Solosonate des jungen Schneeberger

Meilensteine der Sololiteratur für Geige und eine Neuentdeckung bietet der junge Dmitry Smirnov, indem er sich Schneebergers Spielmaximen zu Herzen nimmt.

Dmitry Smirnov. Foto: Daniil Rabovsky,Hansheinz Schneeberger

Diese CD erzählt von einer einzigartigen Begegnung zweier Geiger: von Dmitry Smirnov einerseits, der 1994 in Sankt Petersburg zur Welt kam und unlängst am ARD-Wettbewerb in München zweiter Preisträger wurde, vom eminenten Schweizer Meistergeiger Hansheinz Schneeberger (1926–2019) andererseits, der sein Leben lang komponierte, wovon nur wenige Freunde wussten. Kurz vor Schneebergers Tod studierte Smirnov Solosonaten von Béla Bartók und Sándor Veress mit ihm ein; er half später auch, den kompositorischen Nachlass Schneebergers zu sichten. Ein einzigartiger Fund war die Sonate für Solo-Violine des zur Zeit der Niederschrift 16-jährigen Geiger-Komponisten, zu dessen Mentoren Walter Kägi (ihm ist die Sonate auch gewidmet, s. unten) und Willy Burkhard zählten. In unbändiger Spiellust und rastloser Bewegung kostet das viertelstündige Werk zahllose geigerische Raffinessen aus. Smirnov interpretiert es in dieser Ersteinspielung kongenial, in nachschöpferischem Geiste – er hat Schneebergers Musizieren, vor allem seine Kunst der Bogenführung, in kürzester Zeit verinnerlicht.

Dazu enthält diese CD zwei Meilensteine der Solo-Violinliteratur, die Dmitry Smirnov unerschrocken anpackt. Der kühne Zuschnitt der späten Sonate von Béla Bartók (Sz 117) liegt dem jungen Interpreten sehr. Gewiss gelingen ihm die koboldhaften, grotesken Elemente und die halsbrecherischen Sprünge dieser Komposition besser als die lyrischen Stellen. Seine Ausdeutungen der Mikrotonalität und der Zeitmasse, die Bartók nicht schlüssig definiert hat, klingen hingegen glaubwürdig. In Johann Sebastian Bachs 2. Partita in d-Moll (BWV 1004) überwiegt in Smirnovs Spiel der tänzerische Duktus, was Hansheinz Schneeberger bekanntlich ein Herzensanliegen war. Die Entscheidung, die einzelnen Sätze quasi attacca zu spielen, und die sehr frischen Tempi der Courante und der Chaconne mögen wohl nicht allen Zuhörenden behagen; sie nehmen Smirnovs Interpretation aber nicht ihre grosse Überzeugungskraft.
 

About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Sonate für Solo-Violine, 1. Satz (Ausschnitt)
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Sonate für Solo-Violine, 2. Satz (Ausschnitt)
About JW Player 6.0.2813…

    00:00           

00:00

 00:00 

 

         

 

Fullscreen

 

 

Sonate für Solo-Violine, 3. Satz (Ausschnitt 1)
About JW Player 6.0.2813…

Michael Bühler — Von heute auf Morgen verschob sich für Dozierende und Studierende der Bildungsalltag vom gewohnten Umfeld auf damals noch sehr oft ungewohnte Videokonferenzen oder Breakout-Räume – egal ob man sich davor scheute und technisch eingerichtet war, oder nicht.

Wie Studierende im Allgemeinen mit der neuen Situation umgehen und was diese für sie bedeutet, wurde bereits in zahlreichen Studien erforscht.

Aber inwieweit haben diese Erkenntnisse auch für Musik-Studierende Gültigkeit? Der hier vorliegende Stimmungsbarometer zeigt auf, wie Musik-Studierende der Kalaidos die Pandemie erleben.

Für diejenigen, die zumindest einen Teil des Studiums bereits vor dem ersten Lockdown von zu Hause aus im Online-Unterricht absolvierten und damit auch soziale Interaktion und das private Leben bereits entsprechend eingerichtet hatten, sollte der abrupte Wechsel einfacher gefallen sein – diese Schlussfolgerung erscheint zumindest logisch. Und tatsächlich trifft sie u.a. auch für viele Studierende des Gesundheits- oder Business-Administration-Bereiches zu.

Gemäss internen Erhebungen der Careum Hochschule für Gesundheit1, wie auch des Wirtschafts- Departements der Kalaidos2, gelang der Übergang in die Fernlehre schnell und relativ reibungslos, da diese schon vor Corona auf digitale Tools wie Zoom im Unterricht setzte.

Die Befragten äusserten sich positiv über die Zeit- und Geld-Ersparnis für den entfallenden Weg zum Campus, die verbesserte Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit, die erleichterte Familienbetreuung sowie die Möglichkeit, sich dank Headset während der Präsenzveranstaltungen mehr bewegen zu können. Negativ fielen demgegenüber die fehlenden sozialen Kontakte, das fehlende Bewusstsein, dass man sich im Studium befindet, der Zugang zu Literatur und Bibliotheken, die niederschwellige oder fachliche Auseinandersetzung mit dem Lernstoff in Pausengesprächen aus.

Und wie haben Studierende mit Hauptfach Musik diese Umstellung erlebt? Musik als Gefühlskunst lebt vom unmittelbaren, zwischenmenschlichen Austausch von Gefühlen – sowohl zwischen Interpreten beim gemeinsamen Musizieren, als auch im dynamisch-emotionalen Energie-Austausch zwischen Künstlern und Publikum, was – mikrosoziologisch betrachtet – nicht zuletzt für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist.

Die folgenden Einschätzungen basieren auf einer qualitativen mündlichen und schriftlichen Umfrage im November 2021 unter Musik-Studierenden der Kalaidos Musikhochschule. Die Umfrage-Ergebnisse sind als Stimmungsbarometer zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität.

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass eine Mehrheit der Befragten überwiegend gute Erfahrungen mit dem angebotenen Online-Unterricht gemacht hat. Hier scheint sich der Umstand, dass dieser schon vor der Pandemie fester Bestandteil der Lehrtätigkeit war, positiv auf die Bewertung auszuwirken, da insbesondere die Dozierenden im Umgang mit den technischen Mitteln, als auch mit den pädagogischen Herausforderungen des Online-Unterrichts (z.B. anstrengende Bildschirmzeit, Ablenkung im häuslichen Umfeld, oder verkürzte Konzentrations-Spanne) vertraut waren.

Während Studierende in den Bereichen Wirtschaft oder Gesundheit mehrheitlich angaben, das Studium effizienter, also zeit- und kostengünstiger gestalten zu können, da z.B. der Weg in die Uni entfällt, standen bei einer Mehrheit der befragten Musik-Studierenden weniger ökonomische, sondern vielmehr qualitative Überlegungen im Vordergrund.

So wurde u.a. die Möglichkeit, das Studium auf diese Weise besser in den Berufs- oder Familien-Alltag zu integrieren, oder aber auch der eigenen Aufnahme- oder Konzentrationsfähigkeit individuell Rechnung zu tragen, von einer Mehrheit der Befragten positiv verzeichnet.

Wie festgestellt, fiel es jenen Studierenden in den Bereichen Gesundheit oder Wirtschaft leichter, mit der sozialen Isolation umzugehen, welche bereits vor der Pandemie im Online-Unterricht «geübt» waren. Demgegenüber scheint der gesellschaftliche oder soziale Kontakt für Musik-Studierende viel schwieriger durch Online-Angebote substituierbar zu sein. Nicht selten werden in unterschiedlichen Antworten Schwierigkeiten in Ermangelung des sozialen oder gesellschaftlichen Austausches mit Kommilitonen zum Ausdruck gebracht. Die Folgen werden mit fehlender Motivation und Kraft, zu Hause wie üblich 6 bis 8 Stunden zu üben, bis hin zu Frust und Einsamkeit angegeben.

In Bezug auf die technischen Herausforderungen werden für Musik-Studierende typische, qualitative Schwierigkeiten zum Ausdruck gebracht, sodass die Übertragungs-qualität der Musik als mangelhaft empfunden wird, um an interpre-tatorischen Aspekten oder an der Klangfarbe zu arbeiten. Im digitalen Zusammenspiel verunsichert die Zeitverzögerung – auch wenn diese heute nur noch wenige Zehntelsekunden beträgt – nach wie vor eine Mehrheit der Befragten.

Hält man sich diese technischen Schwierigkeiten als auch der fehlende Energie-Austausch zwischen Interpreten und Publikum vor Augen, überrascht es nicht, dass sich die Vorspiel-Tätigkeit quasi zu reinen Übungszwecken auf den engsten Familien- oder Freundes-Kreis reduzierte, oder aber gänzlich zum Erliegen gekommen ist. Und hier macht sich bei einigen ein anderes Problem sichtbar: die fehlende Anerkennung durch das Publikum.

Für einen nächsten Lockdown – den es hoffentlich nie geben wird – wünschen sich die Befragten wenig überraschend mehr Kontakt zu anderen Studierenden z.B. in Online-Seminaren, begleitete Lerngruppen oder interdisziplinäre Arbeitsgruppen.

Die Vorstellungen eines dauerhaften, optimalen Musik-Hybrid-Studium divergieren in dieser Umfrage stark. Gemäss einer leichten Tendenz scheint es aber nach Ansicht der Befragten nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich der Theorie-Unterricht bis 100% und die Hauptfach-Lektionen bis zu 40% im Post-Corona-Zeitalter in die digitale Welt verschieben.

Hoffen wir also, dass Universitäten und Fachhochschulen sich dieser Herausforderung bewusst annehmen und sich die positiven Effekte dieser Herausforderung nachhaltig zunutze machen.

Noten

1. Conrad, C., Frech, M., Käppeli, A. (2021). Digitales Lehren und Lernen im Studium.

2. Willi Kägi, I. (2020). Livestream-Unterricht aus Studierendensicht.

Hohes Niveau auf 1800 m.ü.M.

Markus Fleck und Lars Mlekusch leiten je eine Woche der Arosa Music Academy und sind zusammen auch künstlerische Leiter des Arosa Klassik Festival.

Andri Probst — Das Arosa Klassik Festival findet vom 20. bis 26. März 2022 in Arosa statt. Arosa Kultur hat die beiden künstlerischen Leiter überdas Festival und ihre Vision befragt.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Arosa Kultur?

Markus Fleck: Ein Konzert zu Ehren des 100. Geburtstags von Hans Schaeuble im Jahr 2006 war der Auftakt zu einer fruchtbaren, langjährigen Zusammenarbeit. Nach dieser ersten Begegnung fand 2008 das erste Arosa Musik Festival statt, zu dessen Gründung und Federführung lud der damalige Präsident des «Kulturkreis Arosa» Christian Buxhofer das casalQuartett ein, das zum Jubiläum ein Kammermusikkonzert spielte. Zu diesem wunderbaren Auftrag gesellte sich noch die Gründung und Leitung der Arosa Music Academy 2011. Seit der Initiierung dieser beiden wichtigen Herzstücke der Arbeit von Arosa Kultur bin ich mit den engagierten Protagonisten vor Ort eng verbunden.

Lars Mlekusch: Vor über 15 Jahren wurde ich zusammen mit meinem damaligen Duopartner, dem Pianisten See Siang Wong, von Christian Buxhofer für ein Konzert in die evangelische Kirche in Arosa eingeladen. Das war mein erster Besuch in Arosa und ein wunderbares und prägendes Erlebnis. Die anschliessende Anfrage, jährlich einen Saxophonkurs im Rahmen der Musik-Kurswochen Arosa zu leiten, nahm ich sehr gerne an. Die Arosa Music Academy, so heisst der Meisterkurs seit einigen Jahren, unterrichte ich zusammen mit meinen wunderbaren Kollegen Timothy McAllister aus den USA und Christian Wirth aus Frankreich sowie den Pianisten Iren Seleljo (Wien) und Florian von Radowitz (Berlin). Auch die enge Zusammenarbeit mit dem Akkordeonmeisterkurs wurde zu einem Alleinstellungsmerkmal der Arosa Music Academy. Geleitet wird dieser vom Akkordeonisten Grzegorz Stopa (Wien) sowie seit einigen Jahren im Teamteaching mit Stefan Hussong (Würzburg). Wir alle sind seit Jahren sehr gut befreundet und ergänzen uns ideal durch unsere unterschiedlichen künstlerischen Schwerpunkte.

Welche Werte verkörpert die Arosa Music Academy für euch?

MF: Eine Teilnehmerin 2021 formulierte es sehr schön: «An der Arosa Music Academy trifft man StudentInnen aus verschiedenen Ländern, die sich im Gegensatz zu anderen Meisterkursen im Verlauf der Woche nicht zu KokurrentInnen entwickeln, sondern zu FreundInnen. Ein wesentlicher Teil des Geheimnisses ist das kostenlose Angebot, neben dem intensiven Solokurs auch Kammermusik zu belegen. Hierdurch wachsen wir schnell zu einer eingeschworenen Gruppe heran, deren TeilnehmerInnen sich zu Höchstleistungen anspornen. Das atemberaubend landschaftliche Umfeld der Berge in Arosa ist grandios, aber besonders die motivierende und unterstützende Ausstrahlung des fantastischen Professorenteams ist es, die die Teilnahme an der Academy zu einem unvergeslichen Erlebnis macht.» Dieser Eindruck trifft es genau.

LM: In den vergangenen Jahren konnte sich die Arosa Music Academy als ein führender Sommerkurs für klassisches Saxophon und Akkordeon international positionieren. Talente aus der ganzen Welt kommen jedes Jahr für dieses einmalige Erlebnis nach Arosa. Im familiären Rahmen wird einerseits höchst intensiv in individuellem Coachings gearbeitet, andererseits liegt ein grosser Schwerpunkt auf Kammermusik- und Ensemblespiel. Oft entstehen während der Academy jahrelange Freundschaften.

Warum braucht es das Arosa Klassik Festival für die Nachwuchsförderung?

MF: Die meisten Musikfestivals punkten mit glanzvollen Namen und etablierten KünstlerInnen. Arosa setzt bewusst auf Nachwuchskräfte, die nach sorgfältiger Auswahl solche Sprungbretter dringend brauchen, um sich in der Musikwelt zu bewähren und auszuzeichnen. Qualität ist hierbei der wichtigste Massstab. Nur, weil viele noch am Anfang einer beruflichen Perspektive stehen, muss man keine Abstriche an die Ansprüche machen. Die Ausführenden sind oft schon ganz herausragende KönnerInnen ihres Fachs.

LM: Dass sie dabei mit anderen Kammermusik auf hohem Niveau einstudieren, aufführen und dabei von sehr erfahrenen Musikern und Pädagogen begleitet werden, macht das Ganze noch attraktiver.

Das Arosa Klassik Festival bietet den jungen MusikerInnen eine wunderbare Gelegenheit, auch ausserhalb der Hochschulen Auftrittserfahrungen zu sammeln und sich mit Gleichgesinnten vernetzen zu können.

Was ist Deine Vision für die Arosa Music Academy und das Arosa Klassik Festival?

MF: Es ist wirklich erstaunlich, welch hohes Niveau (in mehrerlei Hinsicht!) in Arosa zu erleben ist, trotz, oder gerade wegen seiner Abgeschiedenheit. Hier kommt man an und bleibt. Hektik und rastloser Trubel ist anderswo. So sehr, wie man die majestätische Natur in Arosa bewundern kann, gibt es die menschengemachte Kunst als kreativen Gegenentwurf und Ergänzung zu erleben. Das ist ein sich gegenseitig stärkendes Miteinander. Ich hoffe, dass noch mehr Menschen aus Arosa und auch von auswärts, diese doppelte «Tankstelle» für Körper, Geist und Seele für sich entdecken und davon erzählen, seien sie nun Lehrnende aus aller Welt, oder Besucher, die sich von Arosa und der Kultur dort gefangen nehmen lassen.

LM: Ich wünsche mir, dass auch weiterhin viele junge Talente den Weg in das beschauliche Arosa mit seiner wunderbaren Bergwelt finden und dabei sowohl musikalische und wie auch zwischenmenschliche positive und intensive Erfahrungen machen können.

… ist Geiger und Bratschist. Schwerpunkt seiner Arbeit ist das Konzertieren im casalQuartett und dem Kammermusikkollektiv CHAARTS. Daneben ist er Pädagoge, unter anderem als Leiter der AROSA MUSIC ACADEMY und ab 2021 als Tutor für Projekte an der Musikhochschule Stuttgart.

… ist Dozent für Saxophon und Dirigent. Nach Studien in Basel, Chicago, Amsterdam und Paris wirkte er zunächst international erfolgreich als Saxophonist bevor er sich zunehmend auch als Dirigent zu empfehlen begann. Seit 2015 ist er Professor an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Er gibt weltweit Kurse an renommierten Hochschulen und wirkt als Juror bei internationalen Wettbewerben.

Digital Musicology

Wie lässt sich Musik analysieren und wie können musikalische Strukturen erklärt werden? Dies sind Fragen, die sich in der Musikforschung immer wieder stellen.

Helen Gebhart — Im Digital and Cognitive Musicology Lab der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) werden mathematische Modelle benutzt, um musikalische Phänomene zu erklären. Wie lassen sich Mathematik und Musikforschung verbinden? Daniel Harasim, Postdoctoral Researcher in Lausanne, hat Mathematik studiert und konnte schon in seiner Dissertation die Mathematik mit seiner persönlichen Vorliebe für den Jazz verknüpfen. In seiner Arbeit mit dem Titel The Learnability of the Grammar of Jazz: Bayesian Inference of Hierarchical Structures in Harmony erstellte er eine Computersimulation, die den Prozess des Erlernens von Jazzmusik veranschaulicht. Ausschlaggebend sind für seine Forschung die Fragen: Wie kann man musikwissenschaftliche Hypothesen, musikanalytische Theorien und musikkognitive Phänomene durch mathematische Modelle erforschen? Im Folgenden spricht er über die Chancen und Herausforderungen der Digital Musicology.

Daniel Harasim, was ist die Digital Musicology?

Da die Digital Musicology sehr neu ist, ist das schwierig zu definieren. Es können aber vier Teilbereiche klar aufgezählt werden.

Ein erster Bereich umfasst die Digitalisierung von Originalen in Archiven, aber auch Projekte wie die Music Encoding Initiative mit der Music Encoding Conference. Ein weiterer eher praktisch ausgerichteter Bereich befasst sich mit Fragen zur künstlichen Intelligenz und deren Anwendung beim automatisierten Analysieren, Komponieren und der Interaktion von Musikmaschinen und Menschen.

Ein drittes Feld der Digital Musicology ist die interkulturelle Forschung. Da erhofft man sich, dass durch die Objektivität der Daten, objektivere Vergleiche gezogen werden können. Jedoch kann datenbasierte Forschung auch problematisch sein, denn nur weil Daten verwendet werden, ist es nicht automatisch objektiv. Es kommt auf die Interpretation der Daten an und insbesondere auch darauf, welche Daten überhaupt betrachtet werden. Durch die digi-talen Daten besteht aber grosses Potential. Um dieses auszuschöpfen, müssen neue Modelle entwickelt werden, so dass mit ethnomusikalischen Daten zeitgemäss umgegangen werden kann.

Als vierter grosser Teil ist die Digitalisierung musikalischer Analysen zu nennen. Wenn man als Beispiel alle Beethoven Streichquartette digitalisiert hat und die Harmonik und Modulationsstruktur analysieren will, muss man dies so in einer digitalen Form beschreiben, dass es ein Computer einfach lesen kann. Das ist dann die Schnittstelle zur Computermodellierung und auch zu tiefer-liegenden Fragen, wie Musik funk-tioniert. Das Vorhandensein der digitalen Daten ist somit eine Voraussetzung für die Erstellung von Computermodellen.

Für die Computermodellierung gibt es verschiedene Motivationen. Im Digital and Cognitive Musicology Lab, welches von Martin Rohrmeier geleitet wird, geht es uns bei Computermodellierung um die Repräsentation von kognitiven Vorgängen und dies auch in engen Kontakt zur Psychologie. Wir leiten Thesen aus der Musiktheorie ab und versuchen diese in ein klares mathematisches Modell zu fassen und dieses dann wiederum in psychologischen Experimenten zu überprüfen.

Wie funktionieren diese mathematischen Modelle?

Eine ganze Klasse von Modellen, die ich gerne benutze, sind so genannte generative Modelle. Diese Modelle erzeugen etwas. Man kann sich vorstellen, dass ein Komponist Daten «komponiert» hat. Diese Daten können nun analysiert werden, in dem der Generationsprozess im Computermodell nachgestellt wird. Die Analyse geschieht durch diesen Versuch der Nacherzeugung. Ein Musikstück so nachzubauen ist schwierig, aber wenn es funktioniert, kann man durch diesen generativen Prozess Einsichten in die Prinzipien gewinnen, die der Musik zugrundeliegen.

In unserer Studie Exploring the Foundations of Tonality: Statistical Cognitive Modeling of Modes in the History of Western Classical Music (2021) haben wir einen generativen Algorithmus benutzt und versucht die Tonalitäten von verschiedenen Jahrhunderten zu erzeugen. Die Daten dafür bestehen aus über 13 000 Musikstücken in Form von MIDI Files bei denen nur die vorkommenden Töne (bzw. Pitch Classes) gezählt wurden. Alle anderen Aspekte der Musik wurden ausgeklammert, sogar die zeitliche Abfolge der Töne. Dieser Beobachtungsgegenstand reichte aus, um durch das Computermodell ein Konzept von Dur und Moll herauszubekommen. Der Computer wusste vorher gar nichts über Dur und Moll, sondern fand das basierend auf den Daten heraus. Im Gegensatz zur traditionellen Musikwissenschaft, wo eher ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird, wird hier mit einem einfachen Modell nur ein einzelner Aspekt betrachtet, dafür aber 1000 Komponisten im Vergleich analysiert. So lassen sich musikwissenschaftliche Fragen quantitativ untersuchen. Man muss aber sehr vorsichtig sein, dass man keine falschen Annahmen trifft. Den musikwissenschaftlichen Ansatz und den musikhistorischen Kontext zu kennen ist essenziell, um zu sehen, ob ein Modell überhaupt sinnvoll interpretiert werden kann.

Die Daten für diese Studie stammen von Classical Archives, einem Portal, wo jede Person Musikstücke eingeben kann. Ergibt sich durch diesen benutzer-generier-ten Datensatz nicht ein verzerrtes Bild von Musikge-schichte, das eher den heutigen musikalischen Kanon reflektiert?

Das ist eine schwierige Frage, die noch keine definitive Antwort hat. Es hängt davon ab, welche Frage man an den Datensatz stellt. Wir wollten in unserer Studie die Einfachheit der Methode zeigen, zu zählen wie viele Töne vorkommen, damit das Computermodell lernen kann, welche Modi es gibt. Die Zusammenstellung des Datensatzes ist in der Tat eine Schwachstelle und es gibt auch Fehler in diesem Datensatz. Aber da wir 13 000 Stücke darin haben, fällt das statistisch dann nicht mehr ins Gewicht. Wir arbeiten auch mit sehr kontrollierten und qualitativ hochwertige Datensätzen, wie dem Annotated Beethoven Corpus (ABC), der harmonische Analysen von sämtlichen Beethoven Streichquartetten enthält. Meine Kollegen veröffentlichten vor kurzem einen Korpus zu Mozarts Klaviersonaten. Diese kleineren Datensätze lassen sich ebenfalls mit den Grösseren mischen, um ein umfassendes Bild von Musik zu bekommen.

Klingende Bäume

Das Notenbuch zu den Baumliedern von Roland Zoss erlaubt die eigene Gestaltung. Einfach zuhören kann man mit den beiden CDs «Bäume des Nordens» und «Bäume des Südens».

Foto: veeterzy/unsplash.com (s. unten)

Der Schweizer Singer-Songwriter Roland Zoss hat sich aufgemacht, Bäume zu vertonen. Ganze 28 Baumlieder hat er geschrieben, jedes auf der Suche nach der klimatischen, mythologischen und morphologischen Eigenheit eines Baumes – und seiner Bedeutung für uns Menschen. Als Erstes kommt der Mammutbaum, denn er ist der älteste von allen. Er wird 3000 Jahre alt und ist bis 120 Meter hoch. Oft treffen ihn Blitze, aber die entstehenden Waldbrände überlebt er dennoch. Den indianischen Ureinwohnern gilt er als heilig.

Wer jetzt, bei so vielen Bäumen, einen hölzernen Sound vermutet, liegt falsch. Die Musik ist rockig, groovig und lädt ein zum Mitsingen oder Selber-Gestalten. Dank dem Notenbuch oder dem Textbuch und den beiden CDs Bäume des Nordens und Bäume des Südens ist das auch möglich. 27 Musiker und Sängerinnen hat Zoss dafür aufgeboten, darunter grosse Namen wie Corin Curschellas oder Markus Flückiger. Die Lieder erklingen, je nach instrumentaler Zusammensetzung, in verschiedenfarbigen Gewändern. Die melancholische Duduk umspielt den Olivenbaum (seit 10 000 Jahren nachweisbar) und das Trümpi leitet das Lied zum Karube-Baum ein. Der Karube ist der Johannisbrotbaum aus Ägypten, und ja, der Name geht auf Johannes den Täufer zurück. Der Baum lieferte das Mass für das Wägen von Gold: 24 Karubensamen wiegen 24 Karat Gold. Heute kommt Karubenmehl als E 410 in Babynahrung und Tabletten vor. Man lernt viel über die Bäume in diesen Liedern.

Zoss ist Baumspezialist. Er umarmt sie, hört ihnen zu und kennt ihre Geschichte. «Du kämpfisch für d Natur, u we der Muet di mal verlaht, chum gang u hol dir d Chraft – us em Karubeboum!» – diese Refrainzeile ist typisch für die Baumlieder. Das Baumliederbuch ist nicht nur eine Ode an die Bäume, sondern Kraftquelle für unseren Kampf für die Natur.

Gehaltvolle Texte, schöne Melodien, farbig begleitet: geglückte CDs! Und ein Notenbuch (als E-Book), das weit über die Wiedergabe der Melodien hinausgeht. Offen bleibt nur der Wunsch nach einer Playback-Version zum Mitsingen.

Image

Roland Zoss: Baumlieder. Notenband Album 1 & 2: 28 Notenblätter, Songtexte und Infos in Berner Mundart, E-Book, 89 S., Fr. 20.00, ISBN 978-1-09830-676-2; Textbuch: 27 Songtexte & Bauminfos, Fr. 4.00;
CD 1: Bäume des Nordens;
CD 2: Bäume des Südens, je Fr. 20.00;
www.baumlieder.ch

 

Soziale Sicherheit im Kulturschaffen

Konkurrenzverbote für Musiklehrpersonen

Aus der Rechtsberatungspraxis des Schweizerischen Musikpädagogischen Verbandes SMPV: Dr. iur. Yvette Kovacs, Rechtsberaterin des SMPV und Rechtsanwältin in Zürich, antwortet auf Fragen von SMPV-Mitgliedern.

Frage eines SMPV-Mitgliedes: Meine Musikschule bietet neuerdings Erwachsenenunterricht an. Sie hat allen Lehrpersonen die Kündigung geschickt und darum gebeten, einen neuen Vertrag zu unterschreiben, in dem der Lehrperson der Privatmusikunterricht im Einzugsgebiet der Musikschule nicht mehr gestattet sei. Ausnahmsweise werde dieses Konkurrenzverbot aufgehoben, sofern die Musiklehrperson die betreffenden Studenten der Musikschule meldet und dafür die Genehmigung einholt.

Frage eines anderen SMPV-Mitgliedes: Eine Musiklehrperson kündigte an einer Musikschule und bekam darauf vom Schulleiter einen Brief, worin stand, dass ihre Schüler an der Musikschule zu verbleiben hätten. Dies habe die Musiklehrperson unterschriftlich zu bestätigen und den Brief so an den Schulleiter zurück zu senden.

Das Konkurrenzverbot während laufendem Arbeitsverhältnis

Grundlagen: Während laufendem Arbeitsverhältnis unterliegt der Arbeitnehmer der Sorgfalts- und Treuepflicht in Anwendung von Art. 321 a OR (Schweizerisches Obligationenrecht). Insbesondere wird dort festgehalten, dass während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer keine Arbeit gegen Entgelt für einen Dritten leisten darf, soweit er dadurch seine Treuepflicht verletzt, insbesondere den Arbeitgeber konkurrenziert. Eine Konkurrenzierung liegt vor, wenn gleichwertige Leistungen angeboten werden, welche dasselbe Kundenbedürfnis befriedigen und einen mindestens teilweise überschneidenden Kundenkreis betreffen. Dies gilt vollumfänglich für Vollzeitbeschäftigte. Teilzeitmitarbeitende sind oftmals finanziell darauf angewiesen, einer weiteren Tätigkeit nachgehen zu können. Mit der Vereinbarung eines Teilzeitpensums gehen daher Arbeitgeber und -nehmer stillschweigend davon aus, dass der Arbeitnehmer zusätzlichen Nebentätigkeiten, insbesondere auch im angestammten Tätigkeitsbereich nachgehen wird und auf das Verbot einer Konkurrenzierung verzichtet wird. Diese Vermutung einer stillschweigenden Genehmigung durch den Arbeitgeber gilt jedoch nur dann, wenn keine Interessenkonflikte der verschiedenen Teilzeitarbeiten entstehen und dadurch die arbeitsrechtliche Treuepflicht gewahrt bleibt. Zudem können die Parteien ausdrücklich vereinbaren, dass eine konkurrenzierende Nebentätigkeit verboten sein soll. Anstelle eines vollständigen Verbotes von anderen Teilzeitarbeiten sind in der Praxis Regelungen, wonach konkurrenzierende andere Teilzeitstellen nur mit dem vorgängigen schriftlichen Einverständnis des Arbeitgebers ausgeübt werden dürfen, häufig.

Beantwortung der ersten Frage

Grundsätzlich ist es rechtmässig, wenn ein Arbeitgeber Verträge nur unter der Bedingung abschliesst, dass Lehrpersonen keine konkurrenzierenden Tätigkeiten ausüben, sei es privat oder bei anderen Musikschulen. Es ist den Musikschulen auch unbenommen, eine sogenannte Änderungskündigung auszusprechen, indem formell und terminlich richtig gekündigt wird und darum gebeten wird, einen neuen Vertrag mit einem derartigen Konkurrenzverbot abzuschliessen. Es ist den Musikschulen rechtlich auch nicht verboten, anstelle eines kompletten Verbotes eine Melde- und Genehmigungspflicht für derartige konkurrenzierende Tätigkeiten einzuführen. Das Vorgehen der Musikschule ist daher rechtlich korrekt.

Für Arbeitnehmer, die vom Arbeit-geber ein solches Angebot erhalten, ist folgendes zu klären:

– Sachlich: Handelt es sich überhaupt um konkurrenzierende Tätigkeiten?

Wenn an der Musikschule nur Kinder/Jugendliche oder nur Erwachsene unterrichtet werden, so ist ein Privatunterricht oder ein Unterricht an einer anderen Schule nicht konkurrenzierend, wenn nicht diesel-ben Schülergruppen angesprochen werden.

– Örtlich: Liegt die konkurrenzierende Tätigkeit einer Lehrperson überhaupt im Einzugsgebiet der Musikschule?

Die Lehrperson konkurrenziert die Musikschule nur, wenn dieselben Schülergruppen angesprochen werden, das heisst, die von der Lehrperson unterrichteten Schüler ohne deren Tätigkeit an die Musikschule gelangt wären. Daher ist das Einzugsgebiet der Musikschule in derartigen Regelungen konkret einzugrenzen und eine Privattätigkeit etwas ausserhalb auszuführen.

– Inhaltlich: Wird das spezielle Instrument oder Fach der Musiklehrperson an der Musikschule unterrichtet?

Wenn eine Musiklehrperson privat andere Instrumente oder Fächer unterrichtet als diejenigen, die an der Musikschule angeboten werden, so konkurrenziert sie die Schule nicht und kann ohne Weiteres unterrichten.

Jedenfalls ist die Missachtung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht, insbesondere des Konkurrenzverbotes gefährlich, da dies in der Gerichtspraxis immer wieder zu fristlosen Entlassungen geführt hat.

Das Konkurrenzverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Grundlagen: Das von Gesetzes wegen geltende Konkurrenzverbot von Art. 321 a. OR endet mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Damit kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsvertrages eine neue Beschäftigung privat oder bei einem Arbeitgeber in Konkurrenz zum früheren Arbeitgeber aufnehmen. Dabei spielt es keine Rolle, dass der austretende Arbeitnehmer unter Umständen wesentliche Erkenntnisse aus seiner früheren Tätigkeit mitnimmt und nun im Dienste des neuen Arbeitgebers oder für sich privat gewinnbringend einsetzt.

Diese Situation kann nur dadurch verhindert werden, dass Arbeitgeber und -nehmer ein Konkurrenzverbot auch für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren (Art. 340 ff. OR). Ein derartiges Konkurrenzverbot ist aber nur in engen Schranken verbindlich. Insbesondere muss im Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt worden sein und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen können. Zudem muss ein nachvertragliches Konkurrenzverbot schriftlich vereinbart sein, ansonsten es ungültig ist. Mündliche Abreden oder Abreden per Mail genügen nicht. Weiter ist das Konkurrenzverbot nach Ort, Zeit und Gegenstand angemessen zu begrenzen und es darf nur unter ganz besonderen Umständen drei Jahre überschreiten. Übermässige Konkurrenzverbote sind gerichtlich nicht durchsetzbar, sondern werden vom Richter entsprechend eingeschränkt oder aufgehoben. Für die Musiklehrperson gilt daher Folgendes:

– Ein nachvertragliches Konkurrenzverbot gilt nicht automatisch.

– Die Musiklehrperson kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei entscheiden, ob sie bei anderen Musikschulen und/oder als Privatlehrperson tätig sein will.

– Es gibt keinen Zwang zum Abschluss eines Konkurrenzverbotes.

– Ein Konkurrenzverbot ist nur schriftlich gültig, das heisst eigenhändig unterschrieben oder mit zertifizierter Signatur.

– Ein Konkurrenzverbot ist örtlich klar und eng zu begrenzen, zeitlich unter 3 Jahre gültig und nur auf die an der Musikschule ausgeübte Tätigkeit zu begrenzen.

Auch wenn all diese Vorgaben bei der Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes eingehalten sind, hat der Arbeitnehmer gute Chancen, dass ein nachvertragliches Konkurrenzverbot durch ein Gericht als unwirksam eingestuft wird. Dies aus folgenden Gründen:

Das Konkurrenzverbot ist nur verbindlich, wenn das Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt und die Verwendung dieser Kenntnisse den Arbeitgeber erheblich schädigen könnte (Art. 340 Abs. 2 OR). Gemäss konstanter Lehre und Rechtsprechung besteht dann kein Raum für ein Konkurrenzverbot, wenn die Bindung zu Kunden vorwiegend auf den besonderen Fähigkeiten des Arbeitnehmers basiert, auf seiner persönlichen Geschicklichkeit beruht und wenn die Beziehung zwischen ihm und den Kunden vorwiegend persönlicher Natur sind. Diesfalls folgen die Kunden dem Arbeitnehmer nicht wegen den beim Arbeitgeber erworbenen Kenntnissen, sondern wegen dessen besonderen, persönlichen Eigenschaften und wegen seiner Tüchtigkeit. Der Arbeitnehmer verwendet dabei nachvertraglich nicht Fähigkeiten, die er beim Arbeitgeber erworben hat, sondern seine persönlichen Charaktereigenschaften, deren Verwertung ihm durch ein Konkurrenzverbot nicht verboten werden kann. Dies wurde beispielsweise durch die Gerichtspraxis bejaht für Turn- und Tanzlehrpersonen, einen Damencoiffeur, einen Reitlehrer und im Kanton Genf für einen Klavierlehrer. Bei all diesen Berufen hängt die Leistung und der Erfolg des Arbeitnehmers nicht vorwiegend vom Wissen und von den Angeboten des Arbeitgebers, sondern von den persönlichen Eigenschaften ab. Diese allein sind für den allfälligen Wechsel der Kundschaft massgebend, und je kreativer und freier der Arbeitnehmer handeln kann, desto eher ist dies anzunehmen (Urteil des Obergerichts Zürich vom 4.3.2008, BGE 130III353 ff. und BGE 138III67 ff.). Es bestehen daher gute Chancen, dass selbst ein gültig erscheinendes nachvertragliches Konkurrenzverbot auf dieser Basis von einem Gericht nicht geschützt würde und der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsvertrages privat oder angestellt frei oder konkurrenzierend zum früheren Arbeitgeber arbeiten kann.

Das Konkurrenzverbot fällt dahin, wenn der Arbeitnehmer einen der folgenden Tatbestände nachweisen kann:

– Wenn der Arbeitgeber kein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung hat (er stellt den Betrieb ein oder führt das entsprechende Fach nicht mehr im Angebot).

– Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dass der Arbeitnehmer ihm dazu begründeten Anlass gegeben hat.

– Wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus einem begründeten, vom Arbeitgeber zu verantwortenden Anlass auflöst.

Es ist wichtig, immer die Gültigkeit eines Konkurrenzverbotes zu klären, zumal schwerwiegende Folgen bei Übertretung eines gültigen Konkurrenzverbotes eintreten können: Zum einen kann der Arbeitgeber die Einstellung der konkurrenzierenden Tätigkeit fordern, zum anderen Schadenersatz (z.B. Gewinnherausgabe) und falls abgemacht Konventionalstrafen.

Beantwortung der zweiten Frage

Die Musiklehrperson muss einen derartigen Brief des Schulleiters nicht unterschreiben. Ohne diese Unterschrift gilt kein nachvertragliches Konkurrenzverbot (es sei denn, dass ein solches schon im Arbeitsvertrag oder sonst abgeschlossen worden wäre). Die Musiklehrperson kann daher insbesondere ihre an die Musikschule mitgebrachten Schülerinnen und Schüler nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses durchaus übernehmen, wenn diese möchten. Selbst wenn aber schon vorher oder auf diesen Brief hin ein schriftliches Konkurrenzverbot vereinbart worden wäre, hätte die Musiklehrperson gute Chancen, dass dieses aus den oben genannten Gründen von einem Gericht für ungültig erklärt würde. Es lohnt sich daher, in diesen Fällen die Lage genau abzuklären und sich nicht in der Gestaltung des nachvertraglichen Berufslebens einschränken zu lassen. Dabei ist wichtig, dass die Musiklehrperson dem Schulleiter mitteilt, dass ein nachvertragliches Konkurrenzverbot bei Musiklehrpersonen rechtlich kaum durchsetzbar sein wird. Ein höchstrichterliches Urteil dazu besteht nicht, nur kantonale Urteile sind vorhanden. Das bedeutet, dass schlussendlich vor dem Vorliegen eines Bundesgerichtsurteils ein gewisses Restrisiko nicht ausgeschlossen werden kann. Es lohnt sich jedoch, sich zu wehren, sowohl gegen die Unterschrift, wie auch gegen die Durchsetzung eines derartigen Konkurrenzverbotes.

Der Ohr-an-Ohr-Konflikt

Der Musiker und Konfliktberater Hans-Peter Achberger erhellt das soziale Innenleben klassischer Orchester.

SMM — Nach wie vor ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Orchester offenherzig Auskunft geben über die weniger idyllischen Seiten ihres sozialen und psychologischen Innenlebens. Nur allzu gerne vermitteln sie nach aussen lieber ein schönes Bild gemeinsamen Musizierens in Minne. Gesundheitliche und soziale Irritationen werden in der Regel tabuisiert.

Diesen Vorhang lüftet Hans-Peter Achberger mit einer Arbeit zu Streit- und Konfliktmustern in Kunstkollektiven, die sich bis in die kreativen Schaffensprozesse zurückverfolgen lassen. Achberger ist als Schlagzeuger Mitglied der Philharmonia Zürich, des Orchesters des Zürcher Opernhauses. Das Buch, das er vorlegt, ist eine leicht überarbeitete Version einer Masterarbeit. Er hat sie ursprünglich im Rahmen eines Studiengangs Mediation und Konfliktmanagement der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) verfasst.

Basierend auf zahlreichen Interviews mit seinen Mitmusikerinnen und Mitmusikern der Phiharmonia entwickelt er ein interessantes Modell von Störungsmustern der kreativen und psychologischen Interaktionen im Kollektiv. Den Reibungsflächen legt es übermässige Fokussierungen auf bestimmte Aspekte zugrunde und teilt diese in vier Hauptgruppen: Da spielen erstens Fixierungen auf Einflüsse von aussen eine Rolle. Dies können administrative Prozesse, das Publikum, akustische Gegebenheiten eines Raumes oder die Ensemblegrössen sein. Der zweiten Bereich, den Achberger beleuchtet, ist die Fokussierung von Mitgliedern des Orchesters auf sich selbst. Dazu gehört etwa die Angst vor dem Imageverlust, gerade auch, wenn man einsehen muss, dass die Qualität des eigenen Spiels nicht zuletzt vom Spiel der andern abhängt.

Den dritten Kreis bilden in dem Modell übermässige Aufmerksamkeiten auf die Interaktionen, das heisst auf das Wir. Dazu gehören etwa Auseinandersetzungen um Fragen der Intonation oder der Wahl von Ins-trumenten und Entscheiden über Klang und Interpretation. Der vierte schliesslich beleuchtet die übermässigen Fokussierungen auf das Gegenüber, auf das Du. Sie umfassen unter anderem Erwartungen an die künstlerische Qualität des Andern oder an mögliche Konkurrenz-Konstellationen, etwa wenn es um Fragen der Nachfolge für Stimmführer-Positionen geht.

Das Verdikt ist eindeutig: «Der klassische Orchestermusikerberuf», schliesst der Autor, «generiert eine schillernde Vielzahl berufstypischer sozialer Störungen, die das Zusammenleben und -arbeiten der Gemeinschaft Orchester erschweren und persönliches Leid hervorbringen können.» (Seite 132)

Achberger fragt sich auch, wie man alle diese oftmals subkutanen oder zur Seite geschobenen Konflikte besser aufarbeiten oder regeln könnte. Das Rezept ist im Grunde genommen naheliegend, wenn auch schwieriger zu befolgen, als vermutet. Es bedürfe, so der Autor «einer Kultur des Austausches, der gemeinsamen Rede über all jene störenden Prozesse» (Seite 131). Dazu bedarf es institutionalisierte Räume, in denen «die Sinnhaftigkeit von Konflikten diskutiert und persönliche Störungen mitgeteilt werden können» (a.a.O.). Sinfonieorchester seien aufgrund ihrer Grösse allerdings nicht mehr in der Lage, ohne eine kompetente Vermittlung sach- und zielgerecht zu agieren.

Literaturangabe:

Hans-Peter Achberger: Der Ohr-an-Ohr-Konflikt. Störungsmuster in der musikalischen Interaktion. Band 19 der Viadrina-Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement. Wolfgang Metzner Verlag, Frankfurt am Main, 2020.

Kulturdialog begrüsst Massnahmen-Verlängerung

Der Nationale Kulturdialog hat sich an seiner Sitzung vom 22. November 2021 zur Umsetzung der Covid-Unterstützungsmassnahmen im Kulturbereich ausgetauscht. Kantone, Städte und Gemeinden unterstützen die vom Bundesrat vorgeschlagene Verlängerung der Kulturbestimmung im Covid-19-Gesetz bis Ende 2022.

Foto: Volodymyr Hryshchenko/unsplash.com

Der Nationale Kulturdialog stellt fest, dass sich die seit März 2020 geltenden Covid-Unterstützungsmassnahmen im Kulturbereich bewährt haben. Bisher wurden insgesamt über 23’000 Gesuche gutheissen und 420 Millionen Franken ausgerichtet. Ziel sei, die kulturelle Vielfalt der Schweiz zu erhalten, schreibt der Bund in seiner Medienmitteilung.

Die aktuelle Rechtsgrundlage der Covid-19-Kulturmassnahmen läuft Ende 2021 aus. Das Eidgenössische Parlament wird in der kommenden Wintersession über eine Verlängerung der Kulturmassnahmen im Covid-19-Gesetz entscheiden. Kantone, Städte und Gemeinden unterstützen den Vorschlag des Bundesrates, die Kulturbestimmung im Covid-19-Gesetz bis Ende 2022 zu verlängern. Die Mitglieder des Kulturdialoges rufen die Stimmbevölkerung im Weiteren dazu auf, sich am 28. November 2021 für die Änderung des Covid-19-Gesetzes auszusprechen.

Der Nationale Kulturdialog hat ausserdem Herausforderungen thematisiert, die bereits vor der Pandemie bestanden, in den letzten Monaten aber noch an Bedeutung gewonnen haben, so wie etwa die angemessene Entschädigung von Kulturschaffenden.

Der Nationale Kulturdialog wurde 2011 ins Leben gerufen und vereinigt Vertreter der politischen Instanzen und der Kulturbeauftragten der Kantone, Städte, Gemeinden und des Bundes. Seine Arbeit basiert auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2011 und einem jeweils mehrjährigen Arbeitsprogramm. Die politischen Instanzen bilden das strategische Steuerungsorgan des Nationalen Kulturdialogs mit dem Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), Vertretern der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), des Schweizerischen Städteverbands (SSV) und des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV).

Weniger wäre mehr

In seiner «Kulturgeschichte der europäischen Musik» bringt Gernot Gruber überraschende Bezüge zu Tage, die Ausführungen sind aber oft abstrakt und bringen die Musik nicht wirklich nahe.

Seit dreissig Jahren suche ich ein Buch über «europäische» Musikgeschichte für Studierende. Trotz der Fülle an anregenden Gedanken und Ideen («kritische Phantasie», S. 8) ist Gernot Grubers Kulturgeschichte der europäischen Musik für meinen Zweck ungeeignet. Hier wird – trotz einleuchtender Gedanken dazu – nicht Musikgeschichte erzählt, sondern über sie räsoniert. Dass unterschiedliche Epochen unter verschiedenen Perspektiven abgehandelt werden, ist zwar pragmatisch und wohltuend. Dennoch ist die Bandbreite vom blossen Referieren von Erforschtem (Musik des ersten Jahrtausends), komplizierten musikhistoriografischen Erwägungen (18. Jahrhundert) und blossem Namedropping (immer wieder) etwas gar gross.

Die letzte von sieben Abbildungen steht auf S. 77, Notenbeispiel gibt es kein einziges. Wie will der Autor so die Trias von «Wissen, Sehen und Hören» (S. 1) einlösen? Hier strahlen nicht die Errungenschaften der Komponisten und die Schönheiten von Musik, sondern die Gelehrsamkeit des Historikers. Allzu häufig braucht es beträchtlichen Sachverstand, um zu vermuten, was der Autor mit Nebenbemerkungen andeuten will. Dabei stellt ihm die deutsche Sprache mit abstrahierenden Wortendungen wie -ung und -ation unüberwindliche Fallen, statt dass er musikalische Leistung so konkret wie einfach vor dem geistigen Auge und Ohr der Lesenden sich entfalten lässt. Was ist mit «bewegliche Strukturierung» und «Verdichtung» gemeint bei einem Komponisten (J. S. Bach), von dem keine einzige Komposition als Beispiel zur Erläuterung herangezogen wird? Besonders ärgerlich ist die Nennung von Komponisten (und höchstens Werktiteln) ohne eine einzige Bemerkung zu deren Musik.

Wenn die Schweizer Musik von 1968 bis 1991 mit drei Namen (Klaus Huber, Rudolf Kelterborn und Heinz Holliger) umrissen wird, ist dies einseitig. Bleibt vom Letztgenannten nicht mehr übrig als «Der als Oboist weltberühmte Heinz Holliger (*1939) war ab 1975 Professor an der Freiburger Musikhochschule und ist auch als Dirigent und Komponist bis heute in der und für die Schweiz sehr einflussreich», so ist dies nichtssagend, nur bedingt richtig und deswegen innerhalb einer «[…]geschichte der […] Musik» unzuträglich.

Mein Ausgangspunkt war eine bestimmte Frage; die Antwort darauf ist negativ. Als Rezensent interessieren mich die Ausrichtung, das Konzept und dessen Umsetzung. Das heisst nicht, dass man das Buch als Informationsquelle nicht mit Gewinn lesen könnte. Der Autor versteht es, neue und ungewohnte Bezüge einsichtig zu machen und aus der Fülle seines Wissens ein neuerliches Nachdenken über Musikgeschichte zu provozieren.

Image

Gernot Gruber: Kulturgeschichte der europäischen Musik. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 832 S., € 49.99, Bärenreiter/Metzler, Kassel/Stuttgart 2020, ISBN 978-3-7618-2508-2

Knochenflöten, Darmsaiten und vegane Basler Trommeln

Die Fragen nach der Musikalität der Tiere und unserer Verwendung tierischer Substanzen für den Bau von Musikinstrumenten stehen im Zentrum einer Ausstellung, die noch anderthalb Jahre zu sehen ist.

Unter dem Motto «tierisch!» vereinigen sich in Basel vier Museen zu zeitlich weiträumigen Auseinandersetzungen mit der Tierwelt in vielen Kulturen. Nebst dem Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig (Tiere und Mischwesen in der Antike), dem Pharmaziemuseum der Universität Basel (Vom Tier zum Wirkstoff) und dem Museum der Kulturen Basel (Keine Kultur ohne Tiere) beteiligt sich an diesem Grossprojekt auch das Musikmuseum des Historischen Museums Basel. Seine Ausstellung in den Räumen des ehemaligen Untersuchungsgefängnisses Lohnhof trägt den doppelbödigen Titel Der Klang der Tiere. Er gilt für die von Tieren selber erzeugte sowie die vom Menschen mit tierischen Materialien hervorgebrachte Musik.

Versammelt der erste Teil allerlei Singvögel zum Musizieren, so führt der zweite ebenso eindrücklich vor Augen und Ohren, wieviel Substanz von Tieren in Musikinstrumenten steckt.

Über 16Multimediastationen ist nicht nur viel über den Walgesang, Tiere in der klassischen Musik oder den Klang der Naturhörner zu erfahren, sondern auch über Skurrilitäten. So wird etwa die historische Vogelorgel «Serinette» kommentiert, deren Name sich vom Zeisig (französisch: Serin) ableitet (Anm. Red. siehe Artikel Le serinage des oiseaux von Laurent Mettraux in SMZ 1/2019, S. 16). Sie diente dazu, einem im Käfig gefangenen Singvogel bestimmte Melodien beizubringen. Um Vögel allgemein zum Singen zu animieren, wurde eine Vogel-Flageolett genannte Blockflöte verwendet. Natürlich fehlen im Kinderzimmer musizierende oder tanzende Tiere nicht, wie denn zahlreiche Exponate speziell auf Kinder ausgerichtet sind. In kleinen Höhlen können die in Kinderliedern vorkommenden Lieblingstiere ausfindig gemacht werden.

Herkömmliche und künftige Materialien

Am ausführlichsten vorgestellt werden tierische Werkstoffe im musikalischen Umfeld. Kaum zu glauben, was es für die Herstellung einer Schellackplatte brauchte: 12 600 asiatische Lackschildläuse, kaum einen Millimeter kleine Winzlinge, lieferten ihr Sekret zur Gewinnung von 15 Prozent Schellack-Anteil an diesem historischen Tonträger. Weniger lausig, jedoch immer noch bedenklich gross sind die von Tieren geforderten Opfer bei der Herstellung von Saiten. Für zwölf dünne Violin-E-Saiten werden 29 Meter Tierdarm benötigt, für eine dicke Kontrabasssaite Darm von acht Schafen.

Bisher kaum Bekanntes ist über den Beruf des Pergamenters zu erfahren; Ungewohntes ist zu sehen wie etwa in einem Glas konservierte Tierdärme, ein Spannrahmen zur entsprechenden Saitenproduktion, Perlmutter an einer Handharmonika, Schildpatt an diversen Instrumenten und vielerlei Arten von Tierhäuten. Eine eigens für die Ausstellung aus künstlichen Materialien konstruierte vegane Basler Trommel weckt Hoffnungen auf eine längst fällige Reduzierung der tierischen Rohstoffe. Spätestens mit diesem Objekt regt die Ausstellung zum Nachdenken über Tierrechte und neues Materialbewusstsein an.

Farbige statt klangliche Umsetzung

Als ältestes Exponat springt eine zwischen 70 und 110 n. Chr. in Augusta Raurica aus Hundeknochen gefertigte römische Flöte in die Augen. Ob eine weitere aus Kranichknochen einen sangbareren Klang erzeugte, ist nicht zu erfahren, wohl aber die Menge von Pferdeschwanzhaaren, die es zur Bespannung eines Streicherbogens braucht, rund 170 – eine beachtliche Zahl.

Nach bedrückenden Informationen über Elfenbeinhandel zugunsten von Klaviertasten und anderes Tierleid wirkt die letzte Gefängniszelle wie ein fröhlicher Befreiungsschlag. Speziell für Kinder eingerichtet, stellt der farbenfrohe Raum aus ästhetischer Sicht das abschliessende Highlight der Ausstellung dar. Die Wände sind mit Vergrösserungen von Notenheften tapeziert, deren Titelblätter von renommierten Künstlern und Grafikern wie Pierre Bonnard, Clérisse Frères, Fritz Erler oder Willy Herzig gestaltet wurden. Da kommt der Klang der Tiere in Klavierstücken, Liedern, Modetänzen und Schlagern aus den 1920er-Jahren zu einer zwar stummen, künstlerisch aber vielstimmigen Entfaltung. Unter den Komponisten ragen Reger und Tschaikowsky, Bartók und Benatzky, Jacques Ibert und Richard Strauss hervor. Die aus der Privatsammlung des Basler Grafikers Jacques Hauser stammenden Titelblätter zu Kompositionen über vielerlei Tierarten rufen nach klanglicher Umsetzung. Die Rahmenveranstaltungen drehen sich jeweils um ein «Tier des Monats». Es ist zu hoffen, dass nach den bis im Sommer 2022 geplanten Vorträgen entsprechende Konzerte dazuzählen werden. (www.hmb.ch und www.tierischbasel.ch).

Isabel Münzner und Anne Hasselmann haben mit starker Berücksichtigung von Basler Leihgaben und geschärftem Umweltbewusstsein die ungemein informative Ausstellung kuratiert, in Zusammenarbeit mit der ebenso einfallsreichen Gestalterin Manuela Frey.

Für Schulen werden Führungen und Workshops angeboten. Ein Dossier für Lehrpersonen enthält zudem Einführungen in die Themenbereiche und Fragen, die in der Ausstellung zu lösen sind. Auch die Nutzung von Tieren und deren Rechte wird einbezogen. Die von allen vier Museen gemeinsam herausgegebene Begleitpublikation enthält einen Beitrag von Isabel Münzner, der besonders auf die umstrittene Musikalität der Tiere und den Gesang der Wale eingeht.

Rapp leitet Barenboim-Said-Akademie

Regula Rapp, die frühere Rektorin der Schola Cantorum Basiliensis und jetzige Rektorin der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst wird per Ende März 2022 Rektorin der Barenboim-Said-Akademie in Berlin. Sie folgt in dem Amt auf den Gründungsrektor Michael Naumann.

Regula Rapp. Foto: Thilo Haeferer (Nachweis s. unten)

Die 1961 in Konstanz geborene Rapp hat in Berlin historische Tasteninstrumente sowie Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstwissenschaft studiert. Von 1990 bis 1998 war sie stellvertretende Leiterin der Schola Cantorum Basiliensis, an die sie von 2005 bis 2012 als Rektorin zurückkehrte. Dazwischen wirkte sie als Chefdramaturgin an der Staatsoper Unter den Linden Berlin. Seit 2012 ist sie Rektorin der Musikhochschule in Stuttgart.

Die staatlich anerkannte Barenboim-Said Akademie bietet in Berlin einen Bachelor-Studiengang in Musik für begabte junge Menschen vor allem aus dem Nahen Osten und Nordafrika an. Das intensive Studium setzt einen zweiten Schwerpunkt in geistes- und musikwissenschaftlichen Themen. Neben dem Bachelor kann ein Artist Diploma in allen Orchester-Instrumentalfächern sowie Klavier, Komposition und Dirigieren erworben werden. Das Artist Diploma bereitet angehende Musiker auf eine professionelle Laufbahn vor.

Das Orchester auf der Stuhlkante

Das Argovia Philharmonic ist Residenzorchester in der zum Kulturraum umgebauten Alten Reithalle in Aarau. Am 29. Oktober wurde der Konzertsaal eingeweiht.

«Bald», frohlockt die Besucherin, als sie die Alte Reithalle in Aarau erblickt. «Bald» verheisst für sie in dem neuen Mehrspartenhaus für Musik, Theater, Tanz und modernen Zirkus besonders orchestrales Glück. Hierher wird das Argovia Philharmonic, 58 Jahre nach seiner Gründung, als Residenzorchester einziehen – und den 2000 Quadratmeter grossen, flexibel nutzbaren Raum mit der Bühne Aarau teilen. Dieser Ort lebt von seiner Vergangenheit als Reithalle für das Dragonerregiment der Aarauer Armeegarnison, worauf die Architekten Barão-Hutter mit dem Belassen des ungeschönten Gemäuers und Dachgebälks anspielen. Über die von Martin Lachmann verantwortete Akustik hat die Besucherin schon viel Gutes gehört, umso mehr ersehnt sie das Eröffnungskonzert: «Neue Bahnen» verspricht das erste Programm und bietet Ludwig van Beethovens 1. Klavierkonzert mit dem Aargauer Pianisten Oliver Schnyder, Johannes Brahms’ 1. Sinfonie und Daniel Schnyders Argovia. Symphonie Nr. 5 «Pastorale», eine Auftragskomposition des Orchesters, die in der Alten Reithalle uraufgeführt wird.

Dies alles im Kopf steuert die Besucherin die Geschäftsstelle des Argovia Philharmonic an. Hier ist der neue Intendant Simon Müller zu Hause, der nach einer bewegten Saison 2020/21 die künstlerische Zukunft des Orchesters mit dem Chefdirigenten Rune Bergmann gestaltet. Der Norweger hatte seinen Einstand mitten in der Pandemie, im Herbst 2020, gegeben. Danach ging erst einmal nichts mehr.

Von Asien bis Zofingen

Weil es den Kontakt zum Publikum nicht verlieren wollte, streamte das Argovia Philharmonic in dieser Zeit erstmals drei Konzerte – mit Erfolg. «Diese Ergänzung zum normalen Orchesterbetrieb will auch künftig gut geplant sein», sagt Simon Müller und spricht an, was angedacht ist: Streaming von Konzerten in Asien. «Rune Bergmann hat eine Vision: Er will mit dem Argovia Philharmonic in die Welt hinaus, weil er in diesem Orchester sehr viel Potenzial sieht. In diesem Zusammenhang wird das Marketing eine wichtige Rolle spielen. Aber natürlich wollen wir uns in erster Linie noch stärker als bis anhin in der Schweiz positionieren», betont der Intendant: «Wir sind seit Kurzem auch Mitglied im Orchesterverband, obwohl wir ein Projektorchester sind.» Simon Müller bringt es so auf den Punkt: «Das Argovia Philharmonic ist für mich das Orchester auf der Stuhlkante», will heissen: «Anders als die Sinfonieorchester mit Jahresverträgen, ist für das Argovia Philharmonic auch Beethovens fünfte Sinfonie keine Routine.»

Mit dem Einzug in der Alten Reithalle erhält das Orchester nun eine akustisch vorzügliche Heimat, in der pro Jahr 40 Tage für fünf Abonnementszyklen eingeplant sind; dazu kommen Spezialanlässe und Kammerkonzerte. Anders als bei den Sinfoniekonzerten mit rechteckigem Zuschauerraum und ansteigender Tribüne sitzt das Publikum bei diesen intimen Veranstaltungen an den Seiten einer kleinen Arena. «Einmal mehr zählt das Gesamterlebnis – die unmittelbare Nähe zum Publikum», sagt Müller dazu. Diese Nähe sucht das Orchester auch bei seinen Abstechern nach Beinwil am See, Villmergen, Zofingen, Rheinfelden sowie Baden.

Baden ist sozusagen die zweite Heimat des Orchesters. Während 20 Jahren hat das Argovia Philharmonic im Trafo-Saal gespielt – in Nachbarschaft zu grossen Kinos. Nun wird es ins Kurtheater umziehen, das dank einer ebenso fachkundigen wie sensiblen Renovierung und Erweiterung ein Juwel geworden ist. Ein genuiner Konzertsaal ist der Theaterraum zwar nicht, aber dank der neuen Akustikmuschel auf der Bühne dürfte das Konzerterlebnis erfreulich sein. Die bisherigen Veranstaltungen anderer Orchester in diesem schmucken Theater haben jedenfalls gezeigt: Dies- und jenseits der Rampe herrscht jene knisternde Spannung, die zu einem Konzert gehört. Das Argovia Philharmonic hat also viel vor in der Saison 2021/22, an deren Ende es Aufnahmen auf CD herausbringen wird. Welche? «Die vier Brahms-Sinfonien, die wir zuvor in unseren Konzerten mitgeschnitten haben», sagt Simon Müller. Das Eröffnungskonzert wird von Radio SRF2 am 9. Dezember übertragen.

Warmer, klarer Klang ohne Schärfe

Dann ist es soweit: Die Besucherin sitzt erstmals im neuen Konzertsaal in der Alten Reithalle. Er ist durch eine schiefergraue Wand vom Theaterraum getrennt, verfügt über viele Parkettreihen und eine Tribüne, die beste Sicht garantiert. Doch wie klingt der Saal? Wunderbar! Als die ersten Takte mit Alphorn und Orchester von Daniel Schnyders viele Musikstile witzig mischender Argovia-Sinfonie erklingen, traut man seinen Ohren nicht: kein Verschwimmen im Nachhall; das Klangbild ist warm und dazu von einer Transparenz, die nichts mit der analytischen Schärfe anderer moderner Konzertsäle zu tun hat. Natürlich werden Chefdirigent Rune Bergmann und das Aargauer Ensemble noch manches justieren, doch an der Eröffnung zeigt sich, was mit dem «Orchester auf der Stuhlkante» gemeint ist. Für das Argovia Philharmonic ist nichts selbstverständlich. Deshalb packt es alles aus, was es seit jeher kann, was aber jetzt so richtig leuchten kann: Streicherglanz, exzellente Bläsersoli und ein ganz eigenes, aufmerksames Aufeinander-Hören. Dass Oliver Schnyder das Tüpfelchen auf dem i der Eröffnung ist, verwundert nicht. Seine Interpretation von Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 auf einem Bösendorfer federt förmlich in den schnellen, fein austarierten Ecksätzen und ist im Largo von einer Innigkeit, die man liebend gerne konservieren möchte. Kurz: Mit dem Einstand in der Alten Reithalle Aarau meldet sich das Argovia Philharmonic nachdrücklich in der Schweizer Orchesterlandschaft.

Hodel gibt Leitung der HSLU Ende 2022 ab

Markus Hodel wird nach 16 Jahren als Rektor der Hochschule Luzern per Ende des nächsten Jahres zurücktreten. Unter seiner Leitung wuchsen die ursprünglich fünf, später sechs Departemente zusammen.

Markus Hodel. Foto: Hochschule Luzern

Hodels erste Amtsperiode bis 2008 war durch die Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge, der sogenannten Bologna-Reform, geprägt. Zusätzlich umfasste sie eine weitreichende Neuorganisation der Hochschule, bei der die damals fünf autonomen Teilschulen Technik & Architektur, Wirtschaft, Soziale Arbeit, Design & Kunst und Musik unter dem Dach der «Hochschule Luzern» vereint und die Services zentralisiert wurden.

Seine Rückkehr an die Hochschule Luzern 2012 fiel in eine anforderungsreiche Zeit, in der die öffentliche Hand sparen und Markus Hodel um die Finanzierungsbeiträge der sechs Zentralschweizer Trägerkantone ringen musste. Er trieb zudem die organisatorische und räumliche Integration der Hochschule unter Einbezug der gesamten Hochschulleitung schrittweise voran.

Für die Nachfolge von Markus Hodel wird eine Findungskommission unter der Leitung des Fachhochschulrates mit Vertreterinnen und Vertretern des Konkordatsrates, der Mitarbeitenden, der Studierenden sowie der Hochschulleitung gebildet. Die Stelle wird öffentlich ausgeschrieben.

Originalartikel:
https://www.hslu.ch/de-ch/hochschule-luzern/ueber-uns/medien/medienmitteilungen/2021/11/16/markus-hodel-gibt-die-leitung-der-hochschule-luzern-ende-2022-ab/

Abgesagt: Der Ring an 1 Abend

Der Veranstalter melder am 9. Dezember 2021, dass das Konzert wegen der Covid-Pandemie nicht durchgeführt werden kann.

«Der Ring an einem Abend» wurde 1992 in Mannheim erstmals aufgeführt. Foto: © Loriot,Foto: Joachim Gern,SMPV

Der Veranstalter meldet am 9. Dezember 2021:

get_footer();