Was bleibt?

Welche Erinnerung bleibt von klassischen Konzert- oder Opernaufführungen? Ein passionierter Musikliebhaber hat seine Hörerlebnisse in einer Datenbank systematisch erfasst.

Foto: Daniel Stricker/pixelio.de
Was bleibt?

Welche Erinnerung bleibt von klassischen Konzert- oder Opernaufführungen? Ein passionierter Musikliebhaber hat seine Hörerlebnisse in einer Datenbank systematisch erfasst.

Musikaufführungen sind vergängliche Ereignisse, oft lagern im Kopf des Zuhörers nur bruchstückhafte, meist optische Erscheinungen, z. B. ein besonders gestenreicher Dirigent oder eine ungewöhnliche Orchesteraufstellung. Akustische Vorgänge im Gedächtnis zu halten ist schwierig, mit Übung geht’s besser, aber der Eindruck bleibt flüchtig. Der Wunsch, das Hörerlebnis der erlebten Aufführungen durch einen, wenn auch nur wenig aussagekräftigen Hinweis gewissermassen zu verewigen, hat mich bewogen, bei jeder Aufführung eines klassischen Musikstückes, die ich erleben konnte, Zeit, Ort und Interpreten in der Partitur einzutragen. In Ergänzung dieser Rohdaten findet man in meinen Partituren auch detaillierte Angaben, z. B. über Wiederholungen, Kürzungen (kommen heute nur noch selten vor), dynamische, agogische, metrische Besonderheiten. Die Zeitmessung der einzelnen Sätze habe ich ebenfalls eingetragen, sie ist letztlich das einzige «harte» Kriterium, das eine Aufführung objektiv kennzeichnet. Mit der Zeit ist so ein grosser Datenberg entstanden, den ich mit dem Mittel moderner Computertechnik greif- und analysierbar machen wollte. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen ist es gelungen, durch komplexe Programmierung¹ als File-/Server-Lösung für Windows 7 und Microsoft Access 2010 eine Datenbank mit überaus flexiblen Abfragemöglichkeiten zu erstellen. Über die Website almamusica.org kann auf die Daten zugegriffen werden.

Was ist gespeichert?
Vorerst bedarf der Sammelmechanismus eines Kommentars. Es ist evident, dass die dokumentierten Aufführungen, weil immer nur von einer einzigen Person verfolgt, auf einer persönlich bestimmten Selektion beruhen. Abwesenheit, Arbeitsbelastung, Zeitmangel aus familiären und beruflichen Gründen, nicht zuletzt auch gewisse persönliche Vorlieben für Komponisten oder Werkgattungen haben den Dokumentationsprozess weitgehend beeinflusst. Die frühesten Einträge stammen von 1953/54; bis heute sind ganz unterschiedliche Jahres-Aufführungszahlen vorgekommen (so etwa 43 Einträge 1977 gegen 525 im Jahr 1954). Da immer noch einige Werke nicht in die Datenbank aufgenommen sind, (vor allem Kammermusik), gibt es zusätzliche Lücken in der Dokumentation. Eine erste Übersicht² zeigt die wesentlichen Parameter und ihre Anzahl:

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Eine dokumentierte Aufführung enthält also mindestens folgende Parameter: Datum (kann bei Schallplatten/CD/Radio-Aufnahmen oft nicht ermittelt werden); Art der Aufführung (live, ab CD, Radio-Übertragung); Ort (Land/Nation); Interpreten (aufgeschlüsselt nach Funktion und mit Angabe von allenfalls charakterisierten Rollen in Oper und Oratorium).

Ergebnisse
Die erste Tabelle gibt Aufschluss über die Art des Hörerlebnisses:

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Auffallend ist der verhältnismässig geringe Anteil von Live-Ereignissen und CD- oder LP-Erfahrungen. Im Gegensatz dazu sieht man ein massives Überwiegen von Rundfunk-Produktionen (sowohl direkt wie auch zu einem späteren Zeitpunkt).

Die folgenden Tabellen zeigen jeweils nur die am häufigsten vorkommenden Ereignisse, da die «am seltensten vorkommenden» Hinweise kaum aussagekräftig sind.

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Auffallend ist die absolut und relativ hohe Frequenz von Opern-Aufführungen, besonders von Richard Wagner, die sich durch den Besuch namhafter Bühnen (regelmässig in Bayreuth von 1985–2015, Wien, Zürich) erklären lässt. Die am häufigsten gehörten Opern sind:³

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Über die Gattungsgrenzen hinweg wurden am häufigsten gehört:

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Die Häufigkeit von Werken des 20. Jahrhunderts:

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Ein interessantes Kapitel sind Analysen zur geografischen Verteilung der Aufführungen: Ausgehend von einem Gesamt-Mittelwert erscheinen so die Abweichungen (häufiger/seltener), am interessantesten für Komponisten: Nicht unerwartet bestehen für die Wiener Klassik (Haydn, Mozart, Beethoven) keine wesentlichen geografischen Unterschiede (mit Ausnahme einer deutlich erhöhten Beliebtheit für Haydn in England). Für Bruckner finden wir ein deutliches Übergewicht in Österreich, Deutschland und geringe Zahlen in USA, England und Frankreich, Brahms ist in allen Ländern dem Durchschnitt entsprechend vertreten mit Ausnahme einer signifikanten Häufung in der Schweiz. Die Zusammenstellung der Resultate für Komponisten des 20. Jahrhunderts (klassische Moderne) ergibt z. B. für Schönberg wenig Abweichungen, ausser einer erstaunlichen Häufung in Frankreich, für Messiaen einen Vorsprung in England und deutlich in Frankreich. Bemerkenswert ist der «Fall Hindemith» mit teilweise grossen Rückständen in England und USA, kompensiert durch massive Häufung in Deutschland und, etwas weniger ausgeprägt, in der Schweiz.

Fazit
Die Ergebnisse sind wohl für einen «mittleren Klassikliebhaber» mit einer Vorliebe für Oper einigermassen repräsentativ. Leider gibt es in der mir bekannten Literatur seit der Einstellung des Konzert-Almanachs, der vom Heel-Verlag (Königswinter) von 1981–2002 jedes Jahr einen vollständigen Überblick über die Programme klassischer Musik in deutschen Sprachraum anbot, keine umfassende Darstellung von Konzert- und/oder Opernaufführungen mehr.(4) Dank der aufwendigen Programmierung ist unsere Datenbank vielseitig verwendbar und enthält Informationen, die Anlass zum Nachdenken oder sich wundern sein können.

 
Anmerkungen

¹ Ich danke Herrn René Panzeri von der CreLog GmbH, Dietikon, für die sorgfältige Ausarbeitung des Projektes und für seine unbeirrbare Unterstützung meines Vorhabens.

² Alle Zahlenangaben beziehen sich auf das Datum 1. Juli 2016.

³ In einer neuen Arbeit werden Aufführungsstatistik, Regieästhetik und Publikumsverhalten anhand von aktuellen Opernproduktionen weltweit, mit Schwergewicht Deutschland behandelt. Sven Friedrich: Das phantasmagorische Kunstwerk – Tendenzen und Perspektiven der Opernregie, in: Wagnerspektrum 12, I 2016, S. 161-197.

4 Unter http://www.univie.ac.at/nsw/sachgruppen/780.html ist eine Übersicht über sämtliche Spielarten von Referenzwerken zum (nicht nur) klassischen Musikbetrieb einsehbar. Man findet über 280 Einträge, vor allem Werkverzeichnisse, Lexika, Kataloge, Handbücher.
 

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Autor
Rudolf P. Baumann, in einem musikalischen Elternhaus aufgewachsen, hat dank Klavierstunden und regelmässige Konzertbesuche schon früh die Welt der klassischen Musik kennengelernt. Prägend war der Unterricht bei Armin Schibler, Musiklehrer am Literargymnasium Zürich. Schon als Schüler begann er, die besuchten Aufführungen zu dokumentieren. Als Dr. med. leitete er von 1969 bis 2001 das Institut für pathologische Anatomie in Neuenburg.
 

www.almamusica.org

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Neuer Proberaum für die Basler Orchester

Der Regierungsrat von Basel-Stadt genehmigt den Kaufvertrag für ein Kirchengebäude am Picassoplatz. Es soll zum Proberaum für die Basler Orchester und mögliche weitere Nutzer aus dem Musikbereich umgebaut werden und dazu im Frühjahr 2017 bezugsbereit sein.

Skulptur auf dem Picassoplatz. Foto: Basmus/wiki commons

Erste Kirche Christi, Wissenschafter, Basel, ist auf der Suche nach einer dauerhaften Nachnutzung des Kirchengebäudes an den Kanton herangetreten. Das im Denkmalverzeichnis aufgeführte Bauwerk des Architekten Otto Rudolf Salvisberg am Picassoplatz 2 in Basel stammt von 1935/36 und gilt als exemplarischer Bau für die Moderne.

Eine von Immobilien Basel-Stadt in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie hat gezeigt, dass das Gebäude zu einem guten Proberaum umgebaut werden kann. Die dafür notwendigen Massnahmen seien mit der Denkmalpflege abgesprochen, heisst es in der Medienmitteilung des Kantons. Der Kauf erfolgt im Finanzvermögen. Der Kaufpreis für die Liegenschaft beträgt 5,86 Millionen Franken plus Mehrwertsteuer.

Die bestehenden Probemöglichkeiten stellen die Basler Orchester derzeit vor grosse Herausforderungen: Es gibt nur wenige geeignete Räumlichkeiten, die die benötigte Grösse haben und die akustischen Bedingungen erfüllen. Mit dem Umbau des Stadtcasinos ab 2017 fällt zudem der Musiksaal als Ort für Proben während einiger Jahre weg.

Der Betrieb des Proberaums wird durch das Sinfonieorchester Basel (SOB) übernommen. Als «bereits bestehende und gut vernetzte Institution» seien die potenziellen Nutzerinteressen durch die inhaltliche und strukturelle Nähe zum Orchester- und Chorwesen der Stadt Basel damit optimal vertreten, schreibt der Kanton weiter.

 

Persönliche Musikgeschichte

In seinem autobiografischen Essay stellt Frido Mann die Musik ins Zentrum.

Frido Mann an der Lepziger Buchmesse 2013. Foto: © Das blaue Sofa / Club Bertelsmann

Wenn Sie dank dieses Buches auf den langsamen Satz der zweitletzten Klaviersonate von Schubert aufmerksam würden (Seite 121) – allein deswegen hätte es sich schon gelohnt, es zu lesen! Man kann 75 Jahre alt werden und als nicht Klavier spielender Musikinteressierter erstmals diesem Satz begegnen: ein umwerfendes Erlebnis!

Dieses kleine Buch aber bietet noch weitere überraschende Einblicke, Hinweise auf weniger bekannte Ereignisse in der Musikgeschichte oder auch auf Werke, die wiederum aus manchmal zufälligen Begegnungen des Autors als bemerkenswert zu registrieren waren. Etwa die ganz persönlichen Bemerkungen zur Musik als Gemeinschaftserlebnis mit der kleinen Oper Brundibar von Hans Krása – im Durchgangslager Theresienstadt (heute Terezín) Dutzende Male aufgeführt, immer wieder in wechselnder Besetzung, wenn «viele der jugendlichen Darsteller in die Vernichtungslager deportiert wurden». Verblüffend auch die äusserst kurze Charakterisierung zur Unterscheidung von Debussy und Ravel.

Das Buch kann aber auch als musikgeschichtlicher Überblick von Gesualdo bis Ligeti und Henze gelesen werden, das nicht für ein Fachpublikum geschrieben wurde, sondern für eine an Musik interessierte Lesergruppe, die subjektive Urteile gerne akzeptiert. Fachbezeichnungen der Neuen Musik, etwa «Aleatorik» oder «Serielle Musik», werden fachgerecht und doch verständlich erklärt.

Dass er als Enkel von Thomas Mann auf dessen grossen Musikerroman Doktor Faustus verweist und ihm ein ganzes Kapitel widmet, hat mehrere Gründe: Auch sein Vater Michael, das jüngste Kind der Mann-Familie, habe bei den Vorarbeiten mitgewirkt (Seite 36), weiter thematisiere der Grossvater in seinem Roman einen für den Enkel existenziellen Gedanken, nämlich dass die Reduktion des Religiösen in der Musik der modernen Hoffnungslosigkeit Vorschub geleistet habe: «Der harmonisch kosmische Gottesbezug in der Barockzeit ist durch den Fokus auf die Welt des individuellen menschlichen Gefühls abgelöst worden» (Seite 249). In den wenigen Hinweisen auf seinen Vater ersteht ein knappes, aber doch gerechteres Bild von Michaels Musikerkarriere als in der neuesten Publikation zur Mann-Familie von Thilmann Lahme.

Man kann Frido Manns Ratschlägen im letzten Teil des Buches, wie die aktuelle Musik wieder näher an das interessierte Publikum herangebracht werden könnte, eine gewisse Skepsis entgegenbringen, unnötig sind aber solche Überlegungen gewiss nicht.

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Frido Mann, An die Musik. Ein autobiographischer Essay. Fischer TB 03376, 332 Seiten, € 10.99, Fischer, München 2015, ISBN 978-3-596-03376-8

«Viva Cuba»

Die jüngste Ausgabe von «Melodie & Rhythmus» biete Eindrücke von der sich wandelnden kubanischen Musikkultur.

Foto: Mikel Ortega/flickr.com

1961 gab Präsident John F. Kennedy sein Okay zur Invasion auf Kuba. Doch der von den USA organisierte militärische Eingriff kubanischer Exilanten scheiterte. Mit der Folge, dass die Vereinigten Staaten ein Jahr später ein Handelsembargo gegen den Inselstaat verhängten, das erst in der Amtszeit von Barack Obama eine allmähliche Lockerung erfährt. Das politische und ökonomische Tauwetter wirkt sich auch auf die Kultur aus. Die Redaktion des deutschen Musik- und Kulturmagazins Melodie & Rhythmus reiste hin, um sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Das Resultat ist eine Ausgabe mit dem Titel Viva Cuba!.

Auf gut fünfzig Schwerpunktseiten erfährt der Leser nicht nur, dass die kubanische Musik auf fünf stilistischen Säulen (Son, Rumba, Canción cubana, Danzón und Punton) fusst, sondern auch, wie sich die rund 11 000 Profimusiker des Landes ihre künstlerische Vielfalt bewahren oder warum sich der Frontmann der Metal-Band Tendencia, José Ernesto Medero «Kiko» Valdéz, entschied, seine Heimat nicht zu verlassen – trotz Verlockungen des US-amerikanischen Marktes. Als aufschlussreich entpuppen sich insbesondere das Interview mit Darsi Fernández Maceira, einer Fachanwältin im kubanischen Kultursektor, sowie die Begegnung mit dem Publizisten Enrique Ubieta. Während Maceira vom kubanischen Urheberrecht berichtet, das einen möglichst breiten Zugang zu Kultur und Information gewähren will, und zudem ausführt, weshalb Konzerte einer Pianistengrösse wie Roberto Fonseca in Havanna schlecht besucht sind («Wir haben nicht gelernt, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums gewinnt»), macht sich Ubieta Gedanken zu den verschiedenen Kulturmodellen. Der 57-Jährige zeigt sich überzeugt, dass die USA weiterhin danach streben, Kubas Revolution rückgängig zu machen: «Und die Kultur wird das Hauptfeld der Auseinandersetzung sein.»

Viva Cuba! ermöglicht es dem Leser, in die Musikwelt Kubas einzutauchen und präsentiert überdies facettenreiche Rück- und Ausblicke. Einziger und kleiner Kritikpunkt: Während altgediente Koryphäen wie die 85-jährige Omara Portuondo gross abgehandelt werden, müssen sich die Stars von morgen mit einigen Nebensätzen begnügen. Damit das Land und seine Musik fassbar werden, liegt der Ausgabe eine CD mit 17 Tracks bei. Auf dieser sind etwa Gitarrist Vicente Feliú, die Multiinstrumentalistin Yusa oder die Formation Mezcla – die laut Carlos Santana wie «frisches Wasser» klingt – zu hören. Obschon auch auf dem Sampler kaum Newcomer zu vernehmen sind, darf man konstatieren: Der musikalische Überblick ist nicht nur äusserst abwechslungsreich, sondern auch klug zusammengestellt.

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Melodie & Rhythmus, Viva Cuba, Ausgabe Juli/August 2016, Verlag 8. Mai, Berlin www.melodieundrhythmus.com

Tänze für Violine & Co.

Klezmer-Musik und klassische Tangos laden zum Aufspielen im Duett mit verschiedenen Partnern.

Foto: terramara/pixelio.de

Mit so viel spontanem Vergnügen wie bei Klezmer Fiddle Tunes habe ich noch kaum ein Heft durchgespielt: zu Herzen gehende Melodien und beschwingte Tänze – 11 als Solo, 22 als Violinduett – mit klar eingezeichneten Schleifern und anderen Verzierungen, logischen Bogenstrichen, Fingersätzen (bis 4. Lage) und Harmonieangaben. Ein Aufsatz auf Englisch erklärt kenntnisreich Geschichte, Kultur, verschiedene Stile und Aufführungspraxis der jiddischen Musik. Dazu eine meisterhaft gespielte CD mit je nach Charakter verschiedener Begleitung: Klavier, Akkordeon, Pizzicato-Cello. Von der CD können Kontrabass- und Klavierbegleitung ausgedruckt werden und ein Weblink weist auf mp3-Playalong-Tracks und deutsche und französische Übersetzungen der Einführung hin!Image

Der argentinische Tangospezialist Diego Collatti hat fünf Melodien des berühmten Carlos Gardell für Violine und Cello mittelschwer bearbeitet: echtes Duettieren mit allen spannenden Rhythmusvarianten des Tango! Neben der Partitur steht auch eine Violastimme zur Verfügung mit vielen interessanten Abweichungen von der Cellostimme. Collatti hat diese Musik für die Universal-Edition auch für andere Besetzungen arrangiert.

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Klezmer Fiddle Tunes, 33 pieces for violin (optional piano, violin and double bass accompanying parts), hg. von Ros Stephen and Julian Rowlands, ED 13492, mit CD, € 16.99, Schott, London 2014

Carlos Gardel, Tangoduette für Violine und Violoncello (Viola) arr. von Diego Collatti, UE 36 656, € 14.95, Universal Edition, Wien 2015

Tango und Kontrapunkte

Auf ihrem Erstling «Puerta Sur» widmeten sich Marcela Arroyo, Andreas Engler und Daniel Schläppi ganz dem Tango. Jetzt, sieben Jahre später, öffnet das Trio seine Musik und findet dabei zu noch grösserer Ausdrucksstärke.

Marcela Arroyo, Andreas Engler und Daniel Schläppi. Foto: zvg

Nach ihrem Album New Tango Songbook von 2014 wendet sich Marcela Arroyo wieder ihrer Zusammenarbeit mit Violinist Andreas Engler und Kontrabassist Daniel Schläppi zu, die sich 2009 bereits in der gemeinsamen CD Puerta Sur niederschlug. Während dieses Werk reizvolle Einblicke in argentinische Soundlandschaften ermöglichte, erweist sich der Nachfolger Tres Mil Uno als stilistisch breiter; er widmet sich nicht nur Liedern aus Arroyos Heimat, sondern auch Kompositionen europäischer Provenienz – wie dem Tucholsky-Gedicht Sie, zu ihm, das von Kolsimcha-Gründer Michael Heitzler ursprünglich für Xavier Kollers Literaturverfilmung Gripsholm (2000) vertont wurde.

In der Bearbeitung von Arroyo, Engler und Schläppi verströmt das Stück mehr als bloss einen Hauch Melancholie und lässt en passant die Welt der Dreissigerjahre wiederauferstehen und nachfühlen. Mal wird die Geige gezupft, mal aufs Zärtlichste gestrichen, aber stets umgarnt das Instrument die Stimme der Sängerin, in der sowohl Humor als auch Hoffnung und Liebesverzweiflung zum Ausdruck kommen. Die drei Musiker schnuppern nur zu gerne auch an anderen Genres, verlieren aber den Tango nie aus dem Fokus: Während Preludio para el año 3001 aus der Feder von Horacio Ferrer (Text) und Astor Piazzolla (Musik) – für dessen Œuvre Arroyo schwärmt – insbesondere durch seine anmutigen Farben gefällt, besticht Oblivion durch das Aufeinanderprallen von rauchigem Gesang und den Wehmutsklängen von Kontrabass und Violine.

Die insgesamt 15 Songs sind voller Leidenschaft. Das Trio versteht es jedoch, diese bei Bedarf auch zu zähmen, und obwohl es sein Flair für die Tangomusik nie versteckt, setzt es immer wieder Kontrapunkte aus Fado, Klezmer oder Blues. Trotz ihrer stilistischen Vielfalt wirkt die Platte nie überfrachtet, im Gegenteil: Die Nummern präsentieren sich ebenso entschlackt wie filigran. Das nutzen Arroyo, Engler und Schläppi zu charmanten und agilen Wechselspielen, klugen Improvisationen und zeigen grosse Ausdruckskraft.

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Marcela Arroyo (voc), Andreas Engler (vl), Daniel Schläppi (kb): Tres Mil Uno. CATWALK / CW 160016-2, www.marcela-arroyo.com

St. Galler Glockenklang

Alle 118 Kirchenglocken St. Gallens in einem grossen Event: «Zusammenklang» war angesagt, musikalisch, aber wohl auch politisch und konfessionell.

Karl Schimke und Natalija Marchenkova Frei. Foto: Urs Bucher,Foto: Klaus Stalder

Am einfachsten und eindrücklichsten wäre es wohl gewesen, alle 118 Glocken dieser langgezogenen Bratwurst (wie ein St. Galler seine Stadt bezeichnete) auf einmal schwingen und klingen zu lassen. Das hätte die Luft erfüllt, wäre aber auf Dauer vielleicht doch etwas zu gleichförmig geraten. Und so beschränkte man sich am 21. August beim grossen Zusammenklang nicht darauf, sondern begann dieses weite Glockenensemble zu gestalten und zu komponieren. Harmonie nämlich vermisste die aus Moskau stammende Musikpädagogin und Komponistin Natalija Marchenkova Frei, als sie vor fünfzehn Jahren erstmals über der Stadt stehend das imposante Geläut hörte. Damals entstand die Idee, diese Glocken wie in einem Orchester zu verbinden – und damit eine harmonische Melodie zu schaffen.

Vor anderthalb Jahren endlich begann sie, bei den Behörden anzuklopfen, ob denn so etwas überhaupt möglich wäre. Zur etwa gleichen Zeit machte sich unabhängig davon auch der aus den USA stammende, beim Sinfonieorchester St. Gallen angestellte Tubist Karl Schimke daran, seine eigenen Glockenvisionen zu realisieren. Per Zufall erfuhren die beiden voneinander, trafen sich und machten sich nun gemeinsam auf den Weg. Dabei galt es zunächst einmal, die politischen und kirchlichen Verantwortlichen zu überzeugen. Überall fanden die beiden offene Türen. Alle Kirchen in einem Zusammenklang – was für ein schöner Gedanke für eine Gemeinschaft! Marchenkova Frei denkt da durchaus auch an eine Ökumene. Weil das Ereignis aber nicht ausschliesslich religiös definiert war, legte man es nicht auf ein Kirchenfest. Nun fungierte es am Sonntagnachmittag als besinnlicher Ausklang des St. Galler Stadtfests. 

Das grössere Hindernis war die Technik. Erstens werden die Glocken normalerweise alle automatisch bedient; an keine hängt sich mehr ein Glöckner, um sie per Seil aufzuschwingen. Diese Automatik galt es zunächst auszuhebeln. Bei einigen liess sich der sonst automatisch ausgelöste Fallschlaghammer per Seil betätigen. Bei etwa fünfzig Glocken aber ging das nicht so leicht. Um dort die Glocke zeitlich möglichst präzis anzuschlagen, wurden die zum Teil schweren Klöppel ganz nahe an den Rand der Glocke hochgezogen, so dass ein leichter Zug an einem Seil genügte, um sie anzuschlagen. Über eine eigens entwickelte App via Handy wusste der Glöckner genau, wann er wo zu ziehen hatte.

Alle Glocken einer Stadt im Zusammenklang. Das ist natürlich keine absolute Neuheit. Zum Nationalfeiertag und zur Jahreswende etwa klingen Kirchenglocken gemeinsam. Zur Stadtfeier von Winterthur organisierte man ein grosses Geläut. Und Tallinn feierte das Ende seines Jahrs als Kulturhauptstadt Europa mit einem Gesang der Turmglocken (Tornikellade laul), den der Este Margo Kõlar für 47 Glocken komponierte. Es sind Klangevents, die im Gedächtnis bleiben.

Die Realisierung war aber im Fall St. Gallens der erwähnten Bratwurstlage wegen besonders «tricky». Sechzehn Kilometer Distanz zwischen den äussersten Kirchen sind zu überwinden. Bis der Glockenschlag von St. Gallen Winkeln in der Stadt zu hören ist, vergehen gut zwanzig Sekunden. Und alles sollte von einem «idealen» Punkt auf der Wiese unterhalb des Buebenweihers gut hörbar sein – eine vertrackte Aufgabe. Erst einmal musste berechnet werden, wann die Glockenklänge dort eintreffen, unter Berücksichtigung von Witterungs- und Windverhältnissen auch. Bernd Jansen von der IT-Firma Namics entwickelte zusammen mit der Kirchenturmtechnik Muff nun die Technologie, um diese Klänge möglichst genau zu steuern: dass also zwei nicht gleichzeitig ausgelöste Glockentöne gleichzeitig an jenem Hörpunkt eintreffen – denn es ging dabei eben auch um Komposition.

Den ersten Teil bildete eine von Schimke gestaltete Einleitung, die den Hörraum auf suggestive Weise öffnete. Dann folgte nach dem Dreiviertelstundenschlag, der gleichsam an den Alltag erinnerte, die Komposition von Marchenkova Frei: ein knapp fünfzehn Minuten dauerndes Stück, basierend auf einem ganz reduzierten Klangmaterial, das in 21 Variationen entwickelt wurde. Die Grundtöne g-b lieferten dabei die Hauptkirchen: die Kathedrale und die St. Laurenzenkirche. Ein tiefes e schliesslich sprach das Amen über die Komposition.

Das war mit Bedacht angelegt, momentweise entfalteten sich die Klangfelder wunderbar über die Stadt, manchmal freilich gelang die Balance nicht. Von Westen her tönte ein weiter Raum mit hintereinander gestaffelten Glockenklängen, fast unmittelbar vor der Wiese dominierte der helle und etwas penetrant eingesetzte Klang der Linsebühlkirche, so dass alle Kirchen dahinter übertönt wurden. Der Ablauf der Komposition wurde dadurch etwas verschleiert. Da gälte es wohl, weitere Erfahrungen zu sammeln, so dass das Stück für die Zuhörer verständlicher würde. Denn viele waren gekommen und wohnten dem Geläut bei. Zum Glück gab es danach noch das herrliche Zusammenschwingen aller Glocken. – Das freilich kann nur eines bedeuten: Eine Fortsetzung wäre also angesagt, um die Erfahrungen zu vertiefen und den Klang über der Stadt intensiver zu erkunden. Das St. Galler Geläut sollte eine Tradition werden.

www.zusammenklang.com

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Natalija Marchenkova Frei und Karl Schimke

Kanton leistet Widerstand gegen Salle Modulable

Der geplanten Salle Modulable in Luzern erwächst Widerstand aus der kantonalen Politik. Die Kommission Erziehung, Bildung und Kultur (EBKK) des Luzerner Kantonsrates stellt sich gegen einen Projekt-Sonderkredit. Ihr sind die Dimensionen der Salle Modulable sowohl räumlich als auch finanziell zu gross und die Betriebskosten zu hoch.

Foto: Andrea Damm/pixelio.de

Laut der Mitteilung des Kantons beantragt die EBKK mit gosser Mehrheit einen Sonderkredit von 6,979 Millionen Franken für das Neue Theater Luzern / Salle Modulable zurückzuweisen.  Mit knapper Mehrheit hat sie sich zuvor gegen Anträge um Verschiebung/Sistierung der Beratung in der Kommission, respektive im Kantonsrat ausgesprochen, um die städtische Abstimmung über den Baurechtsvertrag vom 27. November 2016 für den Standort Inseli und die Ergebnisse von zwei Initiativen abzuwarten.

Die EBKK erachtet die Salle Modulable räumlich und finanziell als zu gross dimensioniert. Sie bezweifle, dass sie den Bedürfnissen und Möglichkeiten eines produzierenden Theaters gerecht werden kann. Die Projektanforderungen und der enge Zeitplan seien vom Trust zudem bereits klar vorgegeben und nicht weiter verhandelbar. Das erschwere einen umfassenden Prozess des Einbezugs und sei demokratiepolitisch unbefriedigend.

Weiter fehle für ein Projekt dieser Dimension eine positive finanzpolitische Perspektive des Kantons. Die zu erwartenden Mehrkosten seien nicht vereinbar mit den Spar-Entscheidungen, die in letzter Zeit getroffen wurden und noch anstehen. Eine massgebliche Senkung der Mehrkosten im Betrieb schätzt die EBKK als unrealistisch ein.

Kritik oder Quote

Fritz Trümpi und Simon Obert haben einen Band zum Thema «Musikkritik» herausgegeben.

Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

Hier der Zeitdruck, dort das Werk, schliesslich die Redaktion, die schon mal ein Wörtchen mitredet, wenn es um die Veröffentlichung geht: Musikkritik scheint ein Vabanquespiel. Erschwert durch jene aktuellen Zwänge, die der Musikredaktor Christian Berzins in seiner Glosse pointiert zum Ausdruck bringt: «Wenn eine Kritik nicht populär – d. h. für alle verständlich – geschrieben ist, hat sie in der zukünftigen Tageszeitung nichts mehr verloren» (S. 173/174).

Wer «alle» sind oder was «verständlich» heisst, bleibt offen. Muss wohl offen bleiben in einem Sammelband, der nicht alles leisten, den Blick aber weiten kann für ein komplexes Phänomen, das sich stark gewandelt hat seit den Anfängen der Musikkritik im späten 18. Jahrhundert. Der von den Musikwissenschaftlern Fritz Trümpi und Simon Obert herausgegebene Band blickt zurück, aber auch in die Gegenwart. Katherine Baber berichtet in ihrem englischen Aufsatz über die Rezeption Leonard Bernsteins in Amerika und Österreich (S. 33 f.). Sie zeigt: Musikkritik spiegelt nicht nur Werke oder Interpretationen. Sie ist immer auch ein Reflex diverser Themen, die weit über das Künstlerische hinausreichen. Der kalte Krieg, Antisemitismus, auch die Konstruktion nationaler Identitäten spielten eine grosse Rolle bei der Aufnahme Bernsteins, dessen Popularität dadurch stieg, dass er in den 1960er-Jahren als so etwas wie ein zweiter Gustav Mahler inszeniert werden konnte.

Die Vielfalt des Bandes beeindruckt. Popkritik fehlt ebenso wenig wie Gedanken über journalistische Praxis oder über publizistische Zugangsmöglichkeiten zur Neuen Musik. Leider erzwungen wirken Cornelia Bartschs deutungsfreudige Reflexionen über Musikkritik und Gender. «Ein Desiderat» (S. 59) ist die Thematik deshalb, weil Frauen – analog zu ihrer Rolle im 19. Jahrhundert – in der Kritik einfach nichts zu suchen hatten. Da Kritikerinnen nicht auftauchen, versucht es Bartsch mit abenteuerlichen Thesen. Sie vermengt geschlechterspezifische Bewertungen von Musik im Sinne von weiblich versus männlich munter mit jenen Erscheinungen, die die Vermarktungsindustrie und das unsägliche Quotendenken in die «Kritik» hineintragen: «Bewertung» von Musik nach puren Äusserlichkeiten wie Starkult oder Sexappeal jeweiliger Interpreten oder Interpretinnen.

Nicht nur Spuren von Geschichte und Gegenwart sind ablesbar, sondern auch die Perspektiven der Musikkritik. Die Tage des «Grosskritikers» scheinen gezählt – jener Spezies, die das Konzert lesend verfolgen und sich später ereifern über die mangelhafte Gestaltung der Eroica-Reprise. Das muss nicht schlimm sein, bemerkt Berzins zu Recht. Was jedoch zu denken gibt, ist die Verflachung, ja das Verschwinden von Inhalten. Es wäre schön, wenn sich Kritik dagegen stellen könnte – in welcher Form, ist am Ende auch eine Frage des Standes musikalischer Bildung. Kollegen ist übrigens passiert, dass in der Redaktion «Partitur» durch «Notenbild» ersetzt wurde. Da ist dann halt Hopfen und Malz verloren.

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Musikkritik. Historische Zugänge und systematische Perspektiven, hg. von Fritz Trümpi und Simon Obert, (=Anklänge, Wiener Jahrbuch für Musikwissenschaft 2015), 204 S., € 33.00, Mille Tre Verlag, Wien 2015, ISBN 978-3-900198-42-8

Ein Netz von Bezügen

Thüring Bräm ist der Spiritus Rector der Musiktage Valendas, die er dieses Jahr zum letzten Mal leitete. Sie beeindruckten durch musikalische Vielfalt, tiefgründige Programmierung und reizvolle, oft wenig bekannte Spielorte.

Ogna, Skulptur von Mathias Spescha. Foto: Adrian Michel/Wikimedia Commons

Zum nunmehr zehnten Mal fanden vom 5. bis 10. Juli die Musiktage im bündnerischen Valendas statt. Das Festival mit dem Kammerchor Altaun unter der Leitung von Thüring Bräm als festem Bestandteil fungierte diesmal gleichzeitig auch als jährliche Veranstaltung des Vereins ars braemia, der sich unter anderem der Förderung des kompositorischen Schaffens Bräms widmet. Die resultierenden Synergien liessen ein reichhaltiges Programm erwarten, und tatsächlich war die stilistische, besetzungsmässige und nicht zuletzt räumliche Bandbreite des Gebotenen beeindruckend. Das Festivalmotto «Er-Innerung» meint ein Netz von Bezügen, die historisch, räumlich, stilistisch und teilweise auch als Verweis auf die Geschichte des Festivals selbst verstanden werden können. Besondere Gewichtung erfuhr auch die Begegnung mit der Walser und der romanischen Kultur.

«Dunkel und hell» stand als Motto über dem ersten Konzert in der Kirche Versam am 5. Juli. Spätromantischer, verinnerlichter Musik in der ersten Konzerthälfte (Puccini, Elegie für Streichquartett, Pfitzner, vier Lieder op. 33, Schoeck, drei Lieder aus op. 36) standen in der zweiten Hälfte Werke von populärerer Ausdruckhaltung gegenüber: Brahms’ Vier Quartette op. 92 für gemischten Chor und Klavier, vier Lieder aus Elgars Songs from the Bavarian Highlands und Bräms 5. Streichquartett Postcards from Switzerland, welches 2007 für die Lucerne Chamber Soloists komponiert wurde und bekannte Schweizer Lieder verarbeitet. Die Ausführenden waren Lia Andres, Sopran, Peter Mächler, Bassbariton, das Streichquartett der Chamber Soloists Lucerne, Thüring Bräm, Klavier, der Kammerchor Altaun und Karel Valter, Leitung.

Eine Begegnung von Profis und Laien, von Einheimischen und Gästen ermöglichte das bereits traditionelle «Brunnenkonzert» in Valendas. Der Kammerchor Altaun war an jenem Abend auch für Zuzügerinnen und Zuzüger offen und präsentierte unter der Leitung von Thüring Bräm unter anderem Lieder auf Schweizerdeutsch, Romanisch und Englisch.

«Zurück in die Zukunft» lautete der (spätestens seit dem gleichnamigen Film wohl nur mehr wenig paradox wirkende) Titel des dritten Konzertes im Museum Ilanz, dessen inhaltlicher Bezugspunkt der Ariadne-Mythos war. Ariadne für Traversflöte und Harfe des 1981 geborenen Komponisten Thomas Leininger (Auftragswerk der ars braemia) greift auf Material eines 2015 komponierten Prologs und Epilogs zu Georg Bendas Melodram Ariadne auf Naxos zurück und gibt den Ausführenden (Karel Valter, Traverso, Julia Wacker, Harfe) ein Gerüst vor, welches im Sinne der Musikpraxis des 18. Jahrhunderts zu bearbeiten ist. The Crown of Ariadne ist eine Suite, die sechs Bilder aus dem Mythos aufgreift. Der Klang der Harfe wird in Murray Schafers Komposition aus dem Jahre 1979 um kleine Schlagzeuge und Elektronik ab Band erweitert (Julia Wacker, Harfe).

Ganz verschiedene Klangräume eröffnete das vierte Konzert «Spazi – Räume» in der eindrücklichen, von Peter Zumthor entworfenen Kapelle Sumvitg (Capluta Sogn Benedetg). Gleichsam eine Klammer um das Programm bildete Haydns Streichquartett f-Moll op. 20/5, dessen erster und zweiter Satz am Anfang erklangen, während das Adagio und die Schlussfuge das Ende des Konzerts bildeten. Den programmatischen Zwischenraum belebte Bräms eindringliches Er-Innerung für Violoncello solo aus dem 1. Streichquartett von 1991 (Jürg Eichenberger, Violoncello) sowie sein neu entstandenes 6. Streichquartett Spazi, welches den Kirchenraum und zwei weitere Räume der Region musikalisch zu deuten und so gleichsam eine ältere in eine neue Welt zu überführen sucht. Das Streichquartett der Lucerne Soloists agierte hier als überzeugender Vermittler, während dem Kammerchor Altaun unter der Leitung von Bräm eine berührende Wiedergabe von drei Gesängen aus den Prophetiae Sibyllarum von Orlando di Lasso gelang – Gesänge, die von Erlösung künden und damit einen weiteren, spirituellen «Raum» eröffneten.

In der Kirche Tschiertschen fand das als «Walser Abend» betitelte fünfte Konzert statt. Die Walser Dichterin Anna Maria Bacher, die in Pomatt in der Nähe von Domodossola lebt, trug eigene Texte in Pomattdeutsch und Italienisch vor. Es vereinen sich in ihnen Introspektion, Naturbeobachtung und spirituelle Erfahrung zu einer Lyrik von ausserordentlicher Eindringlichkeit. Einige von Bräms Vertonungen von Bachers Texten präsentierte der Kammerchor Altaun unter der Leitung des Komponisten (als Uraufführung Gibätt mit Jürg Eichenberger, Violoncello, sowie 3 Lieder aus Bräms Piccoli Madrigali). Die schnörkellose Sprache der Texte findet in diesen Vertonungen eine Entsprechung in klanglicher Transparenz und einer vermittelnden, nicht auf Komplexität gerichteten Musiksprache. Eine Besonderheit der Kirche Tschiertschen ist ihre historische Orgel, eine der letzten beiden spielbaren Hausorgeln von Heinrich Ammann aus dem Jahre 1820. Hanspeter Aeschlimann spielte darauf Märsche und Tänze aus einer Sammlung von 1796, wie sie damals auf diesem Instrument gespielt worden sein dürften und, sozusagen als tiefernstes Gegenstück, vier von Brahms’ späten Choralvorspielen (op. post. 122), wobei Aeschlimanns meisterhafte Wiedergabe ein Höhepunkt des Abends war. Ergänzt wurde diese spirituelle Musik durch drei Lieder aus Brahms’ op. 22, Mariengesänge des jungen protestantischen Komponisten.

Das letzte Programm (mit Vorkonzert) stellte «Neu und alt» einander gegenüber, zunächst räumlich; so fand das Vorkonzert bei der Skulptur OGNA von Matias Spescha (1925–2008) statt, das eigentliche Konzert dann im Weiler Acladira in der Kirche Nossadunna della Glisch aus dem 17. Jahrhundert. War das vorangegangene Konzert der Walser Sphäre gewidmet, so kam hier die romanische Kultur zum Zug, repräsentiert durch Chorwerke der beiden Surselver Komponisten Carli Scherrer und Gion Balzer Casanova (beide 1938 geboren), in denen die überkommene musikalische und religiöse Tradition fortlebt (Kammerchor Altaun). Bewusster programmatischer und stilistischer Gegensatz dazu waren Bräms Ogna für vier Hörner (Hornquartett Jakob Hefti) sowie Mountain call für Horn solo (Martin Roos) während die vom Hornquartett vorgetragenen Volkslieder als Spiegelung der Vokalsätze im Instrumentalen fungierten. Werke von Liszt, Derungs und Bruckner rundeten das Programm ab.

Insgesamt boten die Musiktage Valendas eine musikalische und räumliche Vielfalt und Hintergründigkeit der Programmierung, die ihresgleichen sucht. Sie boten nicht zuletzt auch die willkommene Gelegenheit, einen Ausschnitt aus Bräms Œuvre im Konzert zu erleben. Für Thüring Bräm bedeutete die diesjährige Ausgabe auch einen Abschied: Mit dem Abschluss des Festivals übergab er die musikalische Leitung an den mit den Musiktagen bestens vertrauten Dirigenten und Flötisten Karel Valter. Man darf auf die weitere Entwicklung des Festivals gespannt sein.

 

Die nächsten Musiktage Valendas sind vom 4. bis 9. Juli 2017 vorgesehen. Informationen gibt es ab diesem Herbst unter

www.valendasimpuls.ch

 

Der Schreibende besuchte die Konzerte vom 8. und 9. Juli. 

Singstimmen emotional programmieren

Brett Mannings Methode ist unter Pop-Sängerinnen und -sängern bekannt. Der Opern- und Konzertsänger Christian Büchel berichtet, wie er sie sich angeeignet hat, und plädiert für eine ganzheitliche Gesangstechnik, die die Unterschiede zwischen Pop und Klassik aufhebt.

 Christian Büchel mit Diplom, links von ihm Brett Manning. Foto: zVg

Nach 15 Jahren Unterrichtstätigkeit an der Kantonsschule am Burggraben in St. Gallen wurde mir ein sechsmonatiges Sabbatical gewährt. Es ermöglichte mir in Nashville das weltweit erfolgreichste systematische Popstimmsystem zu erlernen und als lizenzierter Vocal Coach zu arbeiten.

Brett Manning ist der Erfinder des Singing-Success-Systems. Seine herausragende Stellung erklärt sich damit, dass er, wie es Edison so trefflich formulierte, «auf den Schultern der Giganten der Vergangenheit steht». Er beruft sich auf die italienische klassische Belcanto-Gesangstechnik von Luciano Pavarotti, auf die Speech-Level-Singing-Technik von Seth Riggs sowie viele weitere Forschungen und Erfahrungen.

Singing-Succes im Vergleich zu andern Techniken

Die klassische Belcanto-Stimmbildung arbeitet mit einer tiefen Kehlkopfposition und einer grossen Kuppelresonanz sowie einer Stütze, die kombiniert mit dem Sängerformanten (erhöhter Obertonbereich bei 3500 Hz) zu einer sehr tragfähigen, ausdrucksvollen, ausgeglichenen und bruchfreien Stimme führt, die sogar «schön klingend» ein Orchester übertönen kann. Sie fusst interessanterweise auf Wilhelm Tell, und zwar auf der Rolle des Arnold in Rossinis Oper. Gilbert Duprez sang 1837 zum ersten Mal das «Do di petto», das hohe c2 (C5), in vollem «tenore di forza»-Bruststimmklang. Er war der erste Meister der Mixed Voice, auch wenn er es nicht so nannte. Er lernte zunächst in der «alten» Schule der nasalen, leichteren, französischen Oper, um dann in Italien die südländische Kraft und körperbetonte Sprachgestaltung und den Belcanto zu implementieren. Dabei entstand die grösste stimmliche Revolution der Gesangsgeschichte. Die Kopfstimmtenöre wie Adolphe Nourrit der alten französischen (teilweise barocken, kastratenorientierten) Gesangsschule waren tragischerweise plötzlich arbeitslos. Rossini selbst nannte den Klang augenzwinkernd und ironisch «Todesschrei eines Kapauns» (kastrierter Hahn). Bis zum heutigen Tag ist diese Technik das Mass aller Dinge, die an allen Hochschulen im Opernbereich gelehrt wird, meisterlich beherrscht von Luciano Pavarotti, der eine sehr wichtige Quelle für die Singing-Success Technik ist.

In Deutschland wurde die Belcanto-Technik weiterentwickelt, indem die Kehlkopfposition immer tiefer, die Resonanz und die Atemstütze immer stärker wurden. Dadurch entstanden sehr dunkle dramatische, schwere, laute, metallische Stimmen, die in den extremen Lautstärken des Orchesters in Richard Wagners spätromantischen Musikdramen bestehen konnten.

Einen anderen Weg fand die Belcanto-Technik im französischen Impressionismus. Der Kehlkopf wurde etwas höher eingestellt, die Stimme leichter und beweglicher, verzierungsreicher «parfümiert» und die Resonanz verschob sich vor allem in die Nasalität. Die französische Sprache hat viele nasale Klänge, die auch von populären Sängerinnen wie Edith Piaf sehr stark benützt wurde.

Speech-Level-Singing von Seth Riggs (ein Lehrer von Brett Manning) ist eine der bekanntesten modernen Popstimmtechniken. Sie beachtet die Ränder der Stimmlippen etwas weniger und aktiviert die Mixed Voice vor allem durch den Pharynxresonator (Gaumenresonanzklang).

Die Musicalstimmbildung (z.B. Natalie Weiss or Jo(sephine) Estill) verwendet die sogenannte Belting-Technik, die teilweise eine zu hohe Bruststimmfunktion und meist eine hohe Kehlkopfposition verwendet.

Die Open-Throat-Technique von Ken Tamplin basiert hauptsächlich auf der sehr offenen, innerlich breiten Singweise eines einzigen Coaches ohne systematischen Ansatz und ist dadurch sehr einseitig.

Die Complete-Vocal-Technik nach Catherine Sadolin aus Kopenhagen fusst nach eigenen Angaben auf wissenschaftlichen Untersuchungen und umfasst (gemäss Wikipedia): drei Grundprinzipien (Stütze, Twang, und Vermeidung von Lippen oder Kieferspannung), vier Modes (Neutral, Curbing, Overdrive und Edge), Klangfarben (hell und dunkel) und Effekte (Verzerrer, Vibrato, Schreie, Verzierungen usw.). Sie richtet sich meiner Erfahrung nach eher an fortgeschrittene Sänger, die eine neue Perspektive für ihre Stimmbildung suchen.
So interessant diese Aspekte auch erscheinen, die Stimme fasziniert doch eher durch ihre emotionale Programmierung und weniger durch die kognitive Wissenschaftlichkeit. Ich würde sogar sagen, dass man die Stimme eigentlich nur emotional ansprechen und programmieren kann.

Die funktionale Stimmbildung von Cornelius Reid (bei dem ich Lektionen in einem Meisterkurs in München nahm) betont auch die muskuläre, wissenschaftliche Betrachtungsweise. Die Frage, welcher Muskel bzw. welche Muskelgruppe für welche Stimmfunktionen zuständig ist, ist zwar interessant, verkennt aber, dass die Stimme meist emotional aktiviert werden muss, um das Publikum auch emotional zu berühren.

Die vom Shakespeare-Schauspieler Frederick Alexander entwickelte Alexander-Technik richtete sich zunächst an die Sprechstimme und arbeitet hauptsächlich mit Körperübungen zur Vermeidung von Fehlspannungen und ungünstigen Gewohnheiten. Sie wird oft ergänzend zu einer Gesangstechnik (z.B. auch in der Musikhochschule München) verwendet.

Die Technik des Singing-Success-Systems

Die für mich umfassendste, systematische, effektivste Gesangstechnik, das Singing-Success-System, verwendet einige der obengenannten Techniken, fügt viele neue Prinzipien hinzu, kombiniert sie, ordnet sie und führt schnellstmöglich zu stimmlichem Erfolg. Durch systematische Übungen erreicht die Stimme beinah den Tonumfang einer Klaviertastatur. Brett Manning beweist auf Youtube und täglich live im Studio einen unglaublichen Stimmumfang von sechs Oktaven. Das erreicht kein Coach der obengenannten Techniken. Manning ist die erste männliche Stimme, die das Schnarrregister in der Tiefe und die Pfeifstimme in der Höhe so meisterlich beherrscht, dass er Töne eine Oktave höher als das berühmte hohe C der höchsten Frauenstimme (Sopran) und mehr als eine Oktave tiefer als das tiefe C der tiefsten Bassstimme erreichen kann.

Hier folgt stichwortartig die Quintessenz:

Die vier Grundpfeiler in der Vermittlung von Singing-Success sind

1. LIEBE
… und echtes Interesse sind die wichtigste Grundlage

2. SELBSTVERTRAUEN
… entwickeln wir durch Unterstützung und Können

3. GESANGSTECHNIK
… aktiviert stimmliche Fähigkeiten

4. ZUHÖREN
… heisst, auf alle Aspekte der Persönlichkeit zu achten

Die wichtigsten drei Prinzipien dieser Technik sind:

1. Inform the MIND: Verstehen für den zerebralen Lerntyp

2. Acclimate the EAR: Hören des richtigen Klangs für den auditiven Lerntyp

3. Coordinate the VOICE: Koordinieren der Stimme für den experimentierenden Lerntyp

all three in EQUAL ULTIMACY: Alle drei Prinzipien sollen in gleichberechtigter Vollendung verwendet werden.

Das Akronym «T-E-M-P-S» beschreibt die wichtigsten fünf Komponenten des Singens

Technical (Gesangstechnik)
Emotional (Gefühle)
Mental (Gedanken)
Physiological (Körper)
Spiritual (Geistlich)

Wichtige Prinzipien dabei sind:
«Light and right – not strong and wrong»
«First speak it – then sing it»
«You rather catch it – than you teach it»

Die TEMPS-Komponenten werden im Rahmen der Ausbildung in fünf Lektionen einzeln erörtert; die drei Grundlagen, drei Prinzipien und drei Coach-Eigenschaften in sechs weiteren Lektionen. An dieser Stelle sei nur eine besondere Beschreibung erwähnt: Es wird empfohlen die beiden Gehirnhälften durch Hören von J. S. Bachs Air und Aktivierung des Corpus Callosum (Gehirnbalken) zu verbinden. Augenbewegungen nach links und rechts bei geschlossenen Augenlidern unterstützen die verbindende Wirkung von Musik bezüglich der Aktivitäten der emotionalen-rechten und rational-linken Gehirnhälfte.

Das wichtigste Ziel dieser Gesangstechnik ist aber die sogenannte Mixed Voice. Der schwierigste Übergang (Passaggio oder Bridge genannt), um einen grossen Stimmumfang zu erreichen, befindet sich am oberen Ende der Bruststimme:
Bei einer Bassstimme ist es ca. beim kl.a, kl.b oder kl.h; bei Tenören und Altstimmen ca. beim e1, f1 oder fis1 und bei Sopranstimmen endet die Bruststimme meist beim Kammerton a1, b1 oder h1.
Um diesen Übergang zu schaffen, wird in der Klassik meist die Stütze, also der Atemdruck, aktiviert, um die Stimmlippen in ihrer Dehnbarkeit für höhere Töne immer weiter zu unterstützen und die Muskeln zu stärken. Im Singing-Success-System gibt es drei neue Strategien, um höher zu singen:

1.Stimmlippen ausdünnen, Druck und Gewicht reduzieren
2.Resonanz- und Stimmlippenkoordination werden mit Hilfe des nasalen Pharynx-Resonators beim Schalten in den nächsten Gang (ins Kopfstimmregister) eingesetzt.
3.Dämpfung der Stimmlippen. Am oberen Ende der Bruststimme werden die dehnenden Stimmlippen-Muskeln allmählich mit den komprimierenden Muskeln kombiniert und führen dazu, dass bei zunehmender Tonhöhe wie bei einem Reissverschluss immer weniger Stimmlippenanteile (Verkürzung auf ca. 1/3) zum Schwingen kommen und dadurch höhere Töne entstehen. So entsteht die sogenannte Mixed Voice, die Kopf- und Bruststimme mischt. Den Gesangsstudenten wird empfohlen, nicht zu viel darüber nachzudenken, sondern durch Imitation der Gesangsübungen die Technik für sich «einzufangen».

Aufbau von Lektionen

Zu Beginn der Lektionen werden die Studenten ermutigt, ihre Lernschritte immer akustisch z.B. auf dem Handy aufzuzeichnen, um sie zu Hause als Übungsanleitung täglich zu wiederholen. Zu keiner Gesangstechnik der Welt gibt es so viele frei erhältliche YouTube-Videos zu jedem denkbaren stimmlichen Problem. Ausserdem sind über 100 Übungen systematisch auf 7 Technik-CDs des Singing Success 360™ Systems geordnet. Ergänzt wird diese Basis durch 7 Style-CDs, die CDs Mastering Mix, die Videos und Aufnahmen von Mastering Harmony und Mastering Vibrato. Des Weiteren gibt es 3 DVDs mit den Top 7 Exercises von Dave Brooks, Jessie Nemitz und Brett Manning sowie ein riesiges Lektionenarchiv auf Singing Success TV für Abonnenten. So kann jeder Schüler neben den Gesangslektionen mit CD-Hilfen die Gesangsprinzipien systematisch üben.
An dieser Stelle folgt eine äusserst kurz zusammengefasste Beschreibung der Übungen und des typischen Ablaufs einer Lektion.

1. Begrüssung

Fragen nach Befindlichkeit, ehrlicher, interessierter Small Talk, Projekte

2. Aufwärmen

Summen «M» oder «NG» 123454321 als Dur- oder Molltonleiter eventuell auch «swing-phrasiert» 1-23-45-43-21. Frauen: kl.f oder höher; Männer: gr.G oder höher.
Lippenflattern mit Ton und Wangenhochhalten mit Daumen und Zeigefinger
«BBB» 1-3-5-8-5-3 1358531 und mit der «Rossini»-Dur-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1 (erstmals beschrieben in L’art de chanter. Laut Heinrich Panofka (1853) ist Rossinis Skala inspiriert durch Beethovens Septett Es-Dur op. 20) oder Zungenflattern «RRR» mit Ton. Anfangston Frauen: ca. kl.g Herren: ca. gr.G

Hinweis: Die tiefe Zwerchfell-Bauchatmung wird verwendet. Atemübungen werden aber nicht überbetont, weil die Stimmübungen den Atem bestimmen sollen und nicht die Atemübungen die Stimmfunktionen. Je nach Stimmlage beginnen die Übungen bei Männern zuerst ca. beim kl.c (oder tiefer) und bei den Damen beim kl.f (oder etwas höher).
Der stimmliche Zugang ist zunächst wie der eines Kindes: intuitiv und emotional. Es wird der Übergang zur Kopfstimme bewusst leicht und ohne Angst vor den Brüchen spielerisch gestaltet. Sollten uns nicht bereits Gesangsübungen zu Tränen rühren oder zum Lachen bringen? Auf jeden Fall!

3. Kopfstimmübungen

«Hui» Juchzen wie auf einer Schaukel durch Glissando (rauf und runter) z. B. Imitieren einer Polizei-Sirene «Ui» oder «hu-hu» als Rufterz (53) oder 54321 in der Kopfstimme.
«U» oder «BU» 1-3-5-8-8-8-8-5-3-1 mit Zwischenatem (klingt ein wenig wie ein Äffchen).
«Oui» 5432-4321-3217-1 oder 13-24-35-42-31-29-1
«i» oder «u» staccato 1358531
«GUGU» oder «Uiuiui» 8888531 oder 1358888531 oder Rossini Scala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1
«U» oder «UOU» weiches swingendes Trompeten-«B», «Gi» oder «Go» Rossini-Skala 1-3-5- 8-10-12- 11-9-7- 5-4-2- 1
Wichtig: entspannter weicher musculus digastricus (Zungengrund) bis zur Pfeifstimme
Tonfolge wird chromatisch oder mit 153853-1538~~~~~~531 (= Mixed Octave)
«B(U)» Kugelfisch staccato 1-3-5-8-5-3-1 staunend, Nase zuhalten, der Luftdruck im Mund kippt den Kehlkopf nach unten und es ergeben sich hohe, leise und dichte Kopfstimmtöne. Die Kopfstimme wird mit allen Stimmgattungen bis zur Pfeifstimme entwickelt, was eine erste Besonderheit der Singing-Success-Technik ist.

4.a) Vocal Fry* (=Schnarrstimme)

«ich bin sooo müde» Imitieren eines schläfrigen morgendlichen Schnarrklangs auf dem «M», den Vokalen «A» oder «O» Tonfolge: 54321 geht in die extreme Tiefe bis die Töne nur noch schnarren; eher leise und entspannt, aber mit dichtem, schnarrigem Stimmschluss.
1.Schnarriges Summen auf «M» in der swingphrasierten Mollskala 1-23-45-43-21
2.«oh yeah» gesprochenes Glissando in die Schnarrstimme
3.«M» 54321 ins Vocal Fry (Schnarrstimme) schnarren
4.«O» 12345678-987654321 schnarrig von Vocal Fry zur Bruststimme

4.b) Bruststimme

Es werden zuerst die Ränder der Stimmlippen dünn und dicht koordiniert und anschliessend mit mehr Masse, Lautstärke, Stütze und Tiefgang erweitert. Zur Erweiterung der Schnarrstimme und zur Stärkung der Bruststimme werden hier folgende Übungen aus Mastering Mix verwendet:
1.«BABA» 123454321 schnarrend beginnen und in die Bruststimme gleiten; Männer: gr.A, Frauen: kl.f
2.«Uaa», «HA», «Ä» 123454321 Vocal Fry zur Bruststimme; Männer: gr.G; Frauen: tiefes kl.g
3.«Ä» 13 24 35 42-13 24 35 42 1 das ist der breiteste Vokal; Frauen bitte nicht zu kopfig, Männer nicht zu bruststimmig; Männer: gr.G; Frauen: tiefes kl.f
4.«HEY» ohne Tonhöhe aber ehrlich verärgert: «Hey, das ist mein Velo, das du gerade stiehlst»; Glissando rauf und runter
5.«YEAH YEAH YEAH» 54321 mit einer Betonung auf jedem Yeah; Männer: kl.d; Frauen c1 abwärts
6.«O» 123454321 (=schlankes O); Männer: gr.A; Frauen: tiefes kl.f
7.«YEAH YEAH YEAH» 1358888~~531 erste Übung mit Vibrato; Männer: gr.G; Frauen: tiefes kl.f

4.c) Edge Voice

Zur Erweiterung der Schnarrstimme werden im Mastering Mix-Kurs die Stimmlippenränder (= Edges) in folgenden Übungen trainiert:
1.«A» 123454321 zarter Vocal Fry mit entspanntem Kinn, weniger resonanzbezogen, eher auf Vibration bezogen, Glissando rauf zur Kopfstimme hin eliminiert alle Stimmbrüche; Männer: kl.d; Frauen: kl.a
2.«A» 123454321 im «Messa di voce» beschreibt einen Stimmsitz und das gleichmässige lautstärkenmässige Anschwellen und Abschwellen der Stimme. Er beginnt und endet im «Mezza voce». Das heisst «mit halber Stimme» und beschreibt ein dichtes ränderbezogenes Pianissimo. Bitte nicht zu viel «quetschen», sondern «light and right»; Männer: kl.f; Frauen: e1
3.«A» oder «Mmm»; «U»; «Miau» staccato! Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1; Rändertherapie: klarer Beginn ohne musculus digastricus (ohne Beteiligung des Zungengrund-Muskels) Männer: gr.F#; Frauen: kl.f#1
4.«A» 2 Legato-Töne & 1 Staccato-Ton Rossini Scala 1-3-5 8-10-12 11-9-7 5-4-2 1 (ähnlich einem Walzergefühl); Männer: gr.G; Frauen: kl.es
5.«UUU UOA» 1358~~~8~~~8~~~531 Ränder anschwellen; Männer: c1 abwärts; Frauen: f1 abwärts
6.13531 wie «GLUGG» Extremer Ränderstimmschluss (wie unter Wasser Sprechtöne oder das Geräusch beim Trinken aus einer Flasche, ein Kugelfischgefühl); bitte eher selten und behutsam üben! Männer: kl.e; Frauen: kl.h
7.«BA» mit betontem Konsonanten Rossini Scala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1; Männer: gr.F#; Frauen: kl.es

Kurze Erholungspause («Wie geht’s dir gerade, welche Lieder/Sänger/Sängerinnen gefallen dir?»)

5. Pharynx Klänge*

Der «vergessene» Resonator (aus: The Vocal Truth des Stimmwissenschaftlers E. Herbert Caesari)
Die Schaltstelle zwischen Kopf- und Brustresonanz ist vor allem der weiche Gaumen. Die Aktivität des sogenannten Zäpfchens und der Gaumenbögen sind entscheidend für das richtige, ausgeglichene Verhältnis zwischen Mund- und Nasenresonanz beim Singen. Ähnlich wie beim ausgeglichenen Stimmlippenschwingungsverhältnis zwischen Kopf- und Bruststimme entsteht hier auch eine Resonanzbalance bzw. der Mix. Der Pharynxresonanzraum wird auf Deutsch Rachenraumresonanz genannt. Dazu werden das Gaumensegel und der Mixklang folgendermassen trainiert:

«NG» wie im Wort «sing» Nasen- und Gaumen- bzw. Rachenresonanz-Klänge oder Summen mit Schnarren und Nasenresonanz «M» mit der Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1
«M-M» 1358531 staccato: wie wenn man «Nein» mit geschlossenem Mund meint.
«M» 1-8-1 Oktavenglissando über die Übergänge hinweg.
Das Schnarren der Randstimme muss auf jeder Tonhöhe funktionieren bzw. geht in der Höhe in eine leichte dichte Kopfstimme über.
Auch hier findet man weitere Mastering Mix-Spezialisierungen für den «pharyngeal Sound» (=Pharynx-Rachenklang)
1.«NG» legato 123454321 Männer: kl.c, Frauen: kl.a mit dem trompetenartigen Klang durch die Übergänge gleiten
2.«NG», 2. Mal «M» schnelles Legato: Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1 bei den Übergängen kann es zittrig sein, das schnelle Tempo trainiert die Muskeln; Männer: gr.F; Frauen: kl.d
3.«NG» oder «M» Intervallglissando wie eine Sirene (ohne exakte Tonhöhe) rauf in die Kopfstimme und runter in den Vocal Fry gleiten
4.«ONS» französischer Klang 12345~~~ 4321 erster Pharynx-Klang mit offenem Vokal und Vibrato. klarer Glottisbeginn (nicht mit luftigem «H»); Männer: gr.A; Frauen: kl.g
5.«O-O-O», «A-A-A» 333-333 3~~~~ 222-222 2~~~~ 111-111 1~~~~ Affensound oder Tennisschuh-Quietschklang wie ein Husten-Stimmschluss; Männer: sehr hohes c#1; Frauen: f2, es fühlt sich innen leicht und aussen laut an.
6.«NEY» 1358888531 sehr schnelles Tempo, kein Knödelklang, nicht kehlig; Männer: kl.c; Frauen: kl.f
7.«NiNi» sehr schnell: Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1; Männer: gr.C; Frauen: kl.f#
8.«NEH» (= «nea» oder «ne») 1358888531 nicht zu weinender Klang, zum ersten Mal ein ausgeglichener schöner Mix-Klang
9.«MIAU» Glissando rauf und runter, eher wild und vorwurfsvoll

6. Mixed Voice*

6. Mixed Voice*
Kopfstimme mit dichter Randschwingung, mehr Masse und stärkerer Stütze
a) Light Mix:
«M» 1-8-1 Glissando oder in «W(u)» oder «SCH(i)» mit der Rossini-Skala
«NG» Rossini Scala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1
Erstes Mal «GUGU», zweites Mal «NUNU» Rossini Skala
«M» das zweite Mal laut mit «MAAAA!» Rossini Skala zweimal singen, Oberkörper vorbeugen
b) Heavy Mix:
«MAM» 8888~~~~~531 oder 1358888531 eher laut und sehr weinerlich: Mix-Repetition und 1358888~~~~ 531 Repetition & langes Vibrato
«BA» oder «GA» 8888531 oder Rossini Scala; Kehlkopf wie bei Count Dracula elegant tiefhalten
«MIAU» 8888531
«NÄNÄ» oder «MÄMÄ» eher hässlich mit rausgestreckter Zunge in der Rossini Skala
«MUM» (= MAM) 1358888531 und 1358888~~~~~ 531
Es gibt einen «light Mix», «balanced Mix», und den «heavy Mix» 1358888531
sprich «Mi-» 1-5-«au» «mi-» 5-1 «au» Glissando 1-55-1 «Yeah-Yeah» oder «Ne-y ne-y»
Mixed Voice durch Haltetöne stabilisieren 1358888——531

Zusammenfassend kann man auf der Mastering Mix CD 5 The basic workout bzw. die allerwichtigsten Basisübungen für die Entwicklung des Mix als wichtigsten roten Faden für den Unterricht finden.
1.«BBB» Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1 mit «Fingergriff» an den Wangen, um einen dunkel blubbernden lockeren Motorboot-Klang zu erreichen; Männer: gr.F; Frauen: kl.f
2.«Wee» = «OUI» 8888531; Männer: hohes c2; Frauen: hohes g2 (Zungengrund und den musculus digastricus entspannen!)
3.«MAM» Rossini Scala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1; Männer: gr.H; Frauen: kl.d
4.«GO» = «GOU» 1358888531 festhalten und loslassen zur gleichen Zeit «Donʼt oversing»; Männer: kl.c; Frauen: kl.g bei hohen Tönen Oberkörper vorlehnen oder Wurfbewegung machen
5.«BA» sehr schnell mit tiefem Kehlkopf und schlafmützig; Männer: gr.F; Frauen: kl.es; Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1
6.«No!» 1358888~~~~531 verärgert wie ein kleines Kind, das es sehr ernst meint. Kehlkopf tief halten und Vibrato verwenden; Männer: kl.c; Frauen: kl.g
7.«NUH» (=«Nua») Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1; Männer: gr.G; Frauen: kl.es
8.«NUNONA» und «NINENÄ» 1358~~8~~8~~531; Männer: kl.c; Frauen: kl.g (vgl. CD 7 Singing Success). Beim Öffnen der Vokale «U» und «l» mit Vibrato nur ganz behutsam zum «A» und «Ä» wechseln und aufpassen, dass man den Mix nicht verliert und die Bruststimme plötzlich den Kehlkopf nach oben drückt.
9.Warmdown: «MAM» ohne genaue Tonleitertöne 2-3-mal (mit einer Minute Pause dazwischen) von sehr hohen zu sehr tiefen Tönen gleiten um das Gewicht der vorherigen Übungen wieder zu entspannen.

Es gibt drei Arten von «Vocal Chord Connections» (Stimmlippen-Kontaktarten), die je nach stimmlicher Disposition unterschiedlich hilfreich sind.
1.Edge Connection (Ränderkontakt): Ausgehend von der Koordination der Ränder wird nach und nach mehr Muskelgewebe involviert. Die Ränderübungen helfen dabei, die Stimmlippenrandschwingungen während der Übergänge zwischen Brust- und Kopfstimme neu zu koordinieren und zu stärken, indem zunächst Gewicht, Masse und Druck reduziert werden.
2.Pharyngeal Connection (Gaumenkontakt): Die Gaumenresonanzübungen helfen der Stimme, die Mischung zwischen Voll- und Randschwingung zu erlernen, indem Kopf- und Brustresonanz ausgeglichen in ihrer Mitte bzw. am Gaumen gemischt werden.
3.Hoot Connection (Juchzerkontakt): Durch die tiefe Kehlkopfposition beim Juchzen bzw. beim gedeckten oder «cupo»-Ton der klassischen Stimmbildung gewinnt die Stimme an Raum, um zu wachsen. So wird Lautstärke, Grösse und der Sängerformant verstärkt, der eine Stimme im empfindlichsten menschlichen Gehörsbereich von 3500Hz verstärkt und dadurch Tragfähigkeit über ein Orchester hinweg erreicht.

Der «einfachste Workout» besteht aus folgenden Übungen:
1.Lippenflattern BBB Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1 oder Oktavenarpeggio
2.Bruststimmübung: 123454321 «mam» oder «a» in gemütlicher Tiefe
3.Kopfstimmübung: «oui», «gu» chromatisch 123454321 oder Oktavenarpeggio Beginn beim 1. Übergang: Sopran: a1; Alt und Tenor e1; Bass: kl.a
4.Pharyngeal: «Ney» oder «nah» Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1 oder Oktavenarpeggio
5.Edge-Übung: piepsiges «m» staccato Octavenarpeggio
6.Mix-Übung: «MUM» (= «MAM») oder «bah» 1538888531 oder 1538888——-531 Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1 oder Oktavenarpeggio
7.Song mit Anwendung der Mixed Voice

Einer der wichtigsten Hinweise für den Gesangslehrer: «Do not overteach… let the student figure it out by himself» … frei übersetzt: «Hilf dem Schüler nicht zu viel … er soll es selber finden».

Als Ausblick auf die umfangreichen 7 Style CDs von Singing Success 360 möchte ich folgende Übungen exemplarisch erwähnen: Sie stammen von der Style CD No.3 Lektion 2 und heissen «Licks, Trills and Runs», was sinngemäss soviel heisst wie «Phrasen und Verzierungen».

1. Durpentatonik Skala 123 235 356 568— 865 653 532 321; der 4. und 7. Ton einer Durtonleiter werden ausgelassen. Frauen: kl.g; Männer: kl.c#

2. Mollpentatonik Skala 134 345 457 578— 875 754 543 431 3171; der 2. und 6. Ton einer Molltonleiter werden ausgelassen, es ergibt sich eine Triole mehr als bei Durpentatonik; Frauen: kl.g, Männer: kl.c#

3. Harmonische Moll-Skala-Adaption von Bachs d-Moll Cembalokonzert, 1. Ton betonen: 5127-1342-35645— 85 64 53 42 31 27-1; Frauen: kl.a; Männer: kl.a

Diese Phrasen werden anschliessend zum freien Improvisieren über einer gleichbleibenden Akkordfolge frei verwendet. z.B. |: h-Moll G D A 😐

Die weiteren 6 CDs des Mastering Mix Systems sprengen den Rahmen dieser Ausführungen und werden deshalb nur kurz erwähnt: Sie werden zur Vertiefung der Technik und zur Anwendung der Techniken in Songs verwendet und wurden von mir systematisch in Englisch beschrieben. Diese Unterlagen sind selbstverständlich auf Anfrage erhältlich.

CD 6: Die Übergänge (=Bridges oder Passaggio)
CD 7: Mixed Voice Typen (=light, hard, balanced, nasal, denasal, 3 Larynxpositionen)
CD 8: Normalisierung des Mix (Lippenflattern, Babyweinen, Lachen, Kugelfisch, Zungenrinne)
CD 9: Mix nur mit Vokalen (Verbinden von allen Vokalen im gesamten Tonumfang)
CD 10: Mixanwendungen in Phrasen mit 5 Masterclass-Sängerinnen und -Sängern
CD 11: Mixanwendungen in 2 Songs mit stimmlich-interpretatorischen Erklärungen
CD 12: Morgendlicher Warmup & Nach-Konzert-Warmdown-Übungen

Kurze Pause für den Studenten («Welches Lied möchtest du singen, lass es uns kurz anhören …»)

7. Anwendung

Heavy oder light Mixed Voice in einem Song:
Zuerst emotional mit Vocal Fry-Aspekten den Text sprechen und dann die Konsonanten als emotional betonte Sprungbretter für die Vokale verwenden. Zuerst eine entspannte Balance mit Schnarren und Vokalen suchen.
Singen der Melodie mit «NÄNÄ» für den Hard-Mix oder «MAM» für den Light-Mix.
Oft werden auch die oben erwähnten improvisierenden «Licks», «Trills» und «Runs» als Verzierungen im gewünschten Stil verwendet. Diese Verzierungen und der typische Stilklang werden in den 7 Style-CDs des Singing Success 360 Systems systematisch geübt und in jeder der 10 wichtigsten modernen Popstilrichtungen mit einem Beispielsong angewendet.
Um einen unverwechselbaren, leicht hauchigen rauen Klang zu entwickeln und einen unverwechselbaren «texture»-Persönlichkeitsklang zu erreichen, werden folgende Übungen eingesetzt: Stimmhafte Konsonanten wie «W» oder «Sch» (=«J») oder «Z» und alle dichten Vokale mit einem leicht hauchigen «H» als Zwischenraum werden mit der Rossini-Übung angewendet.
Sie helfen auch stimmtherapeutisch, um einer zu schwach mit Atem unterstützten, gequetschten oder überdrückten Stimme zum dichten Mixklang zu verhelfen. Weitere Therapieübungen sind: freies Glissando mit Vocal Fry, «NG» und sanfte «Edge»-Ränderübungen (siehe 4b).

Brett Manning hat oft mit überbeanspruchten Stimmen zu tun, die meist als Folge übertrieben vieler, mit falscher Technik gesungener Konzerte entstehen. Für viele Sänger sind das existenziell bedrohliche Situationen. Manning lehrt neben stimmtherapeutischen Übungen auch das sogenannte «Screamen» im harten Rockbereich. Es gibt eine gesunde verzerrte Art des «Schreiens»: Babies sind die grössten Rockstars … sie «screamen» stundenlang ohne heiser zu werden. «UÄ-UÄ-UÄ»

Schlüsselfragen der Songgestaltung: Wer? Wann? Was? Warum? Wo? Wie?
Zusammenstellen mehrerer Songs zu einem Konzert: Gesamtablauf und Balance zwischen entspannten und energetisierenden Liedern beachten; geschickte emotionale Dramaturgie entwickeln; wellenartiger Ablauf bis zum Höhepunkt am Schluss mit sanfter Zugabe.

8. Warmdown

Wie bei einem Sportler ist das lockere «Auslaufen» nach dem Training wichtig, um die Muskeln zu entspannen und Muskelkater vorzubeugen. Folgende Übungen helfen dabei: «BBB» lockeres Lippenflattern in die Tiefe zum «Aussingen» 54321 oder «Ououou» 54321 oder sanfte Rossini-Skala 1-3-5-8-10-12-11-9-7-5-4-2-1

Hausaufgaben: Es werden gewisse Übungen der CDs als Aufgabe zur Repetition empfohlen oder einfach die Wiederholung der Lektionsaufnahme.

Impulse aus dem Unterricht

Nashville ist die Hauptstadt der Country-Musik. Sie trägt auch den Übernamen «Music City USA»: Alle wichtigen internationalen Pop-Musik-Labels haben ihre Studios in der sogenannten «Music Row» (16th Avenue) in der auch Brett Manning seine Gesangsschule hat. Die besten Studiomusiker und Studiosänger der Welt leben in Nashville. Im Gegensatz zur Grossstadt New York oder der Filmstadt Los Angeles ist der amerikanische Südstaaten-Dialekt in Tennessee sehr ausgeprägt und rein sprachlich bereits immer in der sogenannten Mixed Voice vertreten. Typische Elemente dieses Dialekts sind hohes Schluchzen, aber auch tiefe männliche Schnarrstimme und starke Resonanzen in Gaumen (Wangen-, Stirn- und Nasenresonanz «Maske»). Ausserdem kann man folgende Begriffe stilprägend finden: Ehrlichkeit, Offenheit, Religiosität, («Bibelbelt» und Southern Gospel), traditionell, ländlich, unkompliziert und gastfreundlich. Oft wird in einem Wort der Vokal «A» zusätzlich eingeflochten: Wortbeispiel: «Watch my hand» («häAnd») oder «ÄmbiuläAns» für «Ambulance» das ist der sogenannte «Southern Drawl» (Südliche Akzent).

Die Singing-Success-Übungen auf insgesamt über 1000 Tracks und ca. 43 CDs und DVDs und unzähligen Online-Videos helfen, die Techniken zu wiederholen und im Unterbewusstsein zu automatisieren. Sie ergänzen den Vocal Coach und gehören zur wichtigen täglichen Workout-Routine.
Diese Gesangsübungen sind so systematisch wirksam, dass man auch ausserhalb der gewohnten Komfortzone den teilweise ungewöhnlichen Übungen vertrauen kann und dadurch singend Erfolg bzw. Singing Success erreicht.

Brett Manning ist der lebende Beweis, dass die Beschränkungen in der Stimme vor allem mental sind. Er beherrscht alle Bereiche der Stimme (sogar die Pfeifstimme der Frauen) und kann erklären und unterrichten, wie dieses Seelen-Instrument am besten funktioniert. Seine Persönlichkeit ist die eines ehrlichen Entdeckers, der seinerseits täglich von jedem Studenten und Mitarbeiter lernt. Von keinem Vocal Coach gibt es mehr frei erhältliche Youtube Videos, die sprichwörtlich zu jedem stimmlichen Problem eine Lösung aufzeigen. Was für eine unglaubliche Öffnung und Bereicherung der Gesangslandschaft.

 

Kanton Bern zeigt «Melody of Noise»

Der Dokumentarfilm «Melody of Noise» von Gitta Gsell zu musikalischen Klangtüftlern aus der Schweiz hat Eingang gefunden in eine Auswahl an Kandidaten für den Berner Filmpreis, die als «Sélection» in den Kinos des Kantons gezeigt werden.

Szene aus «Melody of noise», zvg

Der Film begleitet laut Synopsis «Musiker und Musikerinnen, denen das bestehende nicht genügt». Düsentriebs in der Musik, die sich mit Leidenschaft neuen, unbekannten, noch nie gehörten Klängen verschrieben haben. Sie bauen neue Instrumente, arbeiten mit Alltagsgeräuschen und oft wird dabei der vordergründige Lärm zum Klang.

Die Regisseurin Gitta Gsell, die schon den Film «Bödälä – Dance the Ryhthm» realisiert hat, porträtiert Musiker und Musikerinnen, die nach neuen Klängen suchen. Die Protagonisten sind Bruno Spoerri, Julian Sartorius, Stefan Heuss, Bubble Beatz, Peter Roth, Andres Bosshard, Saadet Türköz und Big Zis.

Die Filme der Berner «Sélection» werden als Auswahlschau des aktuellen Berner Filmschaffens am «Berner Filmpreis Festival / Le Festival du prix bernois du cinéma» gezeigt. Während der folgenden zehn Tage spielen die beteiligten Kinos und Kulturhäuser die Filme der «Sélection», vielerorts begleitet von Diskussionen mit den Macherinnen und Machern. Die Besucherinnen und Besucher des Festivals haben die Möglichkeit, zwei Publikumspreise zu vergeben.

Abschluss und Höhepunkt des «Berner Filmpreis Festival / Le Festival du prix bernois du cinéma» bildet die Bekanntgabe der Preisträgerinnen und Preisträger der  Publikumspreise und der Berner Filmpreise 2016 am Sonntag, 30. Oktober 2016, 16.30 Uhr, im Kino Lichtspiel in Bern.

Mehr Infos:
www.bernerfilmpreisfestival.ch

Einigung über Salle-Modulable-Nutzung

Das Luzerner Theater, Lucerne Festival, das Luzerner Sinfonieorchester, der Südpol und die Freie Theater- und Tanzszene der Stadt haben sich mit Blick auf die Salle Modulable auf räumlich-technische Lösungen für ein produzierendes Theater geeinigt.

Visualisierung: Stiftung Salle Modulable

Die Lösungen ermöglichen laut einer Mitteilung des Stiftungsrats Luzerner Theater «Produktionen in diversen Grössen, entsprechen dennoch den Vorgaben des Butterfield Trust und können innerhalb des bestehenden Investitionsrahmens realisiert werden».

Zusätzlich zum ergänzten Raumprogramm werde von den Kulturpartnern neu auch ein Betriebsmodell favorisiert, das den Abläufen des produzierenden Theaters und den Interessen aller Nutzer gerecht werde. Die Eckpunkte der Konsenslösung seien:

  • Neue, auch kleinere Saalkonfigurationen ermöglichen sowohl innovative also auch traditionelle Produktionen unter ganzjährig realistischen Rahmenbedingungen. Bühnengrösse, Orchestergraben und Platzangebot können optimiert werden für kleine und grosse Produktionen von Barock über romantische Oper bis hin zu zeitgenössischen Werken. Dies macht die Nutzung des grossen Saals nun auch für die Freie Szene interessant.
     
  • Für die bislang fehlenden Nutzflächen wurden entweder direkte Lösungen gefunden oder sie wurden in das offizielle Raumprogramm für den Architektur-Wettbewerb aufgenommen.
     
  • Das erarbeitete Betriebsmodell ist für die Abläufe eines produzierenden Theaterbetriebs geeignet und berücksichtigt zudem die Abstimmungen unter den künftigen Nutzern. Das Haus wird künstlerisch massgeblich von einem Intendanten geprägt, der nicht über den Intendanten der anderen Nutzerorganisationen steht, sondern der Vision Theater Werk Luzern TWL verpflichtet ist. Die Intendanten arbeiten partnerschaftlich zusammen. Eine dritte Managementebene wird nicht mehr favorisiert.

Bild: Visualisierung einer möglichen Innenansicht, Grosse Bühne im Neuen Theater Luzern / Salle Modulable: Offene Flachbodenanordnung mit mehreren Bühnen.

 

New-York-Aufenthalt für Thierry Gnahoré

Der Rap-Musiker Thierry Gnahoré und der Film- und Videoschaffende Tim Dürig werden von Februar bis Juli 2017 das Atelier der Stadt Bern in New York bewohnen. Das Stipendium ist mit 15‘000 Franken dotiert.

Foto: Altug Karakoc/flickr.com

Thierry Gnahoré, 22-jährig, vertritt laut der Mitteilung der Stadt eine neue Berner Rap-Generation; unter dem Alias Nativ ist er auch ausserhalb der Berner Rap-Szene zum Begriff geworden. Anfang 2016 wurde er mit dem Lyrics-Award für das beste Gratisalbum ausgezeichnet.

Sein letztes, im Netz veröffentlichtes Projekt «Candomblé» wurde innerhalb von 48 Stunden über 2000 mal heruntergeladen. Seinen Stil bezeichnet Thierry Gnahoré als «eine Mischung zwischen Funk, Soul, Jazz und geradlinigem HipHop, schwer beeinflusst durch den Ostküsten-Rap der 90er Jahre».

Nach New York will er «ausgerüstet mit einem Laptop und einem Drumcomputer reisen, sich musikalisch weiterentwickeln, sich mit lokalen Musikern austauschen, an Jams oder Cyphers teilnehmen und herausfinden, welchen Einfluss die Umgebung auf die Musik hat».

Tim Dürig, 24-jährig, erarbeitete sich sein Know-how als Film- und Videoschaffender autodidaktisch während seiner Ausbildung zum Mediamatiker. In den letzten Jahren konzentrierte er sich in seiner filmischen Tätigkeit auf die Zusammenarbeit mit Musikerinnen und Musikern, vorwiegend aus der einheimischen aber auch aus der internationalen HipHop-Szene. In New York plant er neben anderen Aktivitäten in Zusammenarbeit mit Gnahoré eine Dokumentation.
 

Kanton Bern ehrt Barbara Balba Weber

Die Musikvermittlerin Barbara Balba Weber ist mit dem mit 10’000 Franken dotierten Kulturvermittlungspreis des Kantons Bern ausgezeichnet worden. Der Verein Lichtspiel / Kinemathek Bern erhält den mit 30’000 Franken dotierten Kulturpreis 2016.

Foto: Melanie Scheuber

Barbara Balba Weber habe bereits als junge Konzertveranstalterin Programme entwickelt, in denen sich die Werke gegenseitig kommentieren und «vermitteln», schreibt der Kanton Bern. Heute sei sie Expertin für künstlerische Musikvermittlung. Sie ermögliche Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen immer wieder eine direkte Begegnung mit dem musikalischen Kunstwerk und garantiere immer «von Neuem überraschende und einmalige Hörerlebnisse und ein echtes ‚Begreifen‘ der Musik, weit über das blosse musikwissenschaftliche Einordnen hinaus».

Barbara Balba Weber leitet den nationalen Prozess «Kompass Musikvermittlung» und hat kürzlich «pakt bern- das neue musik netzwerk» ins Leben gerufen. Als Professorin arbeitet und lehrt sie an der Hochschule der Künste Bern, als Gastdozentin ist sie an Hochschulen im ganzen deutschsprachigen Raum tätig. Aktuell schreibt sie an einer Dissertation zur Künstlerischen Musikvermittlung.
 

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