Frisch-freche Ehrung

Das mit einem Schlagzeuger erweiterte Saxofonquintett klapparat zollt dem Erfinder des Instruments mit einem quirligen Album Tribut.

klapparat. Foto: Reto Andreoli

Hommagen enden oft in steifem Respekt. Nicht so das Album A Tribute To Adolphe Sax der Gruppe klapparat, wie schon deren Name vermuten lässt. Mit Humor, Stilvielfalt und mitreissendem Zusammenspiel ehrt das 2011 gegründete und seit 2012 mit einem Schlagzeuger erweiterte Saxofonquintett den vor 200 Jahren geborenen Erfinder des Saxofons. Die sechs Musiker, die auch in bekannten Bands wie Picason, Traktorkestar und Hildegard lernt fliegen spielen, zeigen mit verschiedenen Varianten bis zum Subkontrabass-Saxofon Tubax die vielen Ausdrucksmöglichkeiten dieses Instruments auf. Im Interesse der musikalischen Zugänglichkeit sind sie aber nicht stur und setzen neben dem Schlagzeug vereinzelt auch noch Flöte, Klarinette und Xylofon ein.

Die stilistische Vielfalt des Albums widerspiegelt den Hintergrund der Musiker von Jazz und klassischer Musik bis zu Folklore, Rock und kubanischen Stilen wie Rumba. Damit wird klapparat auch der modernen Geschichte des 1840 erfundenen Instruments gerecht. So wagt die Band eine Kurzversion von Maurice Ravels Boléro aus dem Jahr 1928, der zwar schon im Original Variationen mit Saxofon enthält, seine Spannung aber eigentlich zu einem guten Teil aus der wechselnden Instrumentierung erhält; umso mehr beeindruckt das kurzweilige und klanglich spannungsvolle Arrangement von Daniel Zumofen. Mit einer Interpretation von Sidney Bechets Petite Fleur unterstreicht klapparat auch, dass das Saxofon mit dem Aufkommen des Jazz zum unentbehrlichen Instrument dieses Genres wurde und es bis heute prägt.

Mit zwei Kompositionen des kubanischen Komponisten und Pianisten Ernesto Burgos macht klapparat nicht nur auf die Bedeutung des Saxofons in afro-karibischen Stilen aufmerksam, sondern weist auf die Anfänge der Band zurück, als diese vor allem Stücke von Burgos und Marcos A. Fer­nandez spielte. Die beiden Stücke Arrabiata und Blubber sind Kompositionen von Mitgliedern der Band und deuten mit ungewohnten Ansätzen einiges Potential für eine eigenständige Weiterentwicklung auf.

Image

klapparat: A Tribute To Adolphe Sax. ­Erwin Brünisholz, Michel Duc, Ivo Prato, Matthias Wenger und Daniel Zumofen, ­Saxofone; Philippe Ducommun, Schlagzeug. www.klapparat.ch

Musikalisches Erleben im hohen Alter

Das Carl-Orff-Institut Salzburg hat während neun Jahren die musikalisch-tänzerische Bildungsarbeit mit Bewohnern eines Seniorenheimes filmisch begleitet.

Fotos: W. Minder, zVg

Der Schwerpunkt der ersten DVD ist – nach einem Überblick über die Elementare Musik- und Tanzpädagogik EMTP – der Reflexion gewidmet in Form einer themenzentrierten Zusammenfassung von Interviews mit Experten und Gesprächsrunden mit Heimbewohnern, einer Pflegerin und Studierenden des Carl-Orff-Institutes. Den Abschluss bilden Einblicke in das Leben zweier Bewohner, die jahrelang an dem wöchentlich stattfindenden musikalischen Angebot teilnahmen.

Image

Ausführlich, sorgfältig und ästhetisch gestaltet wird die Auseinandersetzung über die Fragestellungen «Warum Musik? Was ist der Eigenwert von Musik?» entwickelt, immer in Bezug zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Stellenwert der Emotionalität. Die Verbindung von Musik und Langzeitgedächtnis («bekannte Lieder sind sogar mit mehreren Strophen gespeichert bis ins hohe Alter») wird ebenso angesprochen wie die psychosomatische Wirkung von Musik, d. h. die Fragestellungen: «Welche Bedeutung hatte die Musik im früheren Leben, welche Wirkung hat die Musik heute?». Es wird aufgezeigt, wie sich die EMPT auf die Lebensgeschichte des Menschen einstellt und daraus Schlüsse für die Praxis zieht. Aussagen von Senioren erläutern die Praxisrelevanz: «Musik ist für jeden zugänglich. Musik hebt die Stimmung. Man spürt, dass man lebt. Jeder ist dabei so, wie er ist.» Musik gehört in dem Sinn zur Biografiearbeit, gehört dazu, die eigene Geschichte noch einmal neu zu schreiben. Aber es geht auch darum, Neues zu lernen und gefordert zu werden.

Image

Der starke Bezug auf die Bedeutung von Musik im Leben legt Fundamente für die Aus- und Weiterbildung am Carl-Orff-Institut im Bereich Musikgeragogik und definiert den Unterschied zur Elementaren Musikpädagogik ganz dezidiert: Nicht Erziehung ist gefragt, sondern Bildung unter Berücksichtigung der Biografie, ohne eine Infantilisierung der Musik zu inszenieren.

Die DVD 2 ist der Praxis gewidmet und zeigt nach einer Einführung viele Beispiele, untergliedert in drei Kernbereiche mit weiterer Aufteilung in 15 Themenkreise. Die Praxisbeispiele sind ästhetisch profund gestaltet, die Auswahl der Lieder und Musikstücke ist vielfältig, diejenige der Materialien ausgeglichen. Die Dozentin Christine Schönherr sowie die mitwirkenden Studierenden überzeugen mit ihrer performativen und professionellen Musikalität. Diese künstlerische Grundqualität, geprägt von ästhetischer Gestaltung, Respekt und theoretischem Verständnis, gibt für alle Beteiligten eine einmalige Basis fürs Mitmachen.

«Ich bin wieder jung geworden» – Musik, Sprache, Bewegung, Künstlerisch-pädagogische Angebote für Menschen in hohem Alter, Konzept & Realisation Christine Schönherr / Coloman Kallós, Doppel-DVD, € 30.00, Universität Mozarteum und Carl Orff-Institut für Elementare Musik- und Tanzpädagogik, Salzburg 2013, ISBN 978-3-9502713-4

Weiter neuere Werke zur Orff-Pädagogik:

Manuela Widmer, Die Pädagogik des Orff-Instituts, Entwicklung und Bedeutung einer einzigartigen kunstpädagogischen Ausbildung, 540 S., € 59.95, Schott, Mainz 2011, ISBN 3-7957-0748-4

Studientexte zu Theorie und Praxis des Orff-Schulwerks, Band 1: Basistexte aus den Jahren 1932–2010, Schriftenreihe des Orff-Schulwerk Forums Salzburg, hg. von Barbara Haselbach,
Mitarbeit: Esther Bacher, 350 S., dt./eng., € 11.99, Schott, Mainz 2011,
ISBN 3-7957-0756-9

 

Qualität, aber günstig

Studienpartituren von wichtigen Werken Tschaikowskys. – Und einige Überlegungen zum Wert einer Notenausgabe.

Tschaikowskys letzter Schreibtisch in Klin. Foto: SiefkinDR / wikimedia commons

Wer genau hinschaut, erkennt auf den ersten Blick die nicht gerade gering zu schätzenden Unterschiede zwischen dem raschen (oft auch legalen) Download von Partituren aus dem Internet und den beim Musikalienhändler erworbenen Neuausgaben: Auf der einen Seite stehen die alten, teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden gemeinfreien Ausgaben mit all ihren grafischen Unzulänglichkeiten und unkorrigierten Fehlern, auf der anderen Seite die anhand der Quellen editorisch neu aufgearbeiteten und bestens lektorierten Ausgaben, die dann auch mit den über Jahrzehnte munter fortgeschriebenen Fehlern aufräumen. Und wenn gegenüber den eigenen flatterigen und vergänglichen «Printouts» die auf gutes Papier gedruckten Ausgaben (noch dazu mit einem rundum informativen Vorwort) auch zu einem fairen Preis zu haben sind – wie die hier vorliegenden Studienpartituren –, dann dürfte die an Qualität orientierte Entscheidung eine leichte sein.

Mit seinen Urtext-Studienpartituren setzt der Verlag Breitkopf nicht nur auf eine bewährte Tradition, sondern blickt offenbar auch guten Mutes in die Zukunft. Neben Beethoven, Brahms, Schumann und anderen ist nun auch Tschaikowsky neu im Katalog vertreten – mit zweien seiner wichtigsten und meistgespielten Werke, dem Capriccio italien und dem Violinkonzert. Und gerade am vertrauten, leichtfüssig daher kommenden Capriccio zeigt sich im Detail, was solch eine Ausgabe zu leisten vermag. Denn im Gegensatz zum dicht gedrängten Erstdruck vom November 1880 (den man so noch in der gelben Eulenburg-Ausgabe reproduziert findet), ist der im Seitenumbruch identische Neustich graphisch viel weiträumiger und entspannter, ferner wurden fehlende Zeichen ergänzt und falsche Noten berichtigt (etwa Takt 590, Fl. III). Auch das Violinkonzert wird in dem für Breitkopf so charakteristischen Stichbild viel lesbarer und gewinnt schon rein optisch an Stringenz. Die gleichermassen für den schmalen Geldbeutel wie für das neugierige Selbststudium bestimmte Reihe wird hoffentlich bald fortgesetzt!

Peter Tschaikowsky, Capriccio italien op. 45, hg. von Polina Vajdman, Studienpartitur, PB 5515, € 10.50, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2006

id., Konzert für Violine und Orchester op. 35, hg. von Ernst Herrtrich, Studienpartitur, PB 15116, € 11.50, 2011

get_footer();