Unerschöpfliche Gattung

Vier gewichtige Publikationen aus den letzten Jahren blicken mit unterschiedlicher Ausrichtung auf das Streichquartett.

Foto: Gila Hanssen / pixelio.de

Seit mehr als 250 Jahren ist das Streichquartett nicht allein ästhetisch das nobilitierteste Genre der Kammermusik, sondern auch jene Gattung, die alle Stürme und Revolutionen der Musikgeschichte bis in das 21. Jahrhundert hinein bruchlos und unbeschadet überdauert hat. Dies hat verschiedene Gründe: der kaum zu überblickende internationale Werkbestand bei gleichzeitiger Betonung eines selbst noch im 20. Jahrhundert erweiterten Kernrepertoires; der vielfach vollzogene stilistische Wandel bei deutlich traditionellen und intertextuellen Bezugspunkten; die frühe Etablierung stehender Ensembles und die Professionalisierung des kompositorischen Anspruchs. Dazu kommen die unter verschiedenen Vorzeichen noch immer gültigen satztechnischen Aspekte, die schon Ludwig Finscher für Haydns Opus 33 herausgearbeitet und festgehalten hat. Und so entspricht das Streichquartett auch heute noch einem ganzen Kosmos, in den man eintauchen kann: mit hell leuchtenden Sternen, die einem den Weg weisen, aber auch mit einem für das Auge verschwimmend-glimmenden Band, in dem man sich verlieren kann wie in der Milchstrasse. Unerschöpflich sind die Perspektiven, so dass Studien und Bücher über das Quartett nicht nur Regale füllen, sondern noch immer Neues zu entdecken ist. Wie unterschiedlich dabei die Aspekte liegen können, zeigen vier Buchpublikationen aus den letzten Jahren.

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Enzyklopädisch nimmt sich Hermann Walther der Gattung an. Angesichts der im Internet verfügbaren Daten und Listen mutet sein Verzeichnis des Streichquartetts auf den ersten Blick anachronistisch an (wie auch der unglückliche Titel). Und doch bieten seine auf das Notwendigste kondensierten Informationen viel, nämlich über 11.000 Werke, die Komponisten alphabetisch geordnet, mit Verlagsangaben. Eine Fundgrube gleich einem alten Telefonbuch, die man sich zur weiteren Auswertung dann aber doch auch als sortierbaren Datensatz wünscht.

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Einen wohl nahezu unbekannten Teil der Gattungsgeschichte thematisiert ein fast 1000 Seiten starker Band über das Streichquartett in Spanien mit 24 Beiträgen in deutscher, englischer, französischer und spanischer Sprache mit vier umfassenden Überblicksdarstellungen und weiteren Spezialstudien. Ein Konvolut, das zum Schmökern einlädt und neugierig macht auf die klingenden Werke.

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Einen ganz anderen Fokus hat der von Christian Speck bei Brepols herausgegebene, kostspielige, aber auch schön ausgestattete Band, der (um einige Ergänzungen bereichert) Vorträge einer Tagung 2013 in Lucca dokumentiert. Untersucht werden Fallbeispiele der Gattung zwischen privatem Musizieren und öffentlicher Darbietung, auch finden sich vertiefende Studien zu einzelnen Werken.

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John W. Barker wiederum widmet dem 1912 in Brüssel gegründeten und nach vielen Umbesetzungen noch immer existenten Pro-Arte-Quartett eine Studie, die nicht nur die teilweise wechselvolle Geschichte des Ensembles, sondern damit selbst ein Stück Musikgeschichte erzählt. In den detaillierten Anhängen kommen Freunde diskografischer Angaben auf ihre Kosten; ich hätte mich indes eher über eine Liste aller jemals aufgeführten Werke gefreut.

Hermann Walther: Verzeichnis des Streichquartetts. Streichquartettkompositionen von 1700 bis heute, 596 S., € 39.99, Schott, Mainz 2017, ISBN 978-3-95983-542-8

The String Quartet in Spain, hg. von Christiane Heine und Juan Miguel González Martínez, 982 S., Fr. 115,95, Peter Lang, Bern 2017, ISBN 978-3-0343-2853-1

The String Quartet. From the Private to the Public Sphere, hg. von Christian Speck, XXX + 388 S., € 110.00, Brepols, Turnhout 2016, ISBN 978-2-503-56800-3

John W. Barker: The Pro Arte Quartet. A Century of Musical Adventure on Two Continents. 368 S., € 29.50, University of Rochester Press, Rochester 2017, ISBN 978-1-58046-906-7

Stilgerecht interpretieren

Cornelius Frowein geht bei seinen Ausführungen zur instrumentalen Aufführungspraxis im 18. Jahrhundert immer von zeitgenössischen Quellen aus.

Foto: Matt Briney / Unsplash

Die historisch-informierte Aufführungspraxis hat sich im Konzertsaal längst etabliert; so sehr, dass auch Laienchöre häufig die gängigen Barock-Oratorien von Händel, Bach und anderen Meistern mit Orchestern aufführen, die auf historischen Instrumenten spielen. Was aber für Profis mit einer entsprechenden Ausbildung zum Standard gehört, ist für Laien, ob als ausübende Musikerin oder als Konzertgänger, noch immer schwierig zu erlernen.

Dem will das bei Bärenreiter erschienene Buch Aufführungspraxis kompakt von Cornelius Frowein Abhilfe schaffen, das sich allerdings auf die Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts beschränkt. Frowein hat sich über Jahrzehnte als Dirigent von Musik dieses Jahrhunderts, insbesondere von Mozart und seinen Zeitgenossen, einen Namen gemacht, wofür er die zeitgenössischen Texte zum Thema intensiv studierte. Dieses vielfältige Wissen hat er nun in einem handlichen, übersichtlich aufgebauten Band zusammengefasst. Damit gelingt es ihm, dem Anfänger im historischen Fach – sei er Amateur oder moderner Orchestermusiker – grundlegende Einblicke zu vermitteln.

Sein Buch erklärt die zentralen Themenfelder «Affektenlehre-Tonarten-Rhetorik», «Tempo-Rhythmus-Agogik», «Dynamik-Akzentuierung», «Artikulation-Tongebung» und «Verzierungen-Manieren». Ausgangspunkt der Auseinandersetzung sind Quellen aus der Zeit, die konsequent mit Zitaten aufgeführt werden. Zu den einschlägigen Autoren gehören Quantz, Walther, Türk, C. P. E. Bach oder Leopold Mozart – die Bibliografie im Anhang gibt dazu detailliert Auskunft. Froweins Verdienst ist es, dass er die manchmal schwer zu verstehenden Quellentexte jeweils vorgängig erklärt und durch eigene Kommentare danach auch weiterführt. Daraus entsteht eine gut lesbare Einführung.

Ärgerlich ist einzig, dass Frowein viele seiner Anmerkungen in Fettschrift heraushebt, was allzu pädagogisch wirkt. Zudem erschweren solche Interpretationshilfen, dass man sich ein eigenes Bild machen und eigene Schwerpunkte setzen kann. So wird zu sehr Froweins Denkweise aufoktroyiert und die Fähigkeit zur eigenen Deutung gemindert.

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Cornelius Frowein: Aufführungspraxis kompakt. Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts stilgerecht interpretieren, 196 S., € 24.95, Bärenreiter, Kassel 2018, ISBN 978-3-7618-2453-5

Mendelssohns Orgelmusik

Die Neuerscheinung von Birger Petersen und Michael Heinemann bringt zwar keine konkreten Interpretationshinweise, aber viele Hintergrundinformationen.

Foto: Deleece Cook on Unsplash

Band 7 der Studien zur Orgelmusik aus dem Butz-Verlag beleuchtet in 17 Beiträgen und 4 Anhängen das Orgelschaffen eines der wohl meistgespielten Orgelkomponisten des 19. Jahrhunderts unter verschiedenen Aspekten. Mendelssohns biografischer Bezug zur Orgel, der ästhetische Kontext seiner Werke sowie ein knapper Abriss seiner Registrierpraxis und des allgemeinen Umgangs mit dem Instrument Orgel in jener Zeit bilden einen ersten Teil.

Die anschliessenden, detaillierten Analysen seiner zentralen Orgelwerke (Sonaten op. 65, Präludien und Fugen op. 37) liefern wertvolle Informationen zu deren formaler und harmonischer Konzeption und teilweise überraschende Einsichten in Zusammenhänge zwischen den einzelnen Sonaten-Sätzen, die bei genauerer Betrachtung weniger disparat erscheinen, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Spielpraktische Konsequenzen aus den allgemeinen Betrachtungen oder der Analyse der einzelnen Werke fehlen leider gänzlich, und auch vieldiskutierte Aspekte des Notentextes (Umgang mit Mendelssohns – oft inkonsequenter – Bogensetzung, Fragen zur Artikulation und Phrasierung), welche für die Interpretation relevant wären, kommen hier leider nicht zur Sprache.

Ein dritter Teil beleuchtet – neben einer Übersicht über vorhandene Transkriptionen weiterer Werke Mendelssohns bis in die heutige Zeit – die Nachwirkung seines Vorbilds auf die deutsche Orgelsonate, aber auch auf das Orgelschaffen in England und den Niederlanden, wo seine Orgelmusik ganz besonders stark rezipiert wurde und prägend wirkte. Hier dürfte die Neugierde mancher Leser geweckt werden, die erwähnten Werke genauer anzusehen. Ganz besonders lesenswert ist der Anhang mit einem ausführlichen Werkverzeichnis und zum Teil höchst differenzierten und subtilen Rezensionen von Mendelssohns Orgelmusik u. a. von Robert Schumann, August Gottfried Ritter und weiteren Kritikern im 19. Jahrhundert.

Fazit: Eine Textsammlung, die – ohne wirklich konkrete Interpretationshinweise zu geben – eine Fülle von Informationen liefert und damit zum besseren Verständnis dieser Musik und ihres Umfelds beitragen kann.

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Zur Orgelmusik Felix Mendelssohn Bartholdys. Studien zur Orgelmusik, Band 7, hg. von Birger Petersen und Michael Heinemann, 253 S., ca. € 19, Dr. J. Butz-Musikverlag, Köln 2018, ISBN 978-3-928412-26-1

Fordernd und frisch

In seinem Beethoven-Buch legt Hans-Joachim Hinrichsen dar, wie wichtig das geistige Klima des frühen 19. Jahrhunderts für das Verständnis der Musik ist.

Foto: Hof und Garten des Beethoven-Hauses Bonn. Foto oben: Hans Weingartz/wikimedia commons

Beethoven, immer wieder Ludwig van Beethoven. Bände wurden geschrieben über den Bonner Meister, über diesen Inbegriff des Kunstgenies, der Generationen begeisterte, der Trost spendete, der dem Klavieranfänger so hübsche Stückchen lieferte wie die Mondschein-Sonate oder Pour Elise. Wer sich erneut und intensiv mit Beethoven beschäftigt, dem muss man erst einmal sagen: Respekt vor dieser Herkulesarbeit! Hans-Joachim Hinrichsen, emeritierter Professor für Musikwissenschaft an der Universität Zürich, wühlte sich nicht nur durch kaum überschaubare Literaturberge. Er ging auch wohltuend direkt auf Beethoven zu, indem er sich an den Notentexten rieb wie auch an manchem vom «Meister» überlieferten Kommentar.

Beethovens hoher Reflexionsgrad durchzieht das fast 400-seitige Buch wie ein roter Faden. Hinrichsen betont wiederholt das geistige Klima des frühen 19. Jahrhunderts, das wesentlich geprägt ist von Immanuel Kants Philosophie. Die Engführung von Aufklärung und Beethovens Musik ist nicht neu, aber überzeugend. In der Tat spiegelt sich Kants Leitspruch «Habe Mut, Dich deines eigenen Verstandes zu bedienen» in einem Œuvre, das den aktiven Zuhörer forderte und noch immer fordert. Hinrichsen belegt es nicht hörend, sondern am Notentext. Seine Analysen setzen einiges musiktheoretisches Wissen voraus. Den interessierten Laien dürfte das abschrecken, selbst der intime Beethoven-Kenner hätte sich stellenweise mehr Emotion und Begeisterung gewünscht. Ein mancherorts packender Tonfall («hinreissendes Werk») versickert leider zu oft in sophistischen Erörterungen in verwickelt-musikwissenschaftlichem Schreibstil: «Die Kadenzierungen nach e-Moll (zwei Mal in der Introduktion [T. 12, T. 28], einmal in der Fuge [T. 166 ff.]) erhalten ein strukturelles Gegengewicht durch zweimalige Rückung nach Es-Dur in der Coda bzw. Stretta [T. 210 ff., T. 257 ff.], sodass die Tonika, ähnlich wie in den Ouvertüren Leonore II und III, von ihren Grossterz-Medianten gleichsam symmetrisch eingerahmt erscheint.» (S. 258)

Aus der Wissenschaftsperspektive erklärt sich auch der Korrekturwunsch verbreiteter, leider auch zementierter Missverständnisse. Hinrichsen kritisiert manche Beethoven-Interpretation Theodor W. Adornos ebenso zu Recht wie die Annahme, dass die geraden Sinfonien den ungeraden nicht gewachsen seien. Zudem macht er sich für manch Vernachlässigtes stark. Überzeugend belegt der Musikforscher das Aussergewöhnliche der – zwischen der grossen Waldstein-Sonate und der Appassionata versteckten und «skandalös unbekannten» – Klaviersonate op. 54 oder des zweiten Satzes des Rasumovsky-Quartetts op. 59/1. Nach der fordernden Lektüre geht man gerne zum Plattenregal und hört sich die Werke mal wieder an. Und was kann sich Hinrichsen am Ende mehr wünschen, als Neugierde zu schaffen und das Hören aufzufrischen?

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Hans-Joachim Hinrichsen: Ludwig van Beethoven. Musik für eine neue Zeit, 386 S., € 39.99, Bärenreiter, Kassel 2019, ISBN 978-3-7618-7091-4

Bunte Luftballons mit Spassfaktor

Gemischte Chöre werden an diesen arrangierten Filmschlagern aus den Anfangszeiten des Tonfilms bis in die Fünfzigerjahre viel Vergnügen haben.

Foto: Gaelle Marcel / unsplash.com

Uli Führe ist weithin bekannt, unter anderem für seine hervorragenden Stimmbildungskanons, die in Bänden wie Stimmicals 1+2 gesammelt sind und jedes Einsingen bereichern können. Im Bosse-Verlag ist von ihm nun die Sammlung Kauf dir einen bunten Luftballon mit Schlagern aus Filmen der 1930er-, 1940er- und 1950er-Jahren erschienen. Was heute online durch Anbieter wie Vimeo oder Youtube passiert, geschah ab den 1930er-Jahren mit der Verknüpfung von Bild und Ton im Kinofilm: eine enorme Popularisierung.

Die Sammlung reicht vom lasziven Walzer Ich bin von Kopf bis Fuss über das zackige Marschlied Ein Freund, ein guter Freund bis hin zum nonchalanten Foxtrott Bel ami. In sehr einfühlsamer Weise wird Uli Führe den unterschiedlichen Filmmusiken gerecht, arbeitet das Charakteristische heraus und setzt sie in gut machbare und ansprechende Sätze für gemischten Chor (SATB) ohne Stimmteilungen um. Eine echte Bereicherung für diese Art von Repertoire mit grossem Spassfaktor für die Chöre.

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Kauf dir einen bunten Luftballon. Schlager aus Filmen der 30er-, 40er- und 50er-Jahre, für Chor SATB arrangiert von Uli Führe BE 921, € 17.50, Bosse Verlag, Kassel

Mit Blues gegen den Blues

Wer Mike Cornicks Klavierstücke im Heft «Blues in Two and More» aufmerksam und sorgfältig einstudiert, wird belohnt.

Foto: Shelbey Miller / unsplash.com

Das langsame Swing-Stück Blues in Two hat Mike Cornick (*1947) im Jahr 1994 geschrieben; es erfreut sich seither grosser Beliebtheit. Eben dieses Stück eröffnet den neuen Band Blues in two and more, und es gesellen sich elf neue Kompositionen in verschiedenen Stilen des Jazz dazu. Allen, die manchmal den Blues haben und sich nach musikalischer Abwechslung sehnen, sei es beim Unterrichten oder beim eigenen Spiel, möchte ich diese Sammlung ans Herz legen.

Die zwölf reizvollen Kompositionen decken Stile wie Blues, Swing, Ragtime, Latin und Calypso ab. Sie sind vielleicht nicht schwieriger als viele Stücke der klassischen Mittelstufe, verlangen aber harmonisch und rhythmisch eine ganz andere Spielweise. Gewisse harmonische Abläufe und rhythmische Patterns fühlen sich für den vor allem klassisch ausgerichteten Spieler oft fremd an und bedürfen grosser Aufmerksamkeit. Gerade deshalb lohnt sich die Auseinandersetzung mit diesen so frisch und leicht daherkommenden Stücken. Sie sind anregend, lehrreich, unterhaltend und vertreiben den Blues and more.

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Mike Cornick, Blues in Two and More, for intermediate-level players, für Klavier solo, UE 21777, € 15.95, Universal-Edition, Wien 2019

Melodiöse Etüden

Die «Capriccios and Exercises for the Violoncello» von Robert Lindley taugen nicht nur als Etüden.

Porträt von Robert Lindley. The New York Public Library, Music Division

Robert Lindley (1776–1855) galt über 50 Jahre lang als der bedeutendste Cellist Englands und wurde 1822 zum ersten Professor für Violoncello an der Royal Academy of Music in London ernannt. Er schrieb überwiegend für sein Instrument, darunter vier Cellokonzerte und Kammermusik. In der Etüdenliteratur der Cellisten gehören seine 1826 veröffentlichten zwölf Capriccios and Exercises for the Violoncello op. 15 nicht zum Standardrepertoire, zu Unrecht, wie sich bei genauerem Hinschauen rasch herausstellt.

Lindleys Capricci sind meist zweisätzig und behandeln bis auf die Nummern 1 und 2 gleich mehrere technische Probleme in einem Stück. Die Nummern 1 bis 4 bewegen sich in der ersten bis fünften Lage, ab Nummer 5 wird der Daumenaufsatz verlangt. Besonders lehrreich sind vielfältige, abwechslungsreich komponierte Doppelgriffpassagen, welche bis zu Dezimengriffen reichen.

Die von Valerie Walden redigierte, auf zeitgenössischen Quellen basierende Urtext-Ausgabe enthält die originalen Fingersätze und Bogenstriche. Alternative Fingersätze sind konsequent unter das Notensystem gesetzt, ergänzte Bögen sind gestrichelt gedruckt. Die Schlüsselnotation ist dem heutigen Standard ohne oktavierenden Violinschlüssel angepasst. Zum besseren Komfort beim Blättern enthält die grosszügig angelegte Edition sogar Ausklappseiten.

Bedauerlicherweise hat der Komponist keine zweite Cellostimme komponiert, denn diese hätte die melodiösen Capricci für den Konzertgebrauch zusätzlich aufgewertet.

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Robert Lindley: Capriccios and Exercises for the Violoncello, op. 15, hg. von Valerie Walden, BA 10936, € 16.95, Bärenreiter, Kassel 2019

Mitreissende Exotik

Florian Bramböck hat traditionelle Nummern des Afro-Latin-Jazz neu gedeutet und eigene dazugesetzt: Ein musikalisches Vergnügen mit Drive für zwei Klarinetten.

Foto: Pablo García Saldaña / unsplash.com

Ein karibischer Palmenstrand mit Fischerboot ziert den Umschlag dieses Duetthefts des österreichischen Komponisten und Saxofonisten Florian Bramböck und zeigt damit, wohin hier die musikalische Reise geht. Die 16 Titel – teils Eigenkompositionen, teils Bearbeitungen bekannter Melodien – erzählen von oder stammen aus Afrika, Südamerika, der Karibik und New Orleans und machen beim Spielen wie beim Zuhören gleichermassen Spass. In Bezug auf den Tonumfang und die verwendeten Tonarten bewegen sich die Stücke auf einem einfachen bis mittleren Schwierigkeitsgrad. Allerdings halten sie einige rhythmische Herausforderungen bereit, die es für in diesen Stilen nicht so geübte Klarinettisten zu meistern gilt.

Bramböck versteht es bestens, auch bekannte Titel spannend und für die Klarinette sehr gut klingend zu setzen. An Hits sind in dieser Ausgabe beispielsweise das vom Buena Vista Social Club bekannte Chan Chan oder Miriam Makebas Pata Pata zu finden. Aber auch dem als Volks- und Kinderlied wohlbekannten La Cucaracha vermag Florian Bramböck, indem er es in den ¾-Takt setzt, ganz neue und überraschende Seiten abzugewinnen. Und so kommt es im Heft sogar zwei Mal vor: einmal als Ouverture und schliesslich als effektvolles Walzer-Finale «dramatico» – was für ein Spass! Mit Titeln wie Meerenge, mehr Weite (ein Merengue!) oder dem cool cruisenden Cha-Cha-Cha Three Days Off in My Cadillac zeigt Bramböck seinen musikalischen Humor. Einige der Titel gibt es von ihm auch schon in einer Ausgabe für drei Klarinetten, die ebenfalls sehr zu empfehlen ist (UE 35568).

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Florian Bramböck: Afro-Latin Clarinet Duets, 16 Stücke für zwei Klarinetten, UE 34535, € 14.95, Universal Edition, Wien 2019

Vier Schlägel, frei wählbare Unterlage

In Áskell Mássons «Fo(u)r Mallets» kann der Bühnenboden oder das Dirigentenpodest bespielt werden. Notiert ist die Komposition aber sehr genau.

Ausschnitt aus dem Titelblatt

2015 feierte Evelyn Glennie ihren fünfzigsten Geburtstag, zu dem der isländische Filmkomponist Áskell Másson ihr dieses Geschenk schrieb, welches aus genau fünfzig Takten besteht.

Wie es der Titel Fo(u)r Mallets schon ankündigt, wird das Werk mit vier Schlägeln gespielt. Die Rhythmik und das Vortragstempo sind sehr genau notiert, so wie auch die Performance zu Beginn und zwischendurch zentimetergenau beschrieben ist: «… die Hände auf halbe Höhe des Gesichtes bringen und die zwei Schläger ungefähr einen Zentimeter hinter den Köpfen gegeneinander schlagen …» Über Vierteltriolen bis zu 32stel-Figurationen und 2:3-Kombinationen wird dem Spieler technisch alles abverlangt.

Den grössten Freiraum lässt der Komponist beim Instrument. Die Oberfläche, auf der gespielt wird, soll frei ausgewählt werden, z.B. kann es der Boden der Bühne oder das Podest des Dirigenten sein. Der Spieler kann nach Belieben stehen oder sitzen. «Spielen Sie dieses Stück nicht auf vier verschiedenen Flächen und absolut nicht auf z. B. Holz- oder Tempelblöcken …» Die vier Schlägel sollen alle eine unterschiedliche Härte haben, die sich von links nach rechts steigert.

Das Stück hat dynamisch viele Wechsel, wirkt rhythmisch recht impulsiv und klingt durch die immer wieder eingeflochtenen einfachen bis dreifachen Vorschläge komplex: ein etwas ungewohntes, aber sehr interessantes Feuerwerk! Durch das frei wählbare «Instrument» wird es bei jedem Künstler als ein einzigartiger Klang erstrahlen.

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Áskell Másson: Fo(u)r Mallets, für 4 Solo-Mallets, Perc 42, Fr. 12.00, Editions Bim, Vuarmarens

Schmelzendes Wälzerlein

«Souvenir» von Franz Drdla, ursprünglich für Violine und Klavier, hier in der Bratschenversion.

Foto: Thomas Max Müller/pixelio.de

Der weitgereiste tschechische Violinist František Drdla (1868–1944), Theorieschüler von Anton Bruckner am Wiener Konservatiorium, hat über 200 Werke mit leichter Musik geschrieben: nebst zwei Operetten und einem Violinkonzert viele Genrestücke für Violine und Klavier. Eines der bekanntesten, dieses schmelzende, harmonisch reizvoll begleitete Wälzerlein, ist jetzt auch für Viola dankbar bearbeitet. Es liegt auf der Bratsche in derselben Tonart so gut wie auf der Geige.

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Franz Drdla: Souvenir, für Viola und Klavier bearb. von Heinz Bethmann, Partitur und Violastimme, BU 8194, € 11.00, Musikverlag Bruno Uetz, Halberstadt 2019

Zu zweit im Wunderland

Im Wissen, dass hohe Duo-Kunst auf regem Ideentausch und der Kreativität der Beteiligten gründet, haben sich Daniel Schläppi und Marc Copland entsprechend vorbereitet und an ihren Drittling gemacht. Mit beflügelndem Resultat.

Foto: Rainer Ortag

Seine dritte Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Pianisten Marc Copland sei zugleich die reifste, lässt Bassist Daniel Schläppi in den Unterlagen zur gemeinsamen CD Alice’s Wonderland wissen. Und auch Duopartner Copland ist voll des Lobs: «Mit Daniel zu spielen, erinnert mich an diejenigen Dinge, die ich am Jazzspielen besonders liebe: die Wärme, die Kommunikation und den Versuch, mit den Zuhörenden eine Erfahrung zu teilen.»

Das vorliegende Werk soll nicht zuletzt dokumentieren, wie sich die Musik der beiden weiterentwickelt. Marc Copland (*1948), der auch schon mit Jazzkoryphäen wie John Abercrombie oder Ralph Towner auf der Bühne stand, erweist sich einmal mehr als Meister des Akkordischen und versteht es mit feinem Anschlag, seinem Piano ein ätherisch anmutendes Fluidum zu entlocken. Sein Kompagnon, der 20 Jahre jüngere Daniel Schläppi, tut sich derweil als neugieriger Bassist mit Hang zu groovenden Sounds hervor. – Und ist überdies als Labelbetreiber sowie als assoziierter Forscher am Historischen Institut der Universität Bern aktiv.

Das 49-minütige und neun Songs umfassende Aufeinandertreffen des Duos auf Alice’s Wonderland beginnt mit einem Cover von Cole Porters Everything I Love. Die Version von Schläppi und Copland präsentiert sich wohltemperiert, aus einer breiten Palette an Klangfarben schöpfend und voller emotionaler Kraft. Obschon sich das Stück für den weiteren Albumverlauf als stilistisch richtungsweisend entpuppt, gelingt es den beiden Musikern immer wieder, mit ihrem innig-leichten Spiel, Improvisation und superbem Timing zu überraschen. So auch auf Blue In Green, das dem Miles-Davis-Songbook entspringt. Fazit: Das elegante Zusammenwirken von Schläppi & Copland weiss zu beflügeln – und zwar von A bis Z.

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Daniel Schläppi, Bass; Marc Copland, Piano: Alice’s Wonderland. Catwalk CW 190019-2

 

Mehr Infos:
www.danielschlaeppi.ch
www.marccopland.com

Höhenausflüge auf dem Cello

Der Lausanner Cellist Constantin Macherel zeigt sein subtiles Können in Werken von Boccherini, Servais, Franchomme und Rossini.

Constantin Macherel. Foto: zVg

Luigi Boccherini (1743–1805) hat wie Johann Sebastian Bach und später Joseph Haydn das Violoncello von seiner Continuofunktion emanzipiert und es in seinen insgesamt zwölf Konzerten als Instrument für echte Virtuosen behandelt. Nun hat sich der Schweizer Cellist Constantin Macherel, 1991 in Lausanne geboren, für seine Debüt-CD mit den London Mozart Players (Leitung: Sebastian Comberti) neben anderen technisch anspruchsvollen, musikalisch eingängigen Stücken auch Boccherinis Cellokonzert in D-Dur (G 479) ausgesucht. Macherels schlanker, flexibler, nur manches Mal etwas enger Ton ist geradezu ideal für die spektakulären Höhenausflüge, die der italienische Komponist vom Interpreten verlangt. Sein Joseph-Hill-Cello aus dem Jahr 1765 klingt in hoher Lage so fein wie eine Violine. Das behutsame, geschmackvolle Vibrato und die luftigen Phrasierungen verleihen der Interpretation Leichtigkeit und Esprit. Der langsame Satz berührt durch seine Schlichtheit. Die London Mozart Players sind feinsinnige Begleiter – nur manchmal, wie im Finale, wünscht man sich noch eine stärkere Profilierung.

In der Fantasie Souvenir de Spa op. 2 von Adrien François Servais zeigt der Cellist, der sein Studium bei Ivan Monighetti in Basel und Raphael Wallfisch in Zürich absolvierte, seine subtile Bogentechnik. Rossinis Une larme, Thème et variations gestaltet er mit grosser Kantabilität. Und auch die begrenzt spannende Musiksprache von August-Joseph Franchomme wird durch Macherels feines stilistisches Gespür aufgewertet wie in den Variations sur deux thèmes (russe et écossais) op. 6. Dass das banale schottische Thema auch gut zu einem Rosamunde-Pilcher-Film passen würde, ist schliesslich nicht die Schuld des Interpreten. Macherels Zurückhaltung macht es geniessbar und verhindert einen zu hohen Kitschfaktor.

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Virtuoso Music for Cello. Werke von Boccherini, Franchomme, Rossini und Servais. Constantin Macherel, Violoncello; London Mozart Players, Leitung: Sebastian Comberti. Claves 1903

Delyana Lazarova gewinnt Hallé-Preis

Die bulgarische Dirigentin Delyana Lazarova ist Gewinnerin der ersten Siemens Hallé International Conductors Competition. Das Preisgeld beträgt 19’000 Franken (15’000 Pfund).

Delayana Lazarova. Foto: Hallé

Mit der Auszeichnung sind zudem ein zweijähriges Engagement als Assistant Conductor in Hallé und das Amt der musikalischen Leitung des Hallé Youth Orchestra verbunden.

Lazarova hat 2019 den ersten Dirigentenwettbewerb des Nationalen Rundfunks Albaniens sowie den James Conlon Conducting Prize des Aspen Music Festivals gewonnen. Zur Zeit erwirbt sie sich bei Johannes Schläfli an der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste) einen Master in Dirigieren. An der Indiana University (USA) hat sie bereits ein Masterstudium in Violine absolviert, das sie mit Auszeichnung abschloss.

Ihre aktuellen Engagements umfassen Dirigate beim Hungarian National Radio Symphony Orchestra, dem Albanian Radio Television Symphony Orchestra und den italienischen Solisti Aquilani. Mit dem ZHdK-Studium verbunden ist überdies ein Debüt mit Carmen beim Staatstheater von Meiningen in Deutschland.

Ausdrucksvolle Sanglichkeit

Die beiden Interpretinnen, Ursula Büttiker und Minako Matsuura, stützen sich bei ihrer Auswahl an Stücken für Flöte und Klavier ganz auf die französische Tradition.

Ursula Büttiker. Foto: Venla Kevic

Schon mit ihren ersten CD-Veröffentlichungen liess die Schweizer Flötistin Ursula Büttiker aufhorchen. Als letzte Schülerin von André Jaunet ausgebildet, nahm sie auch Gesangsunterricht. Kein Wunder also, dass ihr Flötenspiel in erster Linie auf expressive Kantabilität abzielt.

Die Musikerin setzt sich mit der Leidenschaft einer um Gegenpositionen bemühten Entdeckerin für kaum bekannte Werke ein. Machte die CD Musical Postcards mit Raritäten von Pál Járdányi oder Bryan Kelly bekannt, so fiel die Nachfolgeproduktion, lauter Werke für Flöte solo, mit solchen von Jindřich Feld und Saverio Mercadante auf.

Ganz in der französischen, vom Flötenbauer und Komponisten Theobald Boehm geprägten Tradition steht die zum 150. Todestag von Hector Berlioz produzierte CD Élégie – Rêverie – Caprice mit der hellhörig mitgestaltenden Pianistin Minako Matsuura. Im Zentrum steht mit Jules Mouquet ein von der griechischen Mythologie inspirierter Rom-Preisträger. In seiner La Flûte de Pan betitelten Sonate aus dem Jahr 1906 wechseln impressionistisch angehauchte Stimmungen mit Brillanz und Virtuosität in klassizistischer Manier ebenso häufig ab wie die dynamischen Gegensätze. Obschon sie mit einem Minimum an Vibrato auskommt, entwickelt Ursula Büttiker selbst in sehr tiefen Lagen beeindruckende Expressivität. Ihre bravouröse Atemtechnik kommt stark durchchromatisierten Läufen zugute; der delikate Anschlag der Pianistin erhöht den Klangzauber der vielen zarten Echoeffekte.

Typisch französische Eleganz erfüllt sowohl die Cinq Pièces brèves von Mouquet, Chanson et Badinerie von Pierre Camus als auch die Élégie op. 47 von Theobald Boehm und die von einer Tarantella gekrönten Drei musikalischen Skizzen von Wilhelm Bernhard Molique, der mit Berlioz das Todesjahr teilt. In Rêverie et Caprice op. 8, dem einzigen konzertanten Werk von Berlioz, ist dank der subtilen Einrichtung für Flöte und Klavier von Hans-Wolfgang Riedel nicht herauszuhören, dass es ursprünglich für Violine und Orchester gesetzt wurde und auf Skizzen zur Kavatina der Teresa aus der Oper Benvenuto Cellini basiert.

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Élégie – Rêverie – Caprice. Werke von Berlioz, Boehm, Camus, Molique, Mouquet. Ursula Büttiker, Flöte; Minako Matsuura, Klavier. Rondo PRU 103

Gebert unterrichtet in Zürich

Die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) hat Anna Gebert als neue Hauptfachdozentin für das Fach Violine verpflichtet.

Anna Gebert (Bild: ZHdK)

Ab Studienjahr 2020/21 tritt Gebert dem Zürcher Violinen-Kollegium mit Ilya Gringolts, Andreas Janke, Rudolf Koelman, Sergey Malov und Alexander Sitkovetski bei. Die polnisch-finnische Violinistin absolvierte ihre Studien an Musikhochschulen in Europa und in den USA. International ist sie ebenso gefragt als Dozentin wie als Musikerin in namhaften Orchestern und an zahlreichen Festivals. Ihre fundierten Kenntnisse in historischer Aufführungspraxis sowie in zeitgenössischer Musik bereichern die bestehende Expertise der ZHdK.

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