Jürg Frey: Das Spiel mit der Stille

Der Schweizer Komponist und Klarinettist Jürg Frey wurde 1953 in Aarau geboren, wo er heute auch lebt. Unter Thomas Friedli studierte er am Conservatoire de Musique de Genève und betätigte sich danach als Klarinettenlehrer und Komponist. Fast seit deren Anfang war Jürg Frey Teil der zur Gruppe Wandelweiser, die 1992 von Antoine Beuger und Burkhard Schlothauer gegründet worden war, und zu der nebst gleichgesinnten Komponisten auch ein Noten- und Tonträgerverlag gehören. Frey hat unter anderen an der Universität der Künste, Berlin, der Universität Dortmund sowie an der Northwestern University und am California Institute of the Arts Workshops geführt. In Aarau organisierte er die Konzertserie Moments Musicaux Aarau als ein Forum für Gegenwartsmusik. Dieses Gespräch wurde im November 2015 am Huddersfield Contemporary Music Festival geführt.

Jürg Frey in Huddersfield im November 2015. Foto: Brian Slater/HCMF

1973, als Sie zwanzig waren, welche Musik haben Sie damals so gehört?
Jürg Frey: Mein Einstieg geschah über Free Jazz und von da aus zur Zeitgenössischen Musik. Klassik war auch da, aber am Rande. Das Studium war dann klassisch. Der Saxofonist John Surman gefiel mir sehr gut, zumal ich zu der Zeit selber viel Saxofon spielte.

Die englische Szene hat Ihnen mehr zugesagt als die amerikanische?
Ich habe das Gefühl, dass dies tatsächlich so war. Klar – Christian Wolff, ein Amerikaner, aber vor allem auch Cornelius Cardew, ein Engländer. Selbstverständlich habe ich aber vieles gehört. Auch Stockhausen, Boulez, Nono. Aber es gibt ja immer Sachen, die man hört, und Sachen, die einen elektrisieren. Und das waren schon Cardew, das Scratch Orchestra, und Christian Wolff. Ebenfalls sehr beschäftigt hat mich das Album, das die Rockband Deep Purple mit einem Orchester aufnahm. Wie ich mich erinnere fand ich das unglaublich. Vor zwei Jahren habe ich es mir wieder einmal angehört. Es war nicht mehr so interessant, musikalisch. Aber sozial war das sicher ein interessantes Experiment.

Was ging Ihnen durch den Kopf bei der gestrigen Aufführung der beiden Quartette in der St. Paul’s Hall?
Mit dem Ensemble Quatuor Bozzini arbeite ich schon lange zusammen. Isabelle Bozzini, die Cellistin, sagte mir gestern, dass die erste Aufführung von den beiden Stücken im Jahr 2001 stattfand. Seither waren wir immer in Kontakt. Es war sicher eine der besten Aufführungen, die ich erlebt habe von den zwei Stücken, sehr konzentriert. Das andere war das: So ein Saal, mit so vielen Leuten, das ist für mich ungewöhnlich. Es war eine schöne Erfahrung, zu sehen, dass es möglich ist, dass ein ganzer Saal so lange konzentriert bleiben kann. Es war gut zu erfahren, dass die Musik einen Saal trägt über eine ganze Stunde. Das hängt einerseits von der Interpretation ab, aber es ist auch dem Stück zuzuschreiben. Das Stück kann das.

Können Sie den Vorgang des Komponierens beschreiben?
Ich fange mit einer Wolke an, wo noch überhaupt nichts klar ist. Ich schreibe einfach Sachen auf. Der Vorgang des Schreibens ist wichtig, einfach schreiben, ich liebe das. Manchmal sind es Sachen, die sind gar nicht im Stück, das ich schaffen will. Es ist nicht so, dass ich mir sage: Das kommt am Anfang, das in der Mitte, das am Schluss. Ich arbeite viel mit Skizzenbüchern, schreibe und zeichne von Hand. So fliege ich in der Wolke nach oben, bis ich sehe, dass sich an gewissen Orten gewisse Sachen etwas verfestigen, dass dort etwas zu finden sein könnte. Das ist dann der Moment, wo man zwei Stockwerke hinunter geht im Haus und sich ans Klavier setzt. Man weiss aber natürlich schon jetzt, wie es tönen wird. Aber der Kontakt zum Machen des Klanges ist wichtig. Und eigentlich ist es auch gut, etwas Bewegung zu haben zwischenhinein. So ist es dann, wie wenn sich die Wolke zu Material verdichtet.

Wie beim Dichten. Ein Satz fällt ein, ein anderer, ein anderer, plötzlich sieht man einen stimmungsmässigen Zusammenhang und schiebt die Sätze zusammen.
Genau. Das kann man sich so vorstellen. Ein paar Sachen sind intuitive Entscheidungen, aber es gibt auch ganz rationale Entscheidungen.

Das klingt recht spielerisch. Spielt der Zufall eine wichtige Rolle?
Es mag ein bisschen spielerisch klingen, wenn man das so sagt. Aber es ist kein Spiel. Ich arbeite nicht mit Zufall wie es Cage gemacht hat. Man stellt gewisse Fragen, und sucht dann Antworten.

Können Sie beschreiben, wie Sie Stille entdeckt haben?
Schon meine ganz ersten Stücke aus den 70er-Jahren sind sehr ruhig. Es gab nicht eine Entdeckung in dem Sinn. Es gibt ja Kollegen, die machten am Anfang heavy Musik, und sind dann auf einmal leise geworden. Bei mir war es schon am Anfang still, aber dann gab es eine Verschärfung auf die Stille. Das war anfangs der 90er-Jahre. Das hängt auch mit Wandelweiser zusammen. Die Gruppe war damals gerade am Entstehen. Das war die Initialzündung, dass diese Leute zusammenfanden. Es hatte die Radikalisierung der Möglichkeiten zur Folge. Man kann in einem Stück auch mal zehn Minuten still sein! Dies nicht im Sinne von Cage, wo man dann alles andere hört, sondern im Sinne von einer Entscheidung im Stück, wo man einem Block Stille zuschreibt wie einem anderen Block Töne. Es ist nicht eine Pause in dem Sinn. Es ist wie ein Statement. Das Stück ist 30 Minuten, aber man hat zwischen der 12. und der 22. Minute Stille. Ich habe das sehr architektonisch wahrgenommen.

Für mich hat Ihre Musik eine fast körperlich wirkende Ausstrahlung in dem Sinne, dass sie Räume schafft, die das Fliessen von Gedanken geradezu erzwingen. Sie selber reden ja oft von Architektur und Räumlichkeit. Die Stille quasi wie der Innenhof eines Gebäudes? Der Wandelgang?
Das habe ich jetzt grad vorhin genau so gedacht aber nicht gesagt, und nun sagen Sie es. Ich habe oft das Bild von einem Platz, einem Innenhof. Das Wichtige am Platz ist der Ort, wo die Häuser nicht stehen. Diese Vorstellung steckt drin – wie die Stille beeinflusst wird durch das, was vorher war. Bei der Rezeption der Stille kann man nichts kontrollieren. Der eine denkt das, der andere etwas ganz anderes … Und dann plötzlich ist die Musik zurück, und – schwupps – die Konzentration ist wieder da.

Die Beschäftigung mit Stille und Absenz von Tönen, hat das eine sozialkritische Komponente? Ist es der bewusste Versuch, gegen das Chaos der heutigen Informationsbeschallung anzukämpfen?
Das ist ein bisschen ein Nebeneffekt. Es ist nicht mein Antrieb. Ich will nicht sagen: So viel Lärm rundum, wir brauchen wenigstens in der Musik einen ruhenden Pol. Das ist es nicht, was mich interessiert. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich eine Art Gegenwelt kreiere. Chaos und Lärm im Inneren hat nichts damit zu tun, dass es draussen lärmig ist. Es würde mich auch zu stark einengen. Manchmal habe ich den Gedanken gehabt, dass die ganz reduzierte Art meiner Arbeit vielleicht eine Reaktion war in den 90er-Jahren auf die Wirtschaft, auf das Anhäufen von Geld und auf das exzessive «grösser, lauter, höher». Aber auch das war kein bewusster Gedankengang.

Mit den Repetitionen, den langsamen Wechseln, die in Ihrer Musik solche Spannung erzeugen, scheint diese einiges mit der Arbeit von gewissen Musikern gemeinsam zu haben, die im Bereich der elektronischen angesiedelt sind. Hören Sie so etwas, Aphex Twin zum Beispiel?
Ich muss sagen, nein. Brian Eno, ja. Den kenne ich natürlich. Als er in den 80er-Jahren in mein Blickfeld kam, war ich selber noch am Suchen. Aber es ist nicht so, dass ich die Szene genauer verfolge.

Was heisst Composer in Residence in Huddersfield konkret für Sie?
Ich darf über das ganze Festival hinweg hier sein. Ich konnte bestimmen, was von meiner Musik gespielt wird. Ich konnte eine Wunschliste schicken, und viele von den Wünschen sind erfüllt worden, mit den Leuten, mit denen ich es machen wollte. Am Morgen führe ich einen Meisterkurs über Komposition mit ein paar Studenten. Ich konnte die Installationen einrichten. Im Ganzen gab es mir die Möglichkeit, die Essenz meiner Arbeit aus den letzten zehn Jahren zusammenzustellen und ihr einen Fokus zu geben. Das ist ein echtes Privileg.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Installationsorte ausgesucht?
Vor einem Monat bin ich zwei Tage hergekommen und habe ein Dutzend Orte angeschaut, zusammen mit dem Tontechniker. Etliche Räume sind weggefallen, weil sie zu laut waren. Ich konnte damals entscheiden, welche Räume wir gebrauchen wollten. Zum Beispiel das Museum für die Landschaft mit Wörtern für drei Lautsprecher, Klänge und einzelne Wörter. Für mich ist das einerseits ein Textstück, andererseits auch ein bisschen ein Stillleben – Trauben, Hühner, Dörrfrüchte und jetzt sind es halt Wörter: Stein. Schwarzwasser. Eine andere Installation wurde in der Byron Arcade eingerichtet. Ein altes Gebäude, drei Stockwerke rund um einen Innenhof mit allerhand kleinen Läden und einem Café. Dort sind dann kleine Pfiffe und Piepser zu hören, wie Vogelgeräusche. Das ist dann eher wie eine Komposition. Eine Raumgeschichte. Die einzelnen Piepser sind wie Lichttupfer im ganzen Raum verteilt. Akustisches Licht.

Wie sind Sie damals den Wandelweiserleuten begegnet?
Ich war ja einer der ersten. Die Freundschaft, die schon vorher bestand, war mit Antoine Beuger. Wir haben uns getroffen im Künstlerhaus Boswil in der Schweiz, dort gab es 1991 ein Kompositionsseminar das hiess «Stille Musik». Es war zwar eigentlich keine Stille Musik, aber von dort an hatten wir Kontakt. Dann hat er mit der Wandelweiseridee angefangen. Ich bin 1993 dazu gestossen, es war ein ganz natürlicher Vorgang.

Vorher haben Sie isoliert im stillen Kämmerlein vor sich hin gewirkt?
Das ist richtig, ja.

Frustriert?
Nein, überhaut nicht frustriert. Ich hatte damals die Vorstellung, das ist halt so für einen Komponisten. Ich hatte nicht viele Aufführungen, aber das hat mir überhaupt nichts ausgemacht. Es war ein Bild, das ich mir durchs Lesen über Künstler gemacht hatte. Ich dachte, das ist normal, dass man arbeitet und sich niemand dafür interessiert. Das hat sich ja jetzt geändert.

Wie oft kommt die Wandelweisergruppe zusammen?
In den ersten zehn Jahren häufiger als heute. Das war ja unglaublich spannend damals, plötzlich hat man gemerkt, dass es ein paar andere Leute gab, die auch meinten, sie seien die einzigen, die so radikal stille Sachen machen. So wurde es vor allem eine künstlerische Diskussionsgruppe. Das ist daran eigentlich immer noch das Interessanteste. Ein Stück schreiben, zusammen spielen und besprechen. Wir sind immer in Österreich für eine Woche zusammengekommen. Jeder hat ein, zwei Partituren mitgebracht. Am Montagmorgen sind wir alle um den Tisch gehockt, und haben die Sachen ausgepackt, wie Geschenke. Und man hat geschaut, was gibt es für Möglichkeiten, dass man das alles innert einer Woche zusammenbringt und etwas draus macht. Diese Diskussionen waren für mich einmalig. Diese Freude über die Superstücke, die man vor sich hatte, und es war toll, dass andere sich für deine Sachen interessiert haben. Das haben wir zehn, zwölf Jahre durchgezogen. Ein anderes Beispiel. Bei einem Konzert gab es keine fixe Bestuhlung und wir konnten die Stühle hinstellen wie wir wollten. Daraus entstand dann eine vierstündige Grundsatzdiskussion, die eigentlich eine Diskussion über das Komponieren war. Jetzt sind wir 20 Jahre älter. Die essentiellen künstlerischen Fragen sind geklärt. Mit 60 ist das nicht mehr so dringlich. Von dem her ist es eine normale Entwicklung. Bei der Mitgliedschaft gibt es immer ein bisschen Änderungen. Eine der Schwierigkeiten wenn man älter wird ist die Gefahr des Verkrustens. Nun passiert mit Wandelweiser etwas Schönes, es heisst Wandelweiser und so weiter. Eine neue Generation. Simon Reynell zum Beispiel, er führt das Plattenlabel Another Timbre für frei improvisierte Musik. Er hat gemerkt, dass Wandelweisermusik auch von der improvisierenden Szene gespielt wird. Er hat unseren Katalog durchforstet nach Stücken, welche diese Szene spielen könnte und hat Aufnahmen gemacht, sechs CDs bis jetzt.

Wie sehen Ihre Pläne nach Huddersfield aus?
Ich werde komponieren. Wenn ich wieder dran bin, dann bin ich das jeden Tag, drei, vier Stunden lang. Die Zeit wird einfach frei gestellt dafür, egal, ob ich dann wirklich Zeichen aufs Blatt setze oder ein bisschen lese oder sonst wie herumbäschele. Es ist ein Zeitraum, den ich mir immer gebe, wo alles im Zeichen des Komponierens steht. Das ist ganz wichtig. Eine simple Strategie, die funktioniert.

Gibt es ein konkretes neues Projekt?
Es gilt, ein Chorstück fertigzustellen. Es wird am 2. April in London uraufgeführt werden. Exaudi heisst der Chor, acht Solostimmen sind es.

Die neuesten CDs von Jürg Frey

Quatuor Bozzini, Lee Ferguson, Christian Smith: Jürg Frey – string quartet no.3 unhörbare zeit (Edition Wandelweiser)

Philip Thomas, Piano: Jürg Frey – Circles and Landscapes (Another Timbre).

www.wandelweiser.de
www.anothertimbre.com/index.html

Nachtrag 18. Juli 2023

2022 erhielt Jürg Frey einen Schweizer Musikpreis

https://www.juergfrey.com

Der King des Festivals

Das Huddersfield Contemporary Music Festival gehört zu den wichtigsten Festivals im Bereich der neuen Musik. 1978 wurde es gegründet. Seit zehn Jahren ist der Schotte Graham McKenzie sein Direktor. Anders als bei anderen Festivals bestimmt hier kein Komitee über Konzept, Inhalt und Verlauf des Festivals. Graham McKenzie ist allein verantwortlich für die Programmgestaltung und alle anderen Aspekte der Veranstaltung.

Graham McKenzie am HCMF 2014. Foto: HCMF
Der King des Festivals

Das Huddersfield Contemporary Music Festival gehört zu den wichtigsten Festivals im Bereich der neuen Musik. 1978 wurde es gegründet. Seit zehn Jahren ist der Schotte Graham McKenzie sein Direktor. Anders als bei anderen Festivals bestimmt hier kein Komitee über Konzept, Inhalt und Verlauf des Festivals. Graham McKenzie ist allein verantwortlich für die Programmgestaltung und alle anderen Aspekte der Veranstaltung.

Wie sah Ihre Laufbahn aus, bevor Sie nach Huddersfield kamen?
Graham McKenzie: Ich studierte nie Musik. Mein Berufsleben begann als Sozialarbeiter in London. Daneben war ich ein grosser Jazz-Fan. Einmal im Monat stieg ich am Freitag in den Nachtbus nach Paris, besuchte dort den New Morning Jazz Club und kaufte auf dem Markt neue Platten. Dann nahm ich den Nachtbus nach Amsterdam und ging in zwei, drei andere Klubs. Dank dem Overnight-Bus am Sonntagabend konnte ich am Montag rechtzeitig wieder zur Arbeit erscheinen. Das sprach sich herum, und mit der Zeit wurde ich immer öfter angefragt, ob ich nicht Konzertkritiken und Interviews schreiben wolle.

War die Szene in Paris und Amsterdam so viel besser als in London?
Überall, wo man wohnt, scheint die Szene anderswo besser zu sein.

Aber schon damals gab es in London den Vortex Club und die London Musiciansʼ Coop?
Schon, aber da liefen andere Sachen. Die freien Improvisierer bekamen nie viel Arbeit in London. Sowieso, ich befasste mich auch gern mit Rockmusik. So bekam ich eines Tages den Auftrag, einen Bericht über das Pink Pop-Festival in Holland zu schreiben. Es sollte drei Tage dauern, ich blieb fast zwei Jahre. In dieser Zeit vertiefte ich mein Interesse an experimenteller Musik. Nach neun Jahren gab ich den Job als Sozialarbeiter auf, um zu schreiben – aber nicht Musikjournalismus, sondern Theaterstücke. Eines davon steht immer noch im Lehrprogramm der schottischen Schulen. Dann wurde Glasgow zur «City of Culture» gekürt. Weil ich mich einerseits im Sozialwesen, andererseits im Kulturbetrieb auskannte, wurde ich eingeladen, bei der Konzeptualisierung des Festivals mitzuwirken. Nebenher organisierte ich Konzerte mit Künstlern, die ich gern selber sehen wollte – Linton Kwesi Johnson, John Cooper Clarke, Anthony Braxton, Marilyn Crispell und viele andere. Die letzte Station vor Huddersfield war das Direktorenamt im Centre for Contemporary Arts in Glasgow (CCA).

Beginnt die Planung des Huddersfield Contemporary Music Festival bei einem bestimmten Thema?
Ich hasse Themen! Nur nie ein thematisch ausgerichtetes Programm! Programme sind etwas für faule Programmgestalter. Zudem fügt es der Sache noch eine weitere Schicht Intellektualität hinzu, und das ist nun wirklich das letzte, was diese Musik braucht. All die, die sich eher am Rande für die Musik interessieren, die Neugierigen, sie müssen nun nicht nur versuchen, die Musik zu verstehen, sondern auch noch das Thema. In Huddersfield bin ich in einer wunderbaren, privilegierten Position. Ich brauche mich vor keinem Komponistenkomitee oder sonst einem Gremium zu verantworten. Alles, was hier geschieht, ist mein Fehler.

Was wir also an diesem Festival zu sehen bekommen, ist die Musik, die Sie in den letzten paar Jahren für sich entdeckt haben?
So ist es. Natürlich gibt es Projekte, an denen man jahrelang dran herumtüftelt, und Künstler, mit denen man über lange Zeit arbeitet, oder arbeiten möchte. Als ich hier ankam, hatte ich das Gefühl, das Festival sei ein bisschen gar akademisch geworden in der Ausrichtung. Das Programm drehte sich in immer engeren Kreisen. Es schien mir, man sei mit dem Publikum 25 Jahre älter geworden. Die Relevanz war geschwunden. Das wollte ich ändern.

Wie breit spannen Sie nun den stilistischen Bogen?
Für mich reicht das Spektrum von Noise bis Orchesterwerken, mit allem, was dazwischen steht, Elektronika, Improvisation, Installationen, Sound Art, und so weiter. Ausserdem ist es mir wichtig, dass sich das Publikum von Lokalität zu Lokalität begeben muss, um so die verschiedensten Klangerfahrungen machen zu können. So begannen wir in diesem Jahr mit dem Klangforum Wien, einem fantastischen Kammermusik-Ensemble. Danach ging’s hinüber in die Bates Mill für ein Konzert, das sehr visuell war, mit viel Elektronik und sogar einem Hauch Dubstep. Jemand ging heute frühzeitig aus einem Konzert hinaus und beschwerte sich: «Graham McKenzie, will der unsere Ohren ruinieren?» Für diesen Typus Mensch stelle ich mein Programm nicht zusammen. Wenn der glaubt, heute sei es laut gewesen, hätte er 1974 dabei sein sollen bei Led Zeppelin!

Haben Sie auf diese Art tatsächlich ein jüngeres Publikum anlocken können?
In meinem ersten Jahr waren etwa 3% des Publikums zwischen 17 und 25 Jahre alt. Heute sind es etwa 28%.

Ein sehr durchmischtes Publikum, das ist mir auch aufgefallen.
Viele Festivals für Neue Musik machen sich Sorgen, wie sie ein jüngeres Publikum anziehen könnten. Das Publikum wird jünger, wenn man jüngere Komponisten und Musiker einlädt! Als ich in Glasgow das CCA führte, war es selbstverständlich, dass man sich mit der nächsten Generation von Kunststudenten befasste. Im Bereich der Neuen Musik dagegen wollten die Leute ständig, dass ich irgendwelche 70. und 80. Geburtstage feierte. Selbst bei den Musikverlegern herrschte die Haltung vor, dass ein Komponist nicht wirklich Komponist genannt werden konnte, wenn er nicht mindestens sechzig Jahre alt war. In meinem ersten Jahr in Huddersfield war Yannis Kyriakides composer in residence, ein Zypriote, der in Amsterdam lebt. Er war damals 37 Jahre alt. Bei der Pressekonferenz zur Lancierung des Festivals stand ein Journalist auf und empörte sich sehr: «Wie können Sie diesen jungen Mann zum composer in residence ernennen, wenn es all die grossen, alten, ignorierten Meister gibt?» Meine Antwort darauf war kurz: «Wollen Sie eine weitere Generation von grossen, alten, ignorierten Meistern kreieren?»

Sie sagten vorher, in Amsterdam habe es eine andere Szene gegeben als in London. Können Sie heute noch ähnliche Unterschiede ausmachen?
Die Länder, die mich am meisten interessieren, wo mir die Szene am vitalsten und innovativsten scheint, sind Länder, wo es für einen Musiker möglich ist, in verschiedenen Genres gleichzeitig zu wirken. Es ist seit langer Zeit eine grosse Schwäche in Grossbritannien, dass man in eine Schublade gesteckt wird, aus der man nicht mehr hinausgelassen wird. Szenen, die in den letzten Jahren globale Spuren hinterlassen haben, Norwegen etwa, zeichnen sich dadurch aus, dass man dort kaum eine Aufteilung in Genres kennt. Man kann Komponist sein und gleichzeitig Folkmusiker, Improvisierer, oder gar Installationskünstler. Es schadet der Karriere nicht. Dieses Kategoriendenken in Grossbritannien ist wirklich ungesund. Als ich zum Direktor von Huddersfield ernannt wurde, beschwerte sich ein Kritiker in einer grossen Tageszeitung: «Ein Disaster – KcKenzie ist ein Jazz-Mann, der wird Huddersfield in ein Jazz-Festival verwandeln.» Ein Jazz-Kritiker aus Glasgow antwortete mit einem Leserbrief: «Nur keine Angst, der hat am Glasgow Jazz Festival seit zwanzig Jahren nichts programmiert, was ich als Jazz verstanden hätte.»

Was hat Sie dazu bewogen, sich auf diese 3-jährige Verbindung mit der Schweizer Szene einzulassen?
Wenn ich ausländische Komponisten und Musiker einlade, dann auch mit dem Gedanken im Hintergrund, dass sich ein Austausch mit englischen Musikern entwickeln könnte. Dass man die Möglichkeit schaffen könnte, Synergien auszulösen. Mir geht es um eine fluide, langfristige Zusammenarbeit mit Potenzial für die Zukunft. An Showcases bin ich nicht interessiert. Natürlich habe ich seit längerem das Schaffen von gewissen Schweizer Künstlern verfolgt, Jürg Frey zum Beispiel. Oder Alfred Zimmerlin. Arturo Canales. Ich glaube, Andri Hardmeier von Pro Helvetia war zum Teil ein bisschen überrascht, für welche Komponisten ich mich besonders interessierte. Und auch das macht eine solche Verbindung spannend. Manchmal braucht es den Blick von aussen, um die Sachen herauszuschälen, die auch ausserhalb einer bestimmten Szene besondere Bedeutung haben können.

Wie haben Sie die Standorte für die Klang-Installationen von Jürg Frey ausgewählt?
Jürg kam nach Huddersfield, und wir haben diverse Orte begutachtet und dann die passenden ausgesucht. Ich schreibe den geladenen Komponisten nicht vor, welche Stücke sie uns bringen sollen. Es ist wichtig, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich so darzustellen, wie sie sich heute, in diesem Moment, sehen. Es wäre sinnlos, wenn ich das Programm für einen Komponisten oder ein Ensemble zusammenstellen würde, um in England seine Identität aufzubauen – und dann stellt es sich heraus, dass sie inzwischen etwas völlig anderes machen! Mir selber passierte es vor zwei Jahren, dass ich an eine Aufführung von einem meiner Theaterstücken eingeladen wurde. Ich fand das ganz interessant – aber die Person, die das Stück geschrieben hatte, war eine ganz andere als die, die nun dasass und staunte. Bei der Programmierung geht es mir darum, die jetzige Gemütslage eines Künstlers zu zeigen, nicht die, wie ich sie mir vorstelle, nachdem ich am Flohmarkt eine dreissig Jahre alte Platte gefunden habe, die mir gefällt.

Huddersfield liegt ja nicht unbedingt im Zentrum der Welt. Was für ein Publikum kommt während der Woche ans Festival?
An den Wochentagen kommen 40% des Publikums aus dem Umkreis von einer Autofahrstunde. Huddersfield befindet sich jedoch durchaus an einem zentralen Ort – nämlich ungefähr in der Mitte zwischen Leeds und Manchester. Nach Sheffield und York ist es auch nicht weit. Und es ist durchaus möglich, am Abend ein Konzert zu besuchen und mit dem Zug noch zurück nach Liverpool oder Newcastle zu kommen. Aber wir verkaufen auch Tickets in Japan, USA, Kanada und ganz Europa.

Mit dem Huddersfield Contemporary Music Festival verhält es sich also ganz ähnlich wie mit unabhängigen Plattenfirmen klassischen Stils, wo ein, zwei Musikfans über das Programm entscheiden, und man weiss: Vielleicht gefällt einem nicht alles, was da erscheint, aber auf jeden Fall ist alles irgendwie interessant.
So ist es. Es liegt an mir, dazustehen und sagen: «Leute, das ist interessant!» Als Kurator darf man nur sich selber gefallen wollen. Sobald man sich zu überlegen anfängt, ob eine bestimmte Sache einem bestimmten Publikum gefallen könnte, laufen die Dinge gewöhnlich schief. Man muss an die Sache glauben. Umso schöner ist es dann, wenn es klickt. So waren die Reaktionen auf das Werk von Jürg Frey für mich eine regelrechte Offenbarung. Die BBC hat ihn nicht nur auf Radio 3 gefeatured, wo man es noch erwartet hätte, sondern auch auf BBC 6, wo man sonst eher Gitarren und Schlagzeuge hört. Eine Rock-Zeitschrift ist ebenfalls gekommen. Sowas ist natürlich grossartig. Aber ich bin auch arrogant genug, zu glauben, dass wenn mir etwas gefällt und Ihnen nicht, Sie es schlicht noch nicht verstanden haben und es dann schon noch verstehen werden. Andererseits muss ich schon auch zugeben, dass mir nicht unbedingt alles gefällt, was hier gespielt wird. Zum Beispiel bin ich kein Fan von Noise. Dennoch bin ich der Meinung, dass diese Musik hierher gehört. Meine Faustregel ist die: Bei jeder Auflage des Festivals erlaube ich mir fünf Konzerte, die mir entweder zutiefst missfallen oder von denen ich schwer enttäuscht bin. Mehr als fünf, und ich bin im falschen Job. Dann muss ich gehen.

Danke sehr für das Gespräch! Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
Irène Schweizer. Ich war der einzige, der Irène Schweizer nach Glasgow gebracht hat. Vor langer Zeit hat sie mal ein Album mit einer Gruppe von indischen Musikern aufgenommen. Seit zwei Jahren bin ich daran, sie zu bearbeiten, dass sie in Huddersfield ein ähnliches Experiment wagen sollte. Ich hoffe wirklich sehr, dass es zustande kommt!

www.hcmf.co.uk

 

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Plakat des Huddersfield Contemporary Music Festival 2015

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Deutscher Musikmarkt ist 2015 gewachsen

Der Musikmarkt in Deutschland hat das Jahr 2015 nach ersten Hochrechnungen mit einem Plus von 3,9 Prozent abgeschlossen. Laut dem Bundesverband Musikindustrie (BVMI) liegt der Umsatz aus Musikverkäufen damit erstmals seit 2009 wieder über 1,5 Milliarden Euro.

Bild: BVMI

Mit einem Plus von 96,6 Prozent hat die Wachstumsdynamik beim Streaming einen neuen Spitzenwert erreicht, der die bisherigen Prognosen noch deutlich übertrifft; eine Entwicklung, durch die die Rückgänge im physischen Markt (-4,2 Prozent) und bei den Downloadumsätzen (-2,6 Prozent) mehr als ausgeglichen werden können.

Über Audio-Streaming werden nun 13,8 Prozent des Gesamtumsatzes generiert, über Downloads sind es 15,7 Prozent. Vinyl kann, wenn auch in der Nische, als einziger physischer Tonträger erneut zulegen: Mit einem Wachstum von 32,2 Prozent steht die Schallplatte inzwischen für 3,3 Prozent der Umsätze. Unter dem Strich liegt der Digitalanteil (Streaming und Downloads) am Gesamtmarkt 2015 bei 30,9 Prozent, der Anteil physischer Musikverkäufe (CD, Vinyl, DVD/Bluray) bei 69,1 Prozent.

Weiter im Aufwärtstrend befindet sich auch das nationale Repertoire. Acht der Top 10-Alben in den Offiziellen Deutschen Jahrescharts waren 2015 deutschsprachig, das gab es noch nie. Ausserdem ist zu beobachten, dass neben Pop und Rock, die nach wie vor sehr erfolgreich laufen, auch weitere Genres wie Metal und HipHop bei den Alben oder Electronic Dance Music bei den Singles kontinuierlich hohe Charterfolge erzielen.

Die endgültigen Marktdaten mit Detailauswertungen der Teilmärkte wird der BVMI im März veröffentlichen.

Über Musik urteilen

Ein Sammelband fragt nach Wesen und Hintergründen von Beurteilungen in der Musik.

Foto: Stefanie Salzer-Deckert/pixelio.de

Musikmachen heisst Kritisieren, heisst die Frage stellen: gut oder schlecht? Musiker und Musikerinnen kritisieren sich selbst, die Lehrenden, die eigenen Schüler, andere Interpreten, Aufnahmen usw. Kenner kritisieren, noch lustvoller aber Liebhaber. Wie äussern sich Musikwissenschaftlerinnen, Vertreterinnen «des Fachs» (fünfmal im Vorwort auf S. 5), zu «Urteil und Werturteil in der Musik»? «Geschmacksurteile» sind auf diesem Niveau verpönt, vielmehr sollten «qualifizierte Hörer» relevante «Sachurteile» fällen. Carl Dahlhaus (gestorben 1989) vertrat noch die Ansicht, solche Urteile müssten auf musikalischer Analyse beruhen. Davon ist man heute weit entfernt. Man könnte fast sagen: Je kompetenter ein Urteil ist, desto mehr widerspiegelt es seine eigene Zeit; denn Werturteile im Rahmen der Künste sind weder nur in der Sache selbst noch in den darüber Urteilenden, sondern stets kulturell begründet und damit wechselnden Einflüssen und Moden unterworfen.

Die meisten der Beiträge zu einer Hamburger Tagung im Herbst 2013 kommen zu diesem Schluss, egal ob Gounods Bach-Bearbeitung Ave Maria, Johann Mattheson oder die Musik von Erik Satie, ob die Rezeption von Friedrich Witts pseudo-beethovenscher Jenaer Symphonie oder von Hans Rotts E-Dur-Sinfonie als Beispiele gewählt sind. Komplizierter wird es, wenn der Humor hineinspielt, wenn also die Musik selbst schon auf einer Unterscheidung von gut und schlecht beruht und die Zuhörenden dies merken sollten. Dass das Urteilsvermögen des Musikverlegers prophetische Züge, jedenfalls finanzielle Konsequenzen hat, ist eine weitere Spielart von impliziter Kritik. Wenn heute, in einer kommerzialisierten Welt, Kunst problemlos neben Nicht-Kunst steht, wird jedes Urteil schwierig. Darum kommt Manfred Stahnke zum Schluss: «Letztlich hat für uns nur das ‹Wert›, was an unsere Seele kommen kann. Und die ist kommerzfrei» (S. 188). Ist das ein Plädoyer für die Wiederauferstehung des reinen «Geschmacksurteils»?

Ich lese den Band mit Interesse, nicht weil er grundlegend Neues enthält, sondern weil die Gedankengänge der Schreibenden, ihre Argumente, Quellen und Illustrationen Unbekanntes entdecken lassen. Nur: Warum bleiben Musik-, Literaturwissenschaftlerinnen und Komponisten unter sich? Haben sie dazu mehr zu sagen als jene Musikkritiker und -rezensentinnen, deren Tagesgeschäft sich um «Urteil und Werturteil in der Musik» dreht, mithin um die Frage: «Gut oder schlecht?»?

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Gut oder schlecht? Urteil und Werturteil in der Musik, (=Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, Band 30), hg. von Claudia Maurer Zenck und Ivana Rentsch, 188 S., Fr. 37.00, Peter Lang, Bern u. a. 2015, ISBN 978-3-631-659997-7

Der Neuen Volksmusik auf der Spur

In knappen Einführungen und umfangreichen Interviews wird eine vielgestaltige Musikszene erkundet.

Oloid live. Christian Zehnder, Gregor Hilbe, Matthias Loibner& Ndima Aka Pygmäen (CH, A, Congo) Foto: © Alpentöne 2015 (www.scriptum.ch: Raffi Brand/Ueli Bachmann)

Der Leiter des Festivals Alpentöne in Altdorf, Johannes Rühl, und Dieter Ringli, Ethnomusikologe und Dozent an der Musikhochschule Luzern, haben die Neue Volksmusik in der Schweiz seit Jahren beobachtet, Presseartikel und Tonträger gesammelt und dieses Material mit ausführlichen Interviews bei Musikern und Musikerinnen zu Hause ergänzt und nun in einem umfassenden Sachbuch verarbeitet.

Unter dem Begriff «Neue Volksmusik» versteht man in der Schweiz instrumentale und vokale Musik, die mit traditionellen Melodien experimentiert, althergebrachte Instrumente auf neue Weise einsetzt, Jodel mit anderen Gesangsgattungen aufmischt und in professionellen Interpretationen vor allem an Festivals, auf Kleinkunstbühnen und über Radio DRS2 ein weitgehend urbanes Publikum erreicht.

Das Phänomen konzentriert sich seit 1999 auf das Festival Alpentöne in Altdorf, seit 2003 auf das Naturtonfestival im Toggenburg und seit 2008 auf die Stubete am See in Zürich, was die Autoren veranlasst haben dürfte, ihre Untersuchung auf die deutsche Schweiz zu beschränken. Bringt man die Neue Volksmusik nicht einfach mit der epochalen Edition der zehntausend, von Hanny Christen zwischen 1940 und 1960 notierten, von Fabian Müller und Ueli Mooser für den Druck vorbereiteten und 2002 von der Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz (GVS) herausgebrachten Volkstänze aus der ganzen Schweiz als Initialzündung in Verbindung, sondern bedenkt die Anfänge als Folge der abklingenden Folkbewegung in den 1980er-Jahren und der Experimente mit alter Volksmusik aus aktuellen Anlässen, der 700-Jahrfeier der Schweizerischen Eidgenossenschaft (1991) und der Weltausstellung in Sevilla (1992), dürften auch Initianten aus der Westschweiz genannt werden.

Die Auseinandersetzung mit der wohl spannendsten Musikszene der heutigen Schweiz präsentieren die sachverständigen Autoren einleitend in 13 kurzen Kapiteln wie «Neues von damals», «Volksmusikalische Zwischenwelten», «Thema Appenzell», «Grundlage Folk». Im Zentrum der Publikation stehen 17 fünfstündige, von den Herausgebern transkribierte und gekürzte Gespräche mit 13 Musikern und 5 Musikerinnen, die sich in einer CD auch mit ihrer Musik äussern.

Dieter Ringli stellt im lesenswerten Fazit fest, es sei unmöglich, die Neue Volksmusik auf einen Nenner zu bringen. Das bestätigen die informativen Lebensläufe von Ueli Mooser, Markus Flückiger, Dani Häusler, Fabian Müller, Domenic und Madleina Janett, Thomas Aeschbacher, Nadja Räss, Töbi Tobler, Hans Kennel, Christoph Baumann, Dide Marfurt, Albin Brun, Christine Lauterbrug, Corin Curschellas, Erika Stucky, Christian Zehnder und Balthasar Streiff. Die meisten dieser Biografien beginnen aber bei musikbegabten und verständnisvollen Eltern.

Es fällt zudem auf, dass mehr als die Hälfte der zu Wort kommenden Träger dieses Musiktrends über sechzig Jahre alt, gut ausgebildet, von traditionellen Musikern geprägt worden und fleissig sind. Die Lust am Experiment mit immer wieder neuen Besetzungen, mit der Kombination verschiedener Stile, mit dem Wechselspiel von immer wieder anderen Musikpartnern ist das Geheimnis des unverkrampften Umgangs mit der überlieferten Volksmusik.

Die dem Buch beiliegende Audio-CD ist um ein informatives, dreisprachiges Booklet ergänzt beim Label Musiques Suisses, das sich die Dokumentation der Neuen Volksmusik zur Aufgabe gemacht hat, erschienen. Einleitungstext, Kurzbiografien der Interpreten und 19 sorgfältig ausgewählte Tonbeispiele erlauben eine konzentrierte Einführung in die Neue Volksmusik.

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Dieter Ringli / Johannes Rühl, Die Neue Volksmusik. Siebzehn Porträts und eine Spurensuche in der Schweiz, 362 S., mit CD, Fr. 38.00, Chronos-Verlag, Zürich 2015, ISBN 978-3-0340-1310-9

Die neue Volksmusik. Musiques Suisses CD MGB –NV 30

Musik der Schweizer Garden

Ein neues Fachbuch bietet 15 barocke Stücke für «fifres et tambours» und eine Menge Hintergrundwissen.

Ausschnitt aus dem Titelbild

Das Pfeifen und Trommeln hat in der Schweiz eine lange Tradition. Und es waren die Schweizer Garden, die am Hof Ludwigs des XIV. und XV. die Musikstücke der französischen Komponisten Jean-Baptiste Lully, André Danican Philidor und Jean-Jacques Rousseau – um nur einige zu nennen – spielten.

Auf Anregung des Schweizerischer Tambouren- und Pfeiferverbands (STPV) hat Thilo Hirsch das vorliegende Werk, Musik der Gardes Suisses für Fifres & Tambours, verfasst. Dieses Fachbuch entstand in Zusammenarbeit mit Walter Büchler (Tambour), Danny Wehrmüller (Tambour/Basler Piccolo) und Sarah van Cornewal (Fifre/Basler Piccolo). Darin werden 15 Kompositionen französischer Musiker aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorgestellt.

In der Einleitung macht Thilo Hirsch wichtige Angaben zu Geschichte und Aufführungspraxis der barocken Flöten- und Trommelmusik, und er erwähnt auch zahlreiche unterhaltsame Anekdoten zum Thema. Im Anschluss wird jedes Musikstück mit einer kurzen Erläuterung der musikhistorischen Hintergründe und einem Faksimile des Originals vorgestellt. Die Transkription der Faksimiles ist in einer zweistimmigen Fassung nach historischen Vorbildern angefertigt. Die Autoren haben aber auch für jedes der 15 Stücke ein modernes, dreistimmiges Arrangement für Pfeifen und Trommeln geschrieben. Um den nötigen Umfang für die dritte Flötenstimme zu gewinnen, transponierten sie die Stimmen in diesen Versionen nach oben. Allerdings kommen sich dabei die Hilfslinien der obersten Stimme vereinzelt etwas gar nahe. Die Tambourenstimme ist in «Zündstoff-Trommelschrift» notiert. Diese stammt aus dem Lehrmittel des Schweizerischen Tambouren-Verbands Zündstoff für Trommler, das Mitte der 1980er-Jahre erschienen und mittlerweile leider vergriffen ist.

Das in deutscher und französischer Sprache verfasste Buch Musik der Gardes Suisses für Fifres & Tambours bietet einen reichen Fundus an Material für Konzerte oder spezielle Anlässe von Pfeifer- und Tambourenvereinen. Es besticht durch schlichtes Design und eleganten Notensatz. Weiterführende Hinweise zu den Texten finden sich in den zahlreichen Quellenangaben und Literaturempfehlungen.

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Thilo Hirsch, Musik der Gardes Suisses für Fifres & Tambours, Verlag des Schweizerischen Tambouren- und Pfeiferverbands, Fr. 45.00, Stäfa 2015, ISBN 978-3-9524552-0-3

Primavista

Eine sorgfältig aufgebaute, dreibändige Sammlung mit Blattspielübungen für Klavier.

Foto: BloodyMary/pixelio.de

Fit vom Blatt heissen die drei Bände von Paul Harris, die im Jahr 2008/2009 bei Faber Music erschienen und nun als Gemeinschaftspublikation mit der Edition Peters auch auf Deutsch erhältlich sind. Die Hefte sind sehr übersichtlich und klar in Stufen und Lektionen gegliedert und das Inhaltsverzeichnis gibt einen schnellen Einblick in die Lehr- und Lernabsichten des Autors.

Puls und Rhythmus stehen als musikalisches Urelement im Zentrum und werden auf verschiedene Art und Weise geschult und veranschaulicht. Von Anfang an wird darauf geachtet, dass durch einen festen Puls dem Lesen eine Richtung gegeben wird, um stockendes Spiel möglichst zu vermeiden. In jeder Lektion gibt es «Vorbereitete Stücke». Durch jeweils vorangestellte Fragen wird vom Schüler oder der Schülerin konsequent verlangt, sich vor dem Spiel einen Überblick zu verschaffen, auf wiederkehrende Muster (rhythmische oder melodische), auf Tonleiterausschnitte, auf Schritte oder Sprünge, die Handlage in Zusammenhang mit dem Fingersatz zu achten. Dem Vorhaushören im Kopf wird zusätzlich besondere Bedeutung geschenkt, was bei der sehr einfach aufbauenden Literaturauswahl mit der nötigen Übung durchaus gelingen könnte.

Mir gefällt, wie in sorgfältig aufeinanderfolgenden Schritten nach und nach wichtige Themen wie Haltebogen, punktierte Noten, Artikulation, Dur und Moll, verschiedene Rhythmus-Muster und Taktarten, verschiedene Handpositionen, Akkordspiel und polyfones Spiel eingeführt werden. Vortragsbezeichnungen wie «Mit einem Lächeln» oder «Würdevoll» verlangen ein Sich-Einfühlen in den emotionalen Gehalt der Stücke. Während der erste Band sich den elementaren Grundlagen des gekonnten Primavista-Spiels widmet, werden im zweiten Band schon etliche Aspekte kombiniert. Die Stücke sind sehr klug komponiert und auf das Erfassen von Zusammenhängen ausgerichtet. Im dritten Band finden dann auch im Blattlesen Fortgeschrittene viele instruktive Beispiele, die ein genaues Notenerfassen verlangen, da sie mit ihrer angereicherten Harmonik und überraschenden Taktwechseln ein intuitives Erraten verhindern.

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Paul Harris, Fit vom Blatt. Blattspielübungen für Klavier; Band 1 – Anfänger, EPF 2002-1; Band 2 – Mittelstufe, EPF 2002-2; Band 3 – Fortgeschrittene, EPF 2002-3, je Fr. 19.45; Faber Music/Edition Peters, London/Leipzig u.a. 2014

Minimal verschoben

Steve Reichs Violin Phase ist in einer Fassung für Gitarre und Tonband oder für vier Gitarren erschienen.

Foto: Janusz Klosowski/pixelio.de

Der 1936 geborene amerikanische Komponist Steve Reich ist ein Pionier der Minimal Music, in der mit repetitiven Mustern, mit langen, aber meist spannungsarmen Bögen und oft auch mit Phasenverschiebungen gearbeitet wird. Violin Phase aus dem Jahre 1967 ist eines jener frühen Werke, welche die Entwicklung dieser Stilrichtung mitprägten.

Das Stück ist wie so oft bei Reich auf den ersten Blick technisch einfach zu spielen, stellt aber dennoch hohe musikalische Anforderungen an die Aufführenden. Kurze patterns werden fast endlos wiederholt – wie oft genau, wird von den Spielerinnen und Spielern selbst bestimmt – sodass durch die Überlagerung der verschiedenen Melodieschnipsel ein clusterartiges Gewusel entsteht.

Die Schwierigkeit, aber auch die Faszination des Stücks liegt in den minimalen Phasenverschiebungen: Durch ein unmerkliches Accelerando einer Stimme wird ganz langsam vorerst nur eine, dann vielleicht eine weitere Achtelnote «aufgeholt». Die daraus resultierenden Tonmuster werden vorübergehend unübersichtlich, bis sich Gitarre und Tonband bzw. die vier Gitarren im gleichen Metrum wieder gefunden haben.

Die ausführlichen Spielanweisungen der Originalausgabe von 1967 wurden für die Gitarre angepasst; von wem, ist aber nicht ganz klar. Zwar sind sie mit Steve Reichs Namen unterzeichnet, jedoch nicht datiert. War Reich in die Herausgabe der Gitarrennoten involviert oder nicht? Wurden die Anweisungen gar vom Stück Electric Guitar Phase aus dem Jahre 2000 übernommen, das ebenfalls eine Adaption von Violin Phase war? Schade, dass der Verlag hier nicht für Transparenz sorgt, ist doch die Bearbeitungsgeschichte von Reichs Werken durchaus interessant!

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Steve Reich, Violin Phase for Guitars, für Gitarre und Tonband oder 4 Gitarren, UE 21646, € 24.95, Universal Edition, Wien 2015

Gelungener Beginn

Mit der Walzer-Suite hat der Paladino-Verlag eine Werkausgabe von David Popper begonnen.

Porträt von David Popper auf einer Postkarte, vor 1905. Quelle: Hollomis, wikimedia commons

David Popper (1843–1913) studierte am Prager Konservatorium bei Julius Goltermann und ist wohl einer der bedeutendsten Cellovirtuosen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zeitgenössische Kritiker verglichen sein Spiel mit dem des Violinvirtuosen Pablo de Sarasate. Von 1868 bis 1873 war er Solocellist an der Wiener Hofoper; ab 1886 unterrichtete er in Budapest an der 1875 von Franz Liszt gegründeten Königlich-Ungarischen Musikakademie (heute: Franz Liszt Musikuniversität). Er gilt als Begründer der ungarischen Cellistenschule.

Als Komponist ist er bis heute präsent: Seine Etüdensammlungen sind fester Bestandteil im Cellounterricht und mehrere seiner effektvollen Charakterstücke gehören zum Standardrepertoire. Der Paladino-Music-Verlag hat sich nun zum Ziel gesetzt die gesamten Kompositionen Poppers im Neustich zu veröffentlichen. Dabei bleiben die Partituren mit Poppers eigenen Aufführungshinweisen versehen, die Stimmen werden von international bekannten Interpreten redigiert.

Ein erstes Ergebnis dieser Reihe ist die vorliegenden Walzer-Suite op. 60. Es ist eines der umfangreicheren Werke Poppers: Auf eine Introduktion folgen fünf Walzer und ein ausladend-virtuoses Finale. Es ist kein reines Virtuosenstück, sondern gehobene Salonmusik, die die lyrischen Stärken des Cellos auskostet. Wie immer bei Popper ist auch der Klavierpart farbig-fantasievoll ausgestaltet. Ein schöner Anfang für die Neuedition dieser geistreichen Werke.

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David Popper, Walzer-Suite op. 60 für Violoncello und Klavier, hg. von Martin Rummel, pm 0036, € 17.95, Paladino Music, Wien 2014

Frank Martin ans Licht!

Eine Neuausgabe der «8 Préludes pour piano» mit erhellenden Kommentaren von Paul Badura-Skoda.

Foto: © Universal Edition

«Diese Neuausgabe hat den Zweck, dieses Meisterwerk der Klavierliteratur einem grösseren Kreis von Musikern näher zu bringen …» Das wünscht sich Herausgeber Paul Badura-Skoda in seinem Vorwort zu den 8 Préludes pour le piano von Frank Martin. Tatsächlich wird dieser 1947/48 entstandene und Dinu Lipatti gewidmete Zyklus in letzter Zeit eher etwas vernachlässigt, wie überhaupt das Œuvre Martins ein bisschen in den Hintergrund geraten ist. Was die Préludes betrifft, ganz sicher zu Unrecht: Jedes einzelne ist eine kostbare Perle mit eigenem Charakter und Klang.

Paul Badura-Skoda weiss als intimer Kenner der Musik Martins denn auch viel Inspirierendes und manches interessante Detail zu berichten. Insbesondere lässt er seine Hörerfahrungen aus Martins eigenen Interpretationen einfliessen, was einmal mehr die alte Frage aufwirft, ob ein Komponist auch der ideale Interpret seiner eigenen Werke sei. In diesem Fall wohl durchaus, denn Frank Martin war auch ein sehr kompetenter Pianist.
Aufschlussreich ist zudem ein kurzer Brief Martins an den Pianisten Klaus Wolters, worin er ein paar Interpretationsfragen ganz präzis beantwortet. Dieser Brief ist als Faksimile samt Übersetzungen der neuen Ausgabe beigefügt.

Der kritische Apparat ist detailliert, gleichzeitig aber übersichtlich und lesefreundlich gehalten. Keine Selbstverständlichkeit in unseren Tagen … Alles in allem also eine Neuausgabe, die den eingangs zitierten Wunsch des Herausgebers erfüllen dürfte.

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Frank Martin, 8 Préludes pour le piano, UE 35 753, € 24.95, Universal Edition, Wien 2014

«Lass mich dein Klarinettchen sein»

Die Musikschule Region Burgdorf bereicherte das Jahr der Klarinette 2015 mit einer Opernaufführung im Casino Theater Burgdorf. «Der Klarinettenmacher» thematisiert die Geburt des Instruments.

Foto: Niklaus Rüegg

An den Musikschulen sinkt die Nachfrage nach Klarinettenunterricht stetig, obwohl kaum ein Blasinstrument breitere stilistische Anwendungsmöglichkeiten bietet. Von der Klassik über die Volksmusik bis hin zu Klezmer und Jazz – überall wird die Klarinette eingesetzt. Sie ist eines der beweglichsten und vielseitigsten Blasinstrumente überhaupt. Was liess sich der Schweizer Blasmusikverband nicht alles einfallen, um dieses, nicht zuletzt von Mozart hochgeschätzte Instrument vermehrt in den Fokus zu rücken: Konzerte landauf, landab, Flashmobs, das grösste Klarinettenensemble, der längste Klarinettenton und ein Klarinettenbus, der auf Aufklärungstour quer durch die Schweiz geschickt wurde.

Auf den Spuren des Erfinders
An der Musikschule Burgdorf kam man im Januar 2015 auf eine ebenso originelle wie naheliegende Idee, um das Jahr der Klarinette zu bereichern. In den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts stöberte der Klarinettist und Musiklehrer Andreas Ramseier auf einem Freiburger Trödelmarkt den Klavierauszug einer Oper auf. Es war das Werk des weitgehend unbekannten Nürnberger Komponisten Friedrich Weigmann (1869–1939) mit dem Titel Der Klarinettenmacher auf. Das Libretto entstammt der Feder des Musikforschers, Kapellmeisters und Verfassers des Reclam-Opernführers Georg Richard Kruse (1856–1944).
Die Erfindung der Klarinette wird Johann Christoph Denner (1655–1707), einem berühmten Musikinstrumentenbauer des Barock zugeschrieben. Denner fügte dem Chalumeau, das den Umfang einer grossen None hat, eine Zusatzklappe an, sodass der Tonumfang des Instruments in die mittleren und hohen Register hinauf durch Überblasen erweitert werden konnte. Der Klang der oberen Töne erinnerte an den Clarinoklang der Barocktrompete, weshalb das neue Instrument den Namen Klarinette erhielt. Johann Christian Denner ist denn auch die Hauptperson der Oper. Inwieweit die Handlung tatsächlich den historischen Tatsachen entspricht, entzieht sich heutiger Kenntnis, ist aber auch nicht weiter von Belang.

Uraufführung der Burgdorfer Fassung
Der Klarinettenmacher wurde 1913 am Bamberger Theater uraufgeführt und stand in der Folge auf den Spielplänen einiger deutscher Bühnen, darunter des Schillertheaters Hamburg. Heute ist das Werk in keinem Opernführer zu finden und ausser dem einen Klavierauszug fehlt das gesamte Material. Es ist während des Ersten Weltkriegs offenbar verschwunden. Roger Müller hat für die Inszenierung im Casino Theater Burgdorf auf der Basis der Klavierbegleitung eine anderthalbstündige, farbige, vielschichtige Partitur für Klarinette, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Flöte/Saxofon, Akkordeon, Orgel, Gitarre geschrieben. Weigmanns Musik ist schwer einzuordnen, besitzt aber spätromantische Züge. Vom Inhalt her handelt es sich um eine Spieloper, doch die durchkomponierte Form steht dieser Gattungsbezeichnung entgegen. In die Solopartien ist viel Text gepackt worden, was der Melodieführung und dem musikalischen Spannungsbogen nicht eben zuträglich ist. Vielleicht hätten dem Werk gesprochene Dialoge im Sinne der Spieloper gut getan. Duette sind Mangelware und Gesangsensembles fehlen gänzlich. Die wenigen Chorstellen des Stücks werden in der Burgdorfer Fassung ökonomischerweise vom Orchester übernommen.

Beiträge des Kantons Bern an Jazz- und Musikschulen

Für 2017 bis 2020 beantragt der Regierungsrat des Kantons Bern dem Grossen Rat Staatsbeiträge von jährlich 470‘000 Franken für die Swiss Jazz School Bern. Für 2016 bewilligt hat er 17,31 Millionen Franken Beiträge an die Musikschulen.

Foto: © Staatskanzlei des Kantons Bern

Die Swiss Jazz School sei eine spezialisierte Musikschule für besonders Begabte, schreibt der Kanton. Sie sei damit ein Bindeglied zwischen der Grundausbildung der regionalen Musikschulen im Jazzbereich und der Jazzabteilung der Hochschule für Künste HKB sowie vergleichbaren Studiengängen an anderen Musikhochschulen.

Die Staatsbeiträge werden jeweils für vier Jahre bewilligt, damit die Schule eine mittelfristige Finanzplanung erstellen kann. Der Leistungsvertrag wird für dieselbe Dauer abgeschlossen. 

Für das Jahr 2016 hat der Regierungsrat Kantonsbeiträge von 17,31 Millionen Franken an die 29 allgemeinen Musikschulen bewilligt, die vom Kanton Bern anerkannt sind. Im Rahmen von Sparmassnahmen hatte der Regierungsrat die im Finanzplan eingestellten Beiträge an die Musikschulen ab 2013 um 500‘000 Franken gekürzt und plafoniert. Für das Jahr 2016 hebt der Regierungsrat diese Plafonierung wieder auf. Die finanzielle Lage des Kantons rechtfertige die Massnahme nicht mehr, heisst es in der Medienmitteilung. Die Planungssicherheit der Musikschulen sei höher zu gewichten.
 

Die kommende Generation im Focus

Die Ausgabe 2016 des Arosa Musik Festivals bietet im Rahmen der academy concerts, den classic concerts und den jazz&rock concerts elf hochstehende Konzerte ganz unterschiedlicher Couleur.

Berner Mundartrockband Halunke. Foto: zVg von Arosa Kultur,Foto: Tomasz Trzebiatowski,Foto: Marco Borggreve,SMPV

Das diesjährige Arosa Musik Festival steht ganz im Zeichen der Neuerungen und bleibt sich dennoch im Kern treu. Am auffälligsten ist sicher die Aufteilung des Festivals auf je eine Woche im Januar, Februar und März. Auch neu ist die stilistische Gliederung der Konzerte auf die verschiedenen Wochen. Geblieben ist der Fördergedanke, der sich wie ein roter Faden durch das Festival zieht. Bei fast allen Konzerten sind junge, meist hochbegabte Musikerinnen und Musiker beteiligt.

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Sebastian Bohren

academy concerts 27.1. – 3.2.

Bei den neu konzipierten academy concerts Ende Januar und Anfang Februar werden, wie der Name schon verrät, Teilnehmende der arosa music academy für ein Konzert nach Arosa eingeladen. Dieses Jahr wurden der Violinist Sebastian Bohren, der amerikanische Saxofonist Jeffrey Siegfried und die beiden deutschen Sängerinnen Johanna Knaut und Kathleen Louisa Brandhofer ausgewählt. Jeffrey Siegfried und das casalQuartett eröffnen das Festival als Saxofonquintett mit Werken von Daniel Schnyder, Joseph Haydn und Adolf Busch. Im Zentrum des zweiten Konzertes mit Sebastian Bohren und dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt steht das eindrückliche Violinkonzert Concerto funebre von Karl Amadeus Hartmann. Es ist eines der ausdruckstärksten Werke im gesamten Violinrepertoire. Kathleen Louisa Brandhofer und Johanna Knaut präsentieren romantische Lieder und Duette, gebündelt zum Thema «Die Boten der Liebe».

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Oliver Schnyder

classic concerts 23.2. – 26.2.

 Auch bei den classic concerts Ende Februar steht die Förderung junger Musikerinnen und Musiker im Vordergrund. Dank der Zusammenarbeit mit der Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten ist das Konzert Orpheum Young Soloists on Stage zustande gekommen. Der bekannte Schweizer Pianist Oliver Schnyder, einst selber Orpheum Solist, begleitet an diesem Abend die beiden jungen Orpheum Solisten Christoph Croisé, Violoncello, und Meta Fajdiga, Piano. Zu hören sind Werke von Franz Schubert und Sergej Rachmaninoff. Noch ganz am Beginn ihrer musikalischen Karriere stehen die Preisträger des Schweizerischen Jugendmusikwettbewerbs. Arosa Kultur hat zwei Kammermusikformationen und einen Gitarristen nach Arosa zu einem gemeinsamen Konzert eingeladen. Die Bündner Querflötistin Riccarda Caflisch und die Sängerin Irina Ungureanu präsentieren selten gehörte Perlen zeitgenössischer Musik für Querflöte und Sopran im atmosphärisch intimen Bergkirchli. Das Konzert Modern music mit dem Bergensemble Arosa und Sofiia Suldina kann leider nicht stattfinden, da das Werk der geplanten Uraufführung des Komponisten Blaise Ubaldini aus gesundheitlichen Gründen des Komponisten nicht fertig wurde. Das Projekt wurde darum um ein Jahr verschoben. Stattdessen wird das noch junge Fathom String Trio ein Konzert in Arosa geben. Das Trio besteht aus der ungewöhnlichen Besetzung Bratsche, Violoncello Kontrabass, sie bewegen sich zwischen komponierter Musik, offenen Konzepten und Improvisation. Zu hören sind Werke von J. S. Bach, Mauricio Kagel, David Sontòn Caflisch, Rolf Riehm, Wolfgang Rihm und Leopold Mozart.

jazz&rock concerts 14.3. – 18.3.

 Zum Saisonende im März finden die jazz&rock concerts statt. Dabei ist die Bündner Jazzszene prominent vertreten und präsentiert mit drei ganz unterschiedlichen Konzerten eine grosse Bandbreite an verschiedenen Jazzstilen. Das erste Konzert ist Art Blakey &The Jazz Messengers gewidmet, gespielt von einem Jazzquintett rund dem den Bündner Schlagzeuger Rolf Caflisch. Im Bergkirchli präsentieren Andi Schnoz und Rees Coray das legendäre Studio Album Kind of Blue von Miles Davis auf ihre eigene Art. Einen Abend mit Martina Hug und Andi Schnoz gibt es im Waldhotel National, kombiniert mit einem 4-Gang-Menü. Als krönenden Abschluss, zumindest was die Lautstärke betrifft, spielt die aufstrebende Berner Mundartrockband Halunke im Kursaal in Arosa auf.

Tickets gibt es im Vorverkauf bei Arosa Tourismus (081 378 70 20) und unter info@arosakultur.ch. Die Festivalhotels bieten attraktive Packages mit stark vergünstigten Tickets an. Alle Informationen zu den Konzerten und zu den Packages gibt es unter www.arosamusikfestival.ch.

Sämtliche Informationen gibt es auch unter www.arosamusikfestival.ch.

Klingendes Kulturerbe gesichert

Die Schweizer Nationalphonothek in Lugano ist seit dem 1. Januar 2016 ein Teil der Schweizerischen Nationalbibliothek und des Bundesamts für Kultur. Damit ist auch das klingende Kulturerbe der Schweiz langfristig gesichert.

© Fonoteca Nazionale Svizzera, Foto: Miriam Bolliger Cavaglieri

Die Fonoteca nazionale svizzera (FN) sammelt, erhält und erschliesst Tonaufnahmen mit Bezug zur Schweiz und stellt sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Für die Tondokumente erfüllt sie damit die gleichen gesetzlichen Aufgaben, wie die Nationalbibliothek (NB) sie für die gedruckten und elektronischen Dokumente übernimmt. Die FN wurde schon bisher vom Bund via die NB subventioniert. Die Vereinigung der beiden Institutionen stellt sicher, dass die für die Kulturgeschichte der Schweiz relevanten Tonaufnahmen auf lange Sicht bewahrt werden können.

Fünf Millionen Tonaufnahmen
Die Sammlung der FN besteht aus rund 5 Millionen Aufnahmen. Diese werden digitalisiert und sind danach über 54 öffentliche audiovisuelle Arbeitsplätze in der ganzen Schweiz zugänglich. Rund drei von zehn Aufnahmen stammen von der Suisa, der Schweizer Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte an Tonaufnahmen und musikalischen Werken, deren Depotinstitution die FN ist. Weitere Sammlungsschwerpunkte sind die Produkte der Schallplattenindustrie, Dokumente der wissenschaftlichen Forschung sowie Radiosendungen aus den Jahren 1932 bis 1953. Auch die Tonaufnahmen aus der Sammlung der NB befinden sich seit 2008 in der FN.

Operettenpreis geht an Dominic Limburg

Der Deutsche Musikrat und die Oper Leipzig haben mit dem Deutschen Operettenpreis für junge Dirigenten zum achten Mal einen jungen Dirigenten für seine Leistung im Operettenfach ausgezeichnet. Er geht heuer an Dominic Limburg, einen Absolventen der Zürcher Hochschule der Künste.

Dominic Limburg. Foto: Web

Dominic Limburg studierte zunächst Klavier und Gesang, bevor er 2013 seine Dirigierausbildung bei Johannes Schlaefli an der Zürcher Hochschule der Künste aufnahm. 2014 leitete er ein Schulkonzert des Berner Symphonieorchesters, dirigierte eine Vorstellung von Smetanas «Die verkaufte Braut» in Teplice und übernahm die Musikalische Leitung bei Pergolesis «La Serva Padrona» im Rahmen des Rüttihubeliade-Festivals in Bern.

Darüber hinaus assistierte er bei Produktionen an der Zürcher Hochschule der Künste sowie am Theater Biel-Solothurn. 2015 führte ihn ein Gastdirigat unter anderem zum Orquestra Experimental de Repertório nach São Paulo. Dominic Limburg wird seit 2015 durch das Dirigentenforum gefördert.

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