Neue Inputs für die Praxis

Am 20. und 21. Januar trafen sich Schulleitende und Interessierte aus der ganzen Schweiz am Forum Musikalische Bildung 2023 (FMB). Es war zwei Themen gewidmet: Der digitalen Transformation und der Inklusion.

Stecken wir noch mitten in der Digitalisierung – oder ist sie bereits vorüber? Und was bedeutet dies für die musikalische Bildung? Am ersten Tag des FMB beschäftigten sich Referent:innen und Teilnehmende mit grossen Fragen. Insbesondere der praxisnahe Input von Digitalisierungsexpertin Andréa Belliger (Prorektorin der PH Luzern) sorgte für geradezu stürmischen Applaus und eine rege Diskussion in der Pause. „Sie hat Tools mitgebracht, von denen ich noch nie gehört habe“, sagte eine Teilnehmerin, und jemand anderes betonte, es sei gut, die neuen Möglichkeiten zu kennen, selbst wenn man sie im Unterricht vielleicht nicht einbauen werde. Am zweiten Tag stand die Inklusion im Fokus. Verschiedene Kurzinputs und eine Podiumsdiskussion zeigten auf, dass in der musikalischen Bildung diesbezüglich noch einige Schritte zu nehmen sind. Hornsolist und Hochschuldozent Felix Klieser aus Hannover (D) berichtete von seinem persönlichen Weg und rief dazu auf, Menschen mit Behinderungen nicht als homogene Gruppe zu stigmatisieren, sondern auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen – gerade auch in einem pädagogischen Kontext, wo es als Lehrperson in jedem Fall wichtig sei, den musikalischen Unterricht auf die Schüler:innen auszurichten. Einen ausführlichen Bericht über das FMB finden Sie im Hauptteil dieser Zeitung.

„Wir müssen den Musikunterricht an eine Welt anpassen, die sich tiefgreifend verändert, und gleichzeitig die Werte bewahren, die unserem Handeln zugrunde liegen. Veränderung heisst allerdings nicht, alles zu verleugnen, was bisher war. Manchmal ist Veränderung spektakulär gross, manchmal aber auch minimal. Wir wünschen Ihnen Kraft, Mut und Ausdauer dafür.“

Philippe Krüttli, Präsident Verband Musikschulen Schweiz

Good Practice Wettbewerb

Zu den Höhepunkten des FMB 2023 zählten auch die musikalischen Beiträge von Gewinner:innen des Schweizer Jugendmusikwettbewerbs und vom Berner Orchester „Tabula Musica“. Zudem wurden im Rahmen des 4. Good Practice Wettbewerbs zehn innovative Projekte aus Musikschulen vorgestellt und einige davon prämiert. 

Die Finalprojekte 

Conservatoire populaire de musique, danse et théâtre de Genève – Musique-Théâtre, cours interdisciplinaire (2. Preis)
Kontakt: Philippe Régana / direction@conservatoirepopulaire.ch
Film

Institut Jaques-Dalcroze Genève – La plateforme e-dalcroze
Kontakt: Hélène Nicolet / helene.nicolet@dalcroze.ch
Film

Musikschule Basel – Kreuz und Quer – Integrative Ensembles
Kontakt: Thomas Waldner / thomas.waldner@mab-bs.ch
Film

Musikschule Emmen – Musikschulfestival «Emmen musiziert!» 2021
Kontakt: Brigitte Annoff / Brigitte.Annoff@emmen.ch
Film

Musikschule Lyss – trivs I Spiele und übe dein Instrument ganz leicht (Jubiläumspreis)
Kontakt : Daniel Brand / daniel@trivs.app
Film

Musikschule Oberer Sempachersee – Ein Instrumentenparcours für das Smartphone (1. Preis und Coronapreis)
Kontakt : Manuel Imhof / manuel.imhof@msoss.ch
Film

Musikschule Oberseetal – MSO-Story: wie Lea und Linus herausfinden, welches Instrument zu ihnen passt
Kontakt: Roland Recher / roland.recher@musikschule-oberseetal.ch
Film

Musikschule Olten – Musikkindergarten der Musikschule Olten (Publikumspreis)
Kontakt: Sandra Rupp Fischer / Sandra.RuppFischer@olten.ch
Film

Musikschule Pfannenstiel – «Musikgeister» – mit «MUSiK! – Musik im Klassenzimmer» (2. Preis)
Kontakt: Kerstin Wiehe / kerstin.wiehe@musikschule-pfannenstiel.ch
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Musikschule Zollikon – FUNtastic: Orchestererfahrung für Klavierschüler*innen
Kontakt: Jovita Tuor / jovita.tuor@schulezollikon.ch
Film

Die Gewinnerinnen und Gewinner des VMS-Wettbewerbs und des Publikumspreises des FMB 2023

1. Preis Good Practice Wettbewerb:
Musikschule Oberer Sempachersee – Ein Instrumentenparcours für das Smartphone

2. Preis Good Practice Wettbewerb (ex aequo):
Conservatoire populaire de musique, danse et théâtre de Genève – Musique-Théâtre, cours interdisciplinaire
und
Musikschule Pfannenstiel – «Musikgeister» – mit «MUSiK! – Musik im Klassenzimmer»

Jubiläumspreis
Musikschule Lyss – trivs I Spiele und übe dein Instrument ganz leicht

Coronapreis
Musikschule Oberer Sempachersee – Ein Instrumentenparcours für das Smartphone

Publikumspreis FMB 2023:
Musikschule Olten – Musikkindergarten der Musikschule Olten

Screenshot aus der App "Instrumentenparcours für das Smartphone" der Musikschule Oberer Sempachersee
Screenshot aus der App „Instrumentenparcours für das Smartphone“ der Musikschule Oberer Sempachersee

 

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„Nichts über uns ohne uns“

4 zentrale Grundlagen für Inklusion in der musikalischen Bildung

Was ist wichtig zu wissen, wenn man über Inklusion nachdenkt? Im Gespräch nennt Claudia Casanova, Präsidentin der Konferenz der Aargauischen Behindertenorganisationen (KABO) und Teilnehmende am FMB 2023, die wichtigsten Grundlagen für eine ressourcenorientierte Haltung.

Nichts über uns ohne uns

„Es ist ganz einfach – wo über uns gesprochen wird, wollen wir mitreden und mitbestimmen“, sagt Claudia Casanova. Es sei eine Haltungsfrage: Es gehe um Gleichwertigkeit. In der Schweiz sei dies zum Beispiel dadurch erschwert, dass es in jüngerer Zeit keine Kriegsversehrten gab, die nach ihrem Dienst wertschätzend wieder in die Gesellschaft und Arbeitswelt integriert wurden, wie zum Beispiel im angelsächsischen Raum. Und der Reichtum der Schweiz habe früh zu Sonderwegen für Menschen mit Behinderung geführt (Bildungsweg Sonderschule, Arbeit in Werkstätten), den viele nicht mehr gehen möchten aber kaum verlassen können, sind die Weichen einmal gestellt: denn 70% der Kinder welche einmal in die Sonderschule eingeschult wurden, bleiben später im Sondersetting mit Heim und Werkstätten

Menschen mit Behinderung sind keine homogene Gruppe

„Ein Rollstuhlfahrer und eine sehbehinderte Person haben kaum Schnittmengen beim Anspruch auf barrierefreien Zugang“, sagt Claudia Casanova. Das Spektrum von Behinderungen sei riesig – und gerade Menschen, die nicht von Geburt an, sondern durch einen Unfall oder eine Krankheit behindert werden, spürten stark, wie sich ihre Stellung in der Gesellschaft verändere, sobald sie als Menschen mit Behinderung gälten. 

Auf individuelle Bedürfnisse eingehen

Entsprechend sei es in den meisten Fällen sinnvoller, nicht neue separate Gefässe für Musikunterricht für Menschen mit Behinderung zu schaffen – sondern sie in den ganz normalen Unterricht zu integrieren und für die individuell passende Unterstützung zu sorgen, sofern diese nötig sei. „Vielleicht braucht es eine Braille-Edition der Noten für eine Schülerin mit Sehbeeinträchtigung“, sagt Casanova, „Und für einen kognitiv beeinträchtigen Schüler womöglich eine Assistenzperson.“

Offen und kreativ sein

„Lassen Sie sich nicht von Angst leiten“, betont Casanova. „Lassen Sie sich im Musikunterricht für Menschen mit Behinderungen stattdessen von Neugier und Offenheit leiten, und begegnen Sie Herausforderungen gelassen und Schritt für Schritt. Als Musiker:in und Pädagog:in vermitteln Sie Menschen Freude an der Musik. Sie erfüllen eine sehr wichtige Aufgabe – und Sie sind darin sowieso virtuos!“

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Conférence romande

La cosa più importante avviene nella testa

‚Questo non è possibile‘ – una frase che Felix Klieser come musicista ha sentito spesso. Già all’età di quattro anni aveva deciso che voleva suonare il corno, e in seguito ha investito molte ore nello sviluppo di una tecnica che gli permettesse di suonare il suo strumento senza braccia. Oggi – nonostante i dubbi espressi in sua presenza da insegnanti ed esperti – viaggia in tutto il mondo come solista di corno. In questa conversazione offre una panoramica del suo lavoro come musicista e come docente universitario.

Foto: Julia Wesely

Caro Felix, puoi darci un’idea della tua vita quotidiana?
(ride) Se c’è qualcosa che non esiste nella mia vita è la quotidianità … Viaggio, provo, suono e ogni giorno è molto diverso.

Ci sono piccoli rituali che ti aiutano?
No, niente affatto. Cerco di rendere la mia vita il più semplice possibile. Non appena si iniziano a creare dei rituali o delle dinamiche, allora si corre il rischio che qualcosa possa andare storto. Anche in condizioni molto difficili, che mi si presentano molto spesso, si dovrebbe comunque essere in grado di suonare. I rituali possono costituire un ostacolo: se decido di mangiare una banana prima di ogni concerto, o di fare un sonnellino prima del concerto, e poi il volo è in ritardo o non trovo niente da mangiare, a quel punto mi si scombussola tutto. Ecco perché cerco di rimanere il più flessibile possibile.

È un punto di vista interessante. Come fai allora con il tuo strumento – sicuramente devi esercitarti tutti i giorni?
Dovrei trascorrere circa tre ore al giorno con lo strumento, che di primo acchito non sembra molto. Ma a volte è difficile riuscire a trovare questo tempo. Qualche settimana fa mi sono recato in aereo in Messico e il mio supporto del corno è rimasto bloccato a Parigi. Non ho potuto esercitarmi per quattro giorni, e neanche fare le prove – eppure poi dovevo suonare i concerti. Sapevo che mi rimaneva solo un giorno per prepararmi, e allora ho cercato di sfruttare questo tempo nel modo più efficace possibile.

Neanche una cosa del genere ti stressa?
Cerco di affrontare la maggior parte degli scenari possibili della vita. E penso che questo sia uno di quelli. Se riesci ad affrontarlo, molte cose diventano più facili. Se riesci a immaginare la gamma più ampia di possibilità, riesci a superare più facilmente le situazioni difficili e sei più flessibile.

Ma con il tuo strumento non sei stato per niente flessibile. Sapevi fin da bambino che sarebbe stato il corno. Perché proprio il corno?
All’epoca avevo quattro anni e ho espresso ai miei genitori il desiderio di imparare a suonare il corno – e loro non sapevano neanche che cosa fosse. Così hanno contattato la scuola di musica di Göttingen, dove sono cresciuto, per vedere se c’era un insegnante di corno. Questi ha detto, mio Dio, allora proviamoci. Da dove sia venuta il mio desidero per il corno, non lo so. Non è stato a un concerto, non ho incontrato nessun cornista. È ancora oggi un mistero per me.

Ci sono stati momenti in cui hai pensato che sarebbe stato meglio scegliere uno strumento diverso?
No, in realtà no. E poi io non volevo fare musica o carriera, volevo solo suonare il corno. Semplicemente questo.

Probabilmente sei stato un allievo di musica modello: sapevi cosa volevi ed eri disposto a investire molto. Avevi anche una volontà di ferro.
Non ho frequentato molto la scuola di musica, all’età di 12 anni sono passato alla scuola universitaria. Ma ero tutt’altro che un allievo modello, credo (ride). Non sono mai stato quello che faceva le cose che pretendevano da me. Quando l’insegnante mi diceva qualcosa, provavo e cercavo di capire se andasse bene per me oppure no, e se non andava bene non lo facevo. Per gli insegnanti, era spesso una situazione molto difficile.

Ci sono stati insegnanti che ti hanno detto – ehi, sono io l’esperto qui?
Sì certo. Il mio modo di pensare e risolvere i problemi non andava bene per il sistema della scuola, dove c’è un percorso che bisogna fare, e chi lo completa fa tutto nella giusta maniera. All’università l’atmosfera era molto più rilassata, anche per il fatto che se uno è professore universitario ha molto successo – e per avere successo non bisogna imitare ma essere in grado di capire se stessi e anche di insegnare a se stessi.

Hai mai avuto dubbi sul fatto che tu stessi facendo la cosa giusta?
Certamente. I dubbi sono la ragione principale per cui si fa qualcosa. Se non si hanno mai dubbi, allora si rimane seduti sul divano. Un esempio molto concreto: quando avevo circa quattordici anni, ho notato che ero totalmente rilassato quando studio in casa, mentre mi sentivo del tutto a disagio e nervoso quando uscivo dalla casa dei miei genitori. Improvvisamente ho scoperto che questo nervosismo non aveva nulla a che fare con la paura del palcoscenico, ma piuttosto che a casa suonavo solo in stanze con il pavimento di moquette. Così ho iniziato a suonare in stanze senza moquette, in bagno e in cantina. In questi luoghi non si suonerebbe mai, il suono è terribile ed incredibilmente rumoroso, e all’inizio avevo molta difficoltà perché era esattamente l’ambiente che non mi piaceva. Ma dopo un po ‚ la situazione si è stabilizzata. Oggi so che posso suonare ovunque, anche nella stanza più brutta con l’acustica più terribile. Molti sono dell’idea che si dovrebbe suonare solamente in una buona acustica. Io dico: se ti senti a tuo agio nella situazione più terribile, allora funziona ovunque. Ho solo seguito la mia strada, il mio percorso.

Il mondo dell’educazione musicale si sta esaurendo – in realtà, uno vorrebbe avere degli allievi come te. Vorrebbe prenderli sul serio, considerarli individualmente. Ma tu hai vissuto questo in modo molto diverso.
Penso che la musica sia semplicemente importante: il 99,9999%, e molti altri 9 a seguire, di persone imparano uno strumento perché dà loro gioia. È così che dovrebbe essere. La musica dovrebbe essere divertente, bisogna sentirsi a proprio agio, vivere un’esperienza insieme. Pochissimi diventano professionisti, e quindi non bisognerebbe voler creare perfezionisti, altrimenti si consegue solo che i bambini perdano la voglia di continuare. Proviamo a immaginare, se ogni volta che dei bambini giocano a calcio per strada cerchiamo di migliorare la loro tecnica – perderebbero in poco tempo l’entusiasmo e smetterebbero di giocare.

Insegni anche alla scuola universitaria di musica?
Alla scuola universitaria di Münster. Solo parzialmente, non sarei in grado di creare una cattedra intera al momento, altrimenti dovrei ridurre il calendario dei concerti. È molto divertente per me. Vedere diversi modi di vivere, insegnare alle persone, è molto eccitante.

Cosa vorresti raggiungere come docente universitario? Hai un obiettivo?
Cerco di trasferire agli studenti quello che mi ha aiutato nella vita – il pensiero che si discosta dalla norma. Il 95% di ciò che bisogna fare come musicista avviene nella propria testa. L’abilità, l’attitudine di essere liberi nella testa. Quante volte si suona qualcosa e poi si giudica se stessi, che non andava bene, che non funzionava. Questo porta ad una limitazione nella testa. Abbiamo una grande volontà a nostra disposizione, ma spesso restiamo chiusi in uno stanzino. Se dici a qualcuno che suona molto bene ma non è fatto per il palcoscenico perché è nervoso, gli dai il colpo di grazia. Ma se invece gli dici che tutti conoscono il nervosismo, che fa parte del gioco, non dobbiamo combatterlo ma affrontarlo, allora è completamente diverso. Quindi si può provare a fare esperienze positive. Altri non hanno problemi, suonano e basta. Riuscire a capire come sono le persone, cosa vogliono, che cosa hanno vissuto – è lì che vedo il mio compito. Dove, alla fine, vorrei cercare di aiutare le persone.

E cosa vuoi raggiungere come cornista?
Naturalmente, questa è una domanda a cui non posso rispondere. Una domanda molto grande. Quello che sto facendo in questo momento, non avrei mai pensato di poterlo fare. Guadagnarmi da vivere come solista di corno e viaggiare in tutto il mondo – da bambino non me lo immaginavo neanche perché era così irrealistico. Pensavo più ad una posizione in una buona orchestra, sarebbe fantastico. Questo pensiero del vincitore, come lo chiamo io – se corro abbastanza veloce, divento un campione olimpico – non ce l’ho più. O forse non l’ho mai avuto. Penso che sia bello rendere felici le persone con la musica, è quello che mi piace, quello che mi affascina.

Allora non sei un fuggitivo e sei semplicemente felice di ciò che arriva dalla vita.
Esattamente. Se si riesce ad essere completamente indipendenti da ciò che si fa – non deve essere musica, può essere in qualsiasi professione, o nella vita familiare – per essere in pace con ciò che si ha, non bisogna necessariamente cercare di continuo di avere successo. Se pensi più di non aver raccolto abbastanza successi, di dover mostrare al mondo ciò che vali. Se sei in pace con te stesso, non hai più bisogno di questo.

Felix Klieser verrà in Svizzera il 21 gennaio – terrà una presentazione al Forum formazione musicale di Baden. Il suo sito web dà un’idea del suo variegato calendario dei concerti.

 

 

Das Wichtigste findet im Kopf statt

„Das ist unmöglich“ – ein Satz, den Felix Klieser als Musikschüler immer wieder zu hören bekam. Schon mit vier Jahren entschied er, dass er Horn spielen wollte, und investierte später viele Stunden in die Entwicklung einer Technik, die es ihm ermöglichte, sein Instrument ohne Arme zu spielen. Heute ist er – trotz in seinem Beisein geäusserten Zweifeln von Lehrpersonen und Experten – als Hornsolist auf der ganzen Welt unterwegs. Im Gespräch gibt er Einblick in seine Arbeit als Musiker und als Hochschuldozent.

Lieber Felix, kannst du uns einen Einblick geben in deinen Alltag?
(lacht) Wenn es irgendwas nicht gibt in meinem Leben, ist das ein Alltag … Ich reise, probe, spiele, und jeder Tag ist ganz anders.

Gibt es kleine Rituale, die dir Halt geben?
Nein, gar nix. Ich versuche mein Leben so einfach wie möglich zu gestalten. Sobald man anfängt, sich Rituale oder Abläufe aufzubauen, läuft man Gefahr, dass etwas schief laufen kann. Selbst unter ganz schwierigen Bedingungen, die halt bei mir sehr oft vorkommen, sollte man in der Lage sein zu spielen. Rituale können da hinderlich sein – wenn ich mir vornehme, vor jedem Konzert eine Banane zu essen, oder vor dem Konzert ein Schläfchen zu machen, und dann haben Flüge Verspätung, man findet nichts zu essen, dann wirft einen das aus der Bahn. Deshalb versuche ich möglichst flexibel zu bleiben.

Das ist eine interessante Sichtweise. Wie machst du es dann mit deinem Instrument – bestimmt brauchst du tägliche Übezeit?
Ich sollte etwa drei Stunden am Tag mit dem Instrument verbringen, was auf Anhieb nicht nach viel klingt. Aber manchmal ist es schwierig, die auch zu bekommen. Vor ein paar Wochen bin ich nach Mexiko geflogen, und mein Hornständer ist in Paris stecken geblieben. Ich konnte vier Tage nicht üben, nicht proben – und trotzdem muss ich halt dann Konzerte spielen. Ich wusste, ich habe nur noch einen Tag Zeit, um mich vorzubereiten, und habe dann halt versucht, den möglichst effektiv auszunutzen.

Sowas stresst dich dann auch nicht?
Ich versuche, mit möglichst vielen Szenarien im Leben klarzukommen. Das ist glaube ich so ein Punkt. Wenn man das schafft, werden viele Dinge einfacher. Wenn man ein möglichst breites Spektrum an Möglichkeiten aufzubauen kann, kommt man durch schwierige Situationen bequemer durch und ist flexibler.

Mit deinem Instrument warst du wiederum gar nicht flexibel. Du wusstest schon als kleiner Junge, dass es das Horn sein musste. Warum denn das Horn?
Ich war damals vier Jahre alt und bin zu meinen Eltern gegangen mit dem Wunsch, Horn spielen zu lernen – und die wussten gar nicht, was das ist. Also haben sie geschaut in der Musikschule in Göttingen, wo ich aufgewachsen bin, ob es einen Hornlehrer gibt. Der hat gesagt, mein Gott, dann versuchen wir das mal. Woher das kam mit dem Horn, das weiss ich nicht. Ich war nicht an einem Konzert, habe niemanden getroffen, der Hornist war. Es ist mir bis heute selber ein Rätsel.

Gab es denn Momente wo du dir gedacht hast, du hättest besser ein anderes Instrument auswählen sollen?
Nein, eigentlich nicht. Es ging mir auch nie darum, Musik zu machen oder Karriere, ich wollte einfach Horn spielen. Genau das.

Vermutlich warst du ein Traummusikschüler – du wusstest, was du wolltest, und warst bereit, sehr viel zu investieren. Hast einen eisernen Willen mitgebracht.
Ich war gar nicht so lange an der Musikschule, mit 12 bin ich schon an die Hochschule gewechselt. Aber ich war alles andere als ein Traumschüler, glaube ich (lacht). Ich war nie derjenige, der einfach gemacht hat, was man von mir wollte. Wenn der Lehrer mir etwas gesagt hat, hab ich’s ausprobiert und versucht zu verstehen, ob es mir gut tut oder nicht, und wenn nicht, habe ich es nicht gemacht. Für Lehrpersonen war das oft eine sehr schwierige Situation.

Gab es Lehrpersonen, die dir das gesagt haben – im Sinne von hey, ich bin hier der Experte oder die Expertin?
Ja klar. Meine Art zu denken und Probleme zu lösen passte nicht zum System Schule, wo es einen Weg gibt, der gelaufen werden muss, und wer ihn absolviert, macht alles richtig. An der Hochschule war dann alles viel entspannter. Das hat auch damit zu tun, dass jemand, der oder die Professor*in an einer Hochschule ist, sehr erfolgreich ist – und erfolgreich sind nicht die, die etwas nachahmen, sondern die, die in der Lage sind, sich selber zu verstehen, und auch sich selber zu unterrichten.

Hattest du jemals Zweifel, ob du es richtig machst?
Natürlich. Zweifel sind doch der Hauptgrund, warum man etwas überhaupt macht. Wenn man nie zweifelt, sitzt man nur auf dem Sofa. Ganz konkretes Beispiel: Als ich etwa vierzehn war, habe ich festgestellt, dass ich total entspannt bin, wenn ich zuhause übe, mich aber total unwohl und nervös fühle, wenn ich das Haus meiner Eltern verlasse. Plötzlich habe ich entdeckt, dass diese Nervosität nichts mit Lampenfieber zu tun hatte, sondern dass ich zuhause nur in Räumen mit Teppichboden spielte. Also habe ich angefangen, in Räumen ohne Teppich zu spielen, im Badezimmer und im Keller. Dort würde man sonst nie im Leben üben, es klingt furchtbar und ist wahnsinnig laut, und am Anfang hatte ich sehr Mühe, weil es genau die Umgebung war, die ich nicht mochte. Aber nach einer gewissen Zeit hat sich das stabilisiert. Heute habe ich davon, dass ich überall spielen kann, auch im hässlichsten Raum mit der fürchterlichsten Akustik. Viele propagieren, man solle nur mit guter Akustik üben. Ich sage: Wenn du dich in der furchtbarsten Situation wohl fühlst, geht es überall. Ich habe einfach mein eigenes Ding gemacht, meine eigenen Abläufe verfolgt.

Die Musikbildungsszene ist im Aufbrauch – eigentlich wünschte man sich Schüler*innen wie dich. Man möchte sie ernst nehmen, individuell auf sie eingehen. Das hast du aber noch ganz anders erlebt.
Ich finde bei Musik einfach wichtig: 99.9999% und noch viele mehr 9s der Leute lernen ein Instrument, weil es ihnen Freude macht. Das soll so sein. Musik soll Freude machen, man soll sich wohl fühlen, etwas Gemeinsames erleben. Die Allerwenigsten werden Profis, und deshalb sollte man auch nicht Perfektionisten ausbilden, sonst führt das dazu, dass die Kinder keine Lust haben zum Üben. Man stelle sich vor, man würde jedesmal wenn Kinder auf der Strasse Fussball spielen, daran herummäkeln, die Technik verbessern wollen – dann hätten sie sehr schnell keine Lust mehr und würden aufhören zu spielen.

Du unterrichtest auch an einer Musikhochschule?
An der Hochschule in Münster. Es ist nur ein kleines Kontingent, eine Professur würde ich aktuell nicht schaffen, sonst müsste man den Konzertkalender ausdünnen. Es macht mir wahnsinnig Spass. Unterschiedliche Lebenswege sehen, Menschen zu unterrichten, ist sehr spannend.

Was möchtest du erreichen als Hochschuldozent? Hast du ein Ziel?
Das was mir geholfen hat im Leben – das Denken, das von der Norm abweicht – das versuche ich auf Studierende zu übertragen. 95% von dem, was man als Musiker*in leisten muss, findet im Kopf statt. Die Fähigkeit, die Einstellung, frei zu sein im Kopf. Wie oft spielt man etwas und urteilt dann über sich, das war nicht gut, das hat nicht funktioniert. Das führt dazu, dass man sich im Kopf limitiert. Wir haben einen so grossen Willen zur Verfügung, halten uns aber oft nur in der Besenkammer auf. Wenn jemandem gesagt wird, du spielst zwar toll, bist aber nicht für die Bühne gemacht, weil du so nervös bist, dann ist das der Todesstoss. Wenn man aber sagt, Nervosität kennen wir alle, das gehört dazu, wir müssen sie nicht bekämpfen, sondern damit umgehen, dann ist es etwas ganz anderes. Dann kann man versuchen, positive Erlebnisse zu schaffen. Andere haben kein Problem, die spielen einfach. Herauszufinden, wie die Leute ticken, was sie mögen, die Dinge, die sie erlebt haben – das ist es, wo ich meine Aufgabe sehe. Wo ich im Endeffekt versuchen möchte, den Leuten zu helfen.

Und was möchtest du als Hornist erreichen?
Das ist natürlich eine Frage, die ich unmöglich beantworten kann. Eine sehr grosse Frage. Das, was ich im Moment mache, das hätte ich niemals geglaubt, dass ich es jemals schaffen könnte. Als Hornsolist mein Geld zu verdienen und um die Welt zu reisen – davon habe ich als Kind nicht einmal geträumt, weil es so unrealistisch war. Ich dachte eher in die Richtung, eine Position in einem guten Orchester, das wäre toll. Dieses Trophäendenken, wie ich es nenne – wenn ich schnell genug laufe, werde ich Olympiasieger – das habe ich nicht mehr. Oder hatte es vielleicht gar nie. Ich finde es schön, Leute mit Musik fröhlich zu machen, das ist das, was mir Spass macht, mich fasziniert.

Dann ist man auch kein Gejagter, und freut sich einfach über das, was kommt.
Genau. Wenn man es schafft, völlig unabhängig von dem, was man macht – das muss ja nicht die Musik sein, es kann in irgendeinem Beruf sein, oder im Familienleben – im Reinen zu sein mit dem, was man hat, muss man sich nicht mehr ständig profilieren. Wenn man nicht mehr denkt, ich habe noch nicht genug Trophäen, ich muss der Welt zeigen, was ich wert bin. Wenn man mit sich im Reinen ist, hat man dieses Bedürfnis nicht mehr.

Felix Klieser kommt am 21. Januar in die Schweiz – er wird am Forum für musikalische Bildung in Baden ein Referat halten. Seine Website gibt Einblick in seinen vielfältigen Konzertkalender.

Digitalizzazione – ma come?

L’Assemblea dei delegati del 18 novembre 2022 si è tenuta all’insegna del futuro. Sono stati trattati alcuni progetti che plasmeranno l’ASSM nei prossimi anni, come pure la trasformazione digitale.

Foto: Anicia Kohler

Philippe Krüttli ha aperto l’Assemblea dei delegati, da lui presieduta per la prima volta, con una panoramica delle attività del Consiglio direttivo ASSM degli ultimi sei mesi e una prospettiva sugli obiettivi e i progetti dei prossimi anni. Sia il budget 2023 che il concetto per la struttura delle quote associative a partire dal 2024 sono stati approvati dai delegati presenti. Quest’ultimo concetto è stato elaborato da un gruppo di lavoro di delegati e inviato per consultazione in tutti i Cantoni. Il membro del Consiglio direttivo ASSM, Thomas Saxer, ha riferito commenti positivi ricevuti dalla maggior parte delle associazioni cantonali, nonché osservazioni critiche che sono state inserite con successo nel progetto. Il concetto, approvato all’unanimità dai delegati tranne un’astensione, sarà implementato a partire dal 2024. Philippe Krüttli ha espresso un cordiale ringraziamento per l’attento esame del concetto nei Cantoni e per la fiducia accordata al Consiglio direttivo.

Philippe Krüttli ha poi fornito un aggiornamento in merito alla situazione del programma ‚Giovani Talenti Musica‘ della Confederazione. Ricordiamo che dall’agosto 2022 i Cantoni, che dispongono di un programma di promozione conforme alle direttive dell’ordinanza federale, possono presentare richieste di sostegni finanziari sulla piattaforma per i contributi di sostegno dell’Ufficio federale della cultura. Negli ultimi sei mesi, esperti di associazioni e organizzazioni musicali hanno elaborato, su incarico dell’Ufficio federale della cultura, i criteri di valutazione e misurazione per le commissioni cantonali, generando tre documenti: uno per la musica folk, uno per quella pop/rock/jazz e un terzo per la musica classica e la musica bandistica (quest’ultima adotta i criteri definiti per la musica classica). Le linee guida per la valutazione saranno disponibili sul sito dell’UFC a partire dal gennaio 2023.

Alla fine della mattinata, Thomas Saxer ha fornito un aggiornamento su ‚quarte Open Label‘ e ha avuto il piacere di consegnare a Stewy von Wattenwyl, direttore della Swiss Jazz School di Berna – la prima scuola di jazz in Europa, fondata nel 1967 – il certificato ottenuto nel 2022.

Il Dr. Richard-Emmanuel Eastes della Haute Ecole Spécialisée de Suisse occidentale (HES-So), già noto nel mondo dell’educazione musicale grazie a una presentazione alla Conférence romande dello scorso anno e a due workshop con il consiglio direttivo ASSM, ha presentato le sue riflessioni teoriche e pratiche sulla trasformazione digitale. Secondo lui fondamentali sono, tra le altre cose, i seguenti principi guida: la digitalizzazione non è fine a se stessa e deve corrispondere a un’esigenza reale. Tuttavia, ritiene molto importante affrontare la profonda trasformazione sociale per poter fornire agli allievi le adeguate capacità di riflessione e per preparare gli allievi e anche noi stessi a un mondo del lavoro modificato.
Successivamente, i delegati hanno discusso intensamente il tema riguardante i bisogni delle scuole di musica in termini di digitalizzazione. L’obiettivo del workshop era determinare in che modo l’ASSM possa sostenere al meglio le associazioni cantonali – e quale sia lo strumento (concetto? linee guida? manifesto?) da utilizzare. I partecipanti, tramite codice QR sui rispettivi smartphone, hanno votato possibili idee generali da inserire in questo documento. Le discussioni aperte e costruttive hanno fornito al Consiglio direttivo preziose indicazioni per continuare il lavoro su questo tema.

Digitalisierung – aber wie?

Die Delegiertenversammlung vom 18. November 2022 in November stand ganz im Zeichen der Zukunft. Es ging um Projekte, die die nächsten Jahre im VMS prägen werden – und um den digitalen Wandel.

Foto: Anicia Kohler

Philippe Krüttli eröffnete die erste von ihm präsidierte Delegiertenversammlung mit einem Einblick in die Tätigkeit des VMS-Vorstandes im letzten halben Jahr – und einem Ausblick auf die Ziele und Projekte der nächsten Jahre. Sowohl das Budget 2023 als auch das Konzept für die Struktur der Mitgliederbeiträge ab 2024 wurden von den anwesenden Delegierten genehmigt. Letzteres war in diesem Jahr von einer Arbeitsgruppe von Delegierten begleitet und in allen Kantonen in Vernehmlassung geschickt worden. VMS-Vorstandsmitglied Thomas Saxer berichtete von positiven Rückmeldungen von einer Mehrheit der Kantonalverbände, und von kritischen Bemerkungen, die erfolgreich ins Konzept eingearbeitet werden konnten. Das bis auf eine Stimmenthaltung von den Delegierten einstimmig angenommene Konzept wird ab 2024 zur Umsetzung kommen. Philippe Krüttli bedankte sich herzlich für die sorgfältige Prüfung des Konzepts in den Kantonen und für das Vertrauen in den Vorstand.

Anschliessend berichtete Philippe Krüttli vom Stand der Dinge im Programm „Junge Talente Musik“ des Bundes. Zur Erinnerung: Kantone mit einem Förderprogramm, das den Richtlinien der Bundesverordnung entspricht, können seit August 2022 auf der Plattform für Unterstützungsbeiträge des Bundesamtes für Kultur Gesuche um Finanzhilfe einreichen. Im letzten halben Jahr erarbeiteten Expert*innen aus Musikverbänden und -organisationen im Auftrag des Bundesamts für Kultur nun Bewertungs- und Messkriterien für die kantonalen Fachkommissionen. Daraus entstanden drei Dokumente: je eines für die Sparten Volksmusik und Pop/Rock/Jazz sowie für Klassik und Blasmusik (letztere übernimmt die Kriterien für die Sparte Klassik). Die Bewertungsrichtlinien werden ab Januar 2023 auf der Website des BAK zur Verfügung stehen.

Zum Abschluss des Morgens berichtete Thomas Saxer vom «quarte Open Label». Mit Freude übergab er Stewy von Wattenwyl, dem Schulleiter der Swiss Jazz School in Bern – der 1967 gegründeten, allerersten Jazzschule Europas – das 2022 erreichte Zertifikat.

Am Nachmittag widmeten sich die Anwesenden der Digitalisierung. Dr. Richard-Emmanuel Eastes von der Haute Ecole Spécialisée de Suisse occidentale (HES-So), der dank eines Referats an der letztjährigen Conférence romande sowie zwei Workshops mit dem VMS-Vorstand mit der Welt der musikalischen Bildung bereits sehr gut vertraut ist, präsentierte seine theoretischen und praktischen Gedanken zum digitalen Wandel. Zentral sind für ihn unter anderem folgende Leitsätze: Digitalisierung ist kein Selbstzweck – und sie muss einem echten Bedürfnis entsprechen. Trotzdem erachtet er es als sehr wichtig, sich mit dem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel auseinanderzusetzen, um die Schüler*innen mit entsprechenden Reflexionsfähigkeiten auszurüsten, und um sie und sich selber auf eine veränderte Arbeitswelt vorzubereiten.

Anschliessend diskutierten die Delegierten intensiv über die Bedürfnisse von Musikschulen in Sachen Digitalität. Ziel des Workshops war es zu eruieren, inwiefern der VMS die Kantonalverbände im Thema am besten unterstützen kann – und welches Werkzeug (Konzept? Leitfaden? Manifest?) dafür in Frage kommt. Über mögliche Titelideen dieses Dokuments stimmten die Teilnehmenden via QR-Code auf dem Smartphone ab. «Diese offene und konstruktive Diskussion gibt dem Vorstand sehr wertvolle Hinweise für die Weiterführung der Arbeit rund um den digitalen Wandel», sagte Philipp Krüttli. Pünktlich um 16h entliess er die Delegierten mit einem herzlichen Dank.

Musikschulen im Wallis

Das Wallis ist vom Tourismus geprägt – das Matterhorn, Leukerbad und den Aletschgletscher kennt man bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Einst von den Römern erobert, trat das Wallis 1815 der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei. Kulturell hat der Kanton vieles zu bieten, von Tradition und Brauchtum, Klassik- und Jazzfestivals bis hin zum Openair Gampel.

Foto: ZVG

Entsprechend breit gestaltet sich auch die musikalische Bildung. Es gibt drei kantonal anerkannte Musikschulen: das Conservatoire Cantonal in Sion, die Ecole de jazz et de musique actuelle du Valais (EJMA-Valais) und die Allgemeine Musikschule Oberwallis (amo). An den insgesamt über 80 Standorten verzeichnen sie rund 4500 Fachbelegungen. Dass der Kanton bilingue ist – im Unterwallis spricht man französisch, im Oberwallis deutsch – stellt der Zusammenarbeit der Musikschulen grundsätzlich keine Hürden, wie Amadé Schnyder berichtet. Er ist seit 2014 Leiter der amo und gleichzeitig Delegierter für den VMS. „Die Sprache ist eine Herausforderung, aber unsere Zusammenarbeit auf der Verbandsebene ist ausgezeichnet“, berichtet er. Die Gründung des Verbandes Musikschulen Wallis war ursprünglich vom Departement für Erziehung, Kultur und Sport angeregt worden – mit dem Ziel, die Subventionen zu vereinheitlichen. 2013 schlossen sich die drei Schulen mit sehr unterschiedlicher Ausrichtung zusammen und erarbeiteten gemeinsam einen „Harmonisierten Rahmenlehrplan“ («Plan d’études cadre harmonisé PECH»), der festlegt, wie die musikalische Bildung in Sachen Zyklen und Stufentests im Kanton ausgestaltet werden soll. „Diese Harmonisierung auf kantonaler Ebene war ein Gewinn“, sagt Schnyder. „Nun geht der Prozess weiter – es bleibt spannend.“

Der Kanton übernimmt 40% der Kosten für den Musikunterricht. Die Beteiligung der Gemeinden ist freiwillig und findet vielerorts statt, und zusätzlich stellen sie den Musikschulen seit der Verabschiedung des Kulturgesetzes von 2016 kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Elternbeiträge betragen im Schnitt 48 – 50%.

Den Austausch, den VMS-Delegiertenversammlungen und andere Veranstaltungen ermöglichen, findet Amadé Schnyder sehr hilfreich – insbesondere mit dem Kanton Bern, der ebenfalls zweisprachig ist. Sehr gut läuft auch die Zusammenarbeit mit den im Wallis sehr wichtigen und weit verbreiteten Blasmusikvereinen und Chören. Im Oberwallis bietet die amo eine integrierte Ausbildung für Kinder und Jugendliche an, die einem Blasmusikverein angehören.

Es gibt verschiedene Wettbewerbe im Kanton – in der Regel veranstaltet die amo im Oberwallis alle 3 Jahre einen Ensemblewettbewerb. Und das Conservatoire Cantonal in Sitten organisiert alle zwei Jahre für die Musikwettbewerbe „Concours Bach“ und „Concours Musique contemporaine“ .

Amadé Schnyder, VMS-Delegierter für den Kanton Wallis

Regionalkonferenz Zentralschweiz

Jeden September treffen sich Schulleitende aus den Zentralschweizer Kantonen zur Regionalkonferenz. Sie wird jeweils gemeinsam vom VMS und von der Hochschule Luzern – Musik verantwortet und dient dem Austausch. Dieses Jahr standen am Morgen Inputs zum Thema Unterrichtsentwicklung auf dem Programm, und am Nachmittag setzten sich die Teilnehmenden in kleinen und wechselnden Gruppen zusammen und tauschten sich zum Gehörten aus. „Es war ein gelungener und inhaltlich sehr interessanter Anlass“, berichtet Eva Crastan vom Organisationsteam. Sie schätzt das Gefäss sehr – sowohl als Vorstandsmitglied im VMS wie auch als Abteilungsleiterin der Musikschule Luzern. „Musikalische Bildung hört nicht an der Kantonsgrenze auf“, sagt sie. „Gemeinsam können wir Ideen entwickeln und haben so bei der Umsetzung mehr Durchschlagskraft.“

Von Neuenburg bis Creux-du-Van

«Der Kanton Neuenburg ist ziemlich heterogen», sagt Nicolas Farine, seit Oktober 2021 Leiter des Conservatoire de musique neuchâtelois (CMNE) und kantonaler VMS-Delegierter. Er erwähnt die zwei grossen Städte Neuchâtel und La Chaux-de-Fonds, die sich stark voneinander unterscheiden, sowie die ländlichen Gegenden zum Beispiel im Val de Ruz oder im Val de Travers.

Bild: zVg

Es gibt zwei VMS-Musikschulen im Kanton: das Conservatoire de musique neuchâtelois (CMNE ) und das Collège musical, die städtische Musikschule in La Chaux-de-Fonds. Sie verzeichnen insgesamt rund 3000 Fachbelegungen und 130 Lehrpersonen an 18 Unterrichtsstandorten. Für beide Schulen gelten unterschiedliche Subventionsbestimmungen, aber faktisch tragen die Eltern im ganzen Kanton zwischen 30-40% der Kosten für den Musikunterricht selber. An beiden Schulen richtet sich das Schulgeld nach dem Einkommen der Eltern, und es gibt Stipendien, die an beiden Schulen eine Unterstützung bis zu fast 100% ermöglichen.

Die Angliederung des Conservatoire an das Bildungsdepartement des Kantons und des Collège musical ans Bildungsdepartement der Stadt La Chaux-de-Fonds sorgt für eine solide politische Verankerung der Musikschulen. «Dies ermöglicht uns eine sehr gute Verbindung zu den Volksschulen», sagt Farine. Ungefähr 150 Schüler*innen aus Blasmusiken im Kanton profitieren von einem reduzierten Unterrichtstarif. Schüler*innen mit Beeinträchtigung werden im CMNE integriert – Lehrpersonen werden speziell dafür ausgebildet und es bestehen Partnerschaften mit spezialisierten Institutionen. Die Zusammenarbeit zwischen Musikschulen und politischen Akteur*innen funktioniert laut Farine sehr gut: «Man kann hier wirklich etwas bewegen.»

Nicolas Farine, VMS-Delegierter und Leiter des Conservatoire de musique neuchâtelois (CMNE). Foto: zVg

 

Der Kanton Tessin und die musikalische Bildung

Im Tessin gibt es 9 öffentliche Musikschulen mit insgesamt rund 3500 Schüler*innen, die dem kantonalen Verband FeSMut (Federazione delle Scuole di Musica Ticinesi) angeschlossen sind. Die FeSMut wurde 1996 gegründet. Präsident und VMS-Delegierter des Kantons ist seit 2015 Matteo Piazza.

Foto: zVg

2015 wurde im Kanton ein neues Kulturgesetz verabschiedet, das auch Strukturen und Subventionen der anerkannten Musikschulen festlegt. „Es ist für uns ziemlich unbefriedigend, ehrlich gesagt“, sagt Piazza. Der Kanton übernimmt 20% der Unterrichtskosten. Wenn eine Gemeinde sich dazu entscheidet, zusätzlich Beiträge an Schulgelder zu übernehmen, bekommt sie vom Kanton einen Drittel zurück. Dass die zusätzliche Unterstützung durch die Gemeinde freiwillig ist, führt dazu, dass Familien je nach Wohnort 80% der Unterrichtskosten selber tragen müssen – während der schweizweite Durchschnitt sich bei etwa einem Drittel bewegt.

Zwei zusätzliche Herausforderungen sind die Tatsache, dass der im Kulturgesetz vorgeschriebene Mindestlohn für die Lehrpersonen den Schüler*innen zu maximal einem Faktor von 1.5 berechnet werden darf, und dass der Kanton Subventionen nur für Schüler*innen unter 20 Jahren leistet. Folglich fehlen den Musikschulen finanzielle Ressourcen, die in den Bereichen Organisationen und Führung mit Freiwilligenarbeit und sehr viel Herzblut kompensiert werden. Für Matteo Piazza als FeSMut-Präsident und auch für die anderen Schulleitenden im Kanton hat sich das Lobbying deshalb zu einem wichtigen Teil der Arbeit entwickelt. „Wir haben sehr gute Verbindungen im Kantonsparlament, und der Verband hält stark zusammen“, sagt er. Für die Zukunft ist Piazza deshalb optimistisch: „Wir haben sehr viel gekämpft und vieles ausprobiert, aber die Arbeit für mehr Chancengerechtigkeit in der musikalischen Bildung geht weiter – gemeinsam!“

Nebst der politischen Arbeit bleibt der zweifache Vater nach wie vor Schulleiter des Centro di Studi Musicali della Svizzera Italiana in Lugano, unterrichtet einen halben Tag pro Woche Schlagzeug an der Accademia Ticinese di Musica in Locarno und spielt jährlich rund 150 Gigs in unterschiedlichen Formationen.

www.fesmut.ch

Kanton Jura: Musikschule im jüngsten Kanton

Der Kanton Jura hat eine bewegte Geschichte – er wurde erst 1979 unabhängig und ist damit mit Abstand der jüngste Kanton in der Schweiz. Hauptort ist Delémont, mit rund 12’000 Einwohner*innen die einzige Stadt in einem sonst sehr ländlichen Kantonsgebiet mit vielen kleinen Gemeinden.

Foto: zVg

Der Kanton anerkennt die Ecole Jurassienne et Conservatoire de musique, kurz EJCM, als kantonale Musikschule. Sie ist damit die einzige subventionierte Musikschule im Kanton. Die Leistungsvereinbarung enthält Richtlinien aus dem Quarte Open Label – für den Schulleiter und VMS-Delegierten Blaise Héritier hat die Zertifizierung spürbares politisches Gewicht, weil Parameter wie Löhne, Reglemente und Räumlichkeiten festgehalten sind. Er schätzt die gute, respektvolle Zusammenarbeit mit dem Kanton sehr. Die Subventionen sind in zwei Bereiche aufgeteilt: Der Kanton übernimmt erstens je nach Anzahl Schüler*innen an der Musikschule jährliche Beiträge, so dass sich das Schulgeld für die Eltern auf rund 45% beläuft. Und zweitens gibt es ein Begabtenförderungsprogramm mit Platz für 24 Schüler*innen.

Während der Coronazeit konnte die EJCM mit Unterstützung des Kantons ein Videoprojekt auf die Beine stellen, das als einzelne Videoclips oder als ganzer Film à 40 Minuten Instrumente und Lehrpersonen vorstellt. Dies ist besonders deshalb hilfreich, weil es bisher im Kanton keine Tradition der Zusammenarbeit mit den Volksschulen und den Gemeinden gibt – unter anderem aus Budgetgründen. Mit den Blasmusiken wiederum besteht eine sehr rege Zusammenarbeit. Die meisten Mitglieder besuchen Unterricht an der Musikschule und profitieren dabei von einem Spezialtarif.

Héritier schätzt den Austausch mit Kantonen in der Romandie (unter anderem während der jährlichen Conférence romande) und der ganzen Schweiz. «Wenn wir wissen, was bei den anderen funktioniert, hilft uns dies bei unserer eigenen Weiterentwicklung», sagt er. Er ist seit 2016 Schulleiter der EJCM und damit auch VMS-Delegierter. Vorher war er unter anderem als Dirigent und als Präsident der Musikkomission im Schweizer Blasmusikverband tätig.

www.ejcm.ch

Verband Aargauer Musikschulen

Über den Aargau – und den Verband Aargauer Musikschulen

Instrumentenmesse an der Musikschule Unteres Fricktal (Bild: ZvG)

1803 entschied Napoleon, die damaligen Kantone Aargau, Baden und Fricktal zusammenzulegen – damit legte er den Grundstein für das heutige Kantonsgebiet des Aargaus. Politisch zählt der Kanton Aargau anders als noch im 19. Jahrhundert zu den konservativsten der grösseren Schweizer Kantone. Er ist kleinräumig und nebst den mittelgrossen Städten wie Aarau, Baden oder Wettingen ländlich geprägt. Die Kleinräumigkeit zeigt sich auch bei der musikalischen Bildung, wie der VMS-Delegierte Valentin Sacher berichtet. «Fast jede Gemeinde hat ihr eigenes Reglement», sagt er. Tarife, Fächer, Subventionen oder Löhne sind nicht kantonal geregelt. Deshalb entwickelte der Verband Aargauer Musikschulen kantonale Guidelines, die den Gemeinden als Grundlage dienen sollen. Sie enthalten Minimalstandards, die auf dem quarte open Label des VMS basieren. Gesetzlich festgelegt – im kantonalen Schulgesetz seit 1865 – ist einzig, dass Schüler*innen der 6.-9. Klasse pro Woche für 15 Minuten Musikunterricht und ab sechs Teilnehmenden zusätzlich ein Ensemble kostenlos besuchen dürfen.

Mit knapp 70 Musikschulen und rund 22’000 Fachbelegungen ist die Zahl der kleinen und kleineren Musikschulen im Kanton hoch. «Dass wir fast überall vor Ort Unterricht anbieten können, ist unser grosses Plus, im Gegensatz zum Sport zum Beispiel», sagt Sacher. «Andererseits ist es wichtig, dass wir den kompletten Fächerkatalog an allen Orten anbieten und den Verwaltungsapparat professionalisieren können.» Sacher ist selber seit 17 Jahren Schulleiter der Musikschule Unteres Fricktal – ein Amt, für das er seine Tätigkeit als Schlagzeuglehrer aufgab. Seine musikalische Seite lebt er heutzutage als Leiter der Brass Band Zuzgen aus.

Für die musikalische und musikpädagogische Zukunft des Kantons ist er optimistisch gestimmt, da von Seiten Kanton eine Komplettrevision des Instrumental- und Sologesangsunterricht geplant ist. «Ich sehe die Situation in unserem Kanton als Riesenchance», sagt er, «Wir können in den nächsten 2-3 Jahren sehr viel bewegen.» Eine wichtige Rolle könnte dabei der neu eingesetzte Verbandsrat des VAM spielen, der mit Personen aus der Politik besetzt ist, was eine zunehmende politische Abstützung verspricht.

www.vam-ag.ch

Valentin Sacher, Präsident des Verbandsrats und VMS-Delegierter für den Kanton Aargau (Bild: Ismael Lorenz)

Verband Musikschulen Baselland

Dem Verband Musikschulen Basel-Landschaft (VMBL) gehören 15 Musikschulen an. Im unteren Baselbiet finden sich grössere, geografisch gut erreichbare Musikschulen, während sich Zentrumsschulen im oberen Baselbiet wie Sissach und Gelterkinden darum bemühen, auch in Kleinstgemeinden Musikunterricht anzubieten.

Foto: Gregor Düblin

Vo Schönebuech bis Ammel
Vom Bölche bis zum Rhy
Lyt frei und schön das Ländli,
wo mir deheime sy (…)

Es wächsle Bärg und Täli
So liebli mitenand(…)
Nei schöner als im Baselbiet
Cha s währli niene sy.
Aus dem Baselbieterlied, der inoffiziellen Hymne des Kantons Basel-Landschaft (1862)

Über den Kanton Basel-Landschaft

Der Kanton Basel-Landschaft zählt flächenmässig zu den kleinen Kantonen der Schweiz, ist aber überdurchschnittlich dicht besiedelt – die Bevölkerungsdichte liegt beim Dreifachen des Schweizer Durchschnitts. Der Kantonshauptort ist Liestal. Nebst urbanen Gemeinden in der Agglomeration von Basel gehören auch zahlreiche kleine Gemeinden zum Kantonen.

Elterndrittel seit 1957

1957 wurde mit der Musikschule Birsfelden die erste Musikschule gegründet. 1962 schuf der Kanton juristische Grundlagen für den musikalischen Unterricht – ein Viertel der Kosten für die Musikschulen sollten vom Kanton, ein Drittel von den Eltern und der Rest von den jeweiligen Trägergemeinden getragen werden. Mit dem Bildungsgesetz von 2002 wurden die Musikschulen mit einem Katalog von Pflichtinstrumenten gesetzlich verankert. Um den Zugang zur musikalischen Bildung für alle sicherzustellen, wurde darin auch festgehalten, dass der Tarif für den Musikunterricht für die Eltern nicht mehr als ein Drittel der Gesamtkosten betragen darf. Seit Kurzem ist auch die Talentförderung als Fachstelle in einer Verordnung anerkannt.

Über den kantonalen Verband

Dem Verband Musikschulen Basel-Landschaft (VMBL) gehören 15 Musikschulen an. Sie sind so heterogen wie der Kanton selbst. Im unteren Baselbiet finden sich grössere, geografisch gut erreichbare Musikschulen, während sich Zentrumsschulen im oberen Baselbiet wie Sissach und Gelterkinden darum bemühen, auch in Kleinstgemeinden Musikunterricht anzubieten. „Es wird immer versucht, so nahe wie möglich bei den Kindern zu sein“, sagt Regula Messerli, seit 2008 Gemeinderätin in Oberwil BL und verantwortlich für das Ressort Bildung, Jugend, Familie. Der Verband unterstützt viele Tätigkeiten – dazu gehören schulübergreifende Projekte, auch gemeinsam mit der Volksschule, der kantonale Ensemblewettbewerb, die gemeinsame Talentförderung. Um diese Angebote finanzieren zu können besteht eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Basellandschaft. Im Sommer 2023 ist eine Grossveranstaltung in Augusta Raurica geplant, an der sich alle 15 Musikschulen organisatorisch und musikalisch beteiligen. „Davon erhoffen wir uns einen Sog“, sagt Messerli. Sie setzt sich seit Jahren mit Leidenschaft für die Musikschulen im Kanton wie auch für die Anliegen des Kantons im VMS ein, weil ihr die musikalische Bildung persönlich am Herz liegt. „Die musikalische Bildung ist enorm wichtig als Ergänzung des Unterrichts an der Volksschule. Die Musik ist einfach etwas Bereicherndes!“

Regula Messerli, Delegierte des Kantons BL im VMS. Foto: zVg

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