Beethovens Zehnte mit künstlicher Intelligenz

Beethovens Skizzen zu einer zehnten Sinfonie hat noch niemand zu vervollständigen versucht. Ein Team internationaler Musik- und KI-Experten sowie Wissenschaftler des Beethoven-Hauses Bonn wagen sich nun daran.

3D-Rendering auf der Grundlage einer Beethoven-Büste. Bild: VectorVictor/stock.adobe.com

Mit Methoden der künstlichen Intelligenz ist aus den bestehenden musikalischen Skizzen von Beethoven eine mögliche Version der Sinfonie entstanden. Dafür mussten zunächst die vorliegenden Daten von Beethoven – Sinfonien, Noten-Skizzen und Partituren – analysiert und maschinenlesbar aufbereitet werden. Dann wurde die passende Machine-Learning-Methode ausgewählt und deren Algorithmen auf die Aufgabe angepasst. Gearbeitet wurde mit Algorithmen der Sprachverarbeitung.

Das Team bestand unter der Leitung von Matthias Röder vom Karajan Institut und der Agentur The Mindshift aus dem Musikwissenschaftler und Beethoven-Kenner Robert Levin, Ahmed Elgammal (KI-Experte an der Rutgers University), Mark Gotham (Kompositions-Theoretiker Cornell University), Walter Werzowa (Komponist) und Christine Siegert (Leiterin Forschungsabteilung des Beethoven-Hauses). Das Werk soll im April 2020 vom Bonner Beethoven Orchester aufgeführt werden.

Originalartikel:
https://www.telekom.com/de/konzern/themenspecials/special-beethoven-jubilaeumsjahr/details/kuenstliche-intelligenz-soll-beethovens-zehnte-sinfonie-vollenden-587346

 

Gastkünstler aus London und Lund

Musikerinnen und Musiker des Londoner Royal College of Music, die Lund Switzerland Singers aus Schweden und die Klosters Festival Singers aus London sind mit Solistinnen und Solisten vom 13. bis zum 15. Dezember in drei Konzerten zu hören.

Konzert am 15. Dezember 2018 in der Kirche St. Jakob, Klosters. Foto: Andy Mettler/swiss-image.ch,SMPV

Wie die Veranstalter mitteilen, werden die Konzerte zum zweiten Mal von Stephen Johns, dem künstlerischen Leiter des Londoner Royal College of Music (RCM), kuratiert. Die Gastdirigenten dieses Jahr sind Mark Biggins von der English National Opera und Felix Bagge von der Lund University. Die drei jungen Solisten, Julieth Lozano (Sopran), Theodor Uggla (Tenor) und Emily Sun (Violine), haben enge Verbindungen zum RCM. Weiter zu hören sind Jonathan Radford, ein international anerkannter Saxofonist, das RCM Chamber Ensemble, die Lund Switzerland Singers und die Klosters Festival Singers.

Interview mit Stephen Johns

Der künstlerische Leiter des Klosters Music Festivals äussert sich in einem ausführlichen Gespräch mit Veronika Studer-Kovacs über Entwicklungen im Klassikbetrieb, Interpretation, die Rolle von Musikfestivals und zu seinem persönlichen Musikgeschmack.

Link zum Interview

Daten und Zeiten

Freitag, 13. Dezember 2019, 19.30 Uhr
Lounge-Konzert in der Grizzly’s Bar, Hotel Piz Buin

Samstag, 14. Dezember 2019, 19.30 Uhr
Klassisches Konzert in der Ref. Kirche St. Jakob

Sonntag, 15. Dezember 2019, 17 Uhr
Weihnachtskonzert in der Ref. Kirche St. Jakob

Übernahme von Talentschulkosten geregelt

Laut einem Bundesgerichtsentscheid kann von Eltern kein Beitrag an die Unterrichtskosten einer Talentschule verlangt werden. Sie können nur für Ausgaben belangt werden, die zum Beispiel für die Förderung des Instrumentalunterrichts anfallen.

Foto: NeONBRAND / Unsplash (s. unten),SMPV

Die Regierung des Katnons St. Gallen hat im Juni 2018 durch Verordnung das Schulgeld festgelegt, das vom Schulträger zu bezahlen ist, wenn ein Schulkind die anerkannte Talentschule eines anderen Schulträgers besucht. Die Stadt St.Gallen hat dagegen unter Berufung auf die Gemeindeautonomie Beschwerde beim Bundesgericht erhoben. Dieses hat die Beschwerde nun abgewiesen und festgestellt, dass die Regierung zu Recht das Schulgeld per Verordnung geregelt und dessen Höhe korrekt bemessen hat. Talentschulträger dürfen weder vom abgebenden Schulträger ein höheres Schulgeld noch von den Eltern einen Beitrag an den Unterricht verlangen.

Die Stadt St.Gallen hatte mit Rechnungstellung an die abgebenden Schulträger, die von der kantonalen Vorgabe abwich, Unsicherheit in Bezug auf das geschuldete Schulgeld ausgelöst. Sie hatte zudem von den Eltern der Talentschülerinnen und -schüler einen Beitrag an den Unterricht eingefordert. Das Bundesgericht stellte nun klar, dass beides nicht zulässig ist. Von den Eltern kann schon mit Blick auf die verfassungsmässig garantierte Unentgeltlichkeit des Grundschulunterrichts kein Beitrag an die Unterrichtskosten verlangt werden. Sie können nur für Ausgaben belangt werden, die für die Förderung des spezifischen Talents anfallen, etwa Instrumentalunterricht.

Aargauer Kulturchef wechselt nach Bern

Thomas Pauli-Gabi, der bisherige Abteilungsleiter Kultur des Kantons Aargau, wird Direktor des Bernischen Historischen Museums. Er wird die neue Stelle am 1. Mai 2020 antreten.

Thomas Pauli-Gabi. Foto: Ruben Wyttenbach/Bernisches Historisches Museum

In die Tätigkeitszeit von Thomas Pauli-Gabi als Leiter Abteilung Kultur fallen verschiedene Grossprojekte. Ein wichtiges Anliegen war es Thomas Pauli-Gabi, mit der Erarbeitung und Umsetzung eines kantonalen Kulturkonzepts der kantonalen Kulturpolitik eine breit abgestützte, strategische Ausrichtung zu geben.

Mit verschiedenen Projekten trug Thomas Pauli-Gabi mit seinem Team dazu bei, das Selbstverständnis des Kantons Aargau als Kulturkanton zu stärken. So feierte der Kanton im Jahr 2015 unter Beteiligung der Regionen das kantonale Gedenkjahr zu 600 Jahren Aargau in der Eidgenossenschaft, es wurde ein Vermittlungskonzept «Doppeltür» für das jüdisch-christliche Kulturerbe im Surbtal erarbeitet, ein kantonales Themenjahr «IndustrieWelt Aargau» 2019/2020 initiiert und mehrere kulturelle Bauprojekte, wie der Neubau des Stapferhauses in Lenzburg und die Alte Reithalle in Aarau, aktiv gefördert.
 

Wie klingen alpine Seilbahnen?

Der Kanton Uri baut mit der Uni Luzern ein Forschungsinstitut auf. Sein erstes grösseres Projekt: Die Erschliessung des alpinen Raums durch Seilbahnen, samt Komposition von Michel Roth aus typischen Seilbahngeräuschen.

Symbolbild. Foto: Daniel Abrihan / unsplash.com

Das Projekt befasst sich mit Seilbahnen im Kanton Uri und besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird aus historischer Perspektive untersucht, wie die Erschliessung des alpinen Raums durch Seilbahnen in den vergangenen rund hundert Jahren das Leben der Bevölkerung, die Nutzung der Berggüter und die Landschaft selbst verändert hat. Im zweiten Projektteil soll aus typischen Seilbahngeräuschen eine Komposition entstehen, die schliesslich als Klanginstallation der Öffentlichkeit vorgeführt wird.

Romed Aschwanden, Geschäftsführer des Urner Instituts Kulturen der Alpen an der Universität Luzern, zeichnet sich für die historische Recherche verantwortlich. Dabei will der Forscher nicht nur einfach historische Quellen heranziehen, sondern auch mit Zeitzeugen Interviews führen.

Den musikalischen Part übernimmt Michel Roth. Der im Kanton Uri aufgewachsene Komponist ist Professor für Komposition und Musiktheorie, Analyse und Tonsatz an der Hochschule für Musik FHNW. Ebenfalls am Projekt beteiligt ist Boris Previšić von der Universität Luzern. Der Schweizerische Nationalfonds unterstützt das interdisziplinäre Seilbahn-Projekt mit einem Förderbeitrag. Der Start erfolgt Anfang Februar, innert eines Jahres wird das Projekt abgeschlossen sein.
 

Aus für Norient?

Das renommierte Onlinemagzin Norient für Musik der Welt ist abgeschaltet. An seine Stelle soll eine virtuelle, transdisziplinäre Galerie und Community-Plattform zwischen Kunst, Journalismus und Wissenschaft treten. Die Finanzierung ist allerdings noch offen.

Foto: chuttersnap on unsplash.com

Die neue Plattform soll die Norient-Community von über 700 Kunstschaffenden aus 50 Ländern enger zusammenführen, Aufträge generieren, faire Honorare zahlen und ihre Ideen für die Zukunft einer breiten Öffentlichkeit vorstellen.

Das alles sei aber abhängig von einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne, die Norient auf der Plattform Startnext lancieren werde, schreiben die Verantwortlichen. Wenn Norient überlebt, findet im Januar und Februar 2021 in Bern und Lausanne die 10. Ausgabe des Norient Film Festivals (NFF) statt.

Link zum Crowdfunding

Nachtrag vom 6. Dezember

Bis am 31. Januar kann man sich über diesen Link finanziell und ideell für den neu entstehenden Norient space engagieren:

https://www.startnext.com/de/norient

Ehrendoktor-Würden für Heinz Holliger

Mit einem Festakt hat die Universität Basel zum 559. Mal ihren Dies academicus begangen. Zu den sieben neuen Ehrendoktoren gehören der Oboist und Komponist Heinz Holliger und der Zürcher Aids-Arzt Ruedi Lüthy.

Heinz Holliger. Foto: Julien Gremaud/Bundesamt für Kultur,SMPV

Als Oboenvirtuose von weltweiter Ausstrahlung habe Holliger mit avancierten Spieltechniken experimentiert, schreibt die Uni Basel. Er habe zudem einige vergessene Musiker des 18. Jahrhunderts wieder entdeckt und wichtige zeitgenössische Komponisten zu neuen Werken inspiriert.

Als Komponist lote der 80-Jährige die Grenzen von Klang und Sprache aus, und als Dirigent und Organisator engagiere er sich für die Musikkultur Basels durch wesentliche institutionelle und künstlerische Impulse.

Weitere Basler Ehrenpromotionen gingen an den Pfarrer Martin Stingelin, den Unternehmer Klaus Endress sowie an drei Forscher aus den USA: den Juristen Bryan A. Stevenson, den Zellbiologen Randy W. Schekman und den Psychologen Jerome R. Busemeyer.

Musik hat universale Eigenschaften

Teams der Universität Harvard und der Universität Wien kommen zum Schluss, dass die menschliche Musikalität alle Kulturen der Welt vereint.

Foto: Dietmar Meinert / pixelio.de (s. unten),SMPV

Laut Samuel Mehr von der Universität Harvard ist Tanzmusik schnell und rhythmisch, Schlaflieder sind sanft und langsam – dies gilt weltweit. Zudem zeigten sich in allen Kulturen Tonarten: Der Aufbau von kleinen Notenfolgen von einer Basisnote wie in der westlichen diatonischen Tonleiter. Lieder, die zur Heilung beitragen sollen, bestehen im Vergleich zu Liebesliedern meist aus wenigen, eng beieinanderliegenden Noten. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass es tatsächlich universelle Charakteristiken für Musik gibt, die womöglich grundlegende Gemeinsamkeiten aufweisen – eine fundamentale menschliche Musikalität.

In einem Science-Perspective-Artikel in der gleichen Ausgabe kommentieren Tecumseh Fitch und Tudor Popescu von der Universität Wien die Schlussfolgerungen. Die menschliche Musikalität basiert grundlegend auf einer kleinen Anzahl von fixen Säulen: fest einprogrammierten Prädispositionen, die den Menschen durch die uralte physiologische Infrastruktur unserer gemeinsamen Biologie mitgegeben wurden. Diese musikalischen Säulen werden dann mit den Eigenheiten jeder individuellen Kultur gewürzt, aus dem das kaleidoskopische Sortiment hervorgeht, welches wir in der Weltmusik finden.

Originalartikel:
W. Tecumseh Fitch, Tudor Popescu; Science, 2019
Veröffentlicht in der Artikelreihe ‚Perspektiven‘ des Magazins.
DOI: 10.1126/science.aay2214
 

Foto: Dietmar Meinert / https://www.pixelio.de/

MKZ-Förderpreis Pop/Rock/Jazz verliehen

Elektro-Gitarrist und Sänger Dan Hunziker gewinnt den diesjährigen Finalwettbewerb von Musikschule Konservatorium Zürich. Der 20-jährige Aargauer erhält 3000 Franken.

Dan Hunziker (Bild: zVg)

Mit seiner Interpretation von Bluesrock-Klassikern wie «I Don’t Need No Doctor» und «Shame» sowie seiner Eigenkomposition «Wasting Time», wo er auch als Sänger auftrat, überzeugte Hunziker die Jury. Andrea F.G. Raschèr, Präsident der Förderstiftung MKZ, glaubte gar «einen jungen Jeff Beck» gehört zu haben. Dan Hunziker studiert im Pre-College von MKZ mit dem Ziel, in nicht allzu ferner Zukunft als Gitarrenlehrer seine Freude an der Musik und sein Wissen weiterzugeben.

Die Förderpreise MKZ werden jährlich für eine «herausragende künstlerische Leistung» verliehen und sind mit je 3000 Franken Preisgeld dotiert. Dieses von der Förderstiftung MKZ gestellte Preisgeld ist an einen musikalischen Verwendungszweck gebunden (Meisterkurse, CD-Produktionen oder ähnliches).
 

Bizarre Kämpfe

Zwei Werke von Jorge E. López legt das Collegium Novum Zürich unter der Leitung von Jonathan Stockhammer als Ersteinspielungen vor.

Ausschnitt aus dem CD-Cover

In der Tat denkt man an Kämpfe, wenn man diese kraftvolle und oft rabiate Musik hört. Zwei grosse Werke bietet die bei Neos erschienene CD: das Ensemblestück mit eben jenem Titel Kampfhandlungen/Traumhandlungen op. 11 (1995/98) und eine Kammersymphonie «A végső Tavasz» op. 23 (2009/2011). Beide sind kaum auf einen Nenner zu bringen. Ein rituell-ernster Ton ist zwar stets präsent, doch Jorge E. López pflegt dabei ein ungeheuer flexibles Komponieren.

Die Kammersymphonie unterstreicht López‘ ästhetische Haltung: «Ich habe mich nie mit dem Begriff ‹Neue Musik› identifiziert. Eher trieb mich von Anfang an, dass es darum geht, das Uralte präsent zu machen. Ich suche nicht das Neue, sondern suche eher das Verdrängte.» Es kommt zu aberwitzigen Referenzen an Gustav Mahler, an Beethoven und an Gustav Holst. Mit manieristischer Artistik gelingt López ein bizarrer, ja fantastischer Wurf.

Das Collegium Novum Zürich unter der Leitung von Jonathan Stockhammer spielt sehr akkurat, mit viel Aufmerksamkeit fürs Detail, zugleich an entsprechenden Stellen kraftvoll. Die vom ungarischen Dichter Endre Ady stammenden Zeilen singt Leslie Leon in der Kammersymphonie expressiv, vermag aber auch zum ironisch distanzierten Ton zu wechseln. Eine furiose Aufnahmequalität des Schweizer Radios SRF und ein informativer, gut lesbarer Booklet-Text von Jens Schubbe runden den herausragenden Eindruck ab.

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Jorge E. López: Kampfhandlungen/Traumhandlungen op. 11 / Zweite Kammersymphonie «A végső Tavasz» op. 23. Leslie Leon, Sopran; Collegium Novum Zürich; Jonathan Stockhammer, Leitung. Neos 11912

Gezupft und angeschlagen statt gesungen

Auf Harfe und Klavier spielt das Duo Praxedis Stücke von Carl Rütti. Sowohl die originalen Kompositionen wie die Arrangements von Chorwerken zeichnen sich durch ein breites Stimmungsspektrum aus.

Duo Praxedis. Foto: zVg

Das Duo Praxedis vereint die Harfe mit dem Klavier. Die beiden Interpretinnen Praxedis Hug-Rütti (Harfe) und Praxedis Geneviève Hug (Klavier) widmen ihre neuste CD dem Komponisten Carl Rütti, der seinen 70. Geburtstag feiern kann. Dabei handelt es sich nicht nur um eine «familiäre» Geste für den Bruder und Onkel, sondern um ein interessantes und musikalisch engagiertes Gemeinschaftswerk.

Carl Rütti hat sich als Komponist international profiliert. Sein Schaffen hat er zwar auf alle musikalischen Bereiche ausser der Oper ausgedehnt, im Zentrum stehen jedoch vielstimmige, technisch anspruchsvolle und klanglich raffinierte Werke für britische Spitzenchöre. Seit einem Studienaufenthalt in London ist Rütti mit der dortigen Chorszene eng verbunden, oft schreibt er in deren Auftrag.

Rütti war als vielseitiger Pianist auch ein gefragter Klavierpädagoge am Zürcher Konservatorium und wirkt als Organist in Oberägeri. Als Komponist hat er so viele Anfragen, dass er auswählen kann. Kein Wunder, denn seine Musik ist tonal und doch modern, rhythmisch raffiniert, hat Drive und Poesie, und sie klingt gut. Für sein umfassendes künstlerisches Schaffen erhielt Rütti 2005 den Anerkennungspreis des Kantons Zug und 2015 die Orlando-di-Lasso-Medaille.

Zu seinem runden Geburtstag sind oratorische Konzerte mit verschiedenen Uraufführungen in Zug, Zürich, Basel, Deutschland, Schweden und Grossbritannien angesagt. Dazu kommt die Präsentation der aktuellen CD. Die eingespielten Stücke sind hauptsächlich Arrangements seiner Chorwerke. Ungewohnte Besetzungen, wie hier Harfe und Klavier, interessieren Rütti seit jeher. Mit subtilem Gespür versteht er es, den gezupften und den angeschlagenen Saitenklang raffiniert zu verbinden. Das Booklet offenbart noch eine weitere, «geistliche» Inspirationsquelle Rüttis: die Dichterin und Nonne Silja Walter (1919–2011), von der er vieles vertont hat. Ihre Gedichte sind abgedruckt, obwohl die Stücke ja nicht gesungen werden. Ein anderer «geistlicher» Dichter seines Geschmacks ist der Pfarrer Ulrich Knellwolf.

Überraschend ist, dass diese Arrangements die Beschränkung auf die Kleinbesetzung Harfe und Klavier kaum vermuten lassen. Rüttis breites Spektrum von Stimmungen und Tonfarben weiss die Harfenistin Praxedis Hug-Rütti etwa im ihr gewidmeten Harfenbüchlein mit sicherem Gespür auszuloten. Auch im Einbezug des Klaviers, von Rütti sorgfältig und sparsam gehandhabt, zeigt sich durch das empfindsame Spiel der Pianistin seine poetische Kraft. Ein ansprechendes Geburtstagsgeschenk, auch für Harfen-Fans.

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Duo Praxedis – Carl Rütti: Works for Harp and Piano. Praxedis Hug-Rütti, Harfe; Praxedis Geneviève Hug, Klavier. Ars Produktion ARS 38 557

Breite Auswahl an Editionen

Sowohl die Wiener Urtext-Edition wie Henle und Bärenreiter halten für das Beethoven-Jahr 2020 ausführlich kommentierte Neuausgaben der Klaviersonaten bereit.

Antonia von Brentano, Gemälde von Josef Karl Stieler, 1808. Quelle: Klaus Günzel, Die Brentanos, Düsseldorf 1998, wikimedia commons

Das Beethoven-Jahr 2020 wirft schon längst seine Schatten voraus und die Notenverlage möchten da natürlich nicht zurückstehen.

Die Wiener Urtext-Edition hat eben sämtliche Klaviersonaten in drei Bänden veröffentlicht, wovon hier der erste vorliegt: ein dickes Buch, das allerdings nur die Sonaten 1 bis 11 enthält, dafür etwa 80 Seiten Kritische Anmerkungen (UT 50427). Der Henle-Verlag versucht mit Sammelbänden von leichteren und populären Werken die Gunst der Stunde zu nutzen. Keine schlechte Idee! Leider sind die Fingersätze von Murray Perahia oft umständlich und verkomplizieren so das eigentlich wunderbar übersichtliche Notenbild. (Fünf leichte Klaviersonaten, HN 1391; Fünf berühmte Klaviersonaten, HN 1392)

Bleibt noch der Bärenreiter-Verlag, der gerade die drei letzten Sonaten in Einzelausgaben herausgebracht hat. Alle mit einer informativen Einleitung, Hinweisen zur Aufführungspraxis und einem ausführlichen Kritischen Kommentar versehen. Auch finden sich in allen drei Heften Abbildungen, die Beethovens impulsive Notenschrift eindrücklich dokumentieren. Nur wenige unnötige Flüchtigkeitsfehler trüben den Eindruck einer sehr sorgfältig gearbeiteten Edition. So wird in der deutschen Übersetzung des Vorworts gelegentlich Opus 110 mit Opus 109 verwechselt. Auch ist der Ausdruck «heiter-gelassen» für die abschliessenden Variationssätze der E-Dur- und der c-Moll-Sonate wohl nicht angebracht.

Es wird zudem behauptet, Antonia von Brentano werde von der aktuellen Forschung als jene geheimnisvolle «unsterbliche Geliebte» angesehen. Das ist doch sehr umstritten. Immerhin ist die Sonate op. 109 Brentanos Tochter Maximiliane gewidmet, während op.111 schliesslich Erzherzog Rudolph zugeeignet wurde. In der englischen Erstausgabe steht noch: To Madame Antonia de Brentano. (Opus 109: BA 10854; Opus 111: BA 11813)

Und die Sonate As-Dur op. 110? Diese vielleicht rätselhafteste aller Klaviersonaten trägt keine Widmung. Dieser Umstand hat den Beethoven-Biografen Jan Caeyers zu einer sehr gewagten, aber nachvollziehbaren These inspiriert, die in seinem Buch Beethoven. Der einsame Revolutionär nachzulesen ist. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten …

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Ludwig van Beethoven: Sonate für Klavier in As-Dur op. 110, hg. von Jonathan Del Mar, BA 11812, € 6.95, Bärenreiter, Kassel

Jazznachwuchs in der Schweiz

Vom 15. bis zum 23. Oktober 2019 tourte der Schweizer Jazznachwuchs im Rahmen des Swiss Exchange Festival DKSJ durchs Land: Die besten Jazzstudierenden aus fünf Schweizer Musikhochschulen konzertierten in Basel, Bern, Lausanne, Luzern und Zürich. Ein Einblick in die junge Jazzszene der Schweiz.

MvO — Laurence Desarzens ist seit über 30 Jahren in der Schweizer Musikszene tätig: als Programmverantwortliche der Roten Fabrik, des Moods (Zürich) und der Kaserne Basel. Seit 2016 leitet sie die Abteilung Pop und Jazz an der Haute École de Musique de Lausanne, HEMU. Das Swiss Exchange Festival DKSJ unterstreicht aus ihrer Sicht primär den Kooperationsgedanken, deswegen wurde auch der Verein Direktor*innen-Konferenz Schweizerischer Jazzschulen DKSJ gegründet, der den Austausch unter den verschiedenen Hochschulen ermöglicht. Jedes Jahr steht eine andere Musikhochschule im Fokus, im 2019 war es die Hochschule Luzern – Musik. Unter dem Label DKSJ präsentieren die fünf Jazzabteilungen der Schweizer Musikhochschulen jedes Jahr das gemeinsame All Star Project. Zehn ausgewählte Studierende erarbeiteten unter der Leitung des irischen Bassisten und Komponisten Ronan Guilfoyle während drei Probetagen dessen Arrangements der Musik von Jack Bruce sowie seine Kompositionen, welche zu Ehren des 100. Geburtstages von Thelonious Monk entstanden sind. Das Programm präsentierten sie an fünf Konzerten in den Städten der beteiligten Musikhochschulen. Die Studierenden sammeln so einerseits Erfahrungen mit anderen Institutionen, andererseits kommen sie aber auch mit anderen Künstlern und Performern in Kontakt. Für Laurence Desarzens entsteht aus dieser Zusammenarbeit ein Atelier-Geist, der sehr wertvoll für alle Beteiligten ist. Am Ende geht es primär um eines: um die Förderung des Jazz-Nachwuchs in der Schweiz, weswegen das Projekt DKSJ auch in den kommenden Jahren weiterverfolgt werden soll, 2020 steht beispielsweise das Thema «Frauen im Jazz» im Vordergrund. Dieses Projekt unter dem Namen «Jazzlab» wurde vom Verein Helvetiarockt sowie den Jazzabteilungen der HKB Bern und der HEMU gemeinsam mit dem Cully Jazz Festival initiiert.

Sprungbrett

Florentin Setz studiert zurzeit Master of Arts in Music – Pedagogy an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK. Von Bernhard Bamert wird er im Hauptfach Jazzposaune unterrichtet, daneben vertieft er sich bei Ruven Ruppik in indischer Rhythmik und wird von Chris Wiesendanger am Klavier unterrichtet. Als nächsten Schritt will er den Pädagogik-Master im nächsten Jahr abschliessen und während den letzten beiden Jahren noch möglichst viel vom Angebot der ZHdK profitieren und lernen. Ob er nach dem Pädagogik-Master noch einen anderen Master machen will, weiss er noch nicht. Sein Ziel ist klar: sich als freischaffender Musiker in der Schweizer Musikszene als Posaunist, Bandleader und Dirigent zu etablieren. Dabei hofft er, möglichst viele Konzerte mit seinen Projekten spielen zu dürfen und seine eigene Musik einem breiten Publikum präsentieren zu können. Dazu bietet das Swiss Exchange Festival DKSJ eine wunderbare Gelegenheit. Aus diesen einmaligen Gelegenheiten können manchmal Bands entstehen, die über mehrere Jahre miteinander musizieren und sich gemeinsam entwickeln. Klar also, dass er das Swiss Exchange Festival DKSJ als Sprungbrett für seine eigene Band «MEDEA» sieht. Ihm gefällt die Idee sehr gut, dass jeweils ein Bachelor-Projekt einer Schweizer Jazz-Schule in einer anderen Schweizer Stadt präsentiert wird, denn so kann man Netzwerke knüpfen und lernt die Musik anderer Künstler kennen.

Grenzen der Jazz-Szene

Hannes Wittwer absolviert seit diesem Herbst den Masterstudien-gang Musikpädagogik (MA Music Pedagogy) im Profil Jazz mit Hauptinstrument Schlagzeug. Sein Fernziel besteht darin (ähnlich wie bei vielen jungen Musikerinnen und Musikern aus seinem Umfeld), eine teilzeitige Unterrichtstätigkeit wahrnehmen zu können und im Übrigen an seinen künstlerischen Projekten als Komponist, Bandleader oder als Sideman arbeiten zu können. Für ihn besteht zudem die Möglichkeit, dass er sich irgendwann auch in journalistische, wissenschaftliche oder transdisziplinäre Gefilde des Kulturbereichs wagt, da er auch hier Interessen hat – doch vorerst haben die pädagogische und künstlerische Tätigkeit klar Priorität. Für das diesjährige Swiss Exchange Festival DKSJ konnte Hannes Wittwer ein Panel organisieren, gestalten und moderieren. Eingeladen waren mit Andrina Bollinger und Philipp Hillebrand eine Absolventin und ein Absolvent der ZHdK-Jazz-Abteilung, die über Themen wie «Dinge, die es im Musikbusiness nach Abschluss des Studiums zu beachten gilt» oder«Chancen und Gefahren eines Jazzstudiums» referiert haben. Im Anschluss daran gab es eine Diskussionsrunde mit den beteiligten Gästen. Für Wittwer ist das Swiss Exchange Festival DKSJ wichtig, um die Vernetzung der Schweizer Jazzhochschulen zu verbessern und zu festigen. In seinem Umfeld und in Eigenerfahrung beobachtet er, dass Studierende der einzelnen Hochschulen, auch innerhalb der überschaubaren Deutschschweiz, insgesamt eher selten den Sprung in andere Städte wagen, sei es für Konzerte, Masterclasses, Panels, Jamsessions etc. Der Röstigraben scheint auch hier sehr stark präsent zu sein. Obwohl er einzelne Kontakte aus der Romandie pflegt, weiss er kaum, was «dort so abgeht», wie er sagt. So ist es auch für Studierende aus der Romandie schwierig, in der Deutschschweiz Konzerte zu ergattern – und umgekehrt eben auch. Es ist für Hannes Wittwer nicht leicht, Gründe zu finden, wieso es auch in der kleinen Schweiz, wo man eigentlich in ein bis zwei Stunden in allen grösseren Jazz-Städten sein könnte, alle in ihren «eigenen Gärtchen» werkeln. Ein Grund könnte sein, dass die meisten Jazzszenen, insbesondere Zürich, schon ein so grosses (Über-)Angebot an Curricula, Kultur und Möglichkeiten haben und so mit sich selbst beschäftigt sind, dass am Ende des Tages nicht mehr viel Zeit bleibt, sich auch noch mit Baslern oder Bernerinnen zu vernetzen. Ob hier die sozialen Medien eher eine förderliche oder hinderliche Rolle im Networking und Austausch haben, darüber kann Wittwer nur spekulieren. Hier ist also die Direktor*innen-Konferenz DKSJ ein wichtiges Standbein, um Menschen zusammenzubringen und die einzelnen Jazz-Szene-Grenzen etwas aufzuweichen. Doch die Bereitschaft zum Austausch muss nicht nur von «oben», sondern auch von der Studierenden-Basis kommen, und hier besteht seiner Ansicht nach definitiv noch Aufholbedarf.

Zusammenarbeit, Vernetzung

Tom Arthurs ist seit Anfang 2018 in Bern und geniesst die reiche Vielfalt des Schweizer Musiklebens, von den Festivals «Zoom In» und «Jazzwerkstatt» in Bern bis hin zum Musikfestival Bern, «unerhört» in Zürich und «earweare» in Biel. Er ist aber auch begeistert von der wunderbaren Vielfalt an unglaublichen Musikern, die jede Woche an der HKB, «seiner» Musikhochschule, unterrichten, darunter Colin Vallon, Andreas Schaerer, Patrice Moret, Julian Sartorius und Tom Arthurs Kollege Brit Django Bates. Für ihn sind Jazz und improvisierte Musik heute ein unverzichtbarer und zukunftsweisender Teil des internationalen zeitgenössischen Musizierens und der Ausbildung im Allgemeinen und haben deshalb auch eine hohe Bedeutung innerhalb der Konferenz der Schweizerischen Musikhochschulen. Die DKSJ besteht nun bereits seit mehreren Jahren und bietet eine fruchtbare Plattform für Zusammenarbeit, Austausch und Solidarität zwischen Bern, Zürich, Lausanne, Luzern und Basel – fünf Jazz-Schulen mit ganz unterschiedlichen Profilen, aber dennoch mit vielen gemeinsamen Zielen und Anliegen. Das Swiss Exchange Festival DKSJ ist aus seiner Sicht ein schönes jährliches Treffen. Es freut Arthurs, wenn das All Star Project Musiker aller Schulen in einem grossen Ensemble vereint, welches fünf Abende lang durch die Schweiz tourt, angeführt von einem internationalen Gastkünstler. Vor Ronan Guilfoyle waren dies etwa Sylvie Courvoisier, Rudi Mahall oder Erik Truffaz. In Bern spielte die Band in diesem Jahr in der wunderschönen Umgebung des BeJazz-Clubs in Bern. Für Tom Arthurs eine tolle Sache (auch im Hinblick darauf, dass jedes Jahr aussergewöhnliche Bachelor-Projekte ausgewählt werden) und einzigartig in der Schweiz, denn letztlich geht es um eines: Zusammenarbeit, Vernetzung und – Musik.

Fingerabdruck des Schweizer Jazznachwuchs

Gregor Hilbe (er war Mitglied des Vienna Art Orchestra, hat mit dem Projekt «TangoCrash» den Weltmusikpreis 2006 gewonnen und zahlreiche Alben aufgenommen) leitete bis 2016 die Schlagzeugklasse sowie den Studiengang Producing/Performance am Jazzcampus der Musik-Akademie Basel. Seit 2016 ist er der Leiter des Profils Jazz & Pop an der ZHdK. Auch für ihn ist die Zusammenarbeit mit den anderen Jazzabteilungen der Schweizer Musikhochschulen sehr positiv, was sich in den regelmässigen Treffen und den vielseitigen Kooperationen niederschlägt. Für das Exchange und das All Star Project sind beim Swiss Exchange Festival die Abläufe in der Zwischenzeit bestens bekannt, wovon letztlich auch die Studierenden profitieren. Hilbe wünscht sich für die Zukunft, dass noch mehr Bachelor-Studierende Interesse an diesen aussergewöhnlichen Gefässen zeigen. Für ihn besteht in diesen Projekten das Potential vor allem darin, dass Studierende ihre Berufskolleginnen und Berufskollegen kennenlernen können und so neben dem Studium wichtige berufliche Erfahrungen sammeln können. Nichtsdestotrotz zeigt er sich aber zufrieden mit der Entwicklung der letzten Jahre und bestätigt, dass die Formate in Zukunft noch angereichert werden sollen, um flächendeckend erfolgreich sein zu können. Der aktuelle Erfolg lässt sich auch in den aktuellen Rückmeldungen lesen, welche ausschliesslich positiv waren, so dass zuversichtlich in die Zukunft geblickt werden darf.

Innerhalb der KMHS geniessen die Jazzabteilungen einen guten Stellenwert, für Hilbe ist es aber wichtig, dass man dabei stets im gemeinsamen Dialog bleibt und schaut, wo man die kongruente Meinungsbildung allenfalls verbessern kann. Das Jahr 2020 wird, so Hilbe, ein spannendes Grossprojekt der Jazzabteilungen präsentieren, und auch die Planung für die nächste Edition des Swiss Exchange Festival DKSJ ist bereits angelaufen.

Wenn sich die Stimme verknotet

Schreckgespenst jeder Sängerin sind Knötchen auf den Stimmlippen. Eine Operation ist aber nur in wenigen Fällen notwendig.

Salome Zwicky — Sie stehen für Ungewissheit, Absagen, Timeout, Neuorientierung und Existenzangst. Oft stellt sich nicht nur die Frage, ob falsch gearbeitet wurde, auch Selbstvorwürfe und Schuldgefühle können die Folge sein. Meistens sind junge Sängerinnen in Ausbildung oder am Karriereanfang betroffen. Männer haben keine Knötchen, längere Stimmlippen scheinen immun zu sein.

Knötchen entstehen durch jede ungünstige Form der Stimmproduktion – nicht nur beim Singen. Es handelt sich um Verdickungen der Schleimhaut im mittleren Abschnitt der Stimmlippen durch ungünstige Phonation – daher der Fachbegriff Phonationsverdickungen.

Die Luft fliesst durch die geschlossenen Stimmlippen und erzeugt an deren Kante eine Schwingung. Der Luftstrom reibt und saugt an der Schleimhaut, am ausgeprägtesten in der Mitte der Stimmlippen. Zum eigenen Schutz verdickt sich die über-strapazierte Schleimhaut, ähnlich wie die Haut an Händen oder Füssen unter Druck und Reibung Schwielen hervorbringt. Die Verdickung an den Stimmlippen verschlechtert aber die Schwingungseigenschaften, so dass noch mehr ungünstiger Druck nötig ist für die Phonation – ein Teufelskreis entsteht.

Nicht jede knötchenartige Veränderung ist eine Phonationsverdickung. Echte Knötchen sind symmetrisch, also auf beiden Stimmlippen etwa gleich ausgebildet. Bei knötchenartigem Befund an nur einer Stimmlippe handelt es sich ziemlich sicher um eine andere Veränderung, zum Beispiel um Polypen oder Zysten. Diese verschwinden im Unterschied zu Knötchen auch dann nicht, wenn die Stimme geschont wird. Echte Knötchen können unter einer ein- bis zweiwöchigen Stimmruhe (nur leises, anstrengungsloses Sprechen, kein Singen mit Vollstimme) hingegen kleiner werden oder verschwinden. Nur löst diese vorübergehende Vorsicht das Problem nicht, die Verdickungen werden unter steigender Belastung erneut entstehen. Es ist wichtig, die eigentliche Ursache anzugehen.

Wenn echte Knötchen gefunden werden, stellt sich demnach zuerst die Frage nach der Ursache, und daraus wird die Form der Therapie abgeleitet. Das schädliche «zu viel» an den Stimmlippen setzt sich zusammen aus der mechanisch wirkenden Kraft und einem Zeitfaktor. Das heisst, es kommt darauf an, wie man Töne produziert (muskuläres Gleichgewicht, subglottischer Druck), aber auch wie oft, beziehungsweise wie lange man so singt. Sollten per Zufall Knötchen festgestellt werden, ist es wichtig zu wissen, dass sie nur bei gleichzeitiger Stimmstörung behandelt werden müssen. Manche Sängerinnen singen problemlos mit Ansätzen von Knötchen.

Der Therapieansatz ist immer ähnlich. Vereinfacht ausgedrückt muss gelernt werden, Töne – vor allem laute oder hohe Töne – mit Resonanz anstatt Druck erklingen zu lassen. Die Kraft zum Singen muss aus einer guten Atem- und Körpertechnik geschöpft werden und nicht mittels Kehlkopfmuskulatur erzeugt. Dasselbe Prin-zip gilt beim Sprechen im Alltag, im Klassenzimmer sowie auf der Bühne und wird auch in der Sprecherziehung, Gesangspädagogik oder Stimmtherapie (Logopädie) verfolgt. Atemführung, Stütze und Randstimmtraining entlasten den Kehlkopf. Bewährte Hilfsmittel sind LaxVox oder – ganz neu – die StimmMaske nach Doctor Vox. Bei manchen Sängerinnen müssen einzelne Bereiche der Gesangstechnik umgestellt werden. Das braucht Zeit, ist aber für das wei-tere Reüssieren im Beruf essentiell. Die operative Entfernung der Knötchen ist nur in wenigen Fällen notwendig und nur bei gleichzeitiger Korrektur der fehlerhaften Stimm-gebung sinnvoll.

Phonationsverdickungen sind nichts Schlimmes. Sie zeigen, dass die Art der Stimmbelastung in eine Sackgasse geführt hat, und sind ein Warnsignal für die Betroffenen, den Umgang mit ihrer Stimme zu überdenken und zu optimieren. Die Mühe lohnt sich. Das wichtige Zusammenwirken von Therapie und Pädagogik bietet die Chance, die eigene Stimme tiefgreifender kennenzulernen und dadurch Achtsamkeit und gesundes technisches Fundament zu erwerben. Es wird sich im wahrsten Sinne des Wortes «der Knoten lösen».

Salome Zwicky

… vom SingStimmZentrumZürich (www.sszz.ch) ist Fachärztin ORL mit Spezialgebiet Phoniatrie.

Neue melodische Studien

Von einfachen, kurzen Melodien bis zu mittelschweren Stücken baut ein dreibändiges Gitarrenalbum auf; schärfer konturiert sind die melodischen Studien: alles von Paul Coles.

Paul Coles. Foto: Universal Edition

Seit einiger Zeit verlegt die Wiener Universal-Edition mit einer gewissen Regelmässigkeit die mehr oder weniger anspruchsvolle Unterrichtsliteratur des britischen Gitarristen und Komponisten Paul Coles, so zuletzt den Band 10 More Melodic Studies for Guitar. Das «More» im Titel bezieht sich dabei auf die vor fünf Jahren erschienenen 26 Melodic Studies; das Heft passt aber auch zu den drei Bänden Classical Guitar Album von 2018. Letztere sind progressiv aufgebaut, von einfachen einstimmigen Melodien bis zu mittelschweren Stücken für Fortgeschrittenere. Sie eignen sich als Unterrichtsmaterial für – auch junge – Erwachsene. Besonders ansprechend sind dabei die ruhigen, romantisch angehauchten Miniaturen in der zweiten Hälfte des dritten Hefts (Band 1: UE 21675, erste Stücke; Band 2: UE 21 676, leichte Stücke; Band 3: UE 21 677, mittelschwere Stücke; je € 12.50).

Und gerade dazu bilden die 10 More Melodic Studies einen erfrischenden Kontrast. Raschere Tempi, längere Notentexte, herzhafte Melodien in Ober- und Unterstimmen sowie Arpeggios, die gut in der Hand liegen, mit dem letzten Stück als Höhepunkt: einem furiosen, spanisch beeinflussten Vivace. Coles‘ Tonsprache ist romantisch gefärbt, mit modernen Anklängen, der Rhythmus mit Synkopen und Wechseln zwischen zahlreichen verschiedenen Taktarten attraktiv, manchmal auch etwas sperrig. Vielleicht ist da und dort eine musikalische Idee mehr als nötig in ein Stück hineingepackt, sodass eine stringente musikalische Gestaltung nicht immer ganz einfach ist.

10 More Melodic Studies for Guitar ist wie alle Ausgaben von Paul Coles attraktiv aufgemacht und enthält neben den englischen Begleittexten auch deren deutsche und französische Übersetzungen.

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Paul Coles: 10 More Melodic Studies, für Gitarre, UE 21678, € 13.50, Universal Edition, Wien

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