Egg übernimmt Berner Kammerorchester

Der 30-jährige Trompeter und Kulturmanager Niklaus Egg wird Geschäftsführer des Berner Kammerorchesters (BKO). Er übernimmt die Nachfolge von Beat Sieber, der als Intendant zur Kammerphilharmonie Graubünden wechselt.

Niklaus Egg (Bild: zvg/Linda Kaufmann)

Niklaus Egg studierte an der Hochschule der Künste Bern sowie der Haute école de Musique de Genève Trompete. Seither spielte er in verschiedenen Orchestern als Zuzüger (Orchestre de la Suisse Romande, Orchestre de Chambre de Genève, Berner Symphonieorchester, Gstaad Festival Orchester und weitere).

Zurzeit studiert er im Studiengang MAS Arts Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist Geschäftsführer des Vokalensemble ardent sowie des Blechbläserensembles UnglauBlech und betreut mit seinem Kulturmanagementbüro diverse Kunst- und Kulturprojekte. Er übernimmt die organisatorische und administrative Leitung des Berner Kammerorchesters per 1. Dezember 2019.

Freiburger Forschungs- und Lehrzentrum Musik

An der Unversität Freiburg i. Br. ist ein Forschungs- und Lehrzentrum Musik (FZM) eingerichtet worden. Es hat seinen Schwerpunkt in musikbezogenen Disziplinen wie Musikwissenschaft, Musiktheorie, Musikphysiologie/Musikermedizin und Musikpädagogik.

Luftbild von Freiburgs Zentrum mit Universität. Foto: Taxiarchos228 /wikimedia commons (s. unten),SMPV

Das neu gegründete Zentrum hat noch keinen festen Ort. Eine offene Struktur soll Arbeiten über die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen hinweg ermöglichen. Auch Künstlerinnen und Künstler sollen zu Forscherinnen und Forschern werden, indem sie die ästhetischen Möglichkeiten ihrer Kunst systematisch ausloten oder ihre Kunst mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen und ihre Erkenntnisse direkt in die künstlerische Ausbildung einfliessen lassen.

Zugleich will das FZM Forschung und Lehre eng miteinander verbinden und die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit unmittelbar in die eigenen Lehrangebote einfliessen lassen. Studierende der Hochschule für Musik und der Universität können schon jetzt das gemeinsame Angebot beider Institutionen in der Musikwissenschaft nutzen. Zum Sommersemester 2020 folgt der nächste Schritt: Ab dann können sie am FZM im Nebenfach Musiktheorie, Musikphysiologie und Gehörbildung studieren.

Webseite:
https://www.mh-freiburg.de/fzm-landeszentrum/das-fzm

Foto: Taxiarchos228 / wikimedia commons CC BY 3.0

Arthur Waser Förderpreis 2019

Die französische Trompeterin Lucienne Renaudin Vary wird von der Arthur Waser Stiftung und dem Luzerner Sinfonieorchester mit dem Arthur Waser Förderpreis 2019 für herausragende junge Solisten am Anfang ihrer Karrieren ausgezeichnet.

Lucienne Renaudin Vary (Bild: Simon Fowler)

Gemäss der Jury hat sich die junge Französin nicht nur durch ihre Ausstrahlung und ihre ansteckende Spielfreude ausgezeichnet, sondern auch durch ihre enorme Vielseitigkeit in den Musikstilen. Lucienne Renaudin Vary bewegt sich in der Klassik mit ebenso grosser Leichtigkeit wie etwa im Jazz. Renaudin Vary ist die erste Frau, welche diesen Schweizer Förderpreis erhält.

Der Arthur Waser Förderpreis für herausragende junge Solisten beinhaltet ein Preisgeld von 25’000 Franken und wird seit 2013 alle zwei Jahre vergeben. Lucienne Renaudin Vary ist demnach die vierte Trägerin dieses Preises. In den vergangenen Jahren wurden der Pianist George Li (2017), der Cellist Edgar Moreau (2015) und der Organist Sebastian Küchler-Blessing (2013) damit ausgezeichnet.

Bei der Bewertung der Kandidaten für den Förderpreis sind folgende Aspekte massgebend: Originalität in der Interpretation, instrumentale Exzellenz sowie die künstlerische Persönlichkeit. Der Arthur Waser Förderpreis ist weder an eine Instrumentengattung noch an eine nationale Herkunft der Musiker und Musikerinnen gebunden.

Sommerhalder löst an der HKB Würsch ab

Giuliano Sommerhalder ist der neue Dozent für klassische Trompete an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Der Schweizer Trompeter und Solist tritt die Nachfolge von Markus Würsch an.

Giuliano Sommerhalder (Bild: zvg)

Einer musikalischen Familie entstammend, studierte Giuliano Sommerhalder in Italien und bei seinem Vater in Detmold. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen an internationalen Wettbewerben. 2008 wurde er in das BBC New Generation Artists Scheme aufgenommen.

Als Solist auf modernen wie auch auf historischen Instrumenten ist Giuliano Sommerhalder weltweit aufgetreten: Im Wiener Musikvereinssaal, in der Berliner Philharmonie, in der Wigmore Hall und in anderen europäischen und amerikanischen Spielstätten. Nach Solopositionen in Leipzig (Gewandhausorchester unter Riccardo Chailly) und Amsterdam (Concertgebouw mit Mariss Jansons) wirkt Giuliano Sommerhalder mittlerweile in Rotterdam als Solotrompeter unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin und seit dieser Saison unter Lahav Shani.

Bei DECCA, harmonia mundi und NEOS sind von ihm mehrere Einspielungen mit solistischem Trompetenrepertoire vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik erschienen. Giuliano Sommerhalder verfügt bereits über zahlreiche internationale Doziererfahrungen, untere anderem in Detmold, Rotterdam, Rom und gibt regelmässig Masterclasses in ganz Europa, Asien, Nord- und Südamerika.
 

Schweizer Erfolg beim Spohr Wettbewerb

Der 9. Internationale Louis Spohr Wettbewerb für Junge Geiger an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar hat neun Preisträgerinnen und Preisträger. Zwei davon snd Schweizer.

Raphael Nussbaumer. Foto: Maik Schuck,Foto: Maik Schuck

Den 1. Preis in der jüngsten Kategorie I (bis 14 Jahre) erspielte sich die 13-jährige Deutsche Maya Wichert. Den 2. Preis gewann der ebenfalls 13 Jahre alte Schweizer Raphael Nussbaumer. Aus den USA kommt die 3. Preisträgerin, die 12-jährige Geigerin Fiona Khuong-Huu.

In der Kategorie II (15 bis 17 Jahre) setzte sich die 15-jährige Südkoreanerin Haewon Lim gegen die Konkurrenz durch. Sie gewann den 1. Preis vor der 15 Jahre alten belgischen Violinistin Pauline van der Rest (2. Preis). Den 3. Preis erspielte sich der 16-jährige Schweizer Anatol Toth.

In der Kategorie III (18 bis 20 Jahre) war Phoenix Avalon erfolgreich: Der 18-jährige US-Amerikaner gewann den 1. Preis vor dem 17-jährigen gebürtigen Münchner Tassilo Probst (2. Preis). Der 3. Preis ging an den 20-jährigen japanischen Geiger Taichi Miyamoto.

Insgesamt 71 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 18 Ländern rund um den Globus waren zum 9. Internationalen Louis Spohr Wettbewerb nach Weimar gereist. Auf höchstem Niveau spielten sie in drei Wertungsrunden seit dem 23. Oktober um die Preise und Sonderpreise im Gesamtwert von mehr als 17’000 Euro.

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Anatol Toth

Brenner geht von Luzern nach Zürich

Andreas Brenner, Leiter des Instituts für Neue Musik, Komposition und Theorie sowie Dozent für Musiktheorie, wechselt per Sommer 2020 an die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

Andreas Brenner. Foto: Hochschule Luzern

Während 16 Jahren habe Andreas Brenner die Hochschule Luzern – Musik in verschiedenen Funktionen entscheidend mitgeprägt, schreibt diese: seit 2003 als Dozent für Musiktheorie und seit 2007 als Leiter des Instituts für Neue Musik, Komposition und Theorie sowie als Mitglied der Departementsleitung. 2017/18 hatte er zusätzlich während rund eines Jahres ad interim die Funktion des Leiters Aus- und Weiterbildung inne.

Per Sommer 2020 wechselt Andreas Brenner als Dozent für Musiktheorie an die ZHdK. Die Leitungsfunktion des Instituts Neue Musik, Komposition und Theorie an der Hochschule Luzern – Musik gibt Andreas Brenner per Sommer 2020 ab, seine Unterrichtstätigkeit beendet er bereits auf Ende des Herbstsemesters 2019/20.

Airs variés des «ungarischen Knaben»

Mendelssohn nannte Joseph Joachim den «ungarischen Knaben». Dessen Fantasien über ungarische und irische Themen sind virtuos.

Joseph Joachim 1853, als 22-Jähriger. Zeichnung von Adolph von Menzel / wikimedia commons

Joseph Joachim machte von seinem 16. bis 21. Lebensjahr ausgedehnte Europatourneen als Geigenvirtuose und komponierte dafür aus ungarischen Verbunkos und schottischen Liedern Solovariationen mit Orchester. Der London Evening Standard verglich Joachim mit dem Paganini-Nachfolger Camillo Sivori. H. W. Ernst schrieb: «… die schottische Fantasie … ist geeignet, die ausgezeichnete Qualität des Stils, der Mechanik und des Ausdrucks aufzuzeigen, die diesem Geiger nachgesagt wird.» In der Morning Post stand: «Die Schwierigkeiten des Stücks … beherrschte Herr Joachim mit einem Geschick, das an Zauberei grenzt.»

Joachim verhinderte die Verbreitung dieser Werke, die er als Erfolgsgaranten für seine Tourneen betrachtete. Das Autograf wurde 1989 in der Bibliothek der Universität Lodz (Polen) entdeckt, wohin es 1943 aus Berlin ausgelagert worden war. – Endlich ist es nun gedruckt! Die schlichten Themen werden fortlaufend diminuiert, mit Läufen aus Terzen, Oktaven, Chromatik, Arpeggien, Sprüngen, Staccati und unbegleiteten Kadenzen zu Moto-Perpetuo-Schlüssen gesteigert – eine Herausforderung für junge Virtuosinnen und Virtuosen.

Das ausführliche deutsche und englische Vorwort von Katharina Uhde, der international tätigen Geigerin und Musikwissenschaftlerin, enthält wertvolle Hinweise auf die Ausführungspraxis der damaligen Zeit, auch solche von Ferdinand David (1810–1873) und Joachim selbst: Bogenstriche, Doppelgriffe, Portamento, Vibrato und Rubato. Die Kritischen Kommentare beweisen grosse editorische Sorgfalt. Katharina Uhde verfügt übrigens privat über Orchestermaterial für ihre Konzerte – wie der junge Joachim!
 

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Joseph Joachim: Fantasie über Ungarische Motive, Fantasie über Irische (Schottische) Motive für Violine und Orchester, hg. von Katharina Uhde, Klavierauszug und Violinstimme, BA 7898-90, € 26.95, Bärenreiter, Kassel

Thurgauer Veranstalter vernetzen sich

Der Thurgauer Regierungsrat hat für die Umsetzung des Schwerpunkts «Stärkung und Vernetzung der Veranstalterinnen und Veranstalter im Kanton» für die Jahre 2019 bis 2022 einen Beitrag von 60’000 Franken aus dem Lotteriefonds genehmigt.

Foto: RhondaK Native Florida Folk Artist / Unsplash (s. unten)

Geprägt ist die Thurgauer Kulturszene von kleinen und mittleren, meist ehrenamtlich geführten Vereinen. Nur wenige Veranstaltende verfügen über durchwegs professionelle Strukturen mit Schlüsselstellen, die durch Fachleute besetzt sind. Die Vereine sind auf engagierte Freiwillige angewiesen, die ihre Tätigkeiten in der Freizeit oder in einem minimal bezahlten, kleinen Pensum ausüben.

Deshalb hat der Regierungsrat gemäss Kulturkonzept des Kantons Thurgau einen Lotteriefondsbeitrag von 60’000 Franken für den Schwerpunkt «Stärkung und Vernetzung der Veranstalterinnen und Veranstalter im Kanton» gesprochen. In Ergänzung zur bestehenden Kulturförderung werden ab 2020 regelmässige Netzwerktreffen für Kulturveranstaltende organisiert.

Dieses Angebot dient sowohl dem Wissensaustausch und der Vernetzung als auch der Weiterbildung für Kulturveranstaltende. Mit regelmässigen Netzwerktreffen wird dafür ein bisher fehlendes Gefäss für den Wissensaustausch und die Wissensvermittlung geschaffen. Die Treffen finden zweimal jährlich an unterschiedlichen Orten im Thurgau zu unterschiedlichen Themen statt und stehen allen Interessierten offen.
 

Biografische Skizze

«Zu Unrecht vergessen», sei ihr Vater, der Komponist Walter Furrer. Nun legt Beatrice Wolf-Furrer Material vor, das einer Wiederentdeckung den Weg bereiten könnte.

«Eines meiner kompositorischen Prinzipien ist, immer für die Instrumente, für die Stimmen, ja, sogar für den Dirigenten zu schreiben. Es ist mir wichtig, dass meine Ausführenden Freude an der Musik haben und nicht in unsinniger Weise überfordert werden. Damit kann ich auch zum Hörer vordringen.» Das sagte Walter Furrer (1902–1978) im September 1970 zu seinem Schaffen. Damals hatte er bereits seine grossen musikdramatischen Werke geschrieben: zwei Opern (Der Faun und Zwerg Nase), zwei gross besetzte Kompositionen fürs Radio: Der Schimmelreiter und Quatembernacht sowie zwei Ballette. Dazu noch zahlreiche Chöre, Lieder und Liederzyklen sowie Instrumentalwerke wie Drei Tagebuchskizzen für grosses Orchester, Kammermusik für Flöte, Oboe und Streichquartett, Musik für Streicher ebenso geistliche Musik. 1957 gründete Furrer den Kammerchor von Radiostudio Bern, der unter seiner Leitung bis 1972 bestand. Als Siebzigjähriger konnte er also auf eine durchaus gelungene Laufbahn zurückblicken. Seine Musik wurde mit Erfolg aufgeführt.

Weshalb also wurde denn Walter Furrer nach seinem Tod 1978 vergessen? Zu Unrecht vergessen, wie seine Tochter Beatrice Wolf-Furrer findet, die 2014 feststellte, dass er im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht mehr präsent sei, «obwohl Walter Furrer einen wesentlichen Beitrag zum schweizerischen Musikschaffen des 20. Jahrhunderts geleistet hat». Die promovierte Literaturwissenschaftlerin recherchierte seither in Bibliotheken, Archiven und Musikerkreisen, gründete in Bern den «Förderverein Komponist Walter Furrer» und legt nun den vorliegenden 70 Seiten umfassenden reich bebilderten biografischen Abriss vor. Auf knappem Raum skizziert sie den Lebensweg ihres Vaters und beleuchtet die wesentlichen Etappen seines Schaffens, ohne zu beschönigen, dass sein schwieriger Charakter ihn schon zu Lebzeiten zum Aussenseiter werden liess. Die Dokumentation könnte einen Anstoss geben, Furrers Werke neu zu entdecken.

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Beatrice Wolf-Furrer: Walter Furrer – ein zu Unrecht vergessener Schweizer Komponist. Biografischer Abriss, M & S Nr. 2506, 70 S., Fr. 28.00, Müller & Schade, Bern 2018

Das Handbuch zur Kulturpolitik

Die Kulturelle Teilhabe stellt seit 2016 eine der strategischen Handlungsachsen der Kulturpolitik des Bundes dar. Der Nationale Kulturdialog hat im Juni dazu ein Handbuch herausgegeben.

Foto: Timon Studler / Unsplash (s. unten)

Im Nationalen Kulturdialog (NKD), bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der politischen Instanzen und der Kulturförderung der Kantone, Städte, Gemeinden und des Bundes, wird die schweizerische Kulturpolitik diskutiert, aufeinander abgestimmt und weiterentwickelt. Das Gremium wurde 2011 unter dem Eindruck der sich verändernden gesellschaftspolitischen Bedingungen, wie Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, und deren Auswirkungen auf das kulturelle Leben, die Kulturpolitik und Kulturförderung, ins Leben gerufen.

Das vorliegende Handbuch beinhaltet eine erste Bilanz seiner Arbeit in drei Teilen: Auseinandersetzung mit dem Begriff «kulturelle Teilhabe», Besprechung bestehender Angebote und Handlungsfelder sowie Ansätze für eine künftige Stärkung der Teilhabe. In 33 Beiträgen von berufenen Fachleuten aus der Kulturbranche werden diese Bereiche in drei Landessprachen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Das Handbuch ist übersichtlich gegliedert, liefert sowohl begriffliche Diskussionen als auch konkrete Beispiele und wird durch eine umfangreiche Literaturliste ergänzt. Den einzelnen Artikeln sind kurze Zusammenfassungen vorangestellt.

Strategische Handlungsachse
Der Bundesrat hat die kulturelle Teilhabe in der Kulturbotschaft 2016–2020 als eine von drei strategischen Handlungsachsen definiert. Sie wurde – so David Vitali vom Bundesamt für Kultur in seinem Beitrag – als Querschnittsaufgabe der nationalen Kulturpolitik positioniert, was die Einflussnahme des Bundes erleichtert, ohne die kantonale Kulturhoheit zu verletzen. Das verstärkte Engagement des Bundes in der Kulturpolitik kommt nicht von ungefähr. Vitali nennt verschiedene gesetzliche Vorgaben, die für den Bundesrat zugleich Legitimation und Verpflichtung sind. Dazu gehört Art. 27 der Uno-Menschenrechtserklärung zur Freiheit des Kulturlebens; aber auch Art. 9a «Kulturelle Teilhabe» des Kulturförderungsgesetzes (2009) und der darauf aufbauende Art. 67a «Musikalische Bildung» (2012) beinhalten klare Aufträge an den Bund, auf kulturellem Gebiet aktiv zu werden.

Anton Heiller wirkte auch in die Schweiz

Dozenten der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien schreiben über die österreichische Orgelkultur im 20. Jahrhundert, insbesondere den Wiener Organisten, Komponisten und Orgelpädagogen Anton Heiller.

Rudigier-Orgel des Mariä-Empfängnis-Doms in Linz. Foto: Uoaei1/wikimedia commons

Auf den ersten Blick scheint diese Publikation eher einen regionalen Fokus zu haben, indem sie die Orgelkultur unseres östlichen Nachbarlandes zum Thema macht, die im schweizerischen Kirchenmusik- und Konzertwesen heute wohl einen Platz am Rand einnimmt. Es zeigt sich allerdings schnell, dass die vier Beiträge aus der Feder dreier Dozenten an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien sehr wohl von höchstem Interesse sind.

Im Zentrum steht der Wiener Organist, Komponist und Orgelpädagoge Anton Heiller (1923–1979), der in den Jahren seiner Unterrichtstätigkeit nicht nur eine grosse Schar von Schweizer Organisten ausgebildet und geprägt hat, sondern auch durch seine Konzerttätigkeit und Schallplatten-Aufnahmen mit unserem Land sehr eng verbunden war. Roman Summereder gibt in seinem dreiteiligen Beitrag zunächst eine knappe, aber faszinierende Übersicht über Orgelkomposition im 20. Jahrhundert, die auch weniger bekannte Strömungen und Komponistennamen einschliesst und damit den Fokus erfreulicherweise etwas vom doch oft sehr dominanten französischen Orgelschaffen weglenkt.

Nach Skizzen von Heillers Biografie und Ästhetik stellt Summereder dann dessen gesamtes Orgelwerk mit kurzen analytischen Beschreibungen, Informationen zum Hintergrund der Werke und ihrer Geschichte bis hin zu den Notenausgaben und allfälligen Korrekturen und Druckfehlern vor. Um den Interpreten Heiller geht es im dritten Teil, und zwar nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, in Bezug auf Bach, sondern auf Werke Max Regers, Franz Schmidts und Paul Hindemiths. Eine Faksimile-Wiedergabe von Regers Choralfantasie Wachet auf, ruft uns die Stimme mit Registrierungen für die Rudigier-Orgel im Linzer Dom illustriert Heillers Vorgehensweise, das Werk auf ein «stilfremdes» Instrument zu übertragen; das Resultat ist auf der beigelegten CD zu hören, ebenso ein weiteres Werk sowie die bekannte Improvisation über Ave Maris Stella. Wertvolle Angaben zu Heillers Registrierpraxis in Hindemiths Orgelsonaten erlauben Rückschlüsse auf die Arbeit zwischen Interpret und Komponist und auf Hindemiths Zugang zur Orgel.

Anschliessend beleuchten zwei Texte von Wolfgang Kreuzhuber die Geschichte und Ästhetik der Marcussen-Orgel im Linzer Dom und den damit verbundenen Klangwandel in einem noch relativ lange eher einem spätromantischen Orgelklang verpflichteten Land. Am Beispiel der Orgel von St. Ursula in Wien (1968) und ihrer Vorbilder wird dieses Thema im letzten Kapitel von Peter Planyavsky noch weiter ausgeführt.

Fazit: eine ausserordentlich interessante Publikation, die eine Fülle von Informationen vermittelt über jenen Aufbruch der Klänge (dies der Titel einer weiteren, zur Lektüre empfohlenen Publikation von Roman Summereder, Edition Helbling 1995), der auch der Orgelkultur ausserhalb Österreichs, und ganz besonders in der Schweiz, entscheidende Impulse gab.

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Organum XX. Stationen österreichischer Orgelkultur im 20. Jahrhundert, Band 4 der Reihe «Wiener Beiträge zu Orgel und Kirchenmusik», hg. vom Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, 2018. 224 S., inkl. Audio-CD, € 35.00

 

Beethovens Chormusik

Bei Carus ist ein «Chorbuch Beethoven» erschienen, das Originalwerke, Arrangements und Neukompositionen vereinigt; und Bärenreiter hat eine neue Ausgabe der «Missa solemnis» herausgebracht.

Manuskriptseite aus der «Missa solemnis». Quelle: wikimedia commons

Beethoven hat leider einen schlechten Ruf, was die Sangbarkeit seiner Werke anbelangt. Zu hoch, zu laut, zu schnell, sind gängige Vorurteile, die sich darin begründen, dass seine chorsinfonischen Werke wie die 9. Sinfonie oder die Missa solemnis sehr hohe Anforderungen an die Ausführenden stellen. Man muss dabei aber auch bedenken, dass die extrem hohen Lagen kein handwerkliches Unvermögen, sondern bewusst Grenzen überschreitendes, kompositorisches Kalkül darstellen. Seine C-Dur-Messe op. 86 ist zum Beispiel genauso gesanglich wie grosse Messen von Haydn oder Mozart. Quantitativ allerdings gibt es von Beethoven im Vergleich zu Letzteren leider nur wenig Chormusik.

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Der Carus-Verlag hat nun in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Chorverband und Jan Schumacher als Herausgeber zum kommenden Beethoven-Jubiläum 2020 (250. Geburtsjahr) ein Chorbuch Beethoven herausgegeben. Neben wenig bekannten frühen A-cappella-Werken sowie Klavierfassungen aus seinem chorsinfonischen Repertoire sind geistliche und weltliche Bearbeitungen beethovenscher Musik aus drei Jahrhunderten enthalten. Darunter sind sowohl interessante Arrangements von Beethovens Zeitgenossen, einige kuriose Bearbeitungen durch Komponisten unserer Zeit (braucht man wirklich Für Elise als Alleluja-Chorstück?) und auch von Carus beauftragte Neukompositionen wie ein gelungenes Kanon-Quodlibet von Gunnar Eriksson. Unterm Strich ist dieses Chorbuch eine interessante Repertoire-Erweiterung und Fundgrube.
 

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Ähnlich wie Bachs h-Moll-Messe oder Mozarts Fragment gebliebene c-Moll-Messe gehört Beethovens Missa solemnis zu den grössten geistlichen Werken aller Zeiten. Sie stellt sehr hohe Anforderungen an die Ausführenden, sprengt den liturgischen Rahmen und ist für eine gottesdienstliche Verwendung kaum nutzbar. Einige für die damalige Zeit bahnbrechende Kompositionsideen sind das vokale Grenzen weit überschreitende, sich unermesslich steigernde Gloria in excelsis Deo, das einzigartige Et incarnatus est mit der Lebensodem einhauchenden Solo-Flöte, der mystische Schluss des Et vitam venturi saeculi mit den davor nicht enden wollenden Amen-Rufen, das mit der Solo-Violine zwischen Himmel und Erde schwebende Benedictus und das Agnus Dei, das mit der eindrucksvollen Solo-Pauke eine Kriegsszene darstellt und Beethovens ausdrückliche Bitte nach «innerem und äusserem Frieden» in Töne setzt.

Der Bärenreiter Verlag hat die Missa solemnis in einer sehr empfehlenswerten, vorbildlichen Edition herausgegeben. Die neue Urtext-Ausgabe des Werkes berücksichtigt alle Quellen einschliesslich der alten und neuen Gesamtausgabe. Dabei kommt der renommierte Beethoven-Spezialist Barry Cooper an etlichen Stellen zu abweichenden Lesarten, etwa im Sanctus, wo der Chor statt der Solisten einsetzt und nicht erst im Pleni sunt coeli. Ebenso erwähnenswert ist die Einbeziehung der Solisten zusätzlich zum Chor im überwiegenden Teil des Credos. Diese Sachverhalte und zahlreiche editorische Entscheidungen werden im ausführlichen Kritischen Bericht (engl.) dokumentiert.
 

Beethoven-Chorbuch, 41 Chorwerke SATB; Chorleiterband mit CD, CV 4.025, € 33.90; Chorbuch, CV 4.025/05, € 12.80; Carus, Stuttgart 2019

Ludwig van Beethoven: Missa solemnis op. 123, hg. von Barry Cooper; Partitur, BA 9038, € 98.00; Klavierauszug, BA 9038-90, € 13.50; Bärenreiter, Kassel 2019

 

Erstlinge eines neuen Labels

Dem Schweizer Musikleben und einem hohen technischen Standard verpflichtet, veröffentlicht Schweizer Fonogramm seine ersten Aufnahmen.

Graziella Contratto. Foto: Priska Ketterer,Sonate op. 56 C-Dur für zwei Violinen,Sonate opus posth. in a-Moll für zwei Violinen,1. Sinfonie, 1. Satz, Langsam, schleppend,1. Sinfonie, 2. Satz, Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell

«Schweizer Fonogramm» – Der Name des jüngsten Schweizer CD-Labels verspricht einiges. Er weckt Assoziationen an die guten alten Zeiten, als Tonträger das künstlerische Mass aller Dinge waren und Glenn Gould das Ende klassischer Konzerte prophezeien konnte. Ja, hier beschwört jemand aufwendig produzierte Tonaufnahmen, im Studio sorgfältig erarbeitete Interpretationen. Und die beiden Labelgründer, die Dirigentin Graziella Contratto und der Geiger und Tonmeister Frédéric Angleraux, tun dies mit einem klaren Bekenntnis zum Schweizer Musikleben.

Auf den ersten beiden Veröffentlichungen ist dieser Schweiz-Bezug vielleicht noch nicht so klar greifbar, dafür präsentieren sich die künstlerischen Leiter gleich selbst als Interpreten von hohem Niveau. Auf double-je spielt Angleraux gemeinsam mit Raphaël Oleg Violin-Duosonaten von Prokofjew, Honegger und Ysaÿe. Besonders fällt dabei das Zusammenspiel der beiden auf. Mit Leichtigkeit verschmelzen sie den Klang ihrer Violinen, nur um sich kurz darauf wieder klar getrennt gegenüberzustehen. Eine hörenswerte Aufnahme eines weniger bekannten Repertoires.
 

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Sergej Prokofjew
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Eugène Ysaÿe

 

Und Graziella Contratto präsentiert auf der CD Titänli gemeinsam mit dem Mythenensemble Orchestral Kammerversionen von Mahlers erster Sinfonie und Zemlinskys Orchesterlied Maiblumen blühten überall. Klaus Simons Arrangements erweisen sich dabei als Chance für alle Beteiligten. Die Ensemblemitglieder treten stärker in den Vordergrund als im grossen Orchester, dürfen auch ihre solistischen Qualitäten zeigen. Contratto versteht es, den sinfonischen Gestus des Werks trotz der verkleinerten Besetzung beizubehalten. Dazu trägt natürlich auch Angleraux Produktion bei, die ein kerniges Klangbild ganz nah an den einzelnen Instrumenten bietet. Es gibt also einiges zu entdecken in dieser Aufnahme. Denn wenn Mahlers Erstling in dieser Version – nicht sehr überraschend – etwas weniger orchestrale Wucht aufweist, so bieten im Gegenzug die bessere Durchhörbarkeit und stellenweise auch diverse stärker akzentuierte Stellen einen frischen Blick auf das Werk.

 

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Gustav Mahler
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aufnehmen

Fast schon eineinhalb Jahrhunderte lang können Tonaufnahmen abgespielt und vermarktet werden. Handliche elektronische Alleskönner haben vielerorts die einst komplizierten Apparate abgelöst. Welche Folgen hat das im Musikunterricht, im Tonstudio, für die Künstlerinnen und Künstler?

Alle blau markierten Artikel können durch Anklicken direkt auf der Website gelesen werden. Alle andern Inhalte finden sich ausschliesslich in der gedruckten Ausgabe oder im e-paper.

Focus

Aider à raconter ce qu’on a à raconter
Entretien avec Sacha Ruffieux, dans son studio d’enregistrement

Verbreiten gern – herstellen lieber nicht
Promotion von Musikaufnahmen ist das eine, deren Produktion das andere

Apprendre un instrument de musique comme le vélo ?
L’enregistrement est un formidable outil pour l’enseignement musical

Multifunktional und immer dabei
Handys und Tablets beeinflussen mit vielen Apps den Musikunterricht

 

… und ausserdem

RESONANCE


Werner Wehrlis Werk auf www

Un arbre ne peut grandir seul et sans humus — Entretien avec Olivier Lattion

Hommage et création posthume pour Caroline Charrière

Ein Festival, überall — ZeitRäume Basel – Biennale für Neue Musik und Architektur

Das grosse Rauschen — Musikfestival Bern

Scharniere zur Natur — Festival Rümlingen

Glücksgefühl und Melancholie — Donaueschinger Musiktage 2019

Blasmusikalische Höhenflüge — #burgdorf19 und Aulos-Jubiläum

«Oratorium» zur Kulturpolitik — Sandra Künzi zu Gast bei der Parlamentarischen Gruppe Musik in Bern

Branchentreff der Chorszene — chor.com in Hannover

Carte blanche für Bernhard Billeter

 

CAMPUS


Musique à la gare Cornavin de Genève pour annoncer la cité

L’HEMU inaugure ses studios d’enregistrement à Lausanne

Singen mit uns allen ist immer toll — Musizieren mit Kindern und Senioren im Altenpflegeheim

Ein Königsweg der Musikvermittlung — miam-Konzerte in Uster
 

FINALE


Rätsel
— Torsten Möller sucht


Reihe 9

Seit Januar 2017 setzt sich Michael Kube für uns immer am 9. des Monats in die Reihe 9 – mit ernsten, nachdenklichen, aber auch vergnüglichen Kommentaren zu aktuellen Entwicklungen und dem alltäglichen Musikbetrieb.

Link zur Reihe 9


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Kategorien

Pendereckis Sinfonien

Alle acht Sinfonien von Krzysztof Penderecki als Studienpartituren im Schuber.

Krzysztof Penderecki 2015. Foto: Mirosław Pietruszyński (s. unten)

Enzyklopädische Editionen sind ein Zeichen von Seniorität. Sie haben zumeist ein beträchtliches Gewicht (real wie auch im übertragenen Sinn), werden aber auch, eine gute Festtagsstimmung im Verlag vorausgesetzt, vergleichsweise günstig unter die Leute gebracht. Eine besondere Auszeichnung ist es, wenn ein solchermassen geschnürtes Paket das Werk eines lebenden Komponisten betrifft. So hat der Schott-Verlag zum 85. Geburtstag von Krzysztof Penderecki (am 23. November 2018) einen Schuber herausgebracht, der die Studienpartituren der Sinfonien Nr. 1–8 vereint.

Entstanden zwischen 1972/73 und 2008/17, beschreiben sie das Œuvre dieses sich im ständigen stilistischen Wandel befindenden Komponisten: von der Klangsuche durch chromatische Cluster bis hin zur ungefährlichen Neo-Romantik. Die repräsentative Gattungsbezeichnung verfängt dabei einmal mehr – und dies, obwohl die letzten Werke als Folge von Gesängen konzipiert wurden (nach Texten von Hans Bethge, lateinischen Vorlagen oder deutschsprachigen Gedichten über die Vergänglichkeit). Erstaunlich ist, welchen Weg Penderecki in die hier festgehaltenen Jahrzehnte beschritten hat und wo offenkundig Problemstrecken lagen. Dies betrifft vor allem die 6. Sinfonie (Chinesische Lieder), deren Entstehungszeit mit 2008/2017 angegeben wird, wo doch die 7. Sinfonie bereits 1996 abgeschlossen wurde. Hier zeigt sich dann auch, was der stattlichen Publikation am Ende fehlt: ein Essay, eine kleine Dokumentation, aussagekräftige O-Töne. So wie diese Worte: «Wenn ich Sinfonien schreibe, ist die Architektur des Ganzen das Wichtigste.» (zitiert nach BR Klassik)

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Krzysztof Penderecki: Sinfonien Nr. 1–8, Studienpartituren im Schuber, ED 23098, € 99.00, Schott, Mainz

 

 

 

Foto oben: Mirosław Pietruszyński / wikimedia commons CC BY-SA 4.0

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