Das Jazz Festival Willisau bietet erstmals direkt über die Webseite einen Vorverkauf für alle kostenpflichtigen Konzerte an. Wie jedes Jahr setzt das Programm von Festivalleiter Arno Troxler neben internationaler Namen auch auf das Schweizer Jazzschaffen.
Musikzeitung-Redaktion
- 31. Mai. 2016
Die Eintritte kann man sich wahlweise als Print@home-Ticket zustellen lassen, oder physisch per Post. So ist es ab sofort auch möglich, sich für die Intimities-Konzerte wie auch für den Late Spot die Tickets bereits vor dem Festival zu sichern.
Eröffnet wir das diejährige Festival vom Trompeter Peter Schärli. Zu den weiteren Acts gehören John Zorn, Kaspar von Grünigens Bottom Orchestra, Urs Leimgruber, Alex Huber Lightnings, Qoniak (Vincent Membrez und Lionel Friedli), John Edwards, Simulacrum, Asmodeus, Phalle Fatale und das Joachim Kühn Trio.
Vom 31. Oktober bis zum 4. November 2016 lädt der Carus-Verlag zum fünften Mal zum Stuttgarter Choratelier.
Musikzeitung-Redaktion
- 31. Mai. 2016
Die teilnehmenden Chorleiterinnen und Chorleiter erwartet ein thematisch breit gefächertes Workshopprogramm mit ausgewiesenen Experten der Chormusikszene. Referenten sind u. a. Helmuth Rilling, Friedhilde Trüün, Klaus Brecht, Klaus-Martin Bresgott, Richard Mailänder, Peter Schindler, Jan Schumacher und Klaus K. Weigele.
Die Workshops richten sich an Leiterinnen und Leiter von Chören aller Altersklassen. Sie bieten praktische Impulse für die Chorarbeit mit Kinder- und Jugendchören (Stimmbildung, Motivation, Entwicklung von der Ein- zur Mehrstimmigkeit, neue Musicals). Ausserdem stehen spannende Repertoireempfehlungen für Erwachsenenchöre auf dem Programm, u. a. Lieder im Chor, englische Chormusik sowie Chorliteratur zur Reformation. Helmuth Rilling, der Grandseigneur der deutschen Chorszene, gibt in seinem Workshop Einblicke in seine persönliche Herangehensweise an die grossen chorsymphonischen Werke Messias und Ein Deutsches Requiem. Abgerundet wird das Workshopprogramm mit Führungen durch das Verlagsgebäude, die Möglichkeit zum Stöbern durch die umfangreiche Carus-Notenbibliothek sowie die Gelegenheit zum Austausch unter Kolleginnen und Kollegen sowie mit den Verlagsmitarbeitern.
Die Anmeldung ist ab sofort möglich. Detaillierte Programminformationen, das Anmeldeformular sowie eine kleine Filmdokumentation vom Stuttgarter Choratelier 2014 gibt es unter: www.carus-verlag.com/themen/choratelier
Ausserunterrichtliche Kulturangebote genügen nicht
Der deutsche Rat für Kulturelle Bildung warnt davor, die Zahl ausserunterrichtlicher Angebote als hinreichendes Indiz für den Erfolg kultureller Bildung zu betrachten.
Musikzeitung-Redaktion
- 30. Mai. 2016
«Die zahlreichen legitimatorischen Mythen Kultureller Bildung» – dass eben alles immer gut sei – müssten hinterfragt werden. Überzogenen Hoffnungen und Wirkungsversprechungen müsse man gerade dann entschieden entgegentreten, wenn man Kulturelle Bildung nachhaltig fördern wolle.
Im Sommer 2015 deckte die im Auftrag des Rates vom Allensbach-Institut durchgeführte Studie «Jugend/Kunst/Erfahrung – Horizont 2015» auf: 17 Prozent der Schülerinnen und Schüler in 9. und 10. Klassen an allgemeinbildenden Schulen haben bundesweit keinen Kunstunterricht, 22 Prozent keinen Musikunterricht. Hinzu kommen 33 Prozent, bei denen Kunst und 27 Prozent, bei denen Musik mehr als selten ausfallen.
Dieses Defizit könnten noch so gute ausserschulische Programme nicht kompensieren, schreibt der Rat. Die Entwicklung eines regelmässigen Bildungsmonitorings für den gesamten Bereich der Kulturellen Bildung sei deshalb unabdingbar, so das Fazit des Expertenrates.
Das Aargauer Kuratorium hat acht Werkbeiträge für Musik und sieben Atelieraufenthalte sowie drei Reisestipendien vergeben. Acht Musikerinnen und Musiker aus dem Aargau kommen in den Genuss eines Werkbeitrages von je 20’000 Franken.
Musikzeitung-Redaktion
- 30. Mai. 2016
Im Bereich Jazz sind dies der Gitarrist Franz Hellmüller (Unterkulm), die Sängerin und Komponistin Corinne Huber (Erlinsbach), der Saxophonist und Klarinettist Lukas Brügger (Baden) und der Komponist und Produzent Matthias Eser (Rumisberg). Im Bereich Rock/Pop erhalten der Schlagzeuger Lukas von Büren (Zofingen) und der Multiinstrumentalist Christian Fotsch (Mellingen) den Beitrag. In der Klassik wurden der Komponist Jörg Köppl (Zürich) und der Pianist Oliver Schnyder (Ennetbaden) ausgezeichnet.
Der Jazz-Trompeter Silvan Schmid (Zürich) reist für sechs Monate nach London und die klassische Sängerin Christina Daletska (Sarmenstorf) wird sechs Monate in Paris verbringen.
Beiträge in andern Sparten erhielten Eva Borner (Basel), Cédric Eisenring (Zürich), Dominique Müller (Lenzburg) und Roberta Müller (Lenzburg) und Mark Wetter (Lenzburg). Reisestipendien gingen an die Filmemacherin Eliane Bertschi (Zürich), an den spartenübergreifenden Vermittler Ulrich Suter (Schongau) und an den Aarauer Klangkünstler Joke Lanz (Berlin).
Richard Dubugnon verklagt das OSR
Einem Artikel von «Le Temps» zufolge will der Komponist Richard Dubugnon gerichtlich gegen das Orchestre de la Suisse romande (OSR) vorgehen. Streitpunkt sind nicht zustande gekommene Projekte mit ihm als Composer in Residence.
Musikzeitung-Redaktion
- 27. Mai. 2016
Wie Dubugnon der Zeitung gegenüber erklärt, habe der frühere Geschäftsführer Miguel Esteban das gemeinsame Projekt angedacht, es aber nach seinem Abgang sistiert. Sein Nachfolger Henk Swinnen sei wieder darauf zurückgekommen. Allerdings sei auch Swinnen ersetzt worden – ad interim durch Jean-Pierre Rousseau.
Das gemeinsame Projekt einer Residenz, das in den Broschüren des OSR bereits angekündigt worden sei, hätte einen Kompositionsauftrag, eine CD, ein Werk für ein junges Publikum sowie Musikvermittlungsprojekte umfasst. Das OSR hat allerdings angekündigt, diese Vorhaben ganz zu streichen. Laut der Stiftungspräsidentin Florence Notter hätten für die Zusammenarbeit bloss informelle Abmachungen zwischen Swinnen und Dubougnon bestanden. Das OSR habe aber andere Pläne.
Ganz gross: Viele Konzerthäuser werden neu gebaut, andere saniert. Ganz klein: Chant’appart bringt Konzerte in Privatwohnungen. Ganz echt: Michael Murray-Robertson baut seit Jahren am optimalen Klangraum für CDs. Ganz eng: Viele Musikschulen rücken näher zur Volksschule. Und schliesslich ganz am Ort: Sylwia Zytynska und Daniel Ott im Gespräch über das Festival Rümlingen.
SMZ
- 26. Mai. 2016
Ganz gross: Viele Konzerthäuser werden neu gebaut, andere saniert. Ganz klein: Chant’appart bringt Konzerte in Privatwohnungen. Ganz echt: Michael Murray-Robertson baut seit Jahren am optimalen Klangraum für CDs. Ganz eng: Viele Musikschulen rücken näher zur Volksschule. Und schliesslich ganz am Ort: Sylwia Zytynska und Daniel Ott im Gespräch über das Festival Rümlingen.
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Focus
Klingende Landschaft Interview mit Sylwia Zytynska und Daniel Ott vom Rümlingen-Festival
Un chanteur dans mon salon Chant’appart organise des concerts dans des appartements Plus de photos
La quête du local parfait La salle de musique sur mesure de Michael Murray-Robertson Plus de photos
Grössenwahn und Mässigung Viele neue Konzerthäuser entstehen oder bestehende werden saniert
Allein auf weiter Flur? Musikschulen rücken vielerorts näher zur Volksschule
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Swissmint würdigt Blasmusik
Heute lanciert die Eidgenössische Münzstätte Swissmint zwei neue Sondermünzen. Die Silbermünze mit dem Titel «Blasmusik» würdigt das kulturelle Schaffen der Schweizer Blasmusikszene. Die Goldmünze «Gottardo 2016» ist der Einweihung des neuen Gotthard-Basistunnels gewidmet.
Musikzeitung-Redaktion
- 26. Mai. 2016
Landauf, landab gebe es kaum ein grösseres Fest, an dem nicht eine Blasmusikformation für gute Stimmung sorge, schreibt das Eidgenössische Finanzdepartement. Mit ihren Auftritten bereicherten die Vereine das Dorf und Stadtleben und leisteten damit einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Bevölkerung. Die Schweiz geniesse zu Recht den Ruf, ein Land der Blasmusiken zu sein.
Fast in jedem Dorf und jeder Stadt gibt es mindestens eine Blasmusikformation. Im Unterschied zu anderen Ländern, deren zivile Blasmusikvereine die Besetzung der Militärmusik imitieren, trifft man in der Schweiz vor allem auf Harmoniemusiken (mit Holz- und Blechblasinstrumenten), ferner auf reine Blechbesetzungen, Metallharmonien (mit Blech- und Saxophoninstrumenten) sowie auf Brass Bands nach englischem Vorbild.
Bereits im späten 18. und im frühen 19. Jahrhundert wurden in Nachahmung der militärischen Korps die ersten zivilen Blasmusikvereine gegründet. 1862 führten einige davon in Zofingen ein Musikfest durch, das zur Gründung des «Eidgenössischen Blechmusikvereins» führte. Heute gehören dem Schweizer Blasmusikverband SBV 2‘000 Vereine unterschiedlicher Grösse an.
Mit der Lancierung der neuen 20-Franken-Silbermünze «Blasmusik», die von Remo Mascherini aus Belp entworfen wurde, erfahren die Blasmusikvereine und der Schweizer Blasmusikverband eine besondere Wertschätzung.
Furrers Wirken beim Radio und seine Haltung zur Avantgarde
Auf ihrer Suche nach Persönlichkeiten, die ihren Vater, den Schweizer Komponisten Walter Furrer (1902–1978), gekannt haben, hat sich Beatrice Wolf-Furrer im ersten Trimester 2016 mit Klaus Cornell und Walter Kläy getroffen.
Beatrice Wolf-Furrer
- 25. Mai. 2016
Nach dem inhaltsreichen Gespräch, das ich am 5. Dezember 2015 in Thun mit dem Organisten Heinz-Roland Schneeberger führte, habe ich meine Suche nach Personen, die meinen Vater, den Schweizer Komponisten Walter Furrer (1902–1978), noch gekannt haben, fortgesetzt. Dabei bin ich im Verlaufe der letzten Monate zweimal fündig geworden.
Klaus Cornell
Während meiner Recherchen in der Burgerbibliothek Bern, die seit Juni 2012 den gesamten musikalischen Nachlass Walter Furrers betreut, bin ich in Abständen immer wieder auf den Namen Klaus Cornell gestossen und habe mich dabei erinnert, dass auch mein Vater ihn gesprächsweise gelegentlich genannte hatte.
Ich brauchte nicht lange zu suchen: Via Homepage erfuhr ich nicht nur, dass Klaus Cornell eine stringente Karriere als Dirigent sowie als Komponist aufzuweisen hat und mit einer Reihe von Preisen ausgezeichnet worden ist, sondern auch, dass er heute in Konstanz lebt. Was gar nicht so selbstverständlich ist, denn von 1989 bis 2000 war er als erfolgreicher Musiker im Bundesstaat Oregon (USA) tätig, wo man ihn nur zu gerne behalten hätte. Doch zog es schliesslich den gebürtigen Berner, wenn auch nicht geradezu in die Schweiz, so doch ins benachbarte Ausland zurück. Als Alterswohnsitz wählte er Konstanz, eine Stadt, die ihm die Nähe zur Heimat, dabei aber doch, wie er betont, «etwas mehr Weite» verschaffte. Dort hatte ich am 27. Februar 2016 Gelegenheit, mich etwa eine Stunde lang mit ihm zu unterhalten.
In den sechziger Jahren arbeiteten Walter Furrer und Klaus Cornell Seite an Seite im gleichen Betrieb. Walter Furrer hatte 1957 nach einer fünfundzwanzigjährigen Tätigkeit als Chorleiter und Kapellmeister am Stadttheater Bern zum Sender Studio Radio Bern gewechselt, wo er noch gut zehn Jahre als Kapellmeister, Leiter des von ihm im Auftrag des Senders gegründeten Kammerchors und Komponist wirkte.
1961 stiess der junge, aber bereits mit einschlägiger in der Schweiz sowie in Deutschland erworbener Berufserfahrung versehene Klaus Cornell zum Team des Senders, wo er bis 1983 eine leitende Stellung innehatte.
Schon in den sechziger Jahren war auch er als Komponist unterwegs, das bekannteste Werk dieser Ära ist die 1965 entstandene Radio-Oper Peter Schlemihl, Bilderbuch für Musik, deren Textbuch Kurt Weibel nach Adelbert von Chamissos Novelle Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte verfasste.
Bei der Aufnahme des Schlemihl wirkte auch der von Walter Furrer geleitete Kammerchor (s. o.) mit. Er erinnere sich gerne, so Klaus Cornell, an die Zusammenarbeit mit dem älteren Komponisten-Kollegen, die auch im umgekehrten Sinne funktioniert habe. So habe er zum Beispiel 1965 als Produktionsleiter die gesamte Aufnahme der furrerschen Auftragskomposition Quatembernacht. Eine Radioballade nach einer Walliser Sage für Kammerorchester, Orgel, Soli, Chor, Kinderchor und Sprechstimmen gesteuert. Auch in diesem Fall wirkte Kurt Weibel als Librettist.
Den damals beim Radio besonders wichtigen Sektor «Hörspielmusiken» haben beide Komponisten bedient.
Von der unmittelbaren beruflichen Zusammenarbeit abgesehen, kam es auch zu fachlichen Gesprächen grundsätzlicher Art, so zum Beispiel über die für den Erfolg einer Oper entscheidende kongeniale Zusammenarbeit von Librettist und Komponist. Auch die Theatersparte Operette – schon damals erfuhr die so genannte «leichte Muse» schwere Anfeindungen, die bekanntlich mit der Verbannung dieser Gattung von den subventionierten Theatern endeten – war Gegenstand grundsätzlicher Diskussionen, wobei Walter Furrer, mit Blick auf den ungebrochenen Erfolg der Operette, sich gegen deren radikalen Abbau geäussert habe.
Zudem wurde viel über die damals aktuelle Musikproduktion gesprochen. Zur zeitgenössischen Musik der 60er- und 70er-Jahre – man denke an die prominenten Internationalen Ferienkurse für Neue Musik, die vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt (IMD) organisiert wurden – habe Walter Furrer, so Cornell, «ein kritisches Verhältnis» gehabt. Das verwundert auf den ersten Blick, denn Walter Furrer war ja während seiner Studienzeit in Paris im Lager der in den 20er-Jahren heftig bekämpften Avantgardisten und setzte sich insbesondere für Arnold Schönbergs damals noch keineswegs generell anerkannte Musik ein. Er selbst griff immer wieder auf serielle Techniken zurück; da er aber gleichzeitig in hohem Mass auf das Klangliche bedacht war, fiel seine eigene Modernität meines Erachtens wahrscheinlich weniger ostentativ auf.
Walter Kläy
Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs brachte mir das Gespräch mit dem Berner Musiker, Musiktheoretiker und Musikkritiker Walter Kläy, dessen Bekanntschaft mir Klaus Cornell vermittelt hatte und das am 4. April 2016 in Bern stattfand. Aber der Reihe nach.
Walter Kläy absolvierte zunächst eine praktische Musikausbildung (Geige, Fagott, Klavier) und dann, von 1973 bis 1976, eine theoretische, die er mit dem Theorielehrer-Diplom am Konservatorium Bern abschloss. Zuvor war er (bis 1973) bei der Radiozeitung sowie als Redaktor in der Auslandredaktion der Schweizerischen Depeschenagentur tätig. 1976 kam er zu Studio Radio Bern, wo er als Musikredaktor wirkte und ausserdem die viel beachteten Spätkonzerte im Studio Bern, die jeweils am Montag ausgestrahlt wurden, organisierte und moderierte.
Zufällig arbeitete er im gleichen Büro, das sich zuvor Walter Furrer und der Dirigent und Pianist Luc Balmer, der damals als vielseitiger Mitarbeiter am Studio Bern wirkte, geteilt hatten. Walter Kläy ist Co-Autor der Festschrift für Theo Hirsbrunner, die 2011 unter dem Titel Dialoge und Resonanzen/Musikgeschichte zwischen den Kulturen vom Münchner Verlag edition text + kritik erschienen ist.
Am 7. September 1970 führte Walter Kläy ein Interview mit Walter Furrer, das in dessen Heim in der Halensiedlung stattfand, in der Nr. 40/1970 der Zeitschrift radio + fernsehen erschien und nun zum zentralen Thema unseres Gesprächs wurde. Walter Furrer hatte um eine schriftliche Beantwortung der Fragen gebeten, was auch zugestanden wurde. So enthält der Interview-Text lauter sehr präzise Formulierungen, die wichtige Einblicke in die Entwicklung des furrerschen Œuvres vermitteln.
Die drei Schaffensperioden Furrers
Walter Furrer liebte es nicht, sich analytisch über seine Werke zu äussern, aber hier machte er eine Ausnahme. Wie aus dem Text hervorgeht, teilte er selbst sein kompositorisches Schaffen in drei Perioden ein. Die erste habe im Paris der zwanziger Jahre begonnen, als er in der Klasse Nadia Boulanger Kontrapunkt studierte und sich intensiv mit den damaligen Avantgardisten Schönberg, Strawinsky, Roussel und Bartók auseinandergesetzt habe.
Die zweite sei durch seine Theatertätigkeit als Chorleiter und Kapellmeister ausgelöst worden, und zwar in dem Sinne, dass ihn nun «die dramatische Seite der Musik» nachhaltig beschäftigt habe, wovon die damals entstandenen Opern Der Faun und Zwerg Nase sowie das Ballett Weg ins Leben zeugen.
Die dritte Periode sei durch seine Verpflichtung bei Studio Radio Bern (ab 1957) eingeleitet worden und stelle eine Rückkopplung zur ersten dar, «indem ich mir die Erkenntnisse der seriellen Technik und der Erweiterung des Linearen und Melodischen dienstbar machte, was simultan auch zu einer Erweiterung des Harmonischen führte». Als Beispiele nenne er das fünfte Lied des Zyklus Fünf Totentanzlieder für Alt und Klavier nach Texten von Christian Morgenstern (1927), das mit einer Zwölftonreihe beginne – «unbewusst natürlich, aber doch als Niederschlag meines Schönberg-Studiums» –, sowie den 40 Jahre später entstandenen Psalm 142 für Sopran und Orgel, der «bewusst in Zwölftontechnik gearbeitet» sei. Dies merke man aber «nicht sofort, weil alle übrigen Elemente des Tonsatzes darin assimiliert sind».
Dennoch wäre es meines Erachtens verfehlt, in Walter Furrer einen eingeschworenen intellektuellen Zwölftöner zu sehen. Der «mit der Dodekaphonie zusammenhängende Intellektualismus hat mit meiner Musik nichts zu tun», betont er am Ende des Interviews. Sein wichtigstes Anliegen habe darin bestanden, «immer für die Instrumente, für die Stimmen, ja sogar für den Dirigenten zu schreiben. Es ist mir wichtig, dass meine Ausführenden Freude an der Musik haben … Damit kann ich auch zum Hörer vordringen.»
In diesem Zusammenhang kommt auch zur Sprache, wie schwer es die kompositorische
Avantgarde in den 20er-Jahren hatte – handfeste Skandale bei Aufführungen avantgardistischer Musik zumal in Paris waren keine Seltenheit – und wie leicht sie es bereits 1970 hatte (und heute noch hat). «Die heutige Avantgarde kann man nicht mehr mit der früheren vergleichen», äussert Walter Furrer im Interview. «Heute legt man ihnen die Hände unter die Füsse, damals gab es nichts zu lachen.»
Walter Furrer habe, so Walter Kläy, während des Interviews sehr ernst, konzentriert und, das sei ihm besonders aufgefallen, bedrückt gewirkt. Dies erklärt sich aus der in der Tat deprimierenden Situation, in der sich der alternde Komponist damals befand. Mit seinen Werken hatte er zwar viel Aufmerksamkeit und oft warmen Beifall, aber nicht das erreicht, was man als eigentlichen Durchbruch bezeichnet. Zudem vermisste er die Arbeit beim Radiosender, für den er nur noch freiberuflich als Leiter des Kammerchors tätig war. Hinzu kam noch, dass ebendieser künstlerisch hochstehende Kammerchor – beim Festival international de chant choral am 10./11. Oktober 1962 in Lille hatte er sich unter 59 Teilnehmern den dritten Preis ersungen – bereits 1970 von der Auflösung bedroht war. Alle Versuche, diese Entwicklung aufzuhalten, waren vergeblich, Ende 1972 verschwand er definitiv von der Bildfläche.
Ich danke Klaus Cornell und Walter Kläy sehr herzlich, dass sie mir diese Gespräche ermöglicht haben.
Zum Stück hin und wieder weg
Das Klavierheft «Spielräume – Spielregeln» lädt zur Improvisation und zum Literaturspiel ein.
Musikzeitung-Redaktion
- 25. Mai. 2016
Alle, die mit ihren Schülerinnen und Schülern gerne hinter die Kulissen der zu lernenden Stücke schauen, dürften an diesem bei Breitkopf erschienenen Band grosses Interesse haben. Sigrid Naumann lädt mit kurzen, leichten Klavierstücken zum Entdecken, Erforschen und Erspielen ein. Die Beispiele stammen aus vier Epochen von der Barockzeit bis zur Gegenwart. Wie die Autorin im Vorwort schreibt, sind alle Vorschläge aus der Praxis heraus entstanden, was deutlich spürbar ist. Es gelingt ihr, Spielräume zu schaffen, die es erlauben, verschiedene Lernbereiche wie Literaturspiel, Improvisation und Musiklehre miteinander zu verbinden. So werden in den verschiedenen Kapiteln einzelne Aspekte unter die Lupe genommen, Neues wird schrittweise eingeführt. Beispielsweise führt das Spielen im Fünftonraum über einer Bordunquinte zu einem Stück aus Bartóks Mikrokosmos, was wiederum zur Einladung wird, mit verschiedenen modalen Tonarten zu experimentieren und so den Hörschatz zu erweitern. Eine Musette von Louis Daquin rundet dann dieses Kapitel ab. Weiter werden mittels kleiner Literaturbeispiele von Schumann, Kabalewski oder Rameau kompositorische Prinzipien wie das Spiel in Parallelbewegung gezeigt oder wie ein Menuett auf einen einfachen zweistimmigen Satz reduziert werden kann, um daraus neue Variationen zu erarbeiten. Zwei grosse Abschnitte sind dem Akkord- und Kadenzenspiel gewidmet. Das Würfelspiel von Mozart oder das Komponieren mit Telefonnummern à la Kurtág (Hommage à Jenny, Jatékok, Band 2) lässt Erfahrungen mit Aleatorik machen.
Die Autorin geht grundsätzlich zwei verschiedene Wege: Durch improvisatorische Vorübungen führt sie zu einem zu erarbeitenden Stück hin und erlaubt so erste Einblicke in die zugrunde liegende Spielregel, oder sie regt zum Improvisieren und Verändern eines vorgegebenen Stücks an. Ganz im Sinne Bachs gibt dieser Band Anregungen, «gute inventiones nicht alleine zu bekommen, sondern auch selbige wohl durchzuführen».
Sigrid Naumann, Spielräume – Spielregeln. Leichte Klavierstücke aus vier Jahrhunderten mit Anregungen zum Improvisieren, Entdecken-Erforschen-Erspielen, EB 8846, € 22.90, Edition Breitkopf, Wiesbaden 2015
Magische und individuelle Zeitschichtungen
Ein Symposium und ein Konzert der Zürcher Hochschule der Künste zeigten Gérard Grisey als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Musikzeitung-Redaktion
- 25. Mai. 2016
Wie lassen sich komplexestes kompositorisches Denken und sinnliche Wahrnehmungsebenen vereinen – opera d’arte oder grossartig vielschichtige Konstruktion? Am kleinen, hochkarätig besetzten internationalen Symposium Perspektiven der Musik Gérard Griseys in der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), kuratiert und moderiert von Jörn Peter Hiekel, stellten Experten am 22. April ihre neusten Forschungsergebnisse vor, abgerundet durch ein Gespräch mit dem Komponisten Gérard Zinsstag.
Gérard Grisey war zusammen mit Tristan Murail, Hugues Dufourt, Michaël Levinas und Roger Tessier Mitbegründer der Gruppe lʼItinéraire, die sich vom vorherrschenden Serialismus abwandte und den sogenannten Spektralismus als kompositorisches Denken propagierte, ausgehend vom Klang und seinen impliziten Obertönen.
Foto: Priska Ketterer
Jörn Peter Hiekel
In einer dichten Einführung, die diesen Zusammenhängen nachging, zeigte Jörn Peter Hiekel Griseys Unverwechselbarkeit und Originalität auf und führte damit vor Augen, dass Grisey keineswegs als blosse Episode der Musikgeschichte betrachtet werden kann. Lukas Haselböck (Wien), der sich als Grisey-Experte nicht zuletzt durch seine massgebliche Monografie aus dem Jahr 2009 einen Namen gemacht hat, führte anhand von einzelnen Werken aus, dass Grisey nicht allein auf das spektrale Komponieren reduziert werden kann, sondern auch im Hinblick auf Klang- und Sinnhorizonte faszinierend ist. Dabei erläuterte er den von Grisey favorisierten Begriff «musique liminale», mit dem erfasst werden kann, dass bei Grisey eine Art der Wahrnehmung stets in eine andere übergeht.
Ingrid Pustijanac (Cremona) zeigte auf, wie Grisey im Lauf der Arbeit an Les espaces acoustiques ein komplexes System zur Kontrolle der zeitlichen und harmonischen Dimensionen entwickelte, was sie mit zahlreichen Hörbeispielen belegte. Der Vortrag endete mit dem Fazit, dass die klangliche Erfahrung dennoch dem strukturellen Denken gegenüber immer im Vordergrund stehe.
Darauf dokumentierte Lars Heusser (Basel/Zürich) ein Seminarprojekt an der ZHdK, das er unter das Motto «il est donc temps de rendre la complexité efficace» stellte und in dem es darum geht, dass bei Grisey die konstante Beziehung zwischen Mikro- und Makrokosmos eine hohe Kongruenz zwischen Konzeption und Wahrnehmung spiegelt. Dies zeigte Heusser anhand der Werke, Dʼeau et de pierre (1972), Vagues, chemins, le souffle (1970–72), und Charmes (1996): Verschiedene konzeptionelle Parameter wurden grafisch dargestellt, wodurch sich monochrome parallelsymmetrische Raster ergaben.
In einem von Felix Baumann feinfühlig moderierten Gespräch mit Gérard Zinsstag, Komponistenfreund und Wegbegleiter Griseys im Itinéraire, wurde die «Trinität» von Griseys Vorbildern – Messiaen, Ligeti und Stockhausen – diskutiert, fanden aber auch Giacinto Scelsi und Salvatore Sciarrino als wichtige Impulsgeber Erwähnung. Zinsstag schilderte auch sehr persönlich, wie ihre Freundschaft nach einer ersten Begegnung in Darmstadt in den späten Siebzigerjahren in Berlin ihre Vertiefung fand, und Alltagserlebnisse während gemeinsamen Arbeitsaufenthalten in einem alten Haus in Graubünden. So erstand ein sehr detailliertes Bild des Menschen Gérard Grisey.
Anhand der emphatisch vorgetragenen Betrachtungen und Diskussionen gelang es dem Symposium, Griseys Bedeutung als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts sichtbar zu machen und zu zeigen, dass seine kompositorischen Strategien über das Verankern neuer Parameter weit hinausreichen und zu einer gelungenen Verschmelzung der konzeptionellen Seite mit tieferen Sinnschichten sowie mit einem ureigenen Zeitempfinden reichen.
Wuchernde Klänge
Im anschliessenden Konzert im gut besetzten grossen Saal der Tonhalle erklang Griseys beindruckendes Werk Les Espaces acoustiques – und dies erstmals integral interpretiert von einem reinen Hochschulorchester, dirigiert vom Grisey-Kenner Pierre-André Valade. Das sechssätzige, 1974 bis 1985 komponierte Werk, das sich sukzessive von sieben Musikern zum grossen Orchester ausweitet, erhielt durch Grisey 1976 einen Prolog für Bratschensolo. Meisterhaft wurde es von der jungen Esther Fritzsche dargeboten. In den folgenden Sätzen Périodes (1974), Partiels (1975) und Modulations (1976/77) hörte man das intendierte gemeinsame atmende Einschwingen innerhalb eines fluktuierenden Spielraums wie auch ein reines musikalisches Fliesen deutlich. Eindrücklich besonders die Streichergruppe, zumal das gekonnt interpretierte Kontrabasssolo, das in der sich steigernden Dichte und Intensität des auf alle Instrumente verteilten Obertonspektrums immer wieder expressiv zum brummenden tiefen Basston als Keimzelle der wuchernden Klänge zurückkehrt.
Foto: Priska Ketterer
Die Bratschistin Esther Fritzsche spielt den «Prolog»
In den folgenden beiden orchestralen Sätzen Transitoires (1980-81) und Epilogue (1985) wird das Material des Prologs weiter verfremdet und aufgebrochen, in Epilogue von den Solohörnern wiederaufgenommen. In Griseys Worten wird hier «der kollektiven und magischen Zeit des Kosmos eine individuelle, diskursive Zeit der Sprache hinzugefügt».
In einer dramaturgisch angelegten Lichtregie wurde der Aufbau der sechs Sätze spannungsvoll inszeniert. Das verzaubernde Bratschensolo zu Beginn erklang erleuchtet einzig von kleinen Lämpchen an der Notenpultreihe der Solistin. Die Musikerinnen und Musiker der ersten Sätze gruppierten sich im engen Kreis rund um den Dirigenten. Die folgenden kleinbesetzten Sätze wurden im intimen Kreis, ebenso einzig im Schein beleuchteter Notenpulte gespielt. In den orchestralen Sätzen dann erstrahlte der Klangkörper in vollem Lichterglanz, das Echo des Bratschensolos erklang zum Schluss als ferne Reminiszenz diesmal von einer oberen Empore, um mit einem starken Lichtkegel einzig auf den hinten aufgestellten mittleren Perkussionisten in einem dunklen Nachhall zu enden.
Die Studierenden der ZHdK meisterten das höchst komplexe Gesamtwerk mit Bravour. Das begeisterte Publikum dankte mit frenetischem Applaus. Mit dieser Aufführung gelang es der ZHdK, ein epochales Werk der neueren Musikgeschichte auf höchst eindrucksvolle Weise einem breiten Publikum zu vermitteln.
Die Finalisten sind gekürt!
Am 28. Mai findet das Finale des Kirchenmusikwettbewerbs Klang & Gloria in der Zürcher Hochschule der Künste statt. Nachmittags wählt die Jury aus den sieben Finalisten die Preisträger für das Konzert am Abend aus.
Musikzeitung-Redaktion
- 25. Mai. 2016
Der Wettbewerb wurde Ende 2015 gemeinsam von der katholischen und der reformierten Kirche des Kantons Zürich zusammen mit der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ausgeschrieben. Musikerinnen und Musiker aller Sparten, auch Laien und Studierende waren eingeladen, ihre Beiträge bis 31. März einzureichen.
Die Jury hat nun im April alle Eingaben geprüft und entschieden: Sieben Finalisten treten am 28. Mai 2016 ab 14 Uhr an der Zürcher Hochschule der Künste im Orgel- und im grossen Konzertsaal zum Wettbewerb an. Gesucht waren belebende Ideen für Konzert und Gottesdienst. Die Vielfalt der Beiträge verspricht einen spannenden Contest. Mit dem Wettbewerb zeigen die Zürcher Kirchen und die ZHdK: Im Bereich Chorleitung und Orgel eröffnen sich für Musikerinnen und Musiker vielfältige künstlerische Möglichkeiten und interessante berufliche Perspektiven. Die ZHdK und andere Schweizer Hochschulen bieten verschiedene attraktive Studienangebote für Kirchenmusik an.
Vielfältige Klangwelt Folgende Finalisten – vertreten sind sowohl Einzelkünstler wie auch Gruppen von zwei bis drei Musikern, teils mit Unterstützung eines Chores – präsentieren ihre Beiträge und Kompositionen am Wettbewerb:
Alexander Bayer, Theologe, Pastoralassistent Léo Collin, Komponist, Performer- und Installationskünstler Zrinka Durut, Pianistin, Organistin, und Robert Mark, Perkussionist. Manuela Gagliotta, Sängerin, Songwriterin und Tino Mostak, Musikproduzent, Musiker Grégoire May, Student BA Chorleitung. Michal Muggli, Komponistin, Geigerin und Flurina Muggli, Primarlehrerin, Organistin, sowie Madeleine Merz, Mezzosopranistin. Emanuela Sennhauser-Mathis, Sängerin, Songwriterin.
Die Bandbreite der Werke reicht vom sanften Blues über Performances mit Videoelementen, sphärischen Improvisationen und Chorstücken bis hin zur avantgardistischen Klassikkomposition. Gleich im Anschluss an den Wettbewerb trifft die Jury ihre Wahl, das Preisträgerkonzert findet noch am selben Abend um 20 Uhr in der ZHdK statt. Die Jury wird geleitet von Beat Schäfer, die weiteren Mitglieder sind Burkhard Kinzler, Eugenio Giovine, Lislot Frei, Meinrad Furrer und Fabian Müller. Wettbewerb und Preisträgerkonzert sind öffentlich, der Eintritt ist frei.
In einem schriftlich geführten Interview beantwortete Jurypräsident Beat Schäfer einige Fragen der Schweizer Musikzeitung zum Wettbewerb und zur Kirchenmusik im allgemeinen: www.musikzeitung.ch/klang-gloria
Erlebtes und Erträumtes
Der farbige und ausdrucksstarke Klavierzyklus von Josef Suk hätte es verdient, öfter gespielt zu werden.
Musikzeitung-Redaktion
- 24. Mai. 2016
Životem a snem (zu Deutsch etwa: Erlebtes und Erträumtes) nennt sich Josef Suks wohl bedeutendster Klavierzyklus. Die zehn Stücke entstanden im Frühjahr 1909 in erstaunlich kurzer Zeit. Suk war damals als zweiter Geiger des Böhmischen Quartetts mit Auftritten in ganz Europa unterwegs und kam so nur während der Tourneepausen zum Komponieren.
Wenige Jahre zuvor hatte Suk den überraschenden Tod seines Schwiegervaters Antonín Dvořák und kurz darauf vor allem jenen seiner jungen Frau Otilie zu verkraften. Diese seelischen Erschütterungen mag man aus einigen eher düsteren und kontemplativen Passagen dieses Opus 30 heraushören, dies besonders eindrucksvoll und ergreifend in Nummer 10 mit der Überschrift: Den vergessenen Grabhügeln auf unserem Dorffriedhofe. Im Allgemeinen herrschen aber eine bunte Welt der Klänge und Charaktere von oft tänzerischem, manchmal gar spukhaftem Reiz vor. Und war in früheren Werken der Einfluss Dvořáks unüberhörbar, so scheint Suk hier seine ganz eigene harmonische Sprache gefunden zu haben.
Die einzelnen Sätze sind nicht nur mit Tempoangaben, sondern auch mit zusätzlichen Spielanweisungen versehen, die den spezifischen Charakter präzisieren. Gerade etwa bei Nummer 2 (Unruhig, schüchtern, nicht allzu ausdrucksvoll) oder Nummer 4 (In sich versunken, später mit allmählich gesteigerter Energie) sind diese Hinweise für den Interpreten doch sehr aufschlussreich.
Ganz offensichtlich hatte Suk auch eine pianistische Begabung: Seine Klaviermusik – selten virtuos – liegt sehr angenehm in den Händen und bringt das Instrument wunderbar zum Klingen.
Jarmila Gabrielová hat Životem a snem bei Bärenreiter neu herausgegeben und mit einem Vorwort versehen, das viel Interessantes zur Entstehungsgeschichte und Querbezüge zu anderen Werken dieses unterschätzten Komponisten vermittelt.
Josef Suk, Erlebtes und Erträumtes op. 30 für Klavier, Urtext hg. von Jarmila Gabrielová BA 9561, € 17.95, Bärenreiter, Prag 2015
Bild oben: Quelle: Otakar Šourek: Dvořákovy komorní skladby, photographic supplement, after p. 144; Urheber unbekannt; wikimedia commons
HKB präsentiert innovative Kontrabassklarinette
Ein Team der Berner Hochschule der Künste (HKB) hat sich das Ziel gesteckt, die Kontrabassklarinette akustisch ideal neu zu konzipieren. Mit einer radikalen Lösung: Bei ihrem Modell werden die Klappen über eine mechatronische Steuerung betätigt.
PM/Codex flores
- 24. Mai. 2016
Durch die Klappensteuerung mittels Motoren können beim Bau des Instrumentes, das die Berner «Clex» getauft haben, die Tonlöcher ideal platziert werden. Dies führe zu einer markanten Erhöhung der klanglichen Qualität bei gleichzeitiger Verbesserung der intonatorischen Spielbarkeit. Auf diese Weise verschwänden akustische und technische Kompromisslösungen.
Für Musiker ist die Umstellung auf das neue Instrument einfach, denn die traditionellen Griffweisen können beibehalten werden. Die Möglichkeiten der elektronischen Steuerung erlauben jedoch zusätzlich neue multimediale Anwendungen, was sowohl für Interpretinnen als auch für Komponisten einen erheblichen Mehrwert beim Einsatz der Kontrabassklarinette bedeuten dürfte.
Clex wird am 5. Juni 2016 um 19 Uhr im Anschluss an einen Workshop in einem Konzert im Stadtcasino Basel mit der Basel Sinfonietta der Öffentlichkeit präsentiert. Ernesto Molinari spielt die Uraufführung von zwei höchst unterschiedlichen Konzerten von Michael Pelzel und Jorge Sánchez-Chiong. Bereits um 18.15 Uhr findet ein Einführungsgespräch statt.
Vom Geschlecht der Macht
Zum 400. Todestag ist Shakespeare überall. Wie in Basel und Zürich boomen darum Neuinszenierungen von Verdis «Macbeth». Anlass für eine Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen in dieser Oper, die das Klischee von der Vernichtung sterbenskranker Frauen in Verdi-Opern weit hinter sich lassen.
Musikzeitung-Redaktion
- 24. Mai. 2016
Die Schlüsselstelle findet sich in der Mitte der Oper. Im übernatürlich geprägten, spektakulären dritten Akt erscheint als letzter in einer Reihe stummer Geister vergangener Könige der Heeresführer Banco. Von ihm getötet und selbst nie König, hält er Macbeth grinsend den Spiegel der Macht vor: Banco sieht in ihm nicht nur sich selbst, sondern die Verlängerung seiner selbst in die Zukunft; die Fortführung seiner Macht in der Nachkommenschaft. Nicht den äusseren Körper reflektiert das Glas, sondern es verweist auf den Herrschaftskörper, der unabhängig von physischer Präsenz existiert. Würde Macbeth in den Spiegel blicken, er bliebe blind: Der kinderlose Kindsmörder sähe sich selbst ohne Zukunft, seine Taten würden zur Vergänglichkeit, seine Macht zum Untergang verurteilt.
Innensicht und Aussensicht In Bancos Spiegel verkehrt sich zudem der Verlauf der Handlung, Machtaufbau wird zu Machtzerfall. Doch auch darüber hinaus prägt der Blick in den Spiegel die Oper, denn zentral steht die Frage: Was ist äusserlich sichtbar, was bleibt Innensicht, was ist «real», was «Wahn». Das bezieht sich nicht nur auf Geräusche – wie die Glocke, die Macbeth zur Mordtat anzufeuern scheint, oder die Stimmen der Hexen und Geister –, sondern auch auf Sichtbarkeiten: Wer sieht sie tatsächlich, die Geister der Ermordeten, das Blut an den Händen der Mörderinnen und Mörder und nicht zuletzt die ersten Protagonistinnen der Oper, die Hexen:
«Wer seid ihr? Aus dieser Welt oder anderen Sphären? Euch Frauen zu nennen, verbietet mir euer schmutziger Bart.»
In diesen Worten Bancos wird zu Beginn bereits deutlich, dass die Wirkungsmacht der Hexen auch in ihrer Zwischengeschlechtlichkeit besteht, die ihre Jenseitigkeit unterstreicht. Zwischen den Geschlechtern steht auch Lady Macbeth, deren Machthunger sie verächtlich auf ihren zu Beginn zögerlichen Mann und seine Schuldgefühle blicken lässt. Und auch diese Rolle verkehrt sich in Bancos Spiegel: Nach dem Blick in die Zukunft ist Macbeth skrupellos siegessicher und die Lady geht an ihren Schuldgefühlen im schlafwandelnden Wahn zugrunde. Das Paar wirkt, wie es Freud bei Shakespeare schon beschrieben hat, als sich ergänzende Einheit mit flexiblen Geschlechterrollenzuschreibungen.
450-jährige St. Galler Kirchenmusik
Die «Barbarini Codices» dokumentieren die Anfänge der Mehrstimmigkeit. Das Ensemble Ordo Virtutum hat die Messen, Hymnen und Sequenzen eingespielt.
Musikzeitung-Redaktion
- 24. Mai. 2016
Die einstimmigen Mess- und Vespergesänge für die Festtage des Kirchenjahres, die Manfred Barbarini Lupus im Auftrag des Klosters St. Gallen von 1561–1563 vierstimmig ausgesetzt hatte, mögen für ihre Zeit als rückständig erscheinen, dokumentieren in der lokalen Musikgeschichte aber eine Innovation. Der Komponist aus Correggio wurde nämlich eigens in die Abtei gerufen, um mit dieser A-cappella-Musik die Mehrstimmigkeit einzuführen. In der Vorrede zum Codex 443 von 1561 wird berichtet, die ans einstimmige Singen gewöhnten Mönche hätten gegen die plötzlich verordnete Polyfonie Widerstand geleistet.
Nachdem sich das klösterliche Leben im frühen 15. Jahrhundert auf zwei Mönche beschränken musste und die vormals im Kloster St. Gallen gerühmte Kultur sozusagen abgestorben war, bemühte sich Abt Diethelm Blarer von Wartensee von 1530–1564 im Zeichen der Gegenreformation um eine Wiederbelebung. Die Barbarini Codices (542 und 543) der Stiftsbibliothek sind denn auch prachtvoll illustrierte Pergamenthandschriften, die in Chorbuch-Anordnung (vier Stimmen auf je einer Doppelseite) vierstimmige Musik in Hufnagel- und Mensuralnotation überliefern. Obwohl der Buch- und Notendruck ja schon im 15. Jahrhundert erfunden worden war und Stimmhefte für jeden Sänger anstelle eines auf einem Pult aufgeklappten Folianten für die ganze Schola eine Erleichterung gewesen wäre, wurde Wert auf Repräsentation gelegt.
Nachdem Therese Bruggiser-Lanker in ihrer Dissertation Musik und Liturgie im Kloster St. Gallen in Spätmittelalter und Renaissance 2004 auf die 204 Kompositionen in den Barbarini Codices aufmerksam gemacht hatte, erlaubt es nun eine Koproduktion des Ensembles Ordo Virtutum unter der Leitung von Stefan Johannes Morent mit SWR 2, SRF 2 Kultur und der Stiftsbibliothek St. Gallen, Festmesse und Vespersätze zum Gallus-Tag, einen Hymnus zu Ehren des Heiligen Othmars und eine Sequenz von Notker I in beispielhafter Qualität zu hören.
Die Einspielung erfüllt historisch orientierte Vorstellungen mit acht Männerstimmen und Interludien, gespielt von Roland Götz auf dem Nachbau einer Baldachinorgel von 1559 durch Johannes Rohlf.
Die Neuerscheinung von Musiques suisses empfiehlt sich als wundersame Musik nicht nur in der Osterzeit.
Manfred Barbarini Lupus: Cantus coagulatus – vierstimmige Kompositionen für Messe und Offizium für das Kloster St. Gallen (um 1560). Musiques suisses MGB CD 6286