Erster Preis für Lausanner bei Leipziger Dirigierwettbewerb

Lorenzo Viotti, der 1990 in Lausanne geborene Chefdirigent des Akademischen Symphonie Orchesters der Wirtschaftsuniversität Wien, hat beim Dirigierwettbewerb der mitteldeutschen Musikhochschulen in Leipzig den ersten Platz belegt.

Lorenzo Viotti im Juni 2012 mit dem ASO in Wien. Foto: © photonews.at/Georges Schneider

Viotti studiert an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar in der Klasse von Nicolás Pasquet und Martin Hoff. Den zweiten Platz belegte Giedre Slekyte aus Leipzig (Klasse Barbara Rucha) und den dritten mit Johannes Köhler wiederum ein Student aus Weimar (Klasse Gunter Kahlert / Martin Hoff/ Nicolás Pasquet).

Viotti hat als 10-Jähriger mit einem Schlagwerkstudium begonnen. 2008 machte er seinen Abschluss mit Auszeichnung am Konservatorium der Stadt Lyon. Parallel dazu studierte er Klavier und Gesang.

Nach zahlreichen nationalen Konzertauftritten als Orchester- und Kammermusiker übersiedelte er 2009 nach Wien, um sein Studium fortzusetzen. Seit Februar 2012 ist Lorenzo Viotti Chefdirigent des Akademischen Symphonie Orchesters der Wirtschaftsuniversität Wien (ASO). Im Sommer 2012 wurde er im Weimarer Meisterkurs von Nicolás Pasquet für das Abschlusskonzert mit der Jenaer Philharmonie ausgewählt.

Neue Empfehlungen fürs Schweizer Urheberrecht

Die Schweizer Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12), die von Bundesrätin Simonetta Sommaruga im August 2012 einberufen wurde, hat ihren Schlussbericht veröffentlicht.

Foto: nmann77 – Fotolia.com

In der Arbeitsgruppe haben Kunstschaffende sowie Vertreterinnen und Vertreter der Produzenten, der Wirtschaft, der Nutzer und der Konsumenten während gut einem Jahr die zahlreichen Kritikpunkte am Urheberrecht im digitalen Zeitalter zusammengetragen und intensiv diskutiert.

Als Ergebnis schlägt die AGUR12 ein Massnahmenpaket mit fünf Schwerpunkten vor: Verbesserung der Information für die Konsumenten, Ausbau und damit Steigerung der Attraktivität legaler Angebote, Vereinfachung der Bekämpfung der Piraterie, Steigerung der Effizienz und Transparenz der Verwertungsgesellschaften sowie Anpassung der Schranken des Urheberrechts an die neusten Entwicklungen.

Diese Empfehlungen richten sich teils an die Rechteinhaber und die Verwertungsgesellschaften, teils an den Gesetzgeber und die Verwaltung. Downloads vom Internet sollen zulässig bleiben; unbewilligte Uploads dagegen bleiben verboten.

Der Schlussbericht der AGUR12: www.ige.ch

Thomas Pfiffner folgt auf Sylvester Vieli

Der Stiftungsrat hat den derzeitigen Direktor des Musikkollegiums Winterthur, Thomas Pfiffner, per 1. April 2014 als Nachfolger von Sylvester Vieli ernannt.

Thomas Pfiffner. Foto: Musikkollegium Winterthur

Sylvester Vieli, der seit 1990 für die Stiftung tätig war, ab 1992 als deren Geschäftsleiter, tritt in den Ruhestand. Er hat die Stiftung seit ihrer Gründung geprägt und massgeblich mitgeholfen, sie als eine der international führenden Institutionen in der Förderung hochbegabter junger Musikerinnen und Musiker zu etablieren. Wie die Stiftung mitteilt, ist es seinem hohen professionellen, organisatorischen und werberischen Geschick zu verdanken, dass die Förderkonzerte der Stiftung, die Internationalen Orpheum Musikfesttage zur Förderung junger Solisten, die Extrakonzerte und Nachförderungsprogramme beim Publikum, in Fachkreisen, bei den Sponsoren und bei den Künstlern heute über einen exzellenten Ruf verfügen.

Thomas Pfiffner wird seine neue Funktion am 1. April 2014 antreten. Bis Sommer 2014 steht er dem Musikkollegium für die künstlerische Planung weiterhin zur Verfügung, um die Nachfolgeregelung der Intendanz in optimaler Weise zu ermöglichen. Bereits als Thomas Pfiffner Geschäftsführer des Zürcher Kammerorchesters war, hat der Stiftungspräsident Hans Heinrich Coninx mit ihm zusammengearbeitet. Gemäss Mitteilung der Stiftung freue er sich, dass sich Pfiffner für Orpheum entschieden hat: «Er ist auf Grund seiner Erfahrung und breiten Vernetzung in der Welt der klassischen Musik eine Idealbesetzung unserer Geschäftsleitung. Er wird unsere Kernidee der Förderkonzerte weiterführen, dabei aber neue Wege beschreiten, so wie er es an jeder seiner bisherigen beruflichen Stationen eindrücklich getan hat».

www.orpheum.ch
 

Rätoromanisches Label

Zeitgenössische Musik rätoromanischer Künstlerinnen und Künstler hat ihr eigenes Label: R-tunes. Neben der Produktion von Tonträgern nimmt es die Aufgaben einer Künstleragentur für ausgewählte Musikerinnen und Musiker wahr.

Cover der jüngsten Neuerscheinung: Pascal Gamboni, Tiara,SMPV

Hinter R-tunes stehen Manfred Zazzi, Toningenieur sowie Mitinhaber und Leiter der 571 Recording Studios in Zürich, und Michel Decurtins, Journalist bei Radiotelevisiun Svizra Rumantscha und Hörspielproduzent. Für das Marketing testet R-tunes neben branchenüblichen Kanälen auch «traditionelle» und zugleich neue Wege (Verkauf in Dorfläden oder Coiffeursalons). Die für Künstlerinnen und Künstler vielleicht schwierigsten Arbeiten, Administration und Fund Raising, sind Teil des Angebots. Als Künstleragentur veranstaltet R-tunes nicht nur Albentaufen, sondern organisiert auch Tourneen. Dabei werden auch Konzerte angepeilt, die über den regionalen Rahmen hinausgehen. Rätoromanische Musik sollte sich auch auf nationalen und wenn möglich internationalen Bühnen präsentieren.

Das Repertoire geht von Liedermacherinnen und Liedermachern über Performaces zu Jazz und Rap. Über die Website können die Produktionen des Labels bestellt werden. Darüber hinaus werden CDs rätoromanischer Künstler angeboten, die diese im Eigenverlag herausgegeben haben.

www.r-tunes.ch

 

Smartphone löst CD als Tonträger ab

Jeder Dritte hört in der Schweiz Musik vorzugsweise nicht mehr auf herkömmlichem Weg. Neun von zehn Nutzern von Musik-Streaming wie Spotify oder Internet-Radio zahlen überdies nicht fürs Musikhören. Das zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag von comparis.ch.

Foto: Ingo Bartussek – Fotolia.com

2013 hören Schweizer Musik häufiger auf Smartphone oder Computer als mit dem CD-Spieler. Das zeigt die Umfrage unter rund 1200 Internet-Nutzern, die im November vom Link Institut bei Personen zwischen 15 und 74 Jahren durchgeführt worden ist.

14 Prozent der Befragten hören am häufigsten mit dem Handy oder dem Smartphone Musik. Zusammen mit Computern, MP3-Spielern und Tablets ergibt dies einen Anteil von 32 Prozent, also gut ein Drittel der Schweizer. Mit dem CD-Spieler hören nur 9 Prozent der Befragten am häufigsten Musik.

Nutzer von Online-Diensten sind überdies kaum bereit, fürs Musikhören Geld zu zahlen. Streaming wird von 93 Prozent der Befragten immer oder hauptsächlich genutzt, ohne zu zahlen. Beim Internet-Radio sind es 91 Prozent. Am ehesten gezahlt wird für Download-Dienste: 45 Prozent der Nutzer geben an, diese zu entgelten.

Allerdings bestünden gewisse Fragezeichen. meint Comparis, wie zukunftsträchtig dieses Modell ist. Bei den jungen Schweizern sei es auch bei Download-Angeboten nicht weit her mit der Zahlungsbereitschaft. In der Altersgruppe bis 29 Jahren zahlen nur 25 Prozent der Nutzer von Internet-Musikdiensten immer oder hauptsächlich, gegenüber 56 Prozent der Personen ab 30 Jahren.
 

Jürg Freys psychologische Kunst

Diese subtilen Klavierklänge, sensibel umgesetzt von R. Andrew Lee, bringen die Zeit zum Stillstand.

R. Andrew Lee. Foto: zvg

Gute Musiker kennen das: Schwer sind nicht schnelle Läufe oder wuchtige Akkordsprünge. Schwer ist das Dezente und Diskrete. Der Aargauer Jürg Frey pflegt beides. Seine behutsam ausgesuchten Klänge scheinen ein Eigenleben zu führen ohne grössere Eingriffe des Komponisten. Hochabstrakt klingt das, vielleicht auch steril in manchen Ohren. Wer sich aber einmal eingelassen hat, wer sich, wie der Booklet-Autor William Robin empfiehlt, mit gutem Kopfhörer und einem Glas Whiskey hingesetzt hat – der wird belohnt mit höchster und sympathischer Kunst.

Die zwei Stücke füllen etwas mehr als eine Stunde. Spätestens seit Henri Bergson ist bekannt, dass Zeit relativ ist. Wenn Frey in seinem Klavierstück 2 die Zeit füllt mit der Wiederholung einer Quarte in Form von 468 Anschlägen, dann klingt das so wenig nach Avantgarde wie nach besonderen Vorkommnissen. Das Besondere aber geschieht im Kopf. Karlheinz Stockhausen oder Bernd Alois Zimmermann haben sich recht theorielastig beschäftigt mit Zeitfragen. Frey macht das auf seine Art. Undogmatisch, geradeheraus, hoch konzentriert kommt Zeit zum Stillstand. Das stete Kommen und Gehen, Klingen und Verklingen ist letztlich kompositorische wie psychologische Kunst.

Mit dem Pianisten R. Andrew Lee fand Jürg Frey einen kongenialen Partner. Höchste Klangsensibilität vereint er mit der nötigen Balance zwischen Freiheit und Kontrolle. Diese CD mit einem ausgezeichneten (englischen) Booklet und einem der Musik wunderbar entsprechenden Cover, sei jedem ans Herz gelegt, der einen guten Kopfhörer hat. Denn eines verträgt diese heikle Musik nicht: Störungen durch die zu laute Umwelt.

Image

Jürg Frey: Piano music (Klavierstück 2, Les tréfonds inexplorés des signes pour piano 24–35). R. Andrew Lee, Klavier. Irritable Hedgehog Music IHM 006

Musik tut gut

Eine inspirierende Rundschau über frühkindliche Musikpädagogik von der ersten Schweizer Musik-Kita bis zu Education-Konzerten. Bericht von der Luzerner Tagung «Musiklernen von klein auf».

© Westend61 – Fotolia.com

Wie müssen Bildungserlebnisse gestaltet werden, damit sich das individuelle Potenzial der Kinder entfalten kann? Das ist die Kernfrage jeglichen pädagogischen Bemühens, und es war auch die Kernfrage der Vorträge und Workshops an der Luzerner Fachtagung Musiklernen von klein auf. Über hundert Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen waren gekommen, um ihr Wissen zu erweitern, um Anregungen für ihre tägliche Arbeit zu bekommen, oder um endlich einmal zu hören, wie man denn mit ganz jungen Kindern am besten arbeitet. Denn nahezu alle – das wurde in den Kaffeepausen kontrovers diskutiert – stellten diesbezüglich Defizite in ihrer Berufsausbildung fest.
Nach dem «Sprung ins kalte Wasser» des Unterrichtens folgte bei vielen der teilnehmenden Instrumentalisten das Bedürfnis, ihre pädagogischen Kenntnisse zu vertiefen. Im Gegensatz zu verschiedenen CAS-Angeboten an Schweizer Hochschulen bot die Luzerner Tagung mit Vorträgen und Workshops ein konzentriertes, dabei ausgesprochen breites und zeitlich eng begrenztes Angebot an Ansätzen, Themen und Fallbeispielen zur frühkindlichen Musikpädagogik.
Zunächst einmal galt es, über die aktuellen Unterrichtssituationen nachzudenken. Der Luzerner Gastgeber Walter Hess stellte fest, dass Kinder heute deutlich mehr Zeit in Tagesbetreuungen statt in Kleinfamilien verbringen. In welcher Weise dadurch überhaupt noch Raum für frühkindlichen Instrumentalunterricht zur Verfügung steht oder ob stattdessen vielmehr die Instrumentalpädagogen ihrerseits in die Kindertagesstätten und Schulen Einzug halten müssten, blieb eine offene Frage.

Brabbeln …
Bereits Kleinkind-Betreuerinnen können durch einen bewussten Umgang mit Musik das natürliche Interesse der Kinder fördern, wie Stefanie Stadler Elmer vom Psychologischen Institut der Universität Zürich erklärte. Sie zeigte auf, wie eng Sprachentwicklung und Singenlernen miteinander verknüpft sind. Während des ersten Lebensjahres ist beides nicht zu unterscheiden; die kindliche Vokalisation – das typische Baby-Gebrabbel – tendiert mal mehr zur Imitation von Silben, mal eher zur Intonation verschiedener Tonhöhen und melodischer Verbindungen. Erst im zweiten Lebensjahr lernt das Kind, zwischen beiden Modalitäten zu unterscheiden, wobei das Nachahmen von Melodien deutlich leichter fällt als das Nachahmen von Silben. Die Regelhaftigkeit des Singens entspricht viel eher den natürlichen Wahrnehmungs- und Produktionsfähigkeiten des Säuglings und des Kleinkindes. Daher sollten Kindertagesstätten ihren Schützlingen vielseitige Hörangebote machen und Stimme, Motorik und Sensorik dabei gleichermassen einbeziehen. Schon eine eintägige Weiterbildung könne einen deutlich bewussteren Umgang der Erziehungspersonen mit den meist ohnehin schon in Kitas anzutreffenden Liedern und musikalischen Ritualen nach sich ziehen, meinte Stadler Elmer. Konkrete Vorschläge hat sie in ihrem Buch Kind und Musik zusammengetragen, das 2014 erscheint.

… toben …
Die Bewegungswissenschaftlerin Renate Zimmer betonte, wie elementar es für Kinder sei, über den eigenen Körper einen Zugang zur Musik zu finden. Ihr Buch Toben macht schlau!? spielt auf die in den Medien immer wieder geäusserte These an, Musik mache schlau. Dass beides im Kindesalter die Synapsenbildung anregt – und damit salopp gesagt «schlau» macht – zeigte Zimmer anhand zahlreicher Bilder. Zimmer verwies auf die Anthropologie, die den Menschen als ein auf Bewegung und Erfahrung angelegtes Wesen sieht, das des Einsatzes aller Sinne bedarf, um sich ein Bild von der Welt und sich selbst zu machen. Für Kinder heisst dies konkret, dass Bildung ein aktiver Prozess sein muss, in dem das Kind seine eigene Selbstwirksamkeit erlebt. Eigenwille und Eigensinn prägen die Grundhaltung des Kindes; beides muss im Bildungsprozess gefördert und gefordert werden. So soll etwa ein Kind selbst herausfinden können, ob man mit einem Pfirsich genauso klangvoll auf den Tisch schlagen kann wie mit einer Rassel. Erst das intensive Erleben über alle Sinne macht wirkungsvolles Lernen aus. Dass es dabei auch die Begleitung durch Erwachsene braucht, bestritt Zimmer nicht – schliesslich ist Bildung auch ein sozialer Prozess. Elementar sei jedoch die Bewusstmachung der Verhältnisse. Den anwesenden Instrumentalpädagoginnen empfahl sie, auf die oft gestellte Frage nach ihrem Beruf nicht etwa zu antworten: «Ich unterrichte Geige.» Sondern: «Ich unterrichte Kinder.»

… und spielen
Wie man ganz konkret den Instrumentalunterricht bereichern kann, zeigte Madeleine Zulauf von der Formation Musique Recherche Zulauf. Sie bemerkte, dass die pädagogische Anwendung des Spiels im Kindergarten sehr verbreitet, im frühkindlichen Instrumentalunterricht des sechsten und siebten Lebensjahres aber kaum anzutreffen sei. Selbst die jüngsten Kinder lernten ganz traditionell, wie man vorgegebene Musik reproduziere. Die Didaktik ziele stark auf Imitation und Wiederholung und vernachlässige die Kompetenzbildung zur Entwicklung einer eigenen Musiksprache. Hier könnten spielerische Improvisationen in den Instrumentalunterricht integriert werden. Zulauf zeigte Beispiele, in denen Kleinkinder dazu ermuntert werden, eine Bilderbuchgeschichte mit dem Instrument ihrer Wahl musikalisch zu begleiten. Wichtig für das Kind sind dabei die Bereitstellung verschiedener Instrumente bzw. Klangerzeuger und die Wertschätzung der musikalischen Produktion durch die Erwachsenen. Instrumentalpädagogen können diese Unterrichtseinheiten dann durch Aufnahme, Abhören und Selbstanalyse des Kindes begleiten; sie können anhand der Improvisation musikalische Termini einführen und zur Notation der Improvisation anregen.

Auch in den anschliessenden Workshops kam die Improvisation immer wieder zum Einsatz: Sei es als Rhythmusspiel im Workshop Wechselwirkungen elementarer musikalischer Erfahrungen durch Bewegung in der Rhythmik von Sabine Hirtler von der technischen Universität Kaiserslautern, sei es als musikalisches Response auf ein Ligeti-Stück im Workshop Zwischen Konzert und Education-Projekt: Konzertpädagogische Veranstaltungen mit Kindern, Jugendlichen und einem jungen Publikum mit Barbara Stiller von der Hochschule der Künste Bremen. Andrea Holzer-Rhomberg stellte ihre Streicherschule Fiedel Max vor, bei der das Spiel mit Zaubertönen, Bogengeist und Reisen ins Ohrenspitz-Land Elemente des ganzheitlichen Lernens darstellen, und Susan Young von der University of Exeter machte auf die vielfältigen musikalischen Alltagserfahrungen und -aktivitäten von Kindern aufmerksam.
Wie denn die Eltern für das frühkindliche Musizieren zu überzeugen seien, wurde in der abschliessenden Podiumsdiskussion gefragt. Neben all den wissenschaftlichen Studien, die die Vorteile mittlerweile belegten, gab Aron Braun, Geschäftsführer der Musikalischen KiTa Zimballo, der ersten und bisher einzigen Musik-Kita der Schweiz, den Grund seines Engagements an: «Weil Musik gut tut.»
 

Wie klingt die Erde?

Erdig, das nimmt die Weltmusik für sich in Anspruch. Was bedeutet das? Wie tönen Bäume und Steine? Und welche Musik erklingt heute bei Beerdigungen?

Wie klingt die Erde?

Erdig, das nimmt die Weltmusik für sich in Anspruch. Was bedeutet das? Wie tönen Bäume und Steine? Und welche Musik erklingt heute bei Beerdigungen?

Focus

La terre est un instrument de musique
Diego Stocco crée des vidéos musicales avec un arbre, du sable, la pluie

Mineralischer Widerhall
Gespräch mit Rudolf Fritsche über seine Steininstrumente
Klangbeispiele

Sag beim Abschied leise Servus
An Beerdigungen ist vermehrt populäre Musik zu hören.

Erdrutsch im Plattenladen
Gedanken zu Musik, Erde und Universalität in der Weltmusik

… und ausserdem

RESONANCE


La liberté de la musique contemporaine
: Entretien avec Philippe Bach
Deutsche Version

Wagners Antisemitismus und wie man nicht darüber reden kann

Wiederkehr der Grossformen: Die Donaueschinger Musiktage 2013

Le Capitali della Musica: Eine neue Konzertreihe in Zürich

Gentle-rock-jazz-man : John Scofield et le groupe Überjam

Jeder Besucher ein Experte: Die Ausstellung pop@basel

Rezensionen Klassik — Neuerscheinungen Bücher, Noten, CDs

Carte Blanche mit Jenny Berg
 

CAMPUS


Zusammenarbeit im Fach Musik:
Hochwertiger Musikunterricht an den Volksschulen

Rahmenbedingungen des Musikunterrichts:
D-A-CH-Tagung in Ossiach

Musik tut gut:
Die Luzerner Tagung «Musiklernen von klein auf»

Rezensionen
Neuerscheinungen Unterrichtsliteratur

klaxon Kinderseite

FINALE

Rätsel: Michael Kube sucht

Kategorien

Musik muss aufrütteln

Buchrezension: In sprudelnden Gesprächen erhalten wir Einblick in das bewegte Leben des Bachspezialisten, Dirigenten und Musikpädagogen Helmuth Rilling.

Foto: Holger Schneider

Die geschickten Fragen des Publizisten und Dramaturgen Hanspeter Krellmann beantwortet Rilling so lebendig und ausführlich, dass ein spannender Lesefluss entsteht, unterbrochen von eingestreuten Fotografien. Nach dem Einstieg in die noch immer tätige Gegenwart des Achtzigjährigen und seine Einstellungen zu konsequenter Partiturtreue und Publikumsnähe (Gesprächskonzerte 2013) erfährt man von mutigen Beschlüssen und glücklichen Zufällen (Germani, Bernstein) seiner Studienzeit und vom fliessenden Übergang ins Berufsleben als Organist und Leiter der Gächinger Kantorei. Dank seiner kommunikativen Begabung und begeisternden Initiativen tat sich Tür um Tür auf. Er entkam den prekären Verhältnissen der Nachkriegszeit und gewann bald Einfluss über Stuttgart hinaus mit seiner konsequenten, alle am Musikgeschehen beteiligenden Führungskunst.

Das Ergebnis ist immens: Aufführung aller Bach-Werke, Konzerte des Bach-Collegiums in ganz Europa, eine neunseitige Diskografie, die Internationale Bachakademie in Stuttgart mit Forschungs-, Publikations- und Konzerttätigkeit und einer der bestsortierten Bach-Bibliotheken, weltweit durch ihn entstandene Bach-Festivals vor allem das seit 1970 bestehende in Eugene, Oregon (USA), viele erfolgreiche Chorleiter, die bei ihm an der Hochschule in Frankfurt studiert hatten, grosse Ausstrahlung der internationalen Oratorienwochen mit Jugendlichen und der jeweils eine Woche dauernden Bach-Akademien rund um die Welt (Leipzig, Prag, Moskau – über den Eisernen Vorhang hinweg! – , Santiago de Compostela, Tokio, Caracas), auf seine Bestellung hin entstandene Oratorien von Penderecki, Sandström, Pärt, Gubaidulina, Tan Dun, Golijov, Rihm.

Im Zentrum von Rillings Schaffen steht Johann Sebastian Bach. Er hat sich früh entschieden für eine selbstgeschaffene Mittelstellung seiner Interpretation zwischen der seit dem 19. Jahrhundert üblichen romantischen mit grossem Laienchor und Orchester und der seit 1950 aufkommenden Originalklangbewegung; sein Ziel ist das Hörbarmachen der Absichten des Komponisten, die er bei intensiver Partituranalyse erforscht: «Musik darf nie bequem sein, nicht museal, nicht beschwichtigend. Sie muss aufrütteln, die Menschen erreichen, sie zum Nachdenken bringen.» Er hat sich auch vielen andern Komponisten aller Zeiten zugewandt, aber nur den Werken, die diesen Kriterien genügten.

Wertvoll sind die vielen Aussagen über die Arbeitsweise bei Proben, das Dirigieren, den Umgang mit dem Text, den Einsatz von Frauen-, Knabenstimmen oder Countertenören, die  verschiedenen Schaffensphasen Bachs … Es ist kaum möglich aufzuzählen, was man alles beim Lesen aufnimmt! Schade, dass im Anhang Sach- und Komponistenverzeichnisse fehlen, denn das Bedürfnis, später etwas nachzuschlagen, ist gross.

Image

Helmuth Rilling Ein Leben mit Bach. Gespräche mit Hanspeter Krellmann, 216 S., € 24.95, Bärenreiter/Henschel, Kassel/Leipzig 2013 ISBN 978-3-7618-2324-8

 

 

 

 

 

Schlaglichter und Zitate aus dem Buch, ausgewählt von Walter Amadeus Ammann:

Musik muss aufrütteln

Buchrezension: In sprudelnden Gesprächen erhalten wir Einblick in das bewegte Leben des Bachspezialisten, Dirigenten und Musikpädagogen Helmuth Rilling.

Helmuth Rilling. Foto: Holger Schneider

Die geschickten Fragen des Publizisten und Dramaturgen Hanspeter Krellmann beantwortet Rilling so lebendig und ausführlich, dass ein spannender Lesefluss entsteht, unterbrochen von eingestreuten Fotografien. Nach dem Einstieg in die noch immer tätige Gegenwart des Achtzigjährigen und seine Einstellungen zu konsequenter Partiturtreue und Publikumsnähe (Gesprächskonzerte 2013) erfährt man von mutigen Beschlüssen und glücklichen Zufällen (Germani, Bernstein) seiner Studienzeit und vom fliessenden Übergang ins Berufsleben als Organist und Leiter der Gächinger Kantorei. Dank seiner kommunikativen Begabung und begeisternden Initiativen tat sich Tür um Tür auf. Er entkam den prekären Verhältnissen der Nachkriegszeit und gewann bald Einfluss über Stuttgart hinaus mit seiner konsequenten, alle am Musikgeschehen beteiligenden Führungskunst.

Das Ergebnis ist immens: Aufführung aller Bach-Werke, Konzerte des Bach-Collegiums in ganz Europa, eine neunseitige Diskografie, die Internationale Bachakademie in Stuttgart mit Forschungs-, Publikations- und Konzerttätigkeit und einer der bestsortierten Bach-Bibliotheken, weltweit durch ihn entstandene Bach-Festivals vor allem das seit 1970 bestehende in Eugene, Oregon (USA), viele erfolgreiche Chorleiter, die bei ihm an der Hochschule in Frankfurt studiert hatten, grosse Ausstrahlung der internationalen Oratorienwochen mit Jugendlichen und der jeweils eine Woche dauernden Bach-Akademien rund um die Welt (Leipzig, Prag, Moskau – über den Eisernen Vorhang hinweg! – , Santiago de Compostela, Tokio, Caracas), auf seine Bestellung hin entstandene Oratorien von Penderecki, Sandström, Pärt, Gubaidulina, Tan Dun, Golijov, Rihm.

Im Zentrum von Rillings Schaffen steht Johann Sebastian Bach. Er hat sich früh entschieden für eine selbstgeschaffene Mittelstellung seiner Interpretation zwischen der seit dem 19. Jahrhundert üblichen romantischen mit grossem Laienchor und Orchester und der seit 1950 aufkommenden Originalklangbewegung; sein Ziel ist das Hörbarmachen der Absichten des Komponisten, die er bei intensiver Partituranalyse erforscht: «Musik darf nie bequem sein, nicht museal, nicht beschwichtigend. Sie muss aufrütteln, die Menschen erreichen, sie zum Nachdenken bringen.» Er hat sich auch vielen andern Komponisten aller Zeiten zugewandt, aber nur den Werken, die diesen Kriterien genügten.

Wertvoll sind die vielen Aussagen über die Arbeitsweise bei Proben, das Dirigieren, den Umgang mit dem Text, den Einsatz von Frauen-, Knabenstimmen oder Countertenören, die  verschiedenen Schaffensphasen Bachs … Es ist kaum möglich aufzuzählen, was man alles beim Lesen aufnimmt! Schade, dass im Anhang Sach- und Komponistenverzeichnisse fehlen, denn das Bedürfnis, später etwas nachzuschlagen, ist gross.

Image

Helmuth Rilling Ein Leben mit Bach. Gespräche mit Hanspeter Krellmann, 216 S., € 24.95, Bärenreiter/Henschel, Kassel/Leipzig 2013 ISBN 978-3-7618-2324-8

 

Schlaglichter und Zitate aus dem Buch, ausgewählt von Walter Amadeus Ammann:

Seite 12    Zum wiederholten Aufführen eines der Werke aus seinem Kanon der Oratorien des 18. und 19. Jahrhunderts: Ich gehe zurück zu meinen Partituren und entdecke in ihnen oft Details, die mir bisher nicht aufgefallen sind. Für mich gilt: «Das ist jetzt ein neues Stück.»

13    Mit Gelassenheit lässt sich eine Problemsituation perspektivisch verändern.

15    Beethoven 9. Sinfonie, im letzter Satz stört ihn der Text: Seine enthusiastisch-utopische Sprache, die eine Denkweise transportiert, die ich schon früh nicht nachvollziehen konnte. Für den Hymnus bin ich noch zugänglich, aber es gibt einige quasi rezitativische Passagen mit dem Chor, wo mir das zu simpel klingt.

34/35    Wegen fehlender Testate vom Chor der Stuttgarter Hochschule wäre der ausschliesslich fleissig Orgel Übende nicht zum Chorleiterstudium zugelassen worden, wenn er nicht in zwei Tagen Kontrabass gelernt hätte, der im Orchester gefehlt hatte!

45    Bei der Gächinger Kantorei habe ich für mein Leben gelernt, dass der Dirigent allein, besser gesagt: ich als Dirigent, nichts ausrichten kann ohne das Zusammenwirken vieler Gleichgesinnter.

49    Kollegialität und Freundlichkeit Bernsteins bei den Proben. Ich erinnere mich an den damaligen Pauker, der ihm sagte, er könne nach seinem Schlag nicht spielen. Keine Stimmungstrübung daraufhin, sondern Lenny (Bernstein) sagte: «Dann mach’ ich es mal anders.» «Much better», sagte der Pauker zu ihm vor dem ganzen Orchester. Der Grundsatz bei Bernstein lautete mithin: «Ich bin zwar der Chef hier, aber ihr müsst die Musik machen. Also machen wir es zusammen.»

54/5    Was entsteht an Neuem, wenn ein kompetenter Komponist einen Text wählt und in Musik umsetzt? Dann nämlich entsteht über die Bereiche «vokal» und «instrumental» hinaus und durch die Verbindung der beiden Medien eine spezielle Klanglichkeit.

66    Im Konzert wird die Musik erlebt, vorher haben wir sie behandelt.

67    Die Anleitung zum Aufeinanderhören ist die wichtigste Erziehungsaufgabe eines Dirigenten.

68    Der Dirigent ist … vorrangig für die Grundbalance der Gruppen verantwortlich: das Verhältnis zwischen Sängern und Instrumentalisten und im Orchester das zwischen allen Orchestergruppierungen. Diese Balance muss der Dirigent in den Proben durchsetzen.

74    Was Schubert heraushebt, sind Empfindungen, die er in seinen Messen freisetzt. Sie sind von einer solchen Glut erfüllt, dass es schwerfällt, protestantische Komponisten zu benennen, die das auf ihre Weise ebenso erreicht hätten.

81    Choraufstellung in Reihen ergibt Mischklang.

82/3    Auswendig dirigieren: Ich möchte mit dem Ensemble musizieren. Dazu muss ich es in jeder Situation nicht nur sehen, sondern muss auch erkennen können, ob die Gruppen und auch die einzelnen Musiker bereit sind, auf bestimmte musikalische Abläufe zu reagieren.

84    Ich weiss durch lebenslang gewonnene Erfahrungen, was man als Dirigent bewegungstechnisch machen muss, um in der Aufführung bestimmte Dinge zu erreichen …

85    Ich finde es falsch, Solisten einfach singen zu lassen, sie nur zu begleiten. Ich muss sie führen und mit dem Ensemble, das sie begleitet, koordinieren.

91    Zur Gleichbehandlung der vokalen und der instrumentalen Artikulation: Bach hat (im Kyrie der h-Moll-Messe) dem Orchester eine eindeutige Artikulation vorgeschrieben … In den Chorstimmen steht, obwohl sie den identischen musikalischen Ablauf übernehmen, keine Artikulationsvorschrift … Gleiches musikalische Material – das ist eine meiner interpretatorischen Grundhaltungen – muss immer gleich behandelt werden.

96     Zum Originalklang: … Wir können eine Aufführung der Bach-Zeit vielleicht einigermassen rekonstruieren … Der heutige Hörer stimmt als Empfänger für die damalige musikalische Botschaft … nicht mehr … Für mich ist wichtig, … die Sinndeutung des Werkes für den Hörer von heute deutlich werden zu lassen.

97     Artikulation ist das wichtigste Gestaltungselement. Zum Beispiel muss ein Motiv jedes Mal, wenn es erscheint, … artikulatorisch stets gleich ausgerichtet sein, und zwar durch das ganze Ensemble hindurch … Ich habe über die Jahre immer mehr verstanden, dass das breite Spektrum von Artikulationsmöglichkeiten, von legato, non legato bis staccato, unendlich viele Nuancen aufweist und für die Deutung der Musik wie für die Klarheit einer Interpretation eine entscheidende Rolle spielt.

104     Bach ist der Lehrer aller Musiker

108/9     Vorbehalte gegen Händel: Händels Genialität entsprang dem Augenblickseinfall … Die Melodiestimme ist ihm wichtig, vielleicht auch noch die Bassstimme, aber was dazwischen liegt, wird schnell hingeschrieben und nicht erneut kritisch bedacht.

110     Bachs Schaffenshöhepunkt 1723–1730: Danach geht seine Kreativität zurück, stürzt beinahe ab … Umso bedeutsamer sind die wenigen neuen Stücke dieser Periode – etwa in der h-Moll-Messe das Et incarnatus, wohl sein letztes Chorstück überhaupt. Rilling erwähnt ferner noch Kunst der Fuge und Musikalisches Opfer.

111-125    Überblick und Beurteilung der wichtigsten Oratorien-Komponisten. Sprachprobleme für deutsche Aufführungen von Janáček und Martinů.

128    Dynamische Vorschriften sind selbst in romantischen Partituren nicht ausreichend, weil ff für Blechbläser und Holzbläser nicht gleichbedeutend ist.

180    Bach selbst … ist … das Rückgrat meiner gesamten Arbeit. Daneben wollte ich die Sprache unserer Zeit hörbar werden lassen. … Ich bin der Ansicht: Jeder heute lebende Mensch, der ausführender Musiker ist, und keine zeitgenössische Musik aufführt, sollte ein sehr schlechtes Gewissen haben.

181    Mich hat die Darmstädte Schule … nicht überzeugt. Der Stil einer Musik war mir nie das Wichtigste. Mir ging es darum, dass Musik einen Gestus erkennbar werden lässt, der etwas ausdrückt, das auch Zuhörer zu empfinden in der Lage sind.

184    Zu Aufnahmesitzungen im Studio: Auch ohne Livesituation muss man sich bei Aufnahmen dafür einsetzen, dass nicht nur alles korrekt zugeht, sondern dass das Emotionelle, das Einmalige einer Aufführung bewahrt bleibt.

Vermessene Virtuosität

Eine umfangreiche Untersuchung widmet sich der Klavieretüde im 20. Jahrhundert. Sie ist als Dissertation entstanden. Und genau darin liegt wohl das Problem für Leserinnen und Leser.

Ausschnitt aus dem Buchcover

In den ersten Abschnitten gibt uns die Autorin einen historischen Überblick über die Gattung der «Etüde»: Worin liegt der Unterschied zwischen Etüde und Exercice? Was macht eine Salonetüde aus? Und wie fügen sich die Konzertetüden von Chopin und Liszt in diesen Kontext? Auch über das Virtuosentum ganz allgemein weiss die Autorin allerhand Lesenswertes zu berichten: Wie kann sie erworben werden? Wie hängen Virtuosität und Geschwindigkeit zusammen? Ist Virtuosität heutzutage positiv oder negativ besetzt?
All diese Aspekte erläutert Sandra Simone Strack in einer sehr differenzierten, aber gleichzeitig leicht lesbaren Sprache. Der Kern ihrer über 350-seitigen Arbeit liegt dann in der genauen Analyse einiger Klavieretüden des 20. Jahrhunderts: Werke von Skrjabin, Ives, Bartók, Messiaen, Wyschnegradsky, Cage, Kagel und Ligeti. Dabei werden nicht nur die einzelnen Stücke bis in den verborgensten Winkel durchforstet, die Autorin versucht auch auf zahlreichen Tabellen, die Werke anhand vergleichender Statistiken in Beziehung zu bringen. Doch was bringen all diese Zahlen und Fakten? Ein persönliches Fazit lässt sich aus all diesen Bemühungen kaum herauslesen; auch für Kenner der Materie bleibt die Antwort unbefriedigend. Vielleicht wäre es erhellender gewesen, den Bezug zur klavierspielenden Praxis zu suchen und deren Erfahrung einzubringen? Die Aussage der Autorin, «eine Befragung von Pianisten hätte aber auch nur subjektiv gefärbte Werte ergeben», greift doch etwas zu kurz. Sinn und Unsinn von Dissertationen: Ein weites Feld!

Image

Sandra Simone Strack, Die Klavieretüde im 20. Jahrhundert. Virtuose «Fingerübung» für den Interpreten oder Komponisten? Analysen ausgewählter Beispiele, 374 S., € 39.95, Tectum Verlag, Marburg 2013, ISBN 978-3-8288-3166-7

Vermessene Virtuosität

Eine umfangreiche Untersuchung widmet sich der Klavieretüde im 20. Jahrhundert. Sie ist als Dissertation entstanden. Und genau darin liegt wohl das Problem für Leserinnen und Leser.

In den ersten Abschnitten gibt uns die Autorin einen historischen Überblick über die Gattung der «Etüde»: Worin liegt der Unterschied zwischen Etüde und Exercice? Was macht eine Salonetüde aus? Und wie fügen sich die Konzertetüden von Chopin und Liszt in diesen Kontext? Auch über das Virtuosentum ganz allgemein weiss die Autorin allerhand Lesenswertes zu berichten: Wie kann sie erworben werden? Wie hängen Virtuosität und Geschwindigkeit zusammen? Ist Virtuosität heutzutage positiv oder negativ besetzt?
All diese Aspekte erläutert Sandra Simone Strack in einer sehr differenzierten, aber gleichzeitig leicht lesbaren Sprache. Der Kern ihrer über 350-seitigen Arbeit liegt dann in der genauen Analyse einiger Klavieretüden des 20. Jahrhunderts: Werke von Skrjabin, Ives, Bartók, Messiaen, Wyschnegradsky, Cage, Kagel und Ligeti. Dabei werden nicht nur die einzelnen Stücke bis in den verborgensten Winkel durchforstet, die Autorin versucht auch auf zahlreichen Tabellen, die Werke anhand vergleichender Statistiken in Beziehung zu bringen. Doch was bringen all diese Zahlen und Fakten? Ein persönliches Fazit lässt sich aus all diesen Bemühungen kaum herauslesen; auch für Kenner der Materie bleibt die Antwort unbefriedigend. Vielleicht wäre es erhellender gewesen, den Bezug zur klavierspielenden Praxis zu suchen und deren Erfahrung einzubringen? Die Aussage der Autorin, «eine Befragung von Pianisten hätte aber auch nur subjektiv gefärbte Werte ergeben», greift doch etwas zu kurz. Sinn und Unsinn von Dissertationen: Ein weites Feld!

Image

Sandra Simone Strack, Die Klavieretüde im 20. Jahrhundert. Virtuose «Fingerübung» für den Interpreten oder Komponisten? Analysen ausgewählter Beispiele, 374 S., € 39.95, Tectum Verlag, Marburg 2013, ISBN 978-3-8288-3166-7

 

Sprechend-instrumentales Musizieren

An der Hochschule Luzern – Musik wurden unter der Leitung von Heinrich Mätzener die «Airs du Mariage de Figaro» von Amand Vanderhagen neu herausgegeben. Damit einher ging eine vertiefte stilistische Auseinandersetzung mit der Musik des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Le nozze di Figaro, 1. Akt. Anonymes Aquarell aus dem 19. Jahrhundert, wikimedia commons

«In Harmonie» gesetzt erfreuten sich Bearbeitungen bekannter Opern und Sinfonien im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert grosser Beliebtheit, ebenso die Airs du Mariage de Figaro (deuxième livraison) von Amand Vanderhagens. Für eine stilistische Auseinandersetzung mit der Musik dieser Zeit ist eine Opernbearbeitung besonders gut geeignet: Interpreten und Interpretinnen können auf die Opernvorlage zurückgreifen, ihr Spiel nach dem dramaturgischen Geschehen der Handlung auszurichten. Sie finden in der Gesangsvorlage den Schlüssel für ein sprechend-instrumentales Musizieren. Dies entspricht einem zentralen Anliegen, das Leopold Mozart 1756 in seinem Versuch einer gründlichen Violinschule (S. 108 und 109) formulierte: «Und wer weiss denn nicht, dass die Singmusik allezeit das Augenmerk aller Instrumentisten seyn soll?»

Um dieser Forderung bei der aufführungsorientierten Neuausgabe nachzukommen und um eine differenzierte Ausführung des Vokalparts auf dem Instrument zu ermöglichen, wurden die Libretto-Texte in die Partitur und in das Stimmenmaterial von Vanderhagens Figaro-Bearbeitung übertragen. Der Gestus der italienischen Sprache und der emotionale Gehalt der Arien können dadurch unmittelbar im instrumentalen Vortrag reflektiert werden. Die dazu eingesetzten technischen Mittel wie z. B. differenzierte Artikulationen, kleinräumig ausgearbeitete Dynamik, Profilierung rhythmischer Figuren sowie Phrasierung und agogische Gestaltung erschliessen sich aus dem Sprachduktus. Ausserdem wurden mit freundlicher Genehmigung des Bärenreiter-Verlages die originalen Vortragsbezeichnungen (Artikulation, Dynamik, Bindebögen) aus dem Urtext der Neuen Mozartausgabe in Vanderhagens Bearbeitung übertragen und durch Farbe markiert.

Wie Leopold Mozart vermittelte auch Amand Vanderhagen in seinem Unterrichtswerk Méthode nouvelle et raisonnée pour la clarinette (1785) Hinweise zu einer stilistisch adäquaten Umsetzung der Musik des ausgehenden 18. Jahrhundert. Beide Lehrmeister diskutierten detailliert Fragen hinsichtlich Artikulation, Dynamik, Stimmführung, Rhythmus und Phrasierung. Neben dem praktisch eingerichteten Notenmaterial enthält die Neuedition einen Vergleich einzelner Abschnitte beider Unterrichtswerke. Diese Gegenüberstellungen bestätigen, dass die Violinschule Leopold Mozarts bereits zu seinen Lebzeiten als richtungsweisendes Werk für die Musizierkunst betrachtet wurde und dass sie auch in musikpädagogische Werke späterer Epochen eingeflossen ist.

AIRS du Mariage de Figaro, Mise en Harmonie par Amand Vanderhagen, für 2 Flöten, 2 Klarinetten, 2 Hörner und 2 Fagotte, Neuausgabe von Heinrich Mätzener, Institut für Musikpädagogik, Hochschule Luzern – Musik, 2013
Forschungsbericht und Notenausgabe

 

Erste Dissertation der HKB-Forschung

Im Rahmen einer Förderungsprofessur des Schweizerischen Nationalfonds zum Thema Intermaterialität hat die 32-jährige Literaturwissenschaftlerin Johanne Mohs dissertiert. Damit positioniert sich die Fachhochschulforschung in Bern auch im dritten Zyklus der akademischen Ausbildung.

Foto: Joachim B. Albers – Fotolia.com

In ihrer Dissertation Aufnahmen und Zuschreibungen – Literarische Schreibweisen des fotografischen Akts bei Flaubert, Proust, Perec und Roche hat Johanne Mohs literarische Auseinandersetzungen mit der Fotografie seit ihrer Erfindung durch Louis Daguerre im Jahre 1839 untersucht.

Anhand dreier Beispiele konnte sie exemplarisch zeigen, wie Mitte des 19. Jahrhunderts mit Gustave Flaubert, Anfang des 20. Jahrhunderts mit Marcel Proust und in den 1960er und 1970er Jahren mit Denis Roche und Georges Perec wichtige Vertreter der französischen Literaturgeschichte fotografische Aufnahmeprinzipien auf ihre Schreibweise übertragen.

Im Rahmen der Förderungsprofessur Intermaterialität, die der Literaturwissenschaftler und Konzert-Querflötist Thomas Strässle 2009 an die Hochschule der Künste Bern (HKB) geholt hat, ist auch der von Strässle, Christoph Kleinschmidt und Johanne Mohs herausgegebene, beim transcript-Verlag veröffentlichte Tagungsband Das Zusammenspiel der Materialien in den Künsten. Theorien – Praktiken – Perspektiven erschienen.

Mineralischer Widerhall

Jahrelang war Stein das Arbeitsmaterial von Rudolf Fritsche. Eher zufällig kam er dazu, ihm Klänge zu entlocken. Eine Suche, die ihn dann nicht mehr losliess. Er baute mehrere Steininstrumente, sein Lithofon hat Pierre Boulez begeistert. Fuss gefasst im Musikleben hat es bisher nicht.

Die Gramorimba. Foto: Kaspar Ruoff
Mineralischer Widerhall

Jahrelang war Stein das Arbeitsmaterial von Rudolf Fritsche. Eher zufällig kam er dazu, ihm Klänge zu entlocken. Eine Suche, die ihn dann nicht mehr losliess. Er baute mehrere Steininstrumente, sein Lithofon hat Pierre Boulez begeistert. Fuss gefasst im Musikleben hat es bisher nicht.

Vor etwa zwölf Jahren begann Rudolf Fritsche, den Klang verschiedener Steinsorten zu erforschen und ein erstes Schlaginstrument zu bauen. Seine Gramorimba ist das einzige Lithofon, dessen Platten sowohl grund- wie auch obertongestimmt sind. Später ergänzten ein Steingong und ein Steinei sein Instrumentarium. Er ist Klangtherapeut, arrangiert Stücke und spielt Gramorimba im Duo mit Flöte und im Trio mit Flöte und Cello. Im Frühjahr dieses Jahres wurde die letzte Komposition des verstorbenen Gion Antoni Derungs vom Collegium Musicum Ostschweiz uraufgeführt: Im Märchenschloss, Drei Szenen für Flöte, Gramorimba und Streichorchester, ein Auftragswerk von Rudolf Fritsche.

Lesen Sie das Interview in der gedruckten Ausgabe der SMZ 12/2013.

Image
Rudolf Fritsche am Steingong
Image
Eiförmige Steinskulptur

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Steingong

Steinei

Gramorimba

Im Märchenschloss von Gion Antoni Derungs

Auszüge aus dem Konzert vom 30. Juni 2013 im Pfalzkeller St. Gallen
Adrian Schilling, Gramorimba; Hossein Samieian, Flöte; Collegium Musicum Ostschweiz, Leitung Mario Schwarz

 

Adagio und Rondo KV 617 von Wolfgang Amadeus Mozart, ursprünglich für Glasharmonika komponiert

 


Der Jazzmusiker Wolfgang Lackerschmid aus Augsburg ist ein virtuoser Gramorimba-Spieler, und er hat auch für das Instrument komponiert. In seinem Werk Steinklang einer 2000-jährigen Stadt kommen gleich drei Steininstrumente zum Einsatz: Gramorimba, Steingong und Steinskulptur. In den weiten Räumen des römischen Museums in Augsburg wird es als Schlusspunkt der Stadtführungen aufgeführt und bildet so eine Brücke über zweitausend Jahre Geschichte.

Steinklang einer 2000-jährigen Stadt von Wolfgang Lackerschmid
Studierende des Leopold-Mozart-Zentrums Augsburg

Kategorien

get_footer();