nochmals Tempofragen — Jean-Claude Zehnder, Richard Erig, Bernhard Ruchti

Clavardons… — Philippe Nantermod et Vincent Salvadé

Radio Francesco — des esclaves/von Sklaven

Carte blanche für Katrin Spelinova

 

CAMPUS

Wer lernt wo Musik? — Studie «Musiklernen Schweiz»

Les conférences-ateliers de l’HEMU — l’exemple de la forme sonate

Das mittelalterliche Rabab — Forschungsprojekt an der HKB

 

SERVICE

Passeurs de jazz — UpJazz à Marly

Nachrichten, Linkempfehlungen — brèves, liens recommandés
 

FINALE


Rätsel
— Thomas Meyer sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Kategorien

On the necessity of art for peace

The Conference of Swiss High Schools of Music supports efforts to restore peace in Europe and positions itself with regard to its levers of action to contribute to it.

Antoine Gilliéron — The war that has been taking place in Ukraine since the end of February has touched the hearts of the HEMs of our country as well as questioning culture and training spaces in their universalist but also sometimes political vocations. How can we contribute to peace today, perhaps even more than in normal times, as tertiary music education institutions?

Commitment and intangible principles

The eight high schools of music that make up CHEMS have taken a firm stand against the war in Ukraine (cf. Weiterführende Informationen) and, while clearly distinguishing individuals from the political regime, adhere to measures aimed at cutting ties with artists representing the current Russian political power as well as to question or even interrupt the cooperation in force with the Russian universities and conservatories which publicly displayed their support for the war at the beginning of March, which is deeply incompatible with the values ​​defended by the conference. Very attached to pacifism, to the rapprochement between peoples through music as well as to the principles of non-discrimination, solidarity and tolerance, the CHEMS affirms its desire to welcome Ukrainian artists fleeing their country but also musicians. Russians and Belarusians in its teaching and student body, even when these people are unable to publicly display their disapproval of the military invasion. Thus, it is crucial for the conference to emphasize the need to differentiate between individuals and regime, to highlight the freedom of art and research as well as the importance of maintaining the possibilities of travel and visas for all people with a nationality that is affected in one way or another by this war. The conference also takes a worried look at attempts to cancel culture and rejects with all its might attempts to suppress from the programs the masterpieces of Russian music which are also part of our exceptionally rich musical heritage.

Des liens historiques aux enjeux actuels

Ainsi, de l’Histoire de la musique à celle des écoles instrumentales russes, en passant par les partenariats et relations historiques que nos écoles entretiennent avec la Russie, la Biélorussie ou l’Ukraine, la réflexion pousse à jeter un regard plus large sur les relations culturelles qui unissent ces pays au nôtre. Au-delà de cette mise en perspective, les initiatives mises en place concrètement pour améliorer la situation au sein de nos écoles et plus largement à l’international font florès. Qu’il s’agisse des concerts pour la paix, de récoltes de fonds à destination d’œuvres caritatives ou d’entraides, de l’usage du Softpower que constitue la culture en affichant par exemple son soutien à l’Ukraine sur différents canaux de communication, de la mobilisation d’une part pour aider les étudiant.es de nos insti-tutions (au niveau financier et psychologique) mais aussi pour accueillir des étudiant.es ukrainien.nes qui s’éloignent de la guerre afin de leur offrir une continuité dans leurs études (avec notamment les systèmes Erasmus, Horizon académique ou Scholars at risk), les Hautes Écoles de Musique Suisses – en plus d’envoyer un message de solidarité pour la communauté touchée par cette guerre et d’unité envers toutes et tous – contribuent fortement à mettre en lumière la nécessité de l’art pour parvenir à la construction collective si précieuse que constitue la paix.

Zum Gedenken an Brigitt Leibundgut (1936–2022)

Am 23. Februar ist Brigitt Leibundgut, ehemalige Zentral-präsidentin des SMPV, verstorben. Während vieler Jahre setzte sich Brigitt Leibundgut in verschiedenen Positionen unermüdlich für den Verband ein.

Lucas Bennett — Brigitt Leibundgut wurde am 28. April 1936 geboren. In Bern besuchte sie Primarschule und Gymnasium und schloss 1955 mit der Matura Typus B ab. Gleichzeitig erhielt sie in Bern Klavierunterricht bei Ellen Brenner. Am Konservatorium Bern studierte sie Klavier bei Rosmarie Stucki, Theorie bei Sándor Veress und Pädagogik bei Suzanne Egli. 1960 erwarb sie das Lehrdiplom. Es folgten Weiterbildungen bei Louis Hiltbrand in Genf, Hubert Harry in Luzern und John Buttrick in Zürich. 1973 schloss sie ausserdem ein Studium für musikalische Früherziehung und Grundkurse am Konservatorium Zürich ab.

Als Musikpädagogin war Brigitt Leibundgut vielseitig engagiert; bis 1973 erteilte sie im Rahmen des SMPV-Privatunterrichts Klavierunterricht für Kinder und Erwachsene; an der Musikschule Küsnacht, deren Initiantin und Mitbegründerin sie war, wirkte sie sodann von 1973 bis 1989 als Schulleiterin und begründete 1973 die musikalischen Früherziehungs- und Grundschulkurse. Sie war ausserdem auch als Klavierlehrerin an der Kantonsschule Hottingen tätig.

In Konzerten trat Brigitt Leibundgut vor allem als Begleiterin und in kammermusikalischen Formationen auf, so z.B. im Duo mit der Geigerin Brigitte Barandun.

1978 wurde Brigitt Leibundgut, die seit ihrem Berufsdiplom 1960 Aktivmitglied des SMPV war, in den Vorstand der Sektion Zürich des SMPV gewählt, deren Präsidentin sie von 1990 bis 1999 war.

Das starke Engagement für den SMPV setzte Brigitt Leibundgut im Zentralvorstand fort, ab 2004 als Vizepräsidentin und von 2013 bis 2014 Zentralpräsidentin. In ihrem Präsidialjahr war eine wesentliche Aufgabe das Aufgleisen der Ausrichtungsdiskussion, die im ganzen Verband breit geführt wurde und an der DV 2016 einen (ersten) Abschluss fand. Dankbar erinnert sich der Schreibende, damals Vizepräsident des SMPV, an Brigitts stets umsichtige und im besten Sinne ausgleichende Art der Sitzungsleitung im Zentralvorstand. Als Vertreterin des SMPV versah sie darüber hinaus wichtige Funktionen in Partnerverbänden und -organisationen; sie war Kommissionsmitglied des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs, des Schweizer Musikrates und von Jugend & Musik, wo vor allem die Vorbereitung der Initiative «Jugend und Musik» (sog. Musikinitiative) im Vordergrund stand. Als Vorstandsmitglied des vormaligen Vereins Schweizer Musikzeitung, in welchem sie 13 Jahre als Aktuarin tätig war, begleitete sie unter anderem den anspruchsvollen Übergang zu einem neuen Trägerschaftsmodell für die SMZ.

Während vieler Jahre durfte der SMPV auch auf Brigitt Leibundguts Engagement für die musikalische Berufsausbildung zählen, die sich im Übergang von den traditionsreichen SMPV-Studien zu den Bologna-kompatiblen Berufsstudien von SAMP/Kalaidos befand. Sie engagierte sich im Vorstand des Förderkreises der privaten musikalischen Berufsausbildung in der Schweiz, der sich für die Erhaltung privater Musikstudien in der Schweiz einsetzte und der SAMP wertvolle Unterstützung zuteilwerden liess. Auf die Delegiertenversammlung 2014 demissionierte Brigitt Leib-undgut aus dem Zentralvorstand und wurde von der Versammlung zur Ehrenpräsidentin ernannt. Weiterhin aktiv blieb sie im Stiftungsrat der Schweizerischen Akademie für Musik und Musikpädagogik (SAMP), dessen Präsidentin sie von 2013 bis 2019 war.

Als erfahrene Prüfungsexpertin in der Berufsausbildung wurde Brigitt allseits geschätzt. Ihre Neugier und ihr echtes Interesse an der Entwicklung der Studierenden, ihre ruhige und bedächtige Art, an Prüfungen Kritik zu äussern und das grundsätzlich grosse Wohlwollen gegenüber den Prüflingen bleiben in bester Erinnerung.

Brigitt Leibundgut verstarb nach längerer Krankheit kurz vor ihrem 86. Geburtstag im Kreis ihrer Familie.

Corona bestimmt noch immer unser Leben

Der Bundesrat hat die «besondere Lage» aufgehoben. Trotzdem ist das Corona-Virus noch immer unter uns. Das Freiburger Institut für Musikermedizin weist auf nach wie vor geltende Risiken hin.

SMM — Das Institut offeriert regelmässig aufdatierte Risikoeinschätzungen und Empfehlungen. Zwar unterscheiden sich die politischen Einschätzungen zur Lage inDeutschland und der Schweiz. Die Analyse des Freiburger Teams um Claudia Spahn und Bernhard Richter ist aber auch hierzulande hilfreich. Im neuesten Update von Mitte März betont es, dass ein wichtiger und zentraler Punkt zur Bekämpfung des Corona-Virus nach wie vor das Impfen darstellt, da die Infektionszahlen weiter hoch sind. Es empfiehlt überdies die etablierten Testverfahren auch weiterhin für die Kultur. Sie minimierten das Ansteckungsrisiko bei Proben deutlich, wenn alle Teilnehmenden (unabhängig vom Datum ihrer letzten Impfung oder Genesung) tagesaktuell getestet seien.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in einer Stellungnahme vom 11. Januar die Bedeutung der 3-G-Plus-Regel und der AHA-Regeln hervorgehoben. 3G-Plus bedeutet, dass Zutritt nur für vollständig Geimpfte oder Genesene oder Personen mit einem negativen PCR-Test gestattet ist. Ein negativer Antigen-Schnelltest reicht nicht aus. Die deutsche AHA-Regel erinnert an Abstand halten, Hygiene-Massnahmen und Alltagsmasken. Werden diese eingehalten, scheint nach aktuellem Kenntnisstand das aktive Singen und Musizieren trotz der ansteckenderen Omikron-Variante weiterhin möglich zu sein. Das Freiburger Institut empfiehlt zur Risikoreduktion bis auf weiteres zusätzlich zur 3-G-Regel einen tagesaktuellen Test für alle Teilnehmenden einer Probe oder Konzertveranstaltung, legt also deutlich restriktivere Massnahmen nahe als die Schweiz.

Seit Ende Februar ist es in Deutschland Laienchören wieder erlaubt, ohne Maske zu musizieren. Dennoch empfiehlt das Institut auch beim gemeinsamen Singen (besonders, wenn auf die Maske verzichtet werden kann) bis auf weiteres alle Teilnehmenden vor Beginn der Probe/Veranstaltung zu testen.

Vielen Menschen falle es schwer, schreibt das Team, Anschluss an das Leben vor Corona zu finden, obwohl zahlreiche Aktivitäten trotz hoher Infektionszahlen für Geimpfte wieder erlaubt seien. Besonders dem Singen hafte das Etikett an, gefährlich zu sein. Diese Barriere müsse erst wieder überwunden werden. Dass Singen und Musizieren für die psychische Gesundheit äusserst positiv und wichtig seien, müsse bei abnehmender Gefährdung durch Corona wieder neu etabliert werden. Kinder und Jugendliche im Singen und Musizieren zu fördern, sei eine besonders wichtige Aufgabe und ethische Verantwortung.

Die hauptsächliche Übertragung von Viren, die respiratorische Infekte verursachen, erfolgt laut dem Institut im Allgemeinen über Aerosole, die beim Husten und Niesen entstehen und beim Gegenüber über die Schleimhäute der Nase, des Mundes und des tiefen Respirationstraktes beim Einatmen und gegebenenfalls über die Bindehaut des Auges aufgenommen werden. Wenn eine infizierte Person beim Husten Viren ausstösst, so ist laut Simulationen davon auszugehen, dass die Viren auch nach mehreren Minuten und möglicherweise Stunden noch in der Luft nachweisbar sind, auch wenn sich die erkrankte Person bereits wieder entfernt hat. Das Einhalten der Abstandsregel sei auch im Musizierbetrieb zum Schutz vor Tröpfchenansteckung deshalb weiterhin wichtig.

Eine Rolle spielt aber nach wie vor auch die Kontaktübertragung: Viren können von Oberflächen übertragen werden, wenn sie durch das Berühren dieser kontaminierten Flächen an die Hände gelangen und diese danach ungereinigt das Gesicht berühren – sofern die Viren bis zu diesem Zeitpunkt ihre Infektionsfähigkeit behalten haben.

Musiker und Musikerinnen aller Musikbereiche sollten «streng darauf achten, bei unspezifischen Krankheitssymptomen wie Fieber plus Atemwegsbeschwerden (trockener Husten, Katarrh) oder bei eher typischen Symptomen wie dem akuten Verlust der Riech- und Geschmacksfunktion jeden Kontakt mit anderen solange zu vermeiden bis durch die SARS-CoV-2 PCR-Untersuchung eines Abstrichs die Infektion ausgeschlossen wurde». Die neuere Omikron-Variante könne sich mit milderen Symptomen äussern, sei jedoch ansteckender als die zuvor vorherrschende Delta-Variante.

Link zum erwähnten Paper:

> www.mh-freiburg.de/service/covid-19/risikoeinschaetzung

Von Arbon bis Zug – von Harfe bis Saxophon

Vom 4. – 6. März wurden in der ganzen Schweiz die Klassik-Entradas des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs 2022 durchgeführt. Das Finale findet vom 28. April bis 1. Mai in Zürich statt.

Heinrich Baumgartner — Gestartet wurde in fünf von sieben Spielorten am Freitag, 4. März um 9.30 Uhr, in Arbon, Liestal, Neuenburg, Winterthur und Zug. Genf stiess eine halbe Stunde später dazu und Lugano am Samstag, 5. März. An fast allen Spielorten wurde in mehreren Räumen parallel vorgespielt. So fanden – in Zusammenarbeit mit den örtlichen Musikschulen – bis zu 19 Vorspiele gleichzeitig statt. Abgeschlossen wurde der Riesenevent durch die Bekanntgabe der Ergebnisse und die Beratungsgespräche mit den Teilnehmenden, gesondert nach den einzelnen Instrumenten. Diese Gespräche fanden letztmals im Lauf des Sonntagnachmittags oder frühen Abends statt und wurden durch die vierköpfigen Fachjurys umgesetzt, Fachjurys für Akkordeon, Blockflöte, Cello, Fagott, Harfe, Horn, Kammermusik, Klarinette, vierhändiges Klavierspiel, Kontrabass, Musik vor 1750, Oboe, Orgel, Panflöte, Querflöte, Saxophon, Schlagzeug, Violine, Viola und zeitgenössische Musik. (Der Wettbewerb wird für die verschiedenen Instrumente im Zweijahresrhythmus durchgeführt.)

Unglaublich, wenn man bedenkt, was es braucht, um einen solchen Anlass gut über die Bühne zu bringen. Am Wochenende selber ist nur die Spitze des Eisbergs zu sehen. Die lange Vorarbeit ist nur zu erahnen.

Dies gilt allerdings nicht nur für die Organisation des Anlasses, sondern ebenso für die Vortragenden. Die Früchte stunden-, wochen-, ja, monatelanger Auseinandersetzung mit dem Instrument und mehreren Werken werden hier live dargeboten ohne Netz und doppelten Boden. Korrekturtaste und Resetknopf gibt es nicht.

Meine Eindrücke von diesem Event beschränken sich auf ein paar wenige Ausschnitte. Ich habe Harfenvorspiele in Arbon und Saxophonvorspiele in Zug gehört. An beiden Orten nahm ich eine wenig wettbewerbsmässige Stimmung wahr. Die paar anwesenden Zuschauer*innen – vor allem Musiklehrpersonen und Eltern von Vortragenden – wurden in den hellen, grosszügigen Räumen der Musikschule willkommen geheissen, das Programm wurde angesagt. Die Vortragenden hatten genügend Zeit, um sich einzurichten. Die Vorgaben des Reglements sehen eine vernünftige Programmlänge für die einzelnen Vortragenden vor. Die Jury war so in den Zuschauenden platziert, dass sie für die Vortragenden nicht als «Mauer» wahrgenommen wurde.

Jedenfalls hatte ich bei keinem und keiner Vortragenden den Eindruck, dass er oder sie Spiessruten lief. Die Partien, in denen Musik gestaltet wurde, überwogen bei weitem.

Das Niveau war durchwegs hoch. Die Programme waren abwechslungsreich gestaltet. Ein jazziges Stück fehlte auch in den Klassik-Programmen nicht und wurde in der Regel noch engagierter vorgetragen als die klassischen Stücke.

In einem Musikwettbewerb kann man schnell einmal verletzt werden. Man zeigt beim Musizieren stets viel von sich und ist dementsprechend verwundbar. Der Leiter des Konservatoriums Winterthur, Christian Ledermann, fasst das in seinen einleitenden Worten zum Programm der Entrada 2022 in Winterthur so zusammen: «Unser Ziel ist es, dass alle Musizierenden ihr Können in einer positiven Atmosphäre und in ruhigem, kompetentem Umfeld optimal präsentieren können.»

Bei denjenigen Vorspielen, die ich erlebt habe, ist das vollumfänglich gelungen. Mich hat auch erstaunt, wie viele der Teilnehmenden bei ihren Kolleg*innen im Publikum sassen, aber auch wie viele Lehrpersonen den Vorträgen anderer Schüler*innen beigewohnt haben.

Der Entrada-Wettbewerb von der Begrüssung am Vormittag des 4. März bis zum Abschliessen der Musikschulen am Sonntagabend ist in verschiedener Hinsicht nur die Spitze des Eisbergs. Aus meiner Sicht als Zuhörer war es aber ein besonders gelungener Eisberg, der den Teilnehmenden besonders viele wertvolle Erfahrungen, Begegnungen und Eindrücke vermittelt hat.

Die Klassik-Kategorie ist mit Abstand die grösste im Rahmen des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs, aber nicht die einzige. Vom 28. April bis 1. Mai 2022 sind im Rahmen des Finales in Zürich einige ausgezeichnete Vortragende nochmals zu hören. Bereits am 9. April findet in Bern das Come Together des Jazz&Pop-Wettbewerbs statt, am 29. April die Live-Performances des Kompositionswettbewerbs und der Kategorie Free Space. Angaben zu diesen Veranstaltungen finden sich auf der Homepage des Wettbewerbs.

East Meets West Doppeltagung

Am 6. und 7. Mai 2022 veranstaltet die Sektion Zürich der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Institute for Music Research der ZHdK im Toni-Areal eine Doppeltagung zu zwei anscheinend unvereinbaren Themenbereichen: Arnold Schönberg als Lehrer und musikalische Byzantinistik.

Dominik Sackmann, Lukas Näf — Arnold Schönberg, dessen Biographie von Wien nach Los Angeles, also von Ost nach West, verlief, war als Kompositionslehrer berühmt. Seine bekanntesten (und ersten) Privatschüler waren Alban Berg und Anton Webern in Wien. Ab 1925 bildete sich an der Preussischen Akademie der Künste in Berlin ein grosser Kreis von Studenten um ihn. Nach der Emigration war Schönberg in New York und vor allem in Los Angeles finanziell angewiesen auf Unterrichtsmöglichkeiten. Darum betreute er bis zu seinem Tod (1951) junge Komponisten und Komponistinnen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und Lebenszielen. Schönberg selbst schrieb ja in seiner Harmonielehre (1911), er habe sie «von seinen Schülern gelernt». Viel zu wenig weiss man jedoch über die Details seines Unterrichts: Wie spielte dieser sich ab, wie kommunizierten Lehrer und Schüler miteinander, welchen Anteil hatte die grundlegende Handwerkslehre, worauf legte Schönberg wert, wie gross war der Einfluss seiner eigenen Ästhetik auf seine Schüler? Behandelte Schönberg seine Studierenden alle gleich? Wie haben die Schülerinnen und Schüler Schönberg als Lehrer erlebt und das Gelernte später verarbeitet? Antworten auf solche Fragen können nur Untersuchungen zu einzelnen Komponistinnen und Komponisten sowie zu deren Erinnerungen und musikalischen Werken liefern.

Zillig, Wellesz, Skalkottas, Schmid, von Hannenheim

Iris Eggenschwiler (Zürich) wird einen Einblick über das bislang Erforschte zu Schönbergs Schülerkreis und zur Unterrichtspraxis des «Meisters» vermitteln. Völlig gegensätzliche Komponisten, die Schönbergs Unterricht zu unterschiedlichen Perioden in Wien oder Berlin erlebt haben, stehen im Zentrum von vier Porträts: Lukas Näf (Zürich) über den Schweizer Erich Schmid (1907–2000), Christian Lemmerich (Würzburg) über den deutschen Komponisten Winfried Zillig (1905–1963), Ludwig Holtmeier (Freiburg i. Br.) über den aus Siebenbürgen stammenden Norbert von Hannenheim (1898–1945) und Nina-Maria Wanek (Wien) über Nikos Skalkottas (1904–1949) aus Griechenland.

Über Nikos Skalkottas kam Schönberg zweifellos in Kontakt mit der Musik aus dem ägäischen Raum. Den Blick über die Grenzen Europas hinaus gewährte ihm aber besonders sein früher Wiener Schüler Egon Wellesz (1885–1974), der ab 1920 den Forschungszweig der musikalischen Byzantinistik mit epochemachenden Erstentzifferungen recht eigentlich begründete. In diesem Sinn pflegte der Kreis um Schönberg also durchaus Beziehungen von West nach Ost.

«Missa Graeca» – Berührungspunkte von östlichem und westlichem Liturgiegesang

Zu Beginn wird Nina-Maria Wanek (Wien) eine Einführung in die Besonderheiten und die Geschichte des byzantinischen Gesangs geben. Die Choralschola der ZHdK unter der Leitung von Stephan Klarer wird anschliessend die gegensätzlichen Klangwelten von byzantinischem und gregorianischem Liturgiegesang live hörbar machen. Der zweite Teil des Abends widmet sich der theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit der «Missa Graeca», einer mittelalterlichen Zusammenstellung gregorianischer Gesänge mit griechischem Text.

Byzantinische Gesänge

Zürich, Freitag, 6. Mai 2022, 18.00–21.30 Uhr, Zürcher Hochschule der Künste (Toni-Areal), Pfingstweidstrasse 96, Raum 7.K06, Konzertsaal 2 (Orgelsaal), Ebene 7

Byzantinische Gesänge – «Missa Graeca»: Referate von Nina-Maria Wanek (Wien) und Präsentation westlicher und östlicher Gesänge mit der Choralschola der ZHdK (Ltg.: Stephan Klarer)

Arnold Schönberg als Lehrer

Zürich, Samstag, 7. Mai 2022, 9.30–16.00 Uhr, Zürcher Hochschule der Künste (Toni-Areal), Pfingstweidstrasse 96, Raum 3.K01, Ebene 3

Arnold Schönberg als Lehrer: Referate von Iris Eggenschwiler (Einführung) 9.30, Lukas Näf (Erich Schmid) 10.15, Ludwig Holtmeier (Norbert von Hannenheim) 11.15, Nina-Maria Wanek (Egon Wellesz und Nikos Skalkottas) 14.00, Christian Lemmerich (Winfried Zillig) 15.00.

Weitere Informationen unter:

> www.zhdk.ch/forschung/imr

Vierstimmige Theologie

Thomas Daniel unterteilt in seiner Neuausgabe der bachschen Choralsätze erstmals klar zwischen gesicherter und zweifelhafter Autorschaft.

Die Choräle von Johann Sebastian Bach sind nicht nur Studienobjekt oder Lehrstück, sondern repräsentieren die einzigartige Verbindung von Theologie und Musik. Ihre Funktion ist das Gebet, die Reflexion, der Kommentar oder das Bekenntnis. Schon zu Bachs Lebzeiten begannen seine Choräle ein Eigenleben zu führen und wurden gesammelt. Und als nach dem Tod auch seine Musik verstummte, bewahrten sie der Nachwelt sein Andenken.

Der Musikwissenschaftler Thomas Daniel, ein bekannter Bach-Spezialist, hat bei Breitkopf & Härtel Sämtliche Choralsätze als Urtext-Ausgabe aller vierstimmigen Choräle von Johann Sebastian Bach herausgegeben. Dazu wurden die Choräle in zwei Teile etwa gleichen Umfangs unterteilt: Die Choräle aus den Kantaten, Motetten und Passionen, die gesichert von Bach stammen, finden sich im ersten Teil, während der zweite Teil Choräle aus späteren Quellen und Drucken enthält. Durch das Heranziehen neuer Quellen werden die authentischen Choräle erstmals sauber von den Chorälen mit zum Teil zweifelhafter Autorschaft getrennt. Die Ausgabe enthält neben einem informativen Vorwort und einer separaten Einführung zur Edition für beide Teile auch erstmals Einzelanmerkungen zu jedem Choral, die direkt im Notenteil abgedruckt sind. Zusätzlich gibt es hilfreiche Register, mit denen sich die Sätze nach Textanfang, BWV-Nummer sowie Melodiekomponist und Textdichter suchen lassen.

Eine sehr empfehlenswerte Neuausgabe, die in keinem Notenschrank fehlen sollte.

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Johann Sebastian Bach: Sämtliche Choralsätze für vierstimmigen gemischten Chor, hg. von Thomas Daniel, Chorpartitur, ChB 5377, € 24.90, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

Achtsamkeit allein ist zu wenig

Fabio Dorizzi ist in Steinach am Bodensee aufgewachsen. Er studiert Gesang im Studiengang Bachelor of Arts an der Kalaidos Musikhochschule und konnte letztes Jahr mehrere Erfolge feiern: Er gewann den 1. Preis des Kertész-Wettbewerbs und konnte auch in seiner ersten Rolle am Zürcher Opernhaus auftreten.

Annette Kappeler und Xavier Pfarrer — Fragt man ihn nach seiner Lieblingsmusik, erwähnt er Depuis le jour von Marc-Antoine Charpentier (Interpretation Montserrat Caballé) und Time waits for no one von Freddy Mercury. Er bezeichnet sich als leidenschaftlicher «Power Napper», Feldenkrais-Fan und liebt es, in Clubs zu tanzen.

Fabio Dorizzi, was hat sich während der Pandemie in Ihrem Leben verändert? Was waren die grössten Herausforderungen?

Die Pandemie war eine turbulente Zeit. Auf einmal standen viel Angst und Trauer im Raum. Viele Leutehaben nahestehende Menschen verloren, Beziehungen gingen in die Brüche, Arbeitsverhältnisse änderten sich… Aber auch Begriffe wie «Solidarität» und «Entschleunigung» wurden lauter. Das fand ich schön. Darüber hinaus hat sich für mich während der Pandemiezeit ein Traum erfüllt, als ich an der Oper Zürich singen durfte.

Herzliche Gratulation! Wie ist es zu diesem Engagement gekommen?

Ein Agent hat mich angefragt. Danach habe ich in Zürich vorgesungen und die Rolle bekommen. Ich bin mega-dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte und habe alles wie ein Schwamm in mich aufgesogen und viel Neues dazugelernt. Mein nächstes Ziel ist es nun, in ein Opernstudio zu kommen.

Die Bühne scheint Sie zu faszinieren. Bereits in der 3. Klasse haben Sie die Hauptrolle eines Schulmusicals gesungen. Letztes Jahr das Opernhaus Zürich… Was verbindet für Sie diese beiden Stationen?

Das sind zwei wichtige Momente meines Lebens. Bei beiden habe ich mich sehr intensiv gespürt und mich auf meinem Weg bestärkt gefühlt. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen! Wenn man damit noch Menschen glücklich machen kann: Jackpot!

Können Sie mit Ihrer künstlerischen Tätigkeit ihr Studium und ihr Leben finanzieren, oder arbeiten Sie auch in anderen Bereichen?

Ich hatte während meines Studiums Nebenjobs und werde von Stiftungen und Privatpersonen unterstützt. Momentan kann ich noch nicht 100% vom Gesang leben. Dieses Ziel verfolge ich weiter und werde nicht davor zurückscheuen, Nebenjobs anzunehmen. Man ist ja nicht weniger Künstler, nur weil man sein Einkommen aus anderen Quellen generiert.

Da sind wir uns einig. Zudem ist das Studium an der Kalaidos nicht subventioniert. Was sind (neben den Studienkosten) Vor- und Nachteile einer Hochschule wie Kalaidos, die stark auf Flexibilität und Selbstständigkeit der Studierenden setzt?

Ich schätze die zeitliche und örtliche Unabhängigkeit der Kalaidos! Aber keine Rose ohne Dornen: Gerade am Anfang des Studiums hatte ich Mühe damit, mir meinen Studienalltag zu strukturieren. Heute bin ich froh darüber, dass ich dies im Rahmen meines Studiums gelernt habe.

Sie nennen mit der Strukturierung des Studienalltags einen wesentlichen Punkt. Trotzdem kann es immer wieder zu stressigen Phasen kommen. Sie haben eine Maturaarbeit über Achtsamkeit geschrieben – spielen solche Techniken für Ihre künstlerische Arbeit eine Rolle?

Absolut! Achtsamkeit ist für mich eine Grundvoraussetzung für jedes Lernen! Aber während des Studiums habe ich auch gelernt: Achtsamkeit allein ist zu wenig. Ich glaube, dass man sein Leben nicht im «Beobachtermodus» verbringen soll, sondern sich immer wieder im Leben und in den eigenen Rollen verlieren darf… Die Mischung macht wach und lebendig.

Sie haben einmal formuliert: «Ich lebe heute schon aus der Musik. Mein Traum ist es, in Zukunft auch von der Musik zu leben». Was bedeutet dieses Aus-der-Musik-Leben heute für Sie?

Ich glaube, es gibt keinen menschlichen Zustand, der sich nicht in Musik fassen lässt. Das Umgekehrte ist genauso gültig: Wenn man sich von der Musik berühren lässt, kann man sich in viele «Menschlichkeiten» hineinspüren. Das hat etwas sehr Befreiendes, finden Sie nicht?

Als Komponist noch zu entdecken

Christoph Keller hat die Klaviermusik von Erich Schmid in zwei Bänden herausgebracht.

Der älteren Generation muss man den Dirigenten Erich Schmid wohl nicht vorstellen. Als Leiter des Tonhalle-Orchesters Zürich und des Radio-Orchesters Beromünster hatte er nach dem Zweiten Weltkrieg über viele Jahre eine zentrale Position im Schweizer Musikleben inne. Und zwischen 1968 und 1978 war er vermehrt auch als Gastdirigent bei verschiedenen englischen Orchestern tätig.

Dass Schmid, zumindest in den Dreissigerjahren, auch ein fruchtbarer Komponist war, dürfte weniger bekannt sein. Eine 2013 bei ZHdK-Records veröffentlichte CD-Box bietet da einen guten Einstieg in die Musik dieses Vielbeschäftigten (ZHdK-Records 30/2013). Vor Kurzem nun hat der Pianist Christoph Keller Erich Schmids Klaviermusik in zwei Heften bei Boosey & Hawkes/Bote & Bock herausgebracht.

Schon die frühe Kleine Musik für Klavier von 1926 verrät einiges über Schmids kompositorische Potenzial. Zwei der drei kurzen Stücke sind mit viel jugendlichem Schwung und Schalk dahingeschrieben, während das mittlere (langsam und ausdrucksvoll) eine erstaunliche lyrische Begabung offenbart. Mit den Drei Klavierstücken von 1929 wagt Schmid dann den Schritt in die freie Atonalität.

«Also ich komponiere … Klavierstücke, die ich nicht spielen kann», schrieb er darüber an seinen Freund Erich Itor Kahn. Tatsächlich sind die drei durchwegs faszinierenden Klangskizzen pianistisch nicht einfach zu realisieren; kleinere Hände werden auf grosse Schwierigkeiten treffen.

Die folgenden Sechs Stücke für Klavier op. 6 stehen dann ganz klar unter dem Einfluss von Schmids berühmtem Kompositionslehrer Arnold Schönberg. Einerseits ist zu bewundern, wie souverän der 25-jährige Schüler bereits die Zwölftontechnik beherrscht, andererseits steht das Handwerkliche doch sehr im Vordergrund. Der Komponist entgeht dabei nicht gewissen Stereotypen (wie z. B. der Vorliebe für absteigende Phrasen).

Die 1941 entstandenen Splitter zeigen wiederum einen ganz anderen Schmid: Ein Marsch, ein Walzer und ein Foxtrott kontrastieren mit Liedbearbeitungen und einer zauberhaften Berceuse. «Mit ihrer vergleichsweise leichten Spielbarkeit eignen sich die Stücke für die Einführung in ein Klavierschaffen, das in weiten Teilen noch der Entdeckung harrt», schreibt Herausgeber Christoph Keller zu Recht über diese Splitter.

Und wer sich intensiver mit Erich Schmid und seinem Wirken befassen möchte, ist mit den beiden Heften sehr gut bedient. Denn nebst einem ausführlichen kritischen Bericht, Werkbesprechungen und Faksimiles enthalten sie auch eine lesenswerte Biografie.

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Erich Schmid: Klavierwerke 1 und 2, hg. von Christoph Keller, Werke 1, BB 3545; Werke 2, BB 3546; je € 55.00; Boosey & Hawkes / Bote & Bock, Berlin (Schott, Mainz) 

Seltene Besetzung

Vermutlich war Louis François Dauprats Sonate für Horn und Harfe für den didaktischen Einsatz vorgesehen.

Louis François Dauprat (1781–1868) war als Orchesterhornist und Hornlehrer in Paris tätig und einer der wichtigsten Naturhornisten jener Zeit. Ausserdem komponierte er zahlreiche Werke, meist zu Studienzwecken für seine Schüler, darunter sechs Hornkonzerte und Kammermusik für Horn und Hornensemble. Von musikgeschichtlichem Interesse dürfte sein Sextett op. 10 sein, in welchem jeder der sechs Hornspieler in verschiedenen Stimmungen, also jeder mit einem anderen Stimmbogen spielt. Die reichhaltige Sammlung von Musik für Horn und Bläserkammermusik in der Edition Kunzelmann erhält durch die von Simon Scheiwiller liebevoll betreute Ausgabe der Sonate für Horn und Harfe op. 3 willkommenen Zuwachs.

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Louis François Dauprat : Sonate pour cor et harpe op.3, hg. von Simon Scheiwiller, GM-1962, Fr. 23.00, Edition Kunzelmann, Adliswil

Richard Strauss und die Blockflöte

Der 19-Jährige legte seiner «Fantasie» für Sopranblockflöte, Fagott und Gitarre (Klavier) ein berühmtes Thema von Paisiello zugrunde.

Salome, Elektra, Zarathustra, Till Eulenspiegel … Denkt man an Richard Strauss, so verbindet man seinen Namen wohl mit Opern, Tondichtungen oder seinem Liedschaffen. Aber eine originale Komposition mit Blockflöte von 1883?

Strauss‘ Jugendwerke sind auch heute noch weitgehend unbekannt. Auf der letzten Seite des Partiturautografs zu dieser Fantasie findet sich der Hinweis auf den Anlass zur Komposition: «O lass mich nicht zu lange schwitzen, denn ein Strauss ist kein Genuss. Vorstehende Fantasie comp. und geschrieben v. Richard Strauss für Fagott und Kreuzertrompete wurde aufgeführt, Ordensfest 1883 von Weschitz und [unleserlich].» Beim Orden handelt es sich um den geselligen Münchner Harbni-Orden wider den tierischen Ernst, für den Strauss bereits im Jahr zuvor ein Gelegenheitswerk geschrieben hatte.

Die Besetzungsangabe in der autografen Partitur lautet Fagotto, Mundflöte (in der Einzelstimme: Maulflöte) und Guitarre. Dass Strauss mit Mundflöte ein Blockflöteninstrument gemeint hat, wurde, nach Recherchen von Franz Trenner und Peter Thalheimer, letztendlich von Nikolaj Tarasov bestätigt. Für die heutige Praxis wird eine Sopranblockflöte in c empfohlen. Obwohl die Partitur mit «Guitarre» überschrieben ist, wurde sie von Strauss als Klavierstimme auf zwei Systemen notiert, für die vorliegende Ausgabe aber zusätzlich auch für Gitarre eingerichtet.

Die Fantasie des 19-jährigen Komponisten basiert auf dem berühmten Thema «Nel cor più non mi sento» aus der Oper La Molinara von Giovanni Paisiello und reiht sich ein in ein Dutzend anderer Kompositionen über das gleiche Thema beispielsweise von Beethoven, Sor, Hummel oder Paganini. Nach einer kurzen Einleitung und dem auf beide Melodieinstrumente verteilten Thema folgen je eine Variation für Blockflöte und Fagott und ein virtuoses Finale. Strauss‘ kompositorischer Schalk blitzt nicht nur beim plötzlich zu singenden Ton in der Flötenstimme durch. Mit dieser vierminütigen Fantasie wurde die spärliche Blockflöten-Originalliteratur des 19. Jahrhunderts um ein heiteres Werk für eine überaus reizvolle Besetzung erweitert.

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Richard Strauss: Fantasie über ein Thema von Giovanni Paisiello, für Sopranblockflöte, Fagott und Gitarre (Klavier), hg. von Peter Thalheimer, Erstausgabe, EW 1129, € 14.80, Edition Walhall, Magdeburg

Foto oben: wikimedia commons

The soundtracks of our lives

The partnership between music and our memories.

Foto: David Matos/unsplash.com

We often donʼt think about the nature of our «memory» unless we are directly confronted with how much we rely on it for our knowledge and sense of identity. The experience of intensely cramming for a test but then blanking in an exam, the awful anticipatory grief of losing a loved one to dementia, or the sudden impact of a traumatic brain injury are all examples that demonstrate how important, yet vulnerable our memories can be in relating to ourselves and the world around us. Yet, when we think about the soundtracks of our lives, music provides a potent connector to our solo, scholarly and social selves. In this article, I share an overview of the ways in which music is connected to our short term, working, and long term memory.

Short term memory

Starting (perhaps) at the beginning, our short term memory (STM) is the key to understanding how we learn. STM lasts approximately 20-30 seconds and is quite limited in capacity. Studies show an average of only 7 ± 2 items can be maintained as we try to take in new information.

In psychological testing verbal tasks such as the forwards digit span test can help us understand if there might a problem with auditory STM. Digit span tests involve asking a person to repeat a sequence of numbers (digits) that increases until the limits of correct recall are reached. In the forward test, the same order is requested (e.g., 2, 7, 4, 9), whereas with backwards test, the correct reverse order is required (i.e., 9, 4, 7, 2). This may be important for example, when considering how a child with special educational needs may use music to help with learning (e.g. using short repetitive musical phrases to aid memory).

Working memory

A seemingly similar task, the backwards digit span test, can help us understand if there is a problem with working, rather than STM. Working memory does overlap with STM. But, as the name implies, it is more focused on manipulation of information and is important for problem solving (e.g., doing mental arithmetic). Working memory therefore requires some elements of recall from previously encoded information.

In terms of music, auditory information is thought to be processed via a phonological loop (a sort of internal recording). The phonological loop can be further divided into two parts: the «inner voice» responsible for verbal rehearsal and the «inner ear» responsible for speech-based storage. The ability to access these memory mechanisms are important in music, such as finding the right pitch to sing, or when transposing notes from one key to another. Understanding how auditory processing difficulties can be connected to developmental conditions (e.g., ADHD, dyslexia) can be an essential part of working out which type of musicing to use therapeutically.

Long term memory

In order to transfer information from short to long term memory we need to replay and process what the new information means in relation to older information. This way, we retain whatʼs important (and lots that doesnʼt always seem to be!), and (hopefully) recall pertinent memories as necessary. Retention requires encoding via mechanisms such as repetition (rote learning), chunking (collecting smaller «bite size» pieces of information together), and association (mnemonics). Some conditions such as sleep help, whereas other conditions (i.e., attentional interference) can hinder the process of memorisation.

Music and lifespan

So how can music help, and when do we need to take care in case it doesnʼt?
If we think about our lifespan development, it is easy to see how music plays a part.

In the womb, we hear the sounds of our primary caregivers. And, once born, babies show preference for familiar vocalisations (and even content) compared to novel stimuli. As babies, we quickly learn that our vocalisations are the key to our needs being met. The way we communicate with babies (known as «Motherese») typically involves sing-song phrases such as «Hello beautiful baby!» that are paired with a smile. In relation to music and memory, at this stage, there are (at least) two cognitive mechanisms developing: statistical auditory learning and reward based associations.

Statistical auditory learning

Statistical learning is often studied in terms of language acquisition, but itʼs also the start of our musical enculturation – the effect whereby mere exposure internalises the melodies, harmonies and rhythms of our cultures. The first song many of us learn for example, helps us learn the letters of the alphabet (explicit long term memory), but we are also implicitly internalising musical structures using mechanisms such as repetition, rhyming, chunking and mnemonics:

ABCDEFG…HIJK – LMNOP…QRSTUVW…

Through the correct performance of nursery rhymes, we reinforce positive behaviours with praise and applause. A somewhat potent cocktail for those of us who are musically minded!

Musical training in childhood has been associated with differential brain development and accelerated learning (especially literacy and second language acquisition). However, studies have also shown that sound and music can interfere with memorisation. Such interference seems to be particularly associated with lyrical rather than instrumental music, possible due to a dual-attention effect that favours familiar rather than novel semantic encoding. So, quiet places such as libraries are essential to help us learn, and it seems best to stick to instrumental music whilst studying.

The playlist of life

By this stage in life (adolescence), we are intensely developing our identities. «Who we are» involves music as part of our cultural practice, but also as part of the instinct to connect to others. Whilst some music lovers may painstakingly curate the tracks of their lives specifically to belong or rebel (thinks mods and rockers), and musicians must learn a repertoire many will never forget. Even the musically unengaged cannot completely close their ears to the sounds of their time and place.

All of the major events in our lives are accompanied by songs, whether its weddings or funerals, first dates or new-found freedom, major sporting or a national event. Soundtracks associated with event help form autobiographical memories, in particular between the ages of 10 and 30 years old. This period of potent musical memories (known as the «reminiscence bump») is also one of the keys to also understanding how music can help later in life.

Many of us have a time travel song. Mine is Come On Eileen by Dexys Midnight Runners. It takes me back to the moment of my first kiss at the school disco. It still makes me feel that strange mixture of hope and heartbreak as only bittersweet songs can do. And Iʼm sure if Iʼm lucky enough to live a long life, one day Iʼll hear that song on the radio, and it will bring a sparkle to my eyes. Such music evoked autobiographical memories (or MEAMs) are the basis of projects like Playlists for Life which have shown how music can be used as a non-pharmacological therapy to help people who are otherwise non-responsive to reconnect, not only to themselves, but also to their families and loved ones.

Whole brain involvement

The way the brain processes music is a whole brain phenomenon; music activates the auditory, motor and limbic areas. Music also triggers activity in prefrontal cortex – which is the last area affected by Alzheimerʼs disease, and why MEAMs are believed to be important for dementia care. But this is not the only condition of memory loss for which music is important. People who have suffered concussion or strokes that have left them with expressive aphasia (1) (the inability to express language) are often still able to sing songs they know. There are various therapeutic methods that co-opt aspects of singing to help rehabilitation to speech.

However, music and memory are not always happy bedfellows as anyone who has had an annoying earworm will know! Musical memory can be experienced in extremes as seen in musical savants. Or not at all as seen in those with either congenital or acquired amusia. This is a condition that effects 1% of the worldʼs population that not only involves the lack of ability to process pitch, but also lack of ability to remember musical phrases. So, itʼs important to think about how music and memory works so that we can understand how best to make the most of those mechanisms in terms of individual therapeutic music-based applications that can harness the soundtracks of our lives.

Footnote
1 Expressive (or non-fluent) aphasia is a specific type resultant of damage to the language dominant Broca’s area in left hemisphere of the brain.

Useful References

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Dawn Rose
… is a music psychologist working as a Senior Researcher at the Lucerne University of Applied Arts and Sciences in Switzerland.

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