Schweizer Verlage aus den drei Sprachregionen haben eine Plattform lanciert, auf der ihre digitalen Publikationen im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften verfügbar sind.
Musikzeitung-Redaktion
- 21. Juni 2022
Foto: Tamas Pap/unsplash.com (s. unten),SMPV
Mit libreo.ch führen die sozialwissenschaftlichen Verlage ihre Bücher und Zeitschriften an einem zentralen Ort zusammen, um sie Forscherinnen und Forschern sowie einer breiten Leserschaft zur Verfügung zu stellen und ihnen eine bessere internationale Sichtbarkeit zu verleihen. Auf libreo.ch werden open access oder kostenpflichtig digitale Bücher und Zeitschriften angeboten, demnächst sind auch gedruckte Ausgaben der Zeitschriften und Bücher bestellbar.
Libreo.ch, schreiben die Initianten, sei eine der wenigen Plattformen in der Schweiz, die Bücher und Zeitschriften im xml-Format mit automatisiertem Import anbiete. Das Format erhöht die Sichtbarkeit und fördert die Suche. Bisher sind 127 Bücher sowie 7 Zeitschriften verfügbar. In den nächsten Monaten soll die Anzahl der Bücher und Zeitschriften stark ansteigen und neue Verlage und Institutionen sollen sich der Plattform anschliessen.
Träger von libreo.ch ist der Schweizerische Verband der Verlage für Geistes- und Sozialwissenschaften (SVGW), der sich im April 2015 als Verein konstituiert hat und dem rund 20 Verlage angehören.
Zur 10. Sinfonie Dmitri Schostakowitschs schuf der südafrikanische Künstler William Kentridge einen eindrücklichen Film.
Thomas Meyer
- 21. Juni 2022
Weltpremiere des Films von William Kentridge. Foto: Philipp Schmidli/Luzerner Sinfonieorchester
Trotz mancher Krisen im Musikbetrieb: Seit einigen Jahrzehnten erlebt zumindest ein Genre ein markantes Crescendo: die Filmmusik. Dies nicht nur in der Betrachtung und Bewertung (selbst von Seiten der Musikwissenschaft und der Neuen Musik), sondern auch im Konzertsaal. Pionierarbeit hierzulande hat das 21st Century Orchestra aus Luzern geleistet, das seit 1999 unter der Leitung von Ludwig Wicki jüngere Film live begleitet. Längst sind ihnen die meisten Orchester gefolgt. Gut so. Denn diese Bewegung kompensiert, was die Kinos nicht mehr leisten, seit fast alle Cinemascope-Säle zerstückelt wurden. Das ganz grosse Erlebnis, mit weit geöffneten Augen und Ohren vom Bild und Ton umgeben zu sein, ging dabei verloren. So wird ein Genre zurückerobert.
Man kann es jedoch auch weiterdenken, wie das Luzerner Sinfonieorchester nun zeigt. Neu entstanden ist ein eigenständiger Film zu einer bildhaften und emotional intensiven Musik, die allerdings keineswegs als Filmbegleitung gedacht war, von einem Komponisten, der seinerseits reichlich Erfahrung mit dem Film gemacht hat, über Jahrzehnte hinweg in den unterschiedlichsten Genres. Der südafrikanische Künstler William Kentridge, ein Meister vieler Klassen, schuf mit seinem Team den Film Oh, to Believe in Another World zur 10. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch, der schon als junger Pianist Stummfilme in Leningrad begleitete.
Gefühle und Leidenschaften
Wie soll man das bebildern? Die Zehnte, entstanden 1953 nach Stalins Tod, gilt als bitterböses Porträt des Diktators, was vor allem auf den überzeichneten zweiten Satz zutrifft. Im ersten Satz werde, so Dirigent Michael Sanderling, der Zustand der Gesellschaft geschildert; im dritten erzähle der Komponist von sich selber. Man mag in der tragischen Schönheit des Werks auch Hoffnung erkennen. Bezüglich eines konkreten Inhalts hielt sich Schostakowitsch selber eher bedeckt: «In diesem Werk wollte ich menschliche Gefühle und Leidenschaften wiedergeben.»
Man könnte sich das nun recht plakativ vorstellen – oder aber untermalt von alten Dokumentaraufnahmen. Ausgangspunkt für Kentridge war jedoch keine Handlung, sondern vielmehr das Spiel mit kleinen Pappfiguren, die in einem «verlassenen sowjetischen Museum» agieren, das freilich nur in einem Kartonformat existiert, wie es auf dem Ateliertisch Platz fand. Gefilmt wurde mit einer Miniaturkamera, in der Art eines Animationsfilms. Hinzu kamen Akteure, die das Figurenspiel teilweise in Lebensgrösse nachstellten: Schostakowitsch und seine Schülerin Elmira Nasirowa, den Dichter Wladimir Majakowski und seine Geliebte Lilja Brik sowie die drei Revolutionäre Lenin, Trotzki und Stalin. Aus den Aufnahmen entwickelte das Filmteam die Szenen zur Musik, die allerdings keiner wahrnehmbaren Chronologie folgen.
Aufbruch und Desillusionierung
Die 1920er-Jahre – und weniger die 50er, als die Sinfonie entstand – sind der historische Referenzpunkt für Kentridge. Und dies aus einem wichtigen Grund: Er wollte nicht jene unter Stalin herrschende Depression zeigen, sondern vielmehr die Ambivalenz der Gefühle angesichts des sozialistischen Aufbruchs in der jungen Sowjetunion und der bald darauf folgenden Desillusionierung. Emblematisch ist dafür die Figur des Dichters Wladimir Majakowski, der die Bewegung mit begeisterten, forschen Versen begleitete, dann aber 1930 enttäuscht Selbstmord beging. Aus seinen Gedichten und Dramen stellte Kentridge einen Text zusammen, der im Bild erscheint und sentenzenhaft von Hoffnung und Ernüchterung spricht. Daraus stammt auch der Titel Oh, to Believe in Another World (Ach, könnt’ ich doch an eine andere Welt glauben).
Der Film bezieht sich aber auch auf die Ästhetik der 1920er-Jahre, auf den expressiven Futurismus und auf die russischen Stummfilme jener Zeit. Mehrmals fühlt man sich an den schnell und kühn geschnittenen Film Das neue Babylon erinnert, den Grigori Kosinzew und Leonid Trauberg 1929 drehten und zu dem Schostakowitsch eine fantastische Partitur schrieb. Auf diese damalige Filmqualität verweisen auch die zuweilen instabil changierenden Farben, die zerkratzten Flächen und die leicht wackelnden Bildtitel. Zwischen die Bilder sind zahlreiche Dokumentaraufnahmen eingeschoben. So entsteht ein grandioser Bilderbogen, ein kaleidoskophaftes Ballett der Figuren. Er habe die Sinfonie nicht zur Filmmusik degradieren wollen, sagt Kentridge, aber das Bild wird durch die vielen schnell wechselnden visuellen Ereignisse doch fast übermächtig. Daher ist es gut, dass die Emotionen des Bilds kaum mit jenen der Musik zu konkurrenzieren versuchen. Eine Handlung wird allenfalls angedeutet. Überzeugend etwa, dass beim zweiten Satz auf das Stalin-Porträt verzichtet wird. Zu sehen sind Propaganda-Aufnahmen der Zeit (auch mit dem jungen Schostakowitsch), die aber durch einen Bühneneffekt auf Distanz gerückt erscheinen. Kentridge sagte denn auch, er wolle mit seinem Film Fragen stellen. Problematisch ist allerdings, wie der dritte Satz visualisiert ist. Der Komponist porträtiert sich da mit seinen Tonbuchstaben (D-S-C-H) selber. Kentridge rückt dabei eine vermutete Liebesgeschichte zu Nasirowa ins Blickfeld, diskret zwar, aber doch unnötig, denn es banalisiert die Situation.
Die Partitur selber blieb weitgehend unangetastet. Einzig in der Tatsache, dass das Orchester und der Dirigent durch den einmal fertiggestellten Film zu einer bestimmten Tempogestaltung gezwungen sind, mag man eine Einschränkung sehen. Das betrifft aber eher zukünftige Interpreten. Das Luzerner Sinfonieorchester unter seinem Chef Michael Sanderling hat sich dieser Herausforderung Mitte Juni im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) mit enormer Verve, d. h. mit Energie und Leidenschaft hingegeben.
Die letzten paar Bilder des Films übrigens zeigen eine Art Satyrtanz aller Figuren (also auch der Diktatoren), so als gehe es ewig weiter. Sie tanzen, wie der Text sagt, über dem, was von Europa übriggeblieben ist. Das ist auf einmal wieder bedrückend aktuell geworden.
Weltpremiere des Films «Oh, to Believe in Another World» zur 10. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. Foto: Philipp Schmidli/Luzerner Sinfonieorchester
Michel gewinnt ersten Brunner-Kompositionspreis
Die Hochschule für Musik FHNW/Musik-Akademie Basel hat zum ersten Mal den Eduard-Brunner-Kompositionspreis in Höhe von 5000 Franken verliehen, und zwar an Robin Michel für sein Werk «Formen».
PM/SMZ_WB
- 20. Juni 2022
Robin Michel habe mit dem Stück gleichzeitig ein neuartiges Instrument und Userinterface geschaffen, das durch seine innovative Konzeption «die Möglichkeit einer ungemein spannenden Klangerzeugung» schaffe. Weil das Instrument mit Hilfe eines 3D-Druckers, eines Arduino UNO und von Material aus dem Baumarkt zusammengebaut werden könne, sei ein höchst demokratischer und niederschwelliger Zugang gewährleistet.
Die Jury setzte sich zusammen aus: Svetlana Maraš, Roman Brotbeck, Johannes Kreidler und Uli Fussenegger (Vorsitz).
Die Hochschule für Musik FHNW/Musik-Akademie Basel hat zum ersten Mal den Eduard-Brunner-Kompositionspreis in Höhe von 5000 Franken verliehen, und zwar an Robin Michel für sein Werk «Formen».
Musikzeitung-Redaktion
- 20. Juni 2022
Robin Michel (Bild: zVg)
Robin Michel habe mit dem Stück gleichzeitig ein neuartiges Instrument und Userinterface geschaffen, das durch seine innovative Konzeption «die Möglichkeit einer ungemein spannenden Klangerzeugung» schaffe. Weil das Instrument mit Hilfe eines 3D-Druckers, eines Arduino UNO und von Material aus dem Baumarkt zusammengebaut werden könne, sei ein höchst demokratischer und niederschwelliger Zugang gewährleistet.
Die Jury setzte sich zusammen aus: Svetlana Maraš, Roman Brotbeck, Johannes Kreidler und Uli Fussenegger (Vorsitz).
Die IG Musik Basel hat in zwei Monaten die nötigen 3000 Unterschriften zur Neudefinition der Musikförderung in der Region zusammengebracht. Am 22. Juni reicht sie die Initiative für mehr Musikvielfalt ein.
Musikzeitung-Redaktion
- 17. Juni 2022
Das Rathaus in Basel. Foto: benkrut/depositphotos.com
Dass die Initiative bereits nach so kurzer Zeit einreichungsbereit sei, dürfe als ein Zeichen der Stimmbevölkerung gewertet werden, schreibt die IG Musik Basel: Man sei bereit für eine öffentliche Diskussion darüber, ob die aktuelle Verteilung der Fördergelder mit der diversen Gesellschaft noch vereinbar sei.
Eine grundsätzliche Diskussion war schon von Anfang an das Ziel der IG Musik Basel. Diese sei bisher nie geführt worden: Die letzten 40 Jahre hätten gezeigt, dass keine wirkliche Debatte im Bereich Kulturförderung ausgelöst werde, wenn einfach mehr Unterstützungsgelder gefordert würden. Man hinterfrage den Status Quo erst dann, wenn man sich überlege, wie angemessene öffentliche Förderung mit den bereits vorhandenen Mitteln aussehen müsse.
Die IG Musik Basel hat ein Dossier verfasst mit allen Informationen zur Initiative und der aktuellen Situation. Es beleuchtet auch die Förderverhältnisse in anderen Städten im Vergleich.
Im Chor, in Farben und «mit dem Maul»: Rund um das Internationale Bachfest Schaffhausen begegneten Kinder aus der Region Johann Sebastians Musik in Workshops auf spielerische Art.
Sibylle Ehrismann
- 16. Juni 2022
«SingBach» mit den Viert- bis Sechstklässlern in Stein am Rhein. Foto: Vreni Winzeler
Bach für Kinder? Das ist nicht gerade nahe liegend. Bachs Musik ist nun mal komplex, das kann schnell überfordern. In den Workshops im Rahmen von «Bach entdecken! – Das Bachfest für Kinder» soll sie aber konkret mit einbezogen werden, das ist der Projektleiterin Sophie Ehrismann wichtig. Sie hat viel Erfahrung mit Kinderchören und Tanzworkshops und leitet als gefragte Tanzpädagogin auch Weiterbildungen «Musik und Bewegung» an der Zürcher Hochschule der Künste.
Musik erfinden
Und nun also Bach entdecken durch «Beatboxen» oder «Actionpainting». Wie soll das gehen? Ein Besuch vor Ort – die Workshops fanden jeweils von 10 bis 14 Uhr in der Musikschule Schaffhausen statt – eröffnete interessante und intuitiv verspielte Zugänge. Für das Beatboxen war Miguel Camero zuständig, der es an den ersten Beatbox-Weltmeisterschaften 2005 in Leipzig übrigens bis ins Viertelfinal geschafft hatte.
Auf Youtube kann man sehen, wie Beatboxen geht, Camero erklärt es anschaulich: Töne, Geräusche und Rhythmen «macht man nur mit dem Maul», also mit Mund, Nase und Atem. So imitiert man ein Schlagzeug. Dass Beatboxen mit Bachs Musik unmöglich ist, räumt Camero gleich zu Beginn unseres Gesprächs ein, und seine Musik sei zu schwierig für Kinder. «Ich habe ihnen aber von Bach erzählt und davon, wie er gearbeitet hat.» Bach habe Musik erfunden, das würden sie jetzt auch machen. Nach dem Beatboxen, das Camero mit dem Klavier kombinierte, meinte ein Mädchen spontan: «Das gefällt mir. Jetzt weiss ich, dass ich Klavierspielen lernen möchte!»
Musik malen
Actionpainting zu Bachs Musik bot ein anderer Workshop an. Für Sophie Ehrismann ist die Verbindung von Musik und Bewegung ein wichtiges pädagogisches Element. Umso überraschender war es, dass dieser Workshop von der in Schaffhausen bekannten Illustratorin und Zeichnerin Linda Graedel geleitet wurde, die noch nie Actionpainting gemacht und das weise Alter von 81 Jahren hat.
Foto: Sibylle Ehrismann
Im Treppenhaus der Musikschule hängen Zeichnungen von Graedel, sie sind voller Bewegung und zeigen Musiker in Aktion. Das Atelier befindet sich im Dachgeschoss. Mitten im Raum ist ein grosses «Farben-Board» aufgestellt, ein überdimensionierter Malkasten, und bei jedem Farbtopf liegen drei grosse Pinsel. Linda Graedel gibt klare Anweisungen: «Man darf mit einem Pinsel immer nur diese eine gleiche Farbe abholen und dann auf einem weissen Papier sein Fantasiemuster malen. Die Farben müssen rein bleiben, sie dürfen nicht gemischt werden, ein Farbwechsel bedeutet auch ein Pinselwechsel.»
Die Tische, an denen stehend gearbeitet wird, sind in einem Rund aufgestellt. Die Kinder gehen hin und her zwischen Farben-Board und ihrem weissen Blatt und sind ganz frei, was sie malen wollen. Über Lautsprecher wird Musik von Bach zugespielt: ein Stück für Klavier, ein Concerto grosso, ein Chorwerk. Es herrscht Ruhe, niemand spricht ausser der Lehrerin, die ab und zu technische Anweisungen zur Pinselführung gibt.
Intuitiv bewegen sich die Kinder im Takt der Musik, schon beim Gehen zum Board. Sie malen mit grossen Pinseln, das Blatt füllt sich mit Wellenlinien, Tupfern, ein Bub führt den Pinsel sehr rhythmisch in einer Zickzacklinie und meint dazu: «Ich habe jedem Instrument, das ich höre, eine andere Farbe zugeteilt: Für die Streicher nehme ich grün, fürs Klavier violett, und fürs Cembalo blau.» Seine gezackten Linien sehen aus wie ein abstrakter Kontrapunkt. Es ist erstaunlich, wie ruhig und vertieft die Kinder bei der Sache sind, die Zeit ist im Nu verflogen.
Bach singen
Das aufwendigste Schülerprojekt fand eine Woche vor dem eigentlichen Bachfest statt: «SingBach» an der Primarschule Schanz in Stein am Rhein. Die Schulleiterin Vreni Winzeler machte daraus eine Projektwoche für die ganze Schule. Mit Unterstützung der Internationalen Bachakademie Stuttgart hat Friedhilde Trüün «SingBach» lanciert und fungiert als künstlerische Leiterin. Ihr zentrales Anliegen ist es, damit Schulkinder für Bachs Musik zu begeistern.
Eine Woche lang probte Trüün mit den 350 Kindern, morgens mit den Erst- bis Drittklässlern, nachmittags mit den Viert- bis Sechstklässlern. Im halböffentlichen Schlusskonzert für die Angehörigen in der Stadtkirche Stein am Rhein sangen sie dann – übrigens gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern und begleitet von einem Jazzensemble – bekannteste Stücke von Bach, sorgfältig ausgesuchte Choräle und Arien aus Bachs Passionen, aber auch mit Text versehene instrumentale «Hits». Für die Kinder arrangiert hat diese Frank Schlichter.
Die Texte, die Trüün den Instrumentalstücken unterlegte, sind für die Freude und das Verständnis der Kinder von entscheidender Bedeutung. So sangen sie etwa im Menuett: «Kling, meine kleine Melodie, schwing dich nach oben wie noch nie. Bach hat dich ausgedacht und das Lied gemacht, das ein jeder mag. Singt darum alle fröhlich mit, denn dieses Liedchen ist ein Hit …»
Nicht nur der Konsum von Live-Musik ist in der Pandemie praktisch auf null zurückgegangem, auch in den heimischen vier Wänden hörten die Deutschen 2020/21 rund drei Stunden weniger Musik als vor Beginn der Pandemie.
Musikzeitung-Redaktion
- 16. Juni 2022
Foto: Michael A / unsplash.com (s. unten)
Forschende der Universität Hamburg und der Kühne Logistics University haben die Auswirkungen der Pandemie auf den Musikkonsum und die Ausgaben für Musik in Deutschland untersucht. Die überraschende Erkenntnis: Nicht nur der Konsum von Live-Musik ist in der Pandemie praktisch auf null zurückgegangem, auch in den heimischen vier Wänden hörten die Deutschen 2020/21 rund drei Stunden weniger Musik als vor Beginn der Pandemie.
Vor allem Radio verlor Zuhörer, profitiert hat dagegen das sogenannte Premium-Streaming. Die wöchentlichen Ausgaben für Musik gingen drastisch um fast die Hälfte zurück. Gleichzeitig zeigen sich viele bereit, auch für Live-Musik im Online-Format Geld auszugeben.
Allein der Konsum von Radio ging etwa von rund 10,5 auf acht Stunden pro Woche zurück. Mögliche Gründe für das Phänomen: Musikhören scheint für viele stark mit Mobilität verknüpft – zum Beispiel mit dem Weg zur Arbeit im Auto. Dazu kommt die starke Unterhaltungs-Konkurrenz durch Social-Media-Angebote oder Video-Streaming in den heimischen vier Wänden.
Literaturhinweis: Denk J., Burmester A., Kandziora M., Clement M. (2022): The impact of COVID-19 on music consumption and music spending. PLOS ONE 17(5): e0267640. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0267640
Der Chilene Luis Toro Araya hat sowohl den Opernpreis als auch den Publikumspreis als einer von sechs Finalisten beim International Conducting Wettbewerb ICCR in Rotterdam gewonnen. Er studiert in Zürich im MA Specialized Music Performance – Orchesterleitung bei Johannes Schläfli.
PM/SMZ_WB
- 15. Juni 2022
Luis Toro-Araya. Foto: zVg
Geboren 1995 in San Vicente de Tagua Tagua (Chile) studierte Luis Toro Araya an der künstlerischen Fakultät der Universität Chile und an der modernen Hochschule für Musik bei Alberto Dourthé Castrillón Violine. Von 2014 bis 2017 war er im Nationalen Symphonieorchester von Chile engagiert. Im Jahr 2015 begann er sein Dirigierstudium bei Dirigenten wie Jorge Rotter, Leonidrin, Garrett Keast und Helmuth Reichel Silva, mit dem er regelmässig als Assistent bei verschiedenen Projekten in Chile und Europa zusammenarbeitet.
Er war Finalist des Herbert von Karajan Young Conductors Award 2021, wo er die Camerata Salzburg beim Jubiläum 100 Jahre Salzburger Festspiele dirigierte. Zudem wurde er gerade zum Assistenten des spanischen Nationalorchesters für die Saison 2022/23 ernannt.
Die International Conducting Competition Rotterdam (ICCR) wird von der Stiftung International Conducting Competition Rotterdam in enger Zusammenarbeit mit dem Rotterdamer Philharmonischen Orchester und De Doelen organisiert. In fünf Runden mit verschiedenen Orchestern und Themen, von klassisch bis zeitgenössisch, zeigen die Dirigenten ihr Können.
Die Opfer von heute
Rund 80 Jugendliche verwandeln Strawinskys Ballett «Le Sacre du Printemps» in eine Anklage gegen Krieg und Flüchtlingselend.
Eine Jungfrau tanzt sich während eines Opferrituals zu Tode, auf dass im Herbst eine fette Ernte eingefahren werden möge. Der pseudo-archaische Stoff des Balletts Le Sacre du Printemps provozierte gemeinsam mit Vaslav Nijinskys bewusst primitiver Choreografie einen der berüchtigtsten Skandale der Musikgeschichte und machte den Komponisten Igor Strawinsky auf einen Schlag weltberühmt. Ein Stoff jedoch, der heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor- und vor allem keine Jugendlichen auf die Tanzbühne lockt. Krieg, Klima und Flüchtlinge sind die Themen, die bewegen.
Zumindest lässt einen das Musikkollegium Winterthur zu diesem Schluss kommen. Im Rahmen von «Le Grand Rituel», einem Festival, das vom 4. bis 18. Juni die Zwanziger- und Dreissigerjahre wiederaufleben lässt, bringt es gemeinsam mit dem Iberacademy Orchestra Medellín und rund 80 Jugendlichen eben diesen Sacre auf die Bühne. Die Schüler aus Wetzikon, Zürich und Winterthur sollten mit diesem Projekt, für das sie ein Jahr lang geprobt haben, an die klassische Musik herangeführt werden – und nur wenige Stücke im Repertoire eignen sich dafür so wie der Sacre. Denn wenn die Phase nach dem Ersten Weltkrieg, die Zeit, die «Le Grand Rituel» feiert, eine des künstlerischen Aufbruchs in die Moderne war, so kann man den bereits 1913 entstandenen Sacre als eine Art Startschuss zu dieser Entwicklung betrachten. Noch immer klingt diese die Extreme abtastende Musik frischer, moderner als vieles, das später geschrieben wurde.
Diskrepanz zwischen Botschaft und Stimmung
Im Sacre 2022, wie der Choreograf Josef Eder das Community-Dance-Projekt nennt, wurden die einzelnen Teile denn auch umbenannt, mit aktuellen Themen bezeichnet: Keim, Erwachen im Hier und Jetzt – Anklage und Selbstermächtigung – Initiation – Kräftemessen … Doch eigentlich benötigte man die Titel nicht, um zu verstehen, worum es geht. Denn schon vor der eigentlichen Vorstellung vom 10. Juni im Foyer der Halle 53 der ehemaligen Giesserei im Sulzerareal machte der Prolog alles klar. Während das Publikum noch gemütlich am Bierchen nippte, mischten sich zerlumpte Gestalten mit dreckverschmiertem Gesicht paarweise unters Volk, begleitet von einem Instrumentalisten der Iberacademy, und präsentierten die Lebensrealität von Flüchtlingen respektive Flüchtlingskindern. Nur tropfenweise verabreichten sie einander das lebenswichtige Wasser oder kreischten herzzerreissend. Und bereits hier oder überdeutlich hier wurde einem auch das den äusseren Umständen geschuldete Problem des Abends bewusst. Denn das Publikum, das vorwiegend aus Familien und Freunden der Protagonisten bestand, liess sich durch die Dringlichkeit der Message keineswegs von der guten Stimmung und dem Cüpli ablenken und betrachtete sichtlich mit Wohlgefallen das Treiben der Sprösslinge. Vor lauter Konzentration auf die Boten geriet die Botschaft gänzlich in den Hintergrund.
Das war schade, denn die Botschaft wurde mit erheblichem Aufwand und durchaus auch gekonnten Kunstgriffen aufbereitet. So vereinigten sich die zerlumpten Gestalten gegen Ende des Prologs und skandierten Parolen – «Panzer rollen, Kinder sterben» – rhythmisch akzentuiert und mit ebensolchen Schwerpunktverschiebungen, wie sie für Strawinskys Musik typisch sind. Die eigentliche Choreografie ersetzte geschickt das Opferritual durch Massenszenen und liess so den Krieg als das erscheinen, was er ist: ein übergrosses Ritual, in dem eben nicht einzelne Jungfrauen, sondern ganze Menschenmassen auf den Altar geführt werden. Und ein einfaches, von der Decke herabhängendes Netz wurde zum Symbol für unüberwindbare Grenzen und unlösbare Verstrickungen.
Überzeugend war der Abend aber auch dank der Leistung der beiden Orchester. Die Iberacademy, ein Orchester, das lateinamerikanische Jugendliche an die Musik heranführt und auf den Musikerberuf vorbereitet, entwickelte gemeinsam mit dem Musikkollegium unter der Leitung von Roberto González-Monjas den nötigen Druck, um die jugendlichen Tänzerinnen und Tänzer durch den Abend zu tragen. Das zeigte sich bereits beim als Eröffnung gespielten, perfekt in die Umgebung passenden Stück Die Eisengiesserei von Alexander Mossolow. Man hat es vielleicht schon differenzierter gehört, was sicher auch der Akustik der Industriehalle geschuldet war, aber die wilde Wucht des Momentes liess einen solche Einwände sofort vergessen. Der überbordende Schlussapplaus war dann zwar voreingenommen, aber sicher nicht unverdient. Bleibt für die Vorstellung am Tag danach und die Abschlussgala am 18. Juni einzig zu hoffen, dass ein etwas neutraleres Publikum auch die Botschaft zu würdigen weiss.
Die Stadtberner Exekutive hat die Kulturbotschaft 2024–2027 zur öffentlichen Vernehmlassung verabschiedet. Aufgrund der Finanzsituation werden die Mittel für die Kulturförderung gegenüber der Vorperiode um 1,8 Prozent gekürzt.
Neu erhalten das Berner Puppentheater und das Kollektiv Freiraum / Heitere Fahne einen tripartiten und das Musikfestival Bern einen städtischen Vertrag. Das Berner Kammerorchester wird nicht mehr mit einem tripartiten Vertrag unterstützt. Neu einführen will die Stadt gemeinsam mit dem Kanton Bern eine Orchesterförderung. Auf eine öffentliche Ausschreibung können sich alle Orchester, die bestimmte Professionalitätskriterien erfüllen, für eine vierjährige Förderung bewerben.
Der Gemeinderat legt den Fokus in der Kulturförderung auf die Nachhaltigkeit in der Kulturproduktion. Diversität und kulturelle Vielfalt werden als Schwerpunkte vertieft. Um den Zugang zur Förderung zu erleichtern, werden Fördermittel und Fachwissen zusammengelegt: Aus den bisherigen Fachkommissionen entsteht ein Pool mit Expertise aus zusätzlichen Bereichen. Die öffentliche Vernehmlassung der Kulturbotschaft dauert bis am 21. August 2022.
Für die Jahre 2024-2027 setzt der Gemeinderat in der Kulturförderung auf Nachhaltigkeit als Querschnittthema. Ziel sei es, dass Kultur in Bern möglichst nachhaltig produziert, präsentiert und ausgewertet werde. Besonderes Augenmerk legt der Gemeinderat dabei auf die soziale Sicherheit von Kulturschaffenden, auf eine prozessorientierte Kulturförderung sowie auf die Frage, wie der ökologische Fussabdruck von Kulturproduktion verkleinert werden kann. Die bereits in der aktuellen Kulturbotschaft geltenden Schwerpunkte Diversität und kulturelle Vielfalt will der Gemeinderat vertiefen.
Für die Jahre 2024–2027 stehen der direkten Kulturförderung 33’029’534 Franken pro Jahr zur Verfügung. Gegenüber der Vorperiode, die ein Wachstum von rund 10 Prozent verzeichnete, entspricht dies einer Reduktion von rund 1,8 Prozent oder 605’000 Franken.
Die Fachjurys der selektiven Förderung des Kantons Luzern haben in der ersten Ausschreibungsrunde in den Sparten «Musik», «Theater/Tanz» und «Recherchebeiträge» neun Ausgezeichnete erkoren.
Musikzeitung-Redaktion
- 13. Juni 2022
Fischermanns Orchestra. Foto: zVg
Die Förderbeiträge gehen in der Sparte Musik an folgende Projekte: Fischermanns Orchestra: «Blue Sky Tour 22», (20’000 Franken); Hobo Ho: «Hobo Ho & Guests @ Gewerbehalle» (20’000 Franken); Siselabonga: «EP Produktion + Tour» (20’000 Franken). Ingesamt wurden 13 Bewerbungen beurteilt.
In der zweiten Ausschreibungsrunde des Jahres 2022 werden ebefalls für Musikprojekte Produktionsbeiträge vergeben. Die Beiträge der Ausschreibung «Musik» werden für Gesamtprojekte, die ab Januar 2023 realisiert werden, und die damit verbundenen Aufwände für Promotion und Distribution vergeben. Total steht eine Beitragssumme von 60’000 Franken zur Verfügung.
Am Institut Klassik der Hochschule für Musik Basel unterrichten ab September 2022 neu Esther Sévérac (Fachdidaktik Harfe), Johannes Knoll (Fachdidaktik Oboe), Remo Schnyder (Fachdidaktik Saxophon) und Rodolfo Fischer (Wahlfach Orchesterdirigieren).
PM/SMZ_WB
- 10. Juni 2022
Esther Sévérac. Foto: Samuel Python
Rodolfo Fischer begann seine musikalische Laufbahn als Pianist, später legte er seinen Schwerpunkt auf das Dirigieren. Nach Abschluss seines Studiums an der Fakultät der Künste der Universität von Chile setzte er sein Studium als Stipendiat am Mannes College of Music in New York fort, wo er Schüler des Pianisten Richard Goode war. Danach wurde er in die Dirigierklasse von Otto Werner Muller am Curtis Institute of Music aufgenommen, wo er einen Abschluss in Orchesterdirigieren erwarb.
Johannes Knoll, geboren 1987 in Linz/Donau, studierte Oboe und historische Oboeninstrumente in den Klassen von Josef Blank, Katharina Arfken und Alfredo Bernardini in Linz, Basel und Amsterdam. Berufsbegleitend studierte er im Anschluss Musikpädagogik in Karlsruhe. Als Musiker ist Johannes Knoll seit 2010 in ganz Europa engagiert. 2021 wurde er durch den Deutschen Musikrat für die Entwicklung eines musikpädagogischen Spiels für Kinder gefördert.
Remo Schnyder studierte Musik an der Hochschule der Künste Bern und der Hochschule für Musik FHNW in Basel, wo er anschliessend als Assistent von Marcus Weiss Saxofon und Kammermusik unterrichtete. Er erhielt Preise an verschiedenen Wettbewerben, unter anderem zusammen mit der Pianistin Sayaka Sakurai am Concours Léopold Bellan, Paris, am Concours Nicati und von Migros-Kulturprozent. Seit 2019 ist er Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste.
Esther Sévérac hat die Studiengänge Solo-Performance und Pädagogik im Master bei der Harfenistin Sarah O’Brien an der Musikakademie Basel abgeschlossen. Neben einem umfangreichen klassischen Repertoire für die Konzertharfe, machen Volks-, Unterhaltungs- und zeitgenössische Musik einen Teil ihres Soloangebots aus. Sie experimentiert auch mit Harfe und Elektronik, um neue Musik für Ihr Instrument zu schaffen.
Abschied von Kai Bumann
Kai Bumann ist am 2. Juni überraschend in seiner Wahlheimat Polen gestorben.
SJSO/SMZ
- 09. Juni 2022
Wie das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester (SJSO) mitteilt, verliert es «einen aussergewöhnlichen Musiker, Pädagogen und Menschen. Seit 1998 hat Kai Bumann das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester geleitet und in all den Jahren nicht nur unvergessliche musikalische Glücksmomente ermöglicht, sondern die Lebenswege zahlloser Musikerinnen und Musiker mitgeprägt.»
Die Trauerfeier hat in der polnischen Wahlheimat Kai Bumanns bereits stattgefunden. Im Herbst ist ein öffentlicher Gedenkanlass geplant. Die Details dazu werden zu gegebener Zeit auf der SJSO-Website bekanntgegeben.
Bern unterstützt weitere Kulturinstitutionen
Der Berner Regierungsrat hat die Kantonale Kulturförderungsverordnung angepasst und sechs Kulturinstitutionen neu auf die Liste der «Institutionen von regionaler Bedeutung» aufgenommen. Als solche werden sie durch die Standortgemeinde, den Kanton sowie sämtliche übrigen Gemeinden der entsprechenden Region gemeinsam unterstützt.
Musikzeitung-Redaktion
- 09. Juni 2022
Das Albert-Anker-Haus in Ins. Foto: Adrian Michael/WikiCommons
In der Region Biel/Bienne-Seeland-Jura bernois werden das Centre Albert Anker (Ins) und das KartellCulturel (Biel und Nidau) neu auf die Liste aufgenommen. Das KartellCulturel ist eine Zusammenführung der drei Kulturinstitutionen Kultur Kreuz Nidau, Le Singe, und Groovesound, von denen die erste bereits bisher auf der Liste vertreten war.
In der Region Bern-Mittelland werden zum einen das Reberhaus (Bolligen) und das Berner Kammerorchester (Bern) von der Liste gestrichen. Neu aufgenommen werden zum anderen der Bären Buchsi (Münchenbuchsee), die Heitere Fahne (Bern und Köniz), das Berner Puppen Theater (Bern) und die Kulturfabrikbiglen (Biglen, Jaberg, Konolfingen, Landiswil, Muri bei Bern, Oberdiessbach und Oberthal).
Die Liste wurde in einem partizipativen Prozess mit den betroffenen Gemeinden erarbeitet. Mit den Kulturinstitutionen dieser zwei Regionen werden nun Leistungsverträge für die Jahre 2024 bis 2027 ausgearbeitet.
Kai Bumann ist am 2. Juni überraschend in seiner Wahlheimat Polen gestorben.
Musikzeitung-Redaktion
- 09. Juni 2022
Kai Bumann an der letzten Tournee im Frühling 2022 mit Rennosuke Fukuda. Foto: Peter Robertson
Wie das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester (SJSO) mitteilt, verliert es «einen aussergewöhnlichen Musiker, Pädagogen und Menschen. Seit 1998 hat Kai Bumann das Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester geleitet und in all den Jahren nicht nur unvergessliche musikalische Glücksmomente ermöglicht, sondern die Lebenswege zahlloser Musikerinnen und Musiker mitgeprägt.»
Die Trauerfeier hat in der polnischen Wahlheimat Kai Bumanns bereits stattgefunden. Im Herbst ist ein öffentlicher Gedenkanlass geplant. Die Details dazu werden zu gegebener Zeit auf der SJSO-Website bekanntgegeben.