Jeden September treffen sich Schulleitende aus den Zentralschweizer Kantonen zur Regionalkonferenz. Sie wird jeweils gemeinsam vom VMS und von der Hochschule Luzern – Musik verantwortet und dient dem Austausch. Dieses Jahr standen am Morgen Inputs zum Thema Unterrichtsentwicklung auf dem Programm, und am Nachmittag setzten sich die Teilnehmenden in kleinen und wechselnden Gruppen zusammen und tauschten sich zum Gehörten aus. „Es war ein gelungener und inhaltlich sehr interessanter Anlass“, berichtet Eva Crastan vom Organisationsteam. Sie schätzt das Gefäss sehr – sowohl als Vorstandsmitglied im VMS wie auch als Abteilungsleiterin der Musikschule Luzern. „Musikalische Bildung hört nicht an der Kantonsgrenze auf“, sagt sie. „Gemeinsam können wir Ideen entwickeln und haben so bei der Umsetzung mehr Durchschlagskraft.“
Von Neuenburg bis Creux-du-Van
«Der Kanton Neuenburg ist ziemlich heterogen», sagt Nicolas Farine, seit Oktober 2021 Leiter des Conservatoire de musique neuchâtelois (CMNE) und kantonaler VMS-Delegierter. Er erwähnt die zwei grossen Städte Neuchâtel und La Chaux-de-Fonds, die sich stark voneinander unterscheiden, sowie die ländlichen Gegenden zum Beispiel im Val de Ruz oder im Val de Travers.
Anicia Kohler
- 20. Okt. 2022
Bild: zVg
Es gibt zwei VMS-Musikschulen im Kanton: das Conservatoire de musique neuchâtelois (CMNE ) und das Collège musical, die städtische Musikschule in La Chaux-de-Fonds. Sie verzeichnen insgesamt rund 3000 Fachbelegungen und 130 Lehrpersonen an 18 Unterrichtsstandorten. Für beide Schulen gelten unterschiedliche Subventionsbestimmungen, aber faktisch tragen die Eltern im ganzen Kanton zwischen 30-40% der Kosten für den Musikunterricht selber. An beiden Schulen richtet sich das Schulgeld nach dem Einkommen der Eltern, und es gibt Stipendien, die an beiden Schulen eine Unterstützung bis zu fast 100% ermöglichen.
Die Angliederung des Conservatoire an das Bildungsdepartement des Kantons und des Collège musical ans Bildungsdepartement der Stadt La Chaux-de-Fonds sorgt für eine solide politische Verankerung der Musikschulen. «Dies ermöglicht uns eine sehr gute Verbindung zu den Volksschulen», sagt Farine. Ungefähr 150 Schüler*innen aus Blasmusiken im Kanton profitieren von einem reduzierten Unterrichtstarif. Schüler*innen mit Beeinträchtigung werden im CMNE integriert – Lehrpersonen werden speziell dafür ausgebildet und es bestehen Partnerschaften mit spezialisierten Institutionen. Die Zusammenarbeit zwischen Musikschulen und politischen Akteur*innen funktioniert laut Farine sehr gut: «Man kann hier wirklich etwas bewegen.»
Nicolas Farine, VMS-Delegierter und Leiter des Conservatoire de musique neuchâtelois (CMNE). Foto: zVg
Der Kanton Tessin und die musikalische Bildung
Im Tessin gibt es 9 öffentliche Musikschulen mit insgesamt rund 3500 Schüler*innen, die dem kantonalen Verband FeSMut (Federazione delle Scuole di Musica Ticinesi) angeschlossen sind. Die FeSMut wurde 1996 gegründet. Präsident und VMS-Delegierter des Kantons ist seit 2015 Matteo Piazza.
Anicia Kohler
- 25. Mai 2022
Foto: zVg
2015 wurde im Kanton ein neues Kulturgesetz verabschiedet, das auch Strukturen und Subventionen der anerkannten Musikschulen festlegt. „Es ist für uns ziemlich unbefriedigend, ehrlich gesagt“, sagt Piazza. Der Kanton übernimmt 20% der Unterrichtskosten. Wenn eine Gemeinde sich dazu entscheidet, zusätzlich Beiträge an Schulgelder zu übernehmen, bekommt sie vom Kanton einen Drittel zurück. Dass die zusätzliche Unterstützung durch die Gemeinde freiwillig ist, führt dazu, dass Familien je nach Wohnort 80% der Unterrichtskosten selber tragen müssen – während der schweizweite Durchschnitt sich bei etwa einem Drittel bewegt.
Zwei zusätzliche Herausforderungen sind die Tatsache, dass der im Kulturgesetz vorgeschriebene Mindestlohn für die Lehrpersonen den Schüler*innen zu maximal einem Faktor von 1.5 berechnet werden darf, und dass der Kanton Subventionen nur für Schüler*innen unter 20 Jahren leistet. Folglich fehlen den Musikschulen finanzielle Ressourcen, die in den Bereichen Organisationen und Führung mit Freiwilligenarbeit und sehr viel Herzblut kompensiert werden. Für Matteo Piazza als FeSMut-Präsident und auch für die anderen Schulleitenden im Kanton hat sich das Lobbying deshalb zu einem wichtigen Teil der Arbeit entwickelt. „Wir haben sehr gute Verbindungen im Kantonsparlament, und der Verband hält stark zusammen“, sagt er. Für die Zukunft ist Piazza deshalb optimistisch: „Wir haben sehr viel gekämpft und vieles ausprobiert, aber die Arbeit für mehr Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung geht weiter – gemeinsam!“
Nebst der politischen Arbeit bleibt der zweifache Vater nach wie vor Schulleiter des Centro di Studi Musicali della Svizzera Italiana in Lugano, unterrichtet einen halben Tag pro Woche Schlagzeug an der Accademia Ticinese di Musica in Locarno und spielt jährlich rund 150 Gigs in unterschiedlichen Formationen.
Der Kanton Jura hat eine bewegte Geschichte – er wurde erst 1979 unabhängig und ist damit mit Abstand der jüngste Kanton in der Schweiz. Hauptort ist Delémont, mit rund 12’000 Einwohner*innen die einzige Stadt in einem sonst sehr ländlichen Kantonsgebiet mit vielen kleinen Gemeinden.
Anicia Kohler
- 27. Apr. 2022
Foto: zVg
Der Kanton anerkennt die Ecole Jurassienne et Conservatoire de musique, kurz EJCM, als kantonale Musikschule. Sie ist damit die einzige subventionierte Musikschule im Kanton. Die Leistungsvereinbarung enthält Richtlinien aus dem Quarte Open Label – für den Schulleiter und VMS-Delegierten Blaise Héritier hat die Zertifizierung spürbares politisches Gewicht, weil Parameter wie Löhne, Reglemente und Räumlichkeiten festgehalten sind. Er schätzt die gute, respektvolle Zusammenarbeit mit dem Kanton sehr. Die Subventionen sind in zwei Bereiche aufgeteilt: Der Kanton übernimmt erstens je nach Anzahl Schüler*innen an der Musikschule jährliche Beiträge, so dass sich das Schulgeld für die Eltern auf rund 45% beläuft. Und zweitens gibt es ein Begabtenförderungsprogramm mit Platz für 24 Schüler*innen.
Während der Coronazeit konnte die EJCM mit Unterstützung des Kantons ein Videoprojekt auf die Beine stellen, das als einzelne Videoclips oder als ganzer Film à 40 Minuten Instrumente und Lehrpersonen vorstellt. Dies ist besonders deshalb hilfreich, weil es bisher im Kanton keine Tradition der Zusammenarbeit mit den Volksschulen und den Gemeinden gibt – unter anderem aus Budgetgründen. Mit den Blasmusiken wiederum besteht eine sehr rege Zusammenarbeit. Die meisten Mitglieder besuchen Unterricht an der Musikschule und profitieren dabei von einem Spezialtarif.
Héritier schätzt den Austausch mit Kantonen in der Romandie (unter anderem während der jährlichen Conférence romande) und der ganzen Schweiz. «Wenn wir wissen, was bei den anderen funktioniert, hilft uns dies bei unserer eigenen Weiterentwicklung», sagt er. Er ist seit 2016 Schulleiter der EJCM und damit auch VMS-Delegierter. Vorher war er unter anderem als Dirigent und als Präsident der Musikkomission im Schweizer Blasmusikverband tätig.
Über den Aargau – und den Verband Aargauer Musikschulen
Anicia Kohler
- 26. März 2022
Instrumentenmesse an der Musikschule Unteres Fricktal (Bild: ZvG)
1803 entschied Napoleon, die damaligen Kantone Aargau, Baden und Fricktal zusammenzulegen – damit legte er den Grundstein für das heutige Kantonsgebiet des Aargaus. Politisch zählt der Kanton Aargau anders als noch im 19. Jahrhundert zu den konservativsten der grösseren Schweizer Kantone. Er ist kleinräumig und nebst den mittelgrossen Städten wie Aarau, Baden oder Wettingen ländlich geprägt. Die Kleinräumigkeit zeigt sich auch bei der musikalischen Bildung, wie der VMS-Delegierte Valentin Sacher berichtet. «Fast jede Gemeinde hat ihr eigenes Reglement», sagt er. Tarife, Fächer, Subventionen oder Löhne sind nicht kantonal geregelt. Deshalb entwickelte der Verband Aargauer Musikschulen kantonale Guidelines, die den Gemeinden als Grundlage dienen sollen. Sie enthalten Minimalstandards, die auf dem quarte open Label des VMS basieren. Gesetzlich festgelegt – im kantonalen Schulgesetz seit 1865 – ist einzig, dass Schüler*innen der 6.-9. Klasse pro Woche für 15 Minuten Musikunterricht und ab sechs Teilnehmenden zusätzlich ein Ensemble kostenlos besuchen dürfen.
Mit knapp 70 Musikschulen und rund 22’000 Fachbelegungen ist die Zahl der kleinen und kleineren Musikschulen im Kanton hoch. «Dass wir fast überall vor Ort Unterricht anbieten können, ist unser grosses Plus, im Gegensatz zum Sport zum Beispiel», sagt Sacher. «Andererseits ist es wichtig, dass wir den kompletten Fächerkatalog an allen Orten anbieten und den Verwaltungsapparat professionalisieren können.» Sacher ist selber seit 17 Jahren Schulleiter der Musikschule Unteres Fricktal – ein Amt, für das er seine Tätigkeit als Schlagzeuglehrer aufgab. Seine musikalische Seite lebt er heutzutage als Leiter der Brass Band Zuzgen aus.
Für die musikalische und musikpädagogische Zukunft des Kantons ist er optimistisch gestimmt, da von Seiten Kanton eine Komplettrevision des Instrumental- und Sologesangsunterricht geplant ist. «Ich sehe die Situation in unserem Kanton als Riesenchance», sagt er, «Wir können in den nächsten 2-3 Jahren sehr viel bewegen.» Eine wichtige Rolle könnte dabei der neu eingesetzte Verbandsrat des VAM spielen, der mit Personen aus der Politik besetzt ist, was eine zunehmende politische Abstützung verspricht.
Valentin Sacher, Präsident des Verbandsrats und VMS-Delegierter für den Kanton Aargau (Bild: Ismael Lorenz)
Verband Musikschulen Baselland
Dem Verband Musikschulen Basel-Landschaft (VMBL) gehören 15 Musikschulen an. Im unteren Baselbiet finden sich grössere, geografisch gut erreichbare Musikschulen, während sich Zentrumsschulen im oberen Baselbiet wie Sissach und Gelterkinden darum bemühen, auch in Kleinstgemeinden Musikunterricht anzubieten.
Anicia Kohler
- 23. Feb. 2022
Foto: Gregor Düblin
Vo Schönebuech bis Ammel
Vom Bölche bis zum Rhy
Lyt frei und schön das Ländli,
wo mir deheime sy (…)
Es wächsle Bärg und Täli
So liebli mitenand(…)
Nei schöner als im Baselbiet
Cha s währli niene sy.
Aus dem Baselbieterlied, der inoffiziellen Hymne des Kantons Basel-Landschaft (1862)
Über den Kanton Basel-Landschaft
Der Kanton Basel-Landschaft zählt flächenmässig zu den kleinen Kantonen der Schweiz, ist aber überdurchschnittlich dicht besiedelt – die Bevölkerungsdichte liegt beim Dreifachen des Schweizer Durchschnitts. Der Kantonshauptort ist Liestal. Nebst urbanen Gemeinden in der Agglomeration von Basel gehören auch zahlreiche kleine Gemeinden zum Kantonen.
Elterndrittel seit 1957
1957 wurde mit der Musikschule Birsfelden die erste Musikschule gegründet. 1962 schuf der Kanton juristische Grundlagen für den musikalischen Unterricht – ein Viertel der Kosten für die Musikschulen sollten vom Kanton, ein Drittel von den Eltern und der Rest von den jeweiligen Trägergemeinden getragen werden. Mit dem Bildungsgesetz von 2002 wurden die Musikschulen mit einem Katalog von Pflichtinstrumenten gesetzlich verankert. Um den Zugang zur musikalischen Bildung für alle sicherzustellen, wurde darin auch festgehalten, dass der Tarif für den Musikunterricht für die Eltern nicht mehr als ein Drittel der Gesamtkosten betragen darf. Seit Kurzem ist auch die Talentförderung als Fachstelle in einer Verordnung anerkannt.
Über den kantonalen Verband
Dem Verband Musikschulen Basel-Landschaft (VMBL) gehören 15 Musikschulen an. Sie sind so heterogen wie der Kanton selbst. Im unteren Baselbiet finden sich grössere, geografisch gut erreichbare Musikschulen, während sich Zentrumsschulen im oberen Baselbiet wie Sissach und Gelterkinden darum bemühen, auch in Kleinstgemeinden Musikunterricht anzubieten. „Es wird immer versucht, so nahe wie möglich bei den Kindern zu sein“, sagt Regula Messerli, seit 2008 Gemeinderätin in Oberwil BL und verantwortlich für das Ressort Bildung, Jugend, Familie. Der Verband unterstützt viele Tätigkeiten – dazu gehören schulübergreifende Projekte, auch gemeinsam mit der Volksschule, der kantonale Ensemblewettbewerb, die gemeinsame Talentförderung. Um diese Angebote finanzieren zu können besteht eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Basellandschaft. Im Sommer 2023 ist eine Grossveranstaltung in Augusta Raurica geplant, an der sich alle 15 Musikschulen organisatorisch und musikalisch beteiligen. „Davon erhoffen wir uns einen Sog“, sagt Messerli. Sie setzt sich seit Jahren mit Leidenschaft für die Musikschulen im Kanton wie auch für die Anliegen des Kantons im VMS ein, weil ihr die musikalische Bildung persönlich am Herz liegt. „Die musikalische Bildung ist enorm wichtig als Ergänzung des Unterrichts an der Volksschule. Die Musik ist einfach etwas Bereicherndes!“
Regula Messerli, Delegierte des Kantons BL im VMS. Foto: zVg